http://www.mediaculture-online.de Autor: Neuß, Norbert. Titel: Werbung. Quelle: Jürgen Hüther/ Bernd Schorb (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. 4., vollständig neu konzipierte Auflage. München 2005. S. 414-420. Verlag: kopaed verlagsgmbh. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Norbert Neuß Werbung Das englische Wort für Werbung „advertising" stammt vom lateinischen advertere und bedeutet aufmerksam machen. Werbung fördert die Bekanntheit und die Bedeutung eines Angebots, indem sie Informationen über das gesamte Leistungsangebot eines Produktes oder einer Dienstleistung vermittelt. Diese Vermittlung geschieht üblicherweise durch die verschiedensten Medien mit hohem finanziellen Aufwand und - wie folgende Stichworte nur andeuten können - auch mit einem enormen „Differenzierungspotential": Marktgrößen, Marketingkonzepte, Marketingstrategien, marketingpolitische Instrumente, MarketingOrganisation, Marktinformationsbeschaffung, Marktforschung und Marktprognosen, Motivforschung, Produktlebenszyklus, Werbewirtschaft, Produktstrategien, Produktvariation, Werberat, Preispolitik, Werbeplanung, Rabattpolitik, Sponsoring, Werbeanalyse, Absatzwege, Marketing-Logistik, Kommunikationspolitik, Verkaufsförderung, Public-Relations, Werbeagentur, Werbeziele, Werbebudget, Werbekonzeption, Käuferverhalten, Werbeforschung, Produktpolitik, Zielgruppendefinition, ProductPlacement, Werbemittel, Werbewirkung. Dieser Aufzählung weist darauf hin, dass das Thema Werbung' u.a. unter medienwissenschaftlichen, kommunikationswissenschaftlichen, psychologischen, soziologischen, politischen, ökonomischen und marketingspezifischen Perspektiven betrachtet werden kann. Mit Blick auf die Komplexität und Differenziertheit der theoretischen und praktischen Kontexte, die mit dem Begriff Werbung' verbunden sind, muss danach gefragt werden, was die spezifisch medienpädagogische Perspektive auf das Thema Werbung' sein kann. Baacke und Kübler (1991, S. 15) definieren: „Aufgabe 1 http://www.mediaculture-online.de der >Medienpädagogik ist es anzugeben, an welchen Stellen in der Interaktion von Medien und Menschen (hier vor allem: Kindern und Jugendlichen) erziehend und bildend, lehrend und beratend, orientierend und informierend einzugreifen sei." Folgt man dieser Aufgabenbeschreibung, muss mit Blick auf das Thema,Werbung' danach gefragt werden, wo Probleme durch die Interaktion von Heranwachsenden mit werbenden Medien' entstehen, die einen medienpädagogische Handlungsbedarf verdeutlichen. In diesen Zusammenhang gehören auch Überlegungen, die die zunehmende Kommerzialisierung verschiedenster Lebensbereiche, die Mediatisierung von Erlebnisräumen, die enge Verknüpfung von Medien und Wirtschaft sowie die Wahrnehmung und Beeinflussung von Kindern als kaufkräftige Zielgruppe thematisieren. So ist es bspw. möglich, dass sich Kinder einzelnen Werbespots entziehen, entscheidend ist aber die über die Fernsehwerbung mitvollzogene gesellschaftliche Entwicklung, die Konsum in den Mittelpunkt von Handlungen und Kommunikationen stellt. Über diese Fragen und Probleme geben unterschiedlichste medienpädagogische Studien Auskunft. 1. Medienpädagogische Studien Die Diskussion um das Thema „Kinder und Werbung" wurde zuletzt durch das gleichnamige Gutachten von Baacke/Sander/Vollbrecht (1993) neu entfacht. So war in den Schlussfolgerungen und Empfehlungen dieses Gutachtens zu lesen: „Eine entscheidende Maßnahme im Bereich der Werbeerziehung wäre es, allererst Maßstäbe zu erarbeiten für das, was Kindern zuträglich ist oder nicht. Es gibt zwar OrientierungsKataloge, die aber der Ausdeutung und Präzisierung bedürfen. Zum Beispiel ist kindliche Unerfahrenheit' (die Werbung nicht ausnutzen soll) erst sinnvoll zu interpretieren, wenn genauer gesagt werden kann, worin kindliche Unerfahrenheit' heute besteht" (Baacke u.a. 1993, S. 233). Da das Gutachten von