Europäische Charta der Menschenrechte Störungen der Sexualität Version WS 2016 an der SFU Univ. Prof. Dr. Alfred Springer • im Vertrag von Amsterdam (Artikel 12 und 13 der konsolidierten Fassung) sind Bestimmungen enthalten, die es ermöglichen, jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Nationalität, der ethnischen Herkunft, des Alters, der Religion oder der Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen Sexualität und Kultur • Im Dezember 2000 verabschiedete der Rat eine (bindende) Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf die direkte und indirekte Diskriminierung auf Grundlage der Religion oder der Weltanschauung, dem Alter, Behinderungen oder sexueller Orientierung verbietet. Die Rahmenrichtlinie bindet die Mitgliedsstaaten, während die Beitrittsländer die Richtlinie zum Zeitpunkt des Beitrittes im nationalen Recht umgesetzt haben müssen. • Referenzautoren: Thomas Laqueur Foucault Laqueur: Making Sex Foucault: Sexualität und Wahrheit • Thomas Laqueurs Buch vermittelt eine faszinierenden Einblick in die Entwicklung der Lehre/des Diskurses vom sexuellen Dimorphismus als Folge „sozialer, politischer, ideologischer und ästhetischer Entwicklungen.“ In diesem Prozess kommt es zu einer Unterscheidung zwischen den Gegebenheiten des Körpers, als das was sichtbar ist und dem diskursiv konstituierten Körper als „als ob Sichtbarem“. • Foucault ortet Sexualität in einem komplexen Regelsystem. Im Sexualitätsdispositiv verbinden sich Zwecke der Regulierung, Kontrolle und Vereinheitlichung verschiedener Akteurinnen verschiedener Diskurse. In diesem diskursiven Netzwerk überschneiden sich viele Schnüre, Bänder, Stricke und Taue: etwa Medizin, Biologie, Psychologie, Juristerei und Kriminologie, Bevölkerungspolitik. Tabuierte Bereiche: Inzest und Tötung Abweichungen • In allen bekannten Kulturen und auf allen Stufen der zivilisatorischen Entwicklung bestehen Regeln bezüglich der Geschlechterverhältnisse zwischen den Generationen und insbesondere hinsichtlich sexueller Beziehungen unter Verwandten. Das sogenannte Inzesttabu verbietet in verschiedenen Kulturen sexuelle Beziehungen zwischen nahen Verwandten. • Abweichung von Idealnorm: Überschreitung moralischer Regeln und Vorstellungen • Abweichung von Durchschnittsnorm: Handlung, die von der Mehrheit nicht ausgeübt wird und daher den Täter in eine Minderheitenposition versetzt. Dimensionen der Geschlechtlichkeit Geschlecht und Abweichung Geschlechtsrolle – soziale Dimension • Set von Handlungen, Einstellungen und Verhaltensweisen, die gesellschaftlichen geschlechtstypisierten Vorstellungen und Erwartungen entsprechen. • Biologisches Geschlecht: Kerngeschlecht Hormongeschlecht = SEX Soziokulturelle Dimension: = GENDER Namensgebung Attribution Geschlechtsrolle Psychisches Geschlecht: Geschlechtsidentität Geschlechtsidentität – individuelle Dimension • Traditionelle Interpretation: Komponente der Identität. Das Bewusstsein, einem von zwei Geschlechtern zuzugehören. Dazu gehört auch die Akzeptanz der biologischen Verhältnisse und der Forderungen der Geschlechtsrolle sowie das Verständnis der geschlechtstypisierten Funktion. • Postmoderne infragestellung des Konzepts Normenbezug der Dimensionen der Geschlechtlichkeit • Soziokulturelle Dimension: „Objektive Normen“ Idealnorm (Moralische Kategorie) Durchschnittsnorm (statistische Kategorie) • Psychische Dimension: Subjektive Norm Devianz‐Definitionen • Primäre Devianz: Die Abweichung von einer bestimmten Norm. • Sekundäre Devianz: Abweichungsverstärkung als Reaktion auf den gesellschaftliche Respons auf die primäre Devianz in einem Feedback‐ Prozess. Tertiäre Devianz • Tertiary deviance implies that the societal legitimazion of the new behavior pattern is incomplete...Moreover the stigmatization of tertiary deviance solutions indicates that the original ideological debate over the primary deviation has not been resolved..the ideological debate will continue..and the tertiary solution will remain under assault by moral entrepeneurs. Beispiele: Umgang mit gleichgeschlechtlicher Orientierung (Referenzautor: Kitsuse); substituierte Opiatabhängige. • Im Prozess der tertiären Devianz werden “deviante” Akte, Eigenschaften oder Identitäten als normal oder als tugendhaft umdefiniert. Personen, die in diesen Prozess eintreten, weisen es von sich, dass eine Handlung oder eine Eigenschaft sie diskreditiert und setzen Schritte stigmatiserte Identitäten in hochgeschätzte zu transformieren. Dissoziierte Identität Tritt eine Dissoziation zwischen den Komponenten der geschlechtlichen Identität ein, kommt es verschiedenen Stilbildungen bzw. klinischen Phänomenen: • Bestimmte Stilbildungen innerhalb homosexueller Lebenswelten • Transvestismus • “Gender dysphorie“ und Transsexualität Der sexuelle Dimorphismus • In der aktuellen historischen Situation dominiert gesellschaftlich die Lehre vom geschlechtlichen Dimorphismus. Die Tendenz, das Geschlecht am Phänotypus der Geschlechtsorgane fest zu machen dokumentiert sich an den „ kulturellen Regeln der Geschlechtlichkeit“. Regeln der Geschlechtlichkeit ( Garfinkel, 1967 ) 1. Es gibt zwei – und nur zwei Geschlechter ( männlich und weiblich ) 2. Das Geschlecht ist unveränderlich ( Wenn du männlich oder weiblich bist, dann warst du es immer und wirst es auch immer bleiben ) Regeln der Geschlechtlichkeit (Garfinkel) 3. Die Geschlechtsorgane bezeichnen essentiell das Geschlecht ( der Mann besitzt einen Penis, die Frau eine Scheide ) 4. Ausnahmen von den beiden Geschlechtern sind nicht ernst zu nehmen. ( Sie sind Scherze, pathologische Bildungen, etc. ) 5. Es gibt keine Übergänge zwischen den Geschlechtern außer im zeremoniellen Kontext ( Fasching, etc ) 6. Jeder Mensch muss nach seinem Geschlecht klassifiziert werden ( Es gibt keinen Fall, dem kein Geschlecht zugeordnet würde). 7. Die Dichotomie männlich – weiblich ist naturgegeben. (Männe rund Frauen existieren unabhängig von wissenschaftlichen oder anderen Kriterien dafür ein Mann oder eine Frau zu sein ). 8. Die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ist naturgegeben. ( Mann oder Frau sein hängt nicht davon ab, ob irgendjemand darüber entscheidet, was man ist. ) Dimensionen der geschlechtsbezogenen „Abweichung“ Entwicklung der Regeln • Unser Regelsystem baut auf zwei Einflusssystemen auf: moralisch‐religiöser Rahmen: Judao‐christlich (z.B.: Festschreibung der auf die eigene Gattung begrenzten Sexualität; Fortpflanzungsfunktion; Stigmatisierung von Masturbation und Homosexualität) naturwissenschaftlich‐medizinisch: Erkenntnisse und Zuschreibungen aus dem 19. Jahrhundert (z.B.: sexueller Dimorphismus; Perversionslehre; Bedeutung der Fortpflanzung) • • • • Überschreitung körperlicher Bedingungen Abweichung von vorgegebenen Zielen Abweichung von vorgegebenen Regeln Abweichung von den Vorgaben des Sexuellen Dimorphismus Gestalt und Raum der Abweichung Perversion‐feministische Definition (Kaja Silverman) • Fantasie • Aktion / Funktion • Beziehung zwischen „hysterischer“ und „perverser“ Position: Die Hysterie bietet den fantastischen Unterbau für die praktizierte sexuell‐perverse Handlung (Mitchell, 2000) • Unter Perversion verstehe ich Phänomene wie Fetischismus, Sado‐Masochismus, und Analerotik, die eine Abwendung von den Zielen der genitalen Vereinigung und der Fortpflanzung repräsentieren und daher sowohl von der Biologie wie von der sozialen Ordnung divergieren.“ Perversion – Paraphilie ‐ Sexualpräferenz Perversion‐alte Definitionen Definitorisch verstand man unter Perversion des Geschlechtstriebes in Anlehnung an Krafft‐Ebing jene Äußerungen, die nicht dem Prinzip der Fortpflanzung dienen. Diese Perversion grenzte Krafft‐Ebing von der „Perversität“ ab, die durch Handlungen charakterisiert ist, die durch perverse Triebe oder andere Ursachen motiviert sind. Von sexueller Parästhesie wurde gesprochen, wenn die sexuelle Erregung von einem an sich ungeeignet erscheinenden Stimulus ausgeht. Anthropologischer Zugang • Alternativ zur klinischen Phänomenologie Krafft‐Ebings entwickelte sich in der Psychiatrie ein anthropologischer Zugang, der die sexuellen Phänomene im gesellschaftlichen Kontext untersuchte und einen weniger pathologisierenden Standpunkt wählte (Referenzautor: Ivan Bloch: „Das Geschlechtsleben in England“; Sade‐Studien). Aktuelle Definitionen und Klassifikationen ICD ‐10 „Störung der Sexualpräferenz“, • Es treten über einen längeren Zeitraum – mindestens 6 Monate – ungewöhnliche sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen auf, die sich • 1. auf ungewöhnliche nichtmenschliche Objekte, • 2. auf Leiden oder Demütigung von sich selbst oder anderen Menschen oder • 3. auf Kinder oder andere Personen beziehen, die nicht einwilligungsfähig oder ‐willig sind. Diese Phantasien, Bedürfnisse oder Verhaltensweisen verursachen in unterschiedlichen Funktionsbereichen Leiden und Beeinträchtigung bei den Betroffenen oder ihren Objekten. Präferenz bzw. Paraphilie: Klinische Phänomenologie • • • • • • • • „Sexueller Sadismus“ DSM–IV 302.84; ICD F65.5 „Sexueller Masochismus „ DSM‐IV 302.83; ICD F65.5 „Transvestitischer