Herbert Möller Zahlgenese Kompass-Buch Prof. a. D. Dr. H. Möller Mathematisches Institut der Universität Einsteinstr. 62, D-48149 Münster E-Mail: [email protected]. WWW: http://www.math.uni-muenster.de/u/mollerh (Die Webseite hat den Namen Mathkompass, mit dem sie auch im Folgenden zitiert wird). Dieses Buch wurde mit Texteditor αlphaX von Pete Keleher und für die PdfErzeugung mit dem Satzsystem TeXShop 2 (Entwicklung koordiniert von Richard Koch, Dirk Olmes und Gerben Wierda) auf Macintosh-Computern hergestellt. αlphaX ist ein Shareware-Programm (http://www.kelehers.org/alpha), TeXShop 2 ist ein GNU Public Licence Programm (http://www.uoregon.edu/~koch/texshop). Macintosh ist ein Warenzeichen der Apple Computer, Inc. c 2011 Herbert Möller. 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Peano (1891) festgelegt, und die schrittweise Erweiterung zu den jeweils umfassenderen Bereichen der ganzen, rationalen, reellen und komplexen Zahlen erfolgt stets nach dem 1867 von H. Hankel formulierten “Permanenzprinzip” in der Weise, dass alle in dem vorhergehenden System geltenden Rechengesetze auch in dem nächsthöheren Bereich erfüllt sind. Unterrichtserfahrungen und empirische Untersuchungen haben ergeben, dass diese Vorgehensweise nur zu einem kleinen Teil auf den Mathematikunterricht übertragen werden kann. Insbesondere sind die Probleme, die bei der Einführung beziehungsweise Präzisierung der einzelnen Zahlbereiche auftreten, recht genau bekannt. In der neueren didaktischen Literatur zu diesem Thema ([12]) findet man auch Lösungsversuche. Da als “Basistheorie” bisher nur der oben beschriebene Aufbau entwickelt wurde, ist der Rahmen für Veränderungen sehr eng. Der einzige größere Unterschied besteht darin, dass nach den natürlichen Zahlen zuerst Brüche und Bruchzahlen behandelt werden, während die Einführung der ganzen Zahlen zusammen mit den rationalen Zahlen erfolgt. Das Hauptziel dieser Darstellung ist die Ausarbeitung von Lösungsansätzen für die bekannten Probleme bei der Behandlung aller fünf Zahlbereiche im Unterricht. Überraschenderweise entsteht dabei eine neue konsistente Basistheorie, deren Besonderheiten schon hier skizziert werden sollen. Da die natürlichen Zahlen das Fundament eines gewaltigen Gebäudes bilden, sollten sie in der Schule nicht nur durch den inhaltsleeren Rahmen eines Axiomensystems vorgegeben werden. Vier “Postulatgruppen”, die von unserer Erfahrung ausgehen und die sich auf konkrete Objekte beziehen, erweisen sich als gut motivierte didaktische Lösung. Ihre Leistungsfähigkeit ergibt sich daraus, dass die bisher verwendeten Axiome aus ihnen als Sätze folgen. Die Brüche lassen sich im Unterricht didaktisch befriedigend behandeln, wenn sie als “verallgemeinerte Quotienten” von natürlichen Zahlen aufgefasst werden. 3 4 Vorwort Der Übergang zu den eindeutigen “Kernbrüchen” bildet jedoch in dieser Altersstufe ein schwieriges Problem. Einerseits hat es sich herausgestellt, dass die in der Mathematik verwendeten unendlichen Äquivalenzklassen als Arbeitsobjekte nicht für den Mathematikunterricht geeignet sind, und andererseits steht bisher für die sechste Klasse kein angemessenes Verfahren zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers zur Verfügung. Mit Hilfe von vereinfachten Kettenbrüchen kann jetzt zu jedem Bruch der zugehörige Kernbruch ohne Kürzen bestimmt werden. In der Form eines Spiels lässt sich auf diesem Wege sogar der euklidische Algorithmus für den größten gemeinsamen Teiler erschließen. Die Konstruktion der ganzen Zahlen und der rationalen Zahlen erfolgt durch Übertragung der bei den Brüchen verwendeten Vorgehensweise mit einer Methode, die “Nachahmung” genannt wird. Damit ergibt sich in natürlicher Weise eine gute Motivationsmöglichkeit und eine drastische Reduzierung der Fallunterscheidungen. Das gravierende Problem der vierfachen Bedeutung des Minuszeichens wird in der Einführungsphase durch die Verwendung von drei verschiedenen Minuszeichen zur Gewöhnung an die “Kontextabhängigkeit” gemildert. Da die reellen Zahlen als Dezimalzahlen ohne Neunerperiode durch einen Messprozess gewonnen werden, sind sie genügend konkret. Mit Ideen aus der Elementaranalysis [8] gelingt auch die genetische Behandlung der Verknüpfungen und der Vollständigkeit unter Verwendung von “geometrischen Fundamentalfolgen”. Die komplexen Zahlen werden - wie schon lange üblich - als Paare reeller Zahlen eingeführt, wobei die Elementaranalysis die Motivation der Verknüpfungen und die elementare Herleitung des “Fundamentalsatzes der Algebra” liefert. Die Brüche (mit Zähler und Nenner), die zu den ganzen Zahlen führenden (Bi-) Differenzen (mit Minuend und Subtrahend) und die Paare der komplexen Zahlen (mit Realteil und Imaginärteil) haben die “Zweiteiligkeit” gemeinsam. Deshalb wird für diese drei Objekte in der Zahlgenese der Oberbegriff “Duo” verwendet, den eine Studentin mit den Fächern Mathematik und Musik vorgeschlagen hat. Havixbeck, im August 2011 Herbert Möller Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Inhaltsverzeichnis 5 1 Einleitung 9 1.1 1.2 Das Zahlensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1.1 Kurze Darstellung der historischen Entwicklung . . . . . . 9 1.1.2 Die natürlichen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.3 Die ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.1.4 Die rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1.5 Die reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1.6 Die komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kritische Bemerkungen zur Behandlung der Zahlbereiche in der Mathematikausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2.1 Die axiomatische Methode und die natürlichen Zahlen . . . 17 1.2.2 Die ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2.3 Die positiven rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2.4 Die rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.5 Die reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.6 Die komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2 Die natürlichen Zahlen 2.1 23 Vier grundlegende Postulatgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1.1 23 Mengen und Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 Inhaltsverzeichnis 2.1.2 2.2 2.3 2.4 Endliche C-Mengen und Anfänge . . . . . . . . . . . . . . 27 Das Zählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2.1 Die Nachfolgerabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2.2 Die Beweissätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Rekursive Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.3.1 Der Rekursionssatz von Dedekind . . . . . . . . . . . . . 33 2.3.2 Anwendungen des Rekursionssatzes . . . . . . . . . . . . . 35 Eigenschaften der Addition und der Multiplikation in N . . . . . . 38 2.4.1 Addition und Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.4.2 Multiplikation und Kürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.4.3 Allgemeine Assoziativität und Potenzen . . . . . . . . . . 43 2.4.4 Teilbarkeit und Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3 Brüche und Kernbrüche 3.1 3.2 3.3 3.4 51 Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.1.1 Bedeutung der Brüche und entwickelte Unterrichtskonzepte 51 3.1.2 Einordnung einer Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.1.3 Teilbarkeit, Teiler und Verallgemeinerung der Quotienten . 54 3.1.4 Gleichheit von Brüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Verknüpfungen und Kleinerrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.2.1 Addition von Brüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.2.2 Die Kleinerrelation für Brüche . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.2.3 Subtraktion von Brüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.4 Multiplikation von Brüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.2.5 Division von Brüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Kernbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.3.1 Kleinstbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.3.2 Der Kernbruchalgorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.3.3 Einzigkeit der Kernbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.3.4 “Effizienz” des Kernbruchalgorithmus . . . . . . . . . . . . 70 3.3.5 Zwei Anwendungen des Erweiterungssatzes . . . . . . . . . 73 3.3.6 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche . . . . . . . . . . . 74 Dezimalbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Inhalthaltsverzeichnis 7 4 Ganze und rationale Zahlen 80 4.1 Differenzen und ganze Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.2 Verknüpfungen und Kleinerrelation in Z . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.1 Addition von ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.2 Subtraktion von ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.2.3 Anordnung der ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.4 Multipikation von ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . 90 4.3 Differenzen und rationale Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.4 Verknüpfungen und Kleinerrelation in Q . . . . . . . . . . . . . . 96 4.4.1 Addition von rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.4.2 Subtraktion von rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . 97 4.4.3 Anordnung der rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . 99 4.4.4 Multipikation von rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . 100 4.4.5 Division von rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.4.6 Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5 Reelle Zahlen 5.1 107 Dezimalzahlen und geometrische Konvergenz . . . . . . . . . . . . 107 5.1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . 107 5.1.2 Folgen von Dezimalbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.1.3 Messprozess und Divisionsalgorithmus bei rationalen Zahlen 111 5.1.4 Näherungsbrüche von periodischen Dezimalzahlen . . . . . 113 5.1.5 Geometrische Nullfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.1.6 Geometrische Konvergenz und Grenzwerte . . . . . . . . . 117 5.1.7 Folgen von geometrischen Summen . . . . . . . . . . . . . 118 5.1.8 Einbettung der rationalen Zahlen in R . . . . . . . . . . . 119 5.1.9 Umkehrbar eindeutige Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . 121 5.1.10 Anordnung der reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.2 Geometrische Fundamentalfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.2.1 Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen . . . . . . . 126 5.2.2 Rückkehr nach R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 8 Inhaltsverzeichnis 5.3 5.4 5.2.3 Eine rekursiv definierte Kettenbruchfolge . . . . . . . . . . 135 5.2.4 Definition der Verknüpfungen für reelle Zahlen . . . . . . . 136 5.2.5 Eigenschaften der Limesabbildung . . . . . . . . . . . . . . 137 Eigenschaften der reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.3.1 Der Körpersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.3.2 Verknüpfungs- und Positivitätstreue der Einbettung von Q in R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5.3.3 Vollständigkeit von R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Lückenlosigkeit bei Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5.4.1 Limesvertauschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5.4.2 Zwischenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.4.3 Extremwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6 Komplexe Zahlen 157 6.1 Motivation und Definition der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . 157 6.2 Betrag und Konvergenz in C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.3 Nullstellen von Polynomfunktionen in C . . . . . . . . . . . . . . 163 7 Rückblick 171 Definitions- und Satzverzeichnis 175 Symbolverzeichnis 178 GNU Free Documentation License 179 Literaturverzeichnis 187 Index 188 Kapitel 1 Einleitung 1.1 1.1.1 Das Zahlensystem Kurze Darstellung der historischen Entwicklung Die frühesten erhaltenen Zahlzeichen sind parallele Kerben und Ritzungen aus der Altsteinzeit. Sie haben also ein Alter von mehreren Hunderttausend Jahren. Zeugnisse über Zahlensysteme und Rechenregeln gibt es erst aus den Hochkulturen vor etwa 5000 Jahren. In unsystematischer Form wurden die vier Grundrechenarten genutzt, und Stammbrüche ermöglichten eine einfache Bruchrechnung. Babylonier entwickelten auch Verfahren und Näherungsrechnungen zum Lösen von quadratischen und kubischen Gleichungen. Vor rund 2500 Jahren verwendeten Griechen Buchstaben zur Zahldarstellung. Der Versuch der Pythagoreer, das Universum durch Zahlen und Zahlverhältnisse zu erklären, stellte eine frühe philosophische Anwendung dar. Zu den weiteren Errungenschaften der griechischen Mathematik gehörten Präzisierungen des Zahlbegriffs, einige zahlentheoretische Ergebnisse und eine Vorstufe von irrationalen Zahlen in der Form von “inkommensurablen” Größenverhältnissen der Geometrie. Die positionelle Dezimalnotation, aus der das heutige Dezimalsystem hervorgegangen ist, entstand vor etwa 2000 Jahren in Indien. Insbesondere wurde die Bedeutung der Null erkannt. Außerdem gab es Bezeichnungen und Rechenregeln für “positive” und “negative” Zahlen. Große Teile der griechischen und der indischen Mathematik gelangten über Arabien in das Abendland, wo sie seit dem 13. Jahrhundert vor allem durch meh9 10 Kurze Darstellung der historischen Entwicklung 1.1.1 rere berühmte Rechenbücher verbreitet wurden. Trotz des anschließenden Aufschwungs dauerte es noch mehr als fünfhundert Jahre, bis am Ende des 19. Jahrhunderts die verschiedenen Zahlbegriffe mathematisch fundiert waren. Wegen des rasch gewachsenen Umfangs der Analysis und wegen der dabei entdeckten irritierenden Erscheinungen wurde zunächst versucht, die zugrunde liegenden reellen Zahlen zu präzisieren. Das gelang um 1870 mehreren Mathematikern unabhängig voneinander mit recht unterschiedlichen Methoden ausgehend von den rationalen Zahlen. R. Dedekind 1 verwendete Zweiteilungen, die er “Schnitte” nannte, K. Weierstraß 2 benutzte (in heutiger Sprache) Äquivalenzklassen von Reihen mit nichtnegativen Gliedern und beschränkten Partialsummen, und C. Méray 3 sowie G. Cantor 4 arbeiteten mit Äquivalenzklassen von Folgen, die das Cauchy-Konvergenzkriterium erfüllen und die deshalb jetzt Cauchy-Folgen heißen. Das letzte Verfahren hat sich schließlich durchgesetzt. Damit waren auch die komplexen Zahlen präzisiert, nachdem C. F. Gauß 5 zwischen 1799 und 1831 durch ihre geometrische Deutung als Punkte der “komplexen Zahlenebene” und W. R. Hamilton 6 1835 durch ihre formale Definition als Paare reeller Zahlen mit den zugehörigen Verknüpfungen die Anerkennung der bis dahin “unmöglichen” Zahlen erreicht hatten. Für die Entwicklung der ganzen und der rationalen Zahlen aus den natürlichen Zahlen gab es spätestens um 1860 “algebraische” Methoden. So hat wohl Weierstraß hierfür in seinen unveröffentlichten Vorlesungen als Erster Äquivalenzklassen von Paaren natürlicher Zahlen gebraucht. Also blieb nur noch das Ziel, die natürlichen Zahlen logisch zu begründen und damit der Annahme, dass diese Zahlen und ihre Verknüpfungen “intuitiv” gegeben seien, eine Alternative entgegenzusetzen. Ein 1884 von G. Frege 7 vorgeschlagenes Verfahren stellte sich später als mit Widersprüchen behaftet heraus. Er bezeichnete als Kardinalzahl einer Menge A die Menge aller zu A gleichmächtigen Mengen, führte die Nachfolgerabbildung 1 Richard Dedekind (1831-1916) war Mathematiker in Göttingen und Braunschweig. 2 Karl T. W. Weierstraß (1815-1897) war Mathematiker in Berlin. 3 Charles R. Méray (1835-1911) war französischer Mathematiker. 4 Georg Cantor (1845-1918) war Mathematiker in Halle. 5 Carl Friedrich Gauß (1777-1855) war Mathematiker und Physiker in Göttingen. 6 Sir William Rowan Hamilton (1805-1865) war Mathematiker und Physiker in Dublin. 7 Gottlob Frege (1846-1924) war Mathematiker in Jena. 1.1.2 Die natürlichen Zahlen 11 ϕ ein, erklärte in der Menge aller Kardinalzahlen die Relation des ϕ-Nachfolgers und definierte die natürlichen Zahlen als ϕ-Nachfolger von 0. R. Dedekind veröffentlichte 1888 das Bändchen “Was sind und was sollen die Zahlen? ” [1], dessen wesentliche Teile 1872 bis 1878 entstanden waren. Darin schuf er mit Begriffen, die denen der erst später bekannt gewordenen Mengenlehre von Cantor entsprachen, eine erste vollständige Fundierung der natürlichen Zahlen. Für jede Abbildung ϕ eines “Systems” S in sich führte er die “Kette” von “Dingen” aus S bezüglich ϕ ein und zeigte die Gültigkeit des schon seit langem verwendeten “Induktionsprinzips”. Mit Hilfe von Ketten definierte er “einfach unendliche” Systeme und leitete für diese alle elementaren Sätze der Arithmetik her. Die dabei benötigte Existenz eines unendlichen Systems “bewies” er allerdings, indem er die “Gedanken” als System annahm. Unter anderem wegen dieser unbefriedigenden Voraussetzung verwendete G. Peano 8 in einer 1891 erschienenen Schrift die von Dedekind für einfach unendliche Systeme hergeleiteten Anfangsergebnisse als Axiomensystem für die natürlichen Zahlen und bewies mit Hilfe des von Dedekind gewonnenen Rekursionssatzes, dass alle “Realisierungen” (Modelle) bis auf “Umbenennungen” (Isomorphie) übereinstimmen. Dieses Axiomensystem wurde später nach ihm benannt. Die “Formalisierung” der Mathematik durch die Verwendung der axiomatischen Methode und der Gebrauch der Mengenlehre, die anfangs eine Reihe von “Paradoxien” aufwies, führten in dem Zeitraum von 1900 bis 1930 zu einer “Grundlagenkrise” mit heftigen Auseinandersetzungen, deren extreme Positionen die “Formalisten” und die “Intuitionisten” bildeten. Die sorgfältige Entwicklung der logischen Grundlagen brachte dann zwar größere Sicherheit aber keine objektive Entscheidung. Der in den nächsten Abschnitten skizzierte übliche Aufbau des “Zahlensystems” gehört zur formalistischen Mathematik. 1.1.2 Die natürlichen Zahlen Die natürlichen Zahlen werden in der Mathematik nicht definiert sondern als “gegeben” vorausgesetzt. Die “Axiome” beschreiben nur die benötigten Eigenschaften. So lautet zum Beispiel der Anfang des ersten Abschnitts in [10] (und ganz ähnlich in [6]): Wir setzen die natürlichen Zahlen als gegeben voraus. In diesem Paragraphen sollen die von uns benötigten Eigenschaften dieser Zahlen angegeben werden. Es folgt dann jeweils in zeitgemäßer Formulierung das Peano-Axiomensystem mit drei Grundbegriffen und fünf Axiomen. 8 Giuseppe Peano (1858-1932) war Mathematiker in Turin (Torino). 12 Die ganzen Zahlen 1.1.3 Werden wie in [2] (Seite 13) als Grundbegriffe die Menge N der natürlichen Zahlen, das ausgezeichnete Element 0 ∈ N (die Null ) und die Nachfolgerabbildung S : N → N gewählt, so stecken die ersten vier Peano-Axiome in der Festsetzung, dass S : N → N \ {0} injektiv sein soll. Den Abschluss bildet immer das “Induktionsaxiom”: Ist M eine Teilmenge von N mit 0 ∈ M und S(n) ∈ M für alle n ∈ M, so gilt M = N. Um die Addition, die Anordnung und die Multiplikation von natürlichen Zahlen definieren zu können, leitet man mit Hilfe des Induktionsaxioms den grundlegenden Rekursionssatz von Dedekind her. Er unterscheidet sich nur unwesentlich von dem Rekursionssatz auf Seite 33. Der anschließende übliche Aufbau stimmt weitgehend mit den Herleitungen in den Abschnitten 2.3.2 und 2.4.1 bis 2.4.3 überein. Insbesondere ergibt sich mit der Addition + und der Multiplikation ·, dass (N, +) und (N \ {0}, · ) “Halbgruppen” darstellen (Seite 46). Ein Tripel (N0 , 00 , S 0 ) bestehend aus einer Menge N0 , einem ausgezeichneten Element 00 ∈ N0 und einer injektiven Abbildung S 0 : N0 → N0 \ {00 } heißt “PeanoStruktur ”, wenn das entsprechende Induktionsaxiom gilt. Mit Hilfe des Rekursionssatzes lässt sich zeigen, dass es zu jeder Peano-Struktur (N0 , 00 , S 0 ) eine bijektive Abbildung ϕ : N → N0 mit ϕ(0) = 00 und ϕ(S(k)) = S 0 (ϕ(k)) für alle k ∈ N gibt. Das bedeutet, dass die Peano-Struktur (N, 0, S ) bis auf “Isomorphie” eindeutig bestimmt ist. 1.1.3 Die ganzen Zahlen Jede der folgenden “Zahlbereichserweiterungen” führt in dem jeweils “höheren” Zahlbereich eine wünschenswerte, keine Widersprüche ergebende Eigenschaft ein, die der “niedere” Bereich nicht besitzt, während möglichst viele seiner sonstigen Eigenschaften erhalten bleiben. Die Vergleichbarkeit wird durch “isomorphe (das heißt strukturtreue) Einbettung” des niederen Bereichs in den höheren erreicht. Dazu sind insbesondere die Verknüpfungen und Relationen im höheren Bereich so zu definieren, dass ihre Einschränkungen auf den eingebetteten Bereich mit den dort entstandenen Verknüpfungen und Relationen übereinstimmen. Diese eher der Motivation dienende Richtschnur wird “Permanenzprinzip” genannt. Die Addition gilt als die “primäre” Verknüpfung, weil sie sich allein mit der Nachfolgerabbildung und dem Rekursionssatz definieren lässt, während sie bei der Einführung der übrigen Verknüpfungen schon vorhanden sein muss. Deshalb wird in dem Standardwerk [10] zum Zahlensystem und auch in [2] zuerst der 1.1.3 Die ganzen Zahlen 13 Mangel der eingeschränkten Umkehrbarkeit der Addition behoben. Dagegen gibt es in [6] erst bei den reellen Zahlen auch “negative”. Ähnlich wie in [10] erfolgt die Motivation für die Form der ganzen Zahlen in [2] unter der Annahme, dass eine wesentliche Eigenschaft dieser Zahlen bereits bekannt ist: Die systematische Einführung der ganzen Zahlen wird durch folgende Betrachtung motiviert: Jede ganze Zahl lässt sich als Differenz a − b zweier natürlicher Zahlen a und b darstellen. Daher liegt es nahe, die ganze Zahl a − b durch das Paar (a, b) zu beschreiben. Man muss allerdings beachten, dass auch andere Paare (c, d) dieselbe ganze Zahl a−b = c−d beschreiben können, nämlich dann, wenn a + d = b + c ist. Man zeigt, dass die dadurch erklärte Relation auf der Menge aller Paare natürlicher Zahlen eine Äquivalenzrelation ist, für die also Reflexivität, Symmetrie und Transitivität erfüllt sind, und definiert dann die ganzen Zahlen als Äquivalenzklassen zu dieser Relation. Die Menge der ganzen Zahlen wird mit Z bezeichnet. Bei allen Zahlbereichserweiterungen, die mit Äquivalenzklassen erfolgen, werden die Verknüpfungen “repräsentantenweise” definiert, wobei jedesmal die Verträglichkeit mit der entsprechenden Äquivalenzrelation zu zeigen ist. Zum Beispiel lässt sich die Addition für Paare natürlicher Zahlen durch (a, b) + (c, d) : = (a + c, b + d) einführen. Ist (a 0 , b 0 ) zu (a, b) und (c 0 , d 0 ) zu (c, d) äquivalent, so folgt, dass auch (a0 + c 0 , b0 + d 0 ) und (a + c, b + d) äquivalent sind. Also wird die ganze Zahl, die (a + c, b + d) enthält, als die Summe der ganzen Zahlen, die zu (a, b) und (c, d) gehören, definiert. Man sagt: die Definition ist unabhängig von der Auswahl der Repräsentanten. Den natürlichen Zahlen entsprechen die ganzen Zahlen, die ein Paar der Form (a, 0) mit a ∈ N enthalten. Sie heißen positiv , wenn a ∈ N \ {0} gilt, und das Nullelement ist diejenige ganze Zahl, zu der (0, 0) gehört. Die übrigen ganzen Zahlen werden negativ genannt. Die Paare (a, b) und (b, a) mit a 6= b liegen in ganzen Zahlen, die zueinander invers sind. Wird die zu α ∈ Z \ {0} eindeutig bestimmte inverse ganze Zahl mit −α bezeichnet und α − β : = α + (−β) definiert, so erhält man die Anordnung in Z durch die Relation α ≤ β, die damit gleichbedeutend ist, dass β −α einer natürlichen Zahl entspricht. Schließlich führt (a, b) · (c, d) : = (ac + bd, ad + bc) zur repräsentantenunabhängigen Multiplikation in Z. Das Endergebnis stimmt im Wesentlichen mit dem Satz über Z als geordneter Integritätsring (Seite 93) überein. Außerdem wird gezeigt, dass Z durch den geforderten Zusammenhang mit N und durch die gewünschten Eigenschaften bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt ist. 14 1.1.4 Die reellen Zahlen 1.1.5 Die rationalen Zahlen Wie in N ist auch in Z die “Division” als Umkehrung der Multiplikation nur eingeschränkt möglich. Als “Lösung” steht hier spätestens seit dem 16. Jahrhundert eine voll entwickelte Bruchrechnung für positive Brüche zur Verfügung. Insbesondere ist bekannt, dass zwei Brüche ab und dc mit a, b, c, d ∈ N \ {0} genau dann gleich sind, wenn ad = bc gilt. Man zeigt nun, dass die dadurch für entsprechende Paare erklärte Relation auf Z×(Z\{0}) eine Äquivalenzrelation ist, und definiert die rationalen Zahlen als Äquivalenzklassen zu dieser Relation. Die Menge der rationalen Zahlen wird mit Q bezeichnet. Die Definitionen der Verknüpfungen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division erfolgen unmittelbar im Anschluss an die Regeln für Brüche, wobei der Nachweis der Unabhängigkeit von der Auswahl der Repräsentanten jeweils eine einfache Rechnung ist. Den ganzen Zahlen entsprechen die rationalen Zahlen, die ein Paar (a, 1) mit a ∈ Z enthalten. Mit den zugehörigen Verknüpfungen bilden sie einen zu Z isomorphen Unterring von Q, und Q ist bis auf Isomorphie der kleinste Körper mit einem solchen Unterring. Eine rationale Zahl heißt positiv , wenn sie ein Paar enthält, dessen Komponenten beide positiv oder beide negativ sind. Die Menge der positiven rationalen Zahlen wird mit Q+ bezeichnet. Die Anordnung in Q erhält man dann über die Relation α ≤ β, die dadurch erklärt wird, dass β − α ∈ Q+ ∪ {0} ist. Mit der Definition des archimedisch geordneten Körpers (Seite 104) kann das zusammenfassende Ergebnis über rationale Zahlen wie auf Seite 105 formuliert werden. 1.1.5 Die reellen Zahlen Die uneingeschränkte Ausführbarkeit der vier Grundrechenarten in Q (bis auf die Division durch 0) bedeutet, dass alle “linearen” Gleichungen ax + b = 0 mit a ∈ Q \ {0} und b ∈ Q eine “Lösung” x ∈ Q besitzen. Die Entdeckung “inkommensurabler” Strecken durch die Pythagoreer führte später zu der arithmetischen Aussage, dass es “quadratische” Gleichungen gibt, die keine rationale Lösung haben. Die damit festgestellte “Unvollständigkeit” der rationalen Zahlen wird durch die Einführung der reellen Zahlen teilweise behoben. Wie bei den ganzen Zahlen erfolgt die Motivation für die Form der reellen Zahlen mit Hilfe einer als bekannt vorausgesetzten Eigenschaft dieser Zahlen, nämlich, dass sie “Grenzwerte” von Folgen rationaler Zahlen sind. Um solche “konvergenten” Folgen für die Definition benutzen zu können, muss die Konvergenz ohne 1.1.5 Die reellen Zahlen 15 Verwendung von Grenzwerten charakterisiert werden. Die entsprechenden Folgen werden deshalb mit Hilfe des Cauchyschen Konvergenzkriteriums beschrieben: Eine Folge (an )n mit an ∈ Q heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem ε ∈ Q+ ein k ∈ N gibt, sodass |am − an | < ε für alle m, n ∈ N mit m > n ≥ k gilt. Eine rationale Folge (an )n heißt konvergent (in Q), wenn es ein a ∈ Q gibt, sodass zu jedem ε ∈ Q+ ein k ∈ N existiert, mit dem |am − a| < ε für alle m ∈ N gilt, die m ≥ k erfüllen. Die eindeutig bestimmte Zahl a wird Grenzwert der Folge (an )n genannt. Folgen mit dem Grenzwert 0 bezeichnet man als Nullfolgen. Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge, und zwei konvergente Folgen haben genau dann denselben Grenzwert, wenn ihre gliedweise Differenz eine Nullfolge ist. Man zeigt, dass diese Beziehung zwischen beliebigen Cauchy-Folgen eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller rationalen Cauchy-Folgen darstellt, und definiert die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen zu dieser Relation. Die Menge aller reellen Zahlen wird mit R bezeichnet. Als Vorbereitung auf die Definition der Verknüpfungen von reellen Zahlen mit Hilfe von Repräsentanten beweist man, dass die gliedweise Summe und das gliedweise Produkt von Cauchy-Folgen wieder solche Folgen ergeben und dass die Verknüpfungen unabhängig von der Auswahl der Repräsentanten sind. Jeder rationalen Zahl r entspricht diejenige reelle Zahl, die die konstante Folge (r)n enthält. Insbesondere gewinnt man so das 0- und das 1-Element in R. Dann sind (an )n und (−an )n Repräsentanten von zwei zueinander “inversen” reellen Zahlen. Alle von 0 verschiedenen reellen Zahlen enthalten keine Nullfolgen. Ist (an )n Repräsentant von α ∈ R \ {0}, so gibt es also ein k ∈ N mit an 6= 0 für alle n ≥ k. Jede Folge (bn )n mit bn : = a−1 n für n ≥ k ist dann eine Cauchy-Folge, die in der zu α “reziproken” reellen Zahl liegt. Eine reelle Zahl heißt positiv , wenn sie eine Cauchy-Folge (an )n enthält, für die ein η ∈ Q+ und ein k ∈ N existieren, sodass an ≥ η für alle n ≥ k gilt. R+ bezeichnet die Menge der positiven reellen Zahlen. Die Relation α ≤ β, mit der man die Anordnung in R erhält, wird dadurch erklärt, dass β − α ∈ R+ ∪ {0} ist. Das bisherige Ergebnis der Erweiterung lässt sich wie im Körpersatz (Seite 144) zusammenfassen. Üblicherweise verwendet man jedoch die algebraische Formulierung, dass der Körper der reellen Zahlen den geordneten “Restklassenkörper ” des Ringes der rationalen Cauchy-Folgen nach dem “maximalen Ideal ” der rationalen Nullfolgen darstellt. Als gewünschte neue Eigenschaft erhält man die Vollständigkeit der reellen Zahlen, die besagt, dass jede reelle Cauchy-Folge einen reellen Grenzwert besitzt. 16 Die komplexen Zahlen 1.1.6 Außerdem gibt es Aussagen über die isomorphe Einbettung des Körpers der rationalen Zahlen und über die Isomorphie aller Körper, die die Grundeigenschaften der reellen Zahlen als “Axiome” erfüllen. 1.1.6 Die komplexen Zahlen Für alle % ∈ R gilt %2 ∈ R+ ∪ {0}. Damit ist %2 + 1 6= 0, das heißt, die Gleichung x2 + 1 = 0 besitzt keine reelle Lösung. Die Motivation für die Form der Elemente eines neuen Zahlbereichs, in dem diese Gleichung lösbar ist, erfolgt entweder mit einer kurzen Beschreibung der historischen Entwicklung oder mit dem Hinweis auf das allgemeine algebraische Verfahren der “Körperadjunktion”, bei dem zu einem Körper und zu einer unlösbaren Gleichung über diesem Körper durch Hinzunahme geeigneter Elemente ein “Oberkörper ” konstruiert wird, in dem die gegebene Gleichung eine Lösung hat. Da im zweiten Fall die Elemente mit linearen Polynomen zusammenhängen, ist es naheliegend, die komplexen Zahlen als Paare reeller Zahlen einzuführen. Dann ist C : = R × R die Menge der komplexen Zahlen. Nach der folgenden Definition der Verknüpfungen und der Feststellung der Körpereigenschaften werden komplexe Zahlen aber meistens in der “Polynomform” α + β i mit α, β ∈ R und i : = (0, 1) geschrieben. Die Vektorraumstruktur des oben erwähnten Oberkörpers führt zu der Addition (α1 , β1 ) + (α2 , β2 ) : = (α1 + α2 , β1 + β2 ) und mit Zusatzannahmen auch zur Multiplikation (α1 , β1 ) · (α2 , β2 ) : = (α1 α2 − β1 β2 , α1 β2 + α2 β1 ). Mit dem Nullelement (0, 0) und dem Einselement (1, 0) lassen sich für jede komplexe Zahl die inverse Zahl und für (α, β) 6= (0, 0) die reziproke Zahl ausrechnen. Mit diesen Verknüpfungen und ausgezeichneten Elementen bildet C einen Körper, der aber wegen i2 = −1 nicht angeordnet sein kann, weil andernfalls das Quadrat nicht wie −1 negativ wäre. Die isomorphe Einbettung von R in C erfolgt dann durch die Identifizierung von (α, 0) mit α. Umgekehrt gibt es auch Eindeutigkeitsaussagen bis auf Isomorphie für die Erweiterung von R zu C. Im Hinblick auf die einfache Form der komplexen Zahlen ist es sehr überraschend, dass jede nicht konstante Polynomfunktion mit komplexen Koeffizienten in C eine Nullstelle besitzt. Dieser “Fundamentalsatz der Algebra”, der von C. F. Gauß 1815 zum ersten Mal vollständig bewiesen wurde, ermöglicht die krönende Charakterisierung, dass der Körper der komplexen Zahlen “algebraisch abgeschlossen” ist. 1.2.1 Die axiomatische Methode und die natürlichen Zahlen 17 1.2 Kritische Bemerkungen zur Behandlung der Zahlbereiche in der Mathematikausbildung 1.2.1 Die axiomatische Methode und die natürlichen Zahlen Die von D. Hilbert 9 1899 in seinem Buch “Grundlagen der Geometrie” eingeführte und unter anderem in dem 1918 erschienenen Vortragsartikel “Axiomatisches Denken” erläuterte “axiomatische Methode” stellt an ein Axiomensystem, das eine mathematische Teiltheorie (z. B. die Arithmetik oder die Geometrie) begründen soll, die drei Forderungen der Widerspruchsfreiheit, der Vollständigkeit und der Unabhängigkeit. Am Beispiel einer plausiblen Aussage der Arithmetik, die 1878 von G. Cantor formuliert wurde, ergab sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts, dass die ersten beiden Bedingungen nicht erfüllbar sind. Es handelt sich um die folgende “Kontinuumshypothese”: “Jede unendliche Teilmenge der reellen Zahlen ist gleichmächtig mit N oder mit R.” Die Begriffe der “unendlichen” Menge und der “Gleichmächtigkeit” von Mengen werden in diesem Buch auf den Seiten 28 und 25 definiert. Im Rahmen allgemeinerer Untersuchungen konnte K. Gödel 10 1938 zeigen, dass diese Hypothese auf der Basis der heutigen mengentheoretischen Axiomensysteme unwiderlegbar ist, d. h. die Widerspruchsfreiheit lässt sich in diesem Rahmen nicht beweisen. Ein tiefliegendes Ergebnis von P. J. Cohen 11 (1963) besagt, dass die Kontinuumshypothese mit den Axiomen der Mengentheorie unbeweisbar ist, womit die Vollständigkeit des Axiomensystems nicht nachgewiesen werden kann. Die axiomatische Methode zur Grundlegung der Mathematik ist damit fragwürdig geworden. Wegen ihrer bequemen Handhabung wird sie in der Mathematik sicher weiter benutzt. Für einen didaktischen Aufbau des Zahlensystems ist sie jedoch aus mehreren Gründen nicht geeignet: • Das üblicherweise verwendete Peano-Axiomensystem lässt sich nur motivieren, wenn wesentliche Eigenschaften der natürlichen Zahlen schon bekannt sind. 9 David Hilbert (1862-1943) war Mathematiker und Physiker in Königsberg und Göttin- gen. 10 Kurt Gödel (1906-1978) war Logiker und Mathematiker in Österreich und in den USA. 11 Paul Joseph Cohen (1934-2007) war Logiker und Mathematiker in den USA. 18 Die axiomatische Methode und die natürlichen Zahlen 1.2.1 • Die Axiome beschreiben eine Struktur, für die es entweder kein Modell oder unendlich viele Modelle gibt. Insbesondere ist die Interpretation der verwendeten Zeichen und ihrer Verknüpfungen willkürlich. • Werden die Axiome in der Mathematikausbildung verwendet, so schließen sie in keiner Weise an die “Erfahrung” der natürlichen Zahlen in der Primarstufe an. Außerdem wird nur der “Zählaspekt” und nicht der genetisch frühere “Anzahlaspekt” berücksichtigt. Diese und die späteren Kritikpunkte sind nicht neu. H. Freudenthal 12 hat einen großen Teil davon ausführlich im elften Kapitel seines Buches [3] dargelegt. Die Argumente und die sonstige didaktische Arbeit von Freudenthal entwickelten sich zum Vorbild für diese kritische Einleitung, in der aber bei den einzelnen Zahlbereichen nur dann Kritik formuliert wird, wenn das entsprechende Kapitel der Zahlgenese einen ausführlichen Lösungsvorschlag enthält. Ein kurzer Hinweis in diesem Teil bereitet jeweils auf die Ausführung vor. Die eher subjektiven Gründe für die gewählten Vorgehensweisen werden im abschließenden Rückblick (ab Seite 171) genannt. Als didaktische Alternative bei der Fundierung der natürlichen Zahlen bietet sich die “euklidische Methode” an, die viele Jahrhunderte verwendet wurde, bis die axiomatische Methode sie verdrängte. Euklid 13 gründete sein Werk “Die Elemente” (≈325 v. Chr.) auf “Definitionen”, “Postulaten” und “Axiomen”, die alle auf Erfahrungen beruhten. In der Zahlgenese kann der Begriff der Menge und seine Präzisierung mit den Definitionen von Euklid verglichen werden. Die erste Postulatgruppe hat Ähnlichkeit mit den Postulaten von Euklid, weil sie die Forderung enthält, dass bestimmte Mengen bezüglich einer Eigenschaft, die “Kardinalzahl” heißt, vergleichbar sein sollen. Dieses ist die einzige Stelle, an der in diesem Aufbau eine Erfahrung eingeht, die die Menschheit im Laufe von Jahrtausenden gewonnenen hat. Mit der Idee, Zahlen als Eigenschaften von Mengen aufzufassen, folgen wir im Prinzip G. Frege (1884). Die Ermutigung zu der ungewöhnlichen “Fundamentunterfangung” in der Zahlgenese kam unter anderem von F. Klein 14 , der auf Seite 15 von [5] schreibt: Die Tendenz, die Anschauung vollkommen zurückzudrängen und wirklich rein logische Untersuchungen zu erhalten, scheint mir 12 Hans Freudenthal (1905-1990) war Mathematiker und Mathematikdidaktiker in Amsterdam und Utrecht. 