Manuskript radioWissen SENDUNG: 31.03.2017 09.05 Uhr / B2

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Manuskript
radioWissen
SENDUNG: 31.03.2017
09.05 Uhr / B2
AUFNAHME:
STUDIO:
NaTe, Biologie, Ethik
Ab 9. Schuljahr
TITEL:
Die Hummel
Hofstaat für einen Sommer
AUTOR:
Werner Bader
REDAKTION:
Bernhard Kastner
REGIE:
Sabine Kienhöfer
TECHNIK:
Ursula Kirstein
PERSONEN:
Sprecherin:
Hemma Michel
Sprecher:
Friedrich Schloffer
O-Töne von:
Dr. Andreas Fleischmann,
Botanisches Institut in München;
Dr. Stefan Schmidt,
Zoologische Staatssammlung in München.
Musik, Atmo
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2017
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[email protected]; www.bayern2.de
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MUSIK: CD977440 011 (00‘23‘‘)
Sprecherin:
Wenn im Februar und März die Tage spürbar länger werden und die Sonne an
Kraft gewinnt, dann verlassen die ersten Hummel-Königinnen ihre Winterquartiere.
Wenige Zentimeter unter der Erde liegen die Höhlen, in denen sie sich im
Frühherbst eingegraben und die kalten Wintermonate überdauert haben.
MUSIK ENDE
O-Ton Andreas Fleischmann:
Sobald die Bodentemperatur etwa über acht Grad ist, da merken die dann, dass
es eigentlich Zeit ist jetzt, nach draußen zu kommen. Dass da wahrscheinlich
schon Pflanzen da sind, wo sie Nektar finden und graben sich eben nach draußen
und fangen dann an – also zuerst müssen sie natürlich ihren Magen mal füllen.
Und da sieht man die Hummeln eigentlich noch relativ schnell von Blüte zu Blüte
huschen. Und dann fängt die Hummelkönigin schon relativ bald an, ein neues
Nest zu gründen. Die möchte ja einen Staat gründen. Und das kann dann jeder
eigentlich auch in seinem Garten beobachten, das kennt man vielleicht, wenn die
Hummeln so im Zeitlupentempo über den Boden fliegen, so im Zickzack-Flug. Und
wirklich überall kucken, unter jedem Blatt, gerne in jedes Loch im Boden kucken,
oder so zwischen Holzstapel, unterm Moos, am Kompost rum. Denn die suchen
nach Höhlungen im Boden, wo sie ihr Nest drin bauen können.
Sprecher:
Dr. Andreas Fleischmann vom Botanischen Institut in München ist ein Kenner der
Wildbienen, insbesondere der Hummeln. Die dunkle und helle Erdhummel sowie
die Baumhummel sind unter den ersten Frühjahrsboten im März. Die
kurzrüsseligen Hummeln sind am wenigsten empfindlich gegen Kälte. In der Erde
schlummern derweil noch die Königinnen der Hummelarten, die mehr Wärme
brauchen. Die langrüsseligen Arten erwachen erst im April. Etwa die Ackerhummel
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mit ihrem gelblich bis rötlich braunen Brustkorb, oder die gelb-schwarz bepelzte
Gartenhummel und die Waldhummel mit dem orange-farbenen Streifen am
Hinterleib.
MUSIK: C1480480 013 (00‘40‘‘)
Sprecherin:
Hummeln sind eng verwandt mit den Bienen, es gibt sie seit rund 100 Millionen
Jahren. Hummeln, lateinisch „bombus“, bilden Staaten – für nur einen Sommer.
Sie haben ein doppeltes Flügelpaar, also insgesamt vier Flügel. Die Weibchen
besitzen einen Stachel. Alles typisch für Insekten aus der Familie der Bienen. Man
könnte Hummeln als etwas 'pummelige Bienen' bezeichnen, die ein dichtes
Pelzkleid tragen. Etwa 250 Hummelarten gibt es weltweit, 70 Hummelarten in
Europa, davon etwa 36 in Deutschland. Stefan Schmidt von der Zoologischen
Staatssammlung in München:
MUSIK ENDE
O-Ton Stefan Schmidt:
Hummeln sind die einzigen Bienen, die man auch hoch im Norden, in
Nordskandinavien noch finden kann, weil sie eben viel kälteresistenter sind als
andere Bienen, wie zum Beispiel auch die Honigbiene, die in diesen Regionen gar
nicht mehr vorkommt. Also es ist bekannt, dass Hummelköniginnen bis zu 2 Grad
eben aktiv sein können. Arbeiterinnen, die etwas kleiner sind, brauchen eine
Mindesttemperatur von ca. 6-7 Grad, um aktiv zu sein.
