Page 1 Band 30 Textanalyse und Interpretation zu Heinrich von Kleist

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Band 360
Band 30
Textanalyse und
und Interpretation
Interpretation zu
Textanalyse
zu
Theodor Fontane
Heinrich
von Kleist
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oder „Wo sich
Herz zum Herzen find’t“
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Matura,
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Referat
Alle
erforderlichen Infos
Infosfür
fürAbitur,
Abitur,
Matura,
Klausur
Referat
plus Musteraufgaben
Musteraufgaben mit
plus
mit Lösungsansätzen
Lösungsansätzen
Zitierte Ausgabe:
Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. Husum/Nordsee:
Hamburger Lesehefte Verlag, 2012 (Hamburger Leseheft Nr. 33)
Über den Autor dieser Erläuterung:
Dr. Dirk Jürgens studierte Germanistik und Geschichte an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster und promovierte 2003 mit einer Dissertation über
Hermann Hesses Roman Das Glasperlenspiel. Neben einer Monografie über
die Theaterstücke Thomas Bernhards veröffentlichte er außerdem Aufsätze zu
Kleist, Platen, Heine, Thomas Mann, Martin Walser und Franz Fühmann. Seit
2010 unterrichtet er Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium in Köln. In
der Reihe Königs Erläuterungen erschienen von ihm bereits Interpretationen zu
Heinrich von Kleists Marquise von O... (Bd. 461), Michael Kohlhaas (Bd. 421) und
Prinz Friedrich von Homburg (Bd. 451).
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen
schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche
Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten
Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8044-1997-1
PDF: 978-3-8044-5997-7, EPUB: 978-3-8044-6997-6
© 2013 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld
Alle Rechte vorbehalten!
Titelabbildung: Bernhard Minetti mit Helmut Wildt (l.) in Der zerbrochne Krug
von Heinrich von Kleist, Schlosspark-Theater Berlin, 1980, Regie: Hans Lietzau
© ullstein bild – Buhs/Remmler
Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk
INHALT
1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK –
SCHNELLÜBERSICHT
2. HEINRICH VON KLEIST: LEBEN UND WERK
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.3 Angaben und Erläuterungen zu
wesentlichen Werken
3. TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
6
11
11
17
20
24
24
36
37
37
38
38
39
39
40
43
43
45
INHALT
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
Elfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Letzter Auftritt
Variant
Aufbau
Personenkonstellation und Charakteristiken
Adam, der Dorfrichter
Walter, der Gerichtsrat
Licht, der Schreiber
Frau Marthe Rull
Eve, ihre Tochter
Sachliche und sprachliche Erläuterungen
Stil und Sprache
Interpretationsansätze
46
48
49
49
53
62
66
74
79
83
87
92
105
114
4. REZEPTIONSGESCHICHTE
123
5. MATERIALIEN
130
6. PRÜFUNGSAUFGABEN
MIT MUSTERLÖSUNGEN
132
LITERATUR
145
STICHWORTVERZEICHNIS
149
1
SCHNELLÜBERSICHT
1.
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK –
SCHNELLÜBERSICHT
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und
das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht.
Im zweiten Kapitel beschreiben wir Kleists Leben und stellen den
zeitgeschichtlichen Hintergrund dar:
Heinrich von Kleist wurde 1777 in Preußen geboren, führte
meist ein unstetes Leben und beging 1811 Selbstmord.
Die Zeit ist geprägt von den Ideen der Aufklärung und der
Französischen Revolution sowie von den Napoleonischen
Kriegen. Preußen führt nach der Niederlage von 1806 Reformen durch, und im Kampf gegen Napoleon entsteht ein
deutsches Nationalbewusstsein.
Der zerbrochne Krug ist eines von zwei Lustspielen Kleists und
zugleich eine der berühmtesten deutschen Komödien überhaupt. Zahlreiche Themen und Motive aus Kleists Gesamtwerk
kehren in diesem Gerichtsdrama wieder.
S. 11 ff.
S. 17 ff.
S. 20 ff.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation:
Der zerbrochne Krug – Entstehung und Quellen:
S. 24 ff.
Kleist schrieb zwischen 1802 und 1806, parallel zu anderen Werken,
eine erste Fassung des Zerbrochnen Krugs, die 1808 in Weimar
uraufgeführt wurde. Die von Goethe besorgte Aufführung war ein
Misserfolg. Für die Buchausgabe, die 1811 erschien, überarbeitete
Kleist den Text noch einmal stark.
6
HEINRICH VON KLEIST
4
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Als Quellen dienten ihm neben einem Gemälde u. a. Sophokles’
König Ödipus und Werke zeitgenössischer Dichter, v. a. Goethes und
Schillers.
Inhalt:
In dem niederländischen Dorf Huisum erscheint der Gerichtsrat
Walter mit dem Auftrag, die Justiz auf dem Land zu prüfen und zu
verbessern. Der Dorfrichter Adam befindet sich jedoch an diesem
Morgen in einem schlechten Zustand, er ist verletzt und hat seine
Perücke verloren. Unter Walters Aufsicht leitet er einen Prozess, in
dem es um einen zerbrochenen Krug geht. Frau Marthe Rull beschuldigt Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve, den Krug bei
einem nächtlichen Besuch in Eves Zimmer zertrümmert zu haben.
Ruprecht jedoch behauptet, ein anderer Mann sei bei Eve gewesen, und beschimpft diese als Hure. Eve jedoch schweigt zu den
Vorgängen. Der Richter indessen hat offenbar etwas zu verbergen
und ist bemüht, den Prozess so schnell wie möglich abzuschließen.
Als eine neue Zeugin, Frau Brigitte, mit einer Perücke erscheint,
gerät nun Adam in Verdacht, der Täter zu sein. Der Gerichtsschreiber Licht, der selber gerne Dorfrichter werden will, verrät Adam,
indem er dessen widersprüchliche Geschichten über den Verlust
seiner Perücke offenlegt. Als Adam dann Ruprecht als Täter verurteilt, bricht Eve ihr Schweigen und beschuldigt den Richter, dieser
sei selber der Täter. Adam flieht aus dem Gericht, Eve erzählt, Adam
habe sie mit einem Attest erpresst, das Ruprecht vom Militärdienst
befreien sollte, und sie in der Nacht besucht. Sie habe befürchtet, dass Ruprecht nach Ostindien muss. Walter bestreitet, dass die
Armee nach Asien verschickt werde, und will Ruprecht, falls doch,
vom Militärdienst freikaufen. Adam wird als Dorfrichter suspendiert
und Licht als sein Nachfolger eingesetzt.
