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B.A. Sozialwissenschaften
Reiseführer durch das Wahlpflichtmodul 7.2:
Politische Sozialisation
Reiseführer B.A. Sozialwissenschaften
Modulverantwortung
Das Modul 7.2 ist eine Integration der beiden Fächer Politikwissenschaft
und Soziologie. Das Lehrangebot wird aus beiden Bereichen bereitgestellt.
Die Lehre zur „Politischen Sozialisation“ wird in Marburg vor allem durch
die Dozenten Prof. Dr. Dr. Leo Kißler vom Institut für Soziologie und Prof.
Dr. Peter Henkenborg vom Institut für Politikwissenschaft geprägt.
Politische Sozialisation als
Gegenstand der politischen Soziologie in Marburg
Der Mensch ist ein instinktarmes Wesen und er lebt in Gesellschaft. Er ist
deshalb naturnotwendig auf Lernprozesse angewiesen. Nach der
biologischen durchläuft er notwendigerweise eine zweite ‚sozio-kulturelle
Geburt’ die ihn zum gesellschaftlichen Wesen macht. Diesen Vorgang
nennt man Sozialisation. Es handelt sich um ein vieldimensionales
Geschehen, welches das Verhältnis des Individuums zu seiner
gesellschaftlichen Umwelt grundlegend prägt und an dem eine Vielzahl von
Personen (z.B. Erzieher), von Institutionen (z.B. Schule) und Faktoren der
sozialen Umwelt (z.B. Massenmedien) beteiligt ist. Was aber macht
Sozialisation zur politischen Sozialisation? In einem weiteren Sinne von
Politik ist jeder Sozialisationsprozess politisch. Die Trennung von
politischer und allgemeiner Sozialisation ist hinfällig, wenn das Wesen des
Politischen nach Kriterien gesellschaftlicher und politischer Herrschaft
bestimmt wird. Indem dann Sozialisation die Mitglieder der Gesellschaft
einem bestimmten Herrschaftssystem unterwirft und damit politisch
formiert, entfaltet sie immer zugleich auch politische Wirkung.
Wenn im Rahmen des Moduls 7.2 von politischer Sozialisation die Rede
ist, dann in einem engeren Sinn. Politische Sozialisation gilt als Ausschnitt
des allgemeinen Sozialisationsprozesses. Dieser verfügt über eine
intentionale und eine funktionale Dimension. Auf der intentionalen Seite
geht es im Rahmen von pädagogischen Veranstaltungen (Erziehung,
Unterricht) um politische Bildung. Auf der funktionalen Seite werden
politische Ziele, Werte und Normen sozialisiert, die den Menschen zur
politischen Persönlichkeit formen.
Politische Sozialisation ist nicht wertfrei, sie ist normativ besetzt. Sie wird
definiert als Gesamtheit aller Lernprozesse, die den Menschen zur
politischen Persönlichkeit (Citoyen) formen und die daran zu messen sind,
inwieweit sie Mündigkeit begünstigen oder verhindern. Politische
Sozialisation bezieht demnach, im Marburger Verständnis einer
Demokratiewissenschaft und als Gegenstand der Politischen Soziologie,
ihren spezifisch politischen Gehalt aus der Demokratievorstellung, welche
dieser Wertorientierung zugrunde liegt. Mündigkeit im Sinne von
Wahlpflichtmodul 7.2: Politische Sozialisation
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Selbstbestimmung und politischer Handlungskompetenz bezeichnet das
Sozialisationsziel ‚Demokratie’, den politisch-gesellschaftlichen Prozess, zu
dessen Gestaltung mündige Individuen fähig sind. Die strukturellorganisatorischen Grundlagen dieser Gestaltung finden sich in den
Verfahren der politischen Sozialisation, ihre subjektiv-personengebundene
Seite in der Partizipationskompetenz. Diese gilt demnach als politisches
Lernziel. Die Frage, wie dieses theoretisch zu begründen und empirischpraktisch, zum Beispiel in der politischen Bildung, aber auch in
Partizipationsprozessen
umzusetzen
ist,
bezeichnet
wesentliche
Arbeitfselder der Politischen Soziologie in Marburg. Diese wird von ihrem
Selbstverständnis her als Demokratiewissenschaft positioniert – Forschung
und Lehre richten sich am Ideal einer lebendigen Demokratie aus, was sich
in drei inhaltlichen Ankerpunkten niederschlägt.