Sprecher:
Hummeln kommen fast alle in den temperierten Regionen vor, in der sogenannten
Palä-Arktis. Also in Europa, Nordafrika und Asien, nördlich des Äquators. Im
gemäßigten Klima fühlen sie sich wohl. Auf der südlichen Welthalbkugel sind
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Hummeln eher selten. Doch warum machen ihnen kühle Temperaturen so wenig
aus?
O-Ton Stefan Schmidt:
Das eine ist eben dieser Pelz, der aus gefiederten Haaren besteht, der erst mal
eine sehr gute Isolierung darstellt, der sehr dick ist, der bei im Norden oder in
kälteren Regionen vorkommenden Arten z. B. auch dicker ist und pelziger ist als
bei südlichen oder in wärmeren Gebieten vorkommenden Arten. Und das Zweite
ist, dass diese Hummeln selber Wärme auch erzeugen können durch Zittern,
durch Muskelbewegung können sie sich innerlich aufwärmen, bis sie eben die
Mindesttemperatur erreicht haben, um fliegen zu können, um abheben zu können.
Sprecherin:
Eine ganze Weile hat unsere Erdhummel-Königin auf dem warmen Mäuerchen im
Garten ausgeharrt und ihren Körper auf 30 Grad Celsius erwärmt. Diese
Temperatur braucht sie, um fliegen zu können. Jetzt erhebt sie sich in die Luft und
macht sich brummend auf die Suche nach Nektar und Pollen. An Weiden, an
Johannis- und Stachelbeere, an der purpurroten Taubnessel und später auch an
den Obstbäumen. Der Nektar dieser Pflanzen liefert die nötige Energie zum
Fliegen. Ihr eiweißreicher Pollen sorgt für die Entwicklung der Eierstöcke, der
Ovarien, die nach dem Winter noch klein sind. Ist der Energiebedarf fürs Erste
gedeckt, geht es an den nächsten Schritt – die Suche nach einem Nistplatz.
Andreas Fleischmann:
O-Ton Andreas Fleischmann:
Das können alte verlassene Mauslöcher sein, das können bei einigen Arten auch
Vogelnester sein oder eben irgendwelche Verstecke, die trocken und möglichst
warm sind. Wenn die da in so einen Gang in den Boden reingeht und man sieht
dann die Hummel drin verschwinden und es passiert relativ lang nichts, dann kann
man sich eigentlich sicher sein, dass sie das angenommen hat. Wenn die nach
einer halben Stunde bis Stunde wieder rauskommt, und dann so im Zeitlupenflug
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so konzentrische Kreise um dieses Loch fliegt, dann weiß man, dieser Platz gefällt
ihr, da möchte die ihre Kolonie gründen, ihr Nest gründen, denn da prägt die sich
diesen Ort ein.
MUSIK: C1480480 013 (00‘23‘‘)
Sprecher:
Immer wieder inspiziert die künftige Mutter alle möglichen Ritzen und Erdhöhlen,
bis sie gefunden hat, was sie braucht. Trocken, wie gesagt, muss die Nisthöhle
sein und warm. Einige der Hummelarten dichten ihren Bau gegen Feuchtigkeit ab
mit Wachs, das sie aus ihren Rückensegmenten ausscheiden.
MUSIK ENDE
O-Ton Andreas Fleischmann:
Stellen wir uns so ein verlassenes Mausnest vor, so einen Mauskogel. Das ist also
sozusagen so eine Hohlkugel. Da zupft die Hummel gern innen noch an diesem
Moos oder an diesen Haaren herum. Dass sie sich also wirklich so eine schöne
dichte Kugel macht, dass das also einigermaßen stabil ist und auch wasserdicht.