DER ZERBROCHNE KRUG
7
S. 36 ff.
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
Aufbau:
S. 53 ff.
Das Lustspiel schließt mit der Figur des Dorfrichters und dem mitunter derben Wortwitz eher an die Tradition der altgriechischen
Komödie bzw. des Satyrspiels an als an die Tradition der Aufklärung, welche die Gattungsbezeichnung „Lustspiel“ zunächst annehmen lässt. Eigentlich handelt es sich beim Zerbrochnen Krug um
ein Schein-Lustspiel, in dem die Konflikte nur oberflächlich gelöst
werden, unterschwellig aber in Kraft bleiben. Darauf weisen auch
die geradezu parodistische Einhaltung aristotelischer Regeln sowie die Anzahl der 13 Auftritte hin, die eine symbolische Bedeutung
hat. Der Aufbau lehnt sich zudem an den sechsstufigen Aufbau von
Sophokles’ Tragödie König Ödipus an.
Personen:
S. 62 ff.
Die Hauptpersonen sind
Adam, der Dorfrichter:
verkörpert den Menschen im Allgemeinen,
widersprüchlicher und tragikomischer Charakter,
verantwortungsloser und korrupter Genussmensch,
einsam und zugleich triebhaft und erfindungsreich,
Walter, der Gerichtsrat:
repräsentiert den modernen Staat,
wichtigster Gegenspieler des Dorfrichters,
vertritt die Ideen der Aufklärung,
Formalitäten sind ihm wichtiger als das Menschliche,
Licht, der Schreiber:
verkörpert die Aufklärung, aber auch das Böse,
der zweite wichtige Gegenspieler des Dorfrichters,
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HEINRICH VON KLEIST
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REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
profitiert wie Adam von Betrügereien im Amt,
gebildet und redegewandt, aber auch ehrgeizig und illoyal,
Frau Marthe Rull:
führt die Gruppe der Dorfbewohner an,
tatkräftige, dem praktischen Leben zugewandte Frau,
temperamentvoll und aufbrausend,
ausschließlich um die Ehre der Familie, nicht aber um das Wohl
ihrer Tochter besorgt,
Eve, ihre Tochter:
ihr Name spielt auf Eva, die Urmutter der Menschheit, an,
hat ihre Unschuld verloren,
liebt Ruprecht, will ihn vor dem Militär bewahren, wird aber von
Adam erpresst,
muss als unschuldig erscheinen, damit Walter ihr hilft.
Wir stellen diese Hauptpersonen und ihre Beziehungen untereinander ausführlich vor.
Stil und Sprache:
Der zerbrochne Krug ist in Blankversen abgefasst, verwendet also
den Vers eines Dramas im Stil der Weimarer Klassik. Konterkariert
wird dies aber dadurch, dass der Sinn des Blankverses parodistisch vorgeführt wird, indem die Figuren zum Beispiel häufig zu
derben Flüchen neigen, aneinander vorbeireden, sich missverstehen und absichtlich lügen und vertuschen. Das Ideal der Weimarer
Klassik wird so ad absurdum geführt. Hinzu kommen zahlreiche
Wortspiele, Zwei- und Mehrdeutigkeiten sowie obszöne Anspielungen, die den allgemeinen Eindruck einer Verwirrung mit Hilfe
DER ZERBROCHNE KRUG
9
S. 105 ff.
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
der Sprache nur noch verstärken. Insbesondere die Bereiche der
Religion und der Justiz sind dabei Ziele der Verspottung.
Interpretationsansätze:
S. 114 ff.
Die Forschung zu Kleists Zerbrochnem Krug hat sich in den letzten drei Jahrzehnten hauptsächlich mit folgenden Aspekten bzw.
Fragen befasst:
die Komödie als Kritik am Rechtswesen bzw. der Gesellschaft
im Allgemeinen,
die zwiespältigen Rollen Lichts, Walters und Eves und die Frage
nach der Wahrheit,
die symbolische Bedeutung des zerbrochenen Krugs.
10
HEINRICH VON KLEIST
4
REZEPTIONSGESCHICHTE
2.1
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Biografie
2.
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
2.1 Biografie
JAHR
ORT
EREIGNIS
1777
Frankfurt/Oder
18. Oktober: Geburt von Bernd Heinrich
Wilhelm von Kleist als ältestem Sohn
des Stabskapitäns Joachim Friedrich von
Kleist und dessen zweiter Frau Juliane
Ulrike, geb. von Pannwitz. Kleist hat sechs
Geschwister, darunter die beiden älteren
Halbschwestern Wilhelmine und Ulrike,
von denen Ulrike ihm später besonders
eng verbunden ist.
ALTER
Heinrich
von Kleist
(1777–1811)
© Wikipedia
1788
Frankfurt/Oder
Berlin
18. Juni: Tod des Vaters.
Kleist wird nach Berlin in eine Privatschule
gegeben.
10
1792
Potsdam
20. Juni: Konfirmation. Danach Eintritt als
Gefreiterkorporal ins Garderegiment.
14
1793
Frankfurt/Oder
Frankfurt/Main
Mainz
3. Februar: Tod der Mutter.
März: Kleist reist zu seinem Regiment
nach Frankfurt am Main. Von April bis
Juli nimmt er an der Belagerung der Stadt
Mainz teil (Erster Koalitionskrieg gegen
Frankreich). Er liest Werke Christoph
Martin Wielands und schreibt sein erstes
Gedicht Der höhere Frieden.
15
1795
Osnabrück
März: Verlegung des Garderegiments nach
Osnabrück.
17
1798
Potsdam
Mai bis Juni: Rückmarsch in die Potsdamer
Garnison.
Kleist widmet sich verstärkt seinen geistigen und musischen Interessen.
Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu
finden (erschienen 1799).
20
DER ZERBROCHNE KRUG
11
4
2.2
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
ZUSAMMEN-
Wichtig für das Verständnis von Kleists Drama sind
die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution,
die Napoleonischen Kriege und die Niederlage Preußens
1806,
die preußischen Reformen seit 1807,
das entstehende Nationalgefühl in Deutschland.