Fetischismus“ DSM–IV 302.3; ICD F65.1 „Exhibitionismus“ DSM‐IV 302.4; ICD10 F65.2; „Fetischismus“ DSM‐IV 302.81; ICD10 F65.0 „Frotteurismus“ DSM‐IV 302.89; ICD10 F65.8, „Pädophilie“ DSM‐IV 302.2; ICD10 F65.4 „Voyeurismus“ DSM‐IV 302.82; ICD10 F65.3, • „Nicht näher bezeichnete Paraphilie“ bzw. „Sonstige Störungen der Sexualpräferenz“ : DSM‐IV 302.9; ICD10 F65.9 , worunter die sexuelle Vorliebe oder der Drang nach sexueller Befriedigung mit Objekten die außerhalb des "Normalen" (z.B.: Koprophilie, Koprophagie, Urolagnie, Zoophilie, Nekrophilie) fallen, bzw. auch Arten der sexueller Stimulierung, die als außerhalb des Normbereiches angesehen werden. DSM‐IV – Diagnostik ‐ Kriterien: Paraphilie • Kriterium A: über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten bestehen wiederkehrende intensive sexuell erregende Phantasien, sexuelle dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die sich im allgemeinen auf 1. ungewöhnliche nichtmenschliche Objekte, 2. das Leiden oder die Demütigung von sich selbst oder anderen Menschen, 3. Kinder oder andere Personen beziehen, die einwilligungsunfähig oder nicht einwilligungswillig sind Aktuelle Phänomenologie nach klinischen Gesichtspunkten (DSM; Kockott, 1998) • Kriterium B: Die Person hat auf diese sexuell dranghaften Phantasien oder Bedürfnisse mit einer nicht einwilligungsfähigen oder ‐willigen Person gehandelt oder das Verhalten, die sexuell dranghaften Bedürfnisse oder Phantasien führen in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. • Kriterium C: Die Kriterien A und B werden nicht ausschließlich während Phasen akuter Intoxikation, manischer Episoden oder Schizophrenie erfüllt und resultieren nicht aus geistiger Behinderung, Demenz, Persönlichkeitsveränderung oder einem medizinischen Krankheitsfaktor. Kategorien bei Kraftt‐Ebing • Abweichung hinsichtlich des OBJEKTES Abweichende belebte Objekte: Definitionen und Ableitungen • • • Überschreitung der Grenzen zwischen den Arten/Gattungen: Zoophilie: Tiere als Sexualobjekt Abweichung bezüglich der Partnerschaft: Automonosexualismus (ausschließlichen Selbstbefriedigung) Abweichung hinsichtlich des Geschlecht: Homosexualität • Abweichung hinsichtlich des Alter: Pädophilie (die sexuellen Objekte sind im Kindesalter; sie befinden sich noch nicht in der Pubertät) Ephebophilie (die sexuellen Objekte befinden sich bereits in der Pubertät) Gerontophilie (die sexuellen Objekte sind wesentlich älter als es der gesellschaftlichen Konvention entspricht) Unbelebte Objekte bzw. körperliche Teilobjekte: Fetischismus Nekrophilie • • • • • • • • 4.2.3. Abweichung hinsichtlich des TRIEBZIELES Sadismus: Erogener Sadismus; Aggressive Pädophilie;Vergewaltigung; Tötung mit sexueller Motivation Masochismus: Erogener Masochismus und sozialer (moralischer) Masochismus Exhibitionismus: dranghafte Präsentation des Geschlechtsteils Voyeurismus: Drang zum Beobachten sexueller Situationen Intensitätsstufen • Stufe 1. Ein abweichender Impuls tritt spontan auf, eventuell in einer Lebenskrise oder gebunden an einen aktuellen Konflikt • Stufe 2. Eine abweichende Reaktion wird zu einem wiederkehrenden Konfliktlösungsmuster ohne jedoch die sexuelle Einstellung gänzlich zu gestalten. • Stufe 3. Fixierung: Stabilisierung der abweichenden Orientierung. Diese wird bestimmend für den sexuellen Vollzug. • Stufe 4. Progrediente Entwicklung‐sexuelle Süchtigkeit • Sadismus: Grundbedingung der sexuellen Erregung und der sexuellen Lusterfahrung ist es, Schmerzen, Erniedrigung, etc. des Partners/der Partnerin herbeizuführen. Benannt nach D.A.F. Marquis de Sade, 1740‐1814;Hauptwerke: Justine; Juliette; Die 120 Tage Sodoms; Die Philosophie im Boudoir Masochismus: Grundbedingung der sexuellen Erregung und der sexuellen Lusterfahrung ist es, Schmerzen, Erniedrigung, etc. Seitens des Partners/der Partnerin zu erfahren. Benannt nach Leopold von Sacher‐Masoch, österreichischer Schriftsteller, 1836‐1895. Wies selbst diese erotische Orientierung auf. Sehr fruchtbarer Autor. Einschlägige Hauptwerke: Venus im Pelz; Afrikas Semiramis; die Messalinen Wiens Fetischismus oder auch erotischer Symbolismus (Havelock Ellis): Für sexuelle Erregung und sexuelle Lusterfahrung ist die Anwesenheit eines nichtmenschlichen Objekts, eines bestimmten Materials (z.b. Leder, Gummi, Plastik), eines Kleidungsstücks, einer bestimmten Situation ( z. B. Verschnürung) oder eines Körperanteils bzw. ‐produkts unabdingbare Voraussetzung. fixierte Perversion / Paraphilie • Stereotypisiertes und ritualisiertes Verhalten. • Objektivierung des Partners/der Partnerin • Orgasmische Befriedigung von den spezifischen Bedingungen der Paraphilie abhängig. Der „gewöhnliche Koitus“ wird als Ersatz erlebt. Aktuelle Hauptproblemstellungen • Sexueller Missbrauch: Definiert anhand der modernen Konsensus‐Verpflichtung und der Verpflichtung zum Schutz Unmündiger und Abhängiger. Unabhängig von der Diagnose einer sonstigen Abweichung. • Sexsucht • „Cybersex“ FETISCHISMUS • Sexuelle Erregung und Lusterfahrung an unbelebte Objekte, körperliche Teilobjekte oder bestimmte Eigenschaften gebunden. • Begriff:Kleiner und großer Fetischismus(Binet ) • Synonym: Erotischer Symbolismus ( Havelock Ellis ) • Entstehung: • Lerntheoretische Interpretation: • frühe Auffassung: Binet, Moll • Konditionierung: Rachmann Gestalten des Fetisch Fetischismus‐Theorie • Zum Fetisch kann alles werden: Körperteile, bestimmte Zustände der Körperteile (Glanz auf der Nase) Materiale, Kleidungselemente, Ausscheidungsprodukte, aber auch inszenierte Zustände des Körpers (Bondage) und Körperdefekte. • 1. Lerntheoretisch – Rachmanns Konditionierungsexperiment: durch operante negative Konditionierung war es möglich, Erregung bei optischer Präsentation eines Schuhs zu produzieren. Diese Konditionierung blieb nicht aufs Experiment beschränkt, sondern griff auch aufs Alltagsleben über. • 2. Psychoanalytisch: Freud: Der Fetisch repräsentiert und korrigiert „das Fehlende“ die somatisch phallische Valenz des weiblichen Geschlechts. Die Schaffung des Fetisch ist ein komplexes Geschehen, das auf einer Ich‐Spaltung im Dienste der Abwehr (der Kastrations‐/Vernichtungsangst) beruht. Fetischismus‐ moderne Psychoanalyse Verschränkungen des Fetischismus • Winnicott: Fetisch und Übergangsobjekt‐der Fetisch repräsentiert das Überdauern des Übergangsobjekts in sexualisierter Gestalt • Greenacre: Fetisch, Übergangsobjekt und gestörtes Körperbild‐das Übergansobjekt allein konstituiert noch nicht den Fetisch, vielmehr muss in einer kritischen frühen Entwicklungsperiode eine Krankheit des kindlichen Körpers vorgelegen sein, die zu einer Störung der Wahrnehmung des Körpers und zu unangenehmen bis schmerzhaften körperlichen Sensationen bei Berührungen führten. • Mit „gender bending“ • Mit anderen paraphilen Haltungen (Sadismus / Masochismus) • Komplexe paraphile Systeme Typen der Pädophilie • 1. Unterteilung nach Alter der Opfer • 2. Unterteilung nach Geschlecht der Opfer • 3. Unterteilung nach Triebrichtung: ‐ heterosexuelle ‐ homosexuelle ‐ bisexuelle Pädophile 4. Klassifikation nach Komorbidität – z.B. Intelligenzdefekte, andere Perversionen 5. Alterspädophilie Pädophilie und Inzest • Der Inzesttäter kann aber muss keine pädophile Neigung aufweisen. Die inzestuöse Handlung ist, wenn sie nicht sozialer Not oder bestimmten (sub)kulturellen Verhaltenskontingenzen entspringt, oftmals Ausdruck einer pathologischen familiären Situation. Inzesttäter suchen daher auch zumeist keine Opfer außerhalb des familiären Systems. Triebrichtung und Pädophilie • Pädophilie und Homosexualität kann – nicht anders als Pädophilie und Heterosexualität ‐ miteinander verschränkt sein; allerdings ist der pädophile Impuls zumeist Ausdruck anderer sexualpathologischer Phänomene: Fetischismus, Sadismus, Masochismus • oder einer allgemeinen Entwicklungshemmung. Sexuelles Trauma. • Entweder reale Erfahrung oder komplizierte Fantasiestruktur. Wichtiger Kern neurotischer ev. psychotischer Entwicklungen aber auch wirksames Agens in der Konfliktlage einer „normal“ verlaufenden Adoleszenz. • Für die Entwicklung der psychoanalytischen Theorie zentraler Inhalt als motivierender „Fremdkörper“ im Unbewussten. Besondere Bedeutung für Hysterie, Angst‐ und Zwangsneurose und Phobien, aber auch für sexuell gehemmte und „perverse“ Entwicklungen sowie Störungen des Erlebnisvollzugs und des sozialen Kontaktverhaltens. SADISMUS • Schwierigkeit der „richtigen Dosis“ von Erotisierung des Kindes durch die Eltern. Das sexuelle Trauma ist Ausdruck einer sexuell getönten Wahrnehmung, die in der psychischen Verarbeitung nicht integriert werden kann: „Traumatisiert sein heißt nichts anderes als von einem Bild oder Ereignis besessen sein, das zum Teil dadurch zustande kommt, dass es nicht ins Bewusstsein integriert werden konnte.