Ferienkurs Quantenmechanik Wellenmechanik 22.02.10 Richard Steinacher Inhaltsverzeichnis 1 Die 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Wellenmechanik Die Wellenfunktion . . . . . . . . . . . . . . Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . Allgemeine Lösung der Schrödingergleichung Normierungserhaltung . . . . . . . . . . . . Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orts- und Impulsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 2 4 4 5 6 2 Eindimensionale Probleme 2.1 Freies Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Delta-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 DIE WELLENMECHANIK 1 Die Wellenmechanik 1.1 Die Wellenfunktion Um das Verhalten mikroskopischer Systeme (∼ 10−10 m) korrekt zu beschreiben, muss die klassische Trennung zwischen korpuskularer (z.B. Photoeffekt) und wellenartigen (z.B. Beugung von Materiewellen) Phänomenen aufgegeben werden. Dies wird in der Quantenmechanik dadurch erreicht, dass jedes Teilchen durch eine komplexe Wellenfunktion Ψ(~r, t) beschrieben wird. Laut statistischer Deutung ist |Ψ(~r, t)|2 d3 r die Wahrscheinlichkeit das Teilchen zur Zeit t im Ortsintervall [~r, ~r + d3 r] zu finden. Bemerkungen: (i) Ψ(~r, t) ist eine Wahrscheinlichkeitsamplitude (ii) |Ψ(~r, t)|2 ist die Wahrscheinlichkeitsdichte (iii) Die Wellenfunktion muss folgende Normierung erfüllen: Z∞ ! d3 r|Ψ(~r, t)|2 = 1 (1) −∞ ! Das heißt insbesondere Ψ(x → ±∞) −→ 0 (siehe Quadratintegrabilität, Hilbertraum) 1.2 Die Schrödingergleichung Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion eines Teilchens im Potential V (~r, t) wird durch die Schrödingergleichung beschrieben. ∂ i~ Ψ(~r, t) = ĤΨ(~r, t) = ∂t ~2 ~ 2 ∇ + V (~r, t) Ψ(~r, t) − 2m (2) Mit dem Hamiltonoperator Ĥ, welcher aus der klassischen Hamiltonfunktion mittels dem ~ in H = Ekin + V = p2 + V Korrespondenzprinzip gewonnen wird. Dabei wird p → ~i ∇ 2m eingesetzt. Bemerkung: Die Schrödingergleichung ist linear, somit gilt das Superpositionsprinzip: Sind ψ1 und ψ2 Lösungen dann ist auch die Linearkombination aψ1 + bψ2 (a, b ∈ C) eine Lösung. 2 1.2 Die Schrödingergleichung 1 DIE WELLENMECHANIK Diese Gleichung muss also gelöst werden um die Wellenfunktion zu erhalten. In den meisten Fällen werden wir es mit einem Zeitunabhängigem Potential V (~r, t) = V (~r) zu tun haben. Dann kann die Wellenfunktion in einen Orts- und einen Zeitanteil separiert werden. Ψ(~r, t) = ψ(~r)φ(t) (3) Eingesetzt in dei Schrödingergleichung (1d) ergibt sich: i~ψ ~2 d2 ψ dφ =− φ + V ψφ dt 2m dx2 (4) Nach Umordnung: i~ ~2 ψ 00 φ̇ ! =− + V = const = E φ 2m ψ (5) Die linke Seite ist nur noch von t und die rechte nur von x abhängig. Die einzige Möglichkeit die Gleichheit zu erfüllen ist, dass beide Seiten konstant sind. Die Konstante wird E genannt. Bei Betrachtung der linken Seite folgt: i φ(t) = e− ~ E(t−t0 ) (6) Bemerkungen: (i) Die Integrationskonstante wird in die Lösung von ψ geschoben. (ii) Der zeitabhängige Term beeinflusst nicht die Wahrscheinlichkeitsdichte: i i |Ψ(x, t)|2 = Ψ∗ Ψ = ψ ∗ e+ ~ Et ψe− ~ Et = ψ ∗ ψ = |ψ(x)|2 (7) Die rechte Seite ergibt folgendes: ~ 2 d2 + V ψ = Eψ ⇐⇒ Ĥψ = Eψ − 2m dx2 (8) Das ist die stationäre Schrödingergleichung, eine Eigenwertgleichung mit Eigenfunktion ψ und Eigenwerten E. Im Allgemeinen besitzt ein System einen ganzen Satz {ψn } der stationären Eigenfunktionen (mit jeweiligem Eigenwert En ). 