14 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal II

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Konstruktionen mit Zirkel und Lineal II
Andreas Scheuss & Claudio Müller
27. Mai 2009
1
Klassische Konstruktionsaufgaben
Gegenstand der heutigen Sitzung sind klassische geometrische Probleme, an denen
seit der Antike gearbeitet wurde. Besonders bekannt sind folgende Aufgaben:
1. Delisches Problem der Würfelverdoppelung. Aus der Kante eines gegebenen Würfels soll die Kante eines Würfels mit doppeltem Volumen konstruiert
werden.
2. Quadratur des Kreises. Zu einer gegebenen Kreisscheibe ist ein Quadrat mit
gleichem Flächeninhalt zu konstruieren.
3. Winkeldreiteilung. Ein gegebener Winkel ist in drei gleiche Teile zu zerlegen.
1
4. Konstruktion regelmässiger n-Ecke. In einem vorgegebenen Kreis soll ein
regelmässiges n-Eck einbeschrieben werden.
2
Erinnerung
Lemma 2.1. Seien L ⊂ K eine Körpererweiterung, a ∈ K algebraisch über L,
σa : L[X] → L[a] der Einsetzungshomomorphismus und f ∈ ker(σa ) normiert.
Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
a) f ist das Minimalpolyom von a über L.
b) f ist irreduzibel in L[X].
Lemma 2.2. Seien L ⊂ K eine Körpererweiterung, a ∈ K algebraisch über L und
fa,L ∈ L[X] das Minimalpolynom von a über L. Dann gilt:
[L(a) : L] = deg(fa,L ) .
Definition 2.3. Sei M ⊂ R2 . p ∈ R2 heisst genau dann aus M mit Zirkel und Lineal
konstruierbar, wenn es ein n ∈ N und eine Kette
M = M0 ⊂ M1 ⊂ . . . ⊂ Mn ⊂ R2
gibt so, dass p ∈ Mn und ∀i Mi in einem elementaren Konstruktionsschritt aus
Mi−1 hervorgeht. Mit Kon(M ) sei die Menge aller aus M mit Zirkel und Lineal
konstruierbarer Punkte in R2 bezeichnet.
Bemerkung 2.4. Im Folgenden identifizieren wir die Zeichenebene R2 mit der
Gauss’schen Zahlenebene C und betrachten die Menge Kon(M ) als Teilmenge des
Körpers C.
Satz 2.5. Seien M ⊂ C mit 0, 1 ∈ M und M := {z ∈ C : z ∈ M }.
Dann gilt:
a) Kon(M ) ⊂ C ist ein Unterkörper.
b) Q(M ∪ M ) ⊂ Kon(M ) ist ein Unterkörper und Kon(M ) = Kon(M ).
c) Ist b ∈ C und b2 ∈ Kon(M ), so gilt auch b ∈ Kon(M ).
2
Satz 2.6. Seien M ⊂ C und 0, 1 ∈ M. Dann gilt:
a) Die Körpererweiterung Kon(M ) ⊃ Q(M ∪ M ) ist algebraisch.
b) [Kon({0,1}) : Q] = ∞.
c) Ein Punkt z ∈ C liegt genau dann im Unterkörper Kon(M ) ⊂ C, wenn es eine
Kette
Q(M ∪ M ) = L0 ⊂ L1 ⊂ . . . ⊂ Lr ⊂ C
von Zwischenkörpern gibt so, dass z ∈ Lr und ∀i [Li : Li−1 ] ≤ 2.
Korollar 2.7. Seien M ⊂ C mit 0, 1 ∈ M und z ∈ Kon(M ). Wird L := Q(M ∪ M )
gesetzt, so gilt:
[L(z) : L] ist eine Potenz von 2 .
Insbesondere ist z algebraisch über L.
3
Unlösbarkeit klassischer Konstruktionsaufgaben
Satz 3.1. Das Delische Problem ist unlösbar.
Beweis. Wir geben uns eine beliebige Strecke P1 P2 in der Ebene vor, die der Kantenlänge jenes Würfels entspricht, dessen Volumen wir zu verdoppeln wünschen.
