Grundzüge der Reliefgliederung Herbert Liedtke und Roland Mäusbacher Die Oberflächenformen Deutschlands sind außerordentlich mannigfaltig und haben sehr unterschiedliche Entstehungsursachen. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind die verschiedenen Gesteinsarten und deren Lösung und Verwitterung, die Höhenlage eines Gebietes, die Lagerung der Schichten, die Arbeit von Wasser und Wind, die überkommene Vorzeitformung und frühere Vulkantätigkeit. Je mehr man ins Gebirge kommt, umso mehr gewinnt die Reliefenergie ( Beitrag Burak/ Zepp/Zöller, S. 26) an Bedeutung. Die Verwitterung stellt Feinmaterial zur Verfügung, das vom Wasser schnell in tiefere Gefilde verfrachtet wird. Umso erstaunlicher ist es, dass sich noch sehr viele hoch gelegene Flächen aus lange zurückliegender Zeit als Rumpfflächen erhalten haben, die große Teile unserer Gebirge prägen ( Beitrag Hüser/Kleber, S. 88). Im Vergleich mit dem natürlich gebildeten Relief sind die Eingriffe des Menschen, mögen sie lokal noch so gewaltig erscheinen, nur äußerst gering. Das Alter der deutschen Landschaften Dünen an der Nordsee Das Nahetal bei Bad Münster am Stein (Ortsteil Ebernburg) mit dem Rotenfels, der mit 200 m höchsten Steilwand nördlich der Alpen Altarme des Rheins bei Otterstadt südlich von Ludwigshafen Der Watzmann (2713 m) – das Wahrzeichen des Berchtesgadener Lands. Die von der Südspitze des Watzmanns zum Königssee abfallende, fast 2000 Meter hohe Ostwand ist der höchste Felsabsturz der Ostalpen. 58 Küsten: Die Küsten sind die jüngsten Landschaftstypen in Deutschland. Ihr geringes Alter liegt an dem nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstieg ( Beitrag Behre, S. 76), der erst vor etwa 4000 Jahren seine heutige Höhe erreichte. Die Küstenformen sind ständigen Veränderungen unterworfen, entweder durch direkten Wellenschlag gegen das, sieht man von einzelnen Felsküsten wie Helgoland ab, fast nur aus Lockermaterial bestehende Festland oder durch die vom Wind ausgelösten Wasserströmungen entlang der Sandriffe, an denen Sande transportiert werden, die zum Aufbau von Haken und Nehrungen führen. Ebenso schnellem Wandel unterliegen die Küstendünen ( Foto), die besonders bei Sturmfluten gefährdet sind. Nur eine geschlossene Vegetationsdecke gewährt ihnen eine gewisse Standhaftigkeit. Jungmoränengebiete: Die Jungmoränenlandschaften entlang der Ostseeküste und im südlichen Teil des Alpenvorlandes waren noch vor 20.000 Jahren von Inlandeis oder Gletschern bedeckt. Sowohl während der kurzen Vorrückungszeit des Eises als auch während der Abschmelzzeit, die zusammen nur 7000-10.000 Jahre dauerten, prägte das Eis das unter ihm befindliche Gelände durch Ausschürfungen und Ausspülungen und während der Abschmelzzeit besonders durch die Ablagerungen seiner Schmelzwasser. Dabei entstanden innerhalb von nur wenigen tausend Jahren Endmoränen, Grundmoränen- Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Relief, Boden und Wasser platten, Sander und Urstromtäler ( Beitrag Liedtke, S. 66). Altmoränengebiete: Auf das ganze etwa 2,4 Mio. Jahre dauernde Eiszeitalter entfallen mehrere Eiszeiten. Die intensiven Abtragungsprozesse in dieser Zeit betrafen besonders die wenig mächtigen Ablagerungen am Außenrand der Vereisung. Von diesen in Sachsen und Thüringen knapp 800.000, in Nordrhein-Westfalen etwa 300.000 Jahre alten Ablagerungen sind oft nur noch einige skandinavische Geschiebe erhalten, die als Findlinge