“ • Die populär gewordene Bezeichnung „Seelenmord“ für schwere sexuelle Traumatisierung ist ausschließlich literarisch zu verstehen. Als Bezeichnung eines psychischen Zustandes ist sie irreführend. Begrifflichkeit, Definition Der Marquis de Sade • Der Begriff ist abgeleitet von D.A.F. Marquis de Sade. • Synonym: Aktive Algolagnie • Definition des erotischen Sadismus: Quälen des Partners zum Zweck der sexuellen Erregung und Lusterfahrung. De Sade‘s kulturelle Präsenz 19. Jahrhundert • • • • • Jules Janin Baudelaire Rachilde Jean Lorrain etc 20. Jahrhundert • • • • • • • • • • • • • Apollinaire Maurice Heine Gilbert Lely Ivan Bloch (Eugen Dühren) Georges Bataille Maurice Blanchot Pierre Klossowski J.P. Sartre Albert Camus Simone Beauvoir JaStichworteques Lacan Angela Carter J. Chasseguet‐Smirgel • • • • • Sade als Philosoph – Stichworte: Antiklerikalismus Der Sade‘sche Mensch als „natürlicher Mensch“ (Baudelaire) Positionierung wider die Natur‐nicht nur im sexuellen Sinn als scharfer Gegner Rousseaus und extreme Positionierung in die Richtung LAMettries Wird als Vorläufer der Sexualpathologie aber auch als Vorläufer von Nietzsche, Marx und Freud, sowie sowohl als Antifeminist (Smirgel) wie auch als Feminist (Carter) interpretiert. Sade und der Surrealismus • Autoren: Andre Breton Robert Desnos „Anthologie des Schwarzen Humors“ „Das Spiel von Marseille“ • Eine weitere Quelle der kulturellen Präsenz war das Mäzenatentum der Marie‐Laure de Noailles, die eine Nachfahrin von Sade war. Sade: politischer Bezug • Nach dem Ersten Weltkrieg diente Sade‘s Werk als Bezugsystem für die Interpration der Kriegsgräuel. • Auch für die Interpretation der Geschehnisse im Faschismus und Nationalsozialismus wurde Sade herangezogen. Zentralfantasie der Perversion • „Ich habe eine sehr außerordentliche Fantasie, die mich seit Jahren verfolgt.....Ich möchte mich verheiraten, nicht einmal, sondern zweimal, und das am gleichen Tag. Um 10 Uhr morgens möchte ich, verkleidet als Frau, einen Mann heiraten; nachmittags dann, in männlicher Aufmachung möchte ich einen Jüngling zur Frau nehmen. Aber da gibt es noch etwas: Ich möchte, dass eine Frau mich imitiert...Du, verkleidet als Mann, sollst in der Messe, in der ich als Frau verkleidet, die Frau eines Mannes werde, eine Lesbierin heiraten,; dann, als Frau gekleidet, soll dich eine andere Lesbierin in Männerkleidung zur Frau nehmen, während ich, nachdem ich wieder mein Geschlecht angenommen habe, einen Jüngling in Frauenkleidung heirate.“ De Sade, Justine. Sade‐Editionen • Nach einer verbots‐ und zensurreichen Geschichte erschien von 1962‐ 1966 die definitive Ausgabe des Gesamtwerks mit kommentierenden Beiträgen bekannter Autoren (z.B.: Bataille und Lacan) Charakteristika : • Aufweichung des Geschlechtsunterschiedes • Aufhebung der Fortpflanzungsfunktion • Extreme Stilisierung und Ritualisierung • Maximale Kontrolle MASOCHISMUS Masochismus • Begriff stammt von Krafft‐Ebing; Abgeleitet vom Namen des österreichischen Schriftstellers Leopold von Sacher‐Masoch. • Diesbezügliches Hauptwerk: Venus im Pelz Kulturelle Repräsentation des Masochismus Masochismus Definition: Lust durch gequält‐, erniedrigt werden. 3 Dimensionen: ‐ erotischer Masochismus ‐ femininer Masochismus ‐ Moralischer Masochismus • • • • Swinburne Sacher‐Masoch ein zentrales Sujet des erotischen Genres Als philosophisches Prinzip bei Schopenhauer und bei anderen Repräsentanten der „Wonne des Leidens“ Drei Dimensionen des masochistischen Prinzips: • Das Interesse der Psychiatrie widmete sich den Fragen der „Feminität des Mannes“. Neben der Homosexualität war sicherlich auch die weite kulturelle Verbreitung und Repräsentation des Masochismus ein Katalysator dieses Interesses. Auch der Masochismus wurde ja ursprünglich als eine Spielart der „Entmännlichung“ resp. „Effeminatio“ angesehen. Genesetheorien • Lerntheoretisch: Konditionierte Verschmelzung der der sexuellen Begierde mit Schmerzerfahrung – Prügelstrafe / Erziehungsmasochismus / “Rousseauismus • Psychoanalytisch: Triebtheorie: Rückwärtsgewandter primärer Sadismus ‐ Bewältigung der Kastrationsangst und des Schuldgefühls • Narzissmustheorie: Position des „Narzisstischen Triumphs“ (M‘Uzan) • • • 1. Erogener oder erotischer Masochismus ( Passive Algolagnie ). Erotische Haltung: Für die sexuelle Befriedigung ist es erforderlich geschlagen, verletzt, erniedrigt, beschmutzt, etc. zu werden. Ist bei beiden Geschlechtern verbreitet; sowohl im hetero‐ wie im homosexuellen Kontext. 2. Femininer Masochismus: Passive Einstellung des Mannes. Kann mit (1 ) vergesellschaftet sein. 3. Moralischer ( sozialer ) Masochismus: Soziale Einstellung, die auf Lust am Leiden aufbaut. Ein direkt sexueller Bezug ist dabei vordergründig nicht sichtbar. Der moralische Masochismus ist nur selten an erotischen Masochismus gekoppelt. Die psycho‐ökonomische Bedeutung des Masochismus • Abwehr schwerer Ängste durch Libidinisierung • In der „Todestriebtheorie“ bedeutet jede Erotisierung destruktiver Tendenzen eine Stärkung der libidinösen Struktur und damit des Lebenswillens. Philosophie und Masochismus • 19. Jh.‐Decadence: Schopenhauer • 20. Jh.: J.P. Sartre: Das Sein und das Nichts Gilles Deleuze PsychoanalytischeTheorie • Fragmentarisches Körperschema – Das Genitale ist schlecht und labil integriert und muss durch den Blick des/der Anderen rekonstruiert werden. • Phallisch narzisstische Dimension: Die Bedeutung der schreckhaften Reaktion des Opfers Exhibitionismus • Definition: Zurschaustellung der Geschlechtsorgane zum Zweck der sexuellen Befriedigung. • Verschiedene Erscheinungsformen ‐ Ausschliessliche Demonstration ‐ Demonstration der Erregung ‐ Demonstration des Organs ‐ Ohne Versuch der Kontaktaufnahme ‐ Mit Kontaktaufnahme Voyeurismus • Definition: Sexuelle Erregung bedarf der optischen Wahrnehmung sexueller Kontakte oder erotisch motivierter Handlungen. • Erscheinungsformen: ‐ Ohne Kontaktaufnahme: „Parkplatzvoyeur“ ‐ Mit Kontaktaufnahme: z.B. Peepshow Bestialität „Sexsucht“ • Überschreitung der Gattung; Tiere werden in den sexuellen Vollzug eingebunden. • Fetischistische Ausprägung • Im Rahmen einer psychiatrischen Komorbidität • Gelegentliches (Auswegs‐)Verhalten • Fixierte Paraphilie • Ist charakterisiert durch fehlende Kontrolle über das eigene Sexualverhalten. Sexsüchtige betreiben ihre Sexualität unter Mißachtung negativer Konsequenzen. Sie können sich keine Grenzen setzen und beschäftigen sich obsessiv mit Sex, auch wenn sie nicht daran denken wollen. In Selbstdarstellungen beschreiben sie, dass sie letztlich keine Lust empfinden, sondern Scham und Schuld. anonyme Sexaholiker‐Katalog • Selbst‐Check Ist mein sexuelles Verhalten normal? Wenn eine oder mehrere Fragen mit Ja beantwortet werden, könnte das Anlass für einen Besuch beim Psychotherapeuten sein. Er kann feststellen, ob man ein auffälliges sexuelles Verhalten oder ein zugrunde liegendes psychisches Problem hat oder einfach nur viel Lust auf Sex. • Hatten Sie öfter Schwierigkeiten, Ihr sexuelles Verhalten zu kontrollieren? Hatte Ihr sexuelles Verhalten negative Konsequenzen mit Partnern, im Beruf oder mit dem Gesetz zur Folge? Gab es medizinische Probleme, steckten Sie sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit an? Versuchten Sie, Ihr sexuelles Verhalten zu verheimlichen, aus Scham? Hatten Sie je das Gefühl, zu viel Zeit mit sexuellen Aktivitäten zu verbringen? • • Folgende Kriterien können auf ein auffälliges sexuelles Verhalten weisen: Sex spielt eine zentrale Rolle im Leben. Sexuelle Aktivitäten bestimmen den Tagesablauf. Sex wird so wichtig, dass andere Interessen oder soziale Kontakte vernachlässigt werden. Man braucht für Befriedigung immer häufiger oder immer heftigere Reize. Das Sexualverhalten führt zu negativen Konsequenzen, etwa Partnerverlust. Man macht trotz Problemen immer weiter. Man verliert die Kontrolle über sein Leben. (fewi) • • • Wir gaben zu, daß wir der Lüsternheit gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr meistern konnten. Wir kamen zu dem Glauben, daß eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. Wir faßten den Entschluß, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes‐ wie wir Ihn verstanden ‐ anzuvertrauen. Wir machten eine gründliche und furchtlose moralische Inventur in unserem Inneren. Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu. Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zulassen. Demütig baten wir Ihn unsere Mängel von uns zu nehmen. • • • • • Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten, und wurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen. Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut ‐ wo immer es möglich war ‐ es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt. Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu. Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewußte Verbindung zu Gott ‐ wie wir Ihn verstanden zu verbessern. Wir baten Ihn nur, seinen Willen für uns erkennbar werden zu lassen, und um die Kraft, ihn auszuführen. Nachdem wir durch diese Schritte ein geistiges Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Sexaholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten. Perversion/Paraphilie und Störung der Geschlechtsidentität • • • • • • Homosexuelle Stilbildung mit „gender bending“ Tunten und „Butch lesbians). Klinischer Transvestismus: Perversion, in der die sexuelle Erregung und der sexuelle Vollzug an das Tragen der Kleidung des andern Geschlechts geknüpft ist. Transsexualität: Komplexe Persönlichkeitsstörung mit Fokus in der geschlechtlichen Identität. Dissoziation zwischen seelischem Erleben und körperlicher Erscheinung mit Wunsch nach Geschlechtsumwandlung. Dabei bestehen 1. der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden; 2. das Unbehagen oder das Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen biologischen Geschlecht; 3. der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen Abweichung hinsichtlich der geschlechtlichen Identität und Rollenfindung (trans gender syndrome ) Effeminierter männlicher Homosexueller Virago (Männlichkeit imitierende weibliche Homosexuelle) Erotischer (fetischistischer) Transvestismus Metatropismus (fixierter Tausch der Geschlechtsrolle ohne körperliche Transformation) Transsexualismus ICD / DSM:F64,x bzw 302.xx • F64.0 Transsexualismus • F64.1 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen • F64.2 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters • F64.8 Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität • F64.9 Störung der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet Springer: Transsexualitäts‐Diagnostik Abb.1 Differenzierte Sicht • Effeminierte/viraginisierte Homosexualität: überwiegend Rollentauschinszenierungen bei rel. Intakter Geschlechtsidentität • Transvestismus: fetischistische Perversion ohne festgelegte Triebrichtung: Autosexuelle, heterosexuelle, homosexuelle, bisexuelle Transvestiten • Transsexualismus: Komplexe Persönlichkeitsstörung mit zentraler Identitätsproblematik DSM 3 ‐ Diagnostik: Transexualismus ‐ Leitsymptome: • anhaltendes Unbehagen und Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen Geschlecht • anhaltender über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren dauernder Wunsch, die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale loszuwerden und dafür die Geschlechtsmerkmale des anderen Geschlechtes zu erhalten • die Person hat ihre Pubertät erreicht. Springer: Transsexualismus‐Diagnostik Abb. 2 Springer: Transsexualitäts‐Diagnostik Abb. 3 DSM 3 ‐ Diagnostik “Störung der Geschlechtsidentität vom Verteilung der transsexuellen Komorbidität nach Socarides Nicht‐Transsexuellen‐Typus” ‐ Leitsymptome • anhaltendes oder wiederholtes Unbehagen und Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen Geschlecht. • Anhaltender oder wiederholter Kleidertausch mit dem anderen Geschlecht, entweder in der Phantasie oder in der Realität, jedoch nicht zum Zweck der sexuellen Erregung ( wie beim transvestitischen Fetischismus ) • Kein anhaltendes ( d. h. über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren andauerndes ) Verlangen, die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale loszuwerden und dafür die Geschlechtsmerkmale des anderen Geschlechtes zu erhalten. • Der Betroffene hat die Pubertät erreicht. • Neurotiker, die ihre männliche oder weibliche Rolle fürchten • Homosexuelle, die mit ihrer biologisch‐anatomischen Rolle nicht zurecht kommen • Transvestiten, die sich nicht damit zufrieden geben, lediglich die Kleidung des andern Geschlechtes anzulegen • Schizophrene • Schizophrene Homosexuelle und/oder Transvestiten • Somatische Intersexe Springer : Transsexualitäts‐Diagnostik Abb. 4 Springer: Transsexualitäts‐Diagnostik Abb. 5 Diagnostische Zuordnung von 25 Fällen nach Springer Psychiatrische Differentialdiagnostik – männlich weiblich alternde Transvestiten 2 junge Transvestiten 2 Masochisten 1 10 1 Eonisten 1 geistig Retardierte 1 Zwangssyndrom 3 1 Basisstörungen: -exogene Reaktionstypen ( Drogenpsychosen ) 3 schizoide Paranoides Syndrom 1 6 stigmatisierte Homosexuelle 3 polymorph Perverse Zuordnung nach psychotischen und hirnorganischen 2 1 -affektive Psychosen ( selten ) -hirnorganische (epileptoide) Zustandsbilder 1 Transsexualität ‐ Kausaltheorien • Biologisch: neuroendokrinologische Thesen – bislang unbewiesen • Lerntheoretisch‐ Paradoxes Rollenlernen • Psychoanalytisch‐klinische Konzepte: Borderline Geschehen (Parson & Ovesey) • Komplexes Konzept (Stoller: Sex and Gender): 1. Auswirkung eines paradoxen biologisch verankerten frühen Identitätsempfinden 2. Folge einer speziellen Familienkonstellation, die die konfliktuöse Entwicklung des Knaben (Ödipale Triangulierung und Kastrationskomplex) verhindert, dadurch die Entwicklung des Wirklichkeitssinns beeinträchtigt und letztlich dazu führt, dass die Weiblichkeit der Mutter auf das Kind überfliesst. Bisexualität „Bisexualität“ und geschlechtliche Ambiguität als kulturelle Inhalte • Androgynie ‐ Geschlecht der Engel ‐ Poetisches Geschlecht ‐ Adoleszenz ‐ Gestalt des „dekadenten“ Eros ‐ Gestalt des Lasters • in Symbolismus/ Dekadenz diente das androgyne Prinzip zwei Zielen: ‐ der Sexualität zwischen den Geschlechtern entkommen (Rachilde; Altenberg) ‐ Unsterblichkeit • Der Versuch, der Geschlechterordung zu entkommen macht die Gestalt des Androgyn zu einer zentralen Symbolfigur der Dekadenz. Ist er doch die perfekte Inkarnation des Zweideutigen, des Hybriden und damit des Nicht‐Repräsentierbaren. Da er gleichzeitig eine Gestalt der Verdopplung und des Neutrums ist, bisexuell oder asexuell sein kann, stellt er auf besondere Weise das „Widernatürliche“ bzw. „Außernatürliche“ dar. Der „dekadente Eros“ Mit der Idealisierung des Androgynen vollzieht sich gleichzeitig eine radikale Abwertung des körperlich‐ Sexuellen. M. Barres in seinem Vorwort zu Monsieur Venus von Rachilde: „Eine Komplikation mit großer Auswirkung! Abscheu vor der Frau! Hass gegenüber der männlichen Kraft! Es gibt Hirne, die von einem asexuellen (nicht‐sexualisierten) Sein träumen….Diese Vorstellungen riechen nach Tod.“ • Das Interesse der Psychiatrie widmete sich im späten 19. und später auch im 20. Jh. den Fragen der „Feminität des Mannes“. Neben der Homosexualität war sicherlich auch die weite kulturelle Verbreitung und Repräsentation des Masochismus ein Katalysator dieses Interesses. Auch der Masochismus wurde ja ursprünglich als eine Spielart der „Entmännlichung“ resp. „Effeminatio“ angesehen. Homosexualität Position der Homosexualität • Die homosexuelle Orientierung ist durch diese neue Fassung der Menschenrechte vor Diskriminierung geschützt. • Homosexualität galt im DSM bis 1973, im ICD bis 1991 als eigenständige Krankheitskategorie • Die Entstigmatisierung und Normalisierung der homosexuellen Orientierung sowohl von der empirische Sexualforschung ( Alfred Kinsey) wie auch der Psychoanalyse (v.a. Freud) entscheidend beeinflusst. Entwicklung des Begriffs: • Ursprünglich theologisch „Sodomie“ • „Bürgerliche“ Psychiatrie (Westphal): „Konträre Sexualempfindung“ – Abweichung des Empfindens, bzw. der Identität • Psychoanalyse (Freud, 1905): „Inversion“ als Triebrichtung Ausdruck einer speziellen Konfliktlösung. • Hirschfeld: „Urningtum“ – Homosexualität als Verhaltensdimension einer physiologischen Variante • Kinsey und Nachfolger: Homosexualität als Dimension sozialen Verhaltens. Psychiatrische und sexualwissenschaftliche Fragestellung: Gleichgeschlechtliche Orientierung als Ausdruck einer „psychischen sexuellen Zwischenstufe“ Psychiatrie 1 • Casper, 1852: Die bislang als lasterhafte Verirrung angesehene Päderastie beruht auf einer meist angeborenen krankhaften Anomalie und stellt am ehesten eine Art geistiger Zwitterbildung dar. Psychiatrie 2 • Westphal, 1870: Die konträre Sexualempfindung. Ein Mensch fühlt sich völlig seinem eigenen Geschlecht entfremdet und verkörpert einstellungsmässig, aber in hohem Grad auch handlungsmässig, das ihm entgegengesetzte Geschlecht. • Zunächst forderte Westphal als diagnostisches Kriterium Krankheitsbewusstsein, ließ diese Bedingung aber später fallen. Psychiatrie 3 • Gley, 1884: Die Konträrsexuellen haben ein weibliches Gehirn, dabei männliche Geschlechtsdrüsen. Das kranke Gehirn bestimmt bei ihnen das Geschlechtsleben. Unter normalen Bedingungen hingegen bestimmen die Geschlechtsdrüsen das Geschlechtsleben. Krafft – Ebing,1903 • Unter dem Einfluss noch recht dunkler Störungen, welche die empirisch gesetzliche Entwicklung aus der fetalen Existenz eines Wesens zur monosexualen und der Keimdrüse kongruenten geschlechtlichen Persönlichkeit erfährt, kann es nun geschehen, dass die bisexuelle Anlage sich behauptet und doppelseitig sich entwickelt, wobei aber regelmäßig die der Keimdrüse konträre (cerebrale) psychische Anlage mehr ausgebildet ist als die homologe (psychische Hermaphrodisie) oder dass gar die vermöge der Keimanlage zur Entwicklung prädestinierte untergeht und statt ihrer sich die psychischen (Geschlechtsgefühl, Geschlechtstrieb, Charakter, etc.) und eventuell auch körperlich gegensätzlichen Geschlechtscharaktere sich entwickeln und behaupten (konträre Sexualempfindung). Magnus Hirschfeld • 1899‐1923 Herausgabe des "Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen"; • 1903/04 erste statistische Befragungen zur sexuellen Orientierung bei Studenten und Metallarbeitern; • 1908 Herausgeber der "Zeitschrift für Sexualwissenschaft", Mitbegründer der Berliner Zweiggruppe der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung; Magnus Hirschfeld, ab 1896 • Als Zwischenstufen zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht werden alle Personen bezeichnet, die nicht nur ausschliesslich vollmännliche oder vollweibliche Formationen besitzen, sondern eine Mischung beider, wie sie uns so unendlich mannigfaltig in der Natur entgegentritt. • Wenn daher ein Mensch...mit durchaus charakteristischen Sexualorganen und sonstigen Merkmalen des einen Geschlechts einzig und allein für sein eigenes Geschlecht sexuell empfindet, so ist eben diese Verbindung viriler oder femininer Sexualorgane mit dem nicht entsprechenden Sexualtrieb eine Mischform, ein Geschlechtsübergang, eine Zwischenstufe in unserem Sinn.