TRIGONOMETRISCHE1 FUNKTIONEN Bisher haben wir uns in einem Dreick mit den Seiten, den Höhen, den Sätzen des Euklid und Pythagoras, dem Bogenmaß über einer Dreieckseite, und das nur auf Spezialfälle beschränkt, auseinandersetzen müssen. Dabei sind jedoch direkte Zusammenhänge zwischen den Seiten und den Winkeln in einem Dreieck im Verborgenen geblieben. In einzelnen Fällen haben wir uns schon gewünscht, einfachere Möglichkeiten haben zu können, um schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Diese Lücke schließen wir nun, indem wir uns zunächst auf rechtwinklige Dreiecke beschränken. Natürlich gehen wir den Weg, der uns einen größtmöglichen Überbick auf des Wesentliche erlaubt. Betrachten wir einen Kreis. Du wirst gleich erkennen, warum dieses wichtig ist, wenn du noch ein wenig wartest und mir vertraust. Tc i N R S ξ Bξ i C T D Du erkennst in diesem Kreis fünf rechtwinklige Dreiecke. Die Namen der Seiten sind mit großen Buchstaben benannt. Die Längen dieser Seiten bezeichnen wir mit kleinen Buchstaben. Insbesondere b (ξ ) bezeichnet B (ξ ) den Bogen über den Winkel ξ = r (Xi) im Bogenmaß. Damit ein rechtwinkliges Dreieck RCS vorliegt, sei zunächst 0 < ξ < π . Wir definieren: Das Verhältnis der Länge s der dem 2 Winkel ξ gegenüberliegenden Kathete S zu der Länge r der Hypotenuse R heißt Sinus des Winkels ξ , in Zeichen sin (ξ ) := rs . Entsprechend heißt das Verhältnis der Längen der Ankathete C zur Hypotenuse R der Cosinus des Winkels ξ , in Zeichen cos (ξ ) := cr . Wir halten fest: s = r sin (ξ ) und c = r cos (ξ ) . In diesem rechtwinkligen Dreieck wenden wir den Satz des Pythagoras an und erhalten 2 2 s 2 + c 2 = r 2 ⇔ (r sin (ξ )) + (r cos (ξ )) = r 2 ⇔ r 2 sin 2 (ξ ) + r 2 cos 2 (ξ ) = r 2 ⇔ sin 2 (ξ ) + cos 2 (ξ ) = 1. Wir werden bald sehen, dass diese Beziehung für alle Winkel 0 ≤ ξ ≤ 2π gilt. Nun ist jedes rechtwinklige Dreieck ähnlich zum Dreieck RCS und du kannst die Hypotenuse immer als Radius eines Kreises ansehen. 1 Aus griech.: tri ‚drei‘, gonia ‚Ecke‘ bzw. ‚Winkel‘ und mètrein ‚messen‘ oder trigono ‚Dreieck‘ und mètron ‚Maß‘ PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt 1 Im obigen Bild können weitere Längenverhältnisse eines rechtwinkligen Dreiecks angeben. Das Längenverhältnis rt der Länge t der Gegenkathete T zur Länge r der Ankathete R heißt Tangens des Winkels ξ , in Zeichen tan (ξ ) := rt . Mit anderen Worten: Die Länge des Tangentenabschnittes berechnet sich durch t = r tan (ξ ) . Wie stehen nun die Längen t und t c der Abschnitte T und T c in Beziehung? Dafür betrachten wir die Ähnlichkeit der Dreiecke RT c N ≃ TRCD . Wir finden r = tc . r t Das reziproke Längenverhältnis zu Tangens heißt Cotangens des Winkels ξ , in Zeichen cot (ξ ) := tr . c Insbesondere gilt cot (ξ ) = 1 . tan(ξ ) Wir bestätigen für die Längen noch einmal die Äquivalenz zu dem