Argumentationspapier_Annegret Braun

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Annegret Braun
Über die Zulassung oder das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID)
Argumentationspapier zur Präimplantationsdiagnostik
Seit Jahren werden Argumente ausgetauscht, Experten angehört, berichten Beratungsstellen von ihren Erfahrungen und nehmen die größten Frauenverbände Deutschlands
sowie die meisten Wohlfahrtsverbände kritisch Stellung zur PID und lehnen diese eindeutig ab1. Trotzdem wird diese Haltung in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Woran liegt das? Sicherlich ist es für Journalisten oft schwierig, die sehr differenzierte
Haltung zur PID zu vermitteln. Hier soll nun deutlich werden, in welcher Dimension es
um Frauen bei dieser Diskussion geht.
Präimplantationsdiagnostik (PID) und In-Vitro-Fertilisation (IVF)
Möglich ist die PID nur in Verbindung mit der sogenannten In-Vitro-Fertilisation (IVF):
Dabei entnimmt der Reproduktionsmediziner aus dem Eierstock der Frau reife Eizellen
und führt sie im Reagenzglas mit Samenzellen des Mannes zusammen. Gelingt die
künstliche Befruchtung, teilen sich die Eizellen: nach 48-72 Stunden bestehen sie aus
acht Zellen. Das Achtzell-Stadium ist das PID-Stadium: Dem Embryo wird eine Zelle
zwecks Gen-Check entnommen. Wird bei der Analyse die gesuchte Chromosomenstörung oder Anlage für eine erblich bedingte Krankheit ermittelt, wird der Achtzeller aussortiert und vernichtet. Wird keine Abweichung gefunden, folgt die Implantation (Einpflanzung) des Embryos in die zuvor hormonell stimulierte Gebärmutter der Frau. Die
statistische Wahrscheinlichkeit, dass sie schwanger wird und ein Kind bekommt, liegt
bei ca 20%. (Aus Bioskop Nr.9/3/2000)
Schon durch Pränataldiagnostik (PD) steigt der Druck auf Frauen
Auch von politischer Seite und von Frauenärzten werden immer mehr die problematischen Seiten der vorgeburtlichen Untersuchungen erkannt. Frauen werden dadurch
verunsichert. Wenn neues Leben entsteht, dann war dies in der Regel eine Zeit der
Hoffnung, der Freude und der Zuversicht - und so sollte es auch bleiben. Doch heute
wird den Frauen oft Angst gemacht. Sie dürfen auf keinen Fall irgendeine Untersuchung
versäumen. Man könnte ja sonst verantwortlich dafür sein, dass das Kind mit einer Behinderung und/ oder Krankheit zur Welt kommt. Diese Angst und Hilflosigkeit lässt vielen Frauen faktisch keine freie Wahl mehr. Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für
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Kritische Stellungnahmen und Äußerungen gibt es von großen Frauenverbänden Deutschlands, wie dem Deutschen Frauenrat, Profamilia, dem Ärztinnenbund, dem Bund Deutscher Hebammen, der Evangelischen Frauenarbeit,der Evangelischen Frauenhilfe, dem Deutschen Evangelischen Frauenbund, der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland, der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen ASF, dem Frauenforum Fortpflanzungsmedizin-Reprokult, dem Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik, dem Dachverband der Frauengesundheitszentren, dem Referat für Frauen, Familien und Lebensberatung des Diakonischen Werks der EKD, dem Diakonischen Werk Württemberg mit der Beratungsstelle PUA, der Evangelischen Konferenz für Familien und Lebensberatung EKFuL, dem Forum missionarischer Frauen in Württemberg, von Frauenorganisationen verschiedener Träger
der freien Wohlfahrtsverbände und anderen frauenspezifischen Gruppierungen.
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Frauen, die mit diesen Folgen und Auswirkungen der PD nur schwer zurecht kommen,
stellen fest: PD übt enormen Druck auf Frauen aus und verunsichert sie. Die ihnen
übertragene Verantwortung, nur gesunde Kinder gebären zu dürfen, lastet schwer auf
den Frauen, besonders auf den Schwangeren.
Begrenzung ist nicht möglich - mit dem Angebot steigt die Nachfrage.
Bei der Pränataldiagnostik (PD) wie auch bei der künstlichen Befruchtung gab es einmal scheinbar klare Begrenzungen und Auflagen, für wen sie gedacht und indiziert war.