“ Klassifikation der Zwischenstufen Die Zwischengeschlechtlichkeit bezieht sich a. auf die Genitalien: Hermaphroditismus b. bedingt andere körperliche Merkmale: Androgynie c. auf das psychische Geschlecht: Homosexualität d. auf die nicht‐sexuellen Geschlechtsunterschiede: Transvestismus Aktuelle biologische Homosexualitätstheorien Dörner, etwa 1960‐1980: Neuroendokrine Ätiologie • „Negativer Hohlweg‐Effekt“ bei homosexuellen Männern: kein Anstieg der Androgenausschüttung nach Injektion von Östrogen Kinsey Kinsey‐Skala • • • • • • • 0 – Exklusiv heterosexuell 1 – vorwiegend heterosexuell; homosexuell nur zufällig 2 – vorwiegend heterosexuell aber nicht nur zufällige homosexuelle Kontakte 3 – In gleicher Weise hetero – wie homosexuell 4 – vorwiegend homosexuell aber mehr als zufällig heterosexuell 5 – Vorwiegend homosexuell; nur zufällig heterosexuell 6 – exklusiv homosexuell • • • • • • • 30% wenigstens zufällige hs‐ Kontakte 25 % nicht nur zufällige Kontakte 18 % zumindest gelich viel homo‐ wie heterosexuelle Kontakte 13 % mehr homosexuelle Kontakte 10 % mehr minder ausschliesslich homosexuelle Kontakte 8 % ausschliesslich homosexuelle Erfahrungen 4% ihr Leben lang nur homosexuell Der Standort der klinischen Psychiatrie heute: Paraphilie • In der Frage der Paraphilie (Perversion) ist die Position der APA (DSM IV‐Diagnostik) äußerst pathologisierend. Wurden doch Fantasieabläufe zur Krankheit erklärt, was eine früher niemals vollzogene Ausweitung des Krankheitsbegriffes mit sich brachte. Die Zukunft der Klassifikation • In Anbetracht der gesellschaftlichen Normalisierungstendenzen hinsichtlich bestimmter sexuell abweichender Fantasiewelten scheint diese Position mit ihrer pathologisierenden Tendenz fragwürdig. Es ist auch keineswegs erwiesen, dass die perversen Fantasmen bereits die klinische Perversion definieren oder nicht doch erst die Verhaftung sexueller Lusterfahrung an den Drang, das innere Szenario in der äußeren Realität als perverses Ritual Gestalt werden zu lassen. DSM‐5 in 2010 gender identity disorder • In der Neuausgabe wird angestrebt, nicht mehr spezifische Persönlichkeitsstörungen zu klassifizieren, sondern vielmehr dysfunktionale Typen und Charakterzüge. Die APA möchte damit Überschneidungen vermeiden und Kategorien schaffen, auch für jene Patienten von Nutzen sind, die Perönlichkeitsprobleme haben, nicht voll entwickelte Krankheiten. • Zum Beispiel enthält das DSM 5 den Vorschlag, nicht mehr von einer Störung der Geschlechtsidentität zu sprechen, sondern von der weniger stigmatisierenden Inkongruenz. To have gender incongruence in the DSM‐5, as they've defined it, still leaves it open to a child being sent to be 'fixed' when a child doesn't have any problems. • In fact, the largest controversy over GID is about an area the DSM doesn't cover: treatment. Should kids who feel gender mismatched be allowed to define themselves, or should they be encouraged to identify with their physical gender? Those who argue for the latter see their role as helping kids get comfortable in their own skin. Those who argue for letting the child take the lead, like Ehrensaft, say that forcing a kid to live as an unwanted gender causes depression and anxiety. • Im DSM ist Sexsucht nicht enthalten. An ihrer Stelle empfahl die APA, dass man als neue Sexualstörung die “Hyper‐sexuelle Störung” aufnehmen solle, die definitorisch die Ausübung von Seualität nicht an Sucht binde. Damit könnten mehr Personen erfasst werden, die sich in Behandlung begeben. Auch dieser Vorschlag wurde nicht in der endgültigen Version berücksichtigt. Die drei Kategorien des DSM 5 • ”Sexual Dysfunctions,” • “Gender Dysphoria,” and • “Disruptive, Impulse‐Control and Conduct Disorders” Sexuelle Dysfunktion • Unter einer Funktionsstörung versteht man eine am Ausführungsorgan, also am Geschlechtsapparat, manifest werdende zentrale Hemmung. Dabei muss eine normale Funktionseinschränkung (z.B. allgemeine geistige, körperliche Erschöpfung) von stärkerer Hemmung abgegrenzt werden. • Wenn die Funktion ungewöhnlich abgeändert ist oder gar eine neue Leistung vollbracht wird (z.B. Muskelkontraktion beim Vaginismus), dann handelt es sich um ein Symptom. Klassifikation sexueller Funktionsstörungen (nach DSM – IV; ICD‐10) • a. Störungen der Sexuellen Appetenz • DSM‐IV 302.71; ICD‐10 F52.0 Störung mit verminderter sexueller Appetenz: Hauptmerkmal ist der Mangel oder das Fehlen sexueller Fantasien und sexuellen Verlangens. • DSM‐IV 302.79; ICD‐10 F52.10 Störung mit Sexueller Aversion: Abneigung gegenüber oder Vermeidung genitalen Kontakts mit einem Sexualpartner bei bestehendem Leidensdruck des Betroffenen oder dessen Lebenspartners. Störungen der Sexuellen Erregung Orgasmusstörungen: • DSM‐IV 302.72: ICD‐10 F52.2 Störung der sexuellen Erregung bei der Frau. Das subjektive Gefühl nicht erregbar zu sein und das Ausbleiben der physischen Vorbereitung (Lubrikation durch Transsudat) • DSM‐IV 302.72; ICD‐10 F52.2 Erektionsstörung beim Mann: anhaltende oder wiederkehrende Unfähigkeit, eine adäquate Erektion zu erreichen oder bis zur Beendigung der sexuellen Aktivität aufrechtzuerhalten. • Anhaltende oder wiederkehrende Verzögerung oder ein Fehlen des Orgasmus nach einem normalen sexuellen Reaktionsablauf: • DSM‐IV 302.73; ICD‐10 F52.3 Weibliche Orgasmusstörung • DSM‐IV 302.74; ICD‐10 F52.3 Männliche Orgasmusstörung • DSM‐IV 302.75; ICD‐10 F52.4 Ejaculatio Praecox: Anhaltendes oder wiederkehrendes Einsetzen der Ejakulation (ev. auch des Orgasmus) bereits bei minimaler Stimulierung vor, bei oder kurz nach der Penetration und bevor die Person es wünscht. Störungen mit sexuell bedingten Schmerzen primäre sexuelle Funktionsstörungen: Subtypen • DSM‐IV 302.76; ICD‐10 F52.6 Dyspareunie (nicht aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors): Schmerzhafter Koitus ohne organisches Substrat • DSM‐IV 306.51; ICD‐10 F52.5 Vaginismus (nicht aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors): Unwillkürliche Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur und der Adduktoren, welche ein Einführen des Penis unmöglich macht. • • • • • • lebenslanger Typus erworbener Typus generalisierter Typus situativer Typus aufgrund psychischer Faktoren aufgrund kombinierter Faktoren. somatische Ursachen sexueller Dysfunktion des weitere Kategorien • „Sexuelle Funktionsstörung aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors“ • „Substanzinduzierte sexuelle Störungen“ Medikamentöse Ursachen sexueller Dysfunktion Psychopharmaka Blutdruckmittel Beta‐Blocker Neue Antiepileptika, die auch gegen Schmerzen und Angststörungen eingesetzt werden • Magenschutzmittel • Bestimmte Hormonpräparate • • • • Alkoholismus Diabetes Endokrinologische Erkrankungen Neurologische Erkrankungen: Tumore, Entzündungen, Verletzungen • Urologische Erkrankungen: Tumore, Entzündungen, Verletzungen • Gynäkologische Erkrankungen: Tumore, Entzündungen, Verletzungen • Erkrankungen des Herz‐Kreislaufsystems; Blutdruckveränderungen • • • • Lerntheoretische Beiträge zur Perversionslehre • Speziell hinsichtlich Fetischismus. Dem südafrikanischen Psychologen Rachmann gelang es, Fetischismus experimentell in einem Konditionierungsexperiment herzustellen. Psychoanalytische Perversionslehre Perversion: Freud – frühe Position • Zunächst meinte Freud, dass jene Personen eine Perversion entwickeln, die sich den gesellschaftlichen Beschränkungen des Geschlechtslebens nicht unterordnen können. In diesem Sinn verstand er die Perversion als „Negativ der Neurose“. • Er verstand dabei die Perversion als komplexes Gebilde aus Fixierung an frühkindliche Positionen und Regression aufgrund von Sexualeinschränkung. Jenseits des Lustprinzips Perversion: Freud – späte Position Im Kontext seiner zweiten Triebtheorie (der „Todestriebtheorie“) widmete Freud sein Interesse den Phänomenen des Fetischismus und des Masochismus. Er verstand sie nunmehr als komplizierte psychische Konstruktionen, die der Abwehr von Ängsten und Bedürfnissen dienen, die aus der als primäres Prinzip erkannten Destruktivität abgeleitet sind, wobei die Bewältigung der Kastrationsangst als zentrales Anliegen imponierte. In diesem Sinne ordnete er ihnen große psycho‐ ökonomische Bedeutung für die Abwehr psychotischer Zusammenbrüche und Durchbrüche triebhafter Destruktivität zu. Die Perversion repräsentiert in diesem Verständnis die erotisierte Gestalt des destruktiven Triebanspruchs; jede Erotisierung aber nimmt dem destruktiven Trieb ein Stück seiner Gewalt. Freuds Bewertung der Perversion Psychoanalyse und kulturelle Norm „Vielleicht gerade bei den abscheulichsten Perversionen muss man die ausgiebigste psychische Beteiligung zur Umwandlung des Sexualtriebes anerkennen. Es ist hier ein Stück seelischer Arbeit geleistet, dem man trotz seines gräulichen Erfolges den Wert einer Idealisierung des Triebes nicht absprechen kann. Die Allgewalt der Liebe zeigt sich vielleicht nirgends stärker als in diesen ihren Verirrungen.