bezeichnet werden. Löss: Etwa ähnlich weit zurück wie die Altmoränenlandschaften reichen die äolisch abgelagerten Lösse, die das darunter vorhandene Relief konserviert haben. Lösse sind in Deutschland ein Erzeugnis der Kaltzeiten, als Baumvegetation fehlte und aus den breiten vegetationslosen Talböden die feinen Schluffe vom Wind ausgeweht und in Beckenlagen oder vor stark ansteigendem Gelände abgesetzt werden konnten. Dabei wurde das Relief weitgehend ausgeglichen, so dass man den Löss als den Weichzeichner der Landschaft bezeichnen kann ( Beitrag Eitel/FelixHenningsen, S. 116). Flüsse: Viel älter als die eiszeitliche Gestaltung ist die Anlage der großen Flussläufe. So kennt man vom Rhein eine im Bereich des Rheinischen Schiefergebirges gelegene Einmuldung, durch die das Oligozänmeer nach Süden bis auf den Hunsrück vordringen konnte. Seit dem Pliozän folgen diesem Rheinabschnitt hoch gelegene Verflachungen, die sich auch in das Moseltal verfolgen lassen. In sie sind Rhein und Mosel bis auf ihr heutiges Niveau eingetieft. Durch Absenkungen des Rheingrabens an der Wende vom Pliozän zum Pleistozän gelangte der Hoch- mit dem Alpenrhein bei Basel in den Rheingraben und verband sich mit dem damals am Kaiserstuhl entspringenden Rhein. Der Oberlauf des Mains entwässerte bis in die Donau-Günz-Warmzeit noch südwärts zur Donau. Erst danach gelang es dem viel tiefer gelegenen Rhein, den Main oberhalb von Bamberg an sich zu ziehen. Das Beispiel zeigt, dass in Deutschland allein während des Eiszeitalters erhebliche Flusslaufveränderungen eingetreten sind. Das gilt auch für den Lauf der Donau, des Neckars, der Saar, der oberen Saale oder für das Engtal der Elbe im Elbsandsteingebirge. Tertiäres Faltengebirge: Das Deckgebirge Alpen nimmt nur 2% der Landesfläche ein, enthält aber wegen seiner jungen Heraushebung mit der Zugspitze mit 2962 m Deutschlands höchste Erhebung. Beim Aufstieg der Alpen – beginnend vor etwa 100 Mio. Jahren – wurde das Gelände von Tälern tief zerschnitten. Durch Gletscherausschürfung entstanden lokal kräftige Übertiefungen bis unter die heutige Talsohle, die in der Folgezeit durch Sedimentablagerungen zum Teil wieder verfüllt wurden. Massenbewegungen wie Muren stellen heute eine Gefährdung der Siedlungen in vielen Alpentälern dar ( Beitrag Becht u.a., S. 96). Rumpfflächen und Schichtstufen: Die ältesten Reliefeinheiten befinden sich in den Rumpfschollengebirgen und den Schichtstufenlandschaften. Es handelt sich dabei um Reste von ausgedehnten Flachformen, die aus Zeiten vor dem Oligozän stammen und die altgefalteten Strukturen in den Mittelgebirgen wie Harz, Erzgebirge, Rheinisches Schiefergebirge und Schwarzwald überziehen. Ihre Entstehung erfolgte unter Klimabedingungen, die zu einer intensiven chemischen Verwitterung führten ( Beitrag Hüser/Kleber, S. 88). Die Abtragungsprozesse in unterschiedlich harten Gesteinen führte zur Herauspräparierung der widerstandsfähigen Gesteinsbereiche in Form von Stufen und Kämmen ( Beitrag Beyer/ Schmidt, S. 84). Die markantesten dieser Stufen mit mehr als 200 m bilden der Aufstieg zur Schwäbischen und Fränkischen Alb wie auch die Schichtkämme des Teutoburger Waldes und des Ith-Hils-Berglandes. Besondere Reliefformen: Die Zeugen vulkanischer Tätigkeit sind von sehr unterschiedlichem Alter. Der letzte große Ausbruch erfolgte vor etwa 12.800 Jahren in der Eifel ( Beitrag Schmincke, S. 60). Die Mehrzahl der von vulkanischer Tätigkeit