Die PD sollte nur bei Risikoschwangerschaften angewandt werden. Inzwischen hat sich
die Diagnose: “Risikoschwanger“ zu einer Massenindikation entwickelt. 60-80 Prozent
aller Schwangerschaften werden heute zu Risikoschwangerschaften erklärt. In Berlin
beispielsweise nehmen jährlich 20.000 von 25.000 Schwangeren den "Feinultraschall
zur Fehlbildungsdiagnostik" in Anspruch. Dabei ist diese Untersuchung war lediglich für
bestimmte Risikoschwangerschaften gedacht. Nur dann wird sie als Leistung auch von
den Kassen bezahlt. Angesichts einer solch hohen Zahl von “Risikoschwangeren“ ist es
doch verwunderlich, dass in Berlin dennoch zu 97 Prozent gesunde Kinder zur Welt
kommen. Eine solche Entwicklung ist problematisch und muß hinterfragt werden.
Deutschland ist weltweit das Land mit den meisten Ultraschalluntersuchungen. Manche
Gynäkologen/innen nehmen in den Behandlungsvertrag zur Vorsorge zusätzliche Ultraschalluntersuchungen mit auf, ohne dass ein besonderer medizinischer Grund dafür
vorliegt. Die Frau wird verpflichtet, diese Untersuchungen selbst zu zahlen. Wenn sie
sich weigert, diesen Behandlungsvertrag zu unterschreiben, lehnen diese Ärzte die
Schwangerenvorsorge ab. Das Geschäft mit der Angst zeigt sich in dem ständig wachsenden Angebot von individuellen Gesundheitsleistungen (sogenannte: IGeL), die von
den Schwangeren selbst bezahlt werden müssen. Ca 200-300 Euro und mehr muss die
Schwangere für Ihr "Sicherheitsbedürfnis um ihr Kind“ ausgeben, wenn sie die derzeit
zusätzlichen IGeL-Angebote in Anspruch nimmt.
Beispiele, wie heute der Begriff von Risikoschwangerschaft und -geburt einfach
ausgeweitet wird:
§ Derzeit wird in der Ärzteschaft überlegt, ob nicht das "Normalgewicht" für Neugeborene neu definiert werden soll. Angestrebt wird ein “Normalgeburtsgewicht“ zwischen 3500g –3900g. Abweichungen davon machen nach der Geburt absichernde
Untersuchungen auf mögliche Risiken und Störungen nötig. Der bisherige Spielraum
von ca 900g wird einfach auf 400g verengt. Dies setzt Frauen unter Druck und lässt
die Gruppe der Risikokinder enorm ansteigen.
§ Die Fruchtwasseruntersuchung war früher nur für Hochrisikoschwangere und wegen
dem sogenannten “Altersrisiko" für Frauen im Alter von über 40 Jahren vorgesehen.
Wobei "Altersrisiko" eigentlich ein unzutreffender Begriff ist. Heute besteht nach den
ärztlichen Richtlinien bei Schwangeren ab 35 Jahren eine Risikoschwangerschaft,
und in der Praxis wird PD bereits ab 32 Jahren und darunter angeboten und empfohlen. In den Neuen Bundesländern ist die Altersgrenze bereits aufgehoben.
Dieser Druck auf Schwangere wird auch durch die Vorstellung verstärkt, dass nur dann
ein gesundes Kind zur Welt kommen wird, wenn man alle Risiken ausgeschlossen hat.
Wer zu den entsprechenden Untersuchungen nicht bereit ist, wird zunehmend für die
Folgen selbst “verantwortlich“gemacht und trägt die “Schuld“ daran, wenn das Kind
krank und /oder mit einer Behinderung geboren wird. Die werdende Mutter handelt nach
dieser Aufassung also fahrlässig und muss dann selbst sehen, wie sie mit diesem
Schicksal zurecht kommt. Natürlich stehen auch die Ärzte unter Druck. Denn ein völlig
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verengtes und nicht auf die Natur des Menschen abgestimmtes Haftungsrecht setzt sie
unter Druck und zwingt sie, sich abzusichern. Diesen Druck geben sie an die Schwangeren weiter.