13 Euklid von Alexandria (≈365 - ≈300 v. Chr.) war griechischer Mathematiker und Physiker. 14 gen. Felix Klein (1849-1925) war Mathematiker in Erlangen, München, Leipzig und Göttin- 1.2.2 Die ganzen Zahlen 19 restlos doch nicht durchführbar. Ich meine, man muß einen Rest, freilich ein Minimum, von Anschauung immer zurückbehalten; . . . . Die beiden anschließenden Postulatgruppen und das letzte Postulat entsprechen eher den Axiomen bei Euklid. Mit ihrer Hilfe werden alle fünf Peano-Axiome und mehrere Axiome der Mengentheorie von J. von Neumann 15 (1923) im Rahmen von Sätzen gewonnen. Die Definitionen der Addition und der Multiplikation mit dem Rekursionssatz von Dedekind (Seite 33) sowie die Herleitung der Eigenschaften natürlicher Zahlen erfolgen dann wie bei dem üblichen Vorgehen. 1.2.2 Die ganzen Zahlen Für die frühzeitige Einführung der ganzen Zahlen gibt es im Schulunterricht kaum Motivationen aus dem täglichen Leben. Dort treten die entsprechenden Zahlen fast immer als Dezimalzahlen mit Nullen hinter dem Komma auf. In [6] werden negative Zahlen sogar erst nach den positiven reellen Zahlen definiert. Viel schwerwiegender für die betroffene Altersstufe ist die vierfache Bedeutung des Minuszeichens als Subtraktionszeichen bei natürlichen Zahlen, als Vorzeichen der neuen Zahlen, als Inversenzeichen in der entstehenden Gruppe und als Subtraktionszeichen bei den ganzen Zahlen. Durch eine Reihe von Untersuchungen ist bekannt, welche Lernschwierigkeiten und Verwechslungen dadurch verursacht werden. Beide in Hochschullehrbüchern verwendeten Einführungsmethoden sind für Mathematiklernende problematisch: Werden die negativen Zahlen wie in [6] durch neue Symbole definiert, so benötigt man schon für die Definitionen der Addition und der Multiplikation mindestens zehn Fallunterscheidungen, und noch viel mehr Fälle sind bei den Herleitungen der Eigenschaften zu berücksichtigen. Bei der Standardmethode mit Äquivalenzklassen von Paaren natürlicher Zahlen treten zusätzlich zu den im nächsten Abschnitt zitierten Unterrichtsschwierigkeiten zwei grundsätzliche Problem auf. Einerseits erscheinen die Äquivalenzklassen wegen ihrer Unendlichkeit als “kompliziert” und damit als unangemessen für die Darstellung der grundlegenden Zahlen. Andererseits fehlen eindeutige Bezeichnungen, sodass auch der Zusammenhang mit den alltäglichen Namen unklar bleibt. Bei jedem Zahlbereich, der in der Mathematik mit Hilfe von Äquivalenzklassen eingeführt wird, gibt es in allen Klassen “ausgezeichnete Repräsentanten”. Durch Verwendung dieser “Vertreter ” in geeigneter Schreibweise werden die genannten 15 John von Neumann (1903-1957) war Mathematiker in Berlin, Hamburg, Princeton und Los Alamos. 20 Die positiven rationalen Zahlen 1.2.3 Schwierigkeiten bei der Behandlung der positiven rationalen Zahlen, der ganzen Zahlen, der rationalen Zahlen und der reellen Zahlen in der Zahlgenese behoben. Wegen der besseren Vorerfahrungen und Motivationsmöglichkeiten bei den Brüchen ist die Reihenfolge der ersten beiden Zahlbereiche gegenüber dem Vorgehen im Zahlensystem vertauscht. 1.2.3 Die positiven rationalen Zahlen In seinem Buch “Didaktik der Bruchrechnung” (1988, [11]) beschreibt und vergleicht F. Padberg die folgenden vier Methoden zur Einführung der positiven rationalen Zahlen, die im Mathematikunterricht Bruchzahlen oder Kernbrüche genannt weden: das “Größenkonzept”, das “Äquivalenzklassenkonzept”, das “Gleichungskonzept” und das “Operatorkonzept”. Zu dem Äquivalenzklassenkonzept, das in der Hochschulmathematik bevorzugt wird, schreibt er: Der vorstehend skizzierte Weg weist bei einer Behandlung im Unterricht der 6. Klasse jedoch offenkundig schwerwiegende Nachteile auf: - Sowohl die Definition der Bruchzahlen wie auch die der Rechenoperationen erfolgen für die Schüler völlig unmotiviert und rein formal. Die Genese der Begriffe und Definitionen wird völlig unterschlagen. - Es gelingt kaum, Schülern eine anschauliche Vorstellung von den Bruchzahlen und besonders von den Verknüpfungen zu vermitteln (...). - An das Vorwissen der Schüler wird nicht angeknüpft. - Die Einführung der Addition wirkt künstlich. Eine komponentenweise Addition liegt bei diesem Ansatz viel näher. Hierdurch kann ein weit verbreiteter Schülerfehler noch gefördert werden (...). - Die Einführung der Addition und Multiplikation erfolgt anwendungsfern (...), eine Verbindung zu den Anwendungen ist kaum vorstellbar. Daher urteilt Bigalke (1974) über diesen Weg zu Recht: “Der vom formalen Standpunkt aus extremste [Vorschlag] war wohl der, Bruchzahlen als Äquivalenzklassen von Paaren natürlicher Zahlen einzuführen. Obwohl mathematisch einwandfrei, hat er sich in der Schulpraxis jedoch nicht bewährt.” In dem 1995 erschienenen Buch “Zahlbereiche - Eine elementare Einführung” ([12]) von R. Danckwerts, F. Padberg und M. Stein führt F. Padberg die Bruchzahlen dann doch als “Äquivalenzklassen gleichwertiger Brüche” ein, ohne einen Grund für seinen Sinneswandel zu nennen. 1.2.5 Die reellen Zahlen 21 Bei der Behandlung des Übergangs von den Brüchen zu den positiven rationalen Zahlen entsteht im Mathematikunterricht bisher das Problem, die Kernbrüche als Vertreter der jeweils gleichen Brüche zu bestimmen. Die seit langem übliche Methode, Zähler und Nenner so oft wie möglich durch gemeinsame Teiler zu dividieren, ist nicht genetisch, weil dieses Vorgehen entweder ein reines Probierverfahren bleibt oder weil zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers der in dieser Altersstufe nicht begründbare Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie (Seite 48) verwendet wird. Im Vorwort wurde schon erwähnt, dass sich die Kernbrüche in der Zahlgenese ohne Kürzen durch einen vereinfachten “Kettenbruchalgorithmus” in der Form eines Spiels bestimmen lassen. Um die Verknüpfungen für die positiven rationalen Zahlen auf diejenigen von Brüchen zurückführen zu können, wird erstmals ein suggestives Symbol verwendet, das einem beliebigen Bruch den ihm gleichen Kernbruch zuordnet. 1.2.4 Die rationalen Zahlen In neueren Hochschullehrbüchern sind die rationalen Zahlen Äquivalenzklassen ganzer Zahlen. Damit gelten auch hier im Hinblick auf die Übernahme in den Mathematikunterricht die in den letzten beiden Abschnitten genannten Kritikpunkte. Der Übergang von den natürlichen zu den ganzen Zahlen ist beinahe identisch mit der Erweiterung der positiven rationalen zu den rationalen Zahlen. Da die Objekte bei dem ersten Weg einfacher sind und der Zusammenhang sich besser veranschaulichen lässt als bei dem zweiten Vorgehen, bringt die Zahlgenese zuerst die ganzen Zahlen - teilweise als Nachahmung der Einführung der positiven rationalen Zahlen. Für die anschließende Behandlung der rationalen Zahlen wird der vorhergehende Text sogar weitgehend kopiert, sodass sich auch eine entsprechend abgekürzte Durchführung anbietet. In einer höheren Altersstufe können umgekehrt sofort die rationalen Zahlen eingeführt und die ganzen Zahlen als Teilmenge mit verträglichen Verknüpfungen gewonnen werden. 1.2.5 Die reellen Zahlen Von den drei Hochschulmethoden zur Einführung der reellen Zahlen (Dedekindsche Schnitte, Äquivalenzklassen von Intervallschachtelungen und Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen) wurden nur vereinfachte Schnitte für die Definition 22 Die komplexen Zahlen 1.2.6 der positiven reellen Zahlen als Unterrichtsentwurf erarbeitet aber wegen des großen Aufwands und der geringen Anschaulichkeit bald verworfen. Schon F. Klein plädierte unter anderem in [5] für eine einführende Behandlung der reellen Zahlen als Dezimalzahlen (“unendliche Dezimalbrüche”). Dieses Konzept wurde auf verschiedenen Niveaus entwickelt und bis heute beibehalten. Die Zahlgenese übernimmt von der Elementaranalysis [8] einen vollständigen Aufbau in zwei Teilen: Mit der Einbettung der rationalen Zahlen als periodische Dezimalzahlen wird zuerst ein angemessener Konvergenzbegriff gewonnen, der nach der gliedweisen Verknüpfung von Dezimalzahlen zur Entdeckung der “geometrischen Fundamentalfolgen” führt. Damit erscheinen die Dezimalzahlen einerseits als Vertreter von Fundamentalfolgen und andererseits ermöglicht die Zuordnung einer werkzeugartigen Intervallschachtelung zu jeder Fundamentalfolge die genetische Einführung der “Limesabbildung”, mit deren Hilfe die Verknüpfungen definiert und die Körpereigenschaften bewiesen werden. 1.2.6 Die komplexen Zahlen Hier stimmt das Vorgehen in der Hochschule und im Mathematikunterricht schon seit langem weitgehend überein, indem die komplexen Zahlen eindeutig als Paare reeller Zahlen eingeführt werden. Häufig fehlt jedoch eine Motivation für die Definition der Multiplikation. In der Zahlgenese wird ausgehend von der in R unlösbaren Gleichung z 2 = −1 ein elementargeometrischer Zugang sowohl zu der Paarform als auch zu den Verknüpfungen gewonnen. Als Anwendung der reellen Zahlen stehen außerdem die Zwischenwert- und die Extremwerteigenschaft der Polynomfunktionen zur Verfügung. Damit lässt sich der elementare Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra aus der Elementaranalysis durch Elimination der trigonometrischen Funktionen noch weiter vereinfachen (Seite 170). Den dadurch erreichten Höhepunkt möge das folgende Zitat aus dem Hochschullehrbuch [10] (Seite 175) dokumentieren: Der Beweis dieses Satzes führt über den Rahmen dieses Buches hinaus, da er Hilfsmittel erfordert, die erst beim weiteren Aufbau der Infinitesimalrechnung zur Verfügung stehen, und zwar brauchen wir als wesentliches Hilfsmittel den Begriff des Winkelmaßes oder den Integralbegriff. Erst dieser Satz garantiert, daß die Kette der Zahlbereichserweiterungen, die wir durchlaufen haben, einen sachlich begründeten Abschluß gefunden hat. Kapitel 2 Die natürlichen Zahlen 2.1 2.1.1 Vier grundlegende Postulatgruppen Mengen und Kardinalzahlen Die von G. Cantor stammende Festlegung des mathematischen Begriffs der Menge als “Zusammenfassung von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen” braucht für diesen Aufbau nur wenig verschärft zu werden, um Widersprüche zu vermeiden. Die einzige Menge, von der wir in der Mathematik ausgehen können, ist die leere Menge, die mit ∅ bezeichnet wird. Um eine weitere Menge zu erhalten, haben wir zunächst nur die Möglichkeit der “Klammerung” {∅}, wobei hier und auch später im Anschluss an Cantor die geschweiften Klammern verwendet werden, um eine Menge aufzuschreiben, deren Elemente gegeben oder bekannt sind. Insbesondere ist also mit der grundlegenden Elementbeziehung ∅ ∈ {∅}. Sollen auf diese Weise neue Mengen entstehen, so muss eine erste Forderung aufgestellt werden: Ist M eine Menge, so bildet {M} eine von M verschiedene Menge. Da die Mengengleichheit durch das wechselseitige “elementweise Enthaltensein” erklärt wird, folgt {M} ∈ / M (Negation der Elementbeziehung), weil sich andernfalls wegen M ∈ {M} ein Widerspruch zur Bedingung {M} = 6 M ergeben würde. Das elementweise Enthaltensein führt zum Begriff der Teilmenge T einer Menge M (in Zeichen: T ⊆ M) und der echten Teilmenge T von M (in Zeichen: T ⊂ M), wenn es ein x ∈ M mit x ∈ / T gibt. In der Namensgebung steckt schon die Forderung, dass jede Teilmenge einer Menge selbst eine Menge sein soll. Das 23 24 Mengen und Kardinalzahlen 2.1.1 elementweise Enthaltensein ergibt unmittelbar die Transitivität der Teilmengenbeziehung: Für Mengen A, B, C folgt aus A ⊆ B und B ⊆ C, dass A ⊆ C gilt. Als Teilmengen sind auch der Durchschnitt M ∩ N und die Differenz M \ N (nämlich alle Elemente von M, die nicht in N liegen) Mengen, wenn M und N beliebige Mengen darstellen. Ebenso soll ihre Vereinigung M ∪ N eine Menge sein. Die Zusammenfassung aller Teilmengen einer Menge M ist auch als Menge anzusehen. Sie wird Potenzmenge von M genannt und aus folgenden Gründen mit 2M bezeichnet. Nehmen wir die natürlichen Zahlen und ihre Rechengesetze als schon bekannt an, so wird in der Kombinatorik gezeigt, dass für jede natürliche Zahl n und für jedes k ∈ {0, . . . , n} die Anzahl der k-elementigen Teilmengen n k n! : = k! (n−k)! k Pn n gegeben wird. Als Spezialfall der Binomialformel (1 + x)n = k=0 k x für einer n-elementigen Menge M durch den Binomialkoeffizienten x = 1 folgt, dass 2n die Elementzahl der Potenzmenge von M ist. Ersetzen der Elementzahl n durch die zugehörige Menge M ergibt dann die zur Bezeichnung “Potenzmenge” passende Schreibweise 2M . Eine letzte Mengenoperation benötigen wir, um Abbildungen zwischen zwei Mengen ausschließlich mit mengentheoretischen Begriffen einführen zu können. Sind M und N Mengen, so ist zwar {x, y} mit x ∈ M und y ∈ N als Teilmenge von M ∪ N eine Menge, aber die Reihenfolge von x und y liegt nicht fest. Definiert man durch (x, y) : = {{x}, {x, y}} ein Paar, so haben zwei Paare (u, v) und (x, y) die gewünschte Eigenschaft, genau dann gleich zu sein, wenn u = x und v = y gilt. Zu zwei Mengen M und N wird die Menge M × N : = {P ⊆ 2M∪N | Es gibt x ∈ M und y ∈ N mit P = (x, y)} als Produktmenge von M und N bezeichnet. In dieser Mengendarstellung wurde als weitere Konvention über das Aufschreiben von Mengen der senkrechte Strich | zwischen den Mengenklammern verwendet: links von ihm stehen Elemente oder Teilmengen einer bekannten Menge, rechts davon aussondernde Eigenschaften oder Bedingungen. Damit können wir die ersten Definitionen formulieren. Definition der Abbildung und der bijektiven Abbildung a) Sind M und N Mengen, so heißt eine Teilmenge T von M × N Abbildung von M nach N , wenn Folgendes gilt: i) Zu jedem x ∈ M gibt es ein y ∈ N , sodass (x, y) ∈ T ist. 2.1.1 Mengen und Kardinalzahlen 25 ii) Ist x ∈ M und sind y, z ∈ N mit (x, y) ∈ T und (x, z) ∈ T , so muss y = z sein. b) Eine Abbildung T von M nach N heißt bijektiv, wenn zu jedem y ∈ N genau ein x ∈ M existiert, sodass (x, y) ∈ T ist. Da y durch x “eindeutig bestimmt” ist, wird an Stelle von T ein Abbildungssymbol (im Folgenden meistens f, g, h oder ein kleiner griechischer Buchstabe) verwendet und z. B. f : M → N , x 7→ y geschrieben, wobei f : M → N für T ⊂ M × N und x 7→ y oder x 7→ f (x) für (x, y) ∈ T steht. Wenn klar ist, um welche Abbildung es sich handelt, werden auch nur Teile der Abbildungsbeschreibung verwendet, z. B. f, f : M → N oder x 7→ f (x). Mit f (M) wird die Bildmenge {y ∈ N | Es gibt ein x ∈ M mit y = f (x)} bezeichnet. Mit Hilfe der folgenden Definition können Mengen verglichen werden. Die anschließende erste Postulatgruppe sondert aus den Mengen diejenigen aus, die sich vergleichen lassen und die dann C-Mengen genannt werden. Definition der Gleichmächtigkeit von Mengen Zwei Mengen M und N heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung von M nach N gibt. Kardinalzahlpostulate a) Jede C-Menge A hat eine Eigenschaft - Kardinalzahl von A genannt und card A abgekürzt -, die mit Hilfe der Gleichmächtigkeit von Mengen auf folgende Weise verglichen werden kann, wobei B eine C-Menge sei: i) card A = card B gilt definitionsgemäß, wenn A und B gleichmächtig sind; ii) card A ≤ card B gilt definitionsgemäß, wenn es eine Teilmenge von B gibt, die zu A gleichmächtig ist; iii) card A < card B gilt definitionsgemäß, wenn card A ≤ card B und nicht card A = card B erfüllt ist. b) Sind A und B beliebige C-Mengen, so gilt stets genau eine der Relationen card A < card B oder card A = card B oder card B < card A. 26 Mengen und Kardinalzahlen 2.1.1 Wie üblich werden die Zeichen ≤ bzw. < “kleiner oder gleich” bzw. “kleiner” gelesen. An Stelle von card A ≤ card B bzw. card A < card B schreibt man auch card B ≥ card A bzw. card B > card A (und liest: “größer oder gleich” bzw. “größer”). Die Forderung b) wird Trichotomie genannt. Die Transitivität der Teilmengenbeziehung ergibt nun die Transitivität des Kardinalzahlvergleichs: (2.1) card A ≤ card C für alle C-Mengen A, C, zu denen es eine C-Menge B mit card A ≤ card B und card B ≤ card C gibt. Erzeugungspostulate a) ∅ ist eine C-Menge. b) Alle Mengenbildungen, die für Mengen eingeführt wurden (Klammerung, Teilmenge, Durchschnitt, Differenz, Vereinigung, Potenzmenge und Produktmenge), ergeben zu C-Mengen wieder C-Mengen. Die Bezeichnung “C-Menge” soll auf die lateinischen Ursprünge “cardinalis” und “comparabilis” der Wörter “Kardinalzahl” sowie “comparable” hinweisen und daran erinnern, dass Cantor unter anderem in dem folgenden Satz über Potenzmengen diese Mengeneigenschaften verwendete. Potenzmengensatz Für jede C-Menge B gilt card B < card 2B . Beweis i) Ist B die leere Menge ∅, so gilt card ∅ < card {∅} wegen des Erzeugungspostulats b) und aufgrund unserer obigen Mengenfestlegung. ii) Für B 6= ∅ setzen wir B 0 : = T ∈ 2B | Es gibt x ∈ B mit T = {x} . Dann ist B 0 ⊂ 2B und card B 0 = card B. Damit folgt card B ≤ card 2B . iii) Ein indirekter Schluss ergibt, dass das Gleichheitszeichen ausgeschlossen ist. Wäre nämlich card B = card 2B , so gäbe es eine bijektive Abbildung f : B → 2B , mit der wir die Teilmenge U : = {x ∈ B | x ∈ / f (x)} von B definieren könnten. Wegen der Surjektivität von f würde ein x0 ∈ B mit f (x0 ) = U existieren. Für ein solches x0 ergäbe sich der Widerspruch, dass x0 ∈ U genau dann gilt, wenn x0 ∈ / U erfüllt ist. 2.1.2 2.1.2 Endliche C-Mengen und Anfänge 27 Endliche C-Mengen und Anfänge Wie im ersten Teil des Beweises für den Potenzmengensatz gilt card ∅ < card {∅} und card {∅} < card {∅, {∅}}. Da ∅ das einzige Element von {∅} ist, gibt es keine Kardinalzahl c mit card ∅ < c und c < card {∅}. Deshalb führen wir für diese beiden Kardinalzahlen die in unserem Kulturkreis gebräuchlichen Abkürzungen ein: 0 : = card ∅ und 1 : = card {∅}. Dann ist auch card {M} = 1 für jede von ∅ verschiedene C-Menge M, weil {∅} und {M} definitionsgemäß einelementig also gleichmächtig sind. Insbesondere ist card {∅} = card {{∅}}. Damit gibt es keine Kardinalzahl d mit card {∅} < d und d < card {∅, {∅}}, weil die Potenzmenge von {∅, {∅}} aus den C-Mengen ∅, {∅}, {{∅}} und {∅, {∅}} besteht. Wegen ∅ = 6 {∅} ist {∅, {∅}} zweielementig, und wir schreiben 2 : = card {∅, {∅}}. Für beliebige C-Mengen M und N mit M = 6 N ist {M, N } gleichmächtig zu {∅, {∅}}, sodass also card {M, N } = 2 gilt. Offensichtlich ist dieser Weg zu den “natürlichen Zahlen” sehr mühsam. Es wäre günstiger, wenn wir die natürlichen Zahlen als Kardinalzahlen geeigneter CMengen schon hätten und nur den Übergang von einer natürlichen Zahl zur nächsten betrachten müssten. Damit stellt sich das Problem, diese C-Mengen ohne Rückgriff auf die natürlichen Zahlen zu beschreiben. Bei der Lösung tritt eine Besonderheit der Mathematik zu Tage. Obwohl aufgrund des gegenwärtigen Standes der Naturwissenschaften bei der Beschreibung unseres Universums überall das Vorliegen größter Zahlen angenommen wird (z. B. als Alter höchstens 14·109 Jahre und als Gesamtmasse ca. 1056 Gramm), geht man in der Mathematik davon aus, dass die natürlichen Zahlen eine C-Menge bilden, deren Kardinalzahl größer ist als alle natürlichen Zahlen. Damit werden zwei Typen von C-Mengen unterschieden: diejenigen, deren Kardinalzahl eine natürliche Zahl ist, heißen “endlich”, die übrigen “unendlich”. Auf diese Weise können aber keine endlichen bzw. unendlichen C-Mengen definiert werden, weil die Menge der natürlichen Zahlen noch nicht bekannt ist. Hier hilft eine Idee von R. Dedekind (1888), die auch im Nachlass von B. Bolzano 1 (1851) gefunden wurde. Beide bemerken, dass unendliche Mengen sich dadurch auszeichnen, dass sie zu echten Teilmengen gleichmächtig sind. 1 Bernard Bolzano (1781-1848) war Mathematiker und Philosoph in Prag. 28 Endliche C-Mengen und Anfänge 2.1.2 Definition der endlichen und der unendlichen Menge Eine Menge heißt endlich, wenn sie keine zu ihr gleichmächtige echte Teilmenge enthält. Andernfalls heißt sie unendlich. Die Kardinalzahlen der endlichen Mengen werden natürliche Zahlen genannt, wobei also postuliert wird, dass alle endlichen Mengen C-Mengen sind. Von der Zusammenfassung aller natürlichen Zahlen nehmen wir auch an, dass sie eine C-Menge darstellt. Zugehörigkeitspostulate a) Alle endlichen Mengen sind C-Mengen. b) Die Zusammenfassung N (nach DIN 1302) der Kardinalzahlen aller endlichen Mengen ist eine C-Menge. Es ist sicher nicht günstig, für den Nachweis der Endlichkeit einer C-Menge M alle echten Teilmengen von M untersuchen zu müssen. Da wir durch die Kardinalzahlpostulate die “Anordnung” der natürlichen Zahlen bereits zur Verfügung haben, können wir durch An : = {m ∈ N | m < n} für jedes n ∈ N eine als “Repräsentant” geeignete Teilmenge von N definieren, von der wir der Anschauung entsprechend postulieren dürfen, dass card An = n gilt. Die C-Menge An heißt n-Anfang von N. In vielen Lehrbüchern werden die Anfänge zur Einführung der natürlichen Zahlen als Kardinalzahlen endlicher Mengen verwendet. Diese Vorgehensweise ist jedoch “tautolog”, weil die natürlichen Zahlen schon bekannt sein müssen, wenn man bei der Definition der Endlichkeit einer Menge die Gleichmächtigkeit zu einem Anfang verwenden will. Das folgende starke Postulat löst deshalb sowohl das “Repräsentantenproblem” als auch das “Tautologieproblem”. Darüber hinaus werden wir mit seiner Hilfe die fünf Axiome, mit denen Peano die natürlichen Zahlen begründete, in der Form von zwei Sätzen erhalten. Anfängepostulat Für jedes n ∈ N gilt card An = n. Als erste Anwendung des Anfängepostulats zeigen wir, dass N unendlich ist. Wäre nämlich N endlich und m : = card N ∈ N, so würde für den zu N gleichmächtigen 2.2.1 Die Nachfolgerabbildung 29 Anfang Am folgen, dass Am wegen m ∈ / Am eine echte Teilmenge von N darstellt. Definitionsgemäß ergäbe sich damit im Widerspruch zur Annahme die Unendlichkeit von N. Analog erkennen wir, dass card An < card N für alle n ∈ N erfüllt ist. Damit haben wir den folgenden Satz: Unendlichkeitssatz Die C-Menge N der natürlichen Zahlen ist unendlich, und es gilt n < card N für alle n ∈ N. 2.2 2.2.1 Das Zählen Die Nachfolgerabbildung Zur genetischen Herleitung derjenigen Eigenschaften der natürlichen Zahlen, die in den Axiomen von Peano (Seite 12) festgehalten sind, fangen wir mit der C-Menge N an. Bei der obigen Einführung der natürlichen Zahlen 0, 1 und 2 haben wir schon erkannt, dass 0 eine “ausgezeichnete” Kardinalzahl ist, weil der Aufbau damit begonnen wird, während 1 mit Hilfe einer Mengenverknüpfung aus 0 entsteht und 2 durch eine ähnliche Verknüpfung aus 1 hervorgeht. Nun wollen wir auch die “Nachfolgerabbildung” explizit angeben. Beachten wir die Mengengleichheiten {∅} = ∅ ∪ {∅} und {∅, {∅}} = {∅} ∪ {{∅}}, so ist es naheliegend, zu der Kardinalzahl card E einer endlichen C-Menge E den “Nachfolger” durch card (E ∪ {E}) zu definieren. Dazu müssen wir aber zuerst klären, ob E ∪ {E} eine endliche C-Menge ist. Wegen {E} ∈ / E ist E eine echte Teilmenge von E ∪{E}. Also gilt card E ≤ card (E ∪{E}). Wäre card E = card (E ∪ {E}), so müsste E ∪ {E} zu der echten Teilmenge E gleichmächtig sein. Damit wäre E ∪ {E} unendlich - im Widerspruch zur Annahme und zur vorausgesetzten Endlichkeit von E. Also gilt (2.2) card E < card (E ∪ {E}) für alle endlichen Mengen E. Die echten Teilmengen F von E ∪ {E} sind E und jede Menge der Form G ∪ {E}, wobei G eine echte Teilmenge von E darstellt. Da im zweiten Falle G identisch nach E abgebildet werden kann und {E} sich einem Element von E \ G zuordnen läßt, folgt (2.3) card F ≤ card E für alle echten Teilmengen F von E ∪ {E}. 30 Die Nachfolgerabbildung 2.2.1 Zusammen mit (2.2) ergibt sich also, dass die C-Menge E ∪ {E} endlich ist, weil sie zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig sein kann. Wegen E ∪ {E} = 6 ∅ ist sogar card (E ∪ {E}) ∈ N \ {0} für alle endlichen Mengen E. Damit können wir die Nachfolgerabbildung durch ν : N → N \ {0} , card E 7→ card (E ∪ {E}) definieren. Es lässt sich leicht erkennen, dass hier eine “wohldefinierte” Abbildung vorliegt, d. h. die Zuordnung ν(card E) : = card (E ∪ {E}) ist unabhängig von der Wahl der C-Menge E. Stellt nämlich E 0 eine zu E gleichmächtige C-Menge dar, so kann die bijektive Abbildung von E nach E 0 durch die Zuordnung {E} 7→ {E 0 } zu einer bijektiven Abbildung von E ∪ {E} nach E 0 ∪ {E 0 } erweitert werden, weil auch {E 0 } ∈ / E 0 gilt. Der folgende wichtige Satz enthält zwei weitere motivierende Eigenschaften von ν und eine Umformulierung der ersten vier Axiome von Peano. Im Folgenden verwenden wir stets die Abkürzungen Nk : = N \ Ak mit k ∈ N und k > 0. Nachfolgersatz Die wohldefinierte Nachfolgerabbildung ν : N → N1 , card E 7→ card (E ∪ {E}) hat folgende Eigenschaften: a) (Zunahme) Für jedes m ∈ N ist m < ν(m). b) (Lückenlosigkeit) Ist m ≤ n ≤ ν(m) für m, n ∈ N, so gilt n = m oder n = ν(m). c) (Anfängetreue) Für jedes m ∈ N ist Aν(m) = {0} ∪ ν(Am ) = Am ∪ {m}. d) (Bijektivität) Die Nachfolgerabbildung ist bijektiv. Beweis a) Diese Aussage ist gleichbedeutend mit (2.2). b) Es sei m : = card E ∈ N. Wir nehmen an, es gäbe ein n ∈ N mit m < n und n < ν(m), und es sei F eine echte Teilmenge von E ∪ {E} mit n = card F. Dann wäre n = card F ≤ card E = m wegen (2.3) - im Widerspruch zur Annahme. c) Sind m, n ∈ N und ist m < n, so folgt ν(m) < ν(n) aus a) und b), weil andernfalls m < n und n < ν(m) erfüllt wäre. Damit gilt ν(An ) ⊆ Aν(n) . Definitionsgemäß gibt es zu jedem y ∈ ν(An ) ein x ∈ An mit y = ν(x). Außerdem haben wir eben gezeigt, dass (2.4) ν(m) 6= ν(n) für alle m, n ∈ N mit m 6= n 2.2.2 Die Beweissätze 31 gilt. Damit ist die “auf An eingeschränkte Abbildung” ν | An : An → ν(An ) bijektiv, sodass card ν(An ) = n folgt. Wegen 0 ∈ / ν(An ) und 0 ∈ Aν(n) ergibt sich nun {0} ∪ ν(An ) ⊆ Aν(n) und card ({0} ∪ ν(An )) = ν(n) = card Aν(n) . Da Aν(n) endlich ist, erhalten wir daraus {0} ∪ ν(An ) = Aν(n) . Der obige Teil a) und das Anfängepostulat ergeben An ∪ {n} = Aν(n) . d) Es sei n ∈ N. Wegen a) gilt n ∈ Aν(n) \ {0}, und aus c) folgt, dass ein m ∈ An mit n = ν(m) existiert. Zusammen mit (2.4) ergibt sich damit die Bijektivität von ν. 2.2.2 Die Beweissätze Wir leiten nun zwei Sätze her, die eine wesentliche Rolle bei Beweisen von Aussagen über natürliche Zahlen spielen. Der erste Satz sichert die Existenz eines “kleinsten Elements” in jeder nicht leeren Teilmenge von N, wobei zunächst der zugehörige mathematische Begriff definiert wird. Definition des Minimums Ist T ⊆ N mit T = 6 ∅, so heißt m ∈ T Minimum von T , wenn m ≤ n für alle n ∈ T gilt. Um zu zeigen, dass jede nicht leere Teilmenge T von N genau ein Minimum besitzt, konstruieren wir eine Zahl m ∈ N, mit der Aν(m) ∩T 6= ∅ und Aν(n) ∩T = ∅ für alle n ∈ Am gilt. Hier und für spätere Anwendungen ist es zweckmäßig, die Abkürzung Bn : = Aν(n) für jedes n ∈ N einzuführen. Minimumsatz Jede nicht leere Teilmenge T von N hat genau ein Minimum. Beweis Da T nicht leer ist, gibt es ein b ∈ T . Im Folgenden sei b ein beliebiges Element aus T . Die C-Menge U : = {c ∈ Ab | Bc ∩ T = ∅} ist als Teilmenge von Ab endlich und hat deshalb eine Kardinalzahl m : = card U ∈ N. Wir zeigen, dass U = Am gilt. Ist 0 ∈ T , so stellt 0 wegen 0 ≤ n für alle n ∈ T das Minimum von T dar. Andernfalls ist 0 ∈ U, weil 0 ∈ Ab und B0 ∩ T = ∅ gilt. Für ein beliebiges d ∈ U folgt dann aus d ∈ Ab und Bd ∩ T = ∅, dass auch jedes c ∈ Ad in U liegt. Die 32 Die Beweissätze 2.2.2 Anfängetreue von ν (Seite 30) ergibt damit Ad ∪ {d} = Bd ⊆ U. Daraus folgt ν(d) ≤ card U = m. Aufgrund des Nachfolgersatzes ist dann d < m, d. h. es gilt d ∈ Am . Also ist U ⊆ Am , und wegen card U = card Am ∈ N ergibt sich U = Am . Da nun Am eine Teilmenge von Ab darstellt, gilt m ≤ b für jedes b ∈ T . Außerdem ist m ∈ T , weil andernfalls aufgrund des Nachfolgersatzes Bm ∩T = (Am ∪{m})∩ T = ∅ wäre, sodass sich m ∈ U im Widerspruch zu m ∈ / Am ergäbe. Damit stellt m ein Minimum von T dar. Aufgrund des Kardinalzahlpostulats b) kann T nur ein Minimum enthalten. Das Minimum von T wird mit min T bezeichnet. Mit Hilfe des Minimumsatzes lässt sich der Maximumsatz herleiten. Dazu benötigen wir zwei Begriffe. Definition der Beschränktheit und des Maximums a) Eine Teilmenge T von N heißt beschränkt, wenn es ein b ∈ N1 gibt, sodass T ⊆ Ab gilt. b) Ein Element M ∈ T heißt Maximum von T , wenn t ≤ M für alle t ∈ T erfüllt ist. Maximumsatz Jede nicht leere, beschränkte Teilmenge von N besitzt genau ein Maximum. Beweis Es sei T ⊆ Ab mit b ∈ N1 . Dann ist b ∈ V : = {n ∈ N | T ⊆ Bn }. Aufgrund des Minimumsatzes (Seite 31) kann also M : = min V gesetzt werden. Der Fall M = 0 tritt nur ein, wenn T = B0 ist. Andernfalls gibt es wegen der Bijektivität von ν (Seite 30) ein L ∈ N mit ν(L) = M. Aus der Anfängetreue von ν folgt T ⊆ BL ∪ {M }. Wegen L < M ist T keine Teilmenge von BL . Also gilt M ∈ T , und wegen T ⊆ BM ist t ≤ M für alle t ∈ T . Aufgrund des Kardinalzahlpostulats b) enthält T nur ein Maximum. Dieses wird mit max T bezeichnet. Der folgende Satz tritt an die Stelle des Induktionsaxioms von Peano. Induktionssatz Ist M eine Teilmenge von N mit 0 ∈ M und mit ν(n) ∈ M für alle n ∈ M, so gilt M = N. 2.3.1 Der Rekursionssatz von Dedekind 33 Beweis Wir nehmen an, dass M = 6 N ist. Dann stellt C : = N \ M eine nicht leere Teilmenge von N dar. Aufgrund des Minimumsatzes (Seite 31) besitzt C ein Minimum und es sei m : = min C. Wegen 0 ∈ M gilt m > 0, und der Nachfolgersatz (Seite 30, d)) ergibt die Existenz eines n ∈ N mit ν(n) = m. Aus n < m folgt n ∈ / C. Also ist n ∈ M und die Voraussetzung des Satzes liefert m = ν(n) ∈ M. Dann kann aber m nicht das Minimum von C darstellen. Also ist die obige Annahme falsch und es gilt M = N. 2.3 2.3.1 Rekursive Definition Der Rekursionssatz von DEDEKIND In engem Zusammenhang mit dem Induktionsbeweis steht die Definition durch Rekursion. Als Erstes werden wir die Addition und die Multiplikation von natürlichen Zahlen einführen. Zum Beispiel lässt sich die Summe i + j für i, j ∈ N1 in der Form ν(· · · ν(i) · · · ) durch wiederholte Anwendung der Nachfolgerabbildung | {z } j gewinnen. Weitere Beispiele sind die Einführung der Potenz an : = a · · a} , der | ·{z n Fakultät n! : = 1 · · · n, der rekursiv definierten Folge, der allgemeinen Summe und des allgemeinen Produkts. In allen diesen Beispielen muss jeweils die Existenz und die Eindeutigkeit einer Abbildung von N bzw. N1 nach einer Menge C mit den gewünschten Eigenschaften gezeigt werden. Das leistet mit großer Allgemeinheit der Rekursionssatz von Dedekind (1888). Hier wird die gesuchte Abbildung mit Hilfe der Anfänge konstruktiv gewonnen. Rekursionssatz von DEDEKIND Ist C eine Menge, a ∈ C und ϕ : N × C → C eine Abbildung (“Rekursionsbedingung”), so gibt es genau eine Abbildung f : N → C mit a) f (0) = a und b) f (ν(n)) = ϕ(n, f (n)) für alle n ∈ N. Beweis i) (Existenz von Hilfsabbildungen) Wir zeigen zunächst mit vollständiger Induktion, dass es zu jedem n ∈ N eine Abbildung gn : Bn → C gibt, sodass 34 Der Rekursionssatz von Dedekind 2.3.1 (2.5) gn (0) = a und gn (ν(k)) = ϕ(k, gn (k)) für alle k ∈ An gilt. Es sei M die Menge der n ∈ N, für die eine solche Abbildung gn existiert. Mit g0 (0) : = a und wegen A0 = ∅ gehört 0 zu M. Ist m ∈ M und definieren wir gν(m) durch gm (k) für k ∈ Bm , (2.6) gν(m) (k) : = ϕ(m, gm (m)) für k = ν(m), so lassen sich die Eigenschaften aus (2.5) für gν(m) entsprechend mit Fallunterscheidung zeigen. Wegen 0 ∈ Bm ⊂ Bν(m) und wegen (2.5) sowie (2.6) gilt gν(m) (0) = gm (0) = a. Im Falle ν(k) ∈ Bm ist aufgrund des Nachfolgersatzes (Seite 30) auch k ∈ Bm . Mit (2.6) und mit der Induktionsvorausetzung gilt gν(m) (k) = gm (k), und es folgt gν(m) (ν(k)) = gm (ν(k)) = ϕ(k, gm (k)) = ϕ(k, gν(m) (k)). Ist ν(k) = ν(m) und damit auch k = m, so