Und dann beginnt die da, eine Wabe zu konstruieren, in der die Eier eingelegt
werden. Und die beginnen auch, einen sogenannten Honigtopf zu machen. Das
heißt, das wird eine große Wabe, indem die Königin Nektar hineinwürgt, den sie
draußen auf ihren Sammelflügen sammelt im Kropf. Und denn würgt die dort
wieder hinein, damit sie, wenn sie später auf dieser Ei-Wabe sitzt und diese Eier
ausbrütet durch Körperwärme, dass sie dann nicht mehr auf Proviantierungsflüge
gehen muss.
Sprecherin:
Aus ihrem Wachs formt die Hummelkönigin auch spezielle Behälter für Pollen.
Damit werden die Larven des Nachwuchses gefüttert. Pollen- und Honigtopf sind
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eine wichtige Vorratskammer, auch für Schlechtwetter-Phasen. Und dann baut die
Königin die so genannte „Ei-Wiege“, es entsteht der „Hofstaat für einen Sommer“.
Sprecher:
Die Königin formt in der Mitte des Nistmaterials eine Mischung aus Pollen und
Nektar, das 'Bienenbrot'. Darauf legt sie die ersten Eier ab, 8 bis 16 Stück. Wie
eine Bruthenne setzt sich die Königin dann auf die Wachskammer. Die Larven
unter ihr ernähren sich vom gemeinsamen Pollenvorrat. Manchmal wird das
Wachsnäpfchen, in dem die Larven heranwachsen, geöffnet. Dann füllt die
Königin Bienenbrot oder Nektar nach. Nach drei bis fünf Tagen schlüpfen die
ersten Larven.
Sprecherin:
Die Hummelkönigin selbst versorgt sich aus dem gut gefüllten Honigtopf am
Eingang des Nests. Auf über 30 Grad wird sie das Nest aufheizen. Dazu
verbraucht Energie aus Nektar und Pollen, die in etwa dem Besuch von 6.000
Blüten entspricht. Gibt es zu wenige Blüten in der Nähe des Nestes, ist die Brut in
großer Gefahr:
O-Ton Andreas Fleischmann:
Insekten sind eigentlich wechselwarme Tiere, das heißt, bei Insekten wäre die
Körpertemperatur immer gleich der Umgebungstemperatur. Das heißt, wenn es
kalt ist, sind die sehr langsam, können sich nicht schnell bewegen. Hummeln
gehören zu den wenigen Insekten, die ihre Körpertemperatur regulieren können
durch Muskelarbeit. Und die Hummeln können, um ihren Körper aufzuheizen, die
Flugmuskulatur abkoppeln und die Muskeln zittern lassen. Und das ist dasselbe,
wie wenn es uns friert und wir dann Gänsehaut bekommen oder wenn wir dann
körperliche Arbeit machen, da wird es uns warm. Die Muskeln verrichten Arbeit,
dabei entsteht Wärme. Und so können die Hummeln die Temperatur im Nest
immer etwa gleichmäßig auf 30 bis 33 Grad regeln.
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Sprecher:
Nach drei Wochen schlüpfen die ersten Arbeiterinnen aus den Zellen, meist sind
sie kleiner als die Hummelkönigin. Und: unfruchtbar. Sie kümmern sich sofort um
die Brut, die Königin hat längst die zweite Serie gelegt. Die Arbeiterinnen schaffen
Nahrung heran und bauen das Nest aus. Es schlüpfen immer mehr und besser
versorgte Arbeiterinnen. Die letzte Generation hat dann fast die Größe ihrer
Mutter, der Hummelkönigin. Das Hummelvolk hat jetzt seine größte Ausdehnung.
Nun werden die männlichen Geschlechtstiere, die Drohnen und die KöniginnenGeneration des nächsten Sommers aufgezogen:
O-Ton Andreas Fleischmann:
Und das ist je nach Hummelart unterschiedlich. Also die kleine Wiesenhummel
zum Beispiel, das ist eine sehr frühe Hummel, die erscheint sehr früh im Frühjahr
schon. Aber da sind meistens Mitte Juni schon die Geschlechtstiere unterwegs,
dann stirbt das Nest schon sehr, sehr früh. Während bei anderen Arten, die
langlebigste unserer Hummeln ist die Ackerhummel, da erscheinen die
Geschlechtstiere manchmal erst wirklich kurz vor dem ersten Frost. Das hängt
also ein bisschen von der Hummelart ab.