Die Folge ist: Die ganz normale Schwangerenvorsorge wird zu einer medizinischen Absicherungsüberwachung ohne Rücksicht auf die medizinischen Richtlinien, die Begrenzungen vorgeben! Der humorig gemeinte Ausspruch: “Gesund ist
derjenige, der noch nicht lange genug untersucht worden ist“, kommt bei PD und bei
PID der Wirklichkeit erschreckend nahe.
Auch PID wird "grenzenlos“!
Die Erfahrungen mit der PD zeigen: Auflagen und Richtlinien konnten die ständige
Ausweitung von PD nicht verhindern. Sie werden auch bei der PID nicht funktionieren.
Ein Hauptargument für die PID ist die Verhinderung von Spätabbrüchen. Dieses Argument wird sehr schnell dazu führen, dass die PID über kurz oder lang auch für die allgemeine künstliche Befruchtung bei unerfülltem Kinderwunsch (IVF = Invitrofertilisation)
für zulässig gehalten werden wird. Es wäre aus diesem Grund nicht mehr einzusehen,
warum eine PID diesen Paaren dann noch verwehrt werden sollte bzw. könnte. Denn in
den Richtlinien zur IVF wird die dringende Empfehlung zur PD (insbesondere zur
Fruchtwasseruntersuchung) aufgeführt. Daraus kann verständlicher Weise abgeleitet
werden und eine Präimplantationsdiagnostik damit begründet werden, dass auch ihnen
die Belastung eines eventuellen Spätabbruches durch eine Frühselektion erspart bleiben könnte.
Vom Druck auf Frauen und von den unerfüllten Hoffnungen
Der Druck, dem Frauen jetzt durch die Pränataldiagnostik ausgesetzt sind, wird im gleichen Maße von der Möglichkeit der PID ausgehen. Wer mit einer vererbbaren Krankheit
behaftet ist und auf natürlichem Weg ein Kind bekommen will, aber nicht bereit ist, das
Angebot der PID in Anspruch zu nehmen, der wird nicht mehr mit viel Verständnis rechnen dürfen, wenn das Kind krank oder behindert zur Welt kommt. Zusätzlich ergeben
sich Konflikte bei der Auswahl der künstlich erzeugten Embryonen. Wenn sich z.B. unter den auszuwählenden Embryonen neben einem gesunden Embryo nur noch Erkrankte und Erbträger finden, dann richtet sich die Sache indirekt gegen die Eltern selbst. Sie
sind schließlich Träger dieser betreffenden Krankheiten. Die gesunden Zellen bekommen den Vorzug vor den Trägern, die, wenn sie zum Leben kommen würden, eigentlich wie ihre Eltern ein gesundes Leben führen könnten, und nur später in der Fortpflanzung möglicherweise wieder Probleme bekommen können, wie sie jetzt bei ihren Eltern
aufgetaucht sind.
In der Literatur wird beschrieben, dass die künstliche Befruchtung in der Rangliste der
stressigsten Lebensereignisse an zweiter Stelle gleich nach dem Tod eines Familienmitglieds einzustufen ist. Leider gibt es keine Statistiken, wieviele Frauen und Paare im
Anschluss an IVF- bzw. PID- Behandlungen durch psychologische/therapeutische Hilfe
betreut werden mussten. Dies gilt vor allem für die Frauen und Paare, die trotz allem
Stress letzten Endes ohne Kind dastehen. Und dies passiert häufig. Denn von 100 Paaren bekommen nur 15-20 ein Kind. Da kann man also nicht mehr von einer erfolgversprechenden Methode für die Eltern sprechen.
Vom Geschäft der Reproduktionsmedizin mit der Not von Frauen und Paaren
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“Es ist ein bemerkenswertes Phänomen der jüngeren Zeitgeschichte, dass sich Wissenschaftler immer dann der Kranken und Gebrechlichen dieser Welt erinnern, wenn es
darum geht, Zukunftstechnologien konsensfähig zu machen“. So war es im Spiegel1/2001 zu lesen. Doch es geht nicht nur um Konsensfähigkeit. Es geht auch ums
Geschäft. Um so unverständlicher ist es, dass die PID von Mitgliedern des Nationalen
Ethikrats als menschenfreundliche Technik bewertet und zur „begrenzten“ Zulassung
empfohlen wird. In dem Diskussionsentwurf der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin vom 10.4.2001 für ein Fortpflanzungsmedizingesetz wird das Interesse klar benannt. Es geht um die Forschung an den überzähligen Embryonen, die im Zusammenhang mit IVFund PID zwangsläufig entstehen.