Baacke/Sander/Vollbrecht (1993) selbst keine empirische Studie sondern eine auf den deutschsprachigen Raum begrenzte Literaturübersicht und -analyse darstellte, waren sozialwissenschaftliche Untersuchungen nötig. Dieser Forschungslücke ging die Studie „Fernsehwerbung und Kinder" von Charlton/ Neumann-Braun/Aufenanger u.a. (1995) nach. Die Autoren dieser Forschungsarbeit führten eine empirische Programm-, Produkt- und Rezeptionsanalyse durch. In der Programmanalyse sollte aufgezeigt werden, ob und welchem Werbedruck Kinder durch Fernsehwerbung ausgesetzt sind, in der Produktanalyse, mit welchen 2 http://www.mediaculture-online.de Werbestrategien gearbeitet wird und welche Weltbilder in Werbespots zu finden sind, in der Rezeptionsanatyse ging es darum, wie Kinder im Alter zwischen 4 und 14 Jahren Werbung verstehen und wie sie Programm und Werbung unterscheiden können. Als ein Ergebnis ist zu nennen, dass der massive Einsatz von Kinderwerbespots einzelner Firmen sich auch auf wenige Sender konzentriert und dabei besonders noch auf jene Zeiten, in denen Sendungen ausgestrahlt werden, die die kindlichen Zuschauer bevorzugen. Vor allem an Samstag- und Sonntagvormittagen verstärken einige Firmen (z.B. Mattel und Nintendo) den Einsatz ihrer Kinderwerbespots. Die Einbettung von Kinderwerbung in das Programmumfeld erfolgt häufig sehr gezielt durch sogenannte Kinderwerbeblöcke in i Kinderprogrammmen, in denen mehr als die Hälfte aller Werbespots Kinderwerbespots mit Produktwerbung für Kinder darstellen. Diese interdisziplinäre Studie von Soziologen, Psychologen sowie Erziehungs- und Rechtswissenschaftlern fand in Bezug auf die kindlichen Rezipienten von Werbung heraus, dass 37% der Vierjährigen den Unterschied zwischen Werbung und Programm nicht kennen. Sie haben keine Kategorisierungsstrategien und sind der Fernsehwerbung ohne Kontrollstrategien ausgeliefert. Das gleiche gilt für noch 21% der fünfjährigen und 12% der sechsjährigen Kinder (Charlton u.a. 1992, Bd. 2, S. 58). Diese Ergebnisse wurden als eine große Herausforderung für die verantwortlichen Aufsichtsgremien (z.B. Landesmedienanstalten für priv. Rundfunk) gedeutet. Auch in aktuelleren Studien z.B. „Zielgruppe Kind" von Baacke/Sander/Vottbrecht/Kommer u.a. (1999) wird die quantitative Zunahme von Werbung durch die Verbreitung der Privatsender als problematisch angesehen. Baacke u.a. (1999, S. 324) bestätigen drei Problembereiche: „Erstens können insbesondere Vorschulkinder nur unzureichend Werbung von Programm unterscheiden; hier ist eine größere spezifische Teilgruppe identifizierbar, die diese Verständnisleistung nicht erbringen kann. Zweitens haben alle Kinder Schwierigkeiten, ungewohnte Formen der Werbung (Non-Spotwerbung) zu verstehen, und drittens übt die Familie nur einen beschränkten Einfluss auf die Werbeerziehung aus. Weil Medienpädagogik sich sachlich mit dem Gegenstand beschäftigen muss, auf den sich die erzieherischen, beratenden oder bildenden Einflussnahmen beziehen sollen, sind auch immer wieder inhaltsanalytische und rechtliche Studien von Belang. Eine solche Studie trägt den Titel „Die Trennung von Werbung und Programm im Fernsehen': Sie wurde von Volpers/Herkströter/Schnier (1998) angefertigt und beschäftigte sich mit 3 http://www.mediaculture-online.de programmlichen und werblichen Entwicklungen im digitalen Zeitalter und ihren Rechtsfolgen. Bei dieser Studie stehen also nicht die Rezipienten oder sich daran anschließende pädagogische Überlegungen im Mittelpunkt, sondern die Programmangebote des Fernsehens, die in ihnen vorkommenden oder zu erwartenden Werbeformen sowie deren rundfunkrechtliche Regelung. (>Medienrecht) Die Ergebnisse dieser Studie erscheinen für die Medienpädagogik wichtig, weil sie die raffinierten Werbestrategien unter dem Aspekt der rundfunkrechtlichen Seite betrachtet. So gehen Volpers u.a. auf die Darstellung von Werbung und