geprägten Formen stammen aber aus dem Tertiär und dem Perm. Es handelt sich dabei meist um Kuppen oder Decken, die aufgrund der Härte der vulkanischen Gesteine beim Abtrag durch Wasser und Wind herauspräpariert wurden. Eine ganz besondere Form stellen das Nördlinger Ries und das deutlich kleinere Steinheimer Becken dar ( Karte 6, S. 18). Hier handelt es sich um Krater, die beim Einschlag von Steinmeteoriten (im Ries ca. 1 km Durchmesser) vor etwa 14,7 Mio. Jahren ( Miozän) entstanden sind. Der Kraterdurchmesser des Steinheimer Beckens misst etwa 3,5 km, der des Ries fast 25 km. Die geschätzte Energie, die beim Aufprall im Ries frei wurde, entspricht ca. 250.000 Hiroshima-Atombomben (POESGES/ SCHIEBER 1994). Dieser ursprüngliche Krater wurde im Jungtertiär mit Seeund Flusssedimenten verfüllt. Oberflächenformen Eiszeitlich und nacheiszeitlich geprägte Formen Inseln und Marschensaum an der Tideküste der deutschen Nordsee nord- und süddeutsches seenreiches Jungmoränengebiet mit Eisrandlagen Eid er Kiel Eisrandlagen V Rostock ör Gr. Plöner See Peene w St a W Schweriner See Hamburg m ' q q q q q q q r Doss e ree Sp Zschopau M. er Zw ic ka ' ''' q q Do P p er Am q q q q q h q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q W er qq ch lza Sa q q q q q q q q q q q qq q q q q '' q q q q q q eiszeitliche Vergletscherung im Mittelgebirge q q Is a r Wu tac h q gen Formen der Alpen und ihres Vorlandes terrassierte quartäre und holozäne Schotterfluren im Alpenvorland, teilweise mit Löss bedeckt Tertiärhügelland des Alpenvorlandes, teilweise mit Lössüberdeckung flachwellige Altmoränenlandschaft des Alpenvorlandes ll Ac he q q q q q q q q q q q qq '' ' ' q Man gfa Chiemsee Voralpen aus gefalteten subalpinen Molasse- und Flyschgesteinen Ar ' ' ' ' '''' '' q q Alz München Ammersee q isa c h geomorphologischer Alpenrand Steilrelief der Alpen q q q q q q q q q q q q q q qq q q qq q q q 0 Autoren: H.Liedtke, R.Mäusbacher au Rott Lo © Institut für Länderkunde, Leipzig 2003 Absenkungsgebiet von Hessischer Senke und Wetterau mit tertiären Sedimenten und vulkanischen Ablagerungen Inn tac q q q Mindel q q Jller ' '' Vils Würm q q q q q q q q q '' ' Staatsgrenze ' '' ' aar Lech q q q q q q q q q q q a le '' q q q q qq q q q Sa q q q q q q q qq q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q qq lda Fu q q q ter q '' ' ' ' q'q q ' ' '' ' ' ' ' ' ' ' qq q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q q ' ' '' ' r be Laa Schichtstufen- und Schichtrippenlandschaften in triassischen Gesteinen mit größeren lössbedeckten Becken und Landterrassen oder eingelagerten Flächen (Gäu) g n Do q Re q q q q ' ' ' ' '' q größere zusammenhängende Decken und Kuppenfelder jüngerer tertiärer vulkanischer Gesteine Isar u na q q q '' ' ' '' ' ' ' ße G ro q q q q q q q q qq q er qq q q ' q q q q q Ed a q q Lahn Ni dd q q 'q ' ' ' ' ' ' ' '' ' ' ' q ' ' '''' ''' '' q '' '' Havel ue .A Gr q q q q q q q q q q q q q q q q q q Bigge q q q q q q q q q q q q q '' '' q q '' ' ''' '' q q qq q q q q q q Erft Els Ems Le q q q q q q q q qq ' q q qqq q q '' q q q q q q N '' ' en l q Bergländer des Rotliegenden mit größeren Flächen des alten (permischen) Vulkanismus ' '' b aa Regensburg q q q q q q q q q q q q qq q q q Rhe in q q q q q qq q q q q ' ' q q q q q q q q q q ''' ' q q Nürnberg qq h mü Alt q cher ''' q itz nk. R eza t Rumpfschollengebirge (Rumpftreppen, Rumpfflächen) mit Härtlingszügen '' ' '' ' V'ils' ' q