Sprecherin:
Wie bei den Honigbienen entwickeln sich bei den Hummelvölkern die Männchen,
die Drohnen, aus unbefruchteten Eiern. Sobald sie erwachsen sind, verlassen sie
für immer das Nest. Manche lassen sich gleich am Eingang nieder, um möglichst
schnell ein Weibchen begatten zu können. Die Drohnen der meisten Hummelarten
aber fliegen etwas weiter und ziehen ihre Flugbahnen über dem Gelände vor dem
Nest.
O-Ton Andreas Fleischmann:
Die fliegen immer im gleichen Rhythmus, entweder mit oder entgegen dem
Uhrzeigersinn - kann man in seinem Garten auch sehr schön beobachten –
geregelte Bahnen ab, wo sie Markierungen setzen. Die reiben sich also da an
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Blättern oder an Blüten mit ihrem Hinterleib und setzen eine Duftmarke. Und
fliegen diese Duftmarken immer wieder ab und auch die Weibchen, die werden
von diesen Duftmarken, von diesen Pheromonen, diesen Lockstoffen irgendwie
angelockt und werden dann meistens gezielt an diesen Plätzen abgefangen.
Sprecher:
Auf ihren Flügen geben die Hummel-Männchen einen deutlich hörbaren BrummTon von sich. Manchmal bleiben sie länger auf markierten Plätzen an ihren
Flugbahnen sitzen und warten brummend auf ein Weibchen, das sie begatten
können.
Sprecherin:
Hummel-Drohnen können, wenn überhaupt, nur einmal in ihrem Leben eine
Königin begatten. Der Hochzeitsflug ist der eigentliche Sinn ihres kurzen Daseins.
Viele Hummel-Männchen sterben bereits mitten im Sommer. Die jungen
Königinnen aber haben noch ein Jahr zu leben. Und sie müssen sich beeilen.
Sofort nach der Begattung gehen sie auf Nahrungssuche. Sie fressen sich einen
Fettkörper an und füllen ihre Honigblase. Genug, um den kalten Winter zu
überstehen. Kurz lebende Arten wie die Wiesenhummel suchen schon im Juli
einen Platz zum Überwintern. Und damit schließt sich der Jahreskreis.
MUSIK: CD011440 007 (00‘24‘‘)
Sprecher:
Lange Zeit rätselten Wissenschaftler, wie die Hummel es schafft, sich in die Luft
zu erheben trotz kleiner Flügel und relativ großer Körperfülle. Es sind wohl
mehrere Faktoren, die der Hummel das Fliegen ermöglichen. Der Hauptgrund:
Ihre Flügel sind flexibel und nicht starr wie die eines Flugzeuges:
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O-Ton Andreas Fleischmann:
Das ist ein häutiger Flügel, der ist also flexibel (MUSIK ENDE), der biegt sich. Der
macht keine starre Bahn, sondern der macht so eine Schwingung, wo ganz
andere Strömungen entstehen. Und zum anderen ist eine Hummel natürlich viel
kleiner, man kann das nicht einfach von einem Flugzeug runterrechnen. Denn je
kleiner ein Tier wird, desto zäher wird ja die Luft. Die bewegt sich also durch ein
sehr viel dichteres Medium, da gibt es ganz andere Luftwirbel, und deswegen
kann die Hummel auch physikalisch fliegen.
MUSIK: C1424430 016 (00‘40‘‘)
Sprecherin:
Erst 1996 wurde entdeckt, dass Luftwirbel zum Auftrieb der Hummel beitragen. Mit
einer Superzeitlupenkamera kann man sehen, dass eine Hummel ihre Flügel bis
zu 200 Mal pro Sekunde kreisförmig bewegt und einen Luftwirbel erzeugt. So
entsteht ein Unterdruck, und die Hummel kann abheben. Bis zu 20km/h schafft
eine Hummel, in ihrer Honigblase kann sie bis zu 90 Prozent ihres Eigengewichts
transportieren, ihr „Flugbenzin“, den Nektar inklusive. Und nicht nur darin sind sie
ihren Verwandten, den Honigbienen, überlegen.
