tns-Infratest-Umfrage über kreative Werbung

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WERBUNG
MARKENARTIKEL 4/2005
MARKENARTIKEL 4/2005
WERBUNG
Werbung soll auch
Freude machen
HANDEL
KRITERIEN FÜR KREATIVITÄT
tns-Infratest-Umfrage über kreative Werbung
J. P. GUILFORD, damals Präsident der American Association of Psychology, brachte 1950 den ursprünglich psychologischen Begriff »Kreativität« in die Öffentlichkeit.
Seither hat dieser eine erstaunlich steile Karriere gemacht
– auch in der Werbung. Dabei stand Kreativität in der
Werbe-Branche traditionell durchaus nicht hoch im Kurs.
Und dies galt nicht nur für »klassische« Vertreter rationaler Werbung wie etwa Claude Hopkins – einer seiner
Slogans: »Nobody buys from a clown« - sondern auch für
einige Protagonisten der »kreativen Revolution« in der
Werbung der sechziger.
Die Neubewertung der Kreativität
Seither hat sich die Bewertung von Kreativität in der
Werbung deutlich geändert. Kreativität ist »in«, wurde
ein »seriöses« Thema. Kreative Markenkommunikation
ist als eine zentrale Bedingung für Markenerfolg entdeckt.
So etwa von Leo Burnett Worldwide, die hierzu 1995 eine Pionier-Studie vorlegten, mit der gezeigt wurde, dass
kreative Kampagnen im Markt Erfolg hatten. Andere Studien folgten, in Deutschland beispielsweise die Arbeit von
Trommsdorff & Becker 2001.
Auch in der bisher umfangreichsten Studie zum Markenerfolg, in der 480 Markenkampagnen aus aller Welt
untersucht wurden, kamen die Autoren, ehemalige P&G
Manager, zu dem Ergebnis, dass die »erfolgreichsten Kampagnen (...) deutlich kreativer (sind) als der Durchschnitt«.
Warum es für Werbung gut ist, kreativ zu sein
Erfolgsfaktor Kreativität. Die zum Teil sehr wissenschaftlichen Erklärungen, die für den größeren Erfolg kreativer
Werbung angeführt werden, treffen sich zumeist in der
Vorstellung, dass kreative Werbung ungewöhnlich und
neuartig ist. Sie fällt auf und wird bemerkt, anstatt in der
Masse der Werbemittel unterzugehen.
Die Andersartigkeit kreativer Werbung verlangt vom Betrachter eine Auseinandersetzung, weil sie nicht die üblichen Wege geht. Kurz: Sie durchbricht Betrachtungsroutinen.
Der Betrachter wird neugieriger als bei einem langweiligen oder herkömmlichen Werbemittel. Wenn dadurch eine neue unerwartete Perspektive auf eine Marke oder ein
Angebot im Kopf des Verbrauchers entsteht, dann kann
dies ein Impuls für die (erneute) Auseinandersetzung mit
dieser Marke sein. Sie erscheint dann nämlich nicht (mehr)
als etwas Altes und Allzu-Bekanntes.
»Kann« wohlgemerkt! Es ist freilich möglich zu übertreiben und Zuschauer mit Werbung zu konfrontieren, die sie
vor den Kopf stößt. Ob dies jedoch passiert, hängt auch
davon ab, wie sehr Konsumenten überhaupt bereit sind,
sich auf kreative Werbung einzulassen.
Konsumenten haben Erwartungen an Werbung
Deutsche Konsumenten mögen ebenfalls kreative Werbung, auch ihre Bewertung von Kreativität hat sich geändert. Das belegt die akutelle tns-Online-Befragung von
Konsumenten im Alter zwischen 15 und 55 Jahren (Wurde nach Repräsentativität für Onliner gewichtet): Witzig
und kreativ ist angesagt, bierernst sollte Werbung definitiv nicht sein.
Aber Achtung: Kreativität und Witz dürfen nicht zum
Selbstzweck werden. Denn: Werbung soll auch glaubwürdig informieren. Selbstverliebte Ironie, ausgeflipptes
Trendsetting und verspielte Unterhaltung stehen dagegen
nicht hoch im Kurs. Tabelle 1
KONSUMENTEN - ERWARTUNGEN AN WERBEFILME
Witzig sein
59%
Kreativ sein
57%
56%
Informativ sein
Stil haben
Frage: Wenn Sie einmal an die Werbefilme denken, die man so tagtäglich im
Fernsehen sieht: Würden Sie sagen, es gibt ...*
Deutlich mehr kreative als
langweilige Werbefilme
Etwas mehr
kreative als
langweilige
Werbefilme
6%
10 %
Deutlich mehr langweilige als kreative
Werbefilme
23 %
Genauso viele
kreative wie
langweilige
Werbefilme
Basis: Total, n=318 *Antwortvorgaben, nur eine Antwort möglich
28%
24%
Ein bisschen ausgeflippt / trendy sein
23%
Verspielt / unterhaltend sein
Ernsthaft / seriös sein
Basis: Total, n=318. Bewertung der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf einer 5-Punkt Skala von
»1: Stimme voll zu« bis »5: Stimme überhaupt nicht zu« Top-Box (Total)
TABELLE 3
ADC-Haupt-Kriterien
Praktiker-Kriterien
Konsumenten-Kriterien
RECHT
Klarheit
Freude
Überzeugungskraft
Originalität
Machart
Klarheit
Freude
Überzeugungskraft
Originalität
Machart
Risikobereitschaft
Phantasie
Ideenreichtum
Offenheit
Unabhängigkeit
originell sein TABELLE 3
ideenreich sein
gut gemacht sein
Freude machen
Überzeugen
Phantasievoll sein
Klar sein
ein Risiko eingehen
Offen sein
Unabhängig sein
EVENTS
Basis: Total, n = 318. Die linke Spalte listet die Hauptkriterien für Kreativität des ADC nach Verwendungshäufigkeit (Trommsdorff & Becker 2001, Tabelle 8). In der mittleren Spalte werden die Kriterien von Unternehmen / Werbeagenturen nach Verwendungshäufigkeit angeführt (Trommsdorff & Becker 2001, Tabelle 8).