FASSUNG
Die Zeit, in die Heinrich von Kleist hineingeboren wurde, war eine
Zeit grundlegender gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Veränderungen. Die Ideen der Aufklärung stellten die absolutistische Ständegesellschaft sowie die Herrschaft der Kirche
in Frage und riefen bei vielen Gebildeten, vor allem im Bürgertum und im niederen Adel, den Wunsch nach sozialen und politischen Veränderungen hervor. Oft wiederholte Forderungen etwa
waren die durch die natürliche Gleichheit aller Menschen begründete Gleichheit vor dem Gesetz, die Emanzipation benachteiligter
Bevölkerungsgruppen und politische Mitbestimmung des Bürgertums.
In Frankreich wurden im Zuge der 1789 ausgebrochenen Revolution der Absolutismus und die feudale Ständegesellschaft abgeschafft, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom
26. August 1789 versprach jedem Bürger Freiheit und Gleichheit
vor dem Gesetz, Recht auf Eigentum und demokratische Mitbestimmung. Die europäischen Großmächte, vor allem Österreich und
Preußen, mussten fürchten, dass die Revolution über die Grenzen Frankreichs ausgreifen könnte. Von 1792 bis 1815 führten sie
DER ZERBROCHNE KRUG
17
Französische
Revolution
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Napoleonische
Kriege
Preußische
Reformen
fast ununterbrochen und in wechselnden Koalitionen Krieg gegen
Frankreich, das seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November) 1799 von Napoleon Bonaparte (seit 1804 als Napoleon I.
Kaiser der Franzosen) regiert wurde.
Innerhalb weniger Jahre veränderten die Napoleonischen
Kriege die Landkarte Europas. Nachdem bereits 1803 viele kleine Territorien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verschwanden und den mittelgroßen Staaten zugeschlagen worden waren, führte die Gründung des Rheinbunds und
das nun auch formal besiegelte Ende des Heiligen Römischen
Reiches im Jahre 1806 zu grundlegenden politischen und sozialen Veränderungen auch in Deutschland. In den von Frankreich
abhängigen Staaten, wie zum Beispiel in dem neugeschaffenen
Königreich Westfalen, wurden das feudale System abgeschafft und
bürgerliche Reformen durchgeführt.
Der Code civil (oder Code Napoléon), das erste bürgerliche Gesetzbuch, wurde in diesen Staaten eingeführt; er revolutionierte das
bisherige Rechtssystem, indem er das Recht vereinheitlichte, die
Unabhängigkeit der Gerichte garantierte, für Rechtssicherheit und
öffentliche Rechtsprechung sorgte und dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz sowie dem Schutz und der Freiheit des
Individuums und des Eigentums Geltung verschaffte.
Nach der für Preußen vernichtenden Niederlage in der Schlacht
bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 und dem Frieden von
Tilsit (7. und 9. Juli 1807) wurden auch in Preußen unter der Leitung
der Minister Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein
und Karl August Fürst von Hardenberg eine Reihe von Reformen
durchgeführt, deren wichtigster Zweck die Neukonstituierung des
preußischen Staates war. Das Oktoberedikt von 1807 hob die Erbuntertänigkeit der Bauern auf und gewährte allen Untertanen des
preußischen Königs die Freiheit der Berufswahl und das Recht auf
18
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
3.
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION
3.1 Entstehung und Quellen
ZUSAMMEN-
1802–1806: Kleist schreibt eine erste Fassung des Zerbrochnen Krugs.
1808: Die Uraufführung des Lustspiels in Weimar ist ein Misserfolg.
1811: Für die Buchausgabe verändert Kleist den Text noch
einmal stark.
Als Quellen dienen Kleist neben einem Gemälde u. a. Sophokles’ König Ödipus und Werke zeitgenössischer Dichter, v. a.
Goethes und Schillers.
FASSUNG
Kleist als Landwirt
am Thuner See
Die Idee zum Zerbrochnen Krug reicht bis in das Jahr 1802 zurück,
als Kleist in der Schweiz lebte und den Versuch unternahm, am
Thuner See als Landwirt zu leben. Angeblich verdankt die Komödie
ihre Entstehung einem poetischen Wettstreit, den Kleists Berner
Freund Heinrich Zschokke (1771–1848) angeregt hatte, wie dieser selbst 1825 in einem Vorwort zu seiner eigenen Erzählung
Der zerbrochene Krug (1813) mitteilt:
„Man kennt, unter gleichem Namen, ein kleines Stück vom Dichter des Käthchen von Heilbronn. Dieses und die hier folgende
Erzählung hatten im Jahr 1802 zu Bern einerlei Veranlassung
des Entstehens. Heinrich von Kleist und Ludwig Wieland, des
Dichters Sohn, pflogen Freundschaft mit dem Verfasser, in dessen Zimmer ein Kupferstich, La cruche cassée [sic!] unterschrieben, hing (...) Im Scherz gelobten die drei, jeder wolle seine
Der poetische
Wettstreit
24
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.1 Entstehung und Quellen
Jean-Baptiste
Greuzes Gemälde
La Crouche cassée
(1785; deutsch: Der
zerbrochene Krug)
© akg-images
30
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.2 Inhaltsangabe
3.2 Inhaltsangabe
ZUSAMMEN-
In dem niederländischen Dorf Huisum erscheint der Gerichtsrat Walter mit dem Auftrag, die Justiz auf dem Land zu prüfen
und zu verbessern. Der Dorfrichter Adam befindet sich jedoch
in einem schlechten Zustand, er ist verletzt und hat seine Perücke verloren. Unter Walters Aufsicht leitet er einen Prozess,
in dem es um einen zerbrochenen Krug geht. Frau Marthe
Rull beschuldigt Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve,
den Krug bei einem nächtlichen Besuch in Eves Zimmer zertrümmert zu haben. Ruprecht jedoch behauptet, ein anderer
Mann sei bei Eve gewesen, und beschimpft diese als Hure.