Höhensatz des Euklid r2 = t ⋅tc . Aufgrund der Ähnlichkeit der Dreiecke RCS ≃ TRCD kann das Längenverhältnis Tangens durch Sinus und Cosinus ausgedrückt werden. Es gilt r sin( ξ ) sin( ξ ) tan (ξ ) = rt = cs = = . r cos( ξ ) cos( ξ ) Entsprechend ist cot (ξ ) = cos(ξ ) . sin(ξ ) Der Vollständigkeit halber führen wir noch zwei Längenverhältnisse an. Der Kehrwert des Cosinus heißt Sekans sec (ξ ) := cr und der Kehrwert des Sinus heißt Cosekans csc (ξ ) := rs . Kleine Übung Zeige die Zusammenhänge sin 2 (ξ ) = cot 2 ( ξ ) tan 2 ( ξ ) 2 1 1 = und cos ( ξ ) = = . 1 + cot 2 ( ξ ) 1 + tan 2 ( ξ ) 1 + tan 2 ( ξ ) 1 + cot 2 ( ξ ) Wir werden später diese Längenverhältnisse zu Funktionen erweitern, indem wir den Radius im Kreis vor- und zurückrotieren lassen. 2 PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt Der Sinussatz für beliebige Dreiecke hb Wir führen die Berechnung beliebiger Dreiecke auf rechtwinklige Dreiecke über ihre Höhen, in Rot und Braun gehalten, zurück. Es gilt: a = b = c = 2r . sin(α ) sin(β ) sin( γ ) a β γ ha Beweisen Sie diese Aussage! hc b r c 2γ α i r Hinweis: b sin (α ) = a sin (β ) , sin (γ ) = sin (π − γ ) , c sin (α ) = a sin ( γ ) . Beachte auch den Zentriwinkel. Kleine Übung Der Flächeninhalt eines Dreiecks mit Umkreisradius rU , den Seitenlängen a, b und c ist A = abc . 4r U Dieser Satz liefert insbesondere den Umkreisradius bei gegebenen Flächeninhalt und Seitenlängen. Der Kosinussatz Der Kosinussatz erweitert den Satz des Pythagoras auf beliebige Dreiecke. Dazu werden die entsprechenden Höhen eingetragen, so dass rechtwinklige Dreiecke entstehen, aus denen die Höhen wieder a1 eleminiert werden. In diesem Dreieck mit den Seiten a, b, c unterteilen wir c in ha b c = c1 + c2 und verlängern die Seiten a um a1 sowie b um b1 . α Nach Pythagoras gilt: hb b1 a β γ c2 hc c1 c b 2 = c12 + hc2 a 2 = c22 + hc2 . Durch Elemination von hc2 erhalten wir a 2 − b 2 = c22 − c12 = (c2 + c1 )(c2 − c1 ) = c (c2 − c1 ) . Mit c2 − c1 = c − 2c1 = 2c2 − c folgt a 2 = b 2 + c 2 − 2cc1 b 2 = c 2 + a 2 − 2cc2 . Da c1 = b cos (α ) und c2 = a cos (β ) , erhalten wir schließlich a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos (α ) b 2 = c 2 + a 2 − 2ca cos (β ). 2 Für den letzten Winkel γ betrachten wir b 2 = a12 + ha2 und (a + a1 ) + ha2 = c 2 und eleminieren wieder ha2 . Dies liefert a 2 + 2aa1 + b 2 = c 2 ⇔ c 2 = a 2 + b 2 + 2aa1 und mit a1 = b cos (π − γ ) = −b cos (γ ) schließlich die dritte Formel c 2 = a 2 + b 2 − 2ab cos (γ ). PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt 3 Zusammenfassung Tc N i T R S ξ ξ T Bξ ξ i R D C Tangentendreieck gedreht und gespiegelt In einem rechtwinkligen Dreieck gelten folgende Zusammenhänge. Höhensätze: s 2 = cd und r 2 = t ⋅ t c 2 Kathetensätze: r 2 = c (c + d ) und t 2 = d (c + d ) sowie (c + d ) = t (t + t c ) und n 2 = t c (t + t