qq n Red Frä nitz Wör q q q q q q '' q q gnitz q Pe q q '' ' q q q qq Formen der Mittelgebirge '' q q q q q q q q q q q q '' q ' '' ' ' qq qq q q q q q q q q qq q q q q niederrheinisches Tiefland aus Tertiärsedimenten und lockeren quartären Flussablagerungen, im Süden teilweise von Löss bedeckt ' q' ' '' '' q q q q q q q qq q q q q q q q q Eg q q norddeutsches seenarmes Altmoränengebiet, stellenweise mit Sandlöss oder Lössdecken und (oder) gelegentlichen Durchragungen älteren Gesteins ' '' Starnberger See Bodensee M. er q q z q q q ' ' '' q ' q' ' nit q q q q q g Re q q q q q q u norddeutsches seenarmes Altmoränengebiet mit verwaschenen Endmoränen und Sandern (Geest) und mit weiten Niederungen ''' q ' ' '' q in q q q '' Ma q q q '' q q q q q q q Dresden ''' '' ' ' 'q ' q q q q ' q q q q q q q q iße We Jlm '' '' q ber qq q q q q '' q Tau qqq qq q q q q qq q q q q q q q qq q q q q q q q q q q q q q q q q ''' ' q q qq q q q q q qq q q qq q qq q q qqq q q r berge F r ei ' q q '' S . aale nk Frä q q q q qq q ''q ' ' ' q'' q 'q 'q q q ' ' q ' ' ' ' '' ' ' ' q qq q q q q Leipzig q '' q q q Erfurt q q BB q q Mulde Schw arze Elster q q '' ' ' ' q q q q q q q q q q E lb e S le aa Helme q q Neiße er si t z au q q q q q q q q q q q Ko q q Unstrut Werr a q r cka Ne q q L qq q q q q q qq qq q q q q q q q q q Ma as q q r ' ' '' ' ' ' qq q q q q q qq q q Murg q kar Nec t qq Stuttgart q q q q ' ' ' '' q Jags q q qq q z qq q q ig ' '' ' ''' ' ' '' ' ' ' ' ' ' '' ' '' ' ' ' ' ' ' Meteoritenkrater: Steinheimer Becken und Ries q Freiburg i. Br. '' ' '' Klifflinie des Molassemeeres im Miozän q q in z ' ' K' '' I q q q Schichtstufe, Schichtrippe En ' ' '' '' ' '' I Bruchstufe, Becken '' '' q aute r ''' ''' ' q ' 'L ' q q q q q q q qq Bo de q q ree GB q q q q q qq q q qq q q q q q qq ''' q q q q S Saarbrücken Markante Stufen und Hohlfomen ' ' an aa r '' '' ' ' ' ' ' ' ' '' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' ' uer q he Na q q '' ' Mainz Gl q Frankfurt a.M. q q ' ' q q q q q M ain '' Sa q qq q ein Rh l Oberrheingraben mit breiter Aue, quartären Terrassen, randlichen Fußflächen, Rheingauabfall und Rheinhessischem Tafelland q q ''' Mo se '' q q q Oberrheingraben ' q q q q ''' q q q q q q q q Rur q qq ''' q Sieg Kyll q ' ' ' '' ' ' '' ' ' Leine q q Kassel q Köln q q q q q q ne q q Sp Magdeburg q q l BERLIN B q q q q ' ' ' ' ' ' '' q q q q q Len q q q q q q q pe Wup r q q q q q q ers Ni Dieme Möhne q Innersteq q q q q q q q q q rr e q q q q qq q q q q q q q hr Ru q q Dortmund q q q q q e Lipp q q q Rh e in q ese r q q q s We el Iss q Em q q q Bielefeld q q q q q q Netze-Randow Thorn-Eberswalder Warschau-Berliner Glogau-Baruther Breslau-Bremer ältere quartäre Flussverläufe Potsdam Hannover q q q q q q re Urstromtäler WB hm e Da q q q q q q W qq q q q q qq q q r Oke q q Oh he q q F Nut q q Alle q te ch q BB TE er Od ine q e es Bi Uchte Ve q el Hav r spätquartäre Binnendünen und Flugsandfelder NR TE WB GB BB d Alle q qq q Jez. Miedwie (Madüsee) P an Al Wes er Hase Essen m el etz Je Wü e Eld Il m e e u na Hu Bremen Sude q q q q n te Müritz q te Sander und Urstromtäler Norddeutschlands Uec ke Os te Elb e es Drumlin, Oser Plauer See q So Velgaster Staffel Pommersches Stadium Frankfurter Stadium Brandenburger Stadium maximale Eisausdehnung während des Eiszeitalters NR Tollens e Kummerower See rn o ve Tra V P F B 25 50 75 100 km Maßstab 1: 2750000 Grenzüberschreitende Kooperationsräume 59