Eve jedoch schweigt zu den Vorgängen. Der Richter indessen
hat offenbar etwas zu verbergen und ist bemüht, den Prozess
so schnell wie möglich abzuschließen. Als eine neue Zeugin,
Frau Brigitte, mit einer Perücke erscheint, gerät nun Adam in
Verdacht, der Täter zu sein. Der Gerichtsschreiber Licht, der
selber gerne Dorfrichter werden will, verrät Adam, indem er
dessen widersprüchliche Geschichten über den Verlust seiner
Perücke offenlegt. Als Adam dann Ruprecht als Täter verurteilt, bricht Eve ihr Schweigen und beschuldigt den Richter,
dieser sei selber der Täter. Adam flieht aus dem Gericht, Eve
erzählt, Adam habe sie mit einem Attest erpresst, das Ruprecht vom Militärdienst befreien sollte, und sie in der Nacht
besucht. Sie habe befürchtet, dass Ruprecht nach Ostindien
muss. Walter bestreitet, dass die Armee nach Asien verschickt
werde, und will Ruprecht, falls doch, vom Militärdienst freikaufen. Adam wird als Dorfrichter suspendiert und Licht als
sein Nachfolger eingesetzt.
FASSUNG
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HEINRICH VON KLEIST
4
3.2
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Inhaltsangabe
Erster Auftritt
Die Handlung spielt in dem niederländischen Dorf Huisum bei Utrecht. Der Dorfrichter Adam sitzt frühmorgens in der Gerichtsstube. Er ist übel zugerichtet, am Kopf und am Bein verwundet. Der
Gerichtsschreiber Licht betritt die Gerichtsstube und fragt den zerschundenen Adam, was passiert sei. Dieser behauptet, er sei auf
dem glatten Boden der Stube hingefallen. Licht gibt sich mit dieser
Erklärung nicht zufrieden, fragt weiter nach und macht Adam auf
seine Verletzungen im Gesicht aufmerksam, die der Richter noch
gar nicht bemerkt hat. Daraufhin erzählt dieser eine haarsträubende
Geschichte mit einem Ziegenbock, der ihn am Ofen zu Fall gebracht
habe.
Indessen unterrichtet Licht den Richter davon, dass der Gerichtsrat Walter auf dem Weg nach Huisum sei, was bei Adam einigen Schrecken verursacht. Seine Angst wird verstärkt, als Licht
erzählt, dass es sich um einen neuen Revisor handelt, der nicht so
nachsichtig sei wie der vorherige. Im Nachbardorf Holla sei der dortige Dorfrichter bereits suspendiert worden und habe anschließend
versucht, sich zu erhängen. Adam appelliert an Lichts Freundschaft:
Er weiß, dass der Schreiber gerne selber Richter werden wolle, und
bittet ihn, für heute seinen Ehrgeiz zurückzuhalten. Im Gegenzug
will Adam gegenüber dem Revisor nichts von den Betrügereien
erwähnen, deren sich der Schreiber schuldig gemacht hat.
Zweiter Auftritt
Ein Bedienter tritt auf und verkündet, dass der Gerichtsrat bereits
in Huisum sei und bald erscheinen werde, was eine enorme Hektik
in der Gerichtsstube auslöst. Adam lässt sich überstürzt von seinen beiden hin- und herrennenden Mägden ankleiden, stößt dabei
unentwegt Flüche aus und weist die Mägde an, die Lebensmittel
DER ZERBROCHNE KRUG
37
Der
zerschundene
Richter
Ein
unwillkommener
Besucher
4
3.3
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Aufbau
3.3 Aufbau
ZUSAMMEN-
Das Lustspiel schließt mit der Figur des Dorfrichters und dem
mitunter derben Wortwitz eher an die Tradition der altgriechischen Komödie bzw. des Satyrspiels an als an die Tradition
der Aufklärung, welche die Gattungsbezeichnung „Lustspiel“
zunächst annehmen lässt. Eigentlich handelt es sich beim
Zerbrochnen Krug um ein Schein-Lustspiel, in dem die Konflikte nur oberflächlich gelöst werden, unterschwellig aber
in Kraft bleiben. Darauf weisen auch die geradezu parodistische Einhaltung aristotelischer Regeln sowie die Anzahl
der 13 Auftritte hin, die eine symbolische Bedeutung hat. Der
Aufbau lehnt sich zudem an den sechsstufigen Aufbau von
Sophokles’ Tragödie König Ödipus an.
FASSUNG
Die Frage nach der Form des Zerbrochnen Krugs scheint mit dem
Untertitel „Ein Lustspiel“ zunächst beantwortet zu sein. Der Begriff „Lustspiel“ ist im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert belegt, wurde aber erst im 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung
durchgesetzt mit dem Ziel, die Form von der aus dem Griechischen
stammenden Gattungsbezeichnung der „Komödie“ abzugrenzen:
„Lustspiel bedeutet dann im Unterschied zu der aus der Komik abgeleiteten Komödie die aus der Haltung des Humors entstandene Dramenform; sie bezweckt nicht Lächerlichkeit durch
Aufdeckung der Unzulänglichkeiten, sondern reines Lachen
der Heiterkeit, entstanden aus der Überlegenheit des Wissens
um menschlich-irdische Bedingtheit und getragen von einer
fröhlich-verzeihenden, weil verstehenden Liebe zu Mensch und
DER ZERBROCHNE KRUG
53
„Ein Lustspiel“
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.3 Aufbau
Natur, welche die Gegensätzlichkeit der Welt anerkennt, aber
nicht richten oder ändern will.“21
Eher der
Komödie
zuzurechnen
In diesem Sinne sind etwa die Komödien der Aufklärung, allen voran
Gotthold Ephraim Lessings Minna von Barnhelm (1767), aber etwa
auch Goethes Groß-Cophta (1792) „Lustspiele“. Derbe Komik sucht
man in diesen heiter-versöhnlichen Dramen vergeblich. Betrachtet
man jedoch Kleists Zerbrochnen Krug, stellt man fest, dass Kleist mit
der Figur des Dorfrichters Adam, dem Wortwitz und den teils derben, teils hintergründigen Anspielungen auf Sexuelles und allgemein Körperliches eher der „Komödie“ zuzurechnen ist. Man kann
sogar davon ausgehen, dass Kleist gerade mit der Figur des trinkfreudigen und von sexuellen Trieben geleiteten Dorfrichters direkt
an den antiken griechischen Ursprung der Komödie anschließen
will, die aus dem Satyrspiel der Dionysien hervorging, dem „Nachspiel der klassischen griechischen Tragödien-Trilogie“, das „nach
dem Chor der Satyrn“ benannt ist,
Ursprung im
Satyrspiel
„wild-lüsternen Fruchtbarkeitsdämonen aus dem Gefolge des
Dionysos, die mit Pferdeohren und -schwänzen, Ziegenfellschurz, Phallos und Maske verkleidet, (...) in toller Ausgelassenheit ihre burlesken Späße, drolligen Lieder, grotesken, oft
obszönen Gesten und schnellen, komischen Tänze (...) aufführten.“22
Klumpfuß als
Anspielung
Adams Klumpfuß, der später von der abergläubischen Frau Brigitte
als „Pferdefuß“ (1686) identifiziert wird, und sein Kampf mit einem
„Ziegenbock“ (50) können neben dem Weinkonsum (Dionysos als
21
22
54
Wilpert, S. 539.