erhalten wir mit (2.6) gν(m) (ν(k)) = gν(m) (ν(m)) = ϕ(m, gm (m)) = ϕ(m, gν(m) (m)) = ϕ(m, gν(m) (k)). Also ist ν(m) ∈ M, und der Induktionssatz (Seite 32) ergibt M = N. ii) (Eindeutigkeit der Hilfsabbildungen) Um für die Definition von f allein durch (2.5) festgelegte Werte der Hilfsabbildungen zur Verfügung zu haben und um nachträglich die Indizierung von gn zu rechtfertigen, zeigen wir mit “finiter” Induktion, dass jede Abbildung g̃n : Bn → C, die entsprechend (2.5) erfüllt, mit gn übereinstimmt. Für jedes n ∈ N gilt g̃n (0) = a = gn (0), was den Fall n = 0 erledigt. Sonst ist damit 0 ∈ Mn : = {k ∈ N | (k ≤ n und g̃n (k) = gn (k)) oder (k > n)} , wobei n ∈ N1 fest gewählt sei. Ist j ∈ Mn und j < n, so folgt g̃n (ν(j)) = ϕ(j, g̃n (j)) = ϕ(j, gn (j)) = gn (ν(j)) wegen (2.5). Im Falle j ≥ n gilt ν(j) > n. Damit ist stets ν(j) ∈ Mn , und der Induktionssatz liefert die Eindeutigkeit von gn . Die folgende Tabelle 2.1 zeigt den Aufbau der ersten drei Hilfsabbildungen nach Anwendung von (2.6). iii) (Definition und Eindeutigkeit von f ) Nun lässt sich f durch f (n) : = gn (n) für jedes n ∈ N definieren. Dann ergibt sich a) durch f (0) = g0 (0) = a, und b) folgt mit (2.6) aus f (ν(n)) = gν(n) (ν(n)) = ϕ(n, gn (n)) = ϕ(n, f (n)) für jedes n ∈ N. 2.3.2 Anwendungen des Rekursionssatzes 35 Tabelle 2.1: Hilfsabbildungen mit (2.6) n gn (0) 0 a 1 a 2 a .. .. . . gn (1) gn (2) ϕ(0, g0 (0)) ϕ(0, g0 (0)) ϕ(1, g1 (1)) .. .. . . ··· ... Da f auch auf andere Weise definiert werden könnte, zeigen wir mit vollständiger Induktion, dass jede Abbildung f˜ : N → C, die f˜(0) = a und f˜(ν(n)) = ϕ(n, f˜(n)) für alle n ∈ N erfüllt, mit f übereinstimmt. Wegen f (0) = a = f˜(0) liegt 0 in der Induktionsmenge M0 : = k ∈ N | f˜(k) = f (k) . Ist n ∈ M0 , so folgt f˜(ν(n)) = ϕ(n, f˜(n)) = ϕ(n, f (n)) = f (ν(n)). Damit ist auch ν(n) ∈ M0 , und der Induktionssatz (Seite 32) ergibt M0 = N. Also gilt f˜ = f. 2.3.2 Anwendungen des Rekursionssatzes a) Addition Wie bei der obigen Vorüberlegung soll nun die Addition zu einer festen Zahl i ∈ N und die Multiplikation mit einer festen Zahl i ∈ N rekursiv definiert werden. Für die gesuchte von i abhängige Abbildung f schreiben wir deshalb vorübergehend ⊕i bzw. i und versuchen, die gewünschten Eigenschaften durch die Objekte des Rekursionssatzes auszudrücken. Die “Startgleichung” ⊕i (0) = i legt es nahe, C : = N und a : = i zu wählen. Da ⊕i (ν(k)) = ν(⊕i (k)) gelten soll, stellt dann ϕ : N × N → N , (n, k) 7→ ν(k) die Rekursionsabbildung dar. Nachdem die Existenz und die Eindeutigkeit von ⊕i durch den Rekursionssatz gesichert sind, schreiben wir für die Summe wie üblich i + j : = ⊕i (j) für alle i, j ∈ N. Die zum Rekursionssatz gehörenden Eigenschaften a) und b) lauten damit (2.7) k + 0 = k und k + ν(l) = ν(k + l) für alle k, l ∈ N. Wegen 1 = ν(0) erhalten wir daraus k + 1 = k + ν(0) = ν(k + 0) = ν(k), also (2.8) ν(k) = k + 1 für jedes k ∈ N, 36 Anwendungen des Rekursionssatzes 2.3.2 sodass wir in Zukunft anstelle des Abbildungssymbols ν das Addieren von 1 verwenden können. b) Multiplikation Bei der Multiplikation geht man ganz ähnlich vor. Die Startgleichung i (0) = 0 ergibt C : = N und a : = 0. Aus i (k + 1) = i (k) + i lässt sich die von i abhängige Rekursionsabbildung ϕi : N × N → N , (n, k) 7→ k + i erschließen. Für das Produkt i (j), das durch den Rekursionssatz allgemein definiert ist, schreibt man i · j : = i (j) für alle i, j ∈ N und lässt den “Malpunkt” · weg, wenn keine Missverständnisse auftreten können. Auch hier halten wir die für spätere Beweise benötigten Eigenschaften a) und b) des Rekursionssatzes fest: (2.9) k · 0 = 0 und k · (l + 1) = k · l + k für alle k, l ∈ N. c) Potenz Für b ∈ N1 ist ϕb : N × N → N, (i, k) 7→ k · b die Rekursionsbedingung, um mit fb (0) = 1 und fb (k + 1) = fb (k) · b die Potenz bn : = fb (n) für jedes n ∈ N eindeutig zu definieren. Diese Definition lässt sich später mehrfach verallgemeinern, indem andere “Basen” b, entsprechende “Verknüpfungen” (anstelle von ·) und zugehörige “neutrale Elemente” (wie die 1) verwendet werden. d) Fakultät Bei diesem Beispiel wird in der Rekursionsbedingung ϕ : N × N1 → N1 , (i, k) 7→ k·(i+1) auch die erste Komponente der Paarzuordnung benötigt, um mit f (0) = 1 und f (n + 1) = f (n) · (n + 1) die Fakultät n! : = f (n) für jedes n ∈ N eindeutig einzuführen. e) Einstufig rekursive Folgen Ist C eine Menge, so heißt eine Abbildung N → C, k 7→ ak Folge, wenn der “Zählaspekt” wichtiger ist als die Abbildungseigenschaft. Deshalb verwendet man anstelle von N → C, k 7→ ak die Schreibweise (ak )k∈N oder kurz (ak )k und nennt ak das Folgenglied mit dem Index k oder das k-te Folgenglied. Die vorigen beiden 2.3.2 Anwendungen des Rekursionssatzes 37 Beispiele der Potenz und der Fakultät ergeben auf diese Weise die Folgen (bn )n und (n!)n . f ) Die Fibonacci-Folge als Beispiel einer mehrstufig rekursiven Folge Bei einer einstufig rekursiven Folge (ak )k hängt ak+1 für jedes k ∈ N nur von ak und eventuell von k ab. Die Fibonacci-Folge (fn )n soll dagegen f0 = f1 = 1 und fn+2 = fn+1 + fn für jedes n ∈ N erfüllen. Hier lässt sich der Rekursionssatz mit C : = N1 × N1 , a : = (1, 1) und ϕ : N × C → C, (i, (k1 , k2 )) 7→ (k2 , k1 + k2 ) anwenden. Für jedes n ∈ N ist dann fn die erste “Komponente” von f (n) aus der eindeutig festgelegten Abbildung f : N → N1 × N1 , n 7→ (fn , fn+1 ) . g) Allgemeine Summe und allgemeines Produkt Bei den bisherigen Beispielen brauchten wir in den eindeutig definierten Ergebnissen keine Klammern zu setzen, um die Reihenfolge der Berechnungen festzulegen, weil dieses durch die Rekursionsbedingung geschieht. Aber wir dürfen zum Beispiel noch nicht i · j = i| + ·{z · · + }i oder n! = 1 · · · n schreiben, weil die allgemeine j Summe (mit mehr als zwei Summanden) und das allgemeine Produkt (mit mehr als zwei Faktoren) erst zu definieren ist. Dieses Ziel wird in zwei Schritten erreicht. Ist (ck )k eine Folge mit ck ∈ N, so erklären wir zunächst sukzessive Summen und sukzessive Produkte durch die Rekursionsbedingungen ϕS : N × N → N, (i, j) 7→ j + ci und ϕP : N × N → N, (i, j) 7→ j · ci . Mit den Rekursionsanfängen fS (0) = 0 und fP (0) = 1 ergibt der Rekursionssatz die eindeutig bestimmten Abbildungen fS und fP , deren Werte das Summenzeichen und das Produktzeichen n X k=1 ck−1 und n Y ck−1 für jedes n ∈ N k=1 definieren. Im nächsten Abschnitt (Seite 43) zeigen wir, dass in den sukzessiven Summen und Produkten Reihenfolgeklammern um je zwei Summanden beziehungsweise Faktoren beliebig gesetzt oder weggelassen werden können. Damit sind dann auch die allgemeine Summe und das allgemeine Produkt erklärt. 38 Addition und Subtraktion 2.4.1 h) Dezimaldarstellung Die Einführung der Null als Zahl und damit zusammenhängend die Gewinnung des dezimalen “Stellenwertsystems” ist die bedeutendste Errungenschaft der indischen Mathematik des Mittelalters. Wir benutzen den Rekursionssatz, um diese Dezimaldarstellung für alle natürlichen Zahlen zu sichern. Zur Unterscheidung von den Bezeichnungen der ersten zehn Kardinalzahlen versehen wir hier vorübergehend die entsprechenden “Ziffern” mit einem darüberstehenden Punkt. Dann ist C die Menge der “Wörter” zm . . . z0 mit m ∈ N, zk ∈ 0̇, . . . , 9̇ für k = 0, . . . , m und zm 6= 0̇ für m > 0. Der Startwert ist a : = 0̇. Bei den von 9̇ verschiedenen Ziffern erreichen wir die “nächste Ziffer” durch n(0̇) : = 1̇, n(1̇) : = 2̇, n(2̇) : = 3̇, n(3̇) : = 4̇, n(4̇) : = 5̇, n(5̇) : = 6̇, n(6̇) : = 7̇, n(7̇) : = 8̇ und n(8̇) : = 9̇. Ist zm . . . z0 ein beliebiges Wort aus C, so wird die Rekursionsabbildung ϕ : N × C → C, (i, zm . . . z0 ) 7→ ϕ (i, zm . . . z0 ) durch Fallunterscheidung erklärt: wenn z0 6= 9̇ ist, zm . . . n(z0 ), zm . . . n(zk ) 0̇| .{z . . 0̇} , wenn 1 ≤ k ≤ m, z0 = . . . = zk−1 = 9̇ ϕ (i, zm . . . z0 ) : = k und zk 6= 9̇ ist, wenn z0 = . . . = zm = 9̇ ist. . . 0̇} , 1̇ 0̇| .{z m+1 Die Dezimaldarstellung D(n) ergibt sich für jedes n ∈ N mit Hilfe des Rekursionssatzes aus D(0) = 0̇ und D(k +1) = ϕ(k, D(k)) für alle k ∈ N. In [9] (Seite 40) wird die Berechnung der Ziffern für die “g-adische Zahlendarstellung” mit g ∈ N2 behandelt. Von dort übernehmen wir ohne Beweis die eindeutige Darstellung m X (2.10) n = zm . . . z0 = zk · 10k für jedes n ∈ N. k=0 2.4 2.4.1 Eigenschaften der Addition und der Multiplikation in N Addition und Subtraktion Die Aussagen i) und ii) des folgenden Satzes sind Hilfsergebnisse für die Beweise von iii) und iv). 2.4.1 Addition und Subtraktion 39 Satz über die Addition in N Für alle i, k, l ∈ N gilt: i) (k + 1) + l = (k + l) + 1, ii) 0 + k = k (Nullneutralität), iii) k + l = l + k (Kommutativität), iv) (i + k) + l = i + (k + l) (Assoziativität). v) i = k ist äquivalent mit i + l = k + l (Invarianz ). vi) i < k ist äquivalent mit i + l < k + l (Monotonie). Beweis i) Wegen (2.7) ist 0 ∈ Mk : = {i ∈ N | (k + 1) + i = (k + i) + 1} . Aus l ∈ Mk folgt mit (2.7) (k + 1) + (l + 1) = ((k + 1) + l) + 1 = ((k + l) + 1) + 1 = (k + (l + 1)) + 1. Also gilt l + 1 ∈ Mk , und der Induktionssatz ergibt Mk = N. ii) Mit (2.7) ist 0 ∈ M : = {i ∈ N | 0 + i = i} . Für k ∈ M erhält man 0+(k+1) = (0 + k) + 1 = k + 1, und der Induktionssatz liefert M = N. iii) Es gilt 0 ∈ M k0 : = {i ∈ N | k + i = i + k} wegen (2.7) und ii). Aus l ∈ M k0 folgt mit (2.7) und i) k + (l + 1) = (k + l) + 1 = (l + k) + 1 = (l + 1) + k. Also ist l + 1 ∈ Mk0 , sodass wir mit dem Induktionssatz Mk0 = N erhalten. iv) Wir setzen Mi,k : = {j ∈ N | (i + k) + j = i + (k + j)} . Mit (2.7) gilt 0 ∈ Mi,k . Für l ∈ Mi,k ergibt sich mit dreimaliger Anwendung von (2.7) (i + k) + (l + 1) = ((i + k) + l) + 1 = (i + (k + l)) + 1 = i + ((k + l) + 1) = i + (k + (l + 1)), das heißt es ist l + 1 ∈ Mi,k , woraus mit dem Induktionssatz Mi,k = N folgt. 0 v) und vi) Es sei Mi,k : = {j ∈ N | Aus i ≤ k folgt i + j ≤ k + j} . Die Voraus0 0 setzung bedeutet, dass 0 in Mi,k liegt. Ist l ∈ Mi,k , so gilt zunächst i + (l + 1) = (i + l) + 1 wegen (2.7). Für i = k folgt (i + l) + 1 = (k + l) + 1 = k + (l + 1), das 0 heißt l + 1 gehört zu Mi,k . Im Folgenden sei i < k. Der Nachfolgersatz (Teile b) und a), Seite 30) ergibt im Fall i + l < k + l ≤ (i + l) + 1, dass (i + l) + 1 = k + l < (k + l) + 1 ist. Die 40 Addition und Subtraktion 2.4.1 letzte Ungleichung führt auch für (i + l) + 1 < k + l zum Ziel. Wieder mit (2.7) 0 , sodass der Induktionssatz folgt dann (k + l) + 1 = k + (l + 1), also l + 1 ∈ Mi,k 0 Mi,k = N ergibt. Die Gegenrichtungen in v) und vi) erhalten wir mit Kontraposition 2 und mit dem Kardinalzahlpostulat b) (Seite 25): Im ersten Teil von vi) wurde gezeigt, dass sich i + l 6= k + l aus i 6= k ergibt. Das ist äquivalent mit der Folgerung von i = k aus i + l = k + l. Die ersten Teile von v) und vi) bedeuten, dass k + l ≤ i + l aus k ≤ i folgt. Das sind die Negationen von i + l < k + l und von i < k. Satz über die Ergänzung in N Sind l, m ∈ N, so gilt l < m genau dann, wenn es ein k ∈ N1 mit k + l = m gibt. Im Falle l = m ist k = 0. Beweis i) Wir setzen Tl,m : = {j ∈ N | j + l ∈ / Am } . Mit (2.7) und mit den Aussagen iii) und vi) des Satzes über die Addition in N erhalten wir m + 0 = m und m + l > m + 0 = m, wenn l > 0 ist. Wegen m ∈ / Am gilt also m ∈ Tl,m . Aufgrund des Minimumsatzes (Seite 31) besitzt damit Tl,m ein Minimum, das wir mit k bezeichnen. Aus 0 + l = l < m folgt 0 ∈ / Tl,m . Also ist k ∈ N1 . Der Nachweis für die Gleichheit k + l = m wird indirekt geführt. Aus k + l < m würde k + l ∈ Am folgen, sodass k ∈ / Tl,m wäre. Nehmen wir m < k + l an, so lässt sich mit der Zahl i ∈ N, die aufgrund der Bijektivitätsaussage des Nachfolgersatzes (Seite 30) i + 1 = k erfüllt, ein Widerspruch zur Minimumeigenschaft von k herbeiführen. Wegen Aussage i) des Satzes über die Addition in N gilt k + l = (i + 1) + l = (i + l) + 1. Aus m < (i + l) + 1 folgt dann m ≤ i + l, weil aufgrund des Nachfolgersatzes nicht i + l < m sein kann. Also ist i + l ∈ / Am , sodass i in Tl,m liegt. Da i < i + 1 = k gilt, wäre k nicht das Minimum von Tl,m . Aufgrund des zweiten Kardinalzahlpostulats (Seite 25) muss also k + l = m sein. Die Aussage ii) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) liefert k = 0 im Falle l = m. Die Gegenrichtung für k > 0 ergibt sich mit der Monotonieaussage vi) des Satzes über die Addition in N aus l = 0 + l < k + l = m. 2 Der Beweis durch Kontraposition gehört zu den indirekten Beweisen. Sind A und B Aussagen, so beweist man anstelle der Aussage “Aus A folgt B” die dazu aussagenlogisch äquivalente Aussage “Aus ¬B folgt ¬A”, wobei ¬A und ¬B die Negationen der Aussagen A und B sind. 2.4.2 Multiplikation und Kürzung 41 Definition der Differenz und der Subtraktion in N Da die Zahl k im Satz über die Ergänzung in N wegen Teil v) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) eindeutig durch l und m bestimmt ist, wird die Differenz von m und l und damit die Subtraktion durch m − l : = k definiert. 2.4.2 Multiplikation und Kürzung Auch hier sind die Aussagen i) und ii) des folgenden Satzes Hilfsergebnisse für spätere Beweise. Satz über die Multiplikation in N Für alle i, k, l ∈ N gilt: i) (k + 1) · l = k · l + l, ii) 0 · k = 0 (Nulldominanz ), iii) k · l = l · k (Kommutativität), iv) 1 · k = k · 1 = k (Einsneutralität), v) (i + k) · l = i · l + k · l, l · (i + k) = l · i + l · k (Distributivität), vi) (i · k) · l = i · (k · l) (Assoziativität). vii) Aus k · l = 0 folgt k = 0 oder l = 0 (Nullteilerfreiheit), viii) Aus i = k folgt i · l = k · l für jedes l ∈ N1 (Invarianz ). ix) Aus i < k folgt i · l < k · l und (k − i) · l = k · l − i · l für jedes l ∈ N1 . x) Aus i · l = k · l und l ∈ N1 folgt i = k (Kürzbarkeit). xi) Aus i · l < k · l und l ∈ N1 folgt i < k. Beweis Die Aussagen iii), iv) und vi) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) werden hier mit Aiii), Aiv) und Avi) zitiert. i) Wegen (2.9) ist 0 ∈ Mk : = {i ∈ N | (k + 1) · i = (k · i) + i} . Aus l ∈ Mk folgt mit (2.9), Aiii) und Aiv) (k + 1) · (l + 1) = ((k + 1) · l) + (k + 1) = (k · l + l) + (k + 1) = (k · l + k) + (l + 1) = k · (l + 1) + (l + 1). 42 Multiplikation und Kürzung 2.4.2 Also gilt l + 1 ∈ Mk , und der Induktionssatz ergibt Mk = N. ii) Mit (2.9) ist 0 ∈ M : = {i ∈ N | 0 · i = i} . Für k ∈ M erhält man mit (2.9) und (2.7) 0 · (k + 1) = 0 · k + 0 = 0 + 0 = 0, und der Induktionssatz liefert M = N. iii) Es gilt 0 ∈ M k0 : = {i ∈ N | k · i = i · k} wegen (2.9) und ii). Aus l ∈ M k0 folgt mit (2.9) und i) k · (l + 1) = k · l + k = l · k + k = (l + 1) · k. Also ist l + 1 ∈ Mk0 , sodass wir mit dem Induktionssatz Mk0 = N erhalten. iv) iii) und (2.9) ergeben 1 · k = k · 1 = k · (0 + 1) = k · 0 + k = 0 + k = k. v) Für die erste Gleichung setzen wir Mi,k : = {j ∈ N | (i + k) · j = i · j + k · j}. Mit (2.9) und (2.7) gilt (i + k) · 0 = 0 = 0 + 0 = i · 0 + k · 0. Also ist 0 ∈ Mi,k . Für l ∈ Mi,k ergibt sich mit (2.9), Aiii) und Aiv) (i + k) · (l + 1) = (i + k) · l + (i + k) = (i · l + k · l) + (k + i) = i · l + (k · l + (k + i)) = i · l + ((k · l + k) + i) = i · l + (i + (k · l + k)) = (i · l + i) + (k · l + k) = i · (l + 1) + k · (l + 1). Da also auch l + 1 ∈ Mi,k ist, folgt aufgrund des Induktionssatzes Mi,k = N. Das zweite Distributivgesetz ergibt sich nun aus dem ersten durch dreimalige Anwendung von iii). 0 vi) Es sei M i,k : = {j ∈ N | (i · k) · j = i · (k · j)} . (2.9) ergibt (i · k) · 0 = 0 = 0 0 i · 0 = i · (k · 0), sodass 0 in Mi,k liegt. Ist l ∈ Mi,k , so folgt mit (2.9) und v) (i · k) · (l + 1) = (i · k) · l + i · k = i · (k · l) + i · k = i · (k · l + k) = i · (k · (l + 1)), 0 0 das heißt l + 1 gehört zu Mi,k , und der Induktionssatz liefert Mi,k = N. vii) Anstelle der “Implikation” wird die folgende dazu äquivalente “Allaussage” mit Kontraposition bewiesen: Es gilt k · l ∈ N1 für alle k, l ∈ N1 . Mit k ∈ N1 sei dazu Mk00 : = {j ∈ N1 | k · j ∈ N1 } . Wegen iv) ist 1 ∈ Mk00 . Für l ∈ Mk00 folgt mit (2.7), Avi), (2.9) und (2.1) 0 < k = 0 + k < k · l + k = k · (l + 1). Also ist l + 1 ∈ Mk00 , und der Induktionssatz ergibt Mk00 = N1 . 00 viii) Es ist 1 ∈ M i,k : = {j ∈ N1 | Aus i = k folgt i · j = k · j} , weil wegen iv) 00 i · 1 = i = k = k · 1 gilt. Für l ∈ Mi,k folgt mit (2.9) i · (l + 1) = i · l + i = k · l + k = 00 00 k · (l + 1). Also ist l + 1 ∈ Mi,k , sodass der Induktionssatz Mi,k = N1 liefert. 2.4.3 Allgemeine Assoziativität und Potenzen 43 ix) Aufgrund des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40) gibt es ein h ∈ N1 , sodass h+i = k gilt. Mit viii) und v) folgt k·l = (h+i)·l = h·l+i·l. Da wegen vii) h · l > 0 ist, ergibt der Satz über die Ergänzung in N i · l < k · l, und die Definition der Differenz und der Subtraktion in N (Seite 41) liefert (k −i)·l = h·l = k ·l−i·l. x) Aus i < k oder i > k würde mit ix) i · l < k · l beziehungsweise i · l > k · l folgen. Kontraposition und das Kardinalzahlpostulat b) (Seite 25) ergeben also i = k. xi) Hier wird der Beweis wie bei x) mit Kontraposition geführt, wobei die erste Anwendung von ix) durch x) zu ersetzen ist. 2.4.3 Allgemeine Assoziativität und Potenzen Wie bei der Einführung der sukzessiven Summen und sukzessiven Produkte auf Seite 37 sei (ck )k eine Folge mit ck ∈ N. Analog zum Summenzeichen und zum Produktzeichen definieren wir durch Rekursion (oder durch entsprechende Wahl der Folgenglieder) für i, n ∈ N für n = 0, für n = 0, 1 0 i+n i+n Q P und Pi,n : = Si,n : = ck−1 für n > 0. ck−1 für n > 0 k=i+1 k=i+1 Insbesondere ist Si,n+1 = Si,n +ci+n und Pi,n+1 = Pi,n ·ci+n . Der folgende Satz wird zum Beispiel zeigen, dass bei S0,4 = ((c0 + c1 ) + c2 ) + c3 auch die Klammerungen (c0 + (c1 + c2 )) + c3 , (c0 + c1 ) + (c2 + c3 ), c0 + ((c1 + c2 ) + c3 ) und c0 + (c1 + (c2 + c3 )) dasselbe Ergebnis liefern. Satz über allgemeine Assoziativität Für jedes n ∈ N3 ändern sich die Werte von S0,n und P0,n nicht, wenn folgendermaßen Klammern gesetzt werden: Jedes Klammerpaar enthält zwei durch + beziehungsweise · verknüpfte Operanden, wobei jeder Operand entweder ein Folgenglied oder ein Klammerpaar mit den eben beschriebenen Eigenschaften darstellt, und jedes Verknüpfungszeichen ist in genau einem Klammerpaar enthalten, wobei das äußere Klammerpaar weggelassen werden kann. Beweis Die beiden Beweise für die Addition und die Multiplikation lassen sich 44 Allgemeine Assoziativität und Potenzen 2.4.3 zusammenfassen, indem anstelle der Komponenten von (S, +, 0) beziehungsweise (P, ·, 1) die Bezeichnungen aus dem Tripel (T, ◦, a) verwendet werden. I. Zunächst zeigen wir als Hilfsergebnis, dass (2.11) Ti,k ◦ Ti+k,n = Ti,k+n für alle i, k, n ∈ N gilt. Dazu sei Mi,k : = {n ∈ N | Ti,k ◦ Ti+k,n = Ti,k+n } . Wegen Ti,k ◦ Ti+k,0 = Ti,k ◦ a = Ti,k ist 0 ∈ Mi,k . Aus m ∈ Mi,k folgt Ti,k ◦ Ti+k,m+1 = Ti,k ◦ (Ti+k,m ◦ ci+k+m ) = = (Ti,k ◦ Ti+k,m ) ◦ ci+k+m = Ti,k+m ◦ ci+k+m = Ti,k+m+1 . Also gilt auch m + 1 ∈ Mi,k , und der Induktionssatz ergibt Mi,k = N. II. Es sei M : = {j ∈ N | Für jedes i ∈ N mit i ≤ j und für jedes k ∈ N können die Operanden von Tk,i+3 beliebig zulässig geklammert werden} . Als “zulässig” wird dabei eine Klammerung bezeichnet, die die Bedingungen des Satzes erfüllt. Dann ist 0 ∈ M, denn aufgrund der Assoziativitätsaussage des Satzes über die Addition in N (Seite 39) und des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) gilt (ck ◦ ck+1 ) ◦ ck+2 = ck ◦ (ck+1 ◦ ck+2 ), und dieses sind alle zulässigen Klammerungen bei Tk,3 . Ist m ∈ M, so gilt wegen (2.11) Tk,m+4 = Tk,h ◦ Tk+h,m+4−h für jedes h ∈ N1 mit h < m + 4, und in beiden Operanden können zulässige Klammern beliebig gesetzt werden. Damit lässt sich jede zulässige Klammerung der Operanden von Tk,m+4 erreichen, sodass auch m + 1 zu M gehört. Also ist M = N. Für k = 0 und n : = i + 3 ergibt sich schließlich die Aussage des Satzes. Da sich also sukzessive Summen und sukzessive Produkte beliebig auf zulässige Weise klammern lassen, können alle Klammern wie auf Seite 37 angekündigt auch weggelassen werden. Damit stehen nun die Begriffe und Schreibfiguren der allgemeinen Summe und des allgemeinen Produkts (mit mehr als zwei Operanden) zur Verfügung. Bei dem Beweis der zweiten Aussage des folgenden Satzes wird zusätzlich genutzt, dass in jeder der zulässigen Klammern genau zwei Operanden stehen, deren Reihenfolge aufgrund der Kommutativitätssaussage des Satzes über die Addition in N und des Satzes über die Multiplikation in N vertauscht werden kann. 2.4.3 Allgemeine Assoziativität und Potenzen 45 Satz über Potenzen Für a, b ∈ N1 und für alle i, k ∈ N gilt (2.12) ai · ak = ai+k und (2.13) ak · b k = (a · b)k . Beweis i) Es sei Mi : = {j ∈ N | ai · aj = ai+j } . Wegen ai ·a0 = ai ·1 = ai = ai+0 ist 0 ∈ Mi . Aus m ∈ Mi folgt ai · am+1 = ai · (am · a) = (ai · am ) · a = ai+m · a = a(i+m)+1 = ai+(m+1) . Damit ist m + 1 ∈ Mi , sodass Mi = N gilt. ii) Setzen wir M : = l ∈ N | (a · b)l = al · bl , so ist 0 ∈ M wegen (a · b)0 = 1 = 1 · 1 = a0 · b0 . Für n ∈ M ergibt sich aufgrund des Satzes über die allgemeine Assoziativität (a · b)n+1 = (a · b)n · (a · b) = (an · bn ) · (a · b) = an · (bn · a) · b = an · (a · bn ) · b = (an · a) · (bn · b) = an+1 · bn+1 . Also ist auch n + 1 ∈ M, und es folgt M = N. Algebraische Strukturen Das Zusammenfassen der beiden Beweise für den Satz über allgemeine Assoziativität entspricht einer mächtigen Methode der Mathematik, nämlich dem Arbeiten mit “ Strukturen”. In unserem Falle handelt es sich um “ algebraische Strukturen”. Sie werden durch Tupel beschrieben, die eine nichtleere Menge A und mindestens eine Operation oder Abbildung in A enthalten. Außerdem können darin ausgezeichnete Elemente und Teilmengen von A sowie Relationen über A vorkommem. Als erstes Beispiel haben wir in der Einleitung die “ Peano-Struktur” (Seite 12 ) definiert, die manchmal an die Stelle der fünf Peano-Axiome tritt, weil ein Axiomensystem grundsätzlich nicht geeignet ist, die natürlichen Zahlen eindeutig festzulegen. Schon Peano konnte beweisen, dass alle möglichen Realisierungen (“Modelle”) “isomorph” (d. h. mathematisch äquivalent) sind. Ein großer Mangel des Axiomensystems von Peano beziehungsweise der PeanoStruktur ist die nachgewiesene Unmöglichkeit, die Widerspruchsfreiheit zu zeigen. Das bedeutet vor allem, dass im Rahmen der Theorie, die durch die Axiome begründet werden soll, gar kein Modell angegeben werden kann. Zu allen weiteren algebraischen Strukturen in diesem Buch gibt es mehrere nicht isomorphe Modelle, von denen wir aber nur diejenigen mit den neu 46 Teilbarkeit und Primzahlen 2.4.4 eingeführten Zahlenmengen behandeln werden. Für die folgende Struktur haben wir jedoch durch den Satz über die Addition in N (Seite 39) und den Satz über die Multiplikation in N (Seite 41) zwei Realisierungen. Definition der Halbgruppe Ein Paar (H, ◦ ) bestehend aus einer nicht leeren Menge H und einer Verknüpfung ◦ : H × H → H, (a, b) 7→ a ◦ b, heißt Halbgruppe, wenn (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c) (Assoziativität) für alle a, b, c ∈ H gilt. Die Halbgruppe (H, ◦ ) heißt kommutativ, wenn a ◦ b = b ◦ a (Kommutativität) für alle a, b ∈ H erfüllt ist. Eine kommutative Halbgruppe (H, ◦ ) wird regulär genannt, wenn für alle a, b, c ∈ H aus a ◦ c = b ◦ c stets a = b (Kürzbarkeit) folgt. Ist e ∈ H und gilt a ◦ e = e ◦ a = a für alle a ∈ H, so heißt e neutrales Element der Halbgruppe (H, ◦ ). Die Aussagen iv), iii), ii) und v) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) sowie Gleichung (2.7) ergeben den ersten Teil des nächsten Satzes. Der zweite Teil folgt aus den Aussagen vi), iii), x) und iv) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41). Satz über Halbgruppen mit N und N1 i) (N, + ) ist eine kommutative reguläre Halbgruppe mit 0 als neutralem Element. ii) (N1 , · ) ist eine kommutative reguläre Halbgruppe mit 1 als neutralem Element. 2.4.4 Teilbarkeit und Primzahlen Definition des Teilers Sind a ∈ N und d ∈ N1 , so heißt d Teiler von a, wenn es ein f ∈ N gibt, sodass a = df gilt. 2.4.4 Teilbarkeit und Primzahlen 47 Man schreibt d | a und liest “d teilt a” oder “d ist Teiler von a”. Ist d kein Teiler von a, so schreibt man d - a. Zwei oder mehr natürliche Zahlen heißen teilerfremd , wenn sie nur 1 als gemeinsamen Teiler haben. Beispiele: Eine Zahl a ∈ N heißt gerade, wenn 2 | a gilt. Sie heißt ungerade, wenn 2 - a ist. Wegen 0 = 0 d gilt d | 0 für alle d ∈ N1 ; aber es ist 0 - a für alle a 6= 0. Stellt d einen Teiler von a 6= 0 dar, so ist der Faktor f in der Gleichung a = d f aufgrund der Aussage x) (Kürzbarkeit) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) eindeutig bestimmt. Für das Ergebnis f dieser (eingeschränkten) Verknüpfung “Division” wird das Symbol a : d gebraucht, das “Quotient von a und d ” heißt. Satz über Teilbarkeitsregeln Sind a, b, c, d ∈ N1 , so gilt: i) a | a (Reflexivität); ii) Aus a | b und b | c folgt a | c (Transitivität); iii) Aus a | b und c | d folgt (a c) | (b d) (Multiplizierbarkeit); iv) Aus a | b und a | c folgt a | (u b + v c) für alle u, v ∈ N (Linearität). Beweis i) Es gilt a = a · 1; ii) Aus b = a f1 und c = b f2 folgt c = (a f1 ) f2 = a (f1 f2 ) ; iii) Aus b = a f1 und d = c f2 folgt b d = a f1 c f2 = (a c) (f1 f2 ) ; iv) Aus b = a f1 und c = a f2 folgt u b + v c = a (u f1 + v f2 ) . Definition der Primzahl Eine natürliche Zahl n heißt Primzahl, wenn sie genau zwei Teiler hat. Die Menge aller Primzahlen wird mit P bezeichnet. Werden die Primzahlen nach ihrer Größe geordnet, so bezeichnet pi für i ∈ N1 die i-te Primzahl. Also ist p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5, . . . . Der nächste Satz gibt den Anlass für eine nützliche Abkürzung. 48 Teilbarkeit und Primzahlen 2.4.4 Satz über den kleinsten Primteiler Jedes n ∈ N2 hat einen kleinsten Teiler d ∈ N2 . Dieser Teiler d ist eine Primzahl, die mit kP (n) bezeichnet wird. Beweis a) Die Menge der Teiler besitzt höchstens n und wegen n > 1 mindestens zwei Elemente. Aufgrund des Minimumsatzes (Seite 31) gilt die erste Aussage. b) Aus d ∈ / P würde folgen, dass es ein f ∈ N2 gibt mit f < d und f | d. Mit dem Satz über Teilbarkeitsregeln (Seite 47) ergäbe sich f | n im Widerspruch dazu, dass d der kleinste Teiler aus N2 von n ist. Satz über die Primzahlmenge Die Menge P ist unendlich. Beweis (Idee von Euklid, ca. 300 v. Chr.) Es sei M : = {k ∈ N1 ; card P ≥ k} . Mit 2 ∈ P gilt 1 ∈ M. Ist m ∈ M und sind q1 , . . . , qm paarweise verschiedene Primzahlen, so folgt, dass qm+1 : = kP (sm ) mit sm : = q1 · · · qm + 1 eine von q1 , . . . , qm verschiedene Primzahl darstellt, weil sm beim Teilen durch q1 , . . . , qm jeweils den Rest 1 lässt. Damit ist card P ≥ m + 1, d. h. m + 1 ∈ M. Also gilt M = N1 , und wegen P ⊂ N1 ergibt sich card P = card N1 . Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie Zu jedem n ∈ N2 gibt es genau ein t ∈ N1 und eindeutig bestimmte Primzahlen q1 , . . . , qt mit q1 ≤ . . . ≤ qt , sodass n = q1 · · · qt (2.14) gilt. Beweis Vorübergehend wird für n ∈ N2 eine Darstellung n = q1 · · · qt mit qi ∈ P für i = 1, . . . , t und q1 ≤ . . . ≤ qt als Primärzerlegung von n bezeichnet. i) Existenz Jede Primzahl hat sich selbst als Primärzerlegung. Für Zahlen n ∈ N2 \ P hilft 2.4.4 Teilbarkeit und Primzahlen 49 der kleinste Primteiler von n, eine Primärzerlegung anzugeben, wenn für alle kleineren Zahlen aus N2 schon eine solche bekannt ist. Deshalb setzen wir M : = {k ∈ N2 ; Jedes j ∈ N2 mit j ≤ k besitzt eine Primärzerlegung }. Wegen 2 ∈ P ist 2 ∈ M. Für m ∈ M sei q : = kP (m + 1). Dann gibt es ein h ∈ N1 , sodass m + 1 = q h gilt. Im Falle h = 1 ist m + 1 = q eine Primärzerlegung, die zu den Primärzerlegungen aller Zahlen j ∈ N2 mit j ≤ m hinzukommt. Also ist m + 1 ∈ M. ≤ m+1 < m. Damit besitzt h nach InduktionsvorausFür h ∈ N2 gilt h = m+1 q 2 setzung eine Primärzerlegung h = q10 · · · qr0 . Es folgt m + 1 = q q10 · · · qr0 . Dabei ist q ≤ q 10 aufgrund der Definition von q. Also gilt auch in diesem Fall m + 1 ∈ M, und der Induktionssatz (Seite 32) ergibt M = N2 . ii) Eindeutigkeit Die Induktionsmenge sei M : = {k ∈ N2 ; Jedes j ∈ N2 mit j ≤ k besitzt genau eine Primärzerlegung}. Als kleinste Primzahl liegt 2 in M. Für den Induktionsschritt sei m ∈ M und q : = kP (m + 1). a) Im Falle m + 1 = q hat m + 1 als Primzahl nur diese Primärzerlegung. Mit m ∈ M gehört also auch m + 1 zu M. b) Für m + 1 6= q wird zunächst mit Hilfe eines indirekten Schlusses von E. Zermelo 3 (1934) gezeigt, dass q als Faktor in jeder Primärzerlegung von m + 1 vorkommt. Anschließend lässt sich auf m+1 die Induktionsaussage anwenden. q Ist q 10 · · · q s0 mit s ≥ 2 irgendeine Primärzerlegung von m + 1 ∈ N2 \ P, so gilt q ≤ q 10 aufgrund der Definition von q. Unter der Annahme, dass q < q10 ist, setzen wir a : = q20 · · · qs0 und b : = (q10 − q) a. ≤ m+1 < m besitzt a nach InduktionsvorausWegen a ≥ q 20 ≥ 2 und a = m+1 q10 2 3 Ernst Zermelo (1871-1953) war Mathematiker und Logiker in Göttingen, Zürich und Freiburg. 50 Teilbarkeit und Primzahlen 2.4.4 setzung die eindeutige Primärzerlegung q 20 · · · q s0 , und aus q < q 20 ≤ . . . ≤ q s0 folgt q 6= qi0 für i = 2, . . . , s. Auch b hat eine eindeutige Primärzerlegung, weil einerseits mit q 10 − q ≥ 1 und a ≥ 2 die untere Schranke b ≥ 2 und andererseits wegen b = q10 a−qa = m+1−qa die obere Abschätzung b ≤ m für die Induktionsvoraussetzung vorliegt. Außerdem ergibt der Satz über Teilbarkeitsregeln (Seite 47), dass mit q | (m + 1) und q | (qa) auch q | b gilt. Wegen b ≥ a ≥ q 20 > q besitzt qb nach Induktionsvoraussetzung eine eindeutige Primärzerlegung. Deshalb gehört q zu den Primfaktoren der eindeutigen Primärzerlegung von b = (q10 − q) a. Da q aber unter den Primfaktoren von a nicht vorkommt, muss q Teiler von q 10 − q sein. Dann folgt mit dem Satz über Teilbarkeitsregeln, dass q die Primzahl q10 teilt. Das ist wegen der Annahme q < q10 ein Widerspruch zur Primzahleigenschaft von q10 . Also muss q = q10 gelten. Da m+1 nach Induktionsvoraussetzung nur die Primärzerlegung q20 · · · qs0 hat, ist q m + 1 = q q20 · · · qs0 die eindeutige Primärzerlegung von m + 1, sodass m + 1 in M liegt. Der Induktionssatz ergibt schließlich M = N2 . Auf Seite 74 wird ein einfacherer Beweis für die Eindeutigkeit angegeben. Kapitel 3 Brüche und Kernbrüche 3.1 Vorbereitungen 3.1.1 Bedeutung der Brüche und entwickelte Unterrichtskonzepte Neben den natürlichen Zahlen waren Brüche schon in den alten Hochkulturen der Babylonier und vor allem der Ägypter bekannt. Im Laufe der Zeit ist der Stellenwert der Bruchrechnung beträchtlich gestiegen. In unserer Alltagssprache haben Brüche sogar eigene Namen: Halbe, Drittel, Viertel, . . . . Daraus können wir schließen, dass es wichtige Anwendungsbereiche gibt. In der didaktischen Literatur werden sie oft durch die folgenden fünf Anwendungsaspekte charakterisiert: i) Der Maßzahlaspekt betrifft die Bezeichnung von “Größen” wie Längen, Flä1 cm, 38 kg, Viertel cheninhalten, Volumina, Gewichten, Zeitspannen, z.B. 10 vor zwölf. ii) Mit dem Relationsaspekt werden Beziehungen zwischen gleichartigen Größen ausgedrückt - etwa in der Aussage, dass die Erdoberfläche ungefähr zu 7 aus Wasser besteht. 10 iii) Als Operatoraspekt bezeichnet man die (multiplikative) Anwendung von Brüchen auf Größen, etwa bei der Mengenangabe “ 14 von 12 l”. iv) Als Teilaspekt von i) tritt der Skalenwertaspekt auf, der die genauere Einteilung von Skalen - meistens mit “Dezimalbrüchen” (siehe Abschnitt 3.4) - wiedergibt, z.B. 3,2 bar. 51 52 Einordnung einer Alternative 3.1.2 v) Mit ii) verwandt ist der Verhältnisaspekt, bei dem es nur auf die Quotienten der beteiligten Kardinalzahlen ankommt, z.B. bei Mischungsverhältnissen oder bei Wahrscheinlichkeiten. Trotz dieser Vielfalt von Anwendungssituationen ist es nicht einfach, im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I den Begriff des Bruches zu erklären. Insbesondere haben sich mehrere Einführungsversuche der vergangenen vierzig Jahre als ungeeignet erwiesen, weil sie entweder nur einen Teilaspekt berücksichtigen oder weil sie einen Kenntnis- und Erfahrungsstand benötigen, der in dieser Altersstufe nicht vorhanden ist. In [11] (Seite 25 bis 41) werden Vor- und Nachteile solcher Konzepte beschrieben. Das Größenkonzept und das Operatorkonzept führen nicht zum umfassenden Begriff, weil Brüche weder Größen noch Operatoren sind. Auch im Hinblick auf Motivationsmöglichkeiten gibt es im ersten Falle bei der Multiplikation sowie bei der Division und im zweiten Falle mindestens bei der Addition, dem Erweitern und der Kleinerrelation Schwierigkeiten. Einige Nachteile des Äquivalenzklassenkonzepts wurden schon auf Seite 20 zusammengestellt. Bemerkenswert ist, dass auf diese Weise gar nicht der Begriff des Bruchs geklärt wird, sondern gleich die “(positiven) rationalen Zahlen” als Äquivalenzklassen von Paaren entstehen. Diese Paare können nicht als Brüche aufgefasst werden, weil die Gleichheitsbedingungen verschieden sind: Die Gleichheit von Brüchen, die wir im nächsten Abschnitt entwickeln werden, entspricht jedoch der Äquivalenzrelation der “Gleichwertigkeit” von Paaren natürlicher Zahlen. Auch das Gleichungskonzept stammt im Wesentlichen aus der Hochschulmathematik. Mit der Annahme, dass Brüche “Lösungen” von Gleichungen ax = b mit a, b ∈ N1 sind, wird zwar motivierend ausgedrückt, welche grundlegende Eigenschaft Brüche haben sollen; das formale Operieren mit solchen Gleichungen bei der Herleitung von weiteren Aussagen über Brüche übersteigt jedoch am Anfang der Sekundarstufe I den Erfahrungsstand der Lernenden erheblich. 