MUSIK ENDE
Sprecher:
Hummeln können bis zu 18 Stunden am Tag auf Nahrungssuche gehen, sie
fliegen bei Kälte, bei starkem Wind und finden sich gut in Gewächshäusern
zurecht. Hummeln bestäuben Pflanzen effizienter als Bienen, sie sammeln länger,
schneller und größere Mengen. Deshalb werden Hummeln kommerziell gezüchtet
und im Obst- und Gemüseanbau zur Bestäubung eingesetzt. Doch das könnte
zum Problem werden für unsere einheimischen Hummeln, sagt Dr. Andreas
Fleischmann.
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O-Ton Andreas Fleischmann:
Mittlerweile werden die auch für Obstbau und so weiter gezüchtet und das hat
Vor- und Nachteile. Sie sind sehr effektive Bestäuber. Allerdings ist das große
Problem, diese Laborhummeln sind häufig auch irgendwelche Inzuchtlinien, die
halt darauf getrimmt werden, möglichst bestäubungseffizient zu sein. Und wenn
die dann in die freie Natur entlassen werden, dann können die sich mit unseren
heimischen Sippen hier verpaaren. Und das ist nicht sehr gut, weil unsere Sippen
hier natürlich an ganz andere Klimate angepasst sind. Das mag dieselbe
Hummelart sein, aber wenn die sich mit denen vermischen, dann können
entweder Krankheiten übertragen werden, oder Resistenzen verloren gehen. Weil
eben diese Sippen hier im Süden an ganz andere Gegebenheiten angepasst sind.
MUSIK: C1464270 001 (00‘49‘‘)
Sprecherin:
Paprika, Auberginen, Tomaten, Äpfel, Birnen, Kirschen, Erdbeeren, Heidel- und
Johannisbeeren – viele Obst- und Gemüsesorten werden von Hummeln bestäubt.
An ihrem Pelz bleibt viel Pollen hängen. Hummeln gelangen an Pollen, an den
andere Insekten wie Wild- oder Honigbienen nicht herankommen. Etwa bei
Nachtschattengewächsen wie Tomaten oder Kartoffeln, die eigentlich in
Südamerika heimisch sind. Während es dort die passenden Bestäuber für sie gibt,
gehören Hummeln hierzulande zu den wenigen Bienen, die die dafür nötige
Vibrations-Bestäubung beherrschen. Das ist unentbehrlich bei Pflanzen, die den
Pollen beim Blütenbesuch nicht einfach gratis an die Insekten abgeben.
MUSIK ENDE
O-Ton Andreas Fleischmann:
Bestimmte Pflanzen, da öffnen sich die Staubblätter nicht, sondern haben vorne
nur einen kleinen Porus, durch den der Pollen rieselt. Wenn der Pollen in der
richtigen Geschwindigkeit geschüttelt wird. Und das ist meistens durch akustische
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Schwingungen. Und das machen die Hummeln so: Die koppeln ihre
Flugmuskulatur ab von den Flügeln und lassen den ganzen Brustkorb zittern als
Resonanzkörper. Und das gibt dann so einen dunklen Brummton, und der hat
genau die richtige Frequenz, dass diese Staubblätter mitschwingen und dann
rieselt der Pollen raus.
Sprecher:
Welche Pflanzen die Hummeln auf ihren Sammelflügen besuchen, hängt von der
Länge ihres Rüssels ab. Ist die Blütenröhre zu lang, und hat eine kurzrüsselige
Hummel so keine Chance, an den Nektar zu kommen, dann beißt sie die Blüte
einfach an und saugt den Nektar ab, ohne die Blüte zu bestäuben. Von dem
„Blüteneinbruch“ profitieren später auch die Honigbienen.
Sprecherin:
Besonders beim Anbau von Luzerne und Rotklee, wichtigen Futterpflanzen in der
Landwirtschaft, sind Hummeln unverzichtbar. Daher empfahl Charles Darwin im
19. Jahrhundert die Einfuhr der langrüsseligen Feldhummel, der Erdbau- und der
Gartenhummel sowie der Dunklen Erdhummel nach Neuseeland und Australien,
um dort die Viehzucht zu unterstützen. Und das nicht nur wegen der Bestäubung.