Ebd., S. 814.
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
ZUSAMMEN-
Von den Personen, die in der Komödie auftreten, werden hier
folgende ausführlich vorgestellt:
FASSUNG
Adam, der Dorfrichter:
verkörpert den Menschen im Allgemeinen,
widersprüchlicher und tragikomischer Charakter,
verantwortungsloser und korrupter Genussmensch,
einsam und zugleich triebhaft sowie erfindungsreich.
Walter, der Gerichtsrat:
repräsentiert den modernen Staat,
wichtigster Gegenspieler des Dorfrichters,
vertritt die Ideen der Aufklärung,
Formalitäten sind ihm wichtiger als das Menschliche.
Licht, der Schreiber:
verkörpert die Aufklärung, aber auch das Böse,
der zweite wichtige Gegenspieler des Dorfrichters,
profitiert wie Adam von Betrügereien im Amt,
gebildet und redegewandt, aber auch ehrgeizig und illoyal.
Frau Marthe Rull:
führt die Gruppe der Dorfbewohner an,
tatkräftige, dem praktischen Leben zugewandte Frau,
temperamentvoll und aufbrausend,
ausschließlich um die Ehre der Familie, nicht aber um das
Wohl ihrer Tochter besorgt.
62
HEINRICH VON KLEIST
4
3.4
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Personenkonstellation und Charakteristiken
Eve, ihre Tochter:
ihr Name spielt auf Eva, die Urmutter der Menschheit, an,
hat ihre Unschuld verloren,
liebt Ruprecht, will ihn vor dem Militär bewahren, wird
aber von Adam erpresst,
muss als unschuldig erscheinen, damit Walter ihr hilft.
Das überschaubare Personal der Komödie lässt sich auf den ersten
Blick in zwei Gruppen aufteilen: in die Vertreter der Justiz bzw. des
Staates auf der einen und in die Mitglieder der Dorfgemeinschaft
auf der anderen Seite. Zur ersten Gruppe gehören der Gerichtsrat
Walter, der Dorfrichter Adam und der Gerichtsschreiber Licht. Zur
zweiten Gruppe gehören die beiden Parteien des Rechtsstreits, die
zu Beginn des sechsten Auftritts die Bühne betreten: Frau Marthe
Rull, ihre Tochter Eve, deren Verlobter Ruprecht und dessen Vater Veit Tümpel, der jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt
und nur in einer Situation – als er seinem Sohn Ruprecht zu misstrauen beginnt (1352–1392) –, etwas mehr als nur die Funktion eines
Stichwortgebers hat. Mit dieser Gegenüberstellung wird der Konflikt zwischen der Justiz bzw. der Staatsmacht auf der einen und
dem einfachen Volk auf der anderen Seite abgebildet. Dieser Gegensatz konzentriert sich vordergründig auf den Konflikt zwischen
dem Dorfrichter Adam, der seine Machtstellung innerhalb des Dorfes für die Befriedigung persönlicher Interessen missbraucht, und
Eve, die das Opfer eines Machtmissbrauchs darstellt.
Hinzu kommt, dass innerhalb der beiden Gruppen ebenfalls Konflikte herrschen. Auf der Seite der Vertreter des Staates befindet
sich Adam sowohl in einem Konflikt mit dem Gerichtsrat Walter, der
seine Arbeit kontrolliert, als auch mit dem ehrgeizigen Schreiber
DER ZERBROCHNE KRUG
63
Zwei
Figurengruppen
Justiz versus Volk
Adam versus Eve
Konflikte innerhalb der Justiz
1
SCHNELLÜBERSICHT
2
HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
Personen
S. 4
Büttel
niederer Gerichtsdiener
Erster Auftritt
V. 1:
Gevatter
vertrauliche Anrede im Sinne von ‚Freund,
Nachbar‘
V. 9:
locker
leichtsinnig
Ältervater
Urgroßvater; hier der biblische Adam als
Stammvater der Menschheit
V. 14:
Unbildlich
wörtlich, also nicht im übertragenen Sinn
V. 23:
gesetzten
dicken
V. 25:
Klumpfuß
Missbildung des Fußes; zugleich Anspielung auf
Ödipus („Schwellfuß“) und auf den Teufel (siehe
Erläuterung zu V. 1686)
V. 39:
eingehetzt
aufgehetzt, aufgescheucht
V. 45:
blutrünstig
von Blut rinnend, blutend
V. 59:
Stirnblatt
Stirnknochen unterhalb des Haaransatzes
V. 70:
Revisionsbereisung
Revision: Überprüfung durch eine höhere
Instanz
V. 74:
revidiert
überprüft
V. 79:
Sein Schäfchen schiert
auf seinen Vorteil bedacht ist
Fratzen
hier: Faxen
V. 80:
kujonieren
schikanieren
V. 88:
Rohr
hier: Spazierstock
V. 90:
Schubiak
schäbiger Kerl
V. 95:
Revisor
siehe Erläuterung zu V. 70 bzw. 74
V. 99:
praktisiert
praktizieren: verfahren
92
HEINRICH VON KLEIST
4
3.6
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
Stil und Sprache
3.6 Stil und Sprache
ZUSAMMEN-
Der zerbrochne Krug ist in Blankversen abgefasst, verwendet also den Vers eines Dramas im Stil der Weimarer Klassik. Konterkariert wird dies aber dadurch, dass der Sinn des
Blankverses parodistisch vorgeführt wird, indem die Figuren
zum Beispiel häufig zu derben Flüchen neigen, aneinander
vorbeireden, sich missverstehen und absichtlich lügen und
vertuschen. Das Ideal der Weimarer Klassik wird so ad absurdum geführt. Hinzu kommen zahlreiche Wortspiele, Zweiund Mehrdeutigkeiten sowie obszöne Anspielungen, die den
allgemeinen Eindruck einer Verwirrung mit Hilfe der Sprache
nur noch verstärken. Insbesondere die Bereiche der Religion
und der Justiz sind dabei Ziele der Verspottung.