3.1.2 Einordnung einer Alternative Das Dilemma der Mathematikdidaktik bei der Behandlung von Brüchen entsteht offenbar dadurch, dass Brüche seit mehreren Jahrhunderten einen wichtigen Bestandteil unserer Kultur darstellen, während die Mathematik an ihrer Stelle mit den (positiven) rationalen Zahlen eine “Präzisierung” geschaffen hat, die im Alltag überhaupt keine Rolle spielt. Es ist sogar denkbar, dass die ausschließlich auf 3.1.2 Einordnung einer Alternative 53 der formalen Mengentheorie gegründete Mathematik gar keine didaktisch angemessene Lösung bieten kann und dass ähnlich wie bei den natürlichen Zahlen die im Laufe von mehreren Jahrtausenden gewonnenen Erfahrungen der Menschheit zu Hilfe genommen werden müssen. Dieses im Mathematikunterricht mehr oder weniger übliche Vorgehen soll hier fundiert werden. Im Hinblick auf die oben genannten Aspekte können wir zunächst feststellen, dass Brüche die natürlichen Zahlen ergänzen und verfeinern. Dabei wird genutzt, dass bei der praktischen Anwendung die meisten “Einheiten” teilbar sind, was bei der Zahl 1 nicht der Fall ist. Als motivierende “Prototypen” sollen hier - wie auch oft im Mathematikunterricht - die Teilungen von Strecken und von Rechtecken verwendet werden. Da in vielen Lehrbüchern Verfahren angegeben werden, die Zirkel verwenden oder den Strahlensatz voraussetzen, sei eine Methode auf der Grundlage eines Kongruenzsatzes (WSW) erwähnt, bei der nur liniertes Papier und ein Geodreieck zu benutzen sind (siehe die Abbildungen 3.1 und 3.2). 3 m=3 2 1 1 2 3 Abbildung 3.1: m-Teilung einer Strecke mit Geodreieck Zur Herleitung einer m-Teilung wird eine Strecke auf einer Linie markiert und in den Endpunkten mit dem Geodreieck in entgegengesetzten Richtungen je eine Senkrechte über m Linienzwischenräume hinweg gezeichnet. Die jeweils zu den Linien gehörenden Punkte der Senkrechten bilden von oben nach unten m+1 Punktepaare, deren Verbindungsstrecken m2 Parallelogramme erzeugen, die 2m2 kongruente rechtwinklige Dreiecke enthalten. Von diesen Dreiecken liegen m nebeneinander auf der Ausgangsstrecke, sodass ihre gleichlangen Katheten die gesuchten Teilstrecken bilden. Für die Konstruktion genügt es offenbar, die zweitunterste Verbindungsstrecke zu zeichnen (siehe Abbildung 3.2). Einige Erfahrungen, die SchülerInnen mit Handlungsanweisungen wie “teile” oder “vergleiche” sammeln können, lassen sich beim Teilen von natürlichen Zahlen wiederfinden. Im Folgenden wollen wir uns überwiegend auf diesen mathematischen 54 Teilbarkeit und Verallgemeinerung der Quotienten 3.1.3 1 1 2 Abbildung 3.2: m-Teilung ohne Parallelogramme Bereich beschränken. Es sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Anwendungssituationen die Motivation der einzuführenden Begriffe und Verknüpfungen im Mathematikunterricht sehr gut unterstützen können. 3.1.3 Teilbarkeit, Teiler und Verallgemeinerung der Quotienten In Abschnitt 2.4.4 haben wir für natürliche Zahlen a und d die Begriffe Teilbarkeit und Teiler dadurch erklärt, dass die Existenz einer natürlichen Zahl f festgestellt wurde, mit der a = df gilt. Liegt diese Situation vor, so wird d Teiler von a genannt und a heißt durch d teilbar. Nachdem im Falle der Existenz von f auch die eindeutige Bestimmtheit durch a und d gezeigt werden konnte, ließ sich für das Ergebnis f dieser (eingeschränkten) Verknüpfung “Division” das Symbol a : d einführen, das “Quotient von a und d” heißt. Nach dieser Wiederholung sammeln wir nun Beobachtungen, die auch schon in Abschnitt 2.4.4 möglich gewesen wären, die hier aber dazu dienen sollen, den Begriff des Quotienten zu verallgemeinern, wobei a, b, x, y, z ∈ N und c, d, e ∈ N1 seien. i) Für jedes a gilt a = a : 1, weil a · 1 = a ist; d.h. a lässt sich als Quotient a : 1 schreiben (“Einbettungseigenschaft”). ii) Alle Quotienten ac : c sind gleich a, weil cx = ac aus x = a folgt (“Unterteilungseigenschaft”). iii) Zu je zwei Quotienten ad : d und bd : d lässt sich die Summe (ad : d) + (bd : d) = (ad + bd) : d bilden, denn mit x : = ad : d und y : = bd : d ergibt sich aus dx = ad und dy = bd die Gleichung d(x + y) = ad + bd (“Summeneigenschaft”). 3.1.4 Gleichheit von Brüchen 55 iv) Für Quotienten ad : d und be : e erhält man das Produkt (ad : d) · (be : e) = (abde) : (de), weil mit x : = ad : d und z : = be : e die Gleichung (de)(xz) = (ad)(be) = abde folgt (“Produkteigenschaft”). Zusammen mit den Erfahrungen, die sich in den Anwendungssituationen - zum Beispiel bei der Streckenteilung - gewinnen lassen, kann nun die im Alltag vorgefundene Vorstellung des Bruches durch ein mathematisches Modell gedeutet und präzisiert werden, bei dem die obigen Quotienten als Spezialfälle auftreten. Selbstverständlich übernehmen wir die Symbole ab mit a ∈ N und b ∈ N1 , die schon seit mehr als 450 Jahren im Gebrauch sind. Die Quotienten ac : c ent. Insbesondere finden sich auf diese sprechen dann offensichtlich den Brüchen ac c Weise alle natürlichen Zahlen unter den Brüchen wieder. Die üblichen Bezeichnungen Zähler, Nenner, Bruchstrich, Stammbruch (für Brüche der Form 1b ) und gemischter Bruch (z.B. 2 21 ) setzen wir als bekannt voraus. 3.1.4 Gleichheit von Brüchen Zunächst müssen wir klären, wann zwei Brüche gleich sind, weil es von dem Ergebnis abhängt, ob sie als Paare natürlicher Zahlen aufgefasst werden können oder ob sie mathematisch etwas Neues darstellen. Schon bei Adam Ries(e) 1 (1550), der noch kein Gleichheitszeichen kannte, steht: “... 14 ist gleich sovil als 8 32 8 ...”, was in heutiger Schreibweise 14 = 32 bedeutet. Da es bei den alltäglichen Teilungen nicht auf die Form sondern nur auf das Ergebnis ankommt, treten solche Gleichungen oft zusammen mit Größen auf, 5 z.B. 12 cm = 10 cm = 5 mm. Wegen des Zusammenhangs zwischen Quotienten und Brüchen muss schließlich nach ii) die Gleichheit ac = a1 für alle a ∈ N und c c ∈ N1 gelten. Um diese Bedingung auf beliebige Brüche übertragen zu können, benötigen wir zwei Begriffe. Definition der Gleichnamigkeit und der Erweiterung i) Zwei Brüche heißen gleichnamig, wenn die Nenner übereinstimmen. ii) Ein Bruch dc heißt Erweiterung von ab , wenn es ein m ∈ N1 gibt, sodass c = am und d = bm gilt. 1 Adam Ries(e) (1492-1559) war Rechenmeister in Erfurt und Annaberg. 56 Gleichheit von Brüchen 3.1.4 Den Übergang von einem Bruch ab zu einer Erweiterung am von ab nennt man bm Erweitern von ab mit m. Ist e ∈ N2 ein gemeinsamer Teiler von c und d, so c:e als Kürzen von dc durch bezeichnet man das Ersetzen des Bruches dc durch d:e e. Offenbar lässt sich jeder Bruch ab mit jeder Zahl m ∈ N1 erweitern, während nur durch gemeinsame Teiler des Zählers und des Nenners gekürzt werden kann. Wegen der empirisch festgestellten Schwierigkeiten der SchülerInnen beim Kürzen wird in diesem Aufbau weitgehend darauf verzichtet. Nun können wir die Motivation der grundlegenden Gleichheitsdefinition abschließen. Zwei gleichnamige Brüche sind natürlich genau dann gleich, wenn die Zähler übereinstimmen. Aufgrund der praktischen Anwendungen sollen ein Bruch und jede seiner Erweiterungen gleich sein. Schließlich muss für die Gleichheitsrelation das Transitivitätsgesetz gelten: Aus ab = dc und dc = fe folgt ab = fe . Das Beispiel 12 der Brüche 64 und 69 mit 46 = 18 = 69 zeigt, dass alle drei Bedingungen für die allgemeine Definition benötigt werden. Definition der Gleichheit von Brüchen Zwei Brüche heißen gleich, wenn sie eine gemeinsame Erweiterung haben. Selbstverständlich ist diese Definition unbefriedigend, weil sowohl der Nachweis der Gleichheit als auch der Ungleichheit mühsam wäre. Wir können aber daraus leicht ein einfaches “Gleichheitskriterium”, d.h. eine gut zu testende notwendige und hinreichende Bedingung für Gleichheit entwickeln. Zwei beliebige Brüche ab und dc lassen sich durch Erweitern z.B. mit den wechbc selseitigen Nennern “gleichnamig machen”: ab = ad und dc = bd . Gilt nun für die bd Zähler ad = bc, so folgt ab = dc . Damit ist ad = bc eine “hinreichende Bedingung” nc für ab = dc . Sind ma bzw. nd irgendwelche übereinstimmenden Erweiterungen von mb a bzw. dc , so gilt ma = nc und mb = nd. Damit folgt (ma)(nd) = (nc)(mb), und b nach Division durch mn ergibt sich ad = bc auch als “notwendige Bedingung” für die Gleichheit der Brüche ab und dc . Bruchgleichheitssatz Die Brüche ab und dc sind genau dann gleich, wenn ad = bc gilt. 3.2.1 Addition von Brüchen 57 Diese aus dem alltäglichen Gebrauch abgeleitete Gleichsetzung von Brüchen hat weitreichende mathematikdidaktische Folgen. - Zunächst sind Brüche keine Paare natürlicher Zahlen, weil auf Seite 24 aus guten Gründen die Gleichheit von Paaren (a, b) und (c, d) durch die Bedingungen a = c und b = d festgelegt ist. - In der Mathematik wird ein Bruch a als eine von unendlich vielen möglib chen Bezeichnungen für die Äquivalenzklasse {(c, d) ∈ N×N1 | ad = bc} aller zu dem Paar (a, b) “gleichwertigen” Paare angesehen. Zweifellos ist eine Paarmenge, die unendlich viele Elemente enthält, kein geeigneter Oberbegriff für Lernende in der Sekundarstufe I. Auf die Frage, was Brüche sind, bleibt also nur eine Aussage der folgenden Art: Sie stellen Bezeichnungen für Situationen dar, die als Verallgemeinerung der Quotientenbildung angesehen werden können. - Die Zusammenfassung aller Brüche bildet keine Menge, weil es zu jedem Bruch unendlich viele ihm gleiche gibt. In Abschnitt 3.3.3 werden wir jedoch eine Menge von Brüchen gewinnen, die zu jedem Bruch genau einen ihm gleichen enthält. Da sich die Brüche dieser Menge in eindeutiger Weise anwenden und verknüpfen lassen, gelten sie als “ Zahlen”. In den folgenden Abschnitten werden wir aber die Verknüpfungen und die Kleinerrelation wie in der “Bruchrechnung” üblich auch für diejenigen Brüche einführen, die keine Zahlen darstellen. 3.2 3.2.1 Verknüpfungen und Kleinerrelation Addition von Brüchen Werden zwei Strecken aneinander gelegt, deren Längen Vielfache einer gleichmäßig unterteilten Einheit sind, so ergibt sich die Länge der Gesamtstrecke durch Auszählen als Summe der Anzahlen der Einheitsteile (siehe Abbildung 3.3). Gut vertraut ist uns diese “Addition” bei Brüchen mit Größen, deren unterteilte Ein1 3 4 heit einen eigenen Namen hat, z.B. 10 cm+ 10 cm = 1mm+3mm = 4mm = 10 cm. 4 5 z 0 1 5 2 5 3 5 4 5 1 0 }| 2 5 {z }| { 4 5 1 6 5 Abbildung 3.3: Addition von Streckenlängen Wie wir in 3.1.3 festgestellt haben, überträgt sich bei Quotienten die Addition natürlicher Zahlen unmittelbar auf die Addition von Quotienten mit gleichem 58 Addition von Brüchen 3.2.1 Divisor, z.B. führt 2 + 3 = 5 zu (6 : 3) + (9 : 3) = (15 : 3). Hier werden also die beiden Dividenden, die den Zählern entsprechen, addiert. Damit ist die Addition von gleichnamigen Brüchen ausreichend motiviert: a c a+c + := für alle a, c ∈ N und b ∈ N1 . b b b (3.1) Zwei nicht gleichnamige Brüche ab und dc werden zunächst z.B. wie in 3.1.4 durch Erweitern mit den wechselseitigen Nennern in gleichnamige Brüche überführt und dann wie in (3.1) addiert, sodass (3.1) zum “tragenden Spezialfall ” wird: (3.2) a c ad bc ad + bc + := + = für alle a, c ∈ N und b, d ∈ N1 mit b 6= d. b d bd bd bd Hier scheint das Ergebnis noch von der Wahl der Erweiterungsfaktoren abzuhängen. So wird etwa im bisherigen Mathematikunterricht meistens als “Hauptnenner ” das kleinste gemeinsame Vielfache von b und d gewählt, das genau dann mit bd übereinstimmt, wenn b und d teilerfremd sind. Wir werden sehen, dass die Verwendung des kleinsten gemeinsamen Vielfachen eine unnötige Erschwerung der Bruchrechnung darstellt. Der Fall der gleichnamigen Brüche und die Erweiterung zum Hauptnenner erweisen sich als durch (3.2) erfasst, wenn wir zeigen können: (3.3) Aus a0 c c0 ad + bc a 0d 0 + b 0c 0 a = 0 und = 0 folgt = . b b d d bd b 0d 0 Mit Hilfe des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) ist der Nachweis hier und in allen späteren ähnlichen Situationen recht einfach, wenn wir eine “heuristische Strategie” beachten, die wir “Rückwärtsstrategie” nennen: Mit ihr wird das “Gesuchte” so umgeformt, dass sich das “Gegebene” möglichst direkt anwenden lässt. In unserem Falle ist aufgrund des Bruchgleichheitssatzes das Gesuchte - nämlich die Gleichheit von (ad + bc)b 0 d 0 und (a 0 d 0 + b 0 c 0 )bd - mit Hilfe des Gegebenen ab 0 = a 0 b und cd 0 = c 0 d herzuleiten: (ad + bc)b 0 d 0 = adb 0 d 0 + bcb 0 d 0 = (ab 0 )dd 0 + bb 0 (cd 0 ) = a 0 bdd 0 + bb 0 c 0 d = (a 0 d 0 + b 0 c 0 )bd. Damit ist klar, dass alle möglichen Erweiterungen in der Form von jeweils einander gleichen Brüchen in (3.2) zur Geltung kommen. Den Nenner des Ergebnisses in (3.2) bezeichnen wir als “Produktnenner ”. Insbesondere ist (3.1) wegen 3.2.2 Die Kleinerrelation für Brüche 59 (a+c)b + bcb2 = b2 = a+b + cb = ab in (3.2) enthalten, sodass die Bezeichnung b2 b “tragender Spezialfall” noch deutlicher wird. a b Um im Mathematikunterricht die bisher mit dem Hauptnenner geübte “Erweiterungsökonomie” zu berücksichtigen, kann als Kompromiss in der relativ oft auftretenden Situation, dass einer der beiden Nenner ein echtes Vielfaches des anderen darstellt, die folgende Regel verwendet werden, die natürlich auch in (3.2) enthalten ist: (3.4) a c ad c ad + c + = + = für alle a, c ∈ N und b, d ∈ N1 . b bd bd bd bd Ist die Vielfachenbeziehung nicht unmittelbar zu erkennen, so muss nur der größere Nenner mit Rest durch den kleineren geteilt werden, um zu entscheiden, ob dieser Fall vorliegt. 3.2.2 Die Kleinerrelation für Brüche Die Streckenteilung und auch die Verallgemeinerung der Quotienten legen es nahe, die Kleinerrelation für gleichnamige Brüche mit Hilfe der Zähler zu definieren: Es soll ab < cb genau dann erfüllt sein, wenn a < c gilt. Durch Gleichnamigmachen kann der allgemeine Fall wieder auf den speziellen zurückgeführt werden. Definition der Kleinerrelation für Brüche Sind ab und dc Brüche, so heißt ab kleiner als dc (geschrieben: ab < dc ), wenn im Falle der Gleichnamigkeit a < c gilt und wenn bei nicht gleichnamigen Brüchen eine gleichnamige Erweiterung existiert, bei der die Zähler die entsprechende Kleinerbeziehung erfüllen. Auch diese Definition ist unbefriedigend und wird deshalb durch einen Satz cn ergänzt. Sind am bzw. dn mit bm = dn gleichnamige Erweiterungen von ab bzw. dc , bm so ist am < cn aufgrund des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41, ix) und xi)) äquivalent zu abm < bcn. Ersetzen von bm durch dn ergibt die Ungleichung adn < bcn, die wegen desselben Satzes genau dann gilt, wenn ad < bc erfüllt ist. Da gleiche Brüche nicht immer durch Erweiterung auseinander hervorgehen, muss auch die “Invarianz” dieses Kriteriums gegenüber Bruchgleichheit nachgewiesen 60 Subtraktion von Brüchen 3.2.3 werden. Das geschieht mit Hilfe des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) und des Satzes über Multiplikation in N ganz ähnlich wie oben bei der Addition. Zunächst sind ad < bc und adb 0 d 0 < bcb 0 d 0 äquivalent. In adb 0 d 0 wird ab 0 durch a 0 b und rechts cd 0 durch c 0 d ersetzt. Die entsprechende Ungleichung a 0 d 0 bd < b 0 c 0 bd ist aufgrund des Satzes über Multiplikation in N (Seite 41) äquivalent zu a 0 d 0 < b 0 c 0 . Damit gilt: (3.5) Aus a a0 c c0 c a0 a c0 = 0 , = 0 und < folgt 0 < 0 . b b d d b d b d In dem nächsten Satz benötigen wir keine Fallunterscheidung, weil bei gleichnamigen Brüchen ab und cb die Bedingung a < c mit ab < cb äquivalent ist. Bruchvergleichssatz Es gilt ab < dc genau dann, wenn ad < bc ist. 3.2.3 Subtraktion von Brüchen Da das Kriterium des Bruchvergleichssatzes und die Definition der Addition gut zusammenpassen, kann die Definition der Subtraktion direkt von den natürlichen Zahlen auf geeignete Brüche übertragen werden. Sind ab und dc Brüche mit ab ≤ dc , so ist also ad ≤ bc erfüllt, und aufgrund des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40) sowie der Definition der Differenz und der Subtraktion in N (Seite 41) existiert die Differenz bc − ad ∈ N. Mit (3.4) folgt dann a bc − ad ad bc − ad ad + (bc − ad) bc c + = + = = = . b bd bd bd bd bd d Auch hier ergibt der Bruchgleichheitssatz (Seite 56) und der Satz über Multiplikation in N (Seite 41, ix)): (3.6) Aus a c bc − ad a0 c0 b 0c 0 − a 0d 0 = 0 und = 0 folgt = , b b d d bd b 0d 0 weil (bc − ad)b 0 d 0 = bcb 0 d 0 − adb 0 d 0 = b 0 c 0 bd − a 0 d 0 bd = (b 0 c 0 − a 0 d 0 )bd gilt. Damit lässt sich die Differenz von Brüchen definieren: (3.7) c a bc − ad − := für alle a, c ∈ N und b, d ∈ N1 mit ad ≤ bc. d b bd 3.2.4 3.2.4 Multiplikation von Brüchen 61 Multiplikation von Brüchen Wie bei der Addition können wir bei der Motivation der Multiplikation von der entsprechenden Verknüpfung der Quotienten im Teil iv) des Abschnitts 3.1.3 ausgehen und als geeignete Anwendung den Flächeninhalt von Rechtecken mit unterteilten oder vervielfachten Seitenstrecken hinzunehmen (siehe Abbildung 3.4). Im Unterricht ist es außerdem sinnvoll, zum Vergleich die Multiplikation eines Bruches ab mit einer Zahl n ∈ N2 durch Zurückführung auf wiederholte Addition zu behandeln: n · ab = ab + · · · + ab = na . b {z } | n Bei dem Flächeninhalt von Rechtecken kann die Multiplikation von Stamm- 1 brüchen 1b und d1 als tragender Spezialfall angesehen werden, wobei wir 2 3 der Einfachheit halber die Maßein1 3 heiten weglassen. Offensichtlich liegen bd Rechtecke mit den Seitenlängen 1b 1 5 1 6 5 Abbildung 3.4: Multiplikation von Seitenlängen und d1 ohne Überschneidungen im Ein- heitsquadrat. Da alle diese Teilrechtecke flächengleich sind, hat jedes den 1 . Flächeninhalt bd Sind die Seitenlängen Vielfache ab bzw. dc der Teilstreckenlängen erhält man durch Auszählen ac Rechtecke mit dem Flächeninhalt 1 bzw. d1 , so b 1 . Die oben bd erwähnte Multiplikation eines Bruches mit einer Zahl aus N2 ergibt also den Rechtecksflächeninhalt ac . bd Als sinnvolle Definition der Multiplikation von Brüchen haben wir damit a c ac · := für alle a, c ∈ N und b, d ∈ N1 . (3.8) b d bd Auch hier lässt sich leicht mit Hilfe des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) zeigen: a a0 c c0 ac a 0c 0 (3.9) Aus = 0 und = 0 folgt = 0 0, b b d d bd b d denn das Ersetzen von a 0 b durch ab 0 und von c 0 d durch cd 0 in (a 0 b)(c 0 d) führt zu der gesuchten Gleichung a 0 c 0 bd = acb 0 d 0 . 62 Division von Brüchen 3.2.5 3.2.5 Division von Brüchen Anders als in der Hochschulmathematik stellt zu Beginn der Sekundarstufe I die Lösung des Umkehrproblems bezüglich der Multiplikation (oder Addition) nicht das primäre Ziel dar. Deshalb ist auch die überraschende Entdeckung, dass ab 1 a b (3.10) · = = für a, b ∈ N1 und b a ba 1 a bc abc c (3.11) · = = für alle a, b, d ∈ N1 und c ∈ N b ad bad d gilt, keine ausreichende Motivation für die Definition der Division. Beide Ergebnisse helfen aber, unsere bisherige Vorgehensweise wesentlich zu stützen. Zunächst gibt (3.10) den Anlass, ab “Kehr- 4 3 1 1 3 1 4 3 4 1 Abbildung 3.5: Kehrbrüche und Rechtecksflächeninhalte bruch” von ab zu nennen, weil die formale Vertauschung von Zähler und Nenner nun eine wichtige praktische Bedeutung hat, die später als “Reziprokenbildung” bezeichnet wird. Im Hinblick auf den Rechtecksflächeninhalt ist dieses auch der tragende Spezialfall, wobei die Seiten des Einheitsquadrats in a bzw. b gleiche Teile geteilt und die Teilrechtecke im Quadrat und im Rechteck mit den Seitenlängen ab bzw. ab ausgezählt werden (siehe Abbildung 3.5). Im allgemeinen Fall lässt sich (3.11) entsprechend durch Unterteilen der Quadratseiten in b bzw. ad gleiche Teile veranschaulichen. Bei der Verallgemeinerung der Quotienten führt die Unterteilungseigenschaft ii) (Seite 54) zu der Bedingung c a c a (3.12) : = e : e für alle a, b, d, e ∈ N1 und für c ∈ N. d b d b Für e : = bd ergibt dann die Einbettungseigenschaft i) (Seite 54) bc c a cbd abd bc ad : = : = : = (bc) : (ad) = d b d b 1 1 ad - allerdings nur dann, wenn diese verallgemeinerten Quotienten definiert sind. Das wird gerade durch (3.11) ermöglicht: c a cb (3.13) : := für alle a, b, d ∈ N1 und für c ∈ N. d b da 3.3.1 Kleinstbrüche 63 Wie bei der Multiplikation von Brüchen lässt sich zeigen, dass diese Definition für alle zu dc bzw. ab gleichen Brüche gültig ist: (3.14) Aus a0 c0 c 0b 0 a c cb = 0 und = 0 folgt = 0 0. b b d d da d a Im Hinblick auf die Kompliziertheit des Ergebnisses ist es sinnvoll, zusätzlich zu der sorgfältigen Herleitung eine Verbindung mit der Multiplikation von Brüchen durch eine “Merkregel” herzustellen, z.B.: Die Division durch einen Bruch ergibt dasselbe wie die Multiplikation mit dem Kehrbruch. Ebenso wie bei der Addition und der Multiplikation von Brüchen wird durch (3.13) jedem Paar von Brüchen ein Bruch zugeordnet, d.h. die Division von Brüchen ist im Unterschied zur Division von natürlichen Zahlen stets ausführbar. Obwohl die Zusammenfassung aller Brüche keine Menge bildet, können wir die Addition, die (eingeschränkte) Subtraktion, die Multiplikation und die Division von Brüchen als “Verknüpfungen” bezeichnen, weil die jeweiligen Zuordnungen eindeutig und bei der Verwendung von gleichen Brüchen “invariant” sind. Wir wollen dennoch im folgenden und im letzten Abschnitt zwei Möglichkeiten beschreiben, von den Brüchen zu geeigneten “repräsentierenden” Zahlenmengen überzugehen, um die zugehörige algebraische Struktur angeben zu können. 3.3 3.3.1 Kernbrüche Kleinstbrüche Aufgrund des Minimumsatzes (Seite 31) gibt es unter allen einander gleichen Brüchen jeweils einen mit kleinstem Zähler. Der Bruchgleichheitssatz (Seite 56) und der Satz über Multiplikation in N (Seite 41) ergeben, dass für je zwei Brüche 0 mit ab = ab 0 und a < a 0 auch b < b 0 gilt, denn aus a < a 0 und b 0 ≤ b würde ab 0 < a 0 b 0 ≤ a 0 b im Widerspruch zu ab 0 = a 0 b folgen. Der Bruch mit dem kleinsten Zähler hat also unter allen einander gleichen Brüchen auch den kleinsten Nenner. Wir wollen ihn vorübergehend “Kleinstbruch” nennen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, diese Minimaleigenschaft ohne Probieren festzustellen, wäre das Problem der Bestimmung je eines ausgezeichneten Vertreters aller einander gleichen Brüche gelöst. Um weitere Eigenschaften der Kleinstbrüche zu finden, notieren wir einige nach wachsenden Zählern geordnete Anfänge von Gleichungsketten: 64 Der Kernbruchalgorithmus 1 1 1 2 1 3 2 3 3.3.2 = 22 = 33 = · · · , = 24 = 63 = · · · , = 26 = 93 = · · · , = 46 = 96 = · · · . Zwei Beobachtungen lassen sich dann nach Überprüfung durch weitere Beispiele als Vermutungen formulieren: i) Bei jedem Kleinstbruch sind Zähler und Nenner teilerfremd. ii) Alle übrigen gleichen Brüche entstehen aus dem jeweiligen Kleinstbruch durch Erweitern mit einer Zahl, die größer als 1 ist. Sie haben deshalb keine teilerfremden Zähler und Nenner. Die erste Vermutung kann leicht indirekt bewiesen werden: Hätten Zähler und Nenner eines Kleinstbruchs einen gemeinsamen Teiler größer als 1, so ergäbe sich durch Kürzen ein gleicher Bruch mit kleinerem Zähler und Nenner - im Widerspruch zur Minimaleigenschaften des Kleinstbruchs. Bevor wir die tieferliegende zweite Eigenschaft in zwei Schritten ansteuern, geben wir den Brüchen mit teilerfremdem Zähler und Nenner einen eigenen Namen, weil diese Brüche - wenn ii) sich als richtig erweist - als “Repräsentanten” an die Stelle der Kleinstbrüche treten, denn die Eigenschaft der Teilerfremdheit ist sicher mit weniger Versuchen zu prüfen als die Minimaleigenschaft der Kleinstbrüche. Definition des Kernbruchs Der Bruch ab heißt Kernbruch, wenn a und b teilerfremd sind. Nun suchen wir ein Verfahren, mit dem zu jedem Bruch ein ihm gleicher Kernbruch bestimmt werden kann. Anschließend zeigen wir, dass unter allen einander gleichen Brüchen nur ein Kernbruch vorkommt. 3.3.2 Der Kernbruchalgorithmus Da wir mit den Stammbrüchen 1b , b ∈ N1 , und mit ihren Kehrbrüchen 1b unendlich viele Kernbrüche kennen, wenden wir eine “Rückwärtsstrategie” an, um aus jeweils schon vorliegenden Kernbrüchen weitere zu konstruieren, mit denen sich 3.3.2 Der Kernbruchalgorithmus 65 dann eventuell allgemeine Zusammenhänge finden lassen. Unter den Brüchen ab mit a < b sind für jedes b ≥ 3 noch diejenigen mit a = b − 1 leicht als Kernbrüche zu erkennen; denn wäre t ∈ N2 ein gemeinsamer Teiler mit a = : a1 t und b = : b1 t, so würde 1 = b − a = t(b1 − a1 ) mit b1 − a1 ∈ N1 im Widerspruch zu t > 1 folgen. Offenbar gilt das Gleiche für a = b + 1, wobei die Gleichung a − b = 1 genutzt wird. Damit haben wir bereits die entscheidende Idee. Wir können nämlich bei einem beliebigen Kernbruch ab genauso argumentieren, wenn wir durch c + ab = a+bc b mit c ∈ N1 zu einem gemischten Bruch übergehen: Hätten a + bc und b den gemeinsamen Teiler t ∈ N2 , so würde sich auf der rechten Seite der Gleichung a = (a + bc) − bc durch Ausklammern von t ergeben, dass t auch a teilt - im Widerspruch zur Kernbrucheigenschaft von ab . Dieser indirekte Schluss lässt sich noch wirkungsvoller als direkte Aussage formulieren: Alle gemeinsamen Teiler von b und a + bc sind auch Teiler von a und damit gemeinsame Teiler von a und b. Mit derselben Methode des Ausklammerns erhalten wir umgekehrt, dass die gemeinsamen Teiler von a und b ebenfalls gemeinsame Teiler von b und a + bc für jedes c ∈ N1 darstellen, d.h. die Mengen der gemeinsamen Teiler von a und b sowie von b und a + bc stimmen überein. Selbstverständlich gelten diese Beziehungen auch jeweils für einen Bruch ab und seinen Kehrbruch ab . Damit haben wir den entscheidenden Satz für die Lösung unserer verbliebenen Probleme. Kürzungssatz Die Brüche ab , ab und c + ab = a+bc mit a, b, c ∈ N1 sind entweder alle b Kernbrüche oder sie lassen sich durch dieselben Zahlen kürzen. Insbesondere gilt mit der Abkürzung “ggT” für den “größten gemeinsamen Teiler ” (3.15) ggT(a, b) = ggT(b, a) = ggT(b, a + bc) für alle a, b, c ∈ N1 . Jetzt können wir ausgehend von den Stammbrüchen durch Addition von natürlichen Zahlen und durch Kehrbruchbildung Folgen von Kernbrüchen mit streng monoton wachsenden Zählern und Nennern konstruieren. Im folgenden Beispiel beginnen wir mit 11 und wählen stets c = 1: 1 1 2 1 3 2 5 3 8 , 1 + = , 1 + = , 1 + = , 1 + = , ... . 1 1 1 2 2 3 3 5 5 66 Der Kernbruchalgorithmus 3.3.2 (Hier sind die Nenner bzw. die Zähler Glieder der Fibonacci-Folge (Seite 37).) Geben wir nun einen beliebigen Bruch fe mit e > f vor, so können wir die eben verwendeten Schritte umkehren: Zuerst teilen wir e mit Rest durch f und erhalten eindeutig bestimmte Zahlen q ∈ N1 und r ∈ N mit r < f , sodass e = f q + r gilt. Ist r = 0, so folgt ggT(e, f ) = f und fe = 1q . Im Falle r > 0 spalten wir den “Ganzteil ” q von fe = q + fr ab und bilden den Kehrbruch fr des verbleibenden “Bruchteils” fr . Wegen f < e und r < f wird bei dem Übergang von fe zu fr jeweils sowohl der Zähler als auch der Nenner verkleinert. Deshalb erhalten wir nach endlich vielen Wiederholungen dieser Schritte einen Bruch, dessen Nenner den Zähler teilt, weil die streng monoton abnehmenden Reste r schließlich 0 erreichen. Aufgrund des Kürzungssatzes (Seite 65) haben wir mit dem Nenner n des letzten Bruches den größten gemeinsamen Teiler von Zähler und Nenner des Ausgangsbruches gefunden. Ist n = 1, so stellt der Ausgangsbruch einen Kernbruch dar. Andernfalls ergibt der durch n gekürzte Ausgangsbruch einen zu ihm gleichen Kernbruch. Hat der vorgegebene Bruch einen Zähler, der kleiner als der Nenner ist, so gehen wir zunächst zum Kehrbruch über, bevor wir wie oben fortfahren. Sind Zähler und Nenner gleich, so ist natürlich 11 der zugehörige Kernbruch. In der Mathematik und in der Informatik heißt ein endliches Berechnungsverfahren, bei dem jeder Schritt eindeutig festgelegt ist, Algorithmus. Die obige Methode zur Prüfung, ob ein gegebener Bruch einen Kernbruch darstellt, bzw. zur Berechnung eines Kernbruchs, wenn das Erstere nicht der Fall ist, nennen wir deshalb Kernbruchalgorithmus. In dem folgenden Beispiel ist der größte gemeinsame Teiler durch Umrahmen hervorgehoben. 91 63 =1+ . 63 =2+ 28 . 28 =4 28 63 , 7 28 , , 7 91 63 = 7 = ggT(91, 63) ↑ 7 = ggT(63, 28) ↑ 7 = ggT(28, 7) 91: 7 63: 7 = 13 9 In dem folgenden Satz fassen wir die obigen Ergebnisse zusammen. 3.3.4 Einzigkeit der Kernbrüche 67 Kernbruchsatz Es sei ab ein Bruch mit a, b ∈ N2 . Mit Hilfe des folgenden Kernbruchalgorithmus, der den größten gemeinsamen Teiler von a und b ergibt, wird im Falle g : = ggT(a, b) = 1 der vorliegende Bruch als Kernbruch erkannt und im Falle g > 1 durch Kürzen von ab durch g ein zu ab gleicher Kernbruch berechnet. Ist a ≥ b, so setzt man e : = a und f : = b. Im Falle a < b erfolgt die Zuordnung umgekehrt durch e : = b und f : = a. Am Anfang einer eventuell mehrmals zu durchlaufenden “Schleife” spaltet man von fe den Ganzteil ab, indem man e durch f mit Rest teilt, wobei der Rest r ∈ N kleiner als f ist. Gilt r > 0, so wird die Schleife mit dem Kehrbruch fr anstelle von fe wiederholt, das heißt man setzt e : = f, f : = r und fährt mit dem Schleifenanfang fort. Im Falle r = 0 stellt f einen Teiler von e dar. Die Schleife wird dann mit f = ggT(e, f ) = ggT(a, b) verlassen. 3.3.3 Einzigkeit der Kernbrüche Den Nachweis dafür, dass unter allen einander gleichen Brüchen nur ein Kernbruch vorkommt, erfolgt ebenfalls mit Hilfe des Kürzungssatzes (Seite 65). Wir beachten dazu, dass nach dem Erweitern des Ausgangsbruchs mit einer Zahl g alle folgenden Brüche im Kernbruchalgorithmus und insbesondere der letzte Nenner auch mit g multipliziert erscheinen, weil aus (3.15) die Gleichung ggT(gb, ga + gbc) = ggT(ga, gb) folgt. Der letzte Nenner hat also die beiden Darstellungen ggT(eg, f g) und g · ggT(e, f ), das heißt es gilt (3.16) ggT(eg, f g) = g · ggT(e, f ) für alle e, f, g ∈ N1 . Sind nun ab und dc Kernbrüche mit ab = dc , so ist auf Grund des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) ad = bc. Außerdem gilt definitionsgemäß ggT(a, b) = 1 und ggT(c, d) = 1. Mit (3.16) folgt dann b = b · ggT(c, d) = ggT(bc, bd) = ggT(ad, bd) = d · ggT(a, b) = d, das heißt die beiden Kernbrüche sind gleichnamig, sodass auch a = c sein muss. Unter allen einander gleichen Brüchen ist also der Kleinstbruch jeweils der einzige Kernbruch. Damit ist die obige Vermutung ii) (Seite 64) bewiesen. 68 Einzigkeit der Kernbrüche 3.3.3 Erweiterungssatz Alle einander gleichen Brüche sind Erweiterungen desselben Kernbruchs. Der Kernbruch ist damit in doppelter Hinsicht “Repräsentant” der einander gleichen Brüche. Außerdem lässt er sich mit Hilfe des Kernbruchalgorithmus - wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden - auch zu Brüchen mit großem Zähler oder Nenner gut berechnen. Wir bezeichnen deshalb für jeden Bruch ab den ihm gleichen Kern bruch in suggestiver Weise durch ab (sprich: a b Kern von a durch b), wobei die parabelförmig verbundenen spitzen Klammern an einen (Kirsch-) Kern erinnern sollen (siehe Abbildung 3.6).2 Abbildung 3.6: (Kirsch-) Kernbruch Da vom nächsten Kapitel an die Kernbrüche die “nichtnegativen” Elemente in der Menge Q der “rationalen Zahlen” sind, bezeichnet Q0 schon jetzt die Menge der Kernbrüche. Damit N ⊂ Q0 gilt, erfolgt in Q0 die Gleichsetzung 3 (3.17) a : = : a1 für jedes a ∈ N. Außerdem definieren wir Q+ : = Q0 \ {0} . Bei den Motivationen zur Verallgemeinerung der Quotienten in 3.1.3 und bei den Verknüpfungen von Brüchen sind wir jeweils von den Ergebnissen in N ausgegangen. Deshalb ist zu erwarten, dass die nun in naheliegender Weise zu definierenden Verknüpfungen in Q0 - mit Ausnahme der Division - mit denen in N verträglich sind. Für ab , dc ∈ Q0 sei Da a c (3.18) + : = 3d b b Dc c a (3.19) − := 3 d b d Da a c (3.20) · := 3 b d b Dc c a (3.21) : := d3b d cE (3 + sprich: kernplus), d aE − (3 − sprich: kernminus), falls ab ≤ dc ist, b cE · (3 · sprich: kernmal) und d E a : (3 : sprich: kerndurch), wenn a 6= 0 ist. b + 2 Dieses Zuordnungssymbol und die später verwendeten Verknüpfungszeichen, die von Rauten oder Quadraten umgeben sind, werden nur bei der Herleitung und nicht in der Praxis benutzt. 3 Bei Bedarf (zum Beispiel in Verknüpfungen) ist die ursprüngliche Form einzusetzen. 3.3.4 Einzigkeit der Kernbrüche 69 Für b = d = 1 ist bd = 1, sodass bei den ersten drei Verknüpfungen in den spitzen Klammern schon Kernbrüche stehen, die natürliche Zahlen darstellen. Die Verträglichkeit mit den entsprechenden Verknüpfungen in N folgt also aus c c a a c a + = a + c, 3 − = c − a , falls a ≤ c ist, und 3 · = a · c. 3 1 1 1 1 1 1 Da in Q+ auch die durch (3.21) definierte “Division” uneingeschränkt ausgeführt werden kann, ist (Q+ , 3 · ) nicht nur eine Halbgruppe sondern eine “reichere” Struktur, die wir als Fortführung der jeweils erreichten algebraischen Strukturen in dem folgenden Nebentext beschreiben. Gruppen Anders als üblich erweitern wir das Halbgruppen-Paar durch die beiden hinzukommenden Objekte zu einem Viertupel. Definition der (abelschen) Gruppe Ein Viertupel (G, ◦, e, e/ ) bestehend aus einer nicht leeren Menge G, einer Verknüpfung ◦ : G × G → G, (a, b) 7→ a ◦ b, einem neutralen Element e ∈ G und einer Inversenabbildung e/ : G → G, a 7→ e/a, heißt Gruppe, wenn für alle a, b, c ∈ G gilt: i) (a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c) (Assoziativität), ii) e◦a=a◦e=a (Eigenschaft des neutralen Elements), iii) (e/a) ◦ a = a ◦ (e/a) = e (Eigenschaft des inversen Elements). Eine Gruppe heißt abelsch 4 (oder kommutativ ), wenn außerdem iv) a ◦ b = b ◦ a (Kommutativität) für alle a, b ∈ G erfüllt ist. Üblicherweise wird zuerst die Inversenabbildung eingeführt und dann die Division als Multiplikation mit einem Inversen definiert. Da wir mit (3.21) die Division in Q+ schon zur Verfügung haben, verwenden wir 13 : als Symbol für die Inversenabbildung. Die Eigenschaften ii), iii) und iv) ergeben sich für a , c ∈ Q+ direkt mit (3.20) und (3.21): b d a a 1·a a 13 · = 3 · 1= = , b b b b a a b a ba 13 : · = 3 · = = 1 und 3 b b a b ab a c D ac E D ca E c a · = = = 3 · . 3 b d bd db d b 4 Die Bezeichnung “abelsch” erfolgt zu Ehren des norwegischen Mathematikers Niels Henrik Abel (1802-1829). 70 Effizienz des Kernbruchalgorithmus 3.3.4 Für den Nachweis der Assoziativität i) benötigen wir ein Hilfsergebnis: g = h g , i = i für alle g, h, i, k ∈ N1 und wegen (3.20) gilt DgE i gi · = . (3.22) 3 h k hk Ist auch e ∈ Q+ , so folgt damit f D E a c e e ace a ce a c e ac · · = · = = · = 3 · · . 3 3 3 3 3 b d f bd f bdf b df b d f Wegen h k k Diese Ergebnisse können wir mit der oben nachgewiesenen Verträglichkeit der Verknüpfungen 3 · und · auf N1 zusammenfassen: Satz über Q+ als Gruppe (Q+ , 3 · ,1,13 : ) ist eine abelsche Gruppe, die die Halbgruppe (N1 , · ) enthält, wobei die Einschränkung der Verknüpfung 3 · auf N1 mit der Verknüpfung · übereinstimmt. 