Sprecher:
Denn Hummeln tragen auf ihren Bestäubungsflügen, ähnlich wie Bienen und
Schmetterlinge, die für die Gesundheit der Wiederkäuer so wichtige Nektarhefe
von Blüte zu Blüte. Der so genannte 'Kreuzhefepilz' ist Bestandteil des Nektars
von vielen Korb- und Lippenblütlern. Damit können Wiederkäuer wie Rinder ihre
zellulosehaltige Nahrung besser verdauen, das Futter wird besser verwertet. Bis
zu hundert weitere Tierarten sollen so von den Hummeln profitieren, natürlich
auch der Mensch.
MUSIK: C1591190 102 (00‘51‘‘)
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Sprecherin:
Doch wir Menschen zählen zu den größten Feinden der Hummeln. Dabei haben
die Hummeln ohnehin schon eine Reihe von Widersachern. Dachse, Füchse und
Bären graben Hummelnester aus, um an die süßen und eiweißreichen Vorräte zu
gelangen. Wachsmotten machen sich über Hummelvölker her, die von Züchtern in
Boxen im Garten gehalten werden. Gierige Parasiten, die angelockt vom Duft des
Hummelvolkes ihre Eier in deren Nester legen. Die Larven fressen das Wachs und
die Hummelbrut, werden von den Hummeln allerdings nicht als Feind erkannt.
Sprecher:
Selbst von ihren eigenen Artgenossen werden Hummelvölker heimgesucht. So
genannte „Kuckucks-Hummeln“ schleichen sich in die Nisthöhlen.
Kuckuckshummeln haben keine Häkchen an ihren Hinterbeinen, mit denen sie
Pollen für ihre Brut sammeln könnten (MUSIK ENDE). Sie haben dunkle Flügel,
sind auch sonst ganz dunkel und sie sind nicht in der Lage, Nester zu gründen.
Zehn Arten solcher Kuckuckshummeln sind bekannt. Oft stechen sie die
Hummelkönigin tot, machen sich in deren Nest breit und lassen ihre eigene Brut
aufziehen. „Sozial-Parasitismus“ nennen das die Biologen.
Sprecherin:
Doch warum wird die Kuckuckshummel nicht von der Königin entdeckt und
vertrieben? Forscher vermuten, dass sie sich nahezu „geruchsneutral“ machen
kann oder keinen Eigengeruch hat. Andernfalls würde die fremde Hummelkönigin
im Nest sofort aufgespürt und totgestochen werden, denn Hummeln sind überaus
wehrhaft.
MUSIK: NC015960 006 (00‘15‘‘) + M0010515 036 (00‘13‘‘)
Sprecher:
Selbst eine Maus, die einer Hummelkönigin auf Nestsuche im Weg ist, kann von
ihr getötet werden. Zunächst brummt und droht die Hummelkönigin, wenn die
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Maus nicht flieht, dann sticht die Hummel sie tot. David besiegt Goliath. Die
Hummel stirbt nicht nach einem Stich, sie kann anders als die Biene ihren Stachel
wieder aus dem Opfer zurückziehen.
MUSIK ENDE
Sprecherin:
Menschen greifen Hummeln eigentlich nicht an, auch ist ihr Gift ist nicht so stark
wie das der Honigbiene. Doch bei Bienengift-Allergikern kann auch ein
Hummelstich einen allergischen Schock auslösen. Einem unterirdischen
Hummelnest kann man sich nähern, weil sich die Hummeln dort sicher fühlen. Nur
bei der oberirdisch nistenden Baumhummel greifen die Arbeiterinnen schnell an,
wenn man ihrem Nest zu nahe kommt.