In einem Unterpunkt heißt es zur "Forschung am Präimplantationsembryo", weitere
Forderungen folgen: z.B. sollen "Optionen zum therapeutischen Klonen offengehalten
werden und für die Zulassung der Eizell“spende“ wird plädiert". Der Begriff "Spende" ist
hier äußerst unpassend für eine Methode, die für Frauen mit allen gesundheitlichen Risiken einer IVF so extrem belastend ist. In dem Papier wird unter dem Aspekt der internationalen Entwicklung sogar erwogen, die Vorbehalte gegenüber einer Keimbahntherapie zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise aufzugeben.
Wie bereits erwähnt, ist der Erfolg der IVF äußerst gering. Und alles trifft nur einen kleinen Personenkreis. Warum wird dann diese Technik der PID so forciert? Warum werden dafür bisher unhinterfragbare ethische Grundsätze aufgegeben? Warum geschieht
dies, ohne dass die Kosten für unser sowieso schon stark gebeuteltes Gesundheitswesen bedacht werden? Denn schon heute nimmt die Reproduktionsmedizin im Gesundheitsetat einen Riesenanteil in Anspruch. Über 30 Prozent allein von der Zuteilung für
Gynäkologie und Geburtshilfe. Angesichts dieser Fakten ist festzustellen: Bei der PID
geht es eindeutig um ein Forschungsinteresse an den überzähligen Embryonen, die bei
dieser Technik mit eingeplant sind. Und wenn die mit Krankheit behafteten Embryonen
vernichtet werden sollen, dann ist keinem Forscher begreiflich zu machen, warum er sie
nicht beforschen darf bzw. sie aus Israel importieren lassen muss. Die Zahlen einer der
größten internationalen Studien zu PID unterstützen diese Argumentation: Von 886
Paaren, die im Zeitraum von 8 Jahren eine PID in Anspruch nahmen, haben nur 123 ein
Kind bekommen. Dafür wurden 6465 Embryonen produziert. (ESHRE PGD/2000)
Angesichts dieser Entwicklung ist es eine Utopie, von der Begrenzbarkeit von PID auszugehen. Frauen werden dadurch als indirekte Lieferantinnen für Embryonenforschung
benutzt. Diese Forschung nimmt in Kauf, dass Frauen durch diese Technik, durch die
extreme Hormonstimulierung, die zur IVF erforderlich ist, ihre Gesundheit riskieren2.
Die Arbeit in den Beratungsstellen zeigt, dass Frauen dann sehr schwer aus dem Teufelskreis der Wunscherzwingung aussteigen können. Angetrieben von einer möglichen
Erfüllung ihres Kinderwunsches sind sie zu immer mehr Zugeständnissen bereit. Die
Sehnsucht nach einem eigenen Kind kann zur Sucht werden. Das berichten Frauen, die
Erfahrungen mit künstlichen Befruchtungen gemacht haben.
Die Verfahren der Gendiagnostik und in deren Folge das therapeutische Klonen, das
Klonen von Menschen, die Forschung zur Schaffung von künstlichen Gebärmüttern, alle diese Techniken richten sich gegen die Frauen selbst.
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Hormonüberstimulisierungssyndrom bei IVF und deren Folgen können zu Gesundheits-schädigungen führen: wie
Gewichtszunahme, Zystenbildungen in den Eierstöcken und in den Brüsten(Mastopathien), Thrombosen, Zyklussschwankungen mit mehrwöchigen Blutungen, Eierstockstumoren, die gegebenenfalls eine operative Entfernung des
Eierstocks zur Folge haben können, krebserregende Wirkungen durch die Hormonpräparate, Verletzungen und Entzündungen durch die Follikelpunktion (Eizellenentnahme), Narkoserisiko. Ein früherer Beginn der Wechseljahre wird
beobachtet.
