Präsentation 4 - Universität Leipzig

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Die Juristenfakultät
der Universität Leipzig
Arbeitsgemeinschaft zur Vorlesung im Bürgerlichen Recht WS 15/16
Donnerstag, 19. November 2015
Till Göckler, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Fall 04 – Sachverhalt
Der verbitterte Rüdiger Rosenfeldt ist passionierter Zigarrenraucher.
Zur Mittagszeit setzt sich Rüdiger in den Bayerischen Löwen und
studiert die handschriftlich verfasste Tageskarte. Er bestellt beim
glatzköpfigen Wirt Willi (W) den Mittagsrenner: Ente mit Knödeln und
Rotkohl sowie eine Mass Bier für 15 €. Als Willi das Essen bringt, will
sich Rüdiger genüsslich eine Zigarre anstecken – hat aber die
Rechnung ohne den rigorosen Willi gemacht. Dieser fordert ihn sofort
dazu auf, die Zigarre auszudrücken oder vor der Türe weiter zu
rauchen. Rüdiger ist aufgebracht, isst sein Essen aber – ohne weiter zu
rauchen – murrend auf und zahlt. Kurze Zeit später verlässt Rüdiger
das Restaurant, allerdings nicht ohne zuvor Willi noch ein Schnippchen
zu schlagen: Mit seinem Kugelschreiber macht sich Rüdiger an die
Tageskarte und verändert gekonnt den Preis für den Mittagsrenner auf
10 €, was beim Durchlesen der Karte nicht auffällt.
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Sachverhalt
Wenig später kommt der Jurastudent Jakob (J) in den Bayerischen Löwen und
setzt sich an den Platz, an dem die Tageskarte mit der falschen Preisangabe
liegt. Jakob ist eigentlich kein großer Fan von Ente – lieber hätte er die
knusprige Schweinshaxe. Da ihm das Angebot für 10 € aber recht günstig
erscheint, bestellt er bei Willi „Einmal den Mittagsrenner“. Dass der in der
Tageskarte angegebene Preis von 10 € nicht richtig sein könnte, ahnt Jakob
aufgrund der gekonnten Änderung durch Rüdiger nicht. Auch Willi ist ebenso
wenig in Kenntnis darüber, dass die Tageskarte einen falschen Preis ausweist.
Als Jakob nach dem Essen die Rechnung bekommt, ist die Überraschung groß,
denn Willi verlangt für das Essen 15 € – wie in allen anderen Speisekarten
angegeben. Jakob ist dagegen der Ansicht, er müsse niemals mehr als 10 €
bezahlen. Für ihn hört sich die ganze Sache eher danach an, als hätten er und
Willi überhaupt keinen Vertrag geschlossen.
Bearbeitervermerk:
Was kann Willi von Jakob verlangen?
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Im Gutachten
Suche nach einer Anspruchsgrundlage: § 241 I BGB auf Entgeltzahlung
Obersatz
Zu prüfen ist, ob W von J Zahlung des Menüpreises i.H.v. 15 € aus einem
Bewirtungsvertrag nach §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB verlangen kann.
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
•
Mögliche Anspruchsgrundlagen
– § 433 I BGB
(-)
– § 611 I BGB
(-)
– § 535 II BGB
(-)
 Bewirtungsvertrag als Mischvertrag verschiedener Grundtypen
(+)
 §§ 241 I, 311 I BGB
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Im Gutachten
Zu prüfen ist, ob W von J Zahlung des Menüpreises i.H.v. 15 € aus einem
Bewirtungsvertrag verlangen kann.
Zunächst ist zu überlegen, auf Grundlage welchen Vertragstypus‘ W von J
Entgeltzahlung verlangen könnte. Im Falle eines Kaufvertrages i.S.v. § 433
Abs. 1 BGB würde W gegenüber J nur die Übergabe und Übereignung der einzelnen
Zutaten schulden. Ein Kaufvertrag würde folglich nicht berücksichtigen, dass das
Essen vor dem Verzehr zubereitet werden muss und J zusätzlich das Geschirr und
Besteck von W benutzt.
(…)
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
•
Mögliche Anspruchsgrundlagen
– § 433 I BGB
(-)
– § 611 I BGB
(-)
– § 535 II BGB
(-)
 Bewirtungsvertrag als Mischvertrag verschiedener Grundtypen
(+)
 §§ 241 I, 311 I BGB
• Anspruchsvoraussetzungen
 Bewirtungsvertrag zwischen W und J
 Antrag und Annahme
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
• Anspruchsvoraussetzungen
 Bewirtungsvertrag zwischen W und J
 Antrag
(+)
 Von W durch Auslegen der Speisekarte
 Invitatio ad offerendum
 Von J durch Bestellen des Mittagsrenners
 Auslegung des Erklärten am objektiven Empfängerhorizont, § 133,
157 BGB
 Annahme
(+)
(+)
 Von W
 Durch konkludentes Verhalten
Datum 20. November 2015
(-)
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
• Anspruchsvoraussetzungen
 Bewirtungsvertrag zwischen W und J
 Antrag und Annahme
 Korrespondenz der Erklärung / Vertragsinhalt
 W geht von 15 € aus, J geht von 10 € aus
 Auslegung der Erklärung von J am objektiven
Empfängerhorizont eines Wirts, §§ 133, 157 BGB
 W durfte davon ausgehen, dass J den Vertrag zu 15 €
schließen möchte
 Auslegung der Erklärung von J am objektiven
Empfängerhorizont eines Gastes, §§ 133, 157 BGB
 Auch J durfte davon ausgehen, dass er mit seiner
Erklärung einen Vertrag zu 10 € anträgt
 Verborgener Dissens zwischen den Parteien, § 155 BGB
Datum 20. November 2015
Till Göckler
(+)
(-)
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
• Anspruchsvoraussetzungen
 Bewirtungsvertrag zwischen W und J
 Antrag und Annahme
 Korrespondenz der Erklärung / Vertragsinhalt
• W kann von J nicht Zahlung i.H.v. 15 € aus einem
Bewirtungsvertrag verlangen.
Datum 20. November 2015
Till Göckler
(-)
(+)
(-)
Fall 04 – Im Gutachten
Suche nach einer Anspruchsgrundlage: § 241 I BGB auf Entgeltzahlung
Obersatz
Stattdessen könnte W gegen J jedoch ein Anspruch auf Zahlung des Menüpreises i.H.v.
10 € aus einem Bewirtungsvertrag nach §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB zustehen..
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: §§ 241 I, 311 I BGB
• Anspruchsvoraussetzungen
 Bewirtungsvertrag zwischen W und J
(-)
 Korrektur unter Wertungsgesichtspunkten
(+)
 § 242 BGB
 Venire contra factum proprium
• Folglich kann W von J Zahlung i.H.v. 10 € nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben verlangen.
Datum 20. November 2015
Till Göckler
Fall 04 – Lösung – W  J: Zahlung von 5 €
• § 812 I 1. BGB
 Etwas erlangt
(+)
 Ohne rechtlichen Grund
(+)
 Durch Leistung
(+)
• Rechtsfolge
 Herausgabe nach § 818 I BGB
 Wertersatz nach § 818 II BGB
 Entreicherung nach § 818 III BGB
 W kann von J nicht Wertersatz i.H.v. 5 € verlangen.
Datum 20. November 2015
Till Göckler
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