Dann können wir ein kartesisches Koordinatensystem so legen, dass P1 die Koordinaten (0, 0) und P2 die Koordinaten (1, 0) hat. Auf Grund dieser Überlegung genügt
es den Fall zu behandeln, dass der gegebene Würfel die Kantenlänge 1 und damit
Volumen
1 hat. Ein Würfel mit doppeltem Volumen hat daher die Kantenlänge
√
3
/ Kon({0, 1}).
b := 2.√Wir setzen also M = {0, 1} und es genügt zu zeigen, dass b ∈
3
3
3
Es gilt ( 2) − 2 = 0 und X − 2 ist normiert und irreduzibel, wie die Anwendung
des Eisenstein-Kriteriums
zeigt. Nach Lemma 2.1 ist damit X 3 − 2 das Minimal√
3
polynom von 2 über Q. Also ist nach Lemma 2.2
√
3
[Q( 2) : Q] = deg(X 3 − 2) = 3 .
√
Wäre 3 2 aus M = {0,
√ 1} konstruierbar, so wäre nach Korollar 2.7 der Grad der
Körpererweiterung Q( 3 2) über Q({0, 1} ∪ {0, 1}) = Q vom Grad 2k für ein k ∈ N0 .
Da 3 offensichtlich nicht von dieser Form ist, folgt der Widerspruch.
Satz 3.2. Die Quadratur des Kreises ist unmöglich.
Beweis. Wir geben uns eine beliebige Strecke P1 P2 in der Ebene vor, die dem Radius
jenes Kreises entspricht, dessen Quadratur wir realisieren möchten. Dann können wir
wie im Beweis zu Satz 3.1 ein kartesisches Koordinatensystem so legen, dass P1 die
Koordinaten (0, 0) und P2 die Koordinaten (1, 0) hat. Es genügt also, den Fall eines
Kreises vom Radius 1 zu betrachten; die Kreisscheibe hat dann den Flächeninhalt
√
π. Ein √
Quadrat mit der gleichen Fläche hat entsprechend eine Seitenlänge von π.
Wäre π aus M = {0, 1} konstruierbar, so auch π. Insbesondere wäre damit π
nach Korollar 2.7 algebraisch über Q. Jedoch hat Ferdinand von Lindemann 1882
gezeigt, dass π transzendent über Q ist. Da dieser Beweis sehr lang ist und den
Rahmen dieses Vortrages sprengen würde, verweisen wir auf [3].
3
Satz 3.3. Die Winkeldreiteilung ist im Allgemeinen unmöglich.
Beweis. Hier ist die Antwort etwas differenzierter, denn offensichtlich können einige
Winkel wie etwa 180◦ oder 270◦ dreigeteilt werden. Um zu zeigen, dass die Winkeldreiteilung im Allgemeinen unmöglich ist, geben wir einen konkreten Winkel α an,
der nicht mit Zirkel und Lineal konstruiert werden kann. Ein Beispiel hierfür ist der
Winkel
2π
,
α = 120◦ =
3
das heisst, der Winkel von 40◦ ist nicht konstruierbar. Um dies einzusehen, gehen
wir wie folgt vor:
Wir setzen
2π
ζ := exp(iα) = exp i
3
√
1
3
=− +i
.
2
2
Eine Dreiteilung von α ist gleichbedeutend mit der Konstruktion von
α
z := exp i
∈ C aus M = {0, 1} .
3
Angenommen, z sei aus {0, 1} konstruierbar. Damit ist auch
2π
x := cos
aus {0, 1}
9
konstruierbar, also [Q(x) : Q] nach Korollar 2.7 eine Potenz von 2.
z2
ζ
z
α
α
3
c
0
x
1
Wir weisen nun nach, dass [Q(x) : Q] = 3, und führen damit unsere Annahme ad
absurdum.
Hierzu verwenden wir folgende trigonometrische Formel:
Für β ∈ R gilt:
cos(3β) = <(ei3β )
= < (eiβ )3
3 = < cos(β) + i sin(β)
3
2
2
3
= < cos(β) − 3 cos(β) sin(β) + i 3 cos(β) sin(β) − sin(β)
= cos(β)3 − 3 cos(β) 1 − cos(β)2
= 4 cos(β)3 − 3 cos(β) .
