Reihenschwingkreis

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Der Reihenschwingkreis
Ein schwingungsfähiges System (Oszillator), das nach initialem Anstoß sich selbst überlassen bleibt,
führt freie Schwingungen aus, deren Ablauf nur durch die Systemeigenschaften und die Anfangsbedingungen bestimmt wird. Ist der Oszillator (den man dann Resonator nennt) jedoch ständig einer äußeren (periodisch veränderlichen) Störgröße ausgesetzt, so verläuft seine Schwingung erzwungen und
hängt sowohl von den Resonatoreigenschaften als auch von der erregenden Störgröße ab. Im Resonanzfall gerät der Resonator in besonders heftige Schwingungen.
Bei manchen schwingungsfähigen Systemen ist man bestrebt den Resonanzfall herbeizuführen und bei
anderen wieder daran, ihn zu verhindern. Dazu 2 Beispiele :
- Teile von Maschinen oder Bauwerken sind als elastische Körper mechanische Resonatoren. Sie können durch mechanische Wellen zum Schwingen erregt werden. Um schädliche Resonanzerscheinungen
zu vermeiden, dürfen die Erregerfrequenzen nicht in der Nähe der Eigenfrequenzen der Teile liegen.
- Elektrische Resonatoren (Schwingkreise) finden in Empfängern für elektromagnetische Wellen
(Rundfunk, Fernsehen u. a.) Verwendung. Zum Empfang eines Senders wird die Resonanzfrequenz
des Kreises auf dessen Trägerfrequenz abgestimmt.
Beim Serienschwingkreis wird an die Reihenschaltung einer Spule L, eines Kondensators C und eines
Widerstandes R die Spannung U (t) gelegt Abb. 1. Der Widerstand R setzt sich aus dem Widerstand
des Bauelementes R' und den Widerständen von Spule, Leitungen und Instrumenten zusammen.
Zu beliebiger Zeit t mögen im Kreis ein Strom der Stärke I (t) fließen, der Kondensator die Ladung
Q (t) tragen und an R , L und C die Spannungen UR (t) , UL (t) und UC (t) liegen.
Abb. 1 Reihenschwingkreis
Induktivität, Kapazität und Widerstand sind in Reihe
geschaltet. Der Ohmsche Gesamtwiderstand ergibt
sich aus der Summe der Widerstände der Leitungen,
dem Spulenwiderstand sowie einem diskreten Widerstand R'.
Zwischen den genannten Größen bestehen die Beziehungen :
U R (t ) = R I (t )
; U L (t ) = L
dI (t )
1
1
; U C (t ) = Q (t ) = ∫ I (t ) dt .
dt
C
C
U L ( t ) + U R (t ) + U C ( t ) = U ( t )
(2)
dI (t )
1
+ R I (t ) + ∫ I (t ) dt = U (t ) .
dt
C
(3)
Nach der Kirchhoffschen Maschenregel gilt
oder mit (1)
L
(1)
Die Differentiation von (3) ergibt die Schwingungsdifferentialgleichung (4) für die Stromstärke I (t)
des Schwingkreises
d 2 I (t ) R dI (t )
1
1 dU (t )
+
+
I (t ) =
.
2
dt
L dt
LC
L dt
(4)
Durch Vergleich mit der Schwingungsgleichung des (STOKES1-)gedämpften harmonischen (mechanischen) Oszillators
uɺɺ(t ) + 2δ uɺ (t ) + ω0 2 u (t ) = x0 cos ωt .
(5)
erkennt man in R/L = 2β die Dämpfungskonstante β und in 1/LC = ω02 die Eigen(kreis)frequenz
ωo des (ungedämpften) Oszillators (THOMSON2sche Schwingungsformel). Durch die Generatorspannung U = Uo cos ω t erfolgt eine harmonische Anregung. Der nach Einschalten des Generators einsetzende Prozess des Einschwingens ist durch eine allmähliche Zunahme der Schwingungsamplitude des
Stromes gekennzeichnet. Nach einer gewissen Zeitdauer ist dann die Schwingungsamplitude I0 konstant, der Strom schwingt mit der Erreger(kreis)frequenz ω und ist gegenüber der Eingangsspannung
um ϕ phasenverschoben. Nur für diesen eingeschwungenen Fall soll folgend die Differentialgleichung
(4) gelöst werden.
Infolge der Linearität der passiven Bauelemente R, L, C werden Wechselgrößen wie Ströme und Spannungen innerhalb der Schaltung nur mit der eingespeisten Frequenz schwingen. Allerdings treten Phasenverschiebungen auf, so dass bei einer Eingangsspannung U(t) = U0 cosωt mit einem Strom
I(t) = I0 cos (ωt+ϕ) zu rechnen ist. Dies soll uns als Lösungsansatz für den eingeschwungenen Zustand
dienen. Die Zeitableitungen von I(t) sind zu bilden und in die Glg. 4 einzusetzen. Das Ergebnis lautet
ωR
1
ω
ω 2 I 0 cos(ωt + ϕ ) +
I 0 sin(ωt + ϕ ) −
I 0 cos(ωt + ϕ ) = U 0 sin ωt .
L
LC
L
Unter Anwendung der Additionstheoreme
cos(α + β ) = cos α cos β − sin α sin β sowie sin(α + β ) = sin α cos β + cos α sin β und Trennung der
Gleichung nach Produkten von cosωt und sin ωt ergeben sich die beiden Gleichungen
ωR
1