FASSUNG
Kleists Zerbrochner Krug ist wie die meisten Dramen der Zeit ein
Versdrama, die Figuren bedienen sich – wie bei Goethe und Schiller – des Blankverses und damit rein äußerlich einer gehobenen
Sprache und simulieren damit so etwas wie ‚Klassizität‘. Wie aber
oben bereits gesagt, ist die Verssprache traditionell eigentlich der
hohen Tragödie oder dem ernsten Schauspiel vorbehalten. Komödien, wie beispielsweise Lessings Minna von Barnhelm oder
Goethes Groß-Cophta, sind in Prosa geschrieben. Die Wahl des
Blankverses lässt demnach auf eine parodistische Intention Kleists
schließen.
Der Blankvers drückt seit Lessings Nathan dem Weisen die Dialogfähigkeit der Figuren, insbesondere auch die Dialogfähigkeit von
Figuren unterschiedlichen Standes aus und damit auch die Gleichheit der Figuren im Gespräch. Klassische Beispiele sind etwa die
Blankvers
DER ZERBROCHNE KRUG
105
Parodistische
Intention
1
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.6 Stil und Sprache
Ins Gegenteil
verkehrte
Dialogfähigkeit
Flüche
Dialoge zwischen dem Sultan Saladin und dem Juden Nathan in
Lessings Nathan dem Weisen, zwischen dem König Thoas und der
Priesterin Iphigenie in Goethes Iphigenie auf Tauris und zwischen
König Philipp und dem Marquis von Posa in Schillers Don Karlos.
Kleist kehrt im Zerbrochnen Krug diese Dialogfähigkeit, mit der Figuren unterschiedlichen Standes gleichsam auf Augenhöhe kommunizieren und imstande sind, Konflikte allein mit den Mitteln der
Sprache zu lösen, in ihr Gegenteil um.
Das deutlichste Indiz für eine solche parodistische Umkehr sind
sicherlich die zahlreichen Flüche, die schon zu Beginn des Stücks
den sprachlichen Ton bestimmen: „Zum Henker“ heißt es schon
im ersten Vers, und der „Henker“ (65, 119 und 189) gehört neben dem „Teufel“ (38, 91, 178, 189 und 249) und dem „Schlingel“
(664, 737, 933, 1639, 1908 und Variant, 1913) zu den beliebtesten Schimpfwörtern, die von fast allen Figuren gebraucht werden.
Was zunächst ein typisches Merkmal der Komödie ist, bildet jedoch
einen deutlichen Kontrast zu der meist penibel durchgeführten Verwendung des Blankverses.35 Undenkbar wäre es, dass etwa Goethes
Iphigenie oder Schillers Marquis Posa Ausdrücke wie „Halt’s Maul“
(199, 232), „das Schwein“ (243) oder „Hund (...) verfluchter“ (783)
in den Mund nähmen. Der Weimarer Klassik lag ja gerade der Gedanke zugrunde, dass der Mensch über die Sprache zu einem dialogfähigen, wahrhaftigen und schließlich freien Menschen wird.
Die derben Flüche im Zerbrochnen Krug – allesamt eingebettet in
den Blankvers – signalisieren, dass der Mensch eben nicht dialogfähig, wahrhaftig und auch nicht frei, sondern in traditionellen
Sozialstrukturen verhaftet ist. Vollkommen willkürlich gewählt sind
die genannten häufig vorkommenden Flüche im Zerbrochnen Krug
indessen nicht: Während der „Henker“ bereits auf die Sphäre der
35
Vgl. Helmut J. Schneider, S. 34.
106
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
3.7 Interpretationsansätze
3.7 Interpretationsansätze
ZUSAMMEN-
Die Forschung zu Kleists Zerbrochnem Krug hat sich in den
letzten drei Jahrzehnten hauptsächlich mit folgenden Aspekten bzw. Fragen befasst:
die Komödie als Kritik am Rechtswesen bzw. der Gesellschaft im Allgemeinen,
die zwiespältigen Rollen Lichts, Walters und Eves und die
Frage nach der Wahrheit,
die symbolische Bedeutung des zerbrochenen Krugs.
FASSUNG
Ältere Forschung
Neubewertung
von Licht und
Walter
Da die Forschungsliteratur zu Kleists Zerbrochnem Krug inzwischen
kaum noch überschaubare Ausmaße angenommen hat, kann hier
nur eine kleine Auswahl vorgenommen werden.
Nachdem in der älteren Forschung die Meinung vorgeherrscht
hat, dass Adam als der einzige Bösewicht in der Komödie anzusehen
ist, der die korrupte ‚alte‘ Justiz verkörpere, während Walter und
Licht als Vertreter der ‚neuen‘ Justiz im Sinne der Aufklärung bzw.
des modernen, aus der Französischen Revolution hervorgegangenen Staates der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen, setzt sich
seit den 1980er Jahren mehr und mehr die Auffassung durch, dass
auch die beiden angeblich untadeligen Vertreter des Rechts von
der allgemeinen Korruption nicht unberührt bleiben. So liest etwa Wolfgang Wittkowski (1981) den Zerbrochnen Krug als eine
„ironisch verschleierte Satire zum einen auf die Autorität der Institutionen, Ideologien und ihrer Repräsentanten – zum anderen auf
die ‚Autorität der Autorität‘, die Autoritätsgläubigkeit“.42 Repräsen42
Wittkowski, S. 110.
114
HEINRICH VON KLEIST
4
4.