(∗)
4
Sei
f := 8X 3 − 6X + 1 ∈ Z[X] .
Nach (∗) ist x ein Nullstelle von f , denn
2π
2π
3
− 6 cos
+1
f (x) = 8 cos
9
9
2π
2π
3
− 3 cos
)+1
= 2(4 cos
9
9
2π
= 2 cos
+1=0 .
3
Substituiert man Y = 2X, so erhält man das Polynom
g := Y 3 − 3Y + 1 ∈ Z[Y ] .
Wir weisen nun nach, dass g in Z[Y ] irreduzibel ist. Die Reduktion von g modulo 2
liefert das Polynom
g = Z 3 + Z + 1 ∈ (Z/2Z)[Z] .
g ist ein Polynom von Grad 3 und hat keine Nullstellen in Z/2Z, was die Irreduzibilität von g in (Z/2Z)[Z] impliziert. Daraus folgt die Irreduzibilität von g über Z
und mit dem Satz von Gauss dessen Irreduzibilität über Q. Somit ist f in Q[X]
irreduzibel und
[Q(x) : Q] = 3 .
Dementsprechend ist der Winkel von 40◦ nicht konstruierbar und die Winkeldreiteilung im Allgemeinen unmöglich.
4
Konstruktion von regelmässigen n-Ecken
Dieses letzte der zu Beginn beschriebenen Konstruktionsprobleme erfordert stärkere
Hilfsmittel. Die Frage nach der Konstruierbarkeit von regelmässigen n-Ecken ist
gleichwertig mit der Frage der Konstruierbarkeit der primitiven n-ten Einheitswurzel
2πi
aus M = {0, 1} .
ζn = exp
n
Da in diesem Abschnitt auch positive Antworten gegeben werden, müssen wir nun
zunächst ein hinreichendes Kriterium für die Konstruierbarkeit eines Punktes z ∈ C
aus einer gegebenen Menge M von Konstruktionsdaten bereitstellen.
Lemma 4.1. Seien M ⊂ C mit 0, 1 ∈ M und L := Q(M ∪ M ). Weiter seien
z ∈ C algebraisch über L, f ∈ L[X] das Minimalpolynom von z und K ⊃ L ein
Zerfällungskörper von f in C. Dann gilt:
Ist [K : L] eine Potenz von 2, so folgt z ∈ Kon(M ) .
5
Beweis. Da [K : L] endlich und char(L) = 0 sind, folgt, dass die Körpererweiterung
K ⊃ L galoissch ist. Setzt man G := Aut(K; L), so ist ord(G) = [K : L] eine Potenz
von 2. Damit ist G eine auflösbare Gruppe. Also gibt es eine Normalreihe
G = N0 B N1 B . . . B Nr = {idK }
derart, dass ∀i ∈ {1, . . . , r} ord(Ni−1 /Ni ) = 2. Nach dem Hauptsatz der GaloisTheorie korrespondiert dazu eine Körperkette
L = L0 ⊂ L1 ⊂ . . . ⊂ Lr = K
mit [Li : Li−1 ] = 2. Nach Satz 2.6 folgt z ∈ Kon(M ).
Da [Q(ζn ) : Q] = ϕ(n), folgt aus Korollar 2.7 und dem obigen Lemma 4.1 der auf
Gauss zurückgehende
Satz 4.2. Das regelmässige n-Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn ϕ(n), der Wert der Eulerschen ϕ-Funktion an der Stelle n, ein Potenz
von 2 ist.
Bemerkung 4.3. Da ϕ(5) = 4, ϕ(7) = 6 und ϕ(17) = 16, folgt aus dem obigen
Theorem sofort, das ein 7-Eck nicht konstruierbar ist, aber ein 5-Eck und ein 17Eck konstruierbar sind. Wegen ϕ(9) = 6 ist auch ein 9-Eck nicht konstruierbar; das
haben wir bei der Dreiteilung des Winkels schon für 40◦ gesehen.
Es bleibt die zahlentheoretische Frage zu klären, für welche n ∈ N ϕ(n) eine Potenz
von 2 ist.
Lemma 4.4. Ist p eine Primzahl mit p > 2 und p − 1 eine Potenz von 2, so gibt es
ein n ∈ N mit
n
p = 22 + 1 .