“ • Für Freud resultierte die Krankheit der Sexualität aus übersteuerten gesellschaftlichen Kontrollbedürfnissen. Die neurotische Erkrankung entsteht aus einer Inkongruenz zwischen kultureller Norm und subjektiver Norm, wenn das Individuum sich den Ansprüchen der Kultur beugen möchte, diesen Vorsatz aber aufgrund seiner Triebhaftigkeit nicht umsetzen kann. „Perversion“entsteht dann, wenn das Individuum die Ansprüche seiner subjektiven Triebhaftigkeit gegen die kulturellen Ansprüche durchsetzt. Einige wichtige Komponenten der psychoanalytischen Theorie • Er wies nicht explizit darauf hin, es ist aber evident, dass er damit auch aggressive Aspekte als wesentliche Bedingungen des „neurotischen“ Geschlechtslebens herausarbeitete. Narzissmus • Primär: Früher Zustand, in dem das Kind sich selbst mit seiner ganzen Libido besetzt • Sekundär: Rückwendung (Abzug) der Libido von den Objekten auf das Selbst. • P.N. Ev. Frühe Entwicklungsstufe, die zwischen dem ursprünglichen Autoerotismus und der Objektliebe liegt (Freud:Fall Schreber) • Oder: Primärer Zustand, der den intrauterinen Zustand zum Vorbild hat (Freud: Massenpsychologie) • Dementsprechend schlecht definiert. Auf jeden Fall auch in Bezug zur Homosexualitäts‐ Theorie. „Die Homosexuellen nehmen sich selbst zum Sexualobjekt, das heisst vom Narzissmus ausgehend suchen sie jugendliche und der eigenen Person ähnliche Männer auf,die sie so lieben wollen, wie die Mutter sie geliebt hat.“(Freud) Kastrationsangst Kastrationskomplex und Ödipus • Ursprünglich als Folge direkter Kastrationsdrohung im Kontext der ödipalen Phase konstruiert. • In dieser ursprünglichen Version entsteht beim Knaben der Kastrationskomplex als Reaktion auf die Befürchtung, dass der Vater sich für die ödipalen Bedürfnisse des Knaben rächen werde, • Beim Mädchen als Reaktion auf die Entdeckung der Penislosigkeit, die als Nachteil und/oder Beschädigung erlebt wird und verleugnet, repariert oder kompensiert werden muss. • Beim Mädchen geht die Kastrationsangst der ödipalen Strebung zuvor, da sie den Wunsch nach dem (väterlichen) Penis auslöst, beim Knaben beendet sie hingegen die ödipale Phase. Die Ubiquität der „Kastration“ Die phallische Frau • Heute als Folge bestimmter als vernichtend erlebter Einwirkungen auf den kindlichen Körper und Abwehrhaltungen der Mutter gegenüber der Genitalität des Kindes erkannt. Insofern sind von dieser „Kastrationsangst“ beide Geschlechter betroffen. • Weiters wird die Kastrationsangst in eine Reihe traumatisierender Erfahrugen eingeordnet, in denen es um Trennung geht: „Trauma dr Geburt (Rank), Verlust der Brust (Abstillen), Entwöhnung, Defäkation… • Eine Vorstellung, in der die Frau entweder mit einem nach außen getragenen Phallus oder einem phallischen Attribut oder einem in sich aufbewahrten männlichen Phallus gesehen wird. Wichtige psychoanalytische AutorInnen nach Freud Übergangsobjekt • Nach Winnicott ein materielles Objekt, das das für den Säugling oder das Kleinkind (im Alter von4 – 12 Monaten) einen besonderen Wert repräsentiert. Es erlaubt dem Kind, den Übergang zwischen der ersten oralen Beziehung und der späteren Gestalt der Objektbeziehung zu vollziehen. Es steht „zwischen dem Daumenlutschen und dem Teddybären“. Es liegt auf halbem Weg zwischen der Erfahrung von Subjektivität und Objektwahrnehmung. • • • • • • • • • • • Gillespie: alllgemeine Perversionslehre Bak: allgemeine Perversionslehre Kernberg: Borderline ‐ Störung und Sexualität Stoller: gender dysphorie; „Perversion ist sexualisierter Hass“ Juliet Mitchell: Hysterie ist fantastischer Unterbau, Perversion Aktion Joyce McDougall: „Plädoyer für eine gewisse Abnormität“ Morgenthaler: Homosexualität, Perversion‐Abwehrcharakter Wurmser: Masochismus – psychoökonomische Bedeutung Winnicott,: Fetischismus Greenacre: Fetischismus Chasseguet‐Smirgel: Weibliche Sexualität; Perversion und Kunst Neuere Interpretationen auf Basis der Freudschen Überlegungen • Stoller versteht die Perversion als „sexualisierten Hass“. • Khan hebt in diesem Kontext den „Entfremdungsaspekt“ der Perversion hervor. Bak: Charakteristika der Perversion • ‐Verwirrung in Objektbeziehung, insbesondere der genitalen Liebesobjekte • ‐Traumatische Überstimulierung in der undifferenzierten Phase / prägenitalen Entwicklung, wodurch beide Triebe in ihrer undifferenzierten Gestalt gleich betroffen werden. • Physische Dysfunktionen, die ev. das Überleben bedrohten • ‐Schwere Störung der Mutter‐Kind Beziehung • ‐Für den Fetischismus eine Ungewissheit bezüglich des Körperbildes und Konfusion bezg. Geschlechtsidentität. • ‐Für andere Perversionen ev. eine Vagheit der Körperperipherie, der Grenzen des Körper‐Selbst. Perversion‐Gillespie • Ein hohes Ausmaß an Erregung in der undifferenzierten Phase, wenn das Ich sich erst abzugrenzen beginnt, kann ev. zu unkontrollierter Freisetzung libidinöser und aggressiver Energie führen, ohne dass das Ich interferiert. Die Abwehr ist in dieser frühen Phase notwendigerweise autoplastisch und beinhaltet ein hohes Ausmaß an magisch omnipotentem Denken. Insofern kommt es zu einer massiven Verwerfung der äußeren Welt. Verleugnung in späteren Entwicklungsstufen kann ev. diese frühe Magie aktivieren und daher kann das Muster ev,. auch über die Ich‐Reifung stabil bleiben. 1. Das Rohmaterial, auf dem die Perversion aufbaut, leitet sich von den konstituierenden Elementen der kindlichen Sexualität ab. 2. Die grundsätzlichen Gegebenheit einer polymorphen Sexualität in der frühen Kindheit spiegelt sich in der klinischen Ausprägung der Perversion nicht wider. Vielmehr ist diese auf elaborierte Weise gestaltet, so dass nur ein oder zwei vorgeschriebene Wege bestehen auf denen sexuelle Erregung und Befriedigung aufgesucht werden kann. 3. Perversion ist in diesem Sinne eine psychische Formation, die auf der Grundlage der Verarbeitung der Grundkonflikte – Ödipuskomplex und Kastrationsangst – beruht. Gillespie 2 5. 4. Die Perversion ist keineswegs ausschließlich als Triebschicksal oder „Es“‐Phänomen zu verstehen. Das Ich ist in die Entwicklung des Phänomen involviert. In vielen Fällen entsteht dabei eine permanente Ich‐Spaltung und ein partieller Realitätsverlust. Dabei wird allerdings ein höhergradiger (psychotischer) Einbruch der Realität vermieden. Die Methode der Perversion beinhaltet in erster Linie eine Regression auf prägenitale Niveaus der Triebentwicklung, wobei sowohl die sexuellen wie die aggressiven Triebe betroffen sind. Daraus resultiert eine Steigerung sadistischer Impulse. Dies wieder führt zu Schuldgefühlen und Angst. Die weitere Entwicklung der Perversion ist als Versuch zu verstehen, mit dieser Angst und Schuld fertig zu werden um sowohl das Selbst wie auch das Objekt zu schützen. Die Libidinisierung von Angst, Schmerz und Schuld ist eine charakteristische Abwehrmethode in der Perversion. R.J. Stoller: Leitthemen der sexuellen Handlung • In Perversion nicht anders als in der „normalen“ sexuellen Handlung müssen im Verlauf des Sexualaktes fantasierte Risken als überwunden erlebt werden. Gillespie 3 6. Um eine Perversion voll zu verstehen, muss man nicht nur ihre Struktur erkennen und verstehen auf welche Weise diese Struktur entstanden ist und welche Mechanismen sie aufrecht erhalten sondern auch zu erklären versuchen, warum die jeweils spezielle Gestalt entstanden ist und keine andere. Stoller: Risikostruktur • 1. Bewusste Risken: Verstoß gegen soziale Regeln. Wenn ich erwischt werde gibt es Schwierigkeiten. • 2. Bewusste Risken: Verstoß gegen innere Regeln. Wenn ich es tue, werde ich mich hassen. • 3.Bewusste/unbewusste Risken: Erinnerung an Eltern: Was du tust ist schlecht. • 4. Ich bin hasserfüllt und darf es nicht wissen...Ich muss lieben....Hass ist schlecht und wird bestraft. • 5. Meine sexuellen Begierden sind schlimm, mein Hass ist aber noch schlimmer...Gewalttätigkeit ist Teil meines Wesens....verbirgt sich in dem, das ich erotisch begehre. Stoller: „Perversion ist Hass, erotisierter Hass“ Die Bedingungen perverser Erregung • 6. Für alles, das man mir antat, werde ich mich rächen, und auch dies soll sich in der sexuellen Handlung zeigen. Aber wenn ich meinem Objekt Schaden zufügen will, spürt es das vielleicht und will mir mindestens das antun, was ich ihm antun möchte. Und das ist höchst riskant.. • Im Mittelpunkt der sexuellen Erregung stehen bewusste und unbewusste Wünsche, anderen zu schaden, um Rache für vergangene Traumen und Versagungen zu nehmen. Trauma, Risiko und Rache stellen eine