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
REZEPTIONSGESCHICHTE
ZUSAMMEN-
Die Rezeption von Kleists Zerbrochnem Krug war lange Zeit
von dem Misserfolg der Uraufführung (1808) bestimmt, der
dazu führte, dass das Stück häufig als für die Bühne ungeeignetes Lesedrama betrachtet und für Inszenierungen meist
stark gekürzt wurde. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es jedoch einen festen Platz im Kanon der deutschen
Literatur und gehört als eine der besten deutschen Komödien
zum Bühnenrepertoire.
Die Rezeptionsgeschichte von Kleists Zerbrochnem Krug begann
schon vor der Weimarer Uraufführung der Komödie, als Goethe,
dem Adam Müller das Manuskript zugeschickt hatte, im August
1807 an Müller zurückschrieb, das Stück habe „außerordentliche
Verdienste“, aber es sei „schade“, dass es „auch wieder dem unsichtbaren Theater“ angehöre.68 Damit meinte Goethe, dass es sich
eher um ein Lesedrama handle und weniger für die Bühne geeignet sei. Die Uraufführung, die dann im März 1808 unter Goethes
Leitung stattfand, scheint dieses Urteil zu bestätigen, denn sie war
ein grandioser Misserfolg, der die Beurteilung Kleists als Dramatiker für lange Zeit maßgeblich beeinflusste. Eine Rezension vom
11. März 1808 bemängelte insbesondere die langen Verhöre, die
gerade epische Ausmaße annähmen:
„Dem Erzähler kommt es wohl zu und wird bei ihm interessant,
aber der dramatische Dichter darf die entdeckte Wahrheit nicht
68
Semdbner, Lebensspuren, Nr. 185.
DER ZERBROCHNE KRUG
123
FASSUNG
„Unsichtbares
Theater“?
Goethes
misslungene
Inszenierung
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
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TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
so unendlich weit vom endlichen Bekenntnis entfernen. Dass
der Verfasser kein Dramatiker ist, beweist seine Unkunde jeder
dramatischen Regel“.69
Wilhelm Grimms
Rezension
Gemeint ist vor allem Eves Erzählung am Schluss, die Kleist später
strich bzw. für die Buchausgabe in den „Variant“ verschob.
Doch auch die gekürzte Version, die Kleist 1811 veröffentlichte,
wurde zunächst zwiespältig aufgenommen. So lobte etwa Wilhelm
Grimm die Komödie in einer anonymen Rezension in der Zeitung für
die elegante Welt vom 24. Mai 1811 als ein Werk, das „sich weit über
die gewöhnlichen Erscheinungen des Tages“ erhebe, bemängelte
aber, „dass die Wirkung des Ganzen mit dem ungewöhnlichen Aufwande von Kraft nicht in Verhältnis“ stehe:
„Die Bearbeitung des Stoffes ist – ein seltner Fall! – zu gründlich;
und so ein schweres, hie und da selbst starres Werk entstanden,
das sich mit einem reichen, aber unbiegsamen und unbequemen Brokate oder Silberstoff vergleichen ließe. Und selbst in der
Sprache ist diese etwas ungelenke Gewichtigkeit zu verspüren.
Auf der andern Seite geht das Stück zu sehr in die Breite und
Länge; es kann, wie man zu sagen pflegt, das Ende nicht finden,
auf das man doch natürlich immer und gleich zu Anfang hingewiesen wird, und nicht einmal recht lebhaft gespannt ist, da
man über den Ausgang nicht ungewiss sein kann. Durch diese
Ausdehnung verliert das Komische, indem es sich über eine zu
breite Fläche verbreitet, nicht wenig an Kraft, die umso mehr
müsste zusammengehalten sein, da der Gegenstand so einfach
69
Ebd., Nr. 247.
124
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
5.
„Gründung der
niederländischen
Freiheit“
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
MATERIALIEN
Friedrich Schiller: Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande
von der spanischen Regierung (1788)
„Eine der merkwürdigsten Staatsbegebenheiten, die das sechszehnte Jahrhundert zum glänzendsten der Welt gemacht haben,
dünkt mir die Gründung der niederländischen Freiheit. Wenn
die schimmernden Taten der Ruhmsucht und einer verderblichen
Herrschbegierde auf unsere Bewunderung Anspruch machen, wie
viel mehr eine Begebenheit, wo die bedrängte Menschheit um ihre
edelsten Rechte ringt, wo mit der guten Sache ungewöhnliche Kräfte
sich paaren und die Hilfsmittel entschlossner Verzweiflung über die
furchtbaren Künste der Tyrannei in ungleichem Wettkampf siegen.
Groß und beruhigend ist der Gedanke, dass gegen die trotzigen
Anmaßungen der Fürstengewalt endlich noch eine Hilfe vorhanden
ist, dass ihre berechnetsten Pläne an der menschlichen Freiheit zu
Schanden werden, dass ein herzhafter Widerstand auch den gestreckten Arm eines Despoten beugen, heldenmütige Beharrung
seine schrecklichen Hilfsquellen endlich erschöpfen kann (...)
Hier ein friedfertiges Fischer- und Hirtenvolk in einem vergessenen Winkel Europens, den es noch mühsam der Meeresflut abgewann; die See sein Gewerbe, sein Reichtum und seine Plage,
eine freie Armut sein höchstes Gut, sein Ruhm, seine Tugend. Dort
ein gutartiges gesittetes Handelsvolk, schwelgend von den üppigen Früchten eines gesegneten Fleißes, wachsam auf Gesetze, die
seine Wohltäter waren (...) Die neue Wahrheit, deren erfreuender
Morgen jetzt über Europa hervorbricht, wirft einen befruchtenden
Strahl in diese günstige Zone, und freudig empfängt der freie Bürger
das Licht, dem sich gedrückte traurige Sklaven verschließen. Ein
fröhlicher Mutwille, der gerne den Überfluss und die Freiheit be-
130
HEINRICH VON KLEIST
1
SCHNELLÜBERSICHT
6.
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
3
TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
PRÜFUNGSAUFGABEN
MIT MUSTERLÖSUNGEN
Unter www.königserläuterungen.de/download finden Sie im Internet
zwei weitere Aufgaben mit Musterlösungen.
Die Zahl der Sternchen bezeichnet das Anforderungsniveau
der jeweiligen Aufgabe.
Aufgabe 1 *
Analysieren und interpretieren Sie das Ende des elften
Auftritts (V. 1827–1908).