O-Ton Andreas Fleischmann:
Hummeln so in der freien Natur, wenn die auf Blüten sitzen, die stechen nicht,
wenn man sich denen nähert, da wenn man mit dem Finger hingeht, dann haben
die so ein mehrstufiges Abwehrverhalten. Also, die sagen durchaus „pass auf, ich
bin wehrhaft“, und die zeigen einem das auch. Also, wenn man sich denen am
Anfang nähert, man kann die mit dem Finger richtig berühren, dann werden die
erst mal das Mittelbein heben, und mit dem Bein so zeigen, bleib auf Abstand, und
wenn man sich dann immer noch nicht zurückhält, oder die Hummel anfasst, dann
fangen sie an mit einem tiefen Brummen und werfen sich auf den Rücken und
zeigen ihren Stachel, dass sie eben wehrhaft sind. Aber selbst dann könnte man
die Hummel noch anfassen. Die würde nicht stechen wie eine Honigbiene. Der
Stachel hat keine Widerhaken, der bleibt also auch nicht drin. Die sticht einmal
kurz wie eine Wespe rein und wieder raus – und da auch nur, wenn ein Widerlager
da ist. Also wenn ich auf eine Hummel drauftrete oder wenn ich die in die Hand
nehme und zwischen den Fingern quetsche, dann würde mich die stechen. Aber
ansonsten, wenn ich auf einer Blüte aus Versehen auf eine Hummel lange, die
würde mich nie stechen.
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MUSIK: M0010586 006 (00‘58‘‘)
Sprecher:
Leider muss man sich um die Hummeln in Mitteleuropa Sorgen machen. Von den
36 Hummelarten in Deutschland sind einige sehr selten geworden. Meist sehen
wir noch Erd- und Steinhummeln, doch kaum mehr Waldhummeln. Bei ihnen ist
der Rückgang dramatisch. Auch die Grashummel befindet sich auf der Roten
Listen der vom Aussterben bedrohten Arten. Die Gründe dafür sind längst
bekannt:
MUSIK: NC015960 006 (00‘05‘‘)
Sprecherin:
Hummeln und Wildbienen, Honigbienen und alle blütenbesuchenden Insekten
verlieren ihre Lebensräume. Hecken, Blühgehölze und Ackerrandstreifen werden
entfernt. In der industrialisierten Landwirtschaft haben Blüten und ihre Bestäuber
keinen Platz. Wiesen werden bis zu sieben Mal im Jahr gemäht, immer stärkere
Pflanzengifte werden versprüht. Nervengifte, sogenannte Neonicotinoide machen
Insekten orientierungslos, bei hoher Konzentration sterben Hummelvölker ab.
MUSIK ENDE
O-Ton Andreas Fleischmann:
Jede Art spielt ihre wichtige Rolle im Ökosystem, und gerade im Zuge des
Klimawandels ist natürlich ein stabiles ökologisches Netz sehr viel wichtiger, als
wie wenn nur noch wenige Arten übrig bleiben. Wenn die dann auch noch
ausfallen, dann haben wir keine Bestäubungsinsekten mehr. Also, die Hummeln,
auf die können wir nicht verzichten, da sind bestimmte Pflanzengruppen, die
brauchen unbedingt die Hummeln, aber es gibt auch bestimmte andere Tiere, die
brauchen die Hummeln dann wieder als Nahrung. Es ist ein komplexes Netz, das
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wir Menschen wahrscheinlich noch gar nicht so durchschauen, und wir können gar
nicht sagen, welches einzelne Rädchen jetzt was genau bewirkt.
Sprecher:
Auch die Klimaerwärmung schadet den Hummeln, große Hitze vertragen die
„pelzigen Bienen“ nicht. Häufige Hitzesommer könnten das Aus für Hummeln in
Mitteleuropa bedeuten, warnen Wissenschaftler. Schon jetzt steht fest: Hummeln
gehören zu den großen Verlierern des Klimawandels. Andreas Fleischmann:
O-Ton Andreas Fleischmann:
Die Hummeln, die sind eine Insektengruppe, die sich an kühlere Temperaturen
angepasst hat. Hummel können bei hohen Temperaturen, wenn ab 35 Grad
Außentemperatur, da würden die Gefahr laufen, zu überhitzen, durch den dichten
Pelz, die können die Wärme nicht so gut regulieren. Und durch den Klimawandel,
wenn es immer mehr dieser heißen Tage gibt, da kann es sein, dass dann da
Völker absterben (MUSIK: M0010586 006 [00‘22‘‘]). Und es gibt schon
Beobachtungen, dass einige Hummelarten mittlerweile in größere Höhen
ausweichen oder in nördlichere Breiten. Wobei, da sind natürlich schon Arten, und
irgendwann ist Schluss, und da können sie irgendwann nicht mehr nach Norden
oder nach Oben ausweichen.
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