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Denn überall braucht es Eizellen und Embryonen, die von Frauen stammen und Frauen
gehören. Inzwischen gibt es einen Handel mit Eizellen von Frauen in den Ländern der
Dritten Welt. Diese riskieren ihre Gesundheit, um den absurdesten Wünschen reicher
Industrienationen auf billigste Weise das „Material“ zu liefern. Diese Art der Forschung
kann man nur als frauenverachtend bezeichnen. Diese ethischen Überlegungen erscheinen eher nachrangig zu sein.
Nicht zu Ende gedachte Argumente für PID: Verhinderung von späten Schwangerschaftsabbrüchen und die Hoffnung auf gesunde Kinder
Am schwierigsten wird es, wenn mit dem Leiden von Frauen vor, bei und nach späten
Schwangerschaftsabbrüchen argumentiert wird. Es wird der Anschein der Verhinderbarkeit des Leidens durch PID ins Feld geführt. Aber dies lässt sich so in der Praxis
nicht halten. Die bereits oben erwähnte Studie zu PID widerlegt das Argument der Verhinderung von Spätabtreibung und Beschränkung der Pränatalen Diagnostik. Alle durch
PID gezeugten Schwangerschaften werden „sicherheitshalber“ durch eine Fruchtwasseruntersuchung nochmals untersucht. Hierbei kam es in vier Prozent dennoch zu
Schwangerschaftsabbrüchen.
In der öffentlichen Diskussion müssen dringend endlich neben den Möglichkeiten auch
die Grenzen der PID deutlicher reflektiert werden. Durch PID können nicht alle genetischen Erkrankungen getestet werden. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen
bei PID. Im Zusammenhang mit IVF und PID kommt es häufiger zu Mehrlingsschwangerschaften und Frühgeburtlichkeit. Bei beidem muss deshalb mit einem erhöhten Risiko für dabei erworbene Behinderungen gerechnet werden. Unter Umständen bekommt
man genau das, was man zu verhindern suchte, ein behindertes Kind. Rund 30 bis 40
Prozent aller Behinderungen und Krankheiten entstehen erst um den Geburtstermin
und in den ersten Lebensmonaten oder können da erst erkannt werden. Dies zeigt:
Trotz aller Präimplantations- und Pränataldiagnostik kann die Geburt eines kranken oder behinderten Kindes nicht verhindert werden. Bei fünf Prozent der Schwangerschaften nach PID kam es zu sogenannten Mehrlingsreduktionen. Das heißt Kinder werden
im Mutterleib abgetötet, um dadurch die Erfolgsquote für wenigstens ein Kind bzw. für
Zwillinge zu erhöhen und um die Schwangerschaft nicht der drohenden Gefahr der
Frühgeburtlichkeit bei einer Drillingsschwangerschaft auszusetzen mit all den Risiken
einer möglichen Behinderung des Kindes bzw. der Kinder.
Auch wenn man die Argumente abwägt, die für eine Zulassung der PID sprechen könnten und bei allem Verständnis für den Kinderwunsch der Eltern, legen die obengenannten Bedenken eine kritisch ablehnende Haltung gegenüber diesen technischen Eingriffen und frauenverletzenden Übergriffen nahe.
Völlig verändertes Erleben von Schwangerschaft
In der Anlage weist der beigefügte Artikel auf die neuesten Entwicklungen in der Pränataldiagnostik hin, mit der Befürchtung vor Screeningprogrammen ( Such- und Siebtestuntersuchungen) für Schwangere und deren Folgen für das Schwangerschaftserleben,
das bald nur noch aus Verunsicherung und Absicherung besteht. Nicht die ca 2000
Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik sind
der eigentliche Skandal. Der Skandal ist die Tatsache, dass 800 000 Schwangeren pro
Jahr ein Instrumentarium mit mehr oder weniger Druck angeboten wird, dem sie sich
kaum verschließen können. Das kann die werdenden Mütter/Eltern in die unmenschliche Entscheidungssituation bringen, über Leben und Tod des eigenen Kindes bestimmen zu müssen. Und es wird bei jedem Untersuchungsangebot die Angst vor einer
möglichen Behinderung zum Thema gemacht. Die Natürlichkeit der Schwangerschaft
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wird zerstört. Es kommt zu einer permanenten Infragestellung der Schwangerschaft. So
werden das nötige Vertrauen und die Beziehung zum Kind erheblich gestört. Was als
Beruhigung gedacht war, wird zur ständigen Beunruhigung und zur Angst vor der Geburt. Dass gleichzeitig mit jeder Untersuchung behindertes und/oder krankes Leben zur
Wahl und zur Disposition gestellt wird, ist noch eine ganz andere Seite dieser Technik.