Beweis. Ist p = 2m + 1, so haben wir zu zeigen, dass m von der Form 2n ist. Hätte
m einen ungeraden Teiler k ≥ 3, so wäre m = k · l mit l ∈ N und es wäre
p = 2kl + 1 = (2l + 1)(2(k−1)l − 2(k−2)l + . . . + 22l − 2l + 1) .
Da 1 < 2l + 1 < 2kl + 1, wäre p nicht prim.
Die Suche nach Primzahlen in der Folge
n
Fn = 22 + 1
ist ein klassisches Problem, man nennt sie Fermatsche Primzahlen.
6
Für n ≤ 5 hat man
n
Fn
0
3
1
5
2
17
3
257
4
65 537
5
4 294 967 297 = 641 · 6 700 417
Für n ≤ 4 erhält man in der Tat Primzahlen. Trotz emsiger Bemühungen sind
bisher keine weiteren Fermatschen Primzahlen bekannt, man hat allerdings auch
nicht beweisen können, dass es keine weiteren gibt. Zur Zeit (Stand 2009) scheint
F33 die kleinste potentielle Fermatsche Primzahl zu sein.
Die Konstruierbarkeit des regelmässigen n-Ecks wird nun weitgehend geklärt durch
den
Satz 4.5. ϕ(n) ist genau dann eine Potenz von 2, wenn
n = 2m · p1 · . . . · pr ,
wobei m ∈ N und p1 , . . . , pr paarweise verschiedene Fermatsche Primzahlen sind.
Beweis. Ist n = p1 l1 · . . . · pr lr die Primfaktorzerlegung, so lässt sich ϕ(n) wie folgt
berechnen:
ϕ(n) = p1 l1 −1 · . . . · pr lr −1 · (p1 − 1) · . . . · (pr − 1) .
Also ist ϕ(n) genau dann eine Potenz von 2, wenn für alle j mit pj 6= 2 Folgendes
gilt:
lj = 1 und (pj − 1) ist eine Potenz von 2 .
Mit Lemma 4.4 folgt nun die Behauptung.
Bemerkung 4.6. Nachdem die Existenz von Konstruktionsverfahren für die in Satz
4.5 angegebenen Werte von n nachgewiesen ist, stellt sich noch die Frage nach deren
Ausführung. Da die nächste Fermatsche Primzahl − wenn sie denn existiert −
grösser als 10646 000 000 ist, können wir uns getrost auf jene n beschränken, in deren
Primfaktorzerlegung nur Faktoren aus der Menge {2, 3, 5, 17, 257, 65 537} auftreten,
was wir für den Rest des Kapitels tun wollen.
Nun betrachten wir zunächst die fünf bekannten Fermatschen Primzahlen.
p = 3. Die Konstruktion eines gleichseitigen Dreiecks lässt sich unter Verwendung
der Formel
2π
1
cos
=−
3
2
bewerkstelligen.
7
p = 5. Hier hilft die Identität
√
5−1
2π
=
.
cos
5
4
Beweis der Identität. Sei ζ := exp 2πi
.
5
Dann gilt:
0 = 1 + ζ + ζ2 + ζ3 + ζ4
1
1
= 2 + + 1 + ζ + ζ2
ζ
ζ
2 1
1
+ ζ+
−1
= ζ+
ζ
ζ
2π 2
2π
= (2 cos
) + 2 cos
−1 ,
5
5
wobei sich die letzte Gleichung wegen ζ −1 = ζ ergibt. Damit ist 2 cos
positive Lösung der Gleichung
2π
5
> 0 die
w2 + w − 1 = 0
und daher gegeben durch
2 cos
2π
5
=
−1 +
√
2
1+4
√
=
5−1
.
2
√
Die Konstruierbarkeit von 5−1
und damit implizit jene von cos
2
durch die nachfolgende Grafik illustriert.