Erregungsstimmung her, die sich steigert, wenn sie als Geheimnis verpackt werden. Stoller: Perversion und das Böse Sexualität und Überschreitung • Das wahre Selbst der Perversion weiß von seiner Schlechtigkeit, die für das wahre Selbst der Variante nicht existiert. • Uns entgeht die Vielfältigkeit der sexuellen Erregung des Menschen, wenn wir bei unseren Untersuchungen die Sünde ausklammern. • Die Bindung sexueller Erregung an „die Gewissheit das Böse“ zu tun bzw. Überschreitungen zu setzen, sich der „Verschwendung“ zu verschreiben, ist eschatologisch verankert. Sie reicht darüber hinaus in säkularisierter Gestalt in der Entwicklung des modernen Bewusstseins von Baudelaire über Bataille bis in psychoanalytische Interpretationssysteme. Andere Konzepte Angst und Perversion im kybernetischen Verstärkungsmodell • Anthropologische Konzeptualisierung In dieser stellt das Leiden des Individuums an seiner Sexualität und nicht die Art des Aktes selbst das bestimmende Merkmal dar, um Krankheit zu definieren. Giese führte den Begriff „sexuelle Süchtigkeit“ ein und wollte den Begriff „Perversion“ nur für jene Fälle reservieren, die jene krankhafte Ausprägung zeigen, die anderen Formen von Abweichungen wollte er unter einen „Fehlhaltungs“begriff subsummieren. Wolfgang Berner: Perversion, Neurose und Borderline‐ Geschehen Perverse Struktur und Ausdrucksverhalten • Als dynamischer Hintergrund (underground) des schöpferischen Ausdruckswillens: Fetischismus und Kunst • Als Inhalt des Kunstprodukts: neue Tendenzen; postmoderne Körperdarstellungen; neue dokumentarische Fotographie • Direkte Darstellung der sexuellen Handlung im Aktionismus oder ihres Effekts (Masturbation bei Meste) Pornographie • Hohe Umsätze: Angaben schwanken zwischen 20 und 100 Milliarden Dollar pro Jahr • Zunehmende Bedeutung des Internet • Kontroversielle Bewertung; von neutral/positiven Bewertungen (etwa durch die Medientheoretikerin Linda Williams) bis zu Darstellungen über zerstörerische Auswirkungen in den Gedächtnisstrukturen (durch die antipornographische radikalkonservative Aktivistin Judith Reisman); auch unter feministischen Autorinnen kontroversielle Positionierungen. Neue Problembereiche • Internet: a. Interaktion von Abhängigkeitsformen: sexuell explizites Material gekoppelt mit Internetsucht b. Virtuelle Prostitutionsangebote – besondere Problembereiche: Angebote Jugendlicher; „Cryptocurrencies“ c. „Sexuelle Kontakte“ im virtuellen Raum • International Diskussion um verschärfte Regulierung der Prostitution Cybersex ‐ Angebote • Der Begriff Cybersex ist ein Lehnwort aus dem Englischen, das seit Beginn der 1990er Jahre verwendet wird. In deutschen Wörterbüchern wird der Begriff seit 1995 gelistet. Üblicherweise wird Cybersex im Chatjargon mit „CS“ oder „C6“ abgekürzt. Beim zusätzlichen Einsatz einer Webcam wird auch von „Camsex“, „Live Cam Sex“ oder „Webcam Sex“ gesprochen; verwenden in einem Chat oder ähnlichem beide Partner eine Kamera, um sich beispielsweise gegenseitig beim Masturbieren zu beobachten, wird häufig die Bezeichnung „Cam‐to‐Cam“, „Cam2Cam“ oder „C2C“ als Unterkategorie des Camsex verwendet. • • • • • • Seit Anfang der 1990er Jahre: Anbahnung erotischer oder sexueller Kontakte oder Onlinedatings über E‐Mails Verfügbarkeit von diversen Speichermedien mit pornographischen Bildern oder erotischen Computerspielen wie beispielsweise virtuellem Strip‐Poker. unzählige kostenlose wie auch kostenpflichtige Webseiten mit erotischen oder pornografischen Inhalten. Der Konsum solcher Seiten dient dabei überwiegend der persönlichen sexuellen Stimulation, wobei der Internet‐Nutzer während des Konsums der Bilder seine sexuellen Fantasien ausleben kann. Chatrooms dienen dem anonymen Austausch sexueller Fantasien, der allen Beteiligten die Möglichkeit gibt, die wechselseitigen Fantasien zu artikulieren und sexuelle Vorstellungen verbalerotisch auszutauschen. Für spezielle Interessensgruppen, beispielsweise Fetischisten, Homosexuelle oder Swinger, bestehen spezielle Chatrooms, die im Lauf der Jahre auch zusätzliche Angebote wie Informationen, Stammtische oder Foren entwickelten. Neue Technologien und neue Erfahrungswelten • Die Entwicklung von 3D‐basierten Mehrspieler‐ Online‐Rollenspielen bietet die Möglichkeit, sexuelle Fantasien nicht nur verbal auszudrücken und auszutauschen. Nutzer können ihre jeweiligen Avatare entsprechende Handlungen nun auch virtuell ausführen lassen. Dabei existieren Umfelder, in denen Cybersex ausdrücklich angestrebt wird, während es sich in anderen Rollenspielen um eine Randerscheinung handelt. • Eine Schnittstelle zwischen dem rein virtuellen Sex und dem sexuellen Erleben in der Realität sollen Datenhelme, ‐handschuhe und Ganzkörperanzüge bieten. Daneben werden auch andere Hilfsmittel angeboten, beispielsweise über USB an den Computer anschließbare und steuerbare Vibratoren. Diese Entwicklung setzt sich mittlerweile auch kommerziell fort, insbesondere der steuerbare Dildo und die Webcam werden von vielen Portalen im Internet gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. • Schon 1994 stellte Alfred Biolek in seiner Talkshow Boulevard Bio mit dem Thema 'Cybersex' ein Paar in Fernbeziehung vor, das speziell angefertigte Anzüge mit Sensoren und Vibratoren entwickelt hatte. Diese Vibratoren waren über das damalige ISDN‐ Netz mit dem Computer des Partners am anderen Ort verbunden. Mit speziell entwickelten Programmen konnte die Stimulation eines bestimmten Körperteils ausgewählt und aktiviert werden. • Über die genauen Besucher und Konsumenten von Cybersex existieren nur wenige Statistiken und Studien. Für die USA ergaben Untersuchungen, dass rund 40 Millionen Menschen entsprechende Webseiten besuchen. Der größte Teil von ihnen, etwa 70 Prozent, konsumieren diese Angebote während der Arbeitszeit. • Jugendliche und auch Kinder mit Internetzugang kommen normalerweise ebenfalls mit Cybersex in einer seiner Erscheinungsformen in Berührung. Eine im Jahr 2006 durchgeführte Studie an Minderjährigen in den Niederlanden ergab, dass 75 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen sexuelle Erlebnisse im Internet hatten. Dabei erlebten 26 Prozent der Mädchen und zehn Prozent der Jungen diese Erlebnisse als negativ. • Da es zu keinen körperlichen Kontakten kommt, garantiert Cybersex die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmer. Einzelnen. Gesellschaftlich verpönte oder gesetzlich verbotene Sexualpraktiken wie beispielsweise Koprophagie oder Inzest können virtuell ausgelebt werden, nur einige wenige Praktiken stehen auch im Internet unter Strafe, beispielsweise die Pädophilie. Am virtuellen Sex können z. B. auch AIDS‐Kranke risikofrei partizipieren. Neben der von der Einzelperson konsumierten pornographischen Darstellung zur sexuellen Stimulation oder zur Anregung der Fantasie bei der Masturbation lassen sich beim Cybersex zwischen zwei oder mehreren Personen neben der reinen Stimulation weitere Motive feststellen. Einteilung der Cybersex‐Attraktivität nach Kornelius Roth: • leicht verfügbar, • sicher, • anonym, • geheim, • nicht sehr teuer und • normalisiert die eigene Sexualität Weitere Faktoren : ‐ breite Verfügbarkeit neuer Sexualpartner und sexueller Reize. ‐ in Chats und Foren kann eine eigenständige virtuelle Identität aufgebaut werden, die mit der realen Existenz nicht übereinstimmen muss. In dieser künstlichen Identität können Erfahrungswelten zugänglich gemacht werden, die die in der Realität umsetzbaren Vorstellungen überschreiten . • Dem Cybersex wird analog zur realen Sexsucht oder der Internetsucht ein gewisses Suchtpotenzial zugeordnet. Betroffen sind ev. Internetnutzer, die bereits in der Realität minimale Tendenzen zur Sexsucht gezeigt haben und mit dem Cybersex versuchen, reale Probleme zu verdrängen oder emotional zu verarbeiten. Als „Cybersexsüchtige“ gelten Personen, die in der Virtualität ihre auch real vorhandene Sexsucht ausleben und diese dadurch erweitern. In einer amerikanischen Studie gaben 77 Prozent der betroffenen Männer an, überwiegend Pornographie zu konsumieren, während betroffene Frauen zu 80 Prozent den Austausch in Chats bevorzugten. Es wird beschrieben, dass ev. Cyber‐Sexsüchtige analog zu anderen Abhängigen andere Lebensbereiche vernachlässigen. Cyberprostitution • Hinsichtlich dieses Phänomens besteht weder definitorischer Konsensus noch auch Konsensus hinsichtlich seiner legalen bedeutung bzw. Zuordnung. • Jessica R. Blaemire versteht cyberprostitution als eine Aktivität, die auf bestmmten Websites abläuft, wo Klienten Darsteller, die sie via live video streaming‐ Technologie sehen können, per Minute dafür bezahlen, dass sie masturbieren oder andere sexuelle Handlungen mit anderen Darstellern ausführen. Die Besucher der Website brauchen nicht dafür zu zahlen, dass sie chatten, müssen aber mittels Kreditkarte dafür zahlen, dass sie in private Chaträume eintreten, in denen dann nur sie die Darsteller via live web cam sehen und entsprechend ihren Vorstellungen dirigieren können. (“A New Face on an Old Profession: A Look at Prostitution on the Internet,”). Eine ähnliche