cos ωt : I 0  (ω 2 − ω02 ) cos ϕ +
sin ϕ  = 0; mit ω02 =
(6)
L
LC


ωR

 ω U0
sin ωt : I 0  (ω 2 − ω02 ) sin ϕ +
cos ϕ  =
L
L


Aus der Glg. (6) folgt für die Phasenverschiebung
(7)
 ω 2 − ω02 
(8)

R
/
L
ω


tan α
1
Mit den Beziehungen sin α =
; cos α =
erhält man nach einigen Umformun1 + tan 2 α
1 + tan 2 α
gen aus der Glg. den folgenden Ausdruck für I0:
ω U0 / L
U0
I0 =
=
.
(9)
2
2
2 2
2 2
2
(ω − ω0 ) + R ω / L R 2 +  ω L − 1 
ωC 

ϕ = arctan 
Somit ist bewiesen, dass bei einer Erregung U(t) = U0 cosωt im eingeschwungenen Zustand die
Stromstärke der Beziehung I(t) = I0 cos (ωt+ϕ) genügt.
Die soeben durchgeführte Rechnung ist selbst bei diesem einfachen Beispiel, einer Reihenschaltung
mit nur 3 passiven Bauelementen, recht umständlich wegen der notwendigen Umwandlung trigonometrischer Ausdrücke. Bei verzweigten Netzwerken werden die entstehenden Gleichungssysteme noch
1
Sir George Gabriel STOKES (1819-1903), brit. Physiker und Mathematiker; Strömungslehre;Floureszenz, Spektralanalyse,
Wellenoptik; Akustik; Gravitation; Stokesscher Satz der Integralrechnung
2
Sir William THOMSON, Lord Kelvin of Largs (1824-1907), schott. Physiker und Unternehmer, mit 22 Jahren Prof. in
Glasgow; Elektrodynamik; Thermodynamik; Elastizität; Geophysik; Hydrodynamik
deutlich unhandlicher. Ausweg bietet die Behandlung durch eine komplexe Darstellung von Strömen,
Spannungen und Widerständen, die derartige Klippen elegant umschifft.
Komplexe Behandlung von Wechselgrößen
Gleichung (4) ist linear. Wenn zum Eingangssignal U(t) = U0 cosωt eine Lösung I(t) = I0 cos (ωt+ϕ)
existiert, so gibt es zum Eingangssignal U(t) = U0 sinωt die Lösung I(t) = I0 sin (ωt+ϕ). Addiert man
beide Eingangssignale, ergibt sich als Lösung ebenfalls die Summe. Des weiteren sind die Amplituden
U0 frei wählbar, die Mathematik erlaubt darüber hinaus auch komplexe Faktoren.
Sei U = U 0 e jωt = U 0 ( cos ωt + j sin ωt ) eine komplexe Eingangsspannung und
I = I 0 e j (ωt +ϕ ) = I 0 ( cos(ωt + ϕ ) + j sin(ωt + ϕ ) ) die komplexe Stromstärke, die sich aus der Lösung der
Gleichung (4) mit der komplexen Spannung als äußerer Störung ergibt. Die beiden reellen Lösungen
(nur solche sind messbar!) ergeben sich dann durch Bildung von Real- bzw. Imaginärteil.
Es erweist sich als vorteilhaft, in den komplexen Ausdrücken von Strom und Spannung den zeitabhänɵ jωt mit der
gigen Exponenten von konstanten Faktoren zu trennen. Es gilt I = I 0 e j (ωt +ϕ ) = I 0 e jϕ e jωt = Ie
komplexen Amplitude Iˆ = I e jϕ . Analog wird für die Spannung eine komplexe Amplitude definiert. Da
0
die Anfangsphase der Spannung hier jedoch gleich Null festgelegt wurde gilt Uˆ = U 0 e j 0 = U 0 . Mit den
komplexen Größen lautet die Gleichung (3)
d I (t )
1
L
+ R I (t ) + ∫ I (t ) dt = U (t ) .
(10)
dt
C
Die eingesetzten Funktionen werden differenziert bzw. integriert,
1 ɵ ɵ
man erhält
R Iɵ + jω L Iɵ +
I =U .
(11)
jω C
Anstelle von (2) gilt somit eine analoge Gleichung für die komplexen Amplituden der Teilspannungen
Uɵ R + Uɵ L + Uɵ C = Uɵ
(12 )
Die Anfangsphase der Generatorspannung wird gleich Null gesetzt, somit gilt Uɵ = U ; Iɵ = I e jϕ und
0
0
man erhält
U0
I 0 e jϕ =
.
(13)