Die Würde der Frau
Gegen all dies wehren sich Frauen, die sich damit auseinandergesetzt haben, die diese
Entwicklungen hautnah erleben und den Blick für die Schöpfung als Ganzes nicht aus
den Augen verloren haben. Embryonen bilden von Natur aus mit dem Körper von Frauen eine unauflösbare physische und psychische Einheit. Der frauenlose Embryo, - das
ist wohl die am weitesten gehende Entfremdung von dieser naturgewollten engsten Zusammengehörigkeit und Bindung. Übergriffe und Eingriffe führen nicht nur zu körperlichen, sondern auch zu seelischen Abspaltungen mit allen ihren kränkenden und
krankmachenden und zum Teil zerstörerischen Folgen. Diese Beobachtungen werden
immer häufiger in psychologischen Studien bestätigt und analysiert.
Wenn Grenzüberschreitungen, die für Entwicklungen in der Forschung erforderlich und
notwendig sind, zu Grenzverletzungen werden, dann muss dem Einhalt geboten werden. In die Diskussion um Lebensbeginn, Menschsein und Menschenwürde des Embryos gehört zu vorderst die Würde der Frau, denn in Ihrer Würde ist die des Embryos
von Natur aus mitenthalten und aufgehoben. Diese wird in der ganzen Debatte auf dem
Altar von Fortschritt und Wunscherfüllung und Forschung geopfert und dieser Aspekt
wird viel zu wenig bedacht. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau wird hier für ganz
andere Interessen und Ziele instrumentalisiert. Die Nutzung und Ausbeutung von Frauenkörpern, das Abzielen dieser Forschung auf die Eizellen und Embryonen von Frauen,
der unwürdige Umgang mit Frauen durch und mit dieser Technik, das alles darf bei einer Entscheidung für oder gegen die Zulassung von PID in Deutschland nicht einfach
ausgeblendet werden.
Fazit
Deshalb setzen wir uns in dieser Debatte und Entscheidungsfindung für die Menschenwürde a l l e r ein und sprechen eindeutig gegen die Zulassung und Anwendung der
PID. Nicht alles, auf was man Zugriff bekommen hat, muss und darf genutzt, benutzt
und verzweckt werden. Die Würde des Menschen, die Würde der Frau muss unantastbar bleiben.
Annegret Braun
Leiterin der PUA-Beratungsstelle
zu Fragen bei Pränatalen Untersuchungen und Aufklärung
Diakonisches Werk Württemberg
Heilbronnerstr. 180
70191 Stuttgart
Tel. 0711/1656-341
Email: [email protected]
Internet: http.//www.diakonie-wuerttemberg.de/direkt/pua
März 2003
Anlage: Humangenetik: Werkzeug für “bessere“ Selektion? In epd sozial
Nr.32/2002Humangenetik als Wegbereiterin zur “verbesserten“ Selektion?
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Gastbeitrag von Annegret Braun, Diakonisches Werk Württemberg
In der Fachzeitschrift „Der Frauenarzt“ (Ausgabe 7/2002, Seite 43f.) werden Gynäkologen aufgerufen,
sich an einer neuen humangenetischen Studie bei Schwangeren zu beteiligen. Sie dient zur Vorbereitung
und Einführung der größten Fahndung nach chromosomalen Erkrankungen, vorzugsweise nach Kindern
mit Downsyndrom und gleichzeitig der Suche nach Kindern mit Bauchwand- und Neuralrohrdefekten
(Spina-bifida-Kindern). Unter dem Vorwand, hiermit könnten die mit einem Risiko behafteten Fruchtwasseruntersuchungen eingeschränkt werden und vor allem Schwangeren über 35 Jahren eine Entscheidung für oder gegen eine Fruchtwasseruntersuchung erleichtert werden, wird für diese Studie geworben.