Interpretation stammt von David Cardiff: “Virtual Prostitution: New Technologies and the World’s Oldest Profession,” Risiko der Cyberprostitution Cyberprostitution stellt, wie Cybersex generell kein Gesundheitsrisiko dar. Das Risiko besteht darin, dass Verschränkungen zwischen selbstschädigenden Bedürfnissen, Spielsucht und der Nutzung der Angebote bestehen können. Derartige komplex gelagerte Fälle können sich ev. finanziell ruinieren. Behandlung Therapeutische Vorstellungen und Möglichkeiten: • Psychotherapie ‐ auf die Bedingungen des Einzelfalles abgestimmt: Einzeltherapie vs. Paartherapie (nach Masters und Johnson), die vor allem bei sexuellen Dysfunktionen wesentlich bessere Erfolge erbringt Analytisch orientierte Verfahren; Verhaltensmodifikation; Hypnotische und katathyme Verfahren Therapeutische Zugänge‐ psychodynamische Therapie • Bereits Freud erkannte, dass die „positive“ Perversion der psychoanalytischen Behandlung zugänglich ist. • Aufgabenstellung: Erkenntnis der biographischen und der intrapsychischen Bedeutung der Symptomatologie. Erarbeitung der Beschränkung dieser Bedeutung und Erweiterung des Erlebens‐ und Verhaltensspielraums (Morgenthaler). Therapeutische Zugänge‐ Verhaltenstherapie • Aufgabenstellungen: Reduktion bzw. Kontrolle des sexuell‐devianten Verhaltens und Aufbau alternativer nicht stigmatisierter Verhaltens‐ und Erlebensmöglichkeiten. Verbesserung zwischenmenschlicher Fähigkeiten. Strategien zur Rückfallsvermeidung. Paartherapie • Vor allem für die Behandlung sexueller Dysfunktionen geeignet. • Das Therapiekonzept von Masters und Johnson auf der Basis sexualphysiologischer Untersuchungen. • Kombination von Beratung, symptomatisch orientierter Intervention in das konkrete Sexualverhalten und Interaktionsanalyse Medikamentöse Behandlung: Therapeutische Zugänge • Bei sexueller Dysfunktion des Mannes: SCART – Technik; Sildenafil (Viagra) und Nachfolgesubstanzen; Aphrodisiaka mit durchblutungsfördender Wirkung (Yohimbin ‐ Typ); bei entsprechender Indikation Hormonsubstitution. • Bei Paraphilie: je nach Komorbidität Psychopharmaka; • Bei sexueller Delinquenz und hoher Rückfallsgefährdung kann bei strenger Indikationsstellung die „hormonelle Kastration“ indiziert sein. • Aus psychoanalytischer Sicht ist ein schonender Zugang geboten. Diese Haltung ergibt sich aus den Erkenntnissen darüber, dass der psychischen Struktur „Perversion“ eine Abwehrfunktion gegenüber psychotischen Entwicklungen zukommt. Eine forcierte Vorgangsweise kann daher zur Verschlechterung des allgemeinen psychischen Zustandes führen. Bei Störungen der Geschlechtsidentität • Diese Empfehlung ergibt sich auch aus der Erfahrung mit der Anwendung operant‐ konditionierender Verfahren bei Homosexualität. Im Kontext derartiger therapeutischer Experimente wurden gehäuft gravierende Reaktionen bis hin zu Selbstmordversuchen beobachtet. • Bei Störungen der Geschlechtsidentität: Je nach Typus und Indikation entweder ausschließlich Psychotherapie oder im Falle der Transsexualität auch konträrgeschlechtliche Hormonbehandlung und genitalverändernde Operationen. Psychotherapie bei Sexualstraftätern Sexuell motivierte Aggressionshandlungen • Der Einsatz psychoanalytisch‐dynamischer Therapieverfahren in Hamburg erbrachte bei Sexualstraftätern relativ gute Ergebnisse. • Inwieweit der Einsatz neuer therapeutischer Verfahren, die aktiv eingreifend ausgerichtet sind, in der Behandlung sexuell delinquenter Individuen die Erfolgsrate bei dieser schwierigen Klientel erhöht, muss noch evaluiert werden. Sexuelle Gewalt und sexualisierte Gewalt stellen ein äußerst komplexes Phänomen dar • Sexuelle Manipulation als Gewaltausübung • Nutzung der Geschlechtlichkeit als Mittel der Gewaltausübung – sowohl aktiv als auch passiv • Sexuelle Überwältigung • Sexuell motivierte Handlungen gegen Leib und Leben – cave: Instrumentalisierung der Sexualität im Dienst der Machtausübung und narzisstischer Bedürfnisse Gewaltprävalenzen gegenüber Frauen im Überblick; Deutschland 2004 • 37% aller Befragten haben mindestens eine der genannten Handlungen körperlicher Gewalt und Übergriffe ab dem 16. Lebensjahr erlebt. • 13 % der befragten Frauen, also fast jede siebte Frau, gaben an, seit dem 16. Lebensjahr Formen von sexueller Gewalt erlebt zu haben. • 40 % der befragten Frauen haben ‐ unabhängig vom Täter‐Opfer‐Kontext ‐ körperliche oder sexuelle Gewalt oder bei des seit dem 16. Lebensjahr erlebt. • Unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung haben 58% der Befragten erlebt. Rund 25 % der in Deutschland lebenden Frauen haben Formen körperlicher oder sexueller Gewalt (oder beides) durch aktuelle oder frühere Beziehungspartnerinnen oder ‐partner erlebt. Spielarten sexualisierter Gewalt • Anmache, Angst und Unsicherheit nachts oder auch tagsüber auf der Strasse oder sonst irgendwo im öffentlichen Raum, verbale sexuelle Anspielungen am Arbeitsplatz, Übergriffe duch einen Lehrer, Lehrmeister, Vorgesetzten, telefonische Belästigung, subtiler oder offener Druck zur Sexualität oder zu bestimmten Formen der Sexualität durch den Partner, eine sexualisierte Atmosphäre durch den Vater, einen anderen männlichen Verwandten oder Bekannten, durch einen Arzt, Therapeuten usw. Sexuell motivierte Gewalt / Sexualisierte Gewalt‐Formen Folgen der sexuellen Gewalt • Häufige und zerstörende Formen sexueller Gewalt sind sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (durch einen gleichgestellten Kollegen, einen Vorgesetzten oder auch durch einen unterstellten Mitarbeiter), Vergewaltigungsversuch und Vergewaltigung (durch einen Bekannten, Fremden, Ehemann, Expartner etc.) sowie sexueller Missbrauch in einem Abhängigkeitsverhältnis (z.B. von einem Arzt, Therapeuten, Pfleger im Spital, Altenheim, Wohnheim, von einem Rechtsanwalt, Jugendarbeiter, Professor, Lehrer, Pfarrer etc.). • Die unterschiedlichen Gewaltformen verursachen auch unterschiedliche Folgen. Es gibt jedoch Folgen, die, unabhängig von der Gewaltform, einander ähnlich sind. Sie haben mit der spezifischen Verletzung zu tun, die sexualisierte Gewalt immer darstellt: Die psychischen und meist auch körperlichen Grenzen werden brutal durchbrochen, die Person wird in ihrem ganz persönlichen, innersten Kern angegriffen und zumindest für den Moment zerstört. • Jeder sexualisierte Übergriff, unabhängig davon, ob und wieviel körperliche Gewalt wirklich ausgeübt wurde, ist äusserst demütigend und verletzt Selbstbild und Selbstwertgefühl. Unmittelbare Folgen einer Vergewaltigung: Emotionale Symptome: Schock, intensive Angst, Scham, Weinen, Wut, Hilflosigkeit, heillose Agitation oder totale Lähmung Kognitive Symptome: Verwirrtheit, Desorientierung, Amnesie, Hypermnesie, Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle Körperliche Symptome: Verletzungen, Sexual Transmitted Disease, Muskelverspannungen, Erschöpfung, Schlafstörungen, gastrointestinale Störungen, Herzrhythmusstörungen, Schmerzzustände, etc Spätfolgen einer Vergewaltigung Störungen der Objektbeziehungen : Mißtrauen, Angst, Isolation/Anklammerung Post Traumatic Stress Disorder (PTSD): Wiedererfahren des Traumas in Tag‐ und Nachtträumen, (Flash‐backs) Vermeidung aller Erinnerungen, Schreckhaftigkeit, Angstzustände Schlafstörungen, vielfältige Neurotische Symptome Depression: War sexuality (rape) ist the ultimate detachment of sexuality from reproduction and the attachment of death to sexuality Hoffnungslosigkeit, Selbstwertkrisen, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit,Schlafstörungen, etc. Selbstmordgedanken, Selbstmord Alkohol/Substanzmißbrauch Desorganisation der Persönlichkeitsstruktur: Borderline, Psychose J. MITCHELL Mad Men and Medusas Reclaiming Hysteria and the Effects of Sibling Relations on the Human Condition Penguin Press, 2000 Institutionalisierte Gewalt gegen Männer Gestalten der struktuellen sexuellen Gewalt • Institutionalisierte Gewalt an Männern bleibt ein tabuiertes Thema. Der deutsche Männerbericht erwähnt zwar als „besondere Gewaltkontexte“ Gefängnis, Krankenhaus, Psychiatrie, Heim, ohne jedoch genauere Daten zu liefern. Weiters wird angeführt, dass diskriminierte Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderungen, ethnische Minderheiten und Homosexuelle ev. einem erhöhten Gewaltrisiko unterliegen. Auch dazu werden jedoch keine Daten geliefert. Spielarten und Erscheinungsformen der Verschränkung von Sexualität und Gewalt Anthropologisch: Triebschicksal Kulturelle Ausformungen ‐ Rituale Gesellschaftliche /institutioonelle Strukturen Teilstrukturen: Internat Gefängnis Lager einstellungsmäßig Normsetzung d. Kulturelle Repräsentanz: Literatur Bildende Kunst Film e. Individuell Politische Macht und sexuelle Gewalt • Letztlich repräsentiert das Regelsystem, das den sexuellen Umgang und die sexuellen Normen regelt, gesellschaftliche Machtverhältnisse. Dieses Regulativ betrifft den individuellen Geschlechtsleib und seine Funktionen und liefert ihn damit sozialer Machtausübung aus. Freud wies diesem Umstand erhebliche Bedeutung für die Entstehung psychischen Leids und für die Entstehung von Neurose und Perversion zu.