1 
R + jω L −

ω C

Der Betrag einer komplexen Größe ergibt sich leicht durch Multiplikation mit seiner konjugiert komplexen, anschließend ist die Wurzel zu bilden:
U0
I0 =
(14)
2

1 
R 2 + ω L −

ω C

Zur Bestimmung der Phase ist es notwendig, Real- und Imaginärteil in (13) zu trennen. Dies erreicht
man durch Erweitern des Bruches mit dem konjugiert komplexen Nenner N*:
I 0 e jϕ =
Dass der Faktor
U0
N
2
U0
N ⋅N*


1 
 .
 R − jω L −
ω C 


reell ist, vereinfacht die Berechnung der Phase,
1
−ω L
ωL
Im Iɵ ω C
1
es folgt
tan ϕ =
=
=
−
.
(15)
R
R
ω RC
Re Iɵ
Das Ergebnis stimmt mit den oben erhaltenen Formeln (8), (9) überein. Die komplexe Behandlung des
Problems war aber deutlich einfacher als die reelle Behandlung.
U
1
Aus (14) ist ersichtlich, dass die Stromamplitude ein Maximum bei ω = ω 0 =
von I res = 0
R
LC
aufweist.
1
ω0 =
Thomsonsche Schwingungsformel
(16)
LC
Die Phasenverschiebung durchläuft mit wachsendem ω Werte zwischen -π/2 und +π/2. An der Resonanzstelle ω = ω0 schwingen Spannung und Strom genau in gleicher Phase.
Leicht lassen sich jetzt die Amplituden und Phasen der Teilspannungen berechnen:
RU 0
U 0 e jϕ
Uɵ R = RI 0 e jϕ =
=
2

1 
ω L
1 
R + jω L −

1+ 
−

ω C

 R ω RC 
Uɵ L = jω LI 0 e jϕ =
Uɵ C =
1
jω C
I 0 e jϕ =
ω LU 0 e
j
π
2

1 
R + jω L −

ω C

U0 e


−j
U0 e
=
 π
jϕ + 

2
2
 R  
1 

 + 1 − 2

 ω L   ω LC 
π
2
ω C  R + jω L −
1 

ω C
=
U0 e
(17)
2
 π
jϕ − 

2
(ω RC ) 2 + (ω 2 LC − 1)
2


Die Spannung am Widerstand ist proportional zum Strom und schwingt in gleicher Phase. Die Phase
der Spannung an der Induktivität ist um π/2 höher, die an der Kapazität dagegen um π/2 geringer. Beide schwingen also gegenphasig. An der Resonanzfrequenz ω = ω0 sind die Amplituden gleich.
Gütefaktor Q
U C 0 U L0 1 L
=
=
=Q
U0
U0
R C
(18)
Somit sind die Spannungsamplituden an L und C (und analog deren Effektivwerte) bei Resonanz um
ein Vielfaches höher als die des Generators.
Zur quantitativen Auswertung ist es günstig, die normierte Frequenz η = ω / ωo zu verwenden. Es folgt
I0
I 0 (ω )
I (ω )
1
=
= 0
=
(19)
2
U0
I res I 0 (ω = ω0 )