3 1.3 Allgemeine Lösung der Schrödingergleichung 1.3 1 DIE WELLENMECHANIK Allgemeine Lösung der Schrödingergleichung Wie wir oben gesehen haben, lässt sich die Lösung (bei zeitunabhängigem Potential) der Schrödingergleichung wie folgt schreiben: i Ψ(x, t) = ψ(x)e− ~ Et (9) Die zeitabhängige Schrödingergleichung besitzt i.A. keine separable Lösung dieser Form. Jedoch kann sie als Linearkombination der separablen und stationären Lösungen(Eigenfunktionen) konstruiert werden. Ψ(x, t) = ∞ X i cn ψn (x)e− ~ En t (10) n=1 Verallgemeinert man nun φ(t), bekommt man den Zeitentwicklungsoperator Û (t, t0 ) i Û (t, t0 ) = e− ~ Ĥ(t−t0 ) (11) Für die Wellenfunktion ergibt sich schließlich (OBdA t0 = 0): − ~i Ĥt Ψ(x, t) = Û (t)Ψ(x, 0) = e ∞ X cn ψn (x) = n=1 ∞ X i cn ψn (x)e− ~ En t (12) n=1 Die Wahrscheinlichkeitsdichte |Ψ(x, t)|2 dieser Wellenfunktion ist nicht mehr separabel, da sie Mischterme der Zeitentwicklung mit unterschiedlichen Eigenenergien enthält, sie ist explizit von der Zeit abhängig. 1.4 Normierungserhaltung Wie wir oben gesehen haben, muss die Wellenfunktion normierbar sein. Nachdem wir nun die Dynamik untersucht haben, stellt sich die Frage ob die Normierung auch mit der Zeit erhalten bleibt. Dazu betrachten wir die Zeitableitung: d dt Z∞ Z∞ 2 dx|Ψ(x, t)| = −∞ dx −∞ 4 ∂ |Ψ(, t)|2 ∂t (13) 1.5 Messung 1 DIE WELLENMECHANIK Betrachtung der Zeitableitung der Dichte: ρ(x,t) ∂ z}|{2 ∂ (Ψ∗ Ψ) |Ψ| = ∂t ∂t ∂Ψ ∂Ψ∗ + Ψ = Ψ∗ ∂t ∂t i~ ∂ 2 Ψ −i~ ∂ 2 Ψ∗ i i ∗ ∗ =Ψ − VΨ + + VΨ Ψ 2m ∂x2 ~ 2m ∂x2 ~ 2 2 ∗ i~ ~ ∂Ψ∗ ∂ Ψ ∂ ∗∂ Ψ ∗ ∂Ψ = Ψ Ψ − Ψ − Ψ =− 2m ∂x2 ∂x2 ∂x i2m ∂x ∂x | {z } Produktregel SG einsetzen =j(x,t) Das ist die Kontinuitätsgleichung: ∂ ∂ ρ(x, t) + j(x, t) = 0 ∂t ∂x (14) Diese besagt, dass eine Änderung des Ortes der Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(x, t) eine Änderung der Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) zur Folge haben muss. Wenn also die Wahrscheinlichkeit sinkt es in einem Bereich zu finden, so muss die Wahrscheinlichkeit es außerhalb anzutreffen steigen. Eingesetz in Gl. 13 ergibt sich: d dt Z∞ −∞ i~ dx|Ψ(x, t)| = 2m 2 +∞ ∂Ψ∗ ∗ ∂Ψ Ψ − Ψ ∂x ∂x −∞ Ψ(±∞)→0 = 0 (15) Daraus folgt, dass die Normierbarkeit eine Erhaltungsgröße ist. 1.5 Messung In der Quantenmechanik werden Messgrößen Ω (sog. Observablen) durch deren Operatoren Ω̂ bestimmt. Der Erwartungswert einer Größe ist gegeben durch: Z+∞ ~ ∂ ∗ hΩ(x, p)i = dx Ψ Ω̂ x, Ψ i ∂x −∞ 5 (16) 1.6 Orts- und Impulsraum 2 EINDIMENSIONALE PROBLEME Bemerkung: Dieser Erwartungswert ist das Mittel einer Messung über ein Ensemble von identisch präparierten Teilchen und nicht eine wiederholte Messung über ein Teilchen. 1.6 Orts- und Impulsraum Bisher haben wir alles im Ortsraum betrachtet, jedoch kann es auch sinnvoll sein sich im Impulsraum zu bewegen. Der Zusammenhang ist gegeben durch die Fouriertransformation. Dabei gilt p = ~k. r ~ 2π Z 1 ϕ(k, t) = √ 2π~ Z Ψ(x, t) = dkeikx ϕ(k, t) (17) dxe−ikx Ψ(x, t) (18) bzw. 2 2.1 Eindimensionale Probleme Freies Teilchen ~ 2 Der einfachste Fall ist ein freies (V = 0) Teilchen. Die SG: i~∂t Ψ(x, t) = − 2m ∂x Ψ(x, t) wird dann gelöst durch: Ψ(x, t) = Aei(±kx−ωt) mit dem Impuls p = ~k und der Energie E = ~2 k2 2m (19) = ~ω. Vorsicht: Die ebene Welle ist keine eigentliche Lösung, da sie nicht normierbar ist, man sagt das Teilchen ist delokalisiert. Um eine sinnvolle physikalische Lösung zu erhalten, kann sie als Linearkombination aus ebenen Wellen konstruiert werden. Ψ(x, t) = X i(kx−wt) k→0 ak e −→ k Z dk (2π) 1 2 a(k)ei(kx−wt) (20) Das ist nichts anderes als eine Fouriertransformation. Hieraus sieht man bereits die Unschärfe, ist ein scharfer Impuls gegeben, so ist der Ort des Teilchens nicht zu bestimmen. Mögliche Impulsverteilungen sind z.B. Rechteck- oder Gaußfunktionen. 