werblichen Erscheinungsformen im Fernsehen ein und problematisieren diese. Grundsätzlich heben Volpers u.a. (1998, S. 53) hervor: „Die für die Fernsehwerbung in Deutschland geltenden Rechtsnormen fordern eine strikte Trennung von Werbung und Programm und eine Kennzeichnungspflicht der Werbung. Beide Bestimmungen sollen verhindern, daß das Fernsehprogramm für den Zuschauer zu einem nicht mehr zu entwirrenden Konglomerat aus Werbung und redaktionellem Angebot verschmilzt." Sie nennen zehn bereits bestehende konventionelle Formen der Werbung im Fernsehen: Werbespots und Werbeblöcke, Sponsoring, Dauerwerbesendungen, Gewinnspiele, Teleshopping, Product Placement formen der Schleichwerbung, Banden- und Trikotwerbung, Bartering, Merchandising und Licensing. Außerdem prognostizieren die Autoren u.a. folgende neuartige oder geplante Werbeformen für das Fernsehen: Infomercials (langformatige Produktwerbefilme von 15 bis 60 Minuten), Storymercials (kurze Werbegeschichten, die rund um ein Produkt erzählt werden) und Split-Screening (parallele Ausstrahlung von Werbung und Programm durch die Aufteilung des Bildschirms, z.B. ein Viertel für Werbung, drei Viertel für Programm). Dass die bereits bestehenden und die vermutlich zukünftigen Werbeformen im Fernsehen so entwickelt werden, dass es für den Rezipienten immer schwieriger wird, Werbung und Programm zu differenzieren, beschreiben Volpers u.a. (S. 61) folgendermaßen: „Je stärker sich die Werbung in ihrer Gestaltung an Programmelemente anlehnt, desto schwieriger ist der werbliche Charakter einzelner Kommunikationsinhalte für den Zuschauer zu erkennen. Wir können derzeit eine Mischung aus Programmund Werbung feststellen, die vom Zuschauer ein erhebliches Maß an Media Literacy erfordert. Mit diesem Begriff wird die Fähigkeit des Rezipienten beschrieben, mit einen Medium kompetent umzugehen. Hierbei sind je nach Alter, Bildung und Mediensozialisation erhebliche Unterschiede festzustellen. Insofern erscheint es nicht unbedenklfch,Wenn 4 http://www.mediaculture-online.de gerade im Kinderfernsehen die formale und inhaltliche Angleichung zwischen Werbung und Programm am weitesten fortgeschritten ist." 2. Werbekompetenz und Werbepädagogik Vor diesem Forschungshintergrund wurde seit Ende der90er Jahre die besondere Problematik in der Werbekompetenz von Vor- und Grundschulkindern gesehen und verstärkt werbe- und konsumpädagogische Arbeit gefordert, Erste Ansätze dazu liegen im medienpädagogischen Bereich mit den Arbeiten von Peter „Kinderwerbung Werbekinder" und Lange/Didszuweit „Kinder, Werbung und Konsum" vor. Mayer liefert neben einer Darstellung der Bedingungen, Strategien und üe[e der werbetreibenden Wirtschaft und den Kindern als Zielgruppe und Stilmitteldelgerbung, knappe Überlegungen zu einer Werbepädagogik. (>Kinder und Medien) Wie u.a. die Studie des Deutschen Jugendinstitutes zeigt, ist die Schule von Konzepten zur Werbepädagogik weit entfernt. Erste Vorschläge zur Werbepädagogik in der Schule machen Lange/Didszuweit. Sie sehen es für wichtig an, die Eigenkompetenzvon Kindern zu fördern, aber auch Werbewelten zu entmythologisieren. Dieses Zielseiam ehesten in einem Unterricht umzusetzen, der sich auf das Werbewissen und dielverbeerfahrungen der Kinder einlässt, um offen mit ihnen darüber zu sprechen oderdiese spielerisch zu bearbeiten. In ihrem kurzen didaktischen Teil zeigen sie exemplarisch drei Bausteine zur Werbeerziehung, die sich an die Zielgruppe der 11- bis 15-Jähdgen richten. Der Einsatz der didaktischen Bausteine ist hauptsächlich mit Blick auf die >Schule ausgelegt und regt die Themen 'Konsum und Outfit', 'Beeinflussung durch6terbung' und 'Werbebotschaften' an. Fürjüngere Kinder wurden zwei MaterialsätzezumThema 'Kinder und Werbung' entwickelt. Während der erste Baukasten (LfM Nordrhein-Westfalen u.a. 1999) sich deutlicher für den Einsatz in der Grundschule und Familie