Die ITA-Screening-Studie (ITA = Invasive Trophoblast Antigen) verfolgt laut Studienleiter Ulrich Sancken
von der Universität Göttingen das Ziel, das individuelle Risiko für fetale Chromosomenanomalien zu präzisieren. Wer die Materie kennt, weiß, dass diese Untersuchung nicht auf Schwangere mit einem so genannten “Altersrisiko“ begrenzt bleiben wird, sondern für alle Schwangeren eingeführt werden wird. Dafür
spricht schon die momentane Rechtssprechung (Kind als Schaden), die zu einer immer stärkeren Absicherungsmedizin geführt hat, bei welcher der Mensch - und zwar Mutter und Kind - auf der Strecke bleiben. Es ist mit größter Sicherheit anzunehmen, dass dieser Test allen Schwangeren mit Druck angeboten
wird, da er kein Eingriffsrisiko für das werdende Kind hat, und jeden Frauenarzt von dem Damoklesschwert einer möglichen Rechtsklage und deren Folgen befreit. Mit einer bis zu 95 Prozent sicheren Risikopräzisierung bietet sie sich geradezu an. Der größte Teil der Downsyndrom-Kinder wird von Müttern
unter 35 Jahren geboren. Da liegt es nahe, diesen Test als Vorsorgescreening anzubieten. Da es bekannt ist, dass über 95 Prozent der werdenden Mütter, die ein Kind mit Downsyndrom erwarten - und bei
denen mit Kindern mit Neuralrohrdefekten sind es nicht viel weniger -, sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, und ihnen dazu auch größten Teils von medizinischer Seite her geraten wird, lässt
unterschwellig die Zielrichtung dieser Studie vermuten.
Die ITA-Studie wird nun als “Verbesserung“ der (eigentlich kritisch zu hinterfragenden) bisherigen Screeningverfahren vorgestellt, um nach Erprobung flächendeckend eingeführt zu werden. Bisher hat die Humangenetik sich an den Grundsätzen der Kinderheilkunde orientiert, nur Screeningprogramme anzubieten, bei denen der/die davon Betroffene einen Nutzen und/oder einen Vorteil hat.Das Erschreckende ist,
dass nun ausgerechnet die Humangenetik sich offensichtlich an einer generellen Selektion beteiligt bzw.
ein “besseres“ Verfahren dazu anbietet, das zu einer generellen Selektion führen kann und wird.
Welchen Gewinn sie sich selbst davon verspricht, ist zu hinterfragen? Gesponsert wird sie von der Firma
Nichols Institute Diagnostica, Bad Nauheim. Eine Ethikkommission der Universität Göttingen hat dieser
Studie zugestimmt. Deren ethische Begründung zu erfahren, wäre interessant, und auf welche Thesen
sie sich stützt?
Nicht die ca. 2.000 Spätabbrüche pro Jahr im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik sind der eigentliche
Skandal, sondern die Tatsache, dass 800.000 Schwangeren pro Jahr ein Instrumentarium mit mehr oder
weniger Druck angeboten wird, das zum einen diese möglicherweise in die unmenschliche Entscheidungssituation bringt, über Leben und Tod des eigenen Kindes bestimmen zu müssen, und mit dem zum
andern bei jedem Untersuchungsangebot - also hunderttausendfach - behindertes oder krankes Leben
zur Wahl und Disposition gestellt wird.
Anstatt dieses Instrumentarium zu begrenzen und für die wenigen wirklich Betroffenen, die tatsächlich ein
Risiko haben (das Alter ist eigentlich kein Risiko), bereit zu halten, dehnt es sich auch mit dieser ITAStudie immer mehr aus. Da kann eine Enquête-Kommission des Bundestages, Fachleute und Politiker/innen noch so sehr die Begrenzung fordern: Es wird einfach in großem Stil weitergemacht. Welche
Interessen damit befriedigt und verfolgt werden, ist die Frage?
In der Einführung der Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen
der Bundesärztekammer vom Dezember1998, heißt es: „Keine Maßnahme der pränatalen Diagnostik hat
eine eugenische Zielsetzung.“
Dies dürfte hiermit in Frage gestellt sein.
Näheres zur ITA-Studie im Internet unter: www.humangenetik.gwdg.de
Annegret Braun ist Leiterin der Beratungsstelle zu vorgeburtlichen Untersuchungen und bei Risikoschwangerschaften beim Diakonischen Werk Württemberg, Stuttgart,
http://www.diakonie-wuerttemberg.de/direkt/pua. Tel. 0711/1656-341
Epd-sozial, 16.8.2002/ Frankfurt, Markus Jantzer.
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