c ) Pythagoras: Ergeben sich aus den Höhen- und Kathetensätzen Definition der sechs Winkelfunktionen für 0 < ξ < π , ξ im Bogenmaß 2 sin (ξ ) := rs , tan (ξ ) := rt , cos (ξ ) := cr , cot (ξ ) := tr , sec (ξ ) := cr , c csc (ξ ) := rs Ausdrücken der Winkelfunktionen durch andere sin 2 (ξ ) + cos 2 (ξ ) = 1 , sin 2 (ξ ) = cot (ξ ) tan (ξ ) = 1 , tan 2 (ξ ) 1 = 1 + cot 2 (ξ ) 1 + tan 2 (ξ ) und tan (ξ ) = sin(ξ ) , cos(ξ ) cos2 (ξ) = cot (ξ ) = cos(ξ ) sin(ξ ) cot 2 (ξ ) 1 = 1 + tan 2 (ξ ) 1 + cot 2 (ξ ) In einem beliebigen Dreieck gilt hb der Sinussatz a = b = c = 2r U sin(α ) sin(β ) sin( γ ) a β γ und der Kosinussatz ha i b a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos (α ) 2 2 rI hc 2γ α 2 b = c + a − 2ca cos (β ) rU c rU i c 2 = a 2 + b 2 − 2ab cos (γ ). sowie die Flächeninhalte des Dreiecks A = abc = rI s = s ( s − a)( s − b)( s − c) = 2rU2 sin (α )sin (β )sin (γ ) = rI rU (sin (α ) + sin (β ) + sin (γ )) , 4rU wobei 2s = a + b + c 2. 2 http://www.dr-gert-hillebrandt.de/pdf/schule/Mathematik%20Schule/SEK1/berechnungen_im_dreieck_mit_hilfe_der_seitenlaengen.pdf 4 PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt Die Additionstheoreme Für eine sehr schöne mathematische Herleitung verweise ich auf den Artikel Komplexe Zahlen. Hier wollen wir uns wieder geometrisch leiten lassen. Dazu führen wir die Aussage des 1. Additionstheorem auf ähnliche Dreiecke zurück. Bewiesen soll das folgende Theorem des Sinus. sin (α + β ) = sin α cos β + cos α sin β (1) Schauen wir uns den Sachverhalt in einer Graphik an. α R E c a A β D i α i i b Folgende Beziehungen sind im Bild enthalten. a = r sin (α + β ) , b = d sin α , c = e cos α , e = r sin β , d = r cos β Daraus erhalten wir sin (α + β ) = a b+c b c b d c e = = + = ⋅ + ⋅ = sin α cos β + cos α sin β . r r r r d r e r Dieses Theorem gilt auch für größere Winkel α + β > π . Er kann jedoch ohne weiteres geführt 2 werden, indem die Periodizität der Winkelfunktionen ausgenutzt wird. Z. B. sin (π − α) = sin α , sin (π + α) = sin (−α) = − sin α , cos (π + α) = cos (π − α) = − cos (−α) = − cos α . Hieraus folgt auch sofort sin (α − β ) = sin (α + (−β )) = sin α cos (−β ) + cos α sin (−β ) = sin α cos β − cos α sin β sin (α − β ) = sin α cos β − cos α sin β (2) Benutzen wir nun noch den Zusammenhang cos γ = sin ( π2 − γ ) , so finden wir ( ) cos (α + β ) = sin ( π2 − (α + β )) = sin ( π2 − α ) − β = sin ( π2 − α ) cos β − cos ( π2 − α ) sin β = cos α cos β − sin (π − α) sin β = cos α cos β − sin α sin β. PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt 5 Das dritte Additionstheorem ist nun gefunden und lautet cos (α + β ) = cos α cos β − sin α sin β . (3) Entsprechend bekommen wir cos (α − β ) = cos α cos β + sin α sin β . Damit sind die Additionstheoreme geometrisch bewiesen. 6 PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt (4)