1
1 + Q 2 η − 
R
η

1

sowie
tan ϕ =  − η Q .
(20)
η

In Abhängigkeit von η und Q erhält man eine Kurvenschar für den Verlauf von Amplituden und Phasen, s. Abb. 2. Der Resonanzfall tritt bei η = 1 , also bei der Kreisfrequenz
ω r = ω o = 2π f o = 1
LC ein. Die Resonanzstromstärke ist unabhängig von der Güte Io = Uo / R .
Die Stromstärke ist bei Resonanz mit der Spannung in Phase, eilt ihr bei kapazitiver Last ( ω < ωo
bzw. η < 1) voraus und bei induktiver Last ( ω > ωo bzw. η > 1 ) nach.
Ganz analog gilt für die Spannungen an L und C:
U L 0 (ω )
=
U0
η
1 
1
+ η − 
2
η
Q 
2
sowie
U C 0 (ω )
=
U0
1
η
1 
1
+ η − 
2
η
Q 
2
.
(20)
Vergleiche hierzu die Darstellung auf der Abb.3. Die Breite der Resonanzkurve beim Wert
I (ω )
I 0 (ω ) = 0 0 heißt Halbwerts- oder Bandbreite. Zur Bestimmung der Bandgrenzen ηo und ηu
2
gewinnt man aus (19) zunächst die Betragsgleichung
1
η− Q =1
(21)
η
und nach Betragsauflösung die beiden quadratischen Gleichungen
(
)
1
η mit den zwei nichtnegativen Lösungen η o ,u =
Q
Daraus ergibt sich die (relative) Bandbreite
± η2 − 1 =
Bandbreite des Schwingkreises
∆ω
ωo
1+
= ηo − ηu =
1
1
±
.
2
4Q
2Q
1
Q
(22 )
Bemerkenswert ist somit, dass bei einer hohen Güte die Spannungen an den Induktivitäten und Kapazitäten sehr hohe Werte annehmen (bei Mikrowellenresonatoren sind Güten von 10 000 erreichbar).
Außerdem tritt dann diese Spannungsüberhöhung nur in einem schmalen Frequenzbereich auf.
Schwingkreise können somit sehr frequenzselektiv gebaut werden und haben infolge dieser Eigenschaften eine außerordentliche Bedeutung in der Schaltungstechnik.
Die hier am Beispiel des Serienschwingkreises in Grundzügen vorgestellte Methode der Komplexen
Wechselstromrechnung ist ein mächtiges Werkzeug zur Berechnung der Eigenschaften auch komplizierter Netzwerke bei Wechselgrößen im eingeschwungenen Zustand.
Amplitude und Phasenverschiebung ϕ der Stromstärke im Serienschwingkreis
Abb. 2
Serienschwingkreis - Stromresonanz
Verhältnis der Effektivwerte
I (ω )/I(ωo )
1
Q=0,2
0,8
0,6
Q=1
Q=2
0,4
5
0,2
1
0 20
100
0
0
0,5
1
1,5
2
2,5
normierte Kreisfrequenz n =ω / ω 0
0,5
Q=100
0,4
Phasenverschiebung ϕ/π
Q=20
0,3
Q=10
0,2
Q=5
0,1
0
-0,1
0
0,5
1
1,5
Q=1
-0,2
Q=2
-0,3
-0,4
-0,5
Phasenverlauf des Stromes im Serienschwingkreis
2
Amplituden UL0 und UC0 im Serienschwingkreis
Serienschwingkreis - Spannung an L
Verhältnis der Effektivwerte
UL (ω )/U 0
20
18
100
16
20
14
12
10
10
8
6
4
5
Q=2
Q=1
2
Q=0,5
0
0,5
0,75
1
1,25
1,5
normierte Kreisfrequenz n =ω / ω 0
1,75
2
Serienschwingkreis - Spannung an C
20
Verhältnis der Effektivwerte
UC (ω )/U0
Abb. 3
100
18
16
20
14
12
10
10
8
6
Q=2
4
2
0
0,25
5
Q=1
Q=0,5
0,5
0,75
1
1,25
normierte Kreisfrequenz n =ω / ω 0
1,5
1,75
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