Die Spalte rechts zeigt das Ranking von Konsumenten auf die Frage: Damit ein Werbefilm kreativ ist, muss
er vor allem ... (Antwortmöglichkeiten wurden vorgegeben, Rangreihe)
Außerdem scheinen diese Kriterien auch etwas mit der
Werbeeffektivität zu tun zu haben. Jedenfalls zeigte sich,
dass der Grad der Auszeichnung von Kampagnen durch
den ADC für Kreativität (in den Abstufungen Gold, Silber
und Bronze) sich tendenziell in der Effektivität der Kampagnen spiegelt: Je höher die Auszeichnung, desto größer
der Erfolg.
Konsumenten nach diesen Kriterien der Kreativität befragt, wollen sie vor allem dies: Originalität, Ideenreichtum und gut gemachte Werbung, die Freude macht und
überzeugt. Heißt: Werbung soll überzeugen, Werbung ist
aus Konsumenten-Sicht kein Selbstzweck, sie auch nicht
sein sollte.
Auf das Thema kommt es an
31 %
31 %
Etwas mehr
langweilige
als kreative
Werbefilme
Kriterien für Werbekreativität
43%
35%
11%
BEURTEILUNG DEUTSCHER WERBEFILME DURCH KONSUMENTEN TABELLE 2
52%
Kurz sein / auf den Punkt kommen
Selbstironisch sein
Wer also kreative Werbung fördert, der fördert demnach
Werbung, die deutsche Verbraucher (eher) schätzen werden, weil sie ihren Erwartungen entspricht. Angesichts
der immer wieder monierten Ablehnung, auf die Werbung
gerade in Deutschland oft stößt, ist das kein unwichtiges
Ziel. Ein Ziel, das längst noch nicht erreicht ist: Befragt,
ob sie mehr kreative als langweilige Werbung sehen oder
umgekehrt, sagten nur 16 Prozent der Befragten, es gäbe
etwas mehr oder deutlich mehr langweilige als kreative
Werbefilme. Für die Werber ist wohl noch einiges zu tun!
Tabelle 2
TABELLE 1
Frage: Eigentlich beachtet man Werbefilme meistens nicht bewusst oder
gezielt. Wenn Sie nun aber doch gelegentlich den einen oder anderen Werbefilm sehen: Wie sollten diese Werbefilme Ihrer Ansicht nach dann sein?
Ehrlich / glaubwürdig sein
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Um diesem Ziel näher zu kommen zeichnet der Art Directors Club (ADC) jährlich kreative Kampagnen aus und hat
hierfür Kriterien definiert, um die Kreativität von Werbemitteln einzuschätzen.
Diese Kriterien, so zeigte eine Studie von Trommsdorff
& Becker, passen erstaunlich gut zu denen, die Praktiker (Unternehmen/Werbeagenturen) auch verwenden und
haben dementsprechend praktische Relevanz. Tabelle 3
Die Erwartungen der Konsumenten werden auch von den
konkreten Themen der Werbung beeinflusst. Bei manchen
Themen mag die Bereitschaft kreative und unterhaltende
Werbung zu sehen, wenigstens eingeschränkt werden, bei
anderen Themen ist sie dagegen hoch ausgeprägt. Auch
danach haben wir gefragt.
Unter den von uns vorgegebenen Kategorien gelten dabei vor allem Süßigkeiten (52%) und Parfum (43%) als
die Themenbereiche, bei denen kreative/unterhaltende
Werbung angemessen ist, während sich nur wenige Konsumenten hier seriöse/informative Werbung als angemessen
vorstellen können (5% bzw. 6%). Aber auch Tierfutter,
alkoholische Getränke oder Waschmittel sind für kreative/ unterhaltende Werbung geeignet.
Seriöse/informative Werbung ist angemessen vor allem bei
Geldanlagen (82%), weniger dagegen kreative/unterhaltende Werbung (4%). Offensichtlich hört beim Geld der
Spaß deutlich eher auf.
