Eigenschaften von Winkelfunktionen Satz 2.7.3: Für x, y ∈ R und n ∈ Z gelten stets: i. cos x = ∞ X (−1)j x2 x4 x2j =1− + ∓ ···, (2j)! 2! 4! ∞ X (−1)j x2j+1 x3 x5 = x− + ∓ ···, (2j + 1)! 3! 5! j=0 ii. sin x = j=0 iii. cos(−x) = cos x, iv. sin(−x) = − sin x, v. eiy = cos y + i sin y (Eulersche Formel), vi. (cos x + i sin x) · (cos y + i sin y) = cos(x + y) + i sin(x + y) (Moivresche Formel), vii. (cos x + i sin x) : (cos y + i sin y) = cos(x − y) + i sin(x − y) (Moivresche Formel), viii. (cos x + i sin x)n = cos(nx) + i sin(nx) (Moivresche Formel), ix. cos 0 = 1, sin 0 = 0, x. cos2 x + sin2 x = 1, xi. sin(x ± y) = sin x cos y ± cos x sin y (Additionstheorem), xii. cos(x ± y) = cos x cos y ∓ sin x sin y (Additionstheorem), xiii. sin x cos y = 1 (sin(x + y) + sin(x − y)), 2 xiv. cos x cos y = 1 (cos(x + y) + cos(x − y)), 2 xv. sin x sin y = −1 (cos(x + y) − cos(x − y)), 2 xvi. cos x − cos y = −2 sin xvii. sin x − sin y = 2 cos x+y x−y sin , 2 2 x+y x−y sin . 2 2 xviii. Ist zusätzlich 0 < x ≤ 2, so gelten auch 0 < x − und 1 − x2 x2 x4 < cos x < 1 − + . 2 2 24 x3 < sin x < x 6 3.4 Eigenschaften von Winkelfunktionen und trigonometrische Darstellung komplexer Zahlen Satz 3.4.1: Die Kosinusfunktion ist auf R stetig und hat eine kleinste positive Nullstelle welche zwischen 1 und 2 liegt. Das Doppelte dieser Nullstelle wird mit π bezeichnet. Weiterhin haben die Sinus- und Kosinusfunktion folgende Eigenschaften: 3π π 3π π = −1, cos = cos = sin 0 = sin π = 0. i. cos 0 = sin = 1, cos π = sin 2 2 2 2 π π ± x = cos x, cos ± x = ∓ sin x, ii. Für x ∈ R und k ∈ Z gelten stets sin 2 2 sin (π + x) = − sin x, cos (π + x) = − cos x, sin (x + 2kπ) = sin x, cos (x + 2kπ) = cos x. iii. Für k ∈ Z nimmt die Kosinusfunktion auf 2k − 21 π, 2k + 21 π positive und auf 2k + 21 π, 2k + 23 π negative Werte an. Die Sinusfunktion ist auf (2kπ, (2k + 1)π) positiv und auf ((2k − 1)π, 2kπ) negativ. iv. Für k ∈ Z ist die Kosinusfunktion streng monoton wachsend auf [(2k −1)π, 2kπ] und streng monoton fallend auf [2kπ, (2k + 1)π]. Die Sinusfunktion ist streng monoton wachsend auf [ 2k − 21 π, 2k + 12 π] und streng monoton fallend auf [ 2k + 21 π, 2k + 23 π]. Beweis: Die Stetigkeit wurde vorher bewiesen. Da für x ∈ (0, 2] gilt 1− x2 < cos x < 2 x2 x4 1 − + , folgt cos x > 0 für x ∈ [0, 1] und cos 2 < 0. Nach Nullstellensatz ist die Menge M = 2 24 x ∈ (1, 2) cos x = 0 nichtleer. Da sie trivialerweise beschränkt ist, hat sie ein Infimum ξ, welT ches offensichtlich in [1, 2] liegt. Dann existieren xn ∈ M [ξ, ξ + 1/n) (weil ξ + 1/n keine untere Schranke von M ist). Nach Folgenstetigkeit der Kosinusfunktion ist cos ξ = limn→∞ cos xn = 0. Damit ist ξ ∈ M, ξ = min M und ξ ∈ (1, 2). Nach Definition ist π = 2ξ. x3 < sin x < x, nimmt die Sinusfunktion auf (0, 2) nur positiver Da für x ∈ (0, 2] gilt 0 < x − 6 p Werte an. Somit ist sin π2 = + 1 − cos2 π2 = 1. Die anderen Formeln in i und ii erhält man aus den Additionstheoremen: π π π π π π sin = cos = 0, ± x = sin cos x ± cos sin x = cos x, sin π = sin + 2 2 2 2 2 2 π π π π ± x = cos cos x ∓ sin sin x = ∓ sin x, cos π = − sin = −1, cos 2 2 2 2 π π π 3π π cos (π + x) = cos + + x = − sin + x = − cos x, cos = − cos = 0, 2 2 2 2 2 π π π 3π π + + x = cos + x = − sin x, sin = − sin = −1, sin (π + x) = sin 2 2 2 2 2 sin (2π + x) = − sin (π + x) = sin x, cos (2π + x) = − cos (π + x) = cos x. Die Kosinusfunktion hat auf [0, π2 ) keine Nullstelle und kann deshalb dort das Vorzeichen nicht wechseln. Also ist die auf [0, π2 ) und damit als gerade Funktion sogar auf (− π2 , π2 ) positiv. Deshalb ist sin x = cos π2 − x auf (0, π) positiv. Damit gilt für − π2 ≤ x < y ≤ π2 stets sin x−y = −2 cos x+y sin y−x < 0 (weil 0 < y−x ≤ π2 und − π2 < y+x < π2 sin x − sin y = 2 cos x+y 2 2 2 2 2 2 π π sind). Also ist sin x auf [− 2 , 2 ] streng monoton wachsend. Für 0 ≤ x < y ≤ π ist cos x − cos y = −2 sin x+y sin x−y = 2 sin x+y sin y−x > 0, d. h., cos x 2 2 2 2 ist auf [0, π] streng monoton fallend. Für die anderen Intervalle folgen Vorzeichen und strenge Monotonie dann aus den Formeln ii. 2 Definition: Die Kosinusfunktion (eingeschränkt auf [0, π]) ist eine streng monoton fallende bijektive Abbildung von [0, π] auf [−1, 1]. Die inverse Abbildung (oder Umkehrfunktion) ist die Arkuskosinusfunktion arccos x. 3 2 1 -4 2 -2 4 -1 Die Arkuskosinusfunktion hat also den Definitionsbereich [−1, 1] und Wertemenge [0, π]. Sie ist streng monoton fallend. Für x ∈ [−1, 1] ist y = arccos x die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung cos y = x im Intervall [0, π]. Wegen cos(2kπ ± y) = cos y hat die Gleichung auch die Lösungen 2kπ ± arccos x. Da in jedem Monotonieintervall nur eine Lösung der Gleichung liegen kann, sind dies alle Lösungen. Definition: Die Sinusfunktion (eingeschränkt auf [− π2 , π2 ]) ist eine streng monoton wachsende bijektive Abbildung von [− π2 , π2 ] auf [−1, 1]. Die inverse Abbildung (oder Umkehrfunktion) ist die Arkussinusfunktion arcsin x. 2.0 1.5 1.0 0.5 -4 2 -2 4 -0.5 -1.0 -1.5 -2.0 Die Arkussinusfunktion hat also den Definitionsbereich [−1, 1] und Wertemenge [− π2 , π2 ]. Sie ist streng monoton wachsend. Für x ∈ [−1, 1] ist y = arcsin x die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung sin y = x im Intervall [− π2 , π2 ]. Es gilt arcsin x = π2 − arccos x und die Lösungsmenge der Gleichung sin y = x ist gleich n o 2kπ + arcsin x, (2k + 1)π − arcsin x k ∈ Z . 3 Satz 3.4.2 (Parametrisierung der Einheitskreislinie): Durch f (ϕ) = eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ wird eine 2π-periodische Abbildung f von R auf die komplexe Einheitskreislinie z ∈ C |z| = 1 gegeben. Für jedes a ∈ R ist die Einschränkung von f auf das Intervall [a, a + 2π) eine bijektive Abbildung des Intervalls auf die komplexe Einheitskreislinie. Ferner gelten f (0) = 1, f ( π2 ) = i, f (π) = −1, f ( 3π ) = −i und die Intervalle (0, π2 ), ( π2 , π), (π, 3π ) bzw. ( 3π , 2π) werden in den 1., 2 2 2 2., 3. bzw. 4. Quadranten abgebildet. Beweis: Die speziellen Werte und die Behauptungen über die Lage der Bildpunkte folgen aus den aus Satz 3.4.1 bekannten Werten und Vorzeichen von Sinus- und Kosinusfunktion. Aus deren Monotonieverhalten folgt auch die Injektivität von f auf [0, 2π). Aus der Periodizität der Winkelfunktionen folgt die Periodizität von f . Die Injektivität auf [a, a + 2π) folgt dann daraus, dass für alle x ∈ R gilt f (a + x) = eia · f (x) und dass die Multiplikation mit der Zahl eia eine Bijektion der komplexen Einheitskreislinie ist. Dieselbe Überlegung erlaubt es, die Surjektivität auf den Fall a = 0 zurückzuführen. Wir p zeigen abschließend die Surjektivität, indem wir für z = x + iy mit |z| = x2 + y 2 = 1 ein ϕ ∈ [0, 2π) mit f (ϕ) = z bestimmen. √ Ist y ≥ 0, so nehmen wir ϕ = arccos x ∈ [0, π]. Dann gelten x = cos ϕ und y = + 1 − x2 = p + 1 − cos2 ϕ = sin ϕ (weil sin ϕ ≥ 0 ist). Ist y < 0, so nehmen wir ϕ = 2π − arccos x ∈ (π, 2π). (Die Werte π und 2π √ werden in diesem p Fall nicht angenommen, weil |x| < 1 ist). Es gelten dann x = cos ϕ und y = − 1 − x2 = − 1 − cos2 ϕ = sin ϕ (weil jetzt sin ϕ < 0 ist). Bemerkung: Wir haben fast nachgewiesen, dass die Definition der Winkelfunktionen durch Reihen zur ihrer geometrischen Definition gleichwertig ist. Betrachtet man etwa im Fall cos ϕ > 0 und sin ϕ > 0 das rechtwinklige Dreieck mit Katheden der Längen a = cos ϕ und b = sin ϕ und bezeichnet mit ϕ den Innenwinkel zwischen der Kathede a und der Hypothenuse, die nach p 2 Pythagoras ja die Länge c = cos ϕ + sin2 ϕ = 1 hat, so ist cos ϕ = a b und sin ϕ = . c c Im Allgemeinen interpretiert man ϕ ∈ [0, 2π) als Maßzahl des in der Gaußschen Zahlenebene liegenden orientierten Winkels zwischen der positiven reellen Achse und dem Strahl mit Anfangspunkt 0, der durch eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ geht. Später wird bewiesen, dass dabei ϕ mit der Länge des Kreisbogens, der in der Gaußschen Zahlenebene die Parametergestalt n o eiψ 0 ≤ ψ ≤ ϕ hat, übereinstimmt. Somit ist die Zahl ϕ das Bogenmaß des betrachteten Winkels. Der Zu180 ·ϕ sammenhang zwischen Bogenmaß ϕ und Gradmaß α◦ eines Winkels wird durch α = π gegeben. 4 Trigonometrische und Eulersche Darstellung komplexer Zahlen (Selbststudium) z Für z ∈ C mit z 6= 0 gilt | sign z| = = 1. Deshalb existiert ϕ ∈ [0, 2π) mit sign z = eiϕ . |z| Mit r = |z| erhält man die Darstellungen z = r (cos ϕ + i sin ϕ) z = r eiϕ (trigonometrische Darstellung von z) (Eulersche Darstellung von z) In diesen Darstellungen kann man ϕ durch ψ = ϕ + 2kπ (k ∈ Z) ersetzen. Für z = r = 0 gelten diese Darstellungen von z mit beliebigem ψ anstelle ϕ. Der Winkel ϕ in der trigonometrischen Darstellung von z wird Argument der komlexen Zahl z genannt, ϕ = arg z. Dabei ist es Vereinbarungssache, ϕ ∈ [0, 2π) zu nehmen. Eine andere gebräuchliche (hier erstmal nicht verwendete) Konvention lautet ϕ ∈ [−π, π). Alle möglichen Winkel in der trigonometrischen oder Eulerschen Darstellung einer komplexen Zahl z 6= 0 sind die Elemente von Arg z = arg z + 2kπ k ∈ Z . Aus dem Beweis von Satz 3.4.1 kennen wir bereits eine Formel zur Bestimmung von arg z. Die Umwandlung einer in arithmetischer Gestalt z = x + iy 6= 0 gegebenen komplexen Zahl in ihre trigonometrische Gestalt kann also nach den Formeln p r = x2 + y 2 falls y ≥ 0 arccos √ x2 2 x +y ϕ = 2π − arccos √ x2 2 falls y < 0 x +y erfolgen. Die umgekehrte Umwandlung erfolgt einfach durch Ausmultiplizieren, x = r cos ϕ, y = r sin ϕ. Geometrische Interpretation der Multiplikation komplexer Zahlen (Selbststudium) Sind komplexe Zahlen z = r (cos ϕ + i sin ϕ) = r eiϕ und w = ρ (cos ψ + i sin ψ) = ρ eiψ in trigonometrischer oder Eulerscher Gestalt gegeben, so ist ihr Produkt gleich z · w = r ρ (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)) = r ρ ei (ϕ+ψ) . Der Betrag des Produktes ist also gleich dem Produkt der Beträge der Faktoren und das Argument des Produktes ist (eventuell bis auf ein ganzzahliges Vielfaches von 2π) gleich der Summe der Faktoren der Argumente. Die Abbildung C ∋ w → eiϕ · w ∈ C verändert wegen eiϕ · w1 − eiϕ · w2 = eiϕ · |w1 − w2 | = |w1 − w2 | keine Abstände. Ein Strahl mit Anfangspunkt 0 durch (cos ψ + i sin ψ) = eiψ wird auf den Strahl mit Anfangspunkt 0 durch cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)) = eiϕ+ψ abgebildet. Diese Abbildung ist also eine Drehung der Gaußschen Zahlenebene mit Drehzentrum 0 um den Winkel ϕ im mathematisch positiven Drehsinn (d. h. entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn). Die Abbildung C ∋ w → r eiϕ · w = z · w ∈ C ist Komposition aus einer solchen Drehung und einer Streckung oder Stauchung mit Zentrum 0 um den Faktor r. 5 Anwendung: komplexe k-te Wurzeln (Selbststudium) Für k ∈ N mit k ≥ 2 und z ∈ C sollen alle w ∈ C mit w k = z bestimmt werden. Das sind die komplexen k-ten Wurzeln aus z. Ist z = 0, so ist w = 0 die einzige komplexe Lösung der Gleichung w k = z. Wir setzen nunmehr voraus, dass z 6= 0 ist und die trigonometrische bzw. Eulersche Darstellung z = r (cos ϕ + i sin ϕ) = r eiϕ hat und suchen Lösungen der Gleichung w k = z in der Gestalt w = ρ (cos ψ + i sin ψ) = ρ eiψ . Dabei erhalten wir nacheinander folgende notwendigen Bedingungen: w k = ρk · eikψ = r · eiϕ , k √ w = |w|k = ρk = |z| = r, ρ = k r, ϕ 2lπ kψ = ϕ + 2lπ mit l ∈ Z, ψ = + k k √ 2lπ + i( ϕ k w = r · e k k ). Eine einfach durchzuführende Probe zeigt, dass diese w für jedes l ∈ Z tatsächlich die Gleichung w k = z erfüllen. Für l ∈ {0, . . . .k − 1} erhält man k verschiedene Werte, die sich dann für andere Werte von l wiederholen. Speziell sind die Zahlen 2lπ εl = ei( k ) (l ∈ {0, . . . .k − 1}) die komplexen k-ten Wurzeln aus 1. Sie werden komplexe k-te Einheitswurzeln genannt. Dabei gelten die Gleichungen εl = (ε1 )l Die komplexen k-ten Wurzeln aus z = r (cos ϕ + i sin ϕ) = r eiϕ haben die Darstellungen √ ϕ 2lπ wl = k r · ei( k + k ) √ ϕ 2lπ ϕ 2lπ k + i sin + + r · cos = k k k k √ ϕ = k r · ei( k ) · ε (l ∈ {0, . . . .k − 1}). l In der Gaußschen Zahlenebene liegen die komplexen k-ten Wurzeln aus z auf einem Kreis mit p k Radius ρ = |z| und bilden die Ecken eines regulären k-Ecks. Bemerkung: Für einige k lassen sich die komplexen k-ten Einheitswurzeln durch reelle Quadratwurzeln ausdrücken. Z. B. gelten für k = 2, ε1 = −1 ε1 = cos 120◦ + i sin 120◦ = − ε1 = i ε1 für k = 4, 1√ 1 3+ i 2 2 1 1 √ = cos 72 + i sin 72 = 5−1 + 4 4 ◦ ◦ für k = 3, q √ 10 − 2 5 i für k = 5. Derartige Darstellungen gibt es dann und nur dann, wenn das reguläre k-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Die Konstruktion des regulären 5-Ecks war schon Euklid bekannt. C. F. Gauß wies u. a. nach, dass sich die 17-ten Einheitswurzeln durch (merfache) Benutzung von Grundrechenarten und Quadratwurzeln aus natürlichen Zahlen ausdrücken lassen. 6