eignet, sind die 2003 erschienenen Bausteine (LfM Nordrhein-Westfalen u.a. 2003) für den praxisnahen Einsatz im Kindergarten geeignet. Diese für die medienpädagogische Praxis entwickelten Baukästen sind eine didaktisierte Sammlung mit Aktionstipps, Bastelmaterialien, Spielen und Medien zum Thema „Werbekompetenz". Für den Bereich des Kindergartens liegen weiterhin mit dem praxisorientierten Forschungsprojekt „Vermittlung von Werbekompetenz" (Aufenanger/Neuß 1999) gezielte medienpädagogische Strategien zur Förderung der Werbekompetenz von 5 http://www.mediaculture-online.de Vorschulkindern, Eltern und ErzieherInnen vor. Wie Mayer aber auch Kommer hervorheben, kann eine Werbe- und Konsumpädagogik nur in Zusammenarbeit mit erzieherischen Institutionen, wie es die Familie, der Kindergarten und die Schule sind, gelingen. Allerdings wurden von der Medienpädagogik bisher kaum gezielte pädagogische Konzepte für die Thematik der Werbe- und Konsumpädagogik entwickelt. Dies mag daran liegen, dass sie bis in die 80er Jahre hinein eine negative, kulturkritische Sicht der Werbung in der Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule vertrat. Danach bestand die wesentliche Funktion von Werbung in einer Verführung zum Konsum und Werbung diente dazu, die Menschen ihren eigentlichen Bedürfnissen zu entfremden. Erst in den 90er Jahren wurde versucht, das Verhältnis von Kindern zu Werbung aus der Sicht der Kinder zu bestimmen. 3. Recht und Jugendschutz Trotz der Förderung der Werbekompetenz sind auch die rechtlichen Regelungen zum „Jugendschutz in der Werbung und im Teleshopping" für Medienpädagogen zu beachten. Diese erweiterten Regelungen wurden im § 6 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (>Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV) festgelegt. Diese Jugendschutzrichtlinien und Werberichtlinien wurden auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrages von den Landesmedienanstalten gemeinsam erarbeitet. Damit ist sichergestellt, dass in allen Bundesländern die gleichen Kriterien zur Anwendung kommen. Mit Inkrafttreten eines neuen Rundfunkstaatsvertrags wurden auch die Jugendschutz- und Werberichtlinien neu gefasst und sind zum 1.4.2003 in Kraft getreten. Dort heißt es u.a. „Werbung darf Kindern und Jugendlichen weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen, darüber hinaus darf sie nicht 1. direkte Kaufappelle an Kinder oder Jugendliche enthalten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, 2. Kinder und Jugendliche unmittelbar auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen, 3. das besondere Vertrauen ausnutzen, das Kinder oder Jugendliche zu Eltern, Lehrern und anderen Vertrauenspersonen haben, oder 4. Kinder oder Minderjährige ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen. 6 http://www.mediaculture-online.de 5. Werbung, deren Inhalt geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, muss getrennt von Angeboten erfolgen, die sich an Kinder oder Jugendliche richten." (http://www.alm.de/bibliothek/download/JMStV.pdf; 14.2.04) Über die Einhaltung dieser Gesetze wacht die neu eingerichtete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Durch das Einbringen von medienpädagogischen Forschungsergebnissen (>Medienforschung) kann die Medienpädagogik dazu beitragen, die regelmäßig aufkommenden Diskussionen um die negativen Auswirkungen von , Werbung' auf das Weltbild und die Verhaltensweisen von Heranwachsenden zu versachlichen. Begründete Argumente können so von unbegründeten pädagogischen Vorbehalten unterschieden werden. Gleichzeitig muss bedacht werden, dass das Thema „Werbung und Konsum" (ähnlich dem Thema 'Medien und >Gewalt') auch dazu dient, gesellschaftlich-kulturelle und ethisch-normative Wandlungsprozesse zu reflektieren. So manche Werbung' wird auf diese Weise zur Thematisierung von veränderten bzw. sich wandelnden Werten innerhalb der Gesellschaft genutzt. (Vgl. http://www.werberat.de) Dabei bezwecken die Diskussionen häufig das Justieren von überschrittenen und bisher geachteten ethischnormativen Übereinkünften. Dies bezieht sich auf Tabubrüche (z. B. BennetonWerbung), erotische Darstellungen in der Werbung (z.B. H&M-Werbung), die entwürdigende Darstellung von Frauen, Werbung unter Ausnutzung religiöser Motive oder mögliche Kinder- und Jugendgefährdungen. 