In der Kategorie Werbung für Autos scheint beides möglich zu sein: Hier gibt es etwa ebenso viele Befragte, die
bei Autos seriöse/informative Werbung angemessen fin-
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Deutsche Konsumenten schätzen inzwischen
Kreativität in der Werbung
den (44%), wie solche, die sich hier kreative/unterhaltende Werbung vorstellen können (39%).
Die Erwartungen der Konsumenten werden also von den
Themen der Werbung beeinflusst. Manchmal kann dabei
die Anforderung nach seriöser Information durchaus die
Oberhand über den Wunsch nach Witz und Kreativität
gewinnen. Tabellen 4a/b
THEMENBEREICHE FÜR SERIÖSE / INFORMATIVE WERBUNG TABELLE 4 A
Frage: Bei welchen der folgenden Themenbereiche würden Sie sagen,
dass Werbefilme vor allem seriös und informativ sein sollten?
Werbung für Geldanlagen
82%
Werbung für Autos
44%
15% Werbung für alkoholische Getränke
13% Werbung für Tierfutter
11% Werbung für Waschmittel
6% Werbung für Süßigkeiten
5% Werbung für Parfum
Basis: Total, n=318. Antwortvorgaben, Mehrfachantworten möglich, Antwortmöglichkeit „Bei keinem
dieser Themenbereiche“ nicht ausgewiesen
THEMENBEREICHE FÜR KREATIVE / UNTERHALTENDE WERBUNG
Frage: Bei welchen der folgenden Themenbereiche würden Sie sagen,
dass Werbefilme vor allem kreativ und unterhaltend sein sollten?
Werbung für Süßigkeiten
52%
Werbung für Parfum
43%
Werbung für Autos
Werbung für Tierfutter
TABELLE 4 B
39%
36%
29% Werbung für alkoholische Getränke
26% Werbung für Waschmittel
4% Werbung für Geldanlagen
Basis: Total, n=318. Antwortvorgaben, Mehrfachantworten möglich, Antwortmöglichkeit „Bei keinem
dieser Themenbereiche“ nicht ausgewiesen
Von zentraler Wichtigkeit werden dabei begründete Aussagen über die kreative Leistung eines Werbemittels und
über die Verbindung der kreativen Idee des Werbemittels
mit der Marke/dem Angebot sein.
Diese Möglichkeiten bietet unsere Kommunikationsforschung mit AdEvalTM, einem Forschungssystem, dass
tns seit einigen Jahren einsetzen, um unseren Kunden bei
der Verbesserung ihrer Markenkommunikation zu helfen.
Es ist ein Pretest-Verfahren, das quantitative Messung mit
einer detaillierten Inhaltsanalyse verbindet.
Die beiden zentralen quantitativen Variablen von
AdEvalTM sind Involvement und Motivation. Involvement misst die innere Beteiligung, die ein Werbemittel
aufgrund seiner kreativen Gestaltung beim Konsumenten
auslöst. Durch diese Messung der Effekte von Kreativität
ist es dementsprechend möglich, die Erfüllung des ersten
oben genannten Zieles einzuschätzen.
Motivation misst das durch das Werbemittel erreichte
(positive) Bild der Marke. Letzteres wird dann in einer
Inhaltsanalyse vertieft. Bei dieser Inhaltsanalyse werden
die Verbindungen von Kreatividee und Marke aufgezeigt.
So kann gezeigt werden, ob die Marke wirklich mit der
erzählten Geschichte des Werbefilms verknüpft ist und
dadurch positive Konturen gewinnt oder nicht.
So wird anschließend die zweite oben genannte Bedingung
erfüllt: Es lässt sich so nämlich sicher stellen, dass die Kreatividee des Werbemittels im Dienste der Marke steht und
dem Konsumenten auch wirklich etwas über das Angebot vermittelt. Dadurch wird dem Informationsbedürfnis
Rechnung getragen und verhindert, dass ein Werbemittel
on air geht, dessen Kreatividee bloßer Selbstzweck ist.
Wie unsere Forschung immer wieder gezeigt hat, ist vor
allem Letzteres von herausragender Bedeutung: Immer
wenn Kreativität nicht nur involviert, sondern auch im
Dienst der Marke und des Angebotes steht, dann ist Werbung auch erfolgreich.
Konsequenzen für die Praxis
1. Die eigene Werbung soll kreativ sein (dabei ist allerdings die Produktkategorie/das Thema zu bedenken).
2. Die Kreativität in der eigenen Werbung soll auf das Angebot/die Marke bezogen sein, um dem Informationsbedürfnis der Konsumenten Rechnung zu tragen.
Für die Entwicklung einer Markenkommunikation, die
diesen Anforderungen genügt, soll demnach die Möglichkeit geschaffen werden, die Erreichung der beiden genannten Ziele abzuschätzen und ihre Umsetzung zu fördern.
Diplom Psychologe Udo Sladek, Jahrgang
1966, ist Research Consultant am neuen
tns infratest Communications Research
Center in Hamburg. Er arbeitet seit etwa
fünf Jahren international mit AdEvalTM
(vormals Buy©Test) einem der weltweit
erfolgreichsten Pretest-Systeme.
Fotos: tns infratest
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