6 2.2 Delta-Potential 2.2 2 EINDIMENSIONALE PROBLEME Delta-Potential Gegeben sei ein Potential der Form V (x) = −αδ(x) mit α > 0. Damit bekommen wir folgende Schrödingergleichung: − ~2 d2 ψ − αδ(x)ψ = Eψ 2m dx2 (21) Nun betrachten wir zuerst die gebundenen Zustände mit E < 0: Die Schrödingergleichung reduziert für x 6= 0 sich auf d2 ψ 2mE = − 2 ψ = κ2 ψ 2 dx ~ (22) Der Lösungsansatz ist dann: ( Aeκx + Be−κx ψ(x) = Ceκx + De−κx ,x > 0 ,x < 0 (23) Da die Wellenfunktion an den Rändern verschwinden muss, folgt B = C = 0. Nun folgen noch die Anschlussbedingungen bei x = 0. Im Allgemeinen müssen ψ und ψ 0 an Anschlusspunkten immmer stetig sein, nur wenn V → ±∞, muss ψ 0 genauer untersucht werden. Hier folgt aus der Stetigkeit der Wellenfunktion sofort A = D. Die erste Ableitung braucht eine nähere Betrachtung. Hierzu wird über ein kleines Intervall [−, ] integriert: Z ~2 Z d2 ψ(x) Z dx ψ(x) lim − dx + dx(−αδ(x))ψ(x) = lim E →0 2m − dx2 →0 − − | | {z } {z } −→0 =−αψ(0) ⇒ 0 0 − ψx<0 =− ψx>0 (24) 2mα ψ(0) ~2 Eisetzen der Ableitung ergibt: κ= mα ~2 ⇒E=− mα2 2~2 Dies ist also die erlaubte Energie des einzigen gebundenen Zustands. 7 (25) 2.2 Delta-Potential 2 EINDIMENSIONALE PROBLEME Die Normierung liefert uns die vollständige Wellenfunktion: Z∞ dx |ψ|2 = 2|B|2 −∞ Z∞ dx e−2κx = |B|2 ! =1 κ (26) 0 √ ψ(x) = mα − mα2 |x| e ~ ~ (27) Nun zum ungebundenen Streuzustand mit E > 0. Hier ergibt sich: d2 2mE = − 2 ψ = −k 2 ψ 2 dx ~ (28) Der allgemeine Lösungsansatz ist: ( Aeikx + Be−ikx ψ(x) = Ceikx + De−ikx ,x < 0 ,x > 0 (29) Die Stetigkeitsbedingung bei x = 0 liefert A + B = C + D. Die Ableitungen ergeben: ( ik(Aeikx − Be−ikx ) , x < 0 ψ 0 (x) = ik(Ceikx − De−ikx ) , x > 0 (30) Unter Berücksichtigung des Sprunges der Ableitung (Gl. 24) und ψ(0) = A + B, bekommt man folgenden Zusammenhang: ik(C − D − A + B) = − ⇔ 2mα (A + B) ~2 C − D = A(1 + 2iβ) − B(1 − 2iβ), β= mα ~2 k (31) Die Vorfaktoren können hieraus nicht bestimmt werden, auch die Normierung versagt. Man kann sie allerdings als Amplitude von einlaufenden und auslaufenden Wellen sehen. Beschränken wir uns nun auf eine einlaufende Welle von links, können wir D = 0 setzen. A ist dann die Amplitude der einkommenden, B der reflektierten und C der transmittierten Welle. Wir können dann den Anteil der reflektierten zum einlaufenden und der transmittierten zur einlaufenden Welle betrachten. 8 2.2 Delta-Potential 2 EINDIMENSIONALE PROBLEME Mit Gl. 31 und der Stetigkeitsbedingung folgen: B= iβ A 1 − iβ C= 1 A 1 − iβ (32) Man definiert den Reflexionskoeffizienten R und den Transmissionskoeffizienten T folgend: R= |B|2 β2 1 = = 2E 2 2 |A| 1+β 1 + 2~ mα2 (33) T = |C|2 1 1 = = 2 2 mα2 |A| 1+β 1 + 2~ 2E (34) Offensichtlich gilt R+T = 1. Und auch die Abhängigkeit von der Energie macht Sinn: E→0 E→∞ ⇒ ⇒ R→1 R→0 ∧ ∧ T →0 T →1 Literatur: Griffiths; Introduction to Quantum Mechanics; Pearson Vorlesungsskript Zwerger; SoSe 2009 Wachter, Hoeber; Repetitorium Theoretische Physik; Springer 9