3.3.4 “Effizienz” des Kernbruchalgorithmus Die Herleitung des Kernbruchalgorithmus ergab nur, dass bei dem Ersetzen von e durch fr Zähler und Nenner verkleinert werden, sodass das Verfahren stets f nach höchstens b Schritten mit dem “Ausdividieren” eines Bruches endet, wenn a mit a > b der Ausgangsbruch ist. Beispiele, die wie das obige größere Zahlen b enthalten, lassen vermuten, dass der Kernbruchalgorithmus “effizienter” ist, das heißt mit wesentlich weniger Schritten zum Ziel führt. Wir können diese Vermutung leicht bestätigen, indem wir mit Fallunterscheidung zeigen, dass stets r < 2e gilt. Ist f ≤ 2e , so folgt aus 0 ≤ r < f unmittelbar die Ungleichung r < 2e . Im verbleibenden Fall f > 2e benötigen wir die Gleichung e = f q + r, um wegen q ∈ N1 mit f q ≥ f > 2e auf r = e − f q < 2e zu schließen. (3.23) Ist s die Anzahl der Schleifendurchläufe, so treten also die Brüche ab 1 , ab 2 , . . . , ab s 1 2 s mit (3.24) bi = ai+1 < ai und bi+1 < bi für i = 1, . . . , s − 1 auf, wobei außerdem bs einen Teiler von as darstellt. Wegen (3.23) und (3.24) gilt (3.25) aj+2 = bj+1 < 12 aj und bj+2 < 12 aj+1 = 12 bj für j = 1, . . . , s − 2. 3.3.4 Effizienz des Kernbruchalgorithmus 71 Deshalb werden beim Übergang von einem Bruch zu dem jeweils übernächsten sowohl der Nenner als auch der Zähler um mehr als die Hälfte verkleinert. Da die Kette der Brüche spätestens dann abbricht, wenn der Nenner kleiner als 2 ist, können wir mit der Ungleichungskette für jeden zweiten Nenner eine Schranke für s gewinnen. Es sei m : = min {k ∈ N1 | 2k > b1 }, also 2m−1 ≤ b1 < 2m . Wir nehmen an, es wäre s > 2m − 1. Dann ergibt (3.25) mit vollständiger Induktion m 2 1 b2m−1 < 21 b2m−3 < . . . < 2m−1 b1 < 2m−1 = 2, das heißt es wäre b2m−1 = 1 und damit s ≤ 2m−1 im Widerspruch zur Annahme. Also ist s ≤ 2m − 1. Wegen der Bedeutung des Kernbruchalgorithmus halten wir diese sehr gute Schrittzahlabschätzung in einem Satz fest. Effizienzsatz Sind a, b ∈ N1 und ist m : = min {k ∈ N1 | 2k > min {a, b}}, so ergibt der Kernbruchalgorithmus nach höchstens 2m − 1 Schleifendurchläufen den größten gemeinsamen Teiler von a und b. Also benötigt man zum Beispiel bei Zahlen a, b ∈ N1 mit b < min {a, 255} wegen 256 = 28 > b höchstens 15 Schleifendurchläufe. Didaktische, historische und methodische Bemerkungen zum Kernbruchalgorithmus Im Alltag spielen Kernbrüche nur eine geringe Rolle. Zwar würde kaum jemand 2 statt 1 schreiben, aber bei Brüchen mit größeren Zählern oder 4 2 Nennern wird nur selten die Kernbrucheigenschaft geprüft oder herbeigeführt. Für die Mathematik und auch für die Entwicklung des mathematischen Denkens im Unterricht der Sekundarstufe I werden sich die Kernbrüche aber schon bald wegen ihrer Eindeutigkeit schaffenden Funktion als unumgänglich und als grundlegend erweisen. Darüber hinaus werden wir im nächsten Abschnitt als Anwendung des Erweiterungssatzes (Seite 68) eine einfache Berechnungsmöglichkeit für das kleinste gemeinsame Vielfache zweier Zahlen und einen für die Sekundarstufe I angemessenen Beweis des Hauptsatzes der Zahlentheorie herleiten. Der größte Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist sicher die Zeitersparnis von mehreren Monaten, weil die Bruchrechnung nun ohne Primfaktorzerlegung auskommt. Im Vergleich mit dem Kernbruchalgorithmus ist die Suche nach Primfaktoren ohnehin nur ein “Probierverfahren” mit einer schwer zu begreifen- 72 Effizienz des Kernbruchalgorithmus den Begründung. Der Hauptsatz der Zahlentheorie sollte als Phänomen erwähnt werden, aber als tragender Baustein in einem soliden Gebäude der Schulmathematik ist er kaum geeignet. Obwohl die Bedeutung des “algorithmischen Denkens” im Zusammenhang mit programmierbaren Rechnern stark zugenommen hat, stellt die Favorisierung des algorithmischen Vorgehens in diesem Randbereich der Bruchrechnung sicher keinen “Modernismus” daher, weil es sich bei dem Kernbruchalgorithmus um eine Variante des ältesten bekannten Algorithmus handelt. Er wurde von Euklid im Buch VII der “Elemente” vor mehr als 2000 Jahren eingeführt und heißt heute “ euklidischer Algorithmus”. Wir haben den Namen “ Kernbruchalgorithmus” gewählt, weil einerseits die Kernbruchbestimmung das Ziel ist und weil andererseits die entscheidende Lösung des Motivationsproblems in der Form der oben erwähnten Rückwärtsstrategie (Seite 64) durch den so genannten “ Kettenbruchalgorithmus” angeregt wird, der so eng mit dem euklidischen Algorithmus verwandt ist, dass viele Zahlentheoriebücher ihn gar nicht erwähnen. Bei dem Kettenbruchalgorithmus werden die Reziproken jeweils im Nenner ersetzt. Dabei ergibt sich eine Gleichungskette, die den zugehörigen Kernbruch sogar ohne Kürzen liefert. Unser obiges Beispiel (Seite 66) erhält damit die Form: 91 = 1 + 28 = 1 + 1 7 = 1 + 1 1 = 1 + 4 = 13 . 63 63 9 9 2+ 2+ 28 4 Sowohl der euklidische Algorithmus als auch der Kettenbruchalgorithmus verwenden also wiederholte Division mit Rest, die in dieser Altersstufe keine besondere Schwierigkeit darstellt, weil sie bei den vorkommenden Zahlen, die meistens relativ klein sind, als fortgesetzte Subtraktion erfahren wird. Wegen der noch nicht eingeführten geschachtelten Bruchschreibweise, wegen der immer länger werdenden “Zahlentreppen” und wegen der Mühe des Rückwärtseinsetzens haben wir den Kernbruchalgorithmus zeilenweise aufgespalten und sind zur Halbzeit nach der Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers zum Ausgangsbruch zurückgekehrt. Trotz dieser Vereinfachungen ist die algorithmische Vorgehensweise zu Beginn der Sekundarstufe I natürlich ungewohnt. Zur Einführung und Einprägung des Kernbruchalgorithmus empfiehlt es sich deshalb, eine spielerische Form zu wählen. Wir skizzieren hier eine solche Möglichkeit, die wir “ Kernbruchpost” nennen, weil eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Spiel “Stille Post” vorliegt, bei dem nebeneinander sitzende Personen sich nacheinander einen Satz möglichst originalgetreu ins Ohr flüstern. In unserem Falle können zwei (oder mehrere) Mannschaften gebildet werden, in denen die jeweiligen Kehrbrüche still in einer vorher festgelegten Reihenfolge an das nächste Mitglied weitergegeben werden. Alle Mannschaften starten gleichzeitig mit einem Bruch, bei dem möglichst keine gemeinsamen 3.3.4 3.3.5 Zwei Anwendungen des Erweiterungssatzes 73 Teiler von Zähler und Nenner zu erkennen sind. Gewonnen hat diejenige Mannschaft, die als erste den zugehörigen Kernbruch nennt. Beachtenswert ist bei der Rückwärtsstrategie vor allem die Möglichkeit, in einer Vorphase gemeinsam mit den SchülerInnen die folgenden drei entscheidenden “Spielregeln” für die Konstruktion von Kernbrüchen zu entwickeln: i) Jeder Bruch, dessen Zähler oder Nenner 1 ist, stellt einen Kernbruch dar. ii) Ein Bruch und sein Kehrbruch sind entweder beide Kernbrüche oder beide keine Kernbrüche. iii) Die Summe einer natürlichen Zahl und eines Bruches ergibt als Bruch geschrieben genau dann einen Kernbruch, wenn der Bruch selbst ein Kernbruch ist. Bei dem Versuch, iii) zu begründen, wird dann die Umkehrbarkeit des Vorgehens entdeckt, die den Kernbruchalgorithmus und damit auch das Spiel ergibt. 3.3.5 Zwei Anwendungen des Erweiterungssatzes Das kleinste gemeinsame Vielfache kgV(a, b) von zwei natürlichen Zahlen a, b wird heute im Mathematikunterricht und auch in den Zahlentheorielehrbüchern mit Hilfe der Primfaktorzerlegung von a und b bestimmt. Es ist bemerkenswert, dass sich schon bei Euklid im Buch VII (§34) eine Berechnungsmöglichkeit findet, die sich leicht mit Hilfe des Erweiterungssatzes (Seite 68) herleiten lässt. Gesucht werden nämlich zwei möglichst kleine natürliche Zahlen e, f , sodass (3.26) kgV(a, b) = ae = bf gilt. Aufgrund des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) ist (3.26) mit ab = fe äquivalent, wobei fe wegen der geforderten Minimalität der zugehörige Kernbruch sein muss. Der Erweiterungssatz (Seite 68) ergibt also mit g : = ggT(a, b), dass f = ag und e = gb gilt. Durch Einsetzen in (3.26) erhalten wir die folgende Darstellung. Vielfachensatz Sind a, b ∈ N1 , so gilt (3.27) kgV(a, b) = ab . ggT(a, b) 74 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche 3.3.6 Die zweite Anwendung stellt eine Verallgemeinerung eines Satzes von Euklid (Buch VII, §30) dar, mit dem man heute meistens die Eindeutigkeit der Primfaktordarstellung der natürlichen Zahlen beweist. Hier brauchen wir nur die Aussage des Erweiterungssatzes (Seite 68) umzudeuten. Es sei vorausgesetzt, dass a einen Kernbruch darstellt und dass dc ein Bruch ist, für den ab = dc gilt. Mit b dem Bruchgleichheitssatz (Seite 56) und der Definition des Kernbruchs erhält die Voraussetzung des folgenden Satzes die Form b | ad und ggT(a, b) = 1. Der Erweiterungssatz ergibt dann, dass b Teiler von d sein muss. Produktteilersatz Sind a, b, d ∈ N1 mit ggT(a, b) = 1 und b | ad, so ist b ein Teiler von d. Bei dem Eindeutigkeitsbeweis für den Hauptsatz der Zahlentheorie (Seite 49) entspricht b dem kleinsten Primteiler q der zu betrachtenden Zahl m + 1. Um den Induktionsschluss durchführen zu können, haben wir dort gezeigt, dass q in jeder Zerlegung von m + 1 als Primfaktor vorkommt. Im Falle m + 1 6= q wurden dazu trickreiche Umformungen benötigt, die sich jetzt eliminieren lassen. Dazu ersetzen wir im Produktteilersatz b durch q und schreiben dann b anstelle von d. In der Zerlegung m + 1 = ab mit 1 < a < m und 1 < b < m besitzen a und b aufgrund der Induktionsvoraussetzung eindeutige Primfaktordarstellungen. Der Produktteilersatz ergibt nun, dass q Teiler von a oder von b ist. Damit kommt q auch in jeder Primfaktordarstellung von m + 1 vor, weil die Zahlen eines solchen Produkts zu zwei geeigneten Faktoren a und b zusammengefasst werden können. Die eindeutige Primfaktordarstellung von m+1 = q1 · · · qr mit qi ∈ P, i = 1, . . . , r, q und q1 ≤ · · · ≤ qr führt schließlich zu der eindeutigen Zerlegung m+1 = q q1 · · · qr . Auch wenn am Anfang der Sekundarstufe I noch keine Beweise geführt werden, lässt sich die obige Idee doch besser als bisher mit den Erfahrungen vermitteln, die SchülerInnen in dieser Altersstufe mit Zahlenbeispielen sammeln. 3.3.6 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche Wie in N besteht auch in Q0 der Mangel, dass die Subtraktion nur eingeschränkt möglich ist. Im nächsten Kapitel wird N mit Hilfe von “verallgemeinerten Differenzen” zu einem Zahlbereich erweitert, in dem uneingeschränkt subtrahiert werden kann. Um diese Vorgehensweise bei Q0 übernehmen zu können, übertragen wir im Folgenden die wesentlichen Teile der bei der Erweiterung von N zu verwendenden drei Sätze über Verknüpfungen in N. 3.3.6 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche 75 Satz über die Addition in Q0 Für alle ab , dc , fe ∈ Q0 gilt: i) 0 3 + dc = dc (Nullneutralität), ii) dc 3 + fe = fe 3 + dc (Kommutativität), + dc ) 3 + ( dc 3 + fe ) (Assoziativität). iii) ( ab 3 + fe = ab 3 iv) ab = dc ist äquivalent mit ab 3 + fe = dc 3 + fe (Invarianz ). + fe < dc 3 + fe (Monotonie). v) ab < dc ist äquivalent mit ab 3 Beweis i) Definitionsgemäß gilt 0 3 + dc = h 01 + dc i = dc = dc . ii) Ebenso ergibt sich dc 3 + fe = h dc + fe i = h fe + dc i = fe 3 + dc . iii) Es wird ein (3.22) entsprechendes Hilfsergebnis benötigt: Wegen pq = und rs = rs gilt (3.28) DpE q + 3 DrE h pq i Dp rE = + für alle p, r ∈ N und q, s ∈ N1 . s q s Damit folgt a c e c e a c a c e a c e a e + + = + = + + = + + = + + . + b3d 3f h b d 3fi hb d fi hb3 d f i b3 d3f iv) Aufgrund des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) ist ab = dc äquivalent mit ad = bc. Wegen ab 3 + fe = ab + fe und dc 3 + fe = dc + fe folgt mit Hilfe desselben Satzes, dass ab 3 + fe = dc 3 + fe genau dann gilt, wenn adf 2 + bdef = bcf 2 + bdef erfüllt ist. Teil v) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) sowie die Teile viii) und x) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) ergeben damit die Äquivalenz mit ad = bc also mit ab = dc . v) Um mit Hilfe des Bruchvergleichssatzes (Seite 60) die zum Beweis von iv) analogen Schlüsse mit dem Kleinerzeichen anstelle des Gleichheitszeichens ziehen zu können, benötigen wir eine Hilfsaussage: 76 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche 3.3.6 Für pq , rs ∈ Q0 und m, n ∈ N1 gilt mp < nr genau dann, wenn pq < rs erfüllt mq ns ist, weil wegen der Teile ix) und xi) des Satzes über die Multiplikation in N mpns < mqnr und ps < qr äquivalent sind. Da aufgrund des Erweiterungssatzes (Seite 68) jeder Bruch eine Erweiterung genau eines Kernbruchs darstellt, gilt die entsprechende Beziehung für beliebige Brüche und die zugehörigen Kernbrüche. + fe < dc 3 + fe und adf 2 + bdef < bcf 2 + bdef äquivalent. Teil vi) Damit sind ab 3 des Satzes über die Addition in N (Seite 39) sowie die Teile ix) und xi) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) ergeben dann die Äquivalenz mit ad < bc also mit ab < dc . Satz über die Ergänzung in Q0 Sind fe , hg ∈ Q0 mit fe ≤ hg , so ist dc : = hg 3 − fe der einzige Kernbruch, für den c + e = hg gilt. d3f Beweis Definitionsgemäß ist dc : = hg 3 − fe = h f g−eh , und mit (3.28) folgt fh i D 2 c f g − eh E e e f g − ef h + ef h g + + = = = . 3 2 d f fh f f h h Teil iv) des Satzes über die Addition in Q0 (Seite 75) ergibt die Eindeutigkeit. Satz über die Multiplikation in Q0 Für alle ab , dc , fe ∈ Q0 und alle hg ∈ Q+ gilt: i) 0 3 · dc = 0 (Nulldominanz ), ii) dc 3 · fe = fe 3 · dc (Kommutativität), iii) 1 3 · dc = dc 3 · 1 = dc (Einsneutralität), iv) ( ab 3 + dc ) 3 · fe = ab 3 · fe 3 + dc 3 · fe und fe 3 · ( ab 3 + dc ) = fe 3 · ab 3 + fe 3 · dc (Distributivität), v) ( ab 3 · dc ) 3 · fe = ab 3 · ( dc 3 · fe ) (Assoziativität). vi) Aus dc 3 · fe = 0 folgt dc = 0 oder fe = 0 (Nullteilerfreiheit). vii) Aus ab = dc folgt ab 3 · hg = dc 3 · hg (Invarianz ). 3.3.6 Weitere Eigenschaften der Kernbrüche 77 · hg < dc 3 · hg und ( dc 3 − ab ) 3 · hg 3 − ab 3 · hg . viii) Aus ab < dc folgt ab 3 · hg = dc 3 · hg = dc 3 · hg folgt ab = dc (Kürzbarkeit). ix) Aus ab 3 · hg < dc 3 · hg folgt ab < dc . x) Aus ab 3 Beweis Die Teile ii), iii) und v) wurden zu dem Satz über Q+ als Gruppe (Seite 70) bewiesen. i) Definitionsgemäß ist 0 3 · dc = h 01 · dc i = + dc 3 · fe = h ad+bc iv) Mit (3.28) gilt ab 3 bd 0 d = 0. · fe i = h ade+bce = h ab · fe i 3 + bdf i + dc 3 · fe . Die zweite Gleichung ergibt sich analog oder mit ii). h dc · fe i = ab 3· fe 3 ce vi) Wegen dc 3 · fe = h df i ist die Voraussetzung genau dann erfüllt, wenn ce = 0 gilt. Aufgrund der Teile ii), iii) und vii) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) ist dieses äquivalent mit c = 0 oder e = 0 also mit dc = 0 oder fe = 0. vii) und ix) Hier sind zunächst folgende Gleichungen äquivalent: ab 3 · hg = dc 3 · hg , cg = h dh h ag i und adgh = bcgh. Aufgrund der Teile viii) und x) des Satzes über bh i die Multiplikation in N gilt dieses dann und nur dann, wenn ad = bc also ab = dc erfüllt ist. viii) und x) Die Definitionen der entsprechenden Verknüpfungen ergeben, dass cg die Ungleichungen ab 3 · hg < dc 3 · hg und h ag < h dh i äquivalent sind. Wie bei bh i dem Beweis von Teil v) des Satzes über die Addition in Q0 (Seite 75) folgt die Äquivalenz mit adgh < bcgh. Diese Ungleichung gilt aufgrund der Teile ix) und xi) des Satzes über die Multiplikation in N genau dann, wenn ad < bc also ab < dc erfüllt ist. Aufgrund des Satzes über die Ergänzung in Q0 (Seite 76) ist fe : = dc 3 − ab der einzige Kernbruch, für den fe 3 + ab = dc gilt. Die Distributivität iv) der rechten Seite von dc 3 · hg = fe 3 + ab 3 · hg und die nochmalige Anwendung des Satzes über die Ergänzung in Q0 liefern die zweite Aussage von viii). 78 Dezimalbrüche 3.4 3.4 Dezimalbrüche Im Alltag treten anstelle von Brüchen meistens “Dezimalbrüche” als Maßzahlen auf, zum Beispiel 1,9 m, 0,44 cm3 , 3,25 kg und 2,2 bar. Sie entstehen durch Addition von fortgesetzt zehngeteilten Maßeinheiten. Wir behandeln sie hier genauer, weil sie für die Einführung der reellen Zahlen in Kapitel 5 (Seite 107) benötigt zm . . . z0 werden. Als Vorbereitung stellen wir die Brüche für e ∈ N1 mit Hilfe von 10e (2.10) als Summen dar. Dazu verallgemeinern wir (3.1) mit vollständiger Induktion auf beliebig viele Summanden und benutzen (2.12), um aus 10k = 10k−e 10e für k ≥ e und 10e = 10k 10e−k für k < e die Quotienten 10k−e , wenn k ≥ e ist, k 10 = 1 10e , wenn k < e ist, 10e−k zu berechnen. Damit folgt m e−1 X X 1 k−e z 10 + z , wenn m ≥ e ist, k k 10e−k m 1 X zm . . . z0 zk 10k = k=e = e m X 10e 10 k=0 1 zk e−k , 10 k=0 wenn m < e ist. k=0 Für solche Bruchsummen wird die folgende Abkürzung eingeführt: Bezeichnung des Dezimalbruchs Sind e, a0 ∈ N und ai ∈ A10 für i = 1, . . . , e, so wird die Bruchsumme e X ai 5 a0 , a1 . . . ae : = 10i i=0 Dezimalbruch genannt. Die obigen Brüche, die wir Zehnpotenzbrüche nennen, erhalten damit die Form zm . . . z0 zm . . . ze , ze−1 . . . z0 , wenn m ≥ e ist, (3.29) = 0, 0 . . . 0 zm . . . z0 , wenn m < e ist. | {z } 10e e−m−1 5 In einigen Bereichen (zum Beispiel bei Computer-Anzeigen) hat sich die englischamerikanische Schreibweise mit einem Dezimalpunkt durchgesetzt. 3.4 Dezimalbrüche 79 Das folgende Kriterium dient dazu, die relativ wenigen Brüche, die sich in dieser Weise entwickeln lassen, zu erkennen. Satz über Dezimalbrüche a Ein Bruch kann genau dann als positiver Dezimalbruch dargestellt werden, bb 10 a ∈ N1 gilt. wenn b Beweis i) Ist a0 , a1 . . . ae 6= 0 ein Dezimalbruch, so folgt aus X e e X ai 1 e−i = ai 10 · e, i 10 10 i=0 i=0 dass a0 , a1 . . . ae = a b e mit b : = 10 und a : = e X ai 10e−i ∈ N1 gilt. Mit M : = i=0 k ∈ N | 10k ≥ k + 1 ergibt der Induktionssatz 10n > n für jedes n ∈ N, weil 0 ∈ M und 10b+1 = 10b · 10 ≥ (b + 1) · 10 ≥ b + 2 für jedes b ∈ M erfüllt ist. b Damit folgt 10b a = 10b−e a ∈ N1 . D b E ii) Genügt ab der Bedingung 10b a ∈ N1 , so kann man aufgrund des MinimumD j E n o 10e a 10 a satzes (Seite 31) e : = min j ∈ N ∈ N und c : = setzen. Also 1 b b a c gilt = e . Mit der Dezimaldarstellung von c (Seite 38) und mit (3.29) ergibt b 10 sich die Darstellbarkeit von ab als Dezimalbruch. D b E Ist ab ein Kernbruch, so gilt 10b a ∈ N1 wegen (2.13) genau dann, wenn b keine von 2 und 5 verschiedene Primzahl als Teiler hat. Ob dieses der Fall ist, lässt sich leicht feststellen, indem b so oft wie möglich durch 2 und durch 5 geteilt D b b E wird. Bleibt eine Zahl aus N3 übrig, so ist 2 5b a ∈ / N1 , und ab besitzt damit keine Dezimalbruchdarstellung. In Abschnitt 5.1.8 werden wir erfahren, wie diese Brüche mit Hilfe von Dezimalbrüchen angenähert werden können. Kapitel 4 Ganze und rationale Zahlen 4.1 Differenzen und ganze Zahlen Im vorigen Kapitel wurden die Brüche als verallgemeinerte Quotienten eingeführt, um neben der Addition und der Multiplikation auch die Division als “Umkehrung” der Multiplikation uneingeschränkt ausführen zu können. Da sich die Differenzen im Satz über die Ergänzung in N (Seite 40) und bei den Brüchen (3.7) und (3.19) nur unter der Bedingung definieren ließen, dass der Subtrahend nicht größer ist als der Minuend, nehmen wir uns nun vor, die uneingeschränkte Subtraktion als “Umkehrung” der Addition ebenfalls durch “Zahlbereichserweiterung” zu gewinnen, indem wir möglichst viele Erfahrungen aus dem vorigen Kapitel nutzen. Wegen der gleichen Voraussetzungen und Ziele ist zu erwarten, dass die Vorgehensweisen bei N und Q0 im Wesentlichen übereinstimmen. Da N eine Teilmenge von Q0 ist, könnte man sogar auf die Erweiterung von N verzichten und die “negativen ganzen Zahlen” als Teilmenge der “negativen rationalen Zahlen” gewinnen, zumal die ersteren in der Praxis fast keine Rolle spielen. Wegen der einfacheren Motivation und der übersichtlicheren Veranschaulichung beginnen wir jedoch mit der Erweiterung von N und “kopieren” anschließend die Vorgehensweise bei der Erweiterung von Q0 . Im letzten Kapitel haben wir erfahren, dass es möglich ist, mit den Brüchen als verallgemeinerten Quotienten ähnlich zu rechnen wie mit den natürlichen Zahlen. An die Stelle der Quotienten treten jetzt Differenzen, und wir versuchen, sie in einer Weise zu verallgemeinern, die mit den bisherigen Differenzen verträglich ist. Um den verschiedenen Zeichen “Doppelpunkt” beim Teilen und “Bruchstrich” 80 4.1 Differenzen und ganze Zahlen 81 bei den Brüchen zu entsprechen, benötigen wir ein neues Zeichen für verallgemeinerte Differenzen. 1 Wir entscheiden uns für “ ( ” (( sprich: biminus), um auszudrücken, dass a ( b : = a − b für alle a, b ∈ N mit b ≤ a gilt und dass a ( b für a < b eine neue Bedeutung bekommt. Diese verallgemeinerten Differenzen nennen wir “Bidifferenzen”. Zunächst klären wir, wann Differenzen gleich sind, um damit verträglich die Gleichheit von Bidifferenzen definieren zu können. Satz über Differenzengleichheit in N Sind a, b, c, d ∈ N mit a ≥ b und c ≥ d, so gilt a − b = c − d genau dann, wenn a + d = b + c erfüllt ist. Beweis Wird aufgrund des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40) m : = a−b und n : = c − d gesetzt, so gilt a = m + b und c = n + d. Die Teile v), iii) und iv) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) ergeben damit (4.1) a + d = m + b + d und b + c = n + b + d. i) Aus m = n folgt dann mit derselben Aussage v) m + b + d = n + b + d also a + d = b + c. ii) Umgekehrt erhalten wir mit (4.1) und Teil v) des Satzes über die Addition in N, dass m = n ist. Definition der Gleichheit von Bidifferenzen in N Bidifferenzen a ( b und c ( d mit a, b, c, d ∈ N heißen gleich, wenn a+d = b+c gilt. Auch hier wird die Gleichheit a ( b = c ( d geschrieben. Wie die Brüche in Abschnitt 3.1.4 sind also auch die Bidifferenzen keine Paare (von natürlichen Zahlen). Dagegen werden in Abschnitt 6.1 die komplexen Zahlen als Paare (von reellen Zahlen) definiert. Da die Brüche, Bidifferenzen und Zahlenpaare vieles gemeinsam haben, führen wir für jedes solche “zweistellige Objekt” den Oberbegriff “Duo” ein, der von einer Studentin mit den Fächern 1 Dieses “Verbindungszeichen” und das ab Seite 84 verwendete Zuordnungssymbol werden wie die in 4.2 und 4.4 definierten Verknüpfungszeichen, die von Quadraten umgeben sind, nur bei dieser Herleitung und nicht in der Praxis benutzt. 82 Differenzen und ganze Zahlen 4.1 Mathematik und Musik vorgeschlagen wurde. Die wichtigsten Gemeinsamkeiten sind das Vorliegen einer Gleichheitsrelation und die Möglichkeit, Verknüpfungen zu definieren, die mit der Gleichheitsrelation verträglich sind. Anders als bei Brüchen ist die Gleichheit von Bidifferenzen direkt zu prüfen, weil schon die Definition in gewisser Weise dem Kriterium des Bruchgleichheitssatzes (Seite 56) entspricht. Außerdem ist es recht einfach, diese Gleichheit mit Hilfe der zugehörigen Komponentenpaare als Punkte in einem “Quadratgitter” zu veranschaulichen (siehe Abbildung 4.1). Die Komponentenpaare aller einander gleichen Bidifferenzen liegen nämlich auf Halbgeraden, die aus Quadratdiagonalen bestehen, weil a ( b = (a+1) ( (b+1) für alle a, b ∈ N gilt. Das “Aneinanderhängen” dieser Diagonalen erfolgt dann mit vollständiger Induktion, wobei jeweils bei einem Komponentenpaar begonnen wird, das mindestens eine 0 enthält. 0(3 0(2 0(1 0(0 1(3 2(3 3(3 1(2 2(2 3(2 1(1 2(1 3(1 1(0 2(0 3(0 Abbildung 4.1: Gleiche Bidifferenzen und “Randsymbol” Damit erkennen wir auch, dass die einander gleichen Bidifferenzen jeweils einen ausgezeichneten Vertreter haben, der dem Kleinstbruch bei einander gleichen Brüchen entspricht: Definition der Randdifferenz in N Die Bidifferenz a ( b heißt Randdifferenz, wenn a = 0 oder b = 0 ist. 4.2.1 Addition von ganzen Zahlen 83 Satz über Randdifferenzen in N Zu jeder Bidifferenz gibt es genau eine ihr gleiche Randdifferenz. Beweis i) Mit Fallunterscheidung lässt sich zu der Bidifferenz a ( b eine ihr gleiche Randdifferenz direkt angeben: (a − b) ( 0, wenn b ≤ a ist, (4.2) a(b= 0 ( (b − a), wenn a < b gilt. Die erste Gleichheit ergibt sich mit Hilfe des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40) aus a + 0 = b + (a − b), die zweite folgt wegen a + (b − a) = b + 0. ii) Sind a ( b und c ( d Randdifferenzen und gilt a ( b = c ( d, so erhalten wir die Eindeutigkeit aus a + d = b + c durch folgende Schlüsse: Es ist a = c genau dann, wenn b = d gilt, und a = d = 0 tritt genau dann ein, wenn b = c = 0 ist. Die gleichsetzenden Abkürzungen (siehe Fußnote 3 auf Seite 68) (4.3) a : = : a ( 0 für a ∈ N und −b : = : 0 ( b (−b sprich: minus b), b ∈ N1 , benutzen wir nun zur Bezeichnung der Menge der ganzen Zahlen Z : = N ∪ Z− mit Z− : = {−b ; b ∈ N1 } . Die ganzen Zahlen sind also genau die Randdifferenzen der natürlichen Zahlen. Die erste Gleichsetzung ergibt, dass N eine Teilmenge von Z ist. Da die negativen ganzen Zahlen −b mit b ∈ N1 üblicherweise durch ein vorangesetztes − -Zeichen gekennzeichnet werden, haben wir keine andere Schreibweise wie etwa − b - vorübergehend zur Hervorhebung der verschiedenen Bedeutungen des Minuszeichens gewählt. 4.2 4.2.1 Verknüpfungen und Kleinerrelation in Z Addition von ganzen Zahlen Wie bei dem Satz über Differenzengleichheit in N (Seite 81) betrachten wir zunächst Differenzen a − b und c − d mit a ≥ b and c ≥ d. Setzen wir m : = a − b und n : = c − d, so gilt aufgrund des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40) a = b + m und c = d + n. Damit folgt a + c = (b + m) + (d + n) = (b + d) + (m + n), und der Satz über die Ergänzung in N ergibt 84 Addition von ganzen Zahlen 4.2.1 (a − b) + (c − d) = m + n = (a + c) − (b + d). Wir definieren deshalb die Addition für beliebige Bidifferenzen in N durch (4.4) (a ( b) (c ( d) : = (a + c) ( (b + d) ( sprich: boxplus 2 ). Bevor wir nachweisen, dass diese Definition mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen verträglich ist, wollen wir die am Anfang des vorigen Abschnitts angedeutete Entsprechung mit der Erweiterung von N nach Q+ präzisieren. Das Verbindungszeichen ( wurde auf Seite 81 in Analogie zum Bruchstrich eingeführt. Vergleichen wir den Bruchgleichheitssatz (Seite 56) mit der Definition der Gleichheit von Bidifferenzen (Seite 81), so können wir außerdem vermuten, dass die Multiplikationen in Additionen übergehen. Diese Vermutung wird durch die Entsprechung von (3.8) und (4.4) bestätigt. Den angekündigten Beweis führen wir nun, indem wir den Nachweis von (3.9) einfach “übersetzen”, wobei wir darauf achten, dass alle Schlüsse korrekt sind: Aus a ( b = a 0 ( b 0 und c ( d = c 0 ( d 0 folgt (a + c) ( (b + d) = (a 0 + c 0 ) ( (b 0 + d 0 ), denn das Ersetzen von a 0 + b durch a + b 0 und von c 0 + d durch c + d 0 in (a 0 + b) + (c 0 + d ) führt zu der Gleichung (a 0 + c 0 ) + (b + d ) = (a + c) + (b 0 + d 0 ), die definitionsgemäß mit (a ( b) (c ( d ) = (a 0 ( b 0 ) (c 0 ( d 0 ) gleichbedeutend ist. Analog zum Zuordnungssymbol für Kernbrüche (Seite 68) bezeichnen wir jetzt die Randdifferenz aus (4.2), die der beliebigen Bidifferenz a ( b gleich ist, durch a − b, wenn b ≤ a ist, (4.5) ba ( b e : = (sprich: Rand von a biminus b). −(b − a), wenn a < b gilt, Der vordere rechte Winkel soll dabei an die linken unteren Ecken der Randquadrate in Abbildung 4.1 erinnern. Da sich dieser Aufbau an der Praxis orientiert, werden in Z - anders als in Q0 die üblichen Verknüpfungszeichen verwendet, wobei hier kleine griechische Buchstaben ganze Zahlen darstellen. Die Definition der Addition in Z lautet also (4.6) α + β : = bα β e für alle α, β ∈ Z. Die Verträglichkeit dieser Verknüpfung mit der Addition in N folgt aus (a ( 0) + (b ( 0) = ba b e = b(a + b) ( 0 e = a + b für alle a, b ∈ N. 2 Die Vorsilbe “box” kommt von der LATEX-Bezeichnung für das umgebende Quadrat. 4.2.2 Subtraktion von ganzen Zahlen 85 Mit (a ( b) (c ( d) = (a + c) ( (b + d) = (c ( d) (a ( b) für alle a, b, c, d ∈ N ergibt sich die Kommutativität (4.7) α + β = bα β e = bβ α e = β + α für alle α, β ∈ Z. Die Neutralitätseigenschaft von 0 erhalten wir aus (4.8) 0 + β = b0 β e = bβ e = β für jedes β ∈ Z. Als Grundlage des Nachweises der Assoziativität leiten wir diese Eigenschaft zunächst für die Addition von Bidifferenzen mit a, b, c, d, e, f ∈ N her: (a ( b) (c ( d ) (e ( f ) = (a + c + e) ( (b + d + f ) = (a ( b) (c ( d ) (e ( f ) . Wegen α + β = α β und β + γ = β γ folgt damit für alle α, β, γ ∈ Z (4.9) 4.2.2 (α + β) + γ = b(α + β) γ e = b(α β) γ e = bα (β γ) e = bα (β + γ) e = α + (β + γ). Subtraktion von ganzen Zahlen Da die Suche nach Entsprechungen zwischen den Erweiterungen von N1 nach Q+ und von N nach Z schon recht ergiebig war, nennen wir diese Vorgehensweise Nachahmungsmethode. Wir können nun sogar erwarten, dass sich der Beweis der Gruppeneigenschaft von (Q+ , 3 · ,1,13 : ) auf (Z, +, 0, 0−) übertragen lässt, wobei wir die Inversenabbildung 0− durch den Nachweis der uneingeschränkten Subtraktion in Z gewinnen. Die Übertragung von (3.13) ergibt die Subtraktion für alle Bidifferenzen in N (4.10) (c ( d) (a ( b) : = (c + b) ( (d + a) ( sprich: boxminus). Das entsprechende Ergebnis in N (4.11) (c − d) − (a − b) = (c + b) − (d + a) für alle a, b, c, d ∈ N mit a ≥ b, c ≥ d und c + b ≥ d + a folgt aus der Gleichung m = n + p mit m : = c − d, n : = a − b und p : = (c + b) − (d + a) nach mehrfacher Anwendung des Satzes über die Ergänzung in N (Seite 40). Die Verträglichkeit von (4.10) mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen erhalten wir durch Übertragung von (3.14): Aus a ( b = a 0 ( b 0 und c ( d = c 0 ( d 0 folgt (c + b) ( (d + a) = (c 0 + b 0 ) ( (d 0 + a 0 ). Die Definition der Subtraktion in Z erfolgt nun analog zur Addition durch 86 Subtraktion von ganzen Zahlen 4.2.2 α − β : = bα β e für alle α, β ∈ Z. (4.12) Dabei wurde wieder das übliche Verknüpfungssymbol gewählt und auf die Hervorhebung der unterschiedlichen Bedeutungen des Minuszeichens - etwa durch α − β - verzichtet. Die Übereinstimmung mit der Subtraktion in N ergibt sich für alle a, b ∈ N mit b ≤ a aus (a ( 0) − (b ( 0) = ba b e = ba ( b e = a − b. Als Werte der oben angekündigten Inversenabbildung 0− erhalten wir 0, wenn β = 0 ist, (4.13) 0−β = b0 β e = −a im Fall β = a mit a ∈ N1 , b für β = −b mit b ∈ N1 . Die noch nachzuweisende Eigenschaft der inversen Elemente (Seite 69) folgt damit aus (4.14) (0−β) + β = b(0−β) β e = b(0 β) β e = 0 für alle β ∈ Z. Also ist (Z, +, 0, 0−) eine abelsche Gruppe, die die Halbgruppe (N, +) enthält, wobei die Verknüpfung + in N mit derjenigen in Z durch Einschränkung auf N zusammenhängt. Wie üblich wird die zweite gleichsetzende Abkürzung aus (4.3) zu −β : = : 0−β mit β ∈ Z erweitert. Wegen 0 (a ( b) (c ( d) = 0 (a + d) ( (b + c) = (b + c) ( (4.15) (a + d) = (c ( d) (a ( b) = (c ( d) (b ( a) für alle a, b, c, d ∈ N gilt 0 − (α − β) = b0 (α β) e = bβ α e = bβ (−α) e mit α, β ∈ Z. Damit folgt (4.16) −(α − β) = β − α = β + (−α) für alle α, β ∈ Z. Für α = 0 ist insbesondere (4.17) −(−β) = β für jedes β ∈ Z und (4.18) −(−b) = b für alle b ∈ N1 . Kontextabhängigkeit Da die beiden Minuszeichen auf der linken Seite von (4.18) verschiedene Bedeutungen haben, wollen wir hier zusammenfassend darlegen, wie mit diesem Phänomen der Mathematik, das Kontextabhängigkeit genannt wird, umzugehen ist. i) Bei den Differenzen l − k im Satz über die Ergänzung in N (Seite 40), bei c − a in (3.7) und bei α−β in (4.12) stellt “−” jeweils ein Verd b knüpfungszeichen (oder Operationszeichen) dar. Das wird auch 4.2.2 Subtraktion von ganzen Zahlen bei den noch einzuführenden Zahlbereichen der rationalen, reellen und komplexen Zahlen so bleiben. Auf beiden Seiten des Minuszeichens stehen dann jeweils Elemente aus demselben Zahlbereich, der entweder vorher oder anschließend genannt wird. Außerdem verwenden wir für Elemente von Zahlbereichen weiterhin kleine lateinische oder griechische Buchstaben und letztere nur, wenn Missverständnisse auftreten können. ii) Das Biminuszeichen ( wird ausschließlich bei der Einführung der ganzen Zahlen in diesem Abschnitt und der rationalen Zahlen im nächsten Abschnitt verwendet. Es ist suggestiv und zweckmäßig. Außerdem löst es das Motivationsproblem, das in mehreren Lehrbüchern bei der Definition der ganzen Zahlen auftritt (zum Beispiel in [2], Seite 18, und in [10], Seite 52). Bevor die ganzen Zahlen definiert sind, werden dort Formulierungen wie die folgende gebraucht: “Jede ganze Zahl lässt sich als Differenz a − b zweier natürlicher Zahlen a und b darstellen.” Die auch nicht allgemein erklärte Differenz wird anschließend durch ein Paar (a, b) ersetzt. iii) Die Abkürzung −b mit b ∈ N1 in (4.3) gibt die übliche Schreibweise für die negativen ganzen Zahlen wieder. Das −-Zeichen wird hier Vorzeichen genannt. Im Unterschied zu Verknüpfungszeichen ist ein Vorzeichen daran zu erkennen, dass direkt davor - abgesehen von Leerzeichen - kein Zahlbereichselement und keine schließende Klammer steht. − a in (3.19) ist das Verknüpfungszeichen nicht kontextabhäniv) Bei c 3 d b gig, aber es tritt nur in der Zahlgenese auf, weil in der Praxis stets beliebige Brüche verknüpft werden. Dagegen wird die ebenfalls ausschließlich in der Zahlgenese vorkommende Verknüpfung von Bidifferenzen α β aus (4.10) kontextabhängig, weil vom nächsten Abschnitt an α und β Bidifferenzen in Q0 sein können. v) Im Unterschied zu iii) dient die Abkürzung −β in (4.15) nicht dazu, neue Zahlen zu bezeichnen, sondern sie ergibt als Bild von β ∈ Z\{0} unter der Inversenabbildung 0− eine umkehrbare Zuordnung zwischen Elementen von N1 und von Z− . Da sich im Falle β ∈ N1 die Bedeutung des −-Zeichens nicht durch den Kontext entscheiden lässt, zeigen wir, dass auch das Vorzeichen als Inversenzeichen angesehen werden kann. Für β = b ( 0 mit b ∈ N1 gilt nämlich −b = 0 ( b = b0 (b ( 0) e = 0 − β = −β. Während also das innere Minuszeichen in (4.18) ein Vorzeichen darstellt, sind die beiden in (4.17) und das äußere in (4.18) Inversenzeichen. Bei einer konkreten Zahlenangabe - wie −1 - handelt es sich immer um ein Vorzeichen. 