Sozialisation
Partizipation
Für eine lebendige Demokratie
müssen die Bürger Kompetenzen
für und Interesse an politischer
Mitwirkung erwerben.
Die demokratischen Bürger müssen
tatsächlich die Chance haben in der
Gesellschaft politisch gestaltend
mitzuwirken und diese Chancen
auch nutzen.
Politische Öffentlichkeit
Eine lebendige Demokratie öffnet ihre politische Sphäre
zur Gesellschaft hin und erlaubt Politik als eine
öffentliche Veranstaltung zu betreiben, in der
Kommunikation in beide Richtungen erfolgt. Politische
Sozialisation und erfolgreiche Partizipation der Bürger
sind hierfür Voraussetzung.
Thematisch rückt demnach Politikvermittlung (von der Politik in die
Gesellschaft) und Interessenvermittlung (von der Gesellschaft in die Politik)
in den Mittelpunkt des Moduls 7.2. Im Fokus stehen gesellschaftliche
Einrichtungen, die eine Vermittlung zwischen Individuum und Staat
befördern sollen (Verbände, Parteien, Gewerkschaften, Neue Soziale
Bewegungen etc.) und die/der politische BürgerIn selbst, die diese
Einrichtungen mit Leben füllen sollen.
Neben dieser inhaltlichen Programmatik sind zwei weitere Punkte
hervorzuheben, die das Modul 7.2 maßgeblich bestimmen. Zum einen die
interdisziplinäre Vernetzung. Die „Politische Sozialisation“ ist sowohl mit
der Lehramtsausbildung als auch mit dem Fach Politikwissenschaft stark
Wahlpflichtmodul 7.2: Politische Sozialisation
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verknüpft. Zum anderen gehen starke Vergleichsperspektiven in das Modul
mit ein. Der Blick über den nationalen Tellerrand, auf Demokratieforschung,
Bürgergesellschaft und Staatshandeln jenseits der Landesgrenzen,
kennzeichnet das Lehrangebot.
Einblick in die Inhalte
Das thematische Feld wurde bereits kurz abgesteckt. Im Folgenden sollen
Lernziele und Inhalte des Moduls 7.2 noch etwas näher dargestellt werden.
Politische Sozialisation meint sowohl bewusste, politische Bildung und
Erziehung, aber auch das eher unbewusste Lernen durch Erfahrung und
Einbindung in gesellschaftliche und vor allem politische Strukturen und
Prozesse. Wie können diese Lernprozesse beschrieben und verstanden
werden? Wie kann politisches Lernen in einer demokratischen Gesellschaft
aussehen? Kann ein Mensch überhaupt zum aktiven Staatsbürger erzogen
werden, oder widerspricht politische Erziehung vielleicht sogar der Idee
einer freien Gesellschaft? Diese Fragen sind nicht neu, sondern wurden in
der politischen Theorie immer wieder aufgegriffen. Das Modul 7.2 widmet
sich solchen Fragen. Im Thema des politischen Lernens stecken vielfältige,
problematische Aspekte, wie zum Beispiel Herrschaft und Macht,
Geschlechterungleichheit, Partizipation, Privatisierung des Staates,
Beteiligung von Minderheiten, Politik und gesellschaftliche Produktion,
staatliche Steuerung, um nur einige zu nennen. Die Bandbreite der
Fragestellungen reicht von soziologischen Grundfragen (Welche Formen
der Herrschaft können überhaupt unterschieden werden?“) bis hin zu sehr
spezifischen und konkreten Themen (Wer beteiligte sich eigentlich in
welcher Weise an der Debatte um die Online-Durchsuchungen?). Es kann
sowohl um den kleinen Kreis der Familie gehen (Ist der Vater Arbeiter,
wählt der Sohn noch ‚Rot’?), als auch um transnationale Dimensionen
(Entsteht eine europäische Bürgeridentität?).
Das Qualifikationsziel des Moduls ist nun die analytische und kritische
Beurteilung dieser zahlreichen Facetten, die sich hinter den Titeln
„Politische Sozialisation“/„Politische Soziologie“ verbergen. Dazu gehören
die traditionellen, politischen ‚Sozialisationsagenturen’ wie Familie, Schule,
Beruf und die Übergangsfelder und Institutionen zwischen politischem
System und gesellschaftlichem Alltag. Dazu zählen Verbände, Vereine,
Initiativen, Soziale Bewegungen, Gewerkschaften und vieles mehr, was
sich zwischen Bürger und Staat um Vermittlung bemüht. Politische
Kommunikation zwischen dem Staat und seinen Einrichtungen auf der
einen und den BürgerInnen auf der anderen Seite zu entschlüsseln und
kritisch zu durchdringen macht das Modul 7.2 aus.
Um das nötige Wissen zu vermitteln, widmet sich der Grundlagenteil des
Moduls (Vorlesung und Übung) den historischen und aktuellen Konzepten
Wahlpflichtmodul 7.2: Politische Sozialisation
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von politischem Lernen, der Entstehung und Aufrechterhaltung von Macht
und Herrschaft, Legitimation solcher Herrschaft und den Konzepten
politischer Öffentlichkeit und Beteiligung. Wichtig ist es hierbei, den Bezug
zwischen Politik und Wirtschaft/Arbeit im Blick zu haben. Im Sinne einer
‚politischen Ökonomie’ lassen sich diese beiden Bereiche, die so
nachhaltigen Einfluss auf das Leben und den Alltag eines jeden Bürgers
ausüben, nicht trennen. Speziellere Aspekte werden in den Seminaren des
Moduls behandelt. Hier geht es in exemplarische Detailbereiche Politischer
Soziologie hinein: soziale Ungleichheit, Jugend und Politik, klassische
Staatstheorien, Voraussetzungen der Demokratie, Soziale (Un-)
Gerechtigkeit. Dort finden auch aktuelle, alltagsnahe Themen wie
Sterbehilfedebatte oder nachhaltiger Konsum ihren Raum.
Das Modul „Politische Sozialisation“ ist innerhalb der Sozialwissenschaften
als ein spezieller Bereich der Politischen Soziologie verortet. Als
Demokratiewissenschaft steht die Politische Soziologie in der Tradition
kritischer Wissenschaft. Sie behandelt politisch relevante Themen und
nimmt normativ Stellung. Sie ist praxisbezogen und greift aktuelle Themen
des Politischen auf. Die Praxisbezogenheit wird durch Anbindung der
Lehre an aktuelle Forschung gewährleistet, die im Modul 7.2 gegenwärtige,
vor allem folgende Gegenstände bearbeitet:
•
•
•
•
Kooperative Demokratie und bürgerschaftliches Engagement
Modernisierung des öffentlichen Sektors
Neuere Arbeitsmarktreformen und kommunale Bündnisse für Arbeit
Reform der öffentlichen Verwaltung
Thematisch verschränken sich die Inhalte des Moduls 7.2 oft mit den
Modulen 7.1 und 7.3, bilden doch Fragen der Arbeitswelt, Politik, Wirtschaft
und sozialen Ungleichheit einen ebenso aktuellen wie problematischen
Zusammenhang in den Gegenwartsgesellschaften ab.
Literaturempfehlungen
Claußen, Bernhard; Geißler, Rainer. (Hrsg.) (1996): Die Politisierung des
Menschen. Instanzen der politischen Sozialisation. Ein Handbuch.
Opladen: Leske+ Budrich.
Gagel, Walter (2005): Geschichte der politischen Bildung in der
Bundesrepublik Deutschland 1945 bis 1989. 3. Aufl., Opladen: Leske+
Budrich.
Kißler, Leo (2007): Politische Soziologie: Grundlagen einer Demokratiewissenschaft. Konstanz: UVK.
Sander, Wolfgang. (Hrsg.) (2007): Handbuch politische Bildung. 2. Aufl.,
Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung.
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