2π
5
werden nun
1
2
√
5−1
2
1
p = 17. Die Möglichkeit der Konstruktion des regelmässigen 17-Ecks wurde erst
mals von Gauss im Jahre 1796 gezeigt. Gauss entwickelte eine Formel für cos 2π
,
17
auf deren Grundlage sich eine Konstruktion des 17-Ecks realisieren lässt.
p = 257. Eine Konstruktionsanleitung für das regelmässige 257-Eck wurde erstmalig im Jahre 1832 durch Friedrich Julius Richelot präsentiert.
p = 65 537. An der Konstruktion des 65 537-Ecks arbeitete Johann Gustav Hermes 10 Jahre lang. Sein 1889 beendetes Diarium“ befindet sich in der mathemati”
schen Sammlung in Göttingen.
8
Aus den fünf Konstruktionsverfahren für die Fermatschen Primzahlen lassen sich
die Konstruktionen für alle anderen konstruierbaren n-Ecke ableiten. Sind l und m
teilerfremd und kann man sowohl l-Ecke als auch m-Ecke konstruieren, so nutzt man
aus, dass es Zahlen r, s ∈ Z gibt, so dass 1 = rm + sl. Daraus folgt
2π
2π
2π
=r
+s
,
l·m
l
m
und daher ist auch das l · m-Eck konstruierbar. Die Potenzen von 2 lassen sich durch
wiederholtes Winkelhalbieren realisieren.
5
Andere Regeln für Konstruktionsverfahren
Obwohl die drei antiken Probleme mit Zirkel und Lineal in ihrer klassischen Variante unlösbar sind, kannten schon die Griechen Verfahren, wie man mit anderen
Hilfsmitteln diese Probleme lösen kann. Im Folgenden werden wir ein Instrument
einführen, das die Würfelverdoppelung und die Winkeldreiteilung ermöglicht. Für
den interessierten Leser, der mehr über alternative Hilfsmittel erfahren möchte, sei
auf [1] verwiesen, was als Hauptquelle für die nachfolgenden Überlegungen diente.
5.1
Motivation
Die Möglichkeit der konstruktiven Winkeldreiteilung und des Ziehens der dritten
Wurzel einer positiven reellen Zahl (Delisches Problem) ist insofern interessant, als
dass die Konsequenzen daraus erstaunlicherweise sehr weitreichend sind.
Bemerkung 5.1. Wenn man imstande ist, die beiden Probleme zu lösen, kann man
jede Konstruktion, die neben elementaren Rechenoperationen und der Auflösung von
Gleichungen zweiten Grades nur noch die Auflösung von Gleichungen dritten und
vierten Grades erfordert, ausführen.
Begründung. Dies hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass die Lösung einer
Gleichung dritten Grades neben den elementaren Rechenoperationen und dem Ziehen einer Quadratwurzel nur noch das Ziehen einer dritten Wurzel aus einer komplexen Zahl verlangt. Denn für z = |z| · cos(ϕ) + i sin(ϕ) ∈ C mit ϕ ∈ [0, 2π)
gilt:
ϕ
ϕ
p
√
3
3
z = |z| · (cos
+ i sin
).
3
3
p
Den Term 3 |z| können wir konstruieren,
da wir das
Delische Problem nach Vorausϕ
ϕ
setzung lösen können. Den Term cos 3 + i sin 3 können wir konstruieren, da wir
Winkel im Allgemeinen dreiteilen können. Zudem lassen sich Gleichungen vierten
Grades auf Gleichungen dritten Grades zurückführen. Ergo lassen sich Gleichungen
sowohl dritten und als auch vierten Grades konstruktiv lösen.
5.2
Das Einschiebelineal
Definition 5.2. Das Einschiebelineal ist ein Lineal, auf dessen Kante zwei Punkte A und B markiert sind, die somit eine Strecke s definieren. Im folgenden sind
die Benutzungsregeln angegeben:
9
1. Als Lineal zum Ziehen von geraden Linien zwischen zwei vorhandenen Punkten.
2. Zum Abtragen von s auf einer vorhandenen Geraden von einem darauf vorhandenen Punkt nach jeder der beiden Seiten.
3. Zum Schnitt einer vorhandenen Geraden g oder eines Kreises k mit einem
Kreis vom Radius s um einen vorhandenen Punkt P als Mittelpunkt.