87 88 Anordnung der ganzen Zahlen 4.2.3 Da sich die Inversenabbildung 0− wegen (4.17) als “Spiegelung” an 0 deuten lässt, werden die übereinanderstehenden Randdifferenzen aus Abbildung 4.1 in der nächsten Abbildung 4.2 durch Verlängerung der durchgezogenen Halbgeraden auf eine “Zahlengerade” übertragen, die schon die nebeneinanderstehenden Randdifferenzen in der abgekürzten Form enthält. -3-3 -2-3 -1-3 0-3 1-3 2-3 3-3 -3-2 -2-2 -1-2 0-2 1-2 2-2 3-2 -3-1 -2-1 -1-1 0-1 1-1 2-1 3-1 -3 -2 -1 0 1 2 3 -3-(-1) -2-(-1) -1-(-1) 0-(-1) 1-(-1) 2-(-1) 3-(-1) -3-(-2) -2-(-2) -1-(-2) 0-(-2) 1-(-2) 2-(-2) 3-(-2) -3-(-3) -2-(-3) -1-(-3) 0-(-3) 1-(-3) 2-(-3) 3-(-3) Abbildung 4.2: Gleiche Differenzen und Zahlengerade mit ganzen Zahlen 4.2.3 Anordnung der ganzen Zahlen Da die Subtraktion in Z uneingeschränkt zur Verfügung steht, kann die Kleinerrelation in Z mit Hilfe der Differenz definiert werden. Definition der Kleinerrelation in Z Für α, β ∈ Z heißt α kleiner als β (geschrieben: α < β), wenn β − α ∈ N1 ist, und α heißt kleiner gleich β (geschrieben: α ≤ β), wenn β − α ∈ N gilt. Wegen der im Anschluss an (4.12) gezeigten Übereinstimmung der Subtraktion in N mit der auf N eingeschränkten Subtraktion in Z sind auch die Kleinerrelationen 4.2.3 Anordnung der ganzen Zahlen 89 in N und in Z verträglich. Aus (4.16) folgt außerdem (4.19) −α < −β für alle α, β ∈ Z mit β < α. Der folgende Satz und die anschließende Aussage (4.20) werden in der Zusammenfassung dieses Abschnitts die Verwendung des Begriffs “geordnete Gruppe” ermöglichen. Satz über totale Ordnung in Z (Z, ≤) ist total geordnet, das heißt, für alle α, β, γ ∈ Z gilt: i) α ≤ α (Reflexivität); ii) Aus α ≤ β und β ≤ γ folgt α ≤ γ (Transitivität); iii) Aus α ≤ β und β ≤ α folgt α = β (Antisymmetrie); iv) Stets ist α ≤ β oder β < α erfüllt (Konnexität). Beweis i) Definitionsgemäß ist α − α = 0 ∈ N. ii) Mit c : = β − α ∈ N und d : = γ − β ∈ N folgt β = α + c, γ = β + d und α + (c + d) = γ. Also ist γ − α = c + d ∈ N. iii) Aus β − α ∈ N und α − β ∈ N ergibt sich mit (4.16) und mit (4.13) α − β = −(β − α) = 0, sodass α = β ist. iv) Setzen wir γ : = β − α, so erhalten wir wieder mit (4.16) und mit (4.13) γ ∈ N oder −γ ∈ N1 . Also ist α ≤ β oder β < α. Für α, β, γ ∈ Z ergeben (4.16), (4.17) und (4.14) (β + γ) − (α + γ) = β + γ + (−γ) + (−α) = β + (−α) = β − α. Damit haben wir die Monotonie bezüglich der Addition (4.20) < α + γ (< =) β + γ für alle α, β ∈ Z mit α (=) β und für jedes γ ∈ Z. Die auf (4.14) folgende Aussage und die obigen Ergebnisse fassen wir zusammen: Satz über Z als geordnete abelsche Gruppe (Z, +, 0, 0−, ≤) ist eine geordnete abelsche Gruppe, das heißt, es gilt: i) (Z, +, 0, 0−) ist eine abelsche Gruppe; ii) (Z, ≤) ist total geordnet; iii) Die Monotonie bezüglich der Addition (4.20) ist erfüllt. 90 Multipikation von ganzen Zahlen 4.2.4 4.2.4 Multipikation von ganzen Zahlen Da keine Übertragung aus Q+ auf die Multiplikation von Differenzen in N führt, betrachten wir wie bei der Gleichheit und der Addition zunächst Differenzen a−b und c − d mit a ≥ b and c ≥ d. Setzen wir m : = c − d ∈ N, so gilt aufgrund des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) (a − b) · m = am − bm = a · (c − d) − b · (c − d) = (ac − ad) − (bc − bd). Mit (4.11) und wegen (a − b) · (c − d) ∈ N folgt (a − b) · (c − d) = (ac + bd) − (ad + bc). Wir definieren deshalb die Multiplikation für beliebige Bidifferenzen in N durch (4.21) (a ( b) (c ( d) : = (ac + bd) ( (ad + bc) ( sprich: boxmal). Da wir bei den meisten Teilbeweisen des nächsten Satzes von der Multiplikation ganzer Zahlen zu der Verknüpfung von Bidifferenzen übergehen, zeigen wir wie bei der Addition und Subtraktion, dass (4.21) mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen verträglich ist. Die Voraussetzungen a ( b = a 0 ( b 0 und c ( d = c 0 ( d 0 sind äquivalent zu a + b 0 = b + a 0 und c + d 0 = d + c 0 . Die nachzuweisende Gleichung (a ( b) (c ( d) = (a 0 ( b 0 ) (c 0 ( d 0 ) gilt genau dann, wenn ac + bd + a 0 d 0 + b 0 c 0 = ad + bc + a 0 c 0 + b 0 d 0 erfüllt ist. Um a + b 0 und c + d 0 ausklammern und durch a 0 + b beziehungsweise c 0 + d sowie umgekehrt ersetzen zu können, addieren wir a 0 d + b 0 c zu p : = ac + bd + a 0 d 0 + b 0 c 0 und q : = ad + bc + a 0 c 0 + b 0 d 0 . Dann erhalten wir p + a 0 d + b 0 c = c(a + b 0 ) + d(a 0 + b) + b 0 c 0 + a 0 d 0 = c(a 0 + b) + d(a + b 0 ) + b 0 c 0 + a 0 d 0 = ca 0 + cb + da + db 0 + b 0 c 0 + a 0 d 0 = a 0 (c + d 0 ) + b 0 (c 0 + d) + cb + da = a 0 (c 0 + d) + b 0 (c + d 0 ) + cb + da = q + a 0 d + b 0 c. Teil v) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) ergibt damit p = q, und wir können zusammenfassen: Aus a ( b = a 0 ( b 0 und c ( d = c 0 ( d 0 folgt (a ( b) (c ( d) = (a 0 ( b 0 ) (c 0 ( d 0 ). Analog zu den bisherigen Verknüpfungen in Z definieren wir (4.22) α · β : = bα β e für alle α, β ∈ Z, 4.2.4 Multipikation von ganzen Zahlen 91 wobei das · -Zeichen später weggelassen wird, wenn kein Missverständnis möglich ist. Der Zusammenhang dieser Verknüpfung mit der Multiplikation in N folgt aus (a ( 0) · (c ( 0) = b(a ( 0) (c ( 0) e = bac ( 0 e = ac für alle a, c ∈ N. Satz über die Multiplikation in Z Für alle α, β, γ ∈ Z gilt: i) α · β = β · α (Kommutativität), ii) α · 1 = α (Einsneutralität), iii) α · 0 = 0 (Nulldominanz ), iv) α · (β + γ) = α · β + α · γ und (α + β) · γ = α · γ + β · γ (Distributivität), v) α · (β · γ) = (α · β) · γ (Assoziativität). vi) Aus α · β = 0 folgt α = 0 oder β = 0 (Nullteilerfreiheit). < vii) Für jedes γ > 0 ist α · γ (< =) β · γ äquivalent mit α (=) β (Monotonie bezüglich der Multiplikation und Kürzbarkeit). Beweis Es seien a, b, c, d, e, f ∈ N, sodass α = ba ( b e, β = bc ( d e und γ = be ( f e gilt. Dann ergibt sich: i) α · β = b(a ( b) (c ( d)e = b(c ( d) (a ( b)e = β · α. ii) α · 1 = b(a ( b) (1 ( 0)e = ba ( b e = α. iii) α · 0 = b(a ( b) (0 ( 0)e = b0 ( 0 e = 0. iv) α · (β + γ) = b(a ( b) (c + e) ( (d + f ) e = b a(c + e) + b(d + f ) ( a(d + f ) + b(c + e) e = b(ac + ae + bd + bf ) ( (ad + af + bc + be)e = b (ac + bd) ( (ad + bc) (ae + bf ) ( (af + be) e = b(a ( b) (c ( d)e + b(a ( b) (e ( f )e = α · β + α · γ. Wegen i) ergibt sich die zweite Gleichung aus der eben bewiesenen: (α + β) · γ = γ · (α + β) = γ · α + γ · β = α · γ + β · γ. v) α · (β · γ) = b(a ( b) (ce + df ) ( (cf + de) e = b(ace + adf + bcf + bde) ( (acf + ade + bce + bdf )e = b (ac + bd) ( (ad + bc) (e ( f )e = (α · β) · γ. 92 Multipikation von ganzen Zahlen 4.2.4 vi) Im Beweis mit Kontraposition sind aufgrund des Satzes über totale Ordnung in Z (Seite 89, Teil iv)) die vier Fälle α, β ∈ N1 oder −α, β ∈ N1 oder α, −β ∈ N1 oder −α, −β ∈ N1 möglich. Die Aussage α · β > 0 des ersten Falles folgt aus den Teilen ix) und ii) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41). Die übrigen Fälle lassen sich darauf zurückführen, denn wegen 0 (a ( b) = b ( a = (0 ( 1) (4.23) (a ( b) für alle a, b ∈ N gilt −α = (−1) · α für jedes α ∈ Z. Also ist −(α · β) = (−α) · β = α · (−β) ∈ N1 im zweiten und dritten Fall beziehungsweise α · β = (−α) · (−β) ∈ N1 im vierten Fall. Der erste Schluss und (4.13) ergeben damit jeweils α · β 6= 0. vii) Mit γ ∈ N1 und δ : = α − β ∈ N ist wegen iv) zu zeigen, dass δ · γ ∈ N1 und δ ∈ N1 sowie δ · γ ∈ N und δ ∈ N äquivalent sind. Die erste Äquivalenz folgt aus den Teilen ix), ii) und xi) des Satzes über die Multiplikation in N. Definitionsgemäß gilt δ · γ ∈ N für alle γ, δ ∈ N. Zusammen mit der schon bewiesenen Folgerung von δ ∈ N1 aus δ · γ ∈ N1 erhalten wir mit der Nullteilerfreiheit vi), dass sich δ ∈ N aus δ · γ ∈ N ergibt. Durch die Definition der Multiplikation mit Hilfe von Bidifferenzen in (4.22) und (4.21) haben wir bei den anschließenden Beweisen zahlreiche Fallunterscheidungen vermeiden können. Mit Hilfe des “Signums” und des “Betrags” von ganzen Zahlen ist jedoch eine wesentlich einfachere Berechnung des Produkts möglich. Für jedes α ∈ Z sei wenn α ∈ N1 ist, 1, (4.24) sign α : = 0 für α = 0, −1, wenn α ∈ Z− gilt, und |α| : = (sign α) · α. (4.25) Mit Fallunterscheidung folgt |α| ∈ N und α = (sign α)·|α| für jedes α ∈ Z. Damit lässt sich das allgemeine Produkt auf den im Anschluss an (4.22) behandelten Spezialfall zurückführen: (4.26) α · β = (sign α) · (sign β) · (|α| |β|) für alle α, β ∈ Z. Integritätsringe Mit dem Zahlbereich Z ist eine algebraische Struktur erreicht, in der beide Verknüpfungen eine Rolle spielen. 4.2.4 Multipikation von ganzen Zahlen Definition des (kommutativen nullteilerfreien) Ringes Ein Fünftupel (R, 2, ◦, n, n¯) bestehend aus einer Menge R, zwei Verknüpfungen 2, ◦, einem 2-neutralem Element n ∈ R und einer 2Inversenabbildung n¯ heißt Ring, wenn gilt: i) (R, 2, n, n¯) ist eine abelsche Gruppe, ii) (R, ◦ ) ist eine Halbgruppe, iii) α ◦ (β 2 γ) = α ◦ β 2 α ◦ γ und (α 2 β) ◦ γ = α ◦ γ 2 β ◦ γ (Distributivität) für alle α, β, γ ∈ R. Der Ring heißt kommutativ, wenn außerdem iv) α ◦ β = β ◦ α (Kommutativität) für alle α, β ∈ R erfüllt ist. v) Sind α, β ∈ R und folgt aus α ◦ β = 0 stets α = 0 oder β = 0, so wird der Ring nullteilerfrei genannt. Ein kommutativer nullteilerfreier Ring mit “ Einselement” heißt Integritätsring (oder Integritätsbereich). Bei dem folgenden Satz stimmt Teil i) mit dem Satz über Z als geordnete abelsche Gruppe (Seite 89) überein, und die Teile ii), iii) sowie iv) ergeben sich aus dem Satz über die Multiplikation in Z (Seite 91). Satz über Z als geordneter Integritätsring (Z, +, ·, 0, 1, 0−, ≤) ist ein geordneter Integritätsring, weil gilt: i) (Z, +, 0, 0−, ≤) ist eine geordnete abelsche Gruppe; ii) (Z, ·) ist eine kommutative reguläre Halbgruppe mit 1 als · neutralem Element; iii) α·(β +γ) = α·β +α·γ und (α+β)·γ = α·γ +β ·γ (Distributivität) für alle α, β, γ ∈ Z. iv) Aus α, β ∈ Z mit 0 ≤ α und 0 ≤ β folgt 0 ≤ α · β. Der Ring (Z, +, ·, 0, 0−) enthält die Halbgruppen (N, +) und (N1 , ·) durch Gleichsetzung mit ineinander übergehenden Verknüpfungen. Dabei folgt die Nullteilerfreiheit für α · β = 0 = α · 0 und α 6= 0 aus der Kürzbarkeit, die zur Regularität in ii) gehört. Die Aussage iv) ergibt sich zusammen mit der Nulldominanz aus der Monotonie bezüglich der Multiplikation mit α = 0 im Satz über die Multiplikation in Z. 93 94 Differenzen und rationale Zahlen 4.3 4.3 Differenzen und rationale Zahlen Wie angekündigt kopieren wir jetzt, soweit es sinnvoll ist, die ersten beiden Abschnitte dieses Kapitels. Dabei werden zunächst die Zahlbereichsbezeichnungen N und Z durch Q0 beziehungsweise Q ersetzt, und alle Variablen, die Brüche darstellen, erhalten einen Querstrich, der an einen Bruchstrich erinnern soll. Da die Motivationen übereinstimmen, werden sie nur kurz wiederholt oder ganz weggelassen. Beide Figuren und der Zweittext über Kontextabhängigkeit sind unnötig, weil sie nichts Neues bringen würden. In den Figuren wäre außerdem bei der Darstellung der Halbgeraden oder Geraden zu allen Kernbrüchen des gewählten Ausschnitts nur eine schwarze Fläche zu sehen, weil die Kernbrüche “dicht” liegen, denn zwischen je zwei Kernbrüchen ā, b̄ befindet sich noch mindestens das “arithmetische Mittel” (ā 3 + b̄) 3 : 2. An die Stelle der Differenzen von natürlichen Zahlen treten nun die Differenzen von Kernbrüchen. Wegen derselben Motivation und der weitgehenden Übereinstimmung der Vorgehensweisen, verwenden wir auch für die verallgemeinerten Differenzen in Q0 das Zeichen “ ( ”, um auszudrücken, dass ā ( b̄ : = ā 3 − b̄ für alle ā, b̄ ∈ Q0 mit b̄ ≤ ā gilt und dass ā ( b̄ für ā < b̄ eine neue Bedeutung bekommt. Diese verallgemeinerten Differenzen nennen wir ebenfalls “Bidifferenzen”. Zunächst klären wir, wann Differenzen in Q0 gleich sind, um damit verträglich die Gleichheit von Bidifferenzen definieren zu können. Satz über Differenzengleichheit in Q0 ¯ so gilt ā 3 Sind ā, b̄, c̄, d¯ ∈ Q0 mit ā ≥ b̄ und c̄ ≥ d, − b̄ = c̄ 3 − d¯ genau dann, wenn ā 3 + d¯ = b̄ 3 + c̄ erfüllt ist. Beweis Wird aufgrund des Satzes über die Ergänzung in Q0 (Seite 76) ¯ Die m̄ : = ā 3 − b̄ und n̄ : = c̄ 3 − d¯ gesetzt, so gilt ā = m̄ 3 + b̄ und c̄ = n̄ 3 + d. Teile iv), ii) und iii) des Satzes über die Addition in Q0 (Seite 75) ergeben damit ¯ (4.27) ā 3 + d¯ = m̄ 3 + b̄ 3 + d¯ und b̄ 3 + c̄ = n̄ 3 + b̄ 3 + d. i) Aus m̄ = n̄ folgt dann mit derselben Aussage iv) m̄ 3 + b̄ 3 + d¯ = n̄ 3 + b̄ 3 + d¯ also ā 3 + d¯ = b̄ 3 + c̄. ii) Umgekehrt erhalten wir mit (4.27) und mit Teil iv) des Satzes über die Addition in Q0 , dass m̄ = n̄ ist. 4.3 Differenzen und rationale Zahlen 95 Definition der Gleichheit von Bidifferenzen in Q0 Bidifferenzen ā ( b̄ und c̄ ( d¯ mit ā, b̄, c̄, d¯ ∈ Q0 heißen gleich, wenn ā 3 + d¯ = b̄ 3 + c̄ gilt. Auch hier wird die Gleichheit ā ( b̄ = c̄ ( d¯ geschrieben. Wegen der Übereinstimmung bei der Gleichheit ist auch die Definition der ausgezeichneten Vertreter aller einander gleichen Bidifferenzen in Q0 identisch mit derjenigen in N: Definition der Randdifferenz in Q0 Die Bidifferenz ā ( b̄ heißt Randdifferenz, wenn ā = 0 oder b̄ = 0 ist. Satz über Randdifferenzen in Q0 Zu jeder Bidifferenz gibt es genau eine ihr gleiche Randdifferenz. Beweis i) Mit Fallunterscheidung lässt sich zu der Bidifferenz ā ( b̄ eine ihr gleiche Randdifferenz direkt angeben: (ā 3 − b̄) ( 0, wenn b̄ ≤ ā ist, (4.28) ā ( b̄ = 0 ( (b̄ 3 − ā), wenn ā < b̄ gilt. Die erste Gleichheit ergibt sich mit Hilfe des Satzes über die Ergänzung in Q0 (Seite 76) aus ā 3 + 0 = b̄ 3 + (ā 3 − b̄), die zweite folgt wegen ā 3 + (b̄ 3 − ā) = b̄ 3 + 0. ¯ so erhalten ii) Sind ā ( b̄ und c̄ ( d¯ Randdifferenzen und gilt ā ( b̄ = c̄ ( d, wir die Eindeutigkeit aus ā 3 + d¯ = b̄ 3 + c̄ durch folgende Schlüsse: Es ist ā = c̄ ¯ genau dann, wenn b̄ = d gilt, und ā = d¯ = 0 tritt genau dann ein, wenn b̄ = c̄ = 0 ist. Die gleichsetzenden Abkürzungen (4.29) ā : = : ā ( 0 für ā ∈ Q0 und −b̄ : = : 0 ( b̄ für b̄ ∈ Q+ , benutzen wir nun zur Bezeichnung der Menge der rationalen Zahlen Q : = Q0 ∪ Q− mit Q− : = −b̄ ; b̄ ∈ Q+ . Die rationalen Zahlen sind also genau die Randdifferenzen der Kernbrüche. Die erste Gleichsetzung ergibt, dass Q0 eine Teilmenge von Q ist. Da die negativen rationalen Zahlen −b̄ mit b̄ ∈ Q+ üblicherweise durch ein vorangesetztes − -Zeichen gekennzeichnet werden, haben wir keine andere Schreibweise wie etwa − b̄ - vorübergehend zur Hervorhebung der verschiedenen Bedeutungen des Minuszeichens gewählt. 96 4.4 4.4.1 Addition von rationalen Zahlen 4.4.1 Verknüpfungen und Kleinerrelation in Q Addition von rationalen Zahlen Wie bei dem Satz über Differenzengleichheit in Q0 (Seite 94) betrachten wir ¯ Setzen wir zunächst Differenzen ā 3 − b̄ und c̄ 3 − d¯ mit ā ≥ b̄ and c̄ ≥ d. ¯ so gilt aufgrund des Satzes über die Ergänzung in Q0 m̄ : = ā 3 − b̄ und n̄ : = c̄ 3 − d, (Seite 76) ā = b̄ 3 + m̄ und c̄ = d¯3 + n̄. Damit folgt ā 3 + c̄ = (b̄ 3 + m̄) 3 + (d¯3 + n̄) = ¯3 (b̄ 3 + d) + (m̄ 3 + n̄), und der Satz über die Ergänzung in Q0 ergibt ¯ = m̄ 3 ¯ (ā 3 − b̄) 3 + (c̄ 3 − d) + n̄ = (ā 3 + c̄) 3 − (b̄ 3 + d). Wir definieren deshalb die Addition für beliebige Bidifferenzen in Q0 durch ¯ : = (ā 3 ¯ (ā ( b̄) (c̄ ( d) + c̄) ( (b̄ 3 + d). (4.30) Den Nachweis dafür, dass diese Definition mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen verträglich ist, führen wir nun wie bei dem Nachweis im Anschluss an (4.4): Aus ā ( b̄ = ā 0 ( b̄ 0 und c̄ ( d¯ = c̄ 0 ( d¯0 folgt (ā 3 + c̄) ( (b̄ 3 + d¯) = (ā 0 3 + c̄ 0 ) ( (b̄ 0 3 + d¯0 ), denn das Ersetzen von ā 0 3 + b̄ durch ā 3 + b̄ 0 und von c̄ 0 3 + d¯ durch c̄ 3 + d¯0 in (ā 0 3 + b̄) 3 + (c̄ 0 3 + d¯) führt zu der Gleichung (ā 0 3 + c̄ 0 ) 3 + (b̄ 3 + d¯) = (ā 3 + c̄) 3 + (b̄ 0 3 + d¯0 ), die definitionsgemäß mit (ā ( b̄) (c̄ ( d¯) = (ā 0 ( b̄ 0 ) (c̄ 0 ( d¯0 ) gleichbedeutend ist. Wie in (4.5) bezeichnen wir jetzt die Randdifferenz aus (4.28), die der beliebigen Bidifferenz ā ( b̄ gleich ist, durch ā 3 − b̄, wenn b̄ ≤ ā ist, (4.31) bā ( b̄ e : = −(b̄ 3 − ā), wenn ā < b̄ gilt. Da sich dieser Aufbau an der Praxis orientiert, werden in Q - anders als in Q+ - die üblichen Verknüpfungszeichen verwendet, wobei hier kleine griechische Buchstaben mit einem Querstrich rationale Zahlen darstellen. Die Definition der Addition in Q lautet also (4.32) ᾱ + β̄ : = bᾱ β̄ e für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. Die Verträglichkeit dieser Verknüpfung mit der Addition in Q0 folgt aus 4.4.2 Subtraktion von rationalen Zahlen und Kleinerrelation 97 (ā ( 0) + (b̄ ( 0) = bā b̄ e = b(ā 3 + b̄) ( 0 e = ā 3 + b̄ für alle ā, b̄ ∈ Q0 . ¯ = (ā 3 ¯ = (c̄ ( d) ¯ (ā ( b̄) für alle Mit (ā ( b̄) (c̄ ( d) + c̄) ( (b̄ 3 + d) ā, b̄, c̄, d¯ ∈ Q0 ergibt sich die Kommutativität (4.33) ᾱ + β̄ = bᾱ β̄ e = bβ̄ ᾱ e = β̄ + ᾱ für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. Die Neutralitätseigenschaft von 0 erhalten wir aus (4.34) 0 + β̄ = b0 β̄ e = bβ̄ e = β̄ für jedes β̄ ∈ Q. Als Grundlage des Nachweises der Assoziativität leiten wir diese Eigenschaft ¯ ē, f¯ ∈ Q0 her: zunächst für die Addition von Bidifferenzen mit ā, b̄, c̄, d, (ā ( b̄) (c̄ ( d¯) (ē ( f¯) = (ā 3 + c̄ 3 + ē) ( (b̄ 3 + d¯3 + f¯) = (ā ( b̄) (c̄ ( d¯) (ē ( f¯) . Wegen ᾱ + β̄ = ᾱ β̄ und β̄ + γ̄ = β̄ γ̄ folgt damit für alle ᾱ, β̄, γ̄ ∈ Q (4.35) 4.4.2 (ᾱ + β̄) + γ̄ = b(ᾱ + β̄) γ̄ e = b(ᾱ β̄) γ̄ e = bᾱ (β̄ γ̄) e = bᾱ (β̄ + γ̄) e = ᾱ + (β̄ + γ̄). Subtraktion von rationalen Zahlen Wir können nun auch den Beweis der Gruppeneigenschaft von (Z, +, 0, 0−, ≤) auf (Q, +, 0, 0−, ≤) übertragen, wobei wir die Inversenabbildung 0− durch den Nachweis der uneingeschränkten Subtraktion in Q gewinnen. Die Kopie von (4.10) ergibt die Definition der Subtraktion für alle Bidifferenzen in Q0 (4.36) ¯ (ā ( b̄) : = (c̄ 3 (c̄ ( d) + b̄) ( (d¯3 + ā). Das entsprechende Ergebnis in Q0 (4.37) ¯3 (c̄ 3 − d) − (ā 3 − b̄) = (c̄ 3 + b̄) 3 − (d¯3 + ā) für alle ā, b̄, c̄, d¯ ∈ Q0 mit ā ≥ b̄, c̄ ≥ d¯ und c̄ 3 + b̄ ≥ d¯3 + ā ¯ n̄ : = ā 3 folgt aus der Gleichung m̄ = n̄ 3 + p̄ mit m̄ : = c̄ 3 − d, − b̄ und p̄ : = (c̄ 3 + b̄) 3 − (d¯3 + ā) nach mehrfacher Anwendung des Satz über die Ergänzung in Q0 (Seite 76). Die Verträglichkeit von (4.36) mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen erhalten wir wie bei der Subtraktion von ganzen Zahlen (Seite 86): 98 Subtraktion von rationalen Zahlen und Kleinerrelation 4.4.2 Aus ā ( b̄ = ā 0 ( b̄ 0 und c̄ ( d¯ = c̄ 0 ( d¯0 folgt + ā 0 ). + b̄ 0 ) ( (d¯0 3 (c̄ 3 + b̄) ( (d¯3 + ā) = (c̄ 0 3 Die Subtraktion in Q definieren wir nun analog zur Addition durch ᾱ − β̄ : = bᾱ β̄ e für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. (4.38) Dabei wurde wieder das übliche Verknüpfungssymbol gewählt und auf die Hervorhebung der unterschiedlichen Bedeutungen des Minuszeichens - etwa durch ᾱ − β̄ - verzichtet. Die Übereinstimmung mit der Subtraktion in Q0 ergibt sich für alle ā, b̄ ∈ Q0 mit b̄ ≤ ā aus (ā ( 0) − (b̄ ( 0) = bā b̄ e = bā ( b̄ e = ā 3 − b̄. Als Werte der oben angekündigten Inversenabbildung 0− erhalten wir 0, wenn β̄ = 0 ist, (4.39) 0−β̄ = b0 β̄ e = −ā im Fall β̄ = ā mit ā ∈ Q+ , b̄ für β̄ = −b̄ mit b̄ ∈ Q+ . Die noch nachzuweisende Eigenschaft der inversen Elemente (Seite 69) folgt damit aus (4.40) (0−β̄) + β̄ = b(0−β̄) β̄ e = b(0 β̄) β̄ e = 0 für alle β̄ ∈ Q. Also ist (Q, +, 0, 0−) eine abelsche Gruppe, die die Halbgruppe (Q0 , 3 + ) enthält, wobei die Verknüpfung 3 + in Q0 mit derjenigen in Q durch Einschränkung auf Q0 zusammenhängt. Wie üblich wird die zweite gleichsetzende Abkürzung aus (4.29) zu −β̄ : = : 0−β̄ mit β̄ ∈ Q ¯ = 0 (ā 3 ¯ ( (b̄ 3 erweitert. Wegen 0 (ā ( b̄) (c̄ ( d) + d) + c̄) = (b̄ 3 + c̄) ( ¯ = (c̄ ( d) ¯ (ā ( b̄) = (c̄ ( d) ¯ (b̄ ( ā) für alle ā, b̄, c̄, d¯ ∈ Q0 gilt (ā 3 + d) (4.41) 0 − (ᾱ − β̄) = b0 (ᾱ β̄) e = bβ̄ ᾱ e = bβ̄ (−ᾱ) e mit ᾱ, β̄ ∈ Q. Damit folgt (4.42) −(ᾱ − β̄) = β̄ − ᾱ = β̄ + (−ᾱ) für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. Für ᾱ = 0 ist insbesondere (4.43) −(−β̄) = β̄ für jedes β̄ ∈ Q und (4.44) −(−b̄) = b̄ für alle b̄ ∈ Q+ . Auch hier lässt sich die Inversenabbildung 0− wegen (4.43) als “Spiegelung” an 0 deuten. 4.4.3 Anordnung der rationalen Zahlen 4.4.3 99 Anordnung der rationalen Zahlen Da die Subtraktion in Q uneingeschränkt zur Verfügung steht, kann die Kleinerrelation in Q mit Hilfe der Differenz definiert werden. Definition der Kleinerrelation in Q Für ᾱ, β̄ ∈ Q heißt ᾱ kleiner als β̄ (geschrieben: ᾱ < β̄), wenn β̄ − ᾱ ∈ Q+ ist, und ᾱ heißt kleiner gleich β̄ (geschrieben: ᾱ ≤ β̄), wenn β̄ − ᾱ ∈ Q0 gilt. Wegen der im Anschluss an (4.38) gezeigten Übereinstimmung der Subtraktion in Q0 mit der auf Q0 eingeschränkten Subtraktion in Q sind auch die Kleinerrelationen in Q0 und in Q verträglich. Aus (4.42) folgt außerdem (4.45) − ᾱ < −β̄ für alle ᾱ, β̄ ∈ Q mit β̄ < ᾱ. Der folgende Satz und die anschließende Aussage (4.46) werden in der Zusammenfassung dieses Abschnitts die Verwendung des Begriffs geordnete Gruppe ermöglichen. Satz über totale Ordnung in Q (Q, ≤) ist total geordnet, das heißt, für alle ᾱ, β̄, γ̄ ∈ Q gilt: i) ᾱ ≤ ᾱ (Reflexivität); ii) Aus ᾱ ≤ β̄ und β̄ ≤ γ̄ folgt ᾱ ≤ γ̄ (Transitivität); iii) Aus ᾱ ≤ β̄ und β̄ ≤ ᾱ folgt ᾱ = β̄ (Antisymmetrie); iv) Stets ist ᾱ ≤ β̄ oder β̄ < ᾱ erfüllt (Konnexität). Beweis i) Definitionsgemäß ist ᾱ − ᾱ = 0 ∈ Q0 . ii) Mit c̄ : = β̄ − ᾱ ∈ Q0 und d¯ : = γ̄ − β̄ ∈ Q0 folgt β̄ = ᾱ + c̄, γ̄ = β̄ + d¯ und ¯ = γ̄. Also ist γ̄ − ᾱ = c̄ + d¯ ∈ Q0 . ᾱ + (c̄ + d) iii) Aus β̄ − ᾱ ∈ Q0 und ᾱ − β̄ ∈ Q0 ergibt sich mit (4.42) und mit (4.39) ᾱ − β̄ = −(β̄ − ᾱ) = 0, sodass ᾱ = β̄ ist. iv) Setzen wir γ̄ : = β̄ − ᾱ, so erhalten wir wieder mit (4.42) und mit (4.39) γ̄ ∈ Q0 oder −γ̄ ∈ Q+ . Also ist ᾱ ≤ β̄ oder β̄ < ᾱ. 100 Multipikation von rationalen Zahlen 4.4.4 Für ᾱ, β̄, γ̄ ∈ Q ergeben (4.42), (4.43) und (4.40) (β̄ + γ̄) − (ᾱ + γ̄) = β̄ + γ̄ + (−γ̄) + (−ᾱ) = β̄ + (−ᾱ) = β̄ − ᾱ. Damit haben wir die Monotonie bezüglich der Addition < ᾱ + γ̄ (< =) β̄ + γ̄ für alle ᾱ, β̄ ∈ Q mit ᾱ (=) β̄ und für jedes γ̄ ∈ Q. (4.46) Die auf (4.40) folgende Aussage und die obigen Ergebnisse fassen wir zusammen: Satz über Q als geordnete abelsche Gruppe (Q, +, 0, 0−, ≤) ist eine geordnete abelsche Gruppe, das heißt, es gilt: i) (Q, +, 0, 0−) ist eine abelsche Gruppe; ii) (Q, ≤) ist total geordnet; iii) Die Monotonie bezüglich der Addition (4.46) ist erfüllt. 4.4.4 Multipikation von rationalen Zahlen Wie bei der Gleichheit und der Addition betrachten wir zunächst Differenzen ¯ Setzen wir m̄ : = c̄ 3 ā 3 − b̄ und c̄ 3 − d¯ mit ā ≥ b̄ and c̄ ≥ d. − d¯ ∈ Q0 , so gilt aufgrund des Satzes über die Multiplikation in Q0 (Seite 76) und wegen der Verknüpfungsinvarianzen bei dem Ersetzen durch gleiche Brüche ¯ 3 ¯ = (ā 3 − b̄) 3 · m̄ = ā 3 · m̄ 3 − b̄ 3 · m̄ = ā 3 · (c̄ 3 − d) − b̄ 3 · (c̄ 3 − d) ¯ 3 ¯ = ā · c̄ − ā · d¯ 3 (ā 3 · c̄ 3 − ā 3 · d) − (b̄ 3 · c̄ 3 − b̄ 3 · d) − b̄ · c̄ − b̄ · d¯ . ¯ ∈ Q0 folgt Mit (4.37) und wegen (ā 3 − b̄) 3 · (c̄ 3 − d) ¯ = ā · c̄ + b̄ · d¯ 3 (ā 3 − b̄) 3 · (c̄ 3 − d) − ā · d¯ + b̄ · c̄ . Wir definieren deshalb die Multiplikation für beliebige Bidifferenzen in Q0 durch ¯ : = ā · c̄ + b̄ · d¯ ( ā · d¯ + b̄ · c̄ . (4.47) (ā ( b̄) (c̄ ( d) Da wir bei den meisten Teilbeweisen des nächsten Satzes von der Multiplikation rationaler Zahlen zu der Verknüpfung von Bidifferenzen übergehen, zeigen wir wie bei der Addition und Subtraktion, dass (4.47) mit dem Ersetzen durch gleiche Bidifferenzen verträglich ist. Die Voraussetzungen ā ( b̄ = ā 0 ( b̄ 0 und 4.4.4 Multipikation von rationalen Zahlen 101 c̄ ( d¯ = c̄ 0 ( d¯0 sind äquivalent zu ā 3 + b̄ 0 = b̄ 3 + ā 0 und c̄ 3 + d¯0 = d¯3 + c̄ 0 . Die ¯ = (ā 0 ( b̄ 0 ) (c̄ 0 ( d¯0 ) gilt genau nachzuweisende Gleichung (ā ( b̄) (c̄ ( d) dann, wenn ā · c̄ + b̄ · d¯ + ā 0 · d¯0 + b̄ 0 · c̄ 0 = ā · d¯ + b̄ · c̄ + ā 0 · c̄ 0 + b̄ 0 · d¯0 erfüllt ist. Um ā + b̄ 0 und c̄ + d¯0 ausklammern und durch ā 0 + b̄ beziehungsweise c̄ 0 + d¯ sowie umgekehrt ersetzen zu können, addieren wir ā 0 · d¯ + b̄ 0 · c̄ zu p̄ : = ā · c̄ + b̄ · d¯ + ā 0 · d¯0 + b̄ 0 · c̄ 0 und q̄ : = ā · d¯ + b̄ · c̄ + ā 0 · c̄ 0 + b̄ 0 · d¯0 . Dann erhalten wir p̄ 3 + ā 0 · d¯ + b̄ 0 · c̄ = c̄ · (ā + b̄ 0 ) + d¯ · (ā 0 + b̄) + b̄ 0 · c̄ 0 + ā 0 · d¯0 = c̄ · (ā 0 + b̄) + d¯ · (ā + b̄ 0 ) + b̄ 0 · c̄ 0 + ā 0 · d¯0 = c̄ · ā 0 + c̄ · b̄ + d¯ · ā + d¯ · b̄ 0 + b̄ 0 · c̄ 0 + ā 0 · d¯0 ¯ + c̄ · b̄ + d¯ · ā = ā 0 · (c̄ + d¯0 ) + b̄ 0 · (c̄ 0 + d) ¯ + b̄ 0 · (c̄ + d¯0 ) + c̄ · b̄ + d¯ · ā = ā 0 · (c̄ 0 + d) = q̄ 3 + ā 0 · d¯ + b̄ 0 · c̄ . Teil iv) des Satzes über die Addition in Q0 (Seite 75) ergibt damit p̄ = q̄, und wir können zusammenfassen: Aus ā ( b̄ = ā 0 ( b̄ 0 und c̄ ( d¯ = c̄ 0 ( d¯0 folgt ¯ = (ā 0 ( b̄ 0 ) (c̄ 0 ( d¯0 ). (ā ( b̄) (c̄ ( d) Analog zu den bisherigen Verknüpfungen in Q definieren wir die Multiplikation (4.48) ᾱ · β̄ : = bᾱ β̄ e für alle ᾱ, β̄ ∈ Q, wobei das · -Zeichen später weggelassen wird, wenn kein Missverständnis möglich ist. Die Verträglichkeit dieser Verknüpfung mit der Multiplikation in Q0 folgt aus (ā ( 0) · (c̄ ( 0) = b(ā ( 0) (c̄ ( 0) e = bā 3 · c̄ ( 0 e = ā 3 · c̄ für ā, c̄ ∈ Q0 . Satz über die Multiplikation in Q Für alle ᾱ, β̄, γ̄ ∈ Q gilt: i) ᾱ · β̄ = β̄ · ᾱ (Kommutativität), ii) ᾱ · 1 = ᾱ (Einsneutralität), iii) ᾱ · 0 = 0 (Nulldominanz ), 102 Multipikation von rationalen Zahlen 4.4.4 iv) ᾱ · (β̄ + γ̄) = ᾱ · β̄ + ᾱ · γ̄ und (ᾱ + β̄) · γ̄ = ᾱ · γ̄ + β̄ · γ̄ (Distributivität), v) ᾱ · (β̄ · γ̄) = (ᾱ · β̄) · γ̄ (Assoziativität). vi) Aus ᾱ · β̄ = 0 folgt ᾱ = 0 oder β̄ = 0 (Nullteilerfreiheit). < vii) Für jedes γ̄ > 0 ist ᾱ · γ̄ (< =) β̄ · γ̄ äquivalent mit ᾱ (=) β̄ (Monotonie bezüglich der Multiplikation und Kürzbarkeit). ¯ ē, f¯ ∈ Q0 , sodass ᾱ = bā ( b̄ e, β̄ = bc̄ ( d¯e und Beweis Es seien ā, b̄, c̄, d, γ̄ = bē ( f¯ e gilt. Dann ergibt sich: i) ᾱ · β̄ = b(ā ( b̄) ¯ = b(c̄ ( d) ¯ (c̄ ( d)e ii) ᾱ · 1 = b(ā ( b̄) (1 ( 0)e = bā ( b̄ e = ᾱ. (ā ( b̄)e = β̄ · ᾱ. iii) ᾱ · 0 = b(ā ( b̄) (0 ( 0)e = b0 ( 0 e = 0. iv) ᾱ · (β̄ + γ̄) = b(ā ( b̄) (c̄ 3 + ē) ( (d¯3 + f¯) e = b ā · (c̄ + ē) + b̄ · (d¯ + f¯ ) ( ā · (d¯ + f¯ ) + b̄ · (c̄ + ē) e = b ā · c̄ + ā · ē + b̄ · d¯ + b̄ · f¯ ( ā · d¯ + ā · f¯ + b̄ · c̄ + b̄ · ē e = b ā · c̄ + b̄ · d¯ ( ā · d¯ + b̄ · c̄ ā · ē + b̄ · f¯ ( ā · f¯ + b̄ · ē e = b(ā ( b̄ ) (c̄ ( d¯)e + b(ā ( b̄) (ē ( f¯ ) e = ᾱ · β̄ + ᾱ · γ̄. Wegen i) ergibt sich die zweite Gleichung aus der eben bewiesenen: (ᾱ + β̄) · γ̄ = γ̄ · (ᾱ + β̄) = γ̄ · ᾱ + γ̄ · β̄ = ᾱ · γ̄ + β̄ · γ̄. v) ᾱ · (β̄ · γ̄) = b(ā ( b̄) c̄ · ē + d¯ · f¯ ( c̄ · f¯ + d¯ · ē e = b ā · c̄ · ē + ā · d¯ · f¯ + b̄ · c̄ · f¯ + b̄ · d¯ · ē ( ā · c̄ · f¯ + ā · d¯ · ē + b̄ · c̄ · ē + b̄ · d¯ · f¯ e = b ā · c̄ + b̄ · d¯ ( ā · d¯ + b̄ · c̄ (ē ( f¯ )e = (ᾱ · β̄) · γ̄. vi) Im Beweis mit Kontraposition sind aufgrund des Satzes über totale Ordnung in Q (Seite 99, Teil iv)) die vier Fälle ᾱ, β̄ ∈ Q+ oder −ᾱ, β̄ ∈ Q+ oder ᾱ, −β̄ ∈ Q+ oder −ᾱ, −β̄ ∈ Q+ möglich. Die Aussage ᾱ · β̄ > 0 des ersten Falles folgt aus den Teilen viii) und i) des Satzes über die Multiplikation in Q0 (Seite 76). Die übrigen Fälle lassen sich darauf zurückführen, denn wegen 4.4.4 Multipikation von rationalen Zahlen 0 (ā ( b̄) = b̄ ( ā = (0 ( 1) (4.49) 103 (ā ( b̄) für alle ā, b̄ ∈ Q0 gilt −ᾱ = (−1) · ᾱ für jedes ᾱ ∈ Q. Also ist −(ᾱ · β̄) = (−ᾱ) · β̄ = ᾱ · (−β̄) ∈ Q+ im zweiten und dritten Fall beziehungsweise ᾱ · β̄ = (−ᾱ) · (−β̄) ∈ Q+ im vierten Fall. Der erste Schluss und (4.39) ergeben damit jeweils ᾱ · β̄ 6= 0. vii) Mit γ̄ ∈ Q+ und δ̄ : = ᾱ− β̄ ∈ Q0 ist wegen iv) zu zeigen, dass δ̄ · γ̄ ∈ Q+ und δ̄ ∈ Q+ sowie δ̄ · γ̄ ∈ Q0 und δ̄ ∈ Q0 äquivalent sind. Die erste Äquivalenz folgt aus den Teilen viii), i) und x) des Satzes über die Multiplikation in Q0 . Definitionsgemäß gilt δ̄ · γ̄ ∈ Q0 für alle γ̄, δ̄ ∈ Q0 . Zusammen mit der schon bewiesenen Folgerung von δ̄ ∈ Q+ aus δ̄ · γ̄ ∈ Q+ erhalten wir mit der Nullteilerfreiheit vi), dass sich δ̄ ∈ Q0 aus δ̄ · γ̄ ∈ Q0 ergibt. Die Übertragung des Satzes über Z als geordneter Integritätsring (Seite 93) auf Q verschieben wir in den Nebentext des nächsten Unterabschnitts. Wie bei den ganzen Zahlen haben wir durch die Definition der Multiplikation mit Hilfe von Bidifferenzen in (4.48) und (4.47) bei den anschließenden Beweisen zahlreiche Fallunterscheidungen vermeiden können (siehe z. B. [12], Seiten 133 bis 136). Mit Hilfe des Signums und des Betrags von rationalen Zahlen ist auch hier eine wesentlich einfachere Berechnung des Produkts möglich. Für jedes ᾱ ∈ Q sei wenn ᾱ ∈ Q+ ist, 1, (4.50) sign ᾱ : = 0 für ᾱ = 0, −1, wenn ᾱ ∈ Q− gilt, und (4.51) |ᾱ| : = (sign ᾱ) · ᾱ. Mit Fallunterscheidung folgt |ᾱ| ∈ Q0 und ᾱ = (sign ᾱ) · |ᾱ| für jedes ᾱ ∈ Q. Damit lässt sich das allgemeine Produkt auf den im Anschluss an (4.48) behandelten Spezialfall zurückführen: (4.52) ᾱ · β̄ = (sign ᾱ) · (sign β̄) · (|ᾱ| 3 · |β̄|) für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. Bei der üblichen Reihenfolge der Zahlbereichserweiterungen von N über Z nach Q können Brüche auftreten, bei denen im Zähler und Nenner ganze Zahlen stehen, wobei der Nenner von Null verschieden sein muss. Da solche Brüche in der Mathematik unter anderem auch bei “rationalen Funktionen” vorkommen, deren Zähler und Nenner Polynome mit rationalen Koeffizienten sind, geben wir mit Hilfe von (4.24) und (4.25) den Zusammenhang mit den im dritten Kapitel eingeführten Brüchen an: 104 Division von rationalen Zahlen (4.53) 4.4.5 4.4.5 α |α| : = (sign α) · (sign β) · für alle α, β ∈ Z mit β 6= 0. β |β| Division von rationalen Zahlen (4.53) gibt uns auch einen Hinweis auf die zu (4.52) passende Definition der Division in Q: (4.54) ᾱ : β̄ : = (sign ᾱ) · (sign β̄) · (|ᾱ| 3 : |β̄|) für alle ᾱ, β̄ ∈ Q mit β̄ 6= 0. Aufgrund des Satzes über Q+ als Gruppe (Seite 70) gilt damit für alle β̄ ∈ Q\{0} : β̄ · (1 : β̄) = (sign β̄)2 · |β̄| 3 · (1 3 : |β̄|) = 1 und (4.55) (1 : β̄) · β̄ = (sign β̄)2 · (1 3 : |β̄|) 3 · |β̄| = 1. Bevor wir das strukturelle Ergebnis dieses Kapitels zusammenfassen, zeigen wir noch, wieso die Division nicht für β̄ = 0 erklärt werden kann. Gäbe es in Q zu 0 ein · - Inverses γ̄ : = 1: 0, so wäre wegen (4.55) γ̄ · 0 = 1 - im Widerspruch zur Nulldominanz im Satz über die Multiplikation in Q (Seite 101). Körper Abgesehen von der grundsätzlichen Unmöglichkeit, bei geltender Nulldominanz durch 0 zu dividieren, können in der erreichten Struktur alle vier grundlegenden Operationen uneingeschränkt ausgeführt werden. Definition des archimedisch geordneten Körpers Ein Achttupel (K, 2, ◦, n, e, n¯, e/, v) bestehend aus einer Menge K, zwei Verknüpfungen 2, ◦, einem 2-neutralen Element n, einem ◦ -neutralen Element e, einer 2-Inversenabbildung n¯, einer ◦Inversenabbildung e/ und einer Kleinerrelation v heißt geordneter Körper, wenn gilt: i) (K, 2, ◦, n, e, n¯, v) ist ein geordneter Integritätsring, ii) (K \ {n}, ◦, e, e/ ) ist eine abelsche Gruppe, Der Körper heißt archimedisch geordnet, wenn es außerdem iii) zu jedem a ∈ K ein m ∈ N1 gibt, sodass a @ e| 2 ·{z · · 2 e} gilt, m wobei a @ b bedeutet, dass a v b und a 6= b ist. Der Nachweis dafür, dass (Q, +, ·, 0, 1, 0−, ≤) ein geordneter Integritätsring ist, erfolgt analog zum Beweis des Satzes über Z als geord- 4.4.5 Division von rationalen Zahlen 105 neter Integritätsring (Seite 93): Teil i) stimmt mit dem Satz über Q als geordnete abelsche Gruppe (Seite 100) überein, und die Teile ii), iii) sowie iv) ergeben sich aus dem Satz über die Multiplikation in Q (Seite 101). Dabei folgt die Nullteilerfreiheit für ᾱ · β̄ = 0 = ᾱ · 0 und ᾱ 6= 0 aus der Kürzbarkeit, die zur Regularität in ii) gehört. Die Aussage iv) ergibt sich zusammen mit der Nulldominanz aus der Monotonie bezüglich der Multiplikation mit ᾱ = 0 im Satz über die Multiplikation in Q. Auch den Beweis dafür, dass (Q \ {0} , ·, 1, 1 :) eine abelsche Gruppe ist, können wir mit Verweisen auf schon hergeleitete Eigenschaften führen. Die auf Q \ {0} eingeschränkte Verknüpfung · ergibt wegen der Nullteilerfreiheit vi) des Satzes über die Multiplikation in Q von Null verschiedene rationale Zahlen. Aus demselben Satz folgen auch die Einsneutralität, die Assoziativität und die Kommutativität. Die Eigenschaft der · - inversen Elemente wurde in (4.55) gezeigt. Um nachzuweisen, dass (Q, +, ·, 0, 1, 0−, 1 :, ≤) archimedisch geordnet ist, genügt es wegen 1 · · + 1} = m und ᾱ ≤ |ᾱ| für alle ᾱ ∈ Q, zu | + ·{z m jedem Bruch a ∈ Q0 ein m ∈ N1 mit a < m anzugeben. Aufgrund von b b Teil vi) des Satzes über die Addition in N (Seite 39) gilt a < a + 1. Die Teile viii) und ix) des Satzes über die Multiplikation in N (Seite 41) ergeben dann a ≤ a · b < (a + 1) · b, und mit dem Bruchvergleichssatz (Seite 60) erhalten wir a < a+1 = a+1, sodass m : = a+1 gewählt werden b 1 kann. Durch die Gleichsetzung (4.29) und wegen der im Anschluss an (4.48) und mit (4.54) gezeigten Übereinstimmungen der Multiplikation sowie der Division ist die abelsche Gruppe (Q+ , 3 · , 1, 13 : ) in dem Körper (Q, +, ·, 0, 1, 0−, 1 :) enthalten. Das gilt auch für den Integritätsring (Z, +, ·, 0, 1, 0−); denn mit den Gleichsetzungen (3.17), (4.3) und (4.29) ist N ⊂ Q0 ⊂ Q sowie Z− ⊂ Q− ⊂ Q erfüllt, sodass Z eine Teilmenge von Q darstellt. Die Übereinstimmungen der Addition, Subtraktion und Multiplikation ergeben sich aus (4.32), (4.38) und (4.48) mit ᾱ = a ( b und β̄ = c ( d . 1 1 1 1 Satz über Q als archimedisch geordneter Körper (Q, +, ·, 0, 1, 0−, 1 :, ≤) ist ein archimedisch geordneter Körper. Dieser Körper enthält die abelsche Gruppe (Q+ , 3 · , 1, 13 : ) und den Integritätsring (Z, +, ·, 0, 1, 0−) durch Gleichsetzung mit ineinander übergehenden Verknüpfungen. 