4. Werbeästhetik und Identitäten Zum Schluss sei noch auf eine Dimension hingewiesen, die von Pädagogen manchmal übersehen wird. Sie betrifft die visuell-symbolische Ebene der Werbung und ihre mögliche identitätsstiftende Funktion. Gerade Werbung, die sich an Kinder und Jugendliche wendet, arbeitet mit starken Symbolen und ästhetischen Reizen, die einen Genuss im visuellen Erlebnisstrom darstellen. (>Ästhetische Bildung) Aber gerade darin kann auch ein Problem liegen, denn der visuelle Genuss Werbung' ist kaum von den Konsumprodukten zu trennen, für die geworben wird. Hinzu kommt, dass Werbung Werte vermittelt, indem sie an die materielle Seite der (Waren-)Werte immaterielle, pointierte Aussagen über Image, Lifestyle und Kommunikations- und Handlungsformen knüpft. Beides, sowohl das prinzipielle Hervorheben von materiellen Werten als auch die 7 http://www.mediaculture-online.de Verknüpfung mit immateriellen Botschaften, kann aus medienpädagogischer Perspektive problematisiert werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die beworbenen Produkte eine symbolische Bedeutung für Heranwachsende haben können. Im Zusammenhang mit dem Individualisierungsdruck (Beck 1986) und den sich daran anschließenden Ausformungen der Ästhetisierung des Alltagslebens (Schulze 1993), verändert sich auch die Bedeutung von Gegenständen und Dingen. So werden Gegenstände weitaus weniger an ihrem Gebrauchswert als vielmehr an ihrem Symbolwert gemessen. Die Attraktivität von Gegenständen wird also hinsichtlich ihrer Eignung für die Selbstdarstellung, Kommunikation und Symbolhaftigkeit hinterfragt. Bei der Aufgabe, die eigene Biographie sinnvoll zu gestalten, benutzen Heranwachsende die Jugendsprache der Werbung („Nicht immer, aber immer öfter") und die Symbole (Lifestyle-Waren, z.B. Turnschuhmarken). Diese medial vermittelten Symbole werden auf unterschiedliche Weise in den Alltag integriert. Dabei zitieren und collagieren sie aus dem unerschöpflichen Vorrat der medialen WerbeBilderWelten. Für Jugendliche werden bestimmte Markenprodukte zum Erkennungsschlüssel für ,Gleichgesinnte'. Sein und Design fließen ineinander. Die medienpädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema Werbung' muss zunächst diese symbolischen Gehalte im Zusammenhang mit den jugendkulturellen Stilen erkennen, um damit sensibel umgehen zu können. Gleichzeitig bleiben die Ziele der >Medienpädagogik bestehen, die Mündigkeit und Autonomie von Heranwachsenden auch in Anbetracht eines verlockenden (und massiven) Werbe- und Konsumangebotes zu fördern und sie bei ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen. Literaturempfehlungen: Aufenanger, S./Neuß, N.: Alles Werbung, oder was? Medienpädagogische Ansätze zur Vermittlung von Werbekompetenz im Kindergarten. Schriftenreihe der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen, Bd. 13., Kiel 1999. Charlton, M./Neumann-Braun, K./Aufenanger, S./Hoffmann-Riem, W. u.a.: Fernsehwerbung und Kinder. Band 1 und 2. Opladen 1995. Mayer, A. E.: Kinderwerbung - Werbekinder. Pädagogische Überlegungen zu Kindern als Zielgruppe und Stilmittel der Werbung. München 1998. Meister, D. M./Sander, U. (Hg.): Kinderalltag und Werbung. Zwischen Manipulation und Faszination. Berlin 1997. 8 http://www.mediaculture-online.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Rechteinhabers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme weiterverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. 9