4. Zum Einschieben der Strecke s zwischen zwei vorhandenen Geraden g und h
auf einer Geraden durch einen vorhandenen Punkt P. (Man legt das Lineal
durch P und legt die Marke A (oder B) auf g und die Marke B (oder A) auf h)
In analoger Weise kann man die Strecke s auch auf einer Geraden durch den
Punkt P zwischen einem Kreis und einer Geraden oder zwischen zwei Kreisen
einschieben.
Bemerkung 5.3.
a) Ein Lineal, auf dessen Kante zwei Punkte A und B markiert sind und das die Regeln 1 bis 3 erfüllt, wird auch normiertes Lineal
genannt.
b) Man kann das Einschiebelineal auch allgemeiner definieren, indem wir in der 3.
und 4. Regel nur das Schneiden/Einschieben zwischen zwei Geraden zulassen.
c) Regel 3 besagt nicht, dass wir einen Kreis mit Radius s ziehen können, sondern
dass wir einen Punkt auf einer Geraden/einem Kreis konstruieren können, der
von einem gewissen Punkt P die Entfernung s besitzt.
Bemerkung 5.4. Wir werden für den Rests des Vortrags immer mit Einschiebelineal und Zirkel arbeiten.
5.3
Konstruktion von
√
3
r für r ∈ R>0
Bevor wir uns der eigentlichen Konstruktion zuwenden, müssen wir zwei geometrische Sätze bereitstellen.
Satz 5.5 (Satz des Menelaos). Gegeben seien ein Dreieck ABC und eine Gerade,
welche die Dreiecksseiten BC, CA und AB beziehungsweise ihre Verlängerungen in
den Punkten X, Y und Z schneidet. (vgl. Abbildung 1) Dann gilt:
AZ · BX · CY
=1.
AY · BZ · CX
Beweis. Man betrachtet drei Lote auf die gegebene Gerade, die von den Ecken A,
B und C ausgehen. Die Längen der Lotstrecken seien mit a, b und c bezeichnet. Via
Strahlensatz ergeben sich dadurch folgende Verhältnisse
AZ : BZ = a : b
BX : CX = b : c
CY : AY = c : a .
10
Abbildung 1: Der Satz des Menelaos
Durch geeignetes Multiplizieren dieser Verhälntisse gelangt man auf
a b c
AZ BX CY
·
·
= · · =1
b c a
BZ CX AY
und somit auf die Behauptung.
Abbildung 2: Beweis des Satzes von Menelaos
Satz 5.6 (Sekantensatz). Gegeben sei ein Kreis mit zwei Sekanten, die sich in einem
Punkt P außerhalb des Kreises schneiden. Bezeichnet man die Schnittpunkte des
Kreises mit der einen Sekante als A beziehungsweise D und die Schnittpunkte mit
der anderen Sekante als B beziehungsweise C (vgl. Abbildung 3), so gilt:
AP · DP = BP · CP
Beweis. Dieser Satz sollte irgendwann während der obligatorischen Schule bewiesen
worden sein.
11
Abbildung 3: Der Sekantensatz
Nach dieser Vorarbeit können wir uns nun an die Konstruktion machen.
Konstruktion. Sei m ∈ R>0 die Strecke, aus der die dritte Wurzel gezogen werden
soll. Wir gehen von einer Geraden durch den Ursprung 0 aus. Wir tragen daran
zweimal die Strecke s ab − wir erhalten die Punkte A und Q. Nun ziehen wir einen
Kreis um den Ursprung mit Radius s. Wir konstruieren eine Sehne durch A mit
Länge m · 2s (falls m ≥ 1 multipliziere man geeignete dritte Potenzen mit m.) −
wir erhalten den Punkt B. Anschliessend konstruieren wir die Gerade g durch A
und B, und die Gerade h durch Q und B. Nun schieben wir auf einer Geraden
durch 0 zwischen g und h die Strecke s so ein, dass A nicht auf dieser Geraden liegt.
Wir erhalten den Punkt R auf h und den Punkt C auf g. Wir bezeichnen noch die
Strecken ξ := BC und η := 0R.
Abbildung 4: Konstruktion der Sehne, so dass AB = m2s.
Lemma 5.7. Für die oben konstruierten Strecken ξ und η gilt:
√
√
3
η = m2 2s .