106 Ergänzungen 4.4.6 4.4.6 Ergänzungen Es folgen noch einige Ergebnisse, die im nächsten Kapitel bei der Einführung der reellen Zahlen als “Dezimalzahlen” benötigt werden. Dabei spielen Dezimalbrüche die Rolle von “Bausteinen”. Analog zum Vorgehen in 3.4 ergeben sich die “negativen” Dezimalbrüche zu den abgekürzten Randdifferenzen von denjenigen rationalen Zahlen, deren + - Inverses dem Satz über Dezimalbrüche (Seite 79) genügt. Auf “gemischte” Bruchdarstellungen und auf “Rechenregeln” für die Verknüpfungen von Dezimalbrüchen brauchen wir hier nicht einzugehen, weil sie zum Mathematikstoff der Sekundarstufe I gehören. Als Vorteil gegenüber den Brüchen ist neben der Eindeutigkeit der Dezimalbruchdarstellung vor allem der wesentlich einfachere Größenvergleich anzusehen. Wegen (4.45) genügt es, positive Dezimalbrüche zu betrachten. Sind ā = a0 , a1 . . . ae und b̄ = b0 , b1 . . . be verschiedene Dezimalbrüche in der Schreibweise gemäß der Bezeichnung des Dezimalbruchs (Seite 78) mit eventuell angehängten Nullen und wird m : = min {k ∈ N | ak 6= bk } gesetzt, so ergibt die Summendarstellung, dass a < b genau dann gilt, wenn am < bm ist. Diese Anordnungsform heißt “lexikographisch”, weil man sich die Ziffern als Buchstaben aus dem “Alphabet” A10 denken kann. Abschätzungen durch Ungleichungen sind typisch für die Analysis, deren Grundlage die reellen Zahlen bilden. Als wichtigstes Hilfsmittel auch bei der Einführung der Dezimalzahlen leiten wir noch die “Dreiecksungleichungen” her. Aus ±ᾱ ≤ |ᾱ| und ±β̄ ≤ |β̄ | folgt ±(ᾱ + β̄ ) ≤ |ᾱ| + |β̄ |, sodass |ᾱ + β̄ | ≤ |ᾱ| + |β̄ | für alle ᾱ, β̄ ∈ Q gilt. Mit γ̄ : = ᾱ+ β̄ und δ̄ : = −β̄ ergibt diese obere Dreiecksungleichung |ᾱ| = |γ̄ + δ̄| ≤ |γ̄| + |δ̄| = |ᾱ + β̄ | + |β̄ |. Also folgt |ᾱ| − |β̄ | ≤ |ᾱ + β̄ |. Zusammen mit der Ungleichung, die durch Vertauschen von ᾱ und β̄ entsteht, erhalten wir die untere Dreiecksungleichung in der Ungleichungskette |ᾱ| − |β̄ | ≤ |ᾱ + β̄ | ≤ |ᾱ| + |β̄ | für alle ᾱ, β̄ ∈ Q. (4.56) Die abschließende Abbildung 4.3 soll auch andeuten, dass wir nun von der Algebra zur Analysis übergehen. -3 - 55 17 -2 41 -1 - 31 - 73 0 -3 -2 -1 0 -3,235 -2,718 -0,43 2 3 0,6 1 15 2 1 2 11 1,36 193 71 3 355 113 3 3,142 Abbildung 4.3: Eine “algebraische” und eine “analytische” Zahlengerade Kapitel 5 Reelle Zahlen 5.1 5.1.1 Dezimalzahlen und geometrische Konvergenz Ausgangssituation und Zielsetzung Die rationalen Zahlen eignen sich nicht als Grundlage der Infinitesimalrechnung 1 , weil es auf der Zahlengeraden Punkte gibt, die sich keiner rationalen Zahl zuordnen lassen. Zum Beispiel besitzt die Diagonale des Quadrats mit der Seitenlänge 1 keine rationale Länge d; denn es müsste d 2 = 2 gelten - aber ein einfacher indirekter Schluss zeigt, dass es keine solche rationale Zahl gibt. Aus der Annahme, dass ein Paar (a, b) ∈ N21 mit d = ab und ggT (a, b) = 1 existiert, folgt durch Quadrieren a2 = 2b2 . Wegen (2k)2 = 2(2k 2 ) und (2k − 1)2 = 2(2k 2 − 2k) + 1 für jedes k ∈ N1 ergibt sich, dass a gerade sein muss. Mit c : = a2 erhält man 2c2 = b2 . Also müsste auch b durch 2 teilbar sein, was der Teilerfremdheit von a und b widerspricht. Dieser “geometrische” Mangel der Lückenhaftigkeit der rationalen Zahlen führt zu der folgenden Forderung: Die Menge Q der rationalen Zahlen ist so zu erweitern, dass jede Strecke (auf der Zahlengeraden insbesondere zwischen dem Nullpunkt und einem beliebigen zweiten Punkt) in der bekannten Weise durch Abtragen der aus einer Einheitsstrecke 1 Dieses und das nächste Kapitel stimmen weitgehend mit Teilen des zweiten und fünften Kapitels der Elementaranalysis [8] überein. 107 108 Ausgangssituation und Zielsetzung 5.1.1 durch fortgesetzte Zehnteilung 2 gewonnenen Teilstrecken gemessen werden kann. Diese Forderung wird durch die Einführung der Dezimalzahlen erfüllt; denn bei der Dezimalzahl sg, z1 z2 . . . beschreibt die nichtnegative ganze Zahl g und jede Ziffer zi , wie oft die entsprechend unterteilte Einheitsstrecke abgetragen werden kann, ohne dass der Endpunkt der gegebenen Strecke überschritten wird. Misst man eine Strecke auf der Zahlengeraden, so gibt das Vorzeichen (beziehungsweise der Vorzeichenfaktor) s der Dezimalzahl an, ob man in der Richtung von 0 nach 1 oder von 0 nach -1 abträgt. Der Buchstabe s erinnert an das durch (4.50) definierte Signum (= Vorzeichen) der rationalen Zahlen. Offenbar ist dann die Dezimalzahl eindeutig durch die Strecke bzw. durch den Punkt auf der Zahlengeraden bestimmt. Obwohl wir erst am Schluss dieses Abschnitts zeigen können, dass bei diesem Messvorgang nur “Dezimalzahlen ohne Neunerperiode” auftreten, wollen wir schon jetzt die Menge dieser “zulässigen Dezimalzahlen” mit R bezeichnen und ihre Elemente “reelle Zahlen” nennen. Dazu definieren wir: Definition der periodischen und der zulässigen Dezimalzahl Es sei sg, z1 z2 . . . eine Dezimalzahl. a) sg, z1 z2 . . . heißt periodische Dezimalzahl, wenn es k ∈ N und p ∈ N1 gibt, sodass zj+p = zj für alle j > k gilt. 3 b) sg, z1 z2 . . . heißt zulässige Dezimalzahl, wenn zu jedem n ∈ N ein j ∈ N mit j > n existiert, sodass zj 6= 9 ist. Der “arithmetisch-algebraische” Mangel der Unlösbarkeit von d 2 = 2 ist durch die Einführung der Dezimalzahlen noch nicht behoben; denn solange nicht die “Multiplikation” für Dezimalzahlen und die “Gleichheit” von Dezimalzahlen und rationalen Zahlen definiert sind, ist auch die Gleichung d 2 = 2 nicht erklärt. Für die Analysis sind deshalb die folgenden beiden Forderungen wesentlich: 1. In der Menge R der zulässigen Dezimalzahlen sind Verknüpfungen +, −, ·, / sowie eine Kleinerrelation < so zu definieren, dass die gleichen einfachen Rechengesetze wie in Q gelten. 2 Die reellen Zahlen können mit Hilfe eines anderen “Positionssystems” - also mit einer beliebigen natürlichen Zahl g > 1 anstelle von 10 - völlig analog wie im Folgenden für g = 10 eingeführt werden. 3 Die “Periode” bezeichnen wir mit zk+1 . . . zk+p , wobei k die Länge der “Vorperiode” und p die Länge der Periode ist. 5.1.2 Folgen von Dezimalbrüchen 109 2. Werden diese Verknüpfungen und die Kleinerrelation auf Q eingeschränkt, so müssen sie mit den in Q vorgegebenen Verknüpfungen und der dort erklärten Kleinerrelation übereinstimmen. Mit der Lösung dieser Aufgaben werden wir uns in den ersten drei Abschnitten beschäftigen. In 5.3.3 wird außerdem als weitere Eigenschaft des neuen Zahlbereichs die für die Analysis sehr wichtige “Vollständigkeit” in einer speziellen, auf den Aufbau der Elementaranalysis [8] zugeschnittenen Form gewonnen. Bis zur Verfügbarkeit des Isomorphiesatzes (Seite 146) wird bei Definitionen und Er~ verwendet und das gebnissen, die in Q und R gelten, das Zahlmengensymbol Q Adjektiv “rational ” kursiv geschrieben. 5.1.2 Folgen von Dezimalbrüchen Die bisherige Form der Dezimalzahlen hat den Nachteil, dass sie als geschlossenes Ganzes (gewissermaßen als “Schreibfigur”) völlig starr ist. Wir werden also versuchen, die Dezimalzahlen in ihre Bestandteile zu zerlegen und ihnen auf diese Weise ein flexibleres mathematisches Objekt zuzuordnen. Anschließend können wir dann auch die Fragen nach der Gleichheit von Dezimalzahlen sowie von rationalen Zahlen und Dezimalzahlen befriedigend behandeln. Betrachten wir wieder die Länge d der Diagonale des Einheitsquadrats, so wird d durch folgende Dezimalbrüche angenähert beziehungsweise eingeschachtelt: 1<d<2 (1 < 2 < 4) 1, 4 < d < 1, 5 (1, 96 < 2 < 2, 25) 1, 41 < d < 1, 42 (1, 9881 < 2 < 2, 0164) 1, 414 < d < 1, 415 (1, 999396 < 2 < 2, 002225) 1, 4142 < d < 1, 4143 (1, 99996164 < 2 < 2, 00024449) .. .. . .. In jeder Zeile kommt also eine weitere Ziffer hinzu und die Quadrate der Zahlen auf der linken beziehungsweise auf der rechten Seite der Ungleichungen sind stets kleiner beziehungsweise größer als 2 (wie in Klammern angegeben). Wenn schließlich d mit der Dezimalzahl 1, 4142 . . . gleichgesetzt wird 4 , so bedeutet das also nichts anderes als eine Abkürzung für den obigen Approximationsprozess, wobei offenbar die Zahlen auf der rechten Seite der Ungleichungen überflüssig sind, wenn wir nur fordern, dass die Zahlen auf der linken Seite bei jeder vorgegebe4 Für d wird dann auch das Symbol √ 2 verwendet. 110 Folgen von Dezimalbrüchen 5.1.2 nen Ziffernzahl größtmöglich sein sollen (wie schon bei dem oben beschriebenen Messvorgang). Betrachten wir die Anzahlen der Ziffern hinter dem Komma als Elemente der Menge N, so wird durch die letzte Festsetzung jeder Zahl aus N genau ein “Näherungsbruch” zugeordnet. Diese rationalen Zahlen bilden also eine Folge (an )n mit a0 = 1, a1 = 1, 4, a2 = 1, 41, a3 = 1, 414, . . . , und die Schreibfigur 1, 4142 . . . kann als Abkürzung für die Folge angesehen werden. Entsprechend verstehen wir unter einer beliebigen Dezimalzahl sg, z1 z2 . . . die Folge der Dezimalbrüche (sg, z1 . . . zn )n . 5 Um die Vorstellung zu verfestigen, dass die reellen Zahlen als Folgen aufzufassen sind und um die spätere Definition der Verknüpfungen vorzubereiten, wollen wir zunächst klären, wie man bei einer beliebigen Zahlenfolge (an )n erkennen kann, ob sie eine Dezimalzahl darstellt. Der Messvorgang beziehungsweise die obigen Summen legen es nahe, die gesuchten Folgen durch eine “Starteigenschaft”, eine “Zifferneigenschaft” und eine “Monotonieeigenschaft” zu charakterisieren. Ist nämlich sg, z1 z2 . . . eine Dezimalzahl n+1 P und setzen wir a0 : = sg, an+1 : =sg + s zk 10−k , 6 so folgt i) a0 ∈ Z und ii) k=1 n+1 |an+1 − an |10 ∈ A10 . Für s = +1 ist (an )n monoton steigend und für s = −1 monoton fallend, und beide Fälle können durch iii) (sign an ) (an+1 − an ) ≥ 0 zusammengefasst werden. Ist umgekehrt eine Folge (an )n mit den Eigenschaften i) bis iii) gegeben und sind nicht alle an gleich 0, so definieren wir m : = min {n ∈ N | an 6= 0}, s : = sign am , g : = |a0 | und zn+1 : = |an+1 − an | 10n+1 . Dann folgt mit vollständiger n+1 P Induktion, dass a0 = sg und an+1 = sg + s zk 10−k erfüllt sind, wenn man k=1 noch beachtet, dass im Falle an 6= 0 die Bedingungen i) bis iii) zu a0 ∈ Z und (sign an ) (an+1 − an ) 10n+1 ∈ A10 zusammengefasst werden können. Damit lassen sich die Folgen beschreiben, die Dezimalzahlen sind: Dezimalzahlsatz Die Folge (an )n stellt genau dann eine Dezimalzahl dar, wenn gilt: 5 Der Einfachheit halber bezeichnen wir sowohl die Schreibfigur als auch die zugehörige Folge als Dezimalzahl. 6 Wir treffen folgende nützliche Vereinbarung: Wenn keine Einschränkungen angegeben sind, gelten Gleichungen oder Ungleichungen, die von n abhängen, stets für alle n ∈ N. 5.1.3 Messprozess und Divisionsalgorithmus 111 i) a0 ∈ Z (“Starteigenschaft”), ii) |an+1 − an |10n+1 ∈ A10 (“Zifferneigenschaft”), iii) (sign an ) (an+1 − an ) ≥ 0 (“Monotonieeigenschaft”). Wenn feststeht, dass eine Folge (an )n eine Dezimalzahl darstellt, schreiben wir für sie kurz an . Mit Hilfe der Summendarstellung der Näherungsbrüche erhalten wir auch eine wichtige Abschätzung für die Differenz aufeinanderfolgender Folgenglieder einer Dezimalzahl g, z1 z2 . . . . Wegen g, z1 . . . zm − g, z1 . . . zk = 0, 0 . . . 0zk+1 . . . zm = gilt die Ungleichung zk+1 ...zm 10m für jedes k ∈ N und für alle m ∈ N1 mit m > k m−k g, z1 . . . zm − g, z1 . . . zk ≤ 10 10m−1 = 10−k − 10−m . (5.1) Mit m = k + 1 folgt insbesondere g, z1 . . . zk+1 + 10−k−1 ≤ g, z1 . . . zk + 10−k für jedes k ∈ N, das heißt, die Folge (g, z1 . . . zn + 10−n )n ist monoton fallend, während wir im Dezimalsatz festgestellt haben, dass (g, z1 . . . zn )n eine monoton steigende Folge darstellt. Als gliedweise Summe von zwei monoton steigenden Folgen ist auch (g, z1 . . . zn − 10−n )n wegen (4.46) mit ᾱ = 0, β̄ = g, z1 . . . zn+1 − g, z1 . . . zn und γ̄ = 10−n − 10−n−1 monoton steigend. Multiplikation mit s = −1 ergibt, dass (−g, z1 . . . zn + 10−n )n monoton fallend und (−g, z1 . . . zn − 10−n )n monoton steigend ist. Mit vollständiger Induktion erhalten wir dann die folgende “Schachtelungseigenschaft” für beliebige Dezimalzahlen: Dezimalschachtelungssatz Ist an eine Dezimalzahl, so gilt für alle k, m ∈ N mit m > k (5.2) 5.1.3 ak − 10−k ≤ am − 10−m < am + 10−m ≤ ak + 10−k . Messprozess und Divisionsalgorithmus bei rationalen Zahlen Betrachten wir die rationalen Zahlen als Punkte auf der Zahlengeraden, so können wir ihnen durch den obigen Messprozess in eindeutiger Weise Dezimalzahlen zu- 112 Messprozess und Divisionsalgorithmus 5.1.3 ordnen. Wegen der Symmetrie des Messvorgangs bei betragsgleichen rationalen Zahlen genügt es, positive rationale Zahlen zu untersuchen. Dann entspricht dem Ausmessen ein rein arithmetischer Prozess, der Divisionsalgorithmus genannt wird. t eine rationale Zahl mit t, m ∈ N1 , so ergibt der Messprozess zunächst Ist m t m r = g+ m0 mit g ∈ N und r0 ∈ Am . Beim “Ausdividieren” liest man entsprechend: r “t durch m gleich g Rest r0 ”. Wegen 0 ≤ m0 < 1 erhalten wir im nächsten r r Messschritt m0 = z1 10−1 + m1 10−1 mit z1 ∈ A10 und r1 ∈ Am . Der zugehörige Schritt im Divisionsalgorithmus lautet: “10 r0 durch m gleich z1 Rest r1 ”. Beide Vorgänge können nun völlig parallel “rekursiv” fortgesetzt werden. Kennen wir den Rest rn bereits, so lässt sich der nächste Schritt des Divisionsalgorithmus in der Form (5.3) rn+1 10 rn = zn+1 + mit zn+1 ∈ A10 und rn+1 ∈ Am m m schreiben. Den entsprechenden Schritt des Messprozesses erhalten wir, indem wir beide Seiten von (5.3) mit 10−n−1 multiplizieren. Zusammenfassen aller dieser r t Gleichungen ergibt dann m = g, z1 . . . zn + mn 10−n . Für die Näherungsbrüche der t Dezimalzahl g, z1 z2 . . . , die m durch den Messprozess beziehungsweise durch den Divisionsalgorithmus zugeordnet ist, gelten damit wegen 0 ≤ rn ≤ m − 1 die Abschätzungen t rn −t (5.4) 0 ≤ − g, z1 . . . zn = 10−n < 10−n und − 10−n < + g, z1 . . . zn ≤ 0. m m m Mit Hilfe von (5.3) können wir außerdem leicht zeigen, dass die so definierte Dezimalzahl periodisch ist. Bezeichnen wir mit [q ] : = max {k ∈ Z | k ≤ q} den ~ so ist (5.3) gleichbedeutend mit Ganzteil von q ∈ Q, 10 rn 10 rn (5.5) zn+1 = und rn+1 = 10 rn − m , m m das heißt zn+1 und rn+1 sind nur von rn (und von der festen Zahl m) abhängig. Da alle Glieder der Folge (rn )n in Am liegen, muss mindestens einer der Werte zweimal angenommen werden; das heißt es gibt k ∈ N und p ∈ N1 , sodass rk+p+1 = rk+1 gilt. Vollständige Induktion mit Hilfe von (5.5) ergibt dann rj+p = rj und zj+p = zj für alle j ∈ N1 mit j > k. Also ist g, z1 z2 . . . periodisch. Jeder rationalen Zahl wird also durch den Messprozess beziehungsweise durch den Divisionsalgorithmus eine periodische Dezimalzahl zugeordnet. Wir können aber 5.1.4 Näherungsbrüche von periodischen Dezimalzahlen 113 nicht ohne Weiteres sagen, dass diese Dezimalzahl und die gegebene rationale Zahl “gleich” sind; denn Dezimalzahlen sind Folgen von rationalen Zahlen. Wegen der Eindeutigkeit der Zuordnung liegt wenigstens eine Abbildung von Q in die Menge der periodischen Dezimalzahlen vor. Wäre diese Abbildung umkehrbar eindeutig, so könnten wir vereinbarungsgemäß die einander zugeordneten rationalen Zahlen und periodischen Dezimalzahlen gleichsetzen. Wir müssen also zunächst feststellen, ob eine Umkehrabbildung existiert. Dazu betrachten wir in dem folgenden Unterabschnitt als Beispiele die periodischen Dezimalzahlen 0,3̄, 0,09 und 0,9̄ . 5.1.4 Näherungsbrüche von periodischen Dezimalzahlen Die Näherungsbrüche zu 0,3̄ lauten an : = 0, 3| .{z . . 3} = n Summen der Form n P n X j=1 n−1 −j 3 · 10 3 X −k = 10 für jedes n ∈ N. 10 k=0 ~ \ {0} heißen “geometrische Summen”; die c q k mit c, q ∈ Q k=0 Summanden c q k bilden eine “geometrische Folge”, die dadurch definiert ist, dass die Quotienten aufeinanderfolgender Glieder alle den gleichen Wert q haben. Da den geometrischen Summen nicht anzusehen ist, wie sie sich bei wachsender Summandenzahl verhalten, muss zunächst versucht werden, diese Ausdrücke in “geschlossener Form” (das heißt ohne Summenzeichen oder Punkte ’. . . ’) darzustellen, um sie dadurch überschaubar zu machen. Mit einer geometrischen Herleitung wollen wir zugleich eine einprägsame Veranschaulichung geben. Dabei genügt es zunächst, die geometrischen Summen sn : = 1 + q + . . . + q n mit 0 < q < 1 zu betrachten. Das feste Verhältnis 1 : q = q : q 2 = . . . der aufeinanderfolgenden Glieder legt es nahe, ähnliche und am einfachsten rechtwinklige Dreiecke mit Katheten der Längen q k und q k+1 (k = 0, . . . , n) aneinanderzureihen (siehe Abbildung 5.1). Dabei entsteht eine nützliche Figur, die wir “Säge” nennen. Zeichnen wir zusätzlich zu den Verbindungsstrecken der Sägezahnspitzen die zugehörigen “Steigdreiecke”, so erkennen wir, dass alle Verbindungsstrecken die Steigung q −1 haben. Sie liegen also auf einer Geraden, deren Gleichung im entsprechenden cartesischen Koordinatensystem f (x) = (q − 1)x + 1 lautet. Mit f (sn ) = q n+1 und 114 Näherungsbrüche von periodischen Dezimalzahlen 5.1.4 q q2 1 q q3 q2 q3 Abbildung 5.1: Geometrische Summe und “Säge” durch Auflösen nach sn gewinnen wir dann zunächst für 0 < q < 1 die wichtige Gleichung n X 1 − q n+1 (5.6) qk = , 1 − q k=0 ~ \ {1} mit vollständiger Induktion beweisen lässt. die sich nun für jedes q ∈ Q In unserem ersten Beispiel ist also 1 1 3 1 − 10−n = − 10−n für jedes n ∈ N. an = −1 10 1 − 10 3 3 Die Differenzen 13 − an = 13 10−n bilden selbst eine positive geometrische Folge, deren Glieder mit wachsendem n immer kleiner werden. Auf diese noch nicht ganz klare Weise ist der periodischen Dezimalzahl 0,3̄ die rationale Zahl 13 zugeordnet - also eine Zahl, für die der Divisionsalgorithmus die Dezimalzahl 0,3̄ ergibt. Im zweiten Beispiel 0,09 lauten die Näherungsbrüche n X bn : = zk 10−k mit z2j = 9 und z2j−1 = 0 für jedes j ∈ N1 , k=1 und die Summenformel (5.6) ergibt für alle m ∈ N1 m m−1 X X 9 1 − 10−2m 1 1 9 −2j −2 i = b2m = b2m+1 = 9 · 10 = 10 = − 10−2m . −2 100 100 1 − 10 11 11 j=1 i=0 Also gilt 1 10−n , wenn n gerade ist, 11 1 − bn = 10 10−n 11 11 für ungerades n, 1 − bn n keine geomedas heißt, in diesem Falle ist die Folge der Differenzen 11 trische Folge. Aber ihre Glieder lassen sich wie in (5.4) durch die Elemente einer geometrischen Folge nach oben abschätzen: 1 10 0≤ − g, z1 . . . zn ≤ 10−n . 11 11 5.1.5 Geometrische Nullfolgen 115 1 eine Zahl, für die der Divisionsalgorithmus die gegeAußerdem ist auch hier 11 bene Dezimalzahl 0,09 erzeugt. n P 9 · 10−k = 1 − 10−n . Wieder ist die Die Näherungsbrüche von 0,9̄ lauten cn : = k=1 Folge der Differenzen (1 − cn )n eine geometrische Folge; aber die zu 1 gehörende Dezimalentwicklung ist 1,0̄ und nicht 0,9̄ . 5.1.5 Geometrische Nullfolgen In allen diesen Beispielen - ebenso wie in (5.4) - erhalten wir für die Differenzen zwischen einer (gefundenen beziehungsweise gegebenen) rationalen Zahl und den Näherungsbrüchen der zugehörigen Dezimalzahl obere Abschätzungen durch die Glieder einer geometrischen Folge aus positiven, immer kleiner werdenden Zahlen. Lassen wir anstelle der Zahl 10 beliebige Grundzahlen g ∈ N2 zu, so haben ~ + und die abschätzenden geometrischen Folgen die Form (cq n )n mit c, q ∈ Q q : = g1 < 1. Aufgrund der obigen Beispiele vermuten wir, dass die Glieder dieser Folgen der Zahl Null beliebig nahekommen, wenn nur der Exponent n genügend groß gewählt wird. Wir können sogar für beliebige positive rationale Zahlen c, q und e mit q < 1 eine Schranke ne explizit angeben, sodass cq n < e für alle n ∈ N mit n > ne gilt. 7 Beachtet man, dass (q n )n monoton fallend ist, so ergibt (5.6) (siehe auch Abbildung 5.4) die Ungleichung 1 (n + 1)q n ≤ sn < , 1−q die sich nach q n auflösen lässt: 1 ~ + mit q < 1 und für alle n ∈ N. für jedes q ∈ Q (5.7) q n < (1 − q)(n + 1) ~ + und ist q < 1, so gilt für die rechte Seite von (5.7) Sind nun c, q, e ∈ Q 1 (1−q)(n+1) 1 < e genau dann, wenn n > (1−q)e − 1 ist. Damit folgt c (5.8) cq n < e für alle n ∈ N mit n > − 1, (1 − q)e und solche n gibt es stets wegen des Satzes über Q als archimedisch geordneter Körper (Seite 105) beziehungsweise wegen des Körpersatzes (Seite 144). ~ + und q < 1 stellen also ein guDie geometrischen Folgen (cq n )n mit c, q ∈ Q tes Maß für das “Kleinwerden” einer Folge dar. Folgen, die sich durch eine solche 7 Solche Folgen heißen in der Cauchy-Analysis “Nullfolgen”. 116 Geometrische Nullfolgen 5.1.5 geometrische Folge abschätzen lassen, sind für den Aufbau der Elementaranalysis grundlegend und insbesondere für die Behandlung der reellen Zahlen als Dezimalzahlen gut geeignet. Wir wollen ihnen deshalb einen eigenen Namen geben: Definition der geometrischen Nullfolge ~ mit Die Folge (an )n heißt geometrische Nullfolge, wenn es Zahlen c, q ∈ Q c ≥ 0 und 0 < q < 1 gibt, sodass |an | ≤ c q n gilt. Die Menge der geometrischen Nullfolgen wird mit N bezeichnet. Wegen der Bedeutung dieser Folgen können wir einen “Kalkül” und wichtige Beispielmengen von geometrischen Nullfolgen erwarten. Sind (an )n und (bn )n geometrische Nullfolgen mit |an | ≤ c1 q1n , 0 < q1 < 1 und |bn | ≤ c2 q2n , 0 < q2 < 1, so ergibt die Dreiecksungleichung für die (gliedweise) Summe und Differenz: (5.9) |an ± bn | ≤ |an | + |bn | ≤ c1 q1n + c2 q2n ≤ (c1 + c2 ) (max {q1 , q2 })n . Damit sind auch (an + bn )n und (an − bn )n geometrische Nullfolgen. Für das gliedweise Produkt gilt noch einfacher |an bn | ≤ c1 c2 (q1 q2 )n , sodass (an bn )n ebenfalls eine geometrische Nullfolge ist. Hierfür genügt es aber offensichtlich, dass (bn )n eine beschränkte Folge darstellt, was durch q2 = 1 erfasst werden kann. 2q mit 0 < 1+q <1 Da sich jede Zahl q mit 0 < q < 1 als Produkt q = 1+q 2 1+q 2 2q und 0 < 1+q < 1 schreiben lässt und da aus (5.7) die Abschätzung n q n < n 1 < 1−q folgt, gilt (1−q)(n+1) n 2q1 n 1+q1 n 2c1 1+q1 n (5.10) |nan | ≤ c1 nq1 = c1 n 1+q ≤ 1−q , 2 2 1 1 sodass (nan )n und mit vollständiger Induktion (über k) sogar nk an n für jedes k ∈ N1 eine geometrische Nullfolge ergibt. Insbesondere sind die Folgen nk q n n mit k ∈ N1 und 0 < q < 1 wichtige Beispiele für geometrische Nullfolgen. n ~ spielen in der Analysis eine Rolle. Für den Nachweis, Die Folgen x mit x ∈ Q n! n dass sie geometrische Nullfolgen darstellen, zeigen wir, dass n! stärker wächst als ck k n für jedes k ∈ N1 mit geeigneten positiven Konstanten ck . Für k < n gilt nämlich n! = 1 · 2 · · · k(k + 1) · · · n ≥ k! k n−k , und für n < k ist entsprechend 5.1.6 Geometrische Konvergenz und Grenzwerte 117 k! = 1 · 2 · · · n(n + 1) · · · k ≤ n! k k−n . In jedem Falle folgt also n! ≥ k!k k n mit k Gleichheit für n = k. n n k |x| Damit ist x ≤ k für jedes k ∈ N1 . Setzt man etwa k : = [ |x| ] + 2, k n n! k! k q : = k1 |x| + 12 und c : = k , so gilt k ∈ N1 , 0 < q < 1, c > 0 und x ≤ cq n , k! n! n x ~ eine geometrische Nullfolge dar. stellt für jedes x ∈ Q das heißt, n! n Nullfolgensatz Sind (an )n und (bn )n geometrische Nullfolgen und ist (cn )n eine beschränkte Folge, so stellen (an + bn )n , (an − bn )n , (an cn )n und für jedes k ∈ N1 auch n k ~ für jedes x ∈ Q n an n geometrische Nullfolgen dar. Außerdem ergibt x n! n eine geometrische Nullfolge. 5.1.6 Geometrische Konvergenz und Grenzwerte Die Differenzen in unseren obigen Beispielen periodischer Dezimalzahlen bilden geometrische Nullfolgen; die Näherungsbrüche der Dezimalzahlen kommen also den entsprechenden rationalen Zahlen beliebig nahe. Damit haben wir auch eine erste Deutung der “Gleichheit” von Dezimalzahlen und rationalen Zahlen. Bei Zahlenfolgen spricht man allerdings nicht von Gleichheit, sondern von “Konvergenz” beziehungsweise von “Grenzwerten”. Wir definieren die entsprechenden Begriffe mit Hilfe der geometrischen Nullfolgen: Definition der geometrischen Konvergenz und des Grenzwerts ~ wenn es ein a ∈ Q ~ gibt, Die Folge (an )n heißt geometrisch konvergent (in Q), sodass (an − a)n eine geometrische Nullfolge darstellt. Die Zahl a wird dann Grenzwert von (an )n genannt. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob eine Folge eventuell auch mehr als einen Grenzwert besitzen kann. Nehmen wir an, es gäbe zu der Folge (an )n Grenzwerte a und b. Dann ist b−a = (an − a)−(an − b). Als Differenz von zwei geometrischen Nullfolgen muss die konstante Folge (b − a)n aufgrund des Nullfolgensatzes (Seite 118 Folgen von geometrischen Summen 5.1.7 117) auch eine geometrische Nullfolge sein, was wegen (5.8) nur möglich ist, wenn a = b gilt. Jede Folge besitzt also höchstens einen Grenzwert. Wir betrachten nun zunächst im Anschluss an 5.1.4 einen wichtigen Typ von geometrisch konvergenten Folgen. 5.1.7 Folgen von geometrischen Summen Welche der Folgen (an )n mit an : = n P ~ sind geometrisch konverc q k , c, q ∈ Q, k=0 gent? Die allgemeine Antwort erhalten wir unmittelbar durch Umformung von Gleichung (5.6): an = cq n c − q . 1−q 1−q Für q = 0 oder c = 0 liegt eine Folge mit konstanten Gliedern vor, die stets geometrisch konvergent ist. Im Falle 0 < |q| < 1 gilt c cq n (5.11) an − = |q| . 1−q 1−q c ~ ∈ Q. Damit ist hier (an )n geometrisch konvergent mit dem Grenzwert 1−q Für q = 1 ist an = c(n + 1), und für q = −1 gilt an = 2c + 2c (−1)n . Wegen (5.8) kann (an )n in beiden Fällen nicht geometrisch konvergent sein. Für |q| > 1 ergibt n |q| 1 < , also die Ungleichung (5.7) |q| (|q|−1)(n+1) (|q| − 1)(n + 1) < |q|n+1 . Mit der Dreiecksungleichung nach unten (4.56) folgt dann |c| (|q|−1) c |c| |c| |c| c n+1 − 1−q q ≥ |1−q| |q|n+1 − |1−q| > (n + 1) − |1−q| . |an | = 1−q |1−q| ~ + und alle n ≥ b |1−c|+|c| − 1, das Damit erhalten wir |an | > b für jedes b ∈ Q |c| (|q|−1) heißt, (an )n ist “unbeschränkt” und kann deshalb wegen (5.8) nicht geometrisch konvergent sein. Die geometrische Konvergenz der obigen Folgen mit 0 < |q| < 1 lässt sich gut veranschaulichen (Abbildung 5.1 für 0 < q < 1 und Abbildung 5.2 für −1 < q < 0). Die k-te waagerechte Strecke der “Schnecke” in Abbildung 5.2 hat die Länge |cq k | (k ∈ N), und die beiden durch die Gleichungen y = qx und y = x − c 5.1.8 Einbettung der rationalen Zahlen in R c 1−q 119 c |cq| |cq 2 | |cq| Graph (x → qx) Graph (x → x − c) -c Abbildung 5.2: “Alternierende” geometrische Summe und “Schnecke” bestimmten Geraden schneiden sich im Punkt (x0 , y0 ) mit den Koordinaten x0 = cq y0 = 1−q . Für 0 < q < 1 ergibt die entsprechende Anordnung der Strecken eine “Treppe”. Das Paradoxon des Griechen Zenon von Elea (ca. 490 v.Chr.), c , 1−q das einen Wettlauf zwischen Achilles und einer Schildkröte beschreibt, gehört zu diesem Problemkreis. 5.1.8 Einbettung der rationalen Zahlen in R Das Ergebnis von (5.4) und die an (5.5) anschließenden Folgerungen können wir mit Hilfe der Definition der geometrischen Konvergenz und des Grenzwerts (Seite 117) in dem folgenden Satz zusammenfassen: Rationalzahlsatz Jede rationale Zahl r ist Grenzwert derjenigen periodischen Dezimalzahl, die r durch den Divisionsalgorithmus zugeordnet ist. Damit ist zugleich gezeigt, dass alle periodischen Dezimalzahlen, die mit Hilfe des Divisionsalgorithmus aus rationalen Zahlen entstehen, geometrisch konvergent sind. Aus 5.1.4 wissen wir allerdings, dass es periodische Dezimalzahlen gibt (etwa 0,9̄), die nicht durch den Divisionsalgorithmus erzeugt werden. Um diese Dezimalzahlen zu finden (und hinauszuwerfen), müssen wir feststellen, welche periodischen Dezimalzahlen gleiche Grenzwerte besitzen. 120 Einbettung der rationalen Zahlen in R 5.1.8 Es sei also sg, z1 . . . zk zk+1 . . . zk+p eine beliebige periodische Dezimalzahl. Die Näherungsbrüche ak+mp : = sg, z1 . . . zk+mp mit m ∈ N, die zu den “vollen Perioden” gehören, können wir mit Hilfe der Summenformel (5.6) berechnen, wobei p P wir z : = zk+i 10p−i setzen: i=1 ak+mp = ak + s m−1 X j=0 z 10−jp 10k+p −mp z = ak + s k+p · 1−10 1−10−p 10 = ak + s Für r : = ak + s z (10p −1)10k z (10p −1)10k −s z 10−k−mp . 10p −1 erhalten wir wegen 0 ≤ z ≤ 10p − 1 die Abschätzung ak+mp − 10−k−mp ≤ r ≤ ak+mp + 10−k−mp für alle m ∈ N. , so folgt aufgrund Ist nun n ∈ N beliebig und wählen wir m ∈ N mit m > n−k p des Dezimalschachtelungssatzes (Seite 111) sg, z1 . . . zn − 10−n ≤ r ≤ sg, z1 . . . zn + 10−n . Damit haben wir den Periodensatz Jede periodische Dezimalzahl sg, z1 . . . zk zk+1 . . . zk+p stellt eine geometrisch p P zk+i 10p−i lautet der konvergente Folge dar. Mit der Abkürzung z : = i=1 Grenzwert sg, z1 . . . zk + s z . (10p −1)10k Da der Periodensatz auch für Dezimalzahlen mit der Periode 9̄ gilt, folgt, dass jede Dezimalzahl sg, z1 . . . zk 9̄ mit zk 6= 9 für k ≥ 1 denselben Grenzwert besitzt wie sg, z1 . . . (zk + 1) 0̄, und im Falle k = 0 stimmen die Grenzwerte von sg,9̄ und s(g + 1),0̄ überein; denn sg, z1 . . . zk + s10−k ist für k ∈ N aufgrund des Periodensatzes der Grenzwert der verschiedenen periodischen Dezimalzahlen. In diesen Fällen stellt r : = sg, z1 . . . zk + s10−k einen Dezimalbruch dar, und zu r gehört ein Bruch r = uk mit u ∈ Z \ {0} und k ∈ N . Damit ist nun auch 10 nachträglich der Ausschluss der Dezimalzahlen mit Neunerperiode gerechtfertigt; 5.1.9 Umkehrbar eindeutige Zuordnung 121 denn beim Ausmessen einer Strecke, deren Länge ein (positiver) Dezimalbruch ist, erhalten wir stets eine “abbrechende” Dezimalzahl (also mit der Periode 0̄), weil wir gefordert haben, dass die entsprechend unterteilte Einheitsstrecke (in diesem Falle eine Strecke der Länge 10−k ) so oft wie möglich abzutragen ist. Ebenso kann sich auch bei dem Divisionsalgorithmus keine Dezimalzahl mit der Periode 9̄ ergeben. 5.1.9 Umkehrbar eindeutige Zuordnung Nun sind wir unserem Ziel, jeder rationalen Zahl in umkehrbar eindeutiger Weise eine periodische Dezimalzahl zuzuordnen, schon sehr nahe: Der Divisionsalgorithmus ergibt zu jeder rationalen Zahl eine zulässige periodische Dezimalzahl, deren Grenzwert die jeweilige rationale Zahl ist. Gehen wir umgekehrt von einer beliebigen zulässigen periodischen Dezimalzahl aus, so erhalten wir zwar als Grenzwert eine rationale Zahl; wir wissen aber nicht, ob der Divisionsalgorithmus zu dieser rationalen Zahl die vorgegebene Dezimalzahl erzeugt. Das ist sicher der Fall, wenn keine rationale Zahl Grenzwert von zwei verschiedenen zulässigen Dezimalzahlen ist. Da zwei zulässige Dezimalzahlen an und bn - dem Messprozess entsprechend - “gleich” heißen, wenn an = bn gilt, sind sie genau dann verschieden, wenn es ein k ∈ N gibt, sodass ak 6= bk ist. Eventuell nach Umbenennung können wir ak < bk annehmen. Dann stellt h : = (bk − ak ) 10k eine positive natürliche Zahl dar. Ist h ≥ 2 - also bk ≥ ak + 2 · 10−k -, so ergibt (5.2) und der Dezimalzahlsatz (Seite 110) für alle m ∈ N1 mit m > k die Ungleichungsketten am < ak + 10−k ≤ bk − 10−k ≤ bm − 10−k , falls 0 ≤ ak ist, beziehungsweise am + 10−k ≤ ak + 10−k ≤ bk − 10−k < bm im Falle bk ≤ 0. Also gilt bm − am > 10−k für alle m ∈ N1 mit m > k. Ist h = 1, so sei j : = min {i ∈ N | i > k und bi ≥ ai + 2 · 10−i } . Ein solches j existiert, weil an nicht die Periode 9̄ besitzt (siehe das folgende Beispiel). bn = 0, 1 2 3 0 0 0 1 . . . an = 0, 1 2 2 9 9 8 1 . . . ↑ ↑ k j 122 Umkehrbar eindeutige Zuordnung 5.1.9 Wegen (5.2) und wegen des Dezimalzahlsatzes (Seite 110) gilt dann bi ≥ ai + 10−i für i = k, . . . , j − 1, und für j können wir denselben Schluss wie eben für k anwenden. Wegen (5.8) mit e = 10−k beziehungsweise e = 10−j kann (bn − an )n keine geometrische Nullfolge sein. Damit haben wir den folgenden nützlichen Satz, den wir mehrfach verwenden werden: Abstandssatz Sind an und bn verschiedene zulässige Dezimalzahlen, so gilt entweder an ≤ bn oder bn ≤ an , und es gibt ein k ∈ N, sodass |bk+n − ak+n | > 10−k erfüllt ist. Insbesondere kann (bn − an )n keine geometrische Nullfolge sein. Hätten nun zwei beliebige zulässige Dezimalzahlen an und bn denselben Grenzwert a, so wäre (an − bn )n wegen an − bn = (an − a) − (bn − a) und wegen des Nullfolgensatzes (Seite 117) eine geometrische Nullfolge. Aufgrund des Abstandssatzes können dann an und bn nicht verschieden sein. Da alle nichtperiodischen Dezimalzahlen zulässig sind, folgt als Nebenbenergebnis, dass keine nichtperiodische Dezimalzahl in Q geometrisch konvergent sein kann; denn wäre eine rationale Zahl Grenzwert einer solchen Dezimalzahl, so gäbe es aufgrund des Rationalzahlsatz (Seite 119) und der Bemerkungen im Anschluss an den Periodensatz (Seite 120) eine zulässige periodische Dezimalzahl, die denselben Grenzwert besäße. Wie oben würde dann folgen, dass die beiden Dezimalzahlen gleich wären - im Widerspruch zu ihrer unterschiedlichen Periodizitätseigenschaft. Diese beiden Ergebnisse zusammenfassend erhalten wir den Einbettungssatz Jede rationale Zahl ist Grenzwert genau einer zulässigen periodischen Dezimalzahl. Es gibt keine rationale Zahl, die Grenzwert einer nichtperiodischen Dezimalzahl ist. Der Divisionsalgorithmus (Seite 112), der Periodensatz (Seite 120) und der Einbettungssatz (Seite 122) beschreiben die “Einbettung” von Q in R: Durch den 5.1.10 Anordnung der reellen Zahlen 123 Divisionsalgorithmus beziehungsweise durch die Bildung des Grenzwerts werden die rationalen Zahlen und die zulässigen periodischen Dezimalzahlen einander umkehrbar eindeutig zugeordnet. Die damit gewonnene umkehrbare Abbildung von Q auf die Menge der zulässigen periodischen Dezimalzahlen wollen wir mit per 8 bezeichnen. Sie erlaubt es uns nun, rationale Zahlen und zulässige periodische Dezimalzahlen als dasselbe anzusehen. Die bisherige Erweiterung und Einbettung von Q wird in der folgenden Abbildung 5.3 zusammengefasst. Dabei bedeutet o n Q10 : = ab ∈ Q \ {0} b ∈ N1 , ggT(a, b) = 1 und b teilt 10b die Menge der von 0 verschiedenen rationalen Zahlen, deren Betrag einen Zehnpotenzbruch als Erweiterung besitzt (vergleiche Seite 120): Q R doppelt und damit überflüssig Q10 Dezimalzahlen mit Nullperiode ungleich 0,0̄ Dezimalzahlen mit Neunerperiode Q \ Q10 Sonstige periodische Dezimalzahlen Nichtperiodische Dezimalzahlen Abbildung 5.3: Einbettung der rationalen Zahlen in R 5.1.10 Anordnung der reellen Zahlen Zum Abschluss der Einbettung helfen uns der Messprozess und der Abstandssatz (Seite 122), auch die “Anordnung” der reellen Zahlen zu erklären: Definition der Kleiner-gleich-Relation Sind an und bn zulässige Dezimalzahlen, so ist an ≤ bn beziehungs weise bn ≥ an , wenn an ≤ bn gilt. 8 per soll an “(zulässige) periodische Dezimalzahl” erinnern. 