Mögliche Lösung in knapper Fassung:
ANALYSE
Das Ende des elften Auftritts gehört zu den zentralen Textstellen der
Komödie. Mit der lange vorbereiteten Entlarvung Adams als des eigentlichen Täters erreicht das Drama hier seinen Spannungshöhepunkt, wobei die Aufmerksamkeit nicht auf eine Was-Spannung
(Wer ist der Täter?), sondern auf eine Wie-Spannung (Wie wird
Adam als Täter entlarvt?) gelenkt wird.
Der Dorfrichter Adam ist im Verlauf des elften Auftritts, nachdem der Schreiber Licht mit der neuen Zeugin Frau Brigitte und
der von ihr gefundenen Perücke ins Gericht zurückgekehrt war, immer mehr in Bedrängnis und Erklärungsnot geraten. Seine letzte
aberwitzige Ausflucht, den Teufel als möglichen Täter anklagen zu
wollen, wird vom Gerichtsrat abgewehrt, der den Richter nun auffordert, den Prozess rasch zu beenden. Licht nutzt die Situation aus,
offenbart Adams widersprüchliche Erzählungen in Bezug auf die
Perücke und setzt dem Richter die von Frau Brigitte angeblich im
Spalier vor Frau Marthes Haus gefundene Perücke mit den Worten
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HEINRICH VON KLEIST
4
REZEPTIONSGESCHICHTE
5
MATERIALIEN
6
PRÜFUNGSAUFGABEN
„Die Perücke passt Euch doch, mein Seel, / Als wär auf Euren Scheiteln sie gewachsen“ (V. 1859), auf den Kopf. Walter drängt Adam,
der sich hier überraschenderweise gerichtskonform verhält, indem
er darauf hinweist, dass dies kein Beweis sei, nochmals, ein Urteil
zu fällen und die Sitzung zu beenden. Während die Prozessparteien
Adam bereits als möglichen eigentlichen Täter angreifen, fällt dieser das Urteil, erklärt Ruprecht zum Schuldigen und verurteilt ihn
zu einer Gefängnisstrafe. Walter ist damit zufrieden, weist aber Ruprecht darauf hin, dass er gegen dieses Urteil Einspruch in Utrecht
erheben kann. Eve jedoch ist von dem Urteil so schockiert, dass sie
endlich ihr Schweigen bricht und Adam als den eigentlichen Täter
anklagt: „Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt, / Er selber war’s
(...) / Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!“ (V. 1890–1893)
Während Walter verzweifelt versucht, die Ordnung im Gericht aufrecht zu erhalten, wird Eve immer wilder und fordert Ruprecht auf,
den Richter „von dem Tribunal herunter“ zu ‚schmeißen‘ (V. 1899).
Adam ergreift im letzten Moment die Flucht, Ruprecht packt nur
noch seinen Mantel und prügelt auf den Mantel ein.
In dem Textauszug kehren sich auf mehreren Ebenen die Verhältnisse zwischen den Figuren um, was sich besonders deutlich an
einem veränderten Verhalten fast aller Personen bemerkbar macht.
So zeigt zum Beispiel Licht ein im Vergleich zum vorherigen Verlauf
des Dramas umgekehrtes Verhalten: Der Protokollant, der sich bis
dahin als überkorrekter Beamter dargestellt und allenfalls ein paar
Bemerkungen von sich gegeben hat, aus denen sich hat schließen
lassen, dass er Adam in Verdacht hatte, überschreitet deutlich seine
Kompetenzen, indem er vor allen Leuten Adam verrät und ihm die
Perücke auf den Kopf setzt. Adam hingegen, den man bis dahin nur
als korrupten Lügner kennengelernt hat, der sein Richteramt kaum
ernst nimmt und vor allem für persönliche Zwecke missbraucht, ist
in dieser Situation der Einzige, der sich an die Regeln der Justiz
DER ZERBROCHNE KRUG
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INTERPRETATION
1
SCHNELLÜBERSICHT
RESÜMEE
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HEINRICH VON KLEIST:
LEBEN UND WERK
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TEXTANALYSE UND
-INTERPRETATION
hält, indem er vorschlägt, man möge ihn bei der nächsthöheren Instanz verklagen. Auch Walter – von seinem bisherigen Auftreten her
der unbestechliche Sachwalter der Gerechtigkeit und des Einhaltens der Formalitäten – überschreitet seine Kompetenzen, wenn er
Adam mehrmals auffordert, ein Urteil zu fällen. In dieser Situation
geht es ihm ausschließlich um die „Ehre des Gerichts“ (V. 1841)
und um die Aufrechterhaltung der Ordnung. Am deutlichsten ist die
Umkehrung der Verhältnisse jedoch bei Eve zu bemerken. Nachdem sie zuvor über den Sachverhalt geschwiegen und der Leser
bzw. der Zuschauer sie als armes Opfer eines Machtmissbrauchs
wahrgenommen hat, bricht sie hier nicht nur ihr Schweigen – offenbar aus Liebe zu Ruprecht –, sondern wird geradezu wild, wenn sie
sogar zum Umsturz der Machtverhältnisse aufruft. Angesichts dieser unerhörten Ereignisse wird sogar der vorher immer korrekte
Gerichtsrat ausfällig, wenn er im Stile Adams flucht: „Zum Henker, ja!“ (V. 1887), oder Eve anschreit: „Du hörst’s, zum Teufel!
Schweig!“ (V. 1891)
Für einen Moment ist die Autorität des Gerichts massiv gestört,
wenn nicht sogar aufgehoben, und daran sind insbesondere auch
die Vertreter der Justiz, und zwar sowohl Adam als auch Licht und
Walter beteiligt. Ruprechts zuvor geäußerte Frage, ob womöglich
„der Teufel (...) in dem Gerichtshof“ wohne (V. 1784 f.), wird damit
in gewisser Weise bestätigt. Auch Adams Aussage, dass der Teufel
sich womöglich einer Perücke bediene, „um sich / Den Honoratioren beizumischen“ (V. 1837 f.), bekommt so auf einer höheren
Verständnisebene einen neuen Sinn: Das Gericht bzw. die Würdenträger der Gesellschaft sind des Teufels. Nicht nur an Adam, auch
an Licht und Walter wird dies bestätigt.
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HEINRICH VON KLEIST
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