ξ = 3 m2s
Beweis. Der Satz des Menelaos (Satz 5.5), angewendet auf das Dreieck A0C besagt, dass
RC · AB · 0Q
s · m2s · 2s
=1.
=
η·ξ·s
0R · BC · 0A
Also
m2s · 2s
=1
(1)
ξ·η
12
Abbildung 5: Konstruktion des Dreiecks A0C
Daraus können wir folgern, dass m2s · 2s = ξ · η. Addition auf beiden Seiten mit
2s · ξ und Ausklammern liefert 2s · (m2s + ξ) = ξ · (η + 2s) und damit zusammen
mit Gleichung (1):
ξ
ξ + m2s
m2s
=
=
η
2s
η + 2s
(2)
Andererseits erhalten wir mit Hilfe des Sekantensatzes (Man beachte, dass, wenn
wir die Strecke 0C um s erweitern, wir η auf dieser Strecke zwischen C und dem
Schnittpunkt mit dem Kreis wiederfinden.):
ξ · (ξ + m2s) = η · (η + 2s) ,
woraus natürlich folgt
η
ξ + m2s
= .
η + 2s
ξ
Zusammen mit Gleichung (2) ergibt sich
ξ
η
m2s
= =
2s
ξ
η
und daraus schliesslich
ξ 2 = η2s
η 2 = ξm2s .
Woraus man schliesslich folgert
ξ=
√
3
m2s
η=
√
3
m2 2s .
Bemerkung 5.8. Die obige Konstruktion kann auch mit dem Einschiebelineal allein
geleistet werden.
13
5.4
Konstruktion für die Winkeldreiteilung
Die folgende Konstruktion für die Dreiteilung von Winkeln geht auf Archimedes
zurück.
Konstruktion. Gegeben sei der zu drittelnde Winkel ^A0B. Man konstruiere einen
Kreis mit Radius s um 0. Nun schiebt man die Strecke s auf einer Geraden durch B
zwischen die Gerade durch A und 0 und dem Kreis ein − wir erhalten den Punkt K
als Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Kreis, und den Punkt G als Schnittpunkt
dieser Geraden und der Geraden durch A und 0.
Abbildung 6: Kreis mit Radius s um den gegebenen Winkel
Lemma 5.9. Der oben konstruierte Winkel ^0GB ist ein Drittel des gegebenen
Winkels ^A0B.
Abbildung 7: Einschieben der Strecke s
Beweis. Zuerst definieren wir α := ^0GB. Das Dreieck GK0 ist gleichschenklig.
Daher ist 2α der Aussenwinkel an seiner Spitze K. Da auch das Dreieck K0B
gleichschenklig ist, ist der Aussenwinkel ^A0B = 3α an seiner Spitze gelegen. (Man
beachte den Gegenwinkel zu ^G0K(= α).)
Bemerkung 5.10. Die obige Konstruktion ist nicht möglich ohne Zirkel. Es gibt
hingegen Konstruktionen zur Winkeldreiteilung, die nur das Einschiebelineal benutzen (vgl. [1]).
14
Literatur
[1] Bieberbach, Ludwig. Theorie der geometrischen Konstruktionen. Basel:
Birkhäuser 1952.
[2] Fischer, Gerd. Lehrbuch der Algebra. Wiesbaden: Vieweg 2008.
[3] Hilbert, David. Über die Transcendenz der Zahlen e und π (Nachdruck).
Mathematische Annalen 43 (1893). S. 216-219. In: Berggren, Lennart et
al. Pi − a source book (3rd edition). New York: Springer 2004. S. 226-230.
[4] Storrer, Hans Heiner. Algebra II. Vorlesungsskript Universität Zürich
2000.
[5] Wikipedia. Stichwort: “Satz von Menelaos“, abgerufen am 21. Mai 2009,
16.30 Uhr.
[6] Wikipedia. Stichwort: Sekantensatz“, abgerufen am 21. Mai 2009, 16.35 Uhr.
”
[7] Bilder Die Grafiken in Kapitel 1-4 wurden von Linus Romer erstellt. Abbildung 1 und Abbildung 2 stammen aus [5]. Die Abbildungen 3-7 wurden mit
Hilfe des Programms Z.u.L gefertigt.
15
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