124 Anordnung der reellen Zahlen 5.1.10 Da keine Missverständnisse auftreten können, verwenden wir in Q und R jeweils die gleichen Zeichen für die ≤- beziehungsweise <-Relation. Die KleinerBeziehung (beziehungsweise die Größer-Beziehung) wird daraus wie üblich durch die Bedingungen “≤ und nicht =” gewonnen, sodass an < bn beziehungsweise bn > an genau dann gilt, wenn an ≤ bn ist und wenn es ein k ∈ N mit ak < bk gibt. Außerdem können wir “Ungleichungsketten” bilden, weil die entsprechenden Beziehungen für die definierenden Näherungsbrüche erfüllt sind. Auch nach der Einführung der reellen Zahlen müssen wir häufig rationale Zah len und zulässige Dezimalzahlen vergleichen. Zur Erklärung von a ≤ bn für a ∈ Q bieten sich zwei Möglichkeiten an: Im Hinblick auf die Gleichsetzung von rationalen Zahlen und zulässigen periodischen Dezimalzahlen ist die Forderung per(a) ≤ bn sinnvoll, einfacher wäre aber a ≤ bn . Tatsächlich werden wir am Schluss dieses Abschnitts (im Ungleichungssatz, Seite 125) sehen, dass die erste Bedingung aus der zweiten folgt, während die Umkehrung im Falle per(a) = bn z. B. für a = 31 nicht immer richtig ist. Wollen wir beide Ansätze berücksichtigen, so müssen wir die erste (nämlich die schärfere) Möglichkeit zur Erklärung der “gemischten Ungleichungen” wählen: Definition der gemischten Ungleichungen Ist bn eine zulässige Dezimalzahl und sind a beziehungsweise c rationale Zahlen, so ist a ≤ bn beziehungsweise bn ≤ c definitionsgemäß genau dann, wenn per(a) ≤ bn beziehungsweise bn ≤ per(c) gilt. Damit können wir nun auch den Messvorgang bei einer beliebigen zulässigen Dezimalzahl sg, z1 z2 ... durch Ungleichungen erfassen und den Dezimalschachtelungssatz (Seite 111) erweitern. Es genügt, den Fall s = 1 zu betrachten, da die Herleitung für s = −1 ganz analog erfolgt. Wegen per (g, z1 . . . zk ) = g, z1 . . . zk 0̄ sind alle Näherungsbrüche von per (g, z1 . . . zk ) höchstens so groß wie die entsprechenden von g, z1 z2 . . . . Also gilt g, z1 . . . zk ≤ g, z1 z2 . . . für jedes k ∈ N. Spätes tens vom Index k an sind die Näherungsbrüche von per g, z1 . . . zk + 10−k gleich g, z1 . . . zk + 10−k , sodass aufgrund des Dezimalschachtelungssatzes und des Abstandssatzes (Seite 122) g, z1 z2 . . . < g, z1 . . . zk + 10−k für jedes k ∈ N erfüllt ist. Als Ergänzung zu (5.4) haben wir damit die Ungleichungen, die den Messprozess widerspiegeln: (5.12) g, z1 . . . zn ≤ g, z1 z2 . . . < g, z1 . . . zn + 10−n . Durch Zusammenfassen von (5.12) mit den “spiegelbildlichen” Ungleichungen für 5.1.10 Anordnung der reellen Zahlen 125 s = −1 erhalten wir als Erweiterung des Dezimalschachtelungssatzes (Seite 111) (5.13) sg, z1 . . . zn − 10−n < sg, z1 z2 . . . < sg, z1 . . . zn + 10−n . Abschließend wollen wir versuchen, für die gemischten Ungleichungen a ≤ bn beziehungsweise bn ≤ c mit a, c ∈ Q eine handlichere Bedingung zu finden, die aber zu per (a) ≤ bn beziehungsweise bn ≤ per (c) äquivalent ist. Da beide Fälle analog verlaufen, brauchen wir nur die erste Ungleichung zu betrachten. Setzen wir an : = per (a), so ist a ≤ bn definitionsgemäß gleichbedeutend mit an ≤ bn . Mit (5.4) folgt dann a−10−n < an ≤ bn , sodass sich a < bn +10−n ergibt. Tatsächlich gilt jetzt auch die Umkehrung; denn wäre bn < an , so gäbe es aufgrund des Abstandssatzes (Seite 122) ein k ∈ N mit bk+n < ak+n − 10−k , und (5.4) führte zu bk+1 + 10−k−1 < ak+1 − 10−k + 10−k−1 < ak+1 − 10−k−1 < a - im Widerspruch zur Voraussetzung. Im Hinblick auf unser Ziel, von den rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen überzugehen, können wir nun feststellen, dass die entsprechende Äquivalenz auch gilt, wenn a und c zulässige Dezimalzahlen sind. Denn aus a ≤ bn und (5.13) in der Form bn < bm + 10−m für jedes m ∈ N folgt unmittelbar a < bn + 10−n . Mit an : = a ergibt dieselbe Schlussweise wie oben einerseits bk+1 + 10−k−1 < ak+1 −10−k−1 und andererseits mit (5.13) anstelle von (5.4) ak+1 −10−k−1 < an . Um diese beiden Ungleichungen zu einer nicht gemischten Ungleichungskette zusammenfassen zu können, zeigen wir noch, dass für u, v ∈ Q genau dann u > v gilt, wenn per(u) > per(v) erfüllt ist, das heißt, wenn es zusätzlich zur Gültigkeit von un ≥ vn ein j ∈ N mit uj > vj gibt. Ausgehend von den letzten Beziehungen ergibt der Abstandssatz (Seite 122), dass ein k ∈ N mit uk+n > vk+n + 10−k existiert. Zweimalige Anwendung von (5.4) liefert dann u > uk+1 − 10−k−1 > vk+1 + 10−k − 10−k−1 > v + 10−k − 2 · 10−k−1 > v. Gehen wir von u > v aus, so gibt es wegen (5.8) ein k ∈ N mit 10−k < 21 (u − v). Mit Hilfe von (5.4) erhalten wir uk > u − 10−k > v − 10−k > vk . Aufgrund des Abstandssatzes ist dann un ≥ vn , und es gilt per(u) > per(v). Damit haben wir ein Ergebnis, das sich später als “Sprungbrett” bei dem Übergang von Q nach R herausstellen wird: Ungleichungssatz Sind a beziehungsweise c entweder rationale Zahlen oder zulässige Dezimal zahlen und ist bn eine zulässige Dezimalzahl, so gilt a ≤ bn beziehungs weise bn ≤ c genau dann, wenn a < bn +10−n beziehungsweise bn −10−n < c erfüllt ist. 126 5.2 5.2.1 Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen 5.2.1 Geometrische Fundamentalfolgen Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen Wir wollen nun versuchen, unser erstes Ziel von Seite 108 zu erreichen, nämlich die Verknüpfungen +, −, ·, / für die reellen Zahlen zu definieren. Da wir rationale Zahlen und insbesondere Dezimalbrüche addieren, subtrahieren, multiplizieren und (falls von Null verschieden) dividieren können, ist es naheliegend, zunächst die entsprechenden Näherungsbrüche der Dezimalzahlen zu verknüpfen. Im Allgemeinen ist das Ergebnis keine Dezimalzahl, sondern eine Folge aus einer umfangreicheren Menge, die wir geeignet bestimmen müssen. Anschließend werden wir dann ein allgemeines Verfahren erarbeiten, mit dessen Hilfe den Folgen der größeren Menge in eindeutiger Weise zulässige Dezimalzahlen, das heißt reelle Zahlen, zugeordnet werden können. Die gesuchte Folgenmenge muss alle Folgen enthalten, die durch gliedweise Verknüpfung von endlich vielen zulässigen Dezimalzahlen entstehen. Das ist bereits der Fall, wenn diese Menge die Dezimalzahlen umfasst und wenn zu je zwei Folgen aus der Menge jeweils auch die gliedweise verknüpften Folgen in der Menge liegen. Wir müssen also nach einer Eigenschaft der Dezimalzahlen suchen, die auch der gliedweisen Summen-, Differenz-, Produkt- und Reziprokenbildung von Dezimalzahlen zukommt, wobei im letzten Falle höchstens endlich viele Nullglieder auftreten dürfen und nur die von Null verschiedenen Zahlen zu berücksichtigen sind. Von den drei Eigenschaften, die im Dezimalzahlsatz (Seite 110) genau die Dezimalzahlen charakterisieren, kommt auf den ersten Blick keine in Frage, weil die Starteigenschaft bei der Reziprokenbildung, die Zifferneigenschaft bei allen Verknüpfungen und die Monotonieeigenschaft bei der Differenzbildung verletzt wird. Denken wir aber daran, dass die mit der Zifferneigenschaft verwandte Ungleichung (5.1) den wichtigen Dezimalschachtelungssatz (Seite 111) ergeben hat, so bietet es sich an, nach einer geeigneten Abschwächung der Zifferneigenschaft zu suchen. Anstelle der Ziffern müssten für |an+1 − an |10n+1 Werte aus einer beschränkten Menge zugelassen werden, was mit der Existenz einer Konstanten c gleichbedeutend ist, sodass |an+1 − an | ≤ c 10−n gilt. Da wir uns außerdem nicht auf die Grundzahl 10 festlegen wollen, ist es naheliegend, auch hier zur Abschätzung die Glieder einer geometrischen Nullfolge zu verwenden: |an+1 − an | ≤ cq n mit 5.2.1 Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen 127 ~ c ≥ 0 und 0 < q < 1. c, q ∈ Q, Haben wir eine zweite Folge (bn )n , die entsprechend |bn+1 − bn | ≤ c1 q1n erfüllt, so ergibt sich (5.14) | (an+1 ± bn+1 ) − (an ± bn ) | ≤ |an+1 − an | + |bn+1 − bn | ≤ c2 q2n mit q2 : = max{q, q1 } nach (5.9) und c2 : = c + c1 . Bei dem gliedweisen Produkt erhalten wir zunächst durch Einfügen von zwei sich weghebenden Zwischengliedern |an+1 bn+1 − an bn | = |(an+1 − an ) bn+1 + an (bn+1 − bn )| ≤ |an+1 − an | |bn+1 | + |an | |bn+1 − bn | ≤ |bn+1 | cq n + |an | c1 q1n . Hier treten noch von n abhängige Faktoren auf, die wir aber ersetzen könnten, wenn wir wüssten, dass (an )n und (bn )n beschränkt sind. Die Beschränktheit der Dezimalzahlen zeigt sich in dem Dezimalschachtelungssatz (Seite 111), dessen Herleitung aus (5.1) uns oben zu der neuen Folgeneigenschaft geführt hat. Tatsächlich genügte dafür bereits die Ungleichung |g, z1 . . . zn+1 − g, z1 . . . zn | ≤ 10−n − 10−n−1 . Eine solche Differenzdarstellung für cq n können wir aber unmittelbar aus Abbildung 5.1 entnehmen, wenn wir beachten, dass c c cq m = csm − csm−1 = 1−q − csm−1 − 1−q − csm für jedes m ∈ N1 die Längendifferenz der beiden Strecken von csm−1 beziehungsweise csm bis zur c c c ist (siehe Abbildung 5.4). Wegen (5.6) gilt 1−q − csm−1 = 1−q qm Sägespitze 1−q c für jedes m ∈ N1 . Setzen wir rn : = 1−q q n , so folgt also cq n = rn − rn+1 . rn = z c qn 1−q }| { c 1−q Abbildung 5.4: Restdarstellung bei geometrischen Summen c cq ... cq n Ganz analog wie bei dem Übergang von (5.1) nach (5.2) ergibt nun die Ungleichung |an+1 − an | ≤ rn −rn+1 eine Schachtelung, da die Betragsungleichung durch 128 Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen 5.2.1 die Ungleichungskette rn+1 − rn ≤ an+1 − an ≤ rn − rn+1 ausgedrückt werden kann, die mit (5.15) an − rn ≤ an+1 − rn+1 und an+1 + rn+1 ≤ an + rn äquvalent ist. Vollständige Induktion liefert dann die Schachtelung a0 − r0 ≤ an − rn < an < an + rn ≤ a0 + r0 . Insbesondere erhalten wir die Schranken (5.16) c c c < an < a0 + 1−q und |an | < |a0 | + 1−q . a0 − 1−q c1 Entsprechend gilt |bn | ≤ |b0 | + 1−q . Damit ergibt sich 1 |an+1 bn+1 − an bn | ≤ c3 q2n mit c3 : = |b0 |c + |a0 |c1 + 2cc1 . (1−q)(1−q1 ) Bei einer von Null verschiedenen Dezimalzahl an gilt aufgrund des Dezimalzahlsatzes (Seite 110) |am+n | ≥ |am |, wenn m : = min {k ∈ N | ak 6= 0} ist. Damit folgt 10−m −n 1 1 1 10 . (5.17) −a |a − a | ≤ a = a m+n+1 m+n 2 a m+n+1 m+n m+n+1 m+n am Stellt (cn )n ∈ / N eine Folge dar, die |cn+1 −cn | ≤ cq n mit 0 < q < 1 erfüllt, und ist c n q , so gibt es ein k ∈ N, für das |ck | > rk gilt, weil andernfalls wie oben rn = 1−q (cn )n ∈ N wäre. Mit (5.15) folgt dann |cn+k | > |cn+k | − rn+k ≥ |ck | − rk , und wir erhalten n o c m c k |cm+n | > |cm | − 1−q q > 0 mit m : = min k ∈ N |ck | > 1−q q (5.18) für alle (cn )n ∈ / N mit |cn+1 − cn | ≤ cq n , 0 < q < 1. c m Die Abschätzung |cm+n | > s : = |cm | − 1−q q aus (5.18) ergibt dann wie in (5.17) c qm 1 1 −c c ≤ s2 q n . m+n+1 m+n Diese neue Folgeneigenschaft wird sich als wirklich fundamental herausstellen. Definition der geometrischen Fundamentalfolge Die Folge (an )n heißt geometrische Fundamentalfolge 9 , wenn (an+1 − an )n ∈ N ist. Die Menge der geometrischen Fundamentalfolgen wird mit F bezeichnet. ~ mit c ≥ 0 Außerdem sei Fc,q : = (an )n ∈ F |an+1 − an | ≤ cq n für c, q ∈ Q und 0 < q < 1. 5.2.1 Gliedweise Verknüpfungen von Dezimalzahlen 129 Mit unseren Vorüberlegungen haben wir bereits zwei wichtige Sätze über Fundamentalfolgen bewiesen: Fundamentalfolgensatz c Ist (an )n ∈ Fc,q und rn : = 1−q q n , so gilt (5.15) an − rn ≤ an+1 − rn+1 und an+1 + rn+1 ≤ an + rn sowie (5.16) c c c a0 − 1−q < an < a0 + 1−q und |an | < |a0 | + 1−q . Abgeschlossenheitssatz Sind (an )n und (bn )n Fundamentalfolgen, so stellen auch (an + bn )n , (an − bn )n und (an bn )n Fundamentalfolgen dar. o n c k Ist (cn )n ∈ Fc,q \ N und wird m : = min k ∈ N |ck | > 1−q q gesetzt, so 1 zu F. gehört auch c m+n n Außerdem ist jede geometrisch konvergente Folge rationaler Zahlen eine Fundamentalfolge (siehe den Verträglichkeitssatz, Seite 138). Die Schachtelung (5.15) ist in besonderer Weise geeignet, Fundamentalfolgen zu veranschaulichen. Fassen wir die zusammengehörenden Glieder der monoton steigenden Folge (an − rn )n und der monoton fallenden Folge (an + rn )n als Anfangs- beziehungsweise Endpunkte von “abgeschlossenen Intervallen” auf, so ist das Intervall [an+1 − rn+1 , an+1 + rn+1 ] jeweils in dem vorhergehenden Intervall [an − rn , an + rn ] enthalten, und die Intervalllängen bilden eine geometrische Nullfolge. Diese Situation wird im Folgenden eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie die Fundamentalfolgen. Wir definieren deshalb: Definition der geometrischen Intervallschachtelung Eine Intervallfolge [un , vn ] n heißt geometrische Intervallschachtelung, wenn [un+1 , vn+1 ] in [un , vn ] enthalten ist und wenn (vn − un )n zu N gehört. 9 Als “Fundamentalfolgen” wurden früher manchmal diejenigen Folgen bezeichnet, die heute durchweg Cauchy-Folgen heißen. Jede geometrische Fundamentalfolge ist eine Cauchy-Folge; die Umkehrung gilt jedoch nicht. Da aber kaum Verwechslungen vorkommen können, verwenden wir im Folgenden meistens den Kurznamen. 130 Rückkehr nach R 5.2.2 Da die ineinanderliegenden Intervalle sehr schnell unübersichtlich werden, zeichnet man jedes Intervall auf eine eigene von genügend vielen parallel verschobenen Zahlengeraden. Bei gleichen Abständen der Geraden können nur sehr wenige Intervalle dargestellt werden. Erinnern wir uns nun daran, dass wir rn aus Abbildung 5.4 gewonnen haben, so finden wir nicht nur eine geometrische Deutung der Intervallängen 2rn , sondern auch eine günstige Anordnung der Intervalle. Dazu spiegeln wir die Säge an der c gehörende “Sägespitze” und verbinden senkrechten Geraden durch die zu 1−q die entsprechenden oberen Eckpunkte der Dreiecke (siehe Abbildung 5.5). Das a0 − r0 a0 a0 + r 0 r1 r1 r2 r2 Abbildung 5.5: Intervallerzeugung oberste Intervall [a0 − r0 , a0 + r0 ] bestimmt dann die Lage von a0 und den Maßstab auf allen parallelen Zahlengeraden. Jedes weitere Intervall wird unterhalb des vorhergehenden auf der zugehörigen Zahlengeraden solange verschoben, bis sich der Mittelpunkt an+1 an der richtigen Stelle befindet. Die Länge dieses Intervalls ist 2rn+1 . Verbinden wir nun die aufeinanderfolgenden Anfangspunkte beziehungsweise Endpunkte der Intervalle und lassen alle überflüssigen Linien weg, so erhalten wir als allgemeingültige Veranschaulichung der Fundamentalfolgen eine Figur, die wir “Trichter ” nennen (siehe Abbildung 5.6). Diese Bezeichnung verwenden wir auch für die zu (5.15) gehörende geometrische Intervallschachtelung. 5.2.2 Rückkehr nach R Da bei der Verknüpfung von reellen Zahlen natürlich wieder reelle Zahlen herauskommen sollen, müssen wir nun den Fundamentalfolgen, die durch gliedweise Verknüpfung von Dezimalzahlen entstanden sind, in eindeutiger und sinnvoller Weise reelle Zahlen (also zulässige Dezimalzahlen) zuordnen. 5.2.2 Rückkehr nach R a0 − r0 131 a0 a1 − r1 a2 − r 2 a0 + r0 a1 a2 a1 + r 1 a2 + r2 Abbildung 5.6: Geometrische Intervallschachtelung und “Trichter ” Die obige Veranschaulichung der Fundamentalfolgen lässt uns vermuten, dass es genau eine reelle Zahl gibt, die in allen Intervallen des zugehörigen Trichters liegt 10 und die deshalb für die Zuordnung zu der gegebenen Fundamentalfolge prädestiniert wäre. Die “Eindeutigkeit” einer solchen Zahl sg, z1 z2 . . . lässt sich für beliebige geo metrische Intervallschachtelungen [un , vn ] n folgendermaßen zeigen. Für u ≤ sg, z1 z2 . . . ≤ v mit u, v ∈ Q ergibt der Ungleichungssatz (Seite 125) (5.19) u − 10−n ≤ sg, z1 . . . zn ≤ v + 10−n . Daraus folgt |sg, z1 . . . zn − un | ≤ vn − un + 10−n , sodass aufgrund des Nullfolgensatzes (Seite 117) mit (vn − un )n und (10−n )n auch (sg, z1 . . . zn − un )n eine geometrische Nullfolge darstellt. Ist nun s0 g 0 , z10 z20 . . . eine reelle Zahl, die ebenfalls in allen Intervallen [un , vn ] liegt, so ergibt entsprechend (s0 g 0 , z10 . . . z n0 − un )n eine geometrische Nullfolge, und das gleiche gilt für (s0 g 0 , z10 . . . z n0 − sg, z1 . . . zn )n als Differenz von zwei geometrischen Nullfolgen. Wegen des Abstandssatzes (Seite 122) sind damit die beiden reellen Zahlen gleich. Wenn also der Durchschnitt aller Intervalle einer geometrischen Intervallschachtelung nicht leer ist, so besteht er aus genau einer reellen Zahl. Um diese Zahl konkret zu bestimmen, können wir versuchen, die ineinandergeschachtelten, immer kleiner werdenden Intervalle ähnlich auszumessen wie einen einzelnen Punkt auf der Zahlengeraden. Liegt der Nullpunkt in allen Intervallen [un ,vn ], so wird nicht gemessen, und die gesuchte Dezimalzahl ist 0,0̄. Andernfalls gibt es ein k ∈ N, sodass uk > 0 oder vk < 0 gilt. Im “positiven” Fall ist 10 Wir sagen, dass eine reelle Zahl sg, z1 z2 . . . in einem Intervall [u,v] mit u, v ∈ Q liegt, wenn die (gemischten) Ungleichungen u ≤ sg, z1 z2 . . . ≤ v erfüllt sind. 132 Rückkehr nach R 5.2.2 0 < uk ≤ uk+n < vk+n ≤ vn und im “negativen” 0 > vk ≥ vk+n > uk+n ≥ un , sodass dieser Fall durch Spiegeln am Nullpunkt in den ersten übergeht. Um eine zulässige Dezimalzahl zu erhalten, die in allen Intervallen liegt, tragen wir bei jeder Genauigkeitsstufe die unterteilte Einheit so oft wie möglich in der entsprechenden Richtung ab, ohne ein Intervall der Schachtelung zu überschreiten. Das ist gleichbedeutend damit, dass im positiven Fall kein Punkt der Endpunktfolge und im negativen Fall kein Punkt der Anfangspunktfolge passiert werden darf, weil wegen der Monotonie mit einem einzigen Anfangs- beziehungsweise Endpunkt auch alle folgenden zwischen dem Nullpunkt und dem Messpunkt liegen würden. Wir betrachten zunächst den positiven Fall und führen anschließend den zweiten Fall auf den ersten zurück. Definitionsgemäß gilt also vn > 0, und (vn )n ist monoton fallend. Das Ausmessen beginnt damit, dass die größte nichtnegative ganze Zahl g bestimmt wird, die g ≤ vn erfüllt. Wegen der Maximaleigenschaft von g gibt es dann ein m ∈ N, sodass vm < g + 1 gilt, und wegen der Monotonie der Folge ist auch vn+m < g + 1, sodass die Dezimalzahldarstellungen per (vn+m ) mit g anfangen. Setzen wir dieses Messverfahren mit wiederholter Zehnteilung der Einheitsstrecke fort, so erhalten wir nacheinander für jedes k ∈ N1 eine weitere größtmögliche Ziffer zk , mit der (5.20) g, z1 . . . zk ≤ vn gilt. Wegen der Maximaleigenschaft von g, z1 . . . zk und wegen der Monotonie von (vn )n gibt es zu jedem k ∈ N1 ein mk ∈ N, sodass (5.21) vn+mk < g, z1 . . . zk + 10−k erfüllt ist. Damit stellt g, z1 . . . zk den Anfang von per (vn+mk ) dar. Mit vollständiger Induktion über k ergeben sich also immer mehr festbleibende Ziffern bei den Dezimalzahldarstellungen per (vn ) der Folgenglieder. Mit diesen Ziffern bilden wir die Dezimalzahl g, z1 z2 . . . , die aufgrund des Messprozesses eine reelle Zahl ist. Mit Hilfe von (5.20) und (5.21) erkennen wir, dass g, z1 z2 . . . in allen Intervallen der geometrischen Intervallschachtelung [un , vn ] n liegt. Wir setzen a0 : = g und 5.2.2 Rückkehr nach R 133 ak : = g, z1 . . . zk für k ∈ N1 . Aus (5.20) folgt dann an ≤ vm für jedes m ∈ N, und der Ungleichungssatz (Seite 125) ergibt g, z1 z2 . . . ≤ vm für alle m ∈ N. Wegen der Monotonie der Endpunktfolge sowie mit (5.21) erhalten wir um < vm+mn < an + 10−n , und der Ungleichungssatz liefert wieder die zugehörige gemischte Ungleichung um ≤ g, z1 z2 . . . für jedes m ∈ N. Im Fall un < 0 führen wir denselben Messprozess für die geometrische Intervall schachtelung [−vn , −un ] n durch und erhalten −vm ≤ g, z1 z2 . . . ≤ −um für alle m ∈ N. Multiplizieren wir in diesem Fall die Ungleichungen mit s = −1 und fassen das Ergebnis mit dem ersten Fall zusammen, so erhalten wir (5.22) um ≤ sg, z1 z2 . . . ≤ vm für jedes m ∈ N. Dieses grundlegende Ergebnis halten wir in dem folgenden Satz mit einer geeigneten Bezeichnung fest: Zentrumssatz Zu jeder geometrischen Intervallschachtelung [un ,vn ] n gibt es genau eine reelle Zahl sg, z1 z2 . . . , die in allen Intervallen [un ,vn ] liegt. Diese Zahl, die Zen trum von [un , vn ] n heißt, wird mit cen [un , vn ] n bezeichnet. Die Dezimalzahl g, z1 z2 . . . besteht aus den festbleibenden Ziffern der Folgenglieder von per (vn ) n , wenn kein Glied dieser Folge negativ ist, und von per (−un ) n sonst. Im ersten Fall ist s = 1, im zweiten s = −1. Um die eindeutige und sinnvolle Zuordnung einer reellen Zahl zu der Fundamentalfolge (an )n ∈ Fc,q abschließen zu können, müssen wir nur noch zeigen, dass das c c n n Zentrum des Trichters an − 1−q q , an + 1−q q nicht von c oder q abhängt. n c n Für jedes feste n ∈ N wächst die halbe Intervalllänge 1−q q sowohl bei Vergrößerung von c als auch von q (< 1). Deshalb erhält man bei Änderung von c oder q jeweils geometrische Intervallschachtelungen, die bei gleichen Mittelpunkten intervallweise ineinandergeschachtelt sind. Das Zentrum des jeweils inneren Trichters stimmt also stets mit dem Zentrum im äußeren Trichter überein. Das heißt aber, dass sg, z1 z2 . . . von c und q unabhängig ist. 134 Rückkehr nach R 5.2.2 Solange wir noch nicht die Differenz von an und sg, z1 z2 . . . bilden können, lässt sich diese Unabhängigkeit auch mit Hilfe der Differenzenfolge (an − sg, z1 . . . zn )n c ausdrücken. Wegen (5.19) gilt nämlich |an − sg, z1 . . . zn | ≤ 1−q q n + 10−n , sodass aufgrund des Nullfolgensatzes (Seite 117) (an − sg, z1 . . . zn )n ∈ N ist. Stellt s0 g 0 , z10 z20 . . . irgendeine reelle Zahl mit (an − s0 g 0 , z10 . . . z n0 ) ∈ N dar, so folgt mit Hilfe des Nullfolgensatzes, dass (sg, z1 . . . zn − s0 g 0 , z10 . . . z n0 )n in N liegt. Der Abstandssatz (Seite 122) ergibt dann die Gleichheit von s0 g 0 , z10 z20 . . . und sg, z1 z2 . . . . Auch diese Ergebnisse fassen wir in einem wichtigen Satz zusammen: Zuordnungssatz c Ist (an )n ∈ Fc,q , so hängt die reelle Zahl sg, z1 z2 . . . : = cen an − 1−q qn, c nicht von c oder q ab. Da sg, z1 z2 . . . außerdem die einzige qn an + 1−q n reelle Zahl mit (an − sg, z1 . . . zn )n ∈ N darstellt, kann sie (an )n als Ergebnis des Messprozesses eindeutig zugeordnet werden. Durch diesen Satz erhalten wir die gesuchte Abbildung von der Menge F aller (rationalen) Fundamentalfolgen in die Menge R der reellen Zahlen. Im Unterschied zur gewöhnlichen Analysis, in der der “Grenzwert” einer “konvergenten” Folge (an )n mit lim an 11 bezeichnet wird, schreiben wir die zugeordnete reelle n→∞ Zahl als Bild der oben konstruierten Abbildung: Definition der Limesabbildung Ist (an )n ∈ Fc,q , so sei lim (an )n : = cen Abbildung c c an − 1−q q n , an + 1−q qn . Die n lim : F → R, (an )n 7→ lim (an )n heißt Limesabbildung. Meistens besteht sg, z1 z2 . . . auch aus den festbleibenden Ziffern der Dezimalbruchdarstellungen aller Folgenglieder von (an )n selbst (siehe das Beispiel in 5.2.3). Hier ist der Messvorgang aber meistens komplizierter, und es kann vorkommen, dass jede Ziffer (mit Ausnahme von endlich vielen) für hinreichend großes n n immer wieder zwischen 0 und 9 wechselt, wie z. B. bei 1 + −1 . 10 n 11 “lim” ist die Abkürzung für Limes (Grenzwert). 5.2.3 5.2.3 Eine rekursiv definierte Kettenbruchfolge 135 Eine rekursiv definierte Kettenbruchfolge Als Beispiel betrachten wir die Folge (xn )n mit 1 12 x0 : = 1, xn+1 : = 1 + 1+x n (5.23) Bringen wir die einzelnen Folgenglieder nicht auf den Hauptnenner, so erhalten wir eine “Kettenbruchentwicklung”: 1, 1 + 21 , 1 + 1 1 , . . . . 2+ Offenbar ist xn ≥ 1. Damit folgt 1 |xn+1 − xn | = 1+x − 1+x1 n n−1 xn−1 −xn = (1+x )(1+x n 2 n−1 1 ≤ 4 |xn − xn−1 | ) für alle n ∈ N1 , und vollständige Induktion ergibt |xn+1 − xn | ≤ 4−n |x1 − x0 | = 21 4−n , das heißt, (xn )n ist eine Fundamentalfolge. Mit c = 12 und q = 14 ist rn = 2 −n 2 −m , 4 . Die folgende Tabelle enthält die ersten acht Ziffern von per xm − 3 4 3 per (xm ) und per xm + 23 4−m für m = 0, . . . , 10. m 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 xm − rm 0,3333333 1,3333333 1,3583333 1,4062500 1,4111889 1,4136346 1,4140384 1,4141749 1,4142030 1,4142110 1.4142129 xm 1,0000000 1,5000000 1,4000000 1,4166666 1,4137931 1,4142857 1,4142011 1,4142156 1,4142131 1,4142136 1,4142135 xm + rm 1,6666666 1,6666666 1,4416666 1,4270833 1,4163972 1,4149367 1,4143639 1,4142563 1,4142233 1,4142161 1,4142141 Tabelle 5.1: Annähernde Dezimalbrüche zur Kettenbruchfolge Die festbleibenden Ziffern stehen jeweils außerhalb der “Schattenbereiche”. Während wir bei der ersten und dritten Folge wegen der Schachtelung unmittelbar 12 Die Folge (xn )n heißt “rekursiv definiert”, wenn sie in der Form x0 : = a, xn+1 : = fn (x0 , x1 , . . . , xn ) mit geeigneten Funktionen fn gegeben ist. Meistens hat die “Rekursionsgleichung” die Gestalt xn+1 : = f (xn ) (siehe Unterabschnitt 2.3.2). 136 Definition der Verknüpfungen 5.2.4 ablesen können, von welchem Index mk an die k-ten Näherungsbrüche der Dezimalbruchdarstellungen aller Folgenglieder gleich bleiben, lässt sich bei der zweiten Folge die Existenz solcher “Grenzindizes” zunächst nur vermuten und dann zum Beispiel mit der Beobachtung, dass [x2n , x2n+1 ] n eine geometrische Intervallschachtelung darstellt, auch nachweisen. Außerdem vermuten wir, dass die festbleibenden Näherungsbrüche diejenige De√ zimalzahl ergeben, die zu 2 gehört. Tatsächlich können wir leicht zeigen, dass (x2n − 2)n eine geometrische Nullfolge ist: Wegen (5.23) gilt 2 2 2 xn+1 − 2 = 1 + 1 = |xn −2|2 ≤ 1 x2n − 2 , − 2 1+xn 4 (1+xn ) und vollständige Induktion ergibt 2 xn − 2 ≤ 4−n x20 − 2 = 4−n . In den folgenden drei Abschnitten werden wir mit der Definition der Verknüpfungen von reellen Zahlen, mit der Auswertung des Zuordnungssatzes (Seite 134) und mit der Herleitung der entscheidenden Eigenschaften der Limesabbildung auch das Problem der Gleichung x2 = 2 endgültig lösen. 5.2.4 Definition der Verknüpfungen für reelle Zahlen Sind a = an0 und b = bn0 reelle Zahlen, so stellen (an0 + bn0 )n und (an0 · bn0 )n aufgrund des Abgeschlossenheitssatzes (Seite 129) (rationale) Fundamentalfolgen dar. Wir können deshalb die Addition + und die Multiplikation · 13 durch a + b : = lim (an0 + bn0 )n und a · b : = lim (an0 · bn0 )n definieren. Zur Addition beziehungsweise Multiplikation gehören die neutralen Elemente 0 : = 0,0̄ (“Null”) beziehungsweise 1 : = 1,0̄ (“Eins”). Außerdem benötigen wir noch die Inversenabbildungen. Die Minusabbildung − : R → R, a → −a wird einfach durch −a : = lim (−an0 )n definiert. Die Definition der Reziprokenabbil dung / : R \ {0} → R \ {0}, a → 1/a erfolgt durch 1/a : = lim a 0 1 mit m+n n m : = min {k ∈ N | a k0 6= 0}, weil a 0 1 nach (5.17) eine Fundamentalfolge m+n darstellt. 13 n Da keine Missverständnisse auftreten können, verwenden wir in Q und R jeweils die gleichen Zeichen für die Verknüpfungen, für die “neutralen” Elemente beziehungsweise für die “Inversenabbildungen”. 5.2.5 Eigenschaften der Limesabbildung 137 Die Differenz und der Quotient von reellen Zahlen werden anders als bei den rationalen Zahlen mit Hilfe der Inversen definiert: a − b : = a + (−b) und a/b : = a · (1/b) für b 6= 0. 14 Die ≤ − (beziehungsweise ≥ −) und die < − (beziehungsweise > −) Relationen haben wir bereits im Abschnitt 5.1.10 eingeführt. Als positiv bezeichnet man eine reelle Zahl a, wenn 0 < a ist, oder gleichwertig damit, wenn a einen positiven Näherungsbruch besitzt. Die Menge R+ der positiven reellen Zahlen wird auch Positivbereich von R genannt. 5.2.5 Eigenschaften der Limesabbildung Für den Nachweis wichtiger Eigenschaften der Limesabbildung wollen wir noch das weiterreichende Ergebnis auswerten, das wir bei der Herleitung des Zuordnungssatzes (Seite 134) gefunden haben. Insbesondere wurden im Zentrumssatz (Seite 133) die Konstruktion einer in allen Intervallen liegenden reellen Zahl sg, z1 z2 . . . und der Beweis ihrer Eindeutigkeit nicht nur für Trichter sondern für beliebige geometrische Intervallschachtelungen [un , vn ] n festgehalten. Wegen unseres Ausgangsproblems haben wir dann die reelle Zahl sg, z1 z2 . . . nur der Fundamentalfolge zugeordnet, die die Mittelpunktfolge des entsprechenden Trichters bildet. Nun stellt aber jede (rationale) Folge (cn )n mit un ≤ cn ≤ vn 15 wegen |cn+1 −cn | ≤ vn − un eine Fundamentalfolge dar, weil (vn − un )n eine geometrische Nullfolge ist. Deshalb vermuten wir, dass auch lim (cn )n = sg, z1 z2 . . . gilt. Offenbar können wir hier ähnlich vorgehen, wie bei dem Nachweis dafür, dass sg, z1 z2 . . . von den Trichterparametern c und q unabhängig ist. Aus vn −un ≤ cq n c q n folgt wegen rn > cq n , dass cn − rn < un ≤ cn ≤ vn < cn + rn und rn : = 1−q erfüllt ist; das heißt, der zu der Fundamentalfolge (cn )n gehörende Trichter um fasst die geometrische Intervallschachtelung [un , vn ] n intervallweise. Damit liegt sg, z1 z2 . . . auch in allen Intervallen [cn −rn , cn +rn ], und wegen der Eindeutigkeit des Zentrums gilt lim (cn )n = sg, z1 z2 . . . . Dieses Ergebnis wird sich ebenfalls als sehr wichtig erweisen: a Wir übernehmen die üblichen Konventionen und schreiben auch ab statt a · b, oder ab−1 b statt a/b, a−n statt 1/an sowie ab + ac statt (ab) + (ac). 15 Wir sagen: “Die Folge (cn )n liegt in (oder: ist enthalten in) [un , vn ] n .” 14 138 Eigenschaften der Limesabbildung 5.2.5 Intervallschachtelungssatz Ist [un , vn ] n eine geometrische Intervallschachtelung, so stellt jede (rationale) Folge (cn )n mit un ≤ cn ≤ vn eine Fundamentalfolge dar, für die lim (cn )n = cen [un , vn ] n gilt. Als erste Anwendung des Intervallschachtelungssatzes klären wir, welcher Zusammenhang zwischen dem Grenzwert a einer geometrisch konvergenten Folge (an )n und dem Limes derselben Fundamentalfolge besteht. Aus |an − a| ≤ c q n folgt zunächst |an+1 − an | ≤ |an+1 − a| + |an − a| ≤ cq n+1 + cq n = c (1 + q) q n . Mit q n > c q n ist dann an −rn0 < an −c q n ≤ a ≤ an +c q n < an +rn0 , sodass rn0 : = c 1+q 1−q a in allen Intervallen des Trichters [an −rn0 , an +rn0 ] n liegt. Für die beiden Folgen (an )n und (a)n ergibt damit der Intervallschachtelungssatz lim (an )n = lim (a)n . Zu der konstanten Folge (a)n als Fundamentalfolge gehört aber ein Trichter, dessen Intervalle nur aus dem Punkt a bestehen, sodass der Messvorgang für den Trichter mit dem für a übereinstimmt. Also gilt (5.24) lim (a)n = per (a) für jedes a ∈ Q, und wir erhalten den erwarteten Zusammenhang zwischen Grenzwert und Limes: Verträglichkeitssatz Ist die Folge (an )n geometrisch konvergent mit dem Grenzwert a, so stellt (an )n eine Fundamentalfolge dar, für die lim (an )n = per (a) gilt. Mit Hilfe des Intervallschachtelungssatzes können wir nun sechs weitere wichtige Eigenschaften der Limesabbildung herleiten, nämlich zwei Abänderungsmöglichkeiten von Fundamentalfolgen, bei denen die zugeordnete reelle Zahl erhalten bleibt, sowie drei Verknüpfungsregeln und eine Vergleichsaussage. Im Folgenden seien (an )n sowie (bn )n Fundamentalfolgen, und an0 : = lim (an )n beziehungsweise bn0 : = lim (bn )n seien die entsprechenden Dezimalbruchfolgen. i) Da die Folge (an+k )n für jedes k ∈ N1 in dem Trichter von (an )n liegt, folgt mit dem Intervallschachtelungssatz, dass (an+k )n eine Fundamentalfolge ist, für die die “Wegnahmeregel ” lim (an+k )n = lim (an )n gilt. 5.2.5 Eigenschaften der Limesabbildung 139 ii) Es sei (cn )n eine beliebige Folge, für die es ein k ∈ N1 und c, q ∈ Q0 mit dn+k 0 < q < 1 gibt, sodass (cn+k )n ∈ Fc,q ist. Mit dn : = |cn+1 − cn | folgt n+k ≤ ck q q o nd dk−1 c 0 und dn ≤ max 0 , . . . , k−1 , k q n . Damit stellt (cn )n eine Fundamentalfolge q q q dar, deren Trichter die Folge (cn+k )n enthält. Also gilt die “Hinzunahmeregel ” lim (cn )n = lim (cn+k )n . Für die weiteren vier Herleitungen ist es günstig, Trichter zur Verfügung zu haben, die auch die Näherungsbruchfolge ihres Zentrums enthalten. Das gilt nicht für alle Trichter (zum Beispiel bei konstanten Folgen (a)n , wenn a kein Dezimalbruch ist und wenn jedes Intervall des Trichters nur aus einem Punkt besteht). c q n , so wollen wir vorübergehend den Trichter von Ist (an )n ∈ Fc,q und rn : = 1−q (an )n “vollständig” nennen, wenn an − rn ≤ an0 ≤ an + rn erfüllt ist. Durch Vergrößerung von c und q lässt sich zu jeder Fundamentalfolge (an )n ein vollständiger Trichter bestimmen; denn wegen (5.19) gilt an − rn − 10−n ≤ an0 ≤ an + rn + 10−n , 1 n c c und mit (5.9) ist rn + 10−n ≤ 1−q + 1 max q, 10 , sodass c̃ : = 1−q + 1, 1 c̃ q̃ : = max q, 10 , r̃n : = 1−q̃ q̃ n wegen c̃ > c, q̃ ≥ q und r̃n > rn + 10−n den vollständigen Trichter [an − r̃n , an + r̃n ] n ergibt. Nun seien also [an − rn , an + rn ] n und [bn − sn , bn + sn ] n vollständige Trichter zu den Fundamentalfolgen (an )n und (bn )n . Wenn wir die jeweiligen Monotonieund Vorzeicheneigenschaften der Randfolgen beachten, erhalten wir durch “Verknüpfung” der Trichter jeweils geometrische Intervallschachtelungen, die bei geeignetem p ∈ N sowohl die gliedweisen Verknüpfungen der Folgen (an+p )n und 0 0 (bn+p )n als auch von an+p und bn+p enthalten, sodass sich aufgrund der n n Definitionen der Dezimalzahlverknüpfungen zusammen mit der Wegnahmeregel und der Hinzunahmeregel die zugehörigen Limesregeln ergeben. iii) Zunächst gilt (an − rn ) + (bn − sn ) ≤ an0 + bn0 ≤ (an + rn ) + (bn + an ). Indem β̄ : = (an+1 − rn+1 ) − (an − rn ) und γ̄ : = (bn+1 − sn+1 ) − (bn − sn ) beziehungsweise β̄ : = (an + rn ) − (an+1 + rn+1 ) und γ̄ : = (bn + sn ) − (bn+1 + sn+1 ) gesetzt wird, ergibt sich die Monotonie der “äußeren” Summenfolgen aus (4.46) mit ᾱ = 0, β̄ ≥ 0, γ̄ ≥ 0 und β̄ + γ̄ ≥ 0. Zusammen mit dem Nullfolgensatz (Seite 117) folgt, dass ([an + bn − (rn + sn ), an + bn + (rn + sn )])n eine geometrische 140 Eigenschaften der Limesabbildung 5.2.5 Intervallschachtelung ist, die die Folgen (an + bn )n und (an0 + bn0 )n enthält. Der Intervallschachtelungssatz (Seite 138) und die Definition der Summe reeller Zahlen (Seite 136) ergeben also die “Additionsregel ” lim (an + bn )n = lim (an0 + bn0 )n = lim (an )n + lim (bn )n . In der folgenden Abbildung 5.7 bedeuten die äußeren beiden Streckenzüge jeweils die (monotonen) Anfangs- und Endpunktfolgen einer geometrischen Intervallschachtelung, während die beiden inneren geknickten Linien für die gliedweisen Verknüpfungen der Folgen (an )n und (bn )n beziehungsweise an0 und bn0 stehen. (an − rn ) + (bn − sn ) an0 + bn0 an + b n (an + rn ) + (bn + sn ) lim (an + bn )n = lim (an0 + bn0 )n = : lim (an )n + lim (bn )n Abbildung 5.7: Addition mit vollständigem Trichter iv) Würden wir bei der Multiplikation drei Fälle unterscheiden, so könnten wir im ersten Fall mit lim (an )n > 0 und lim (bn )n > 0 nach einer Indexverschiebung um p : = min{k ∈ N | ak − rk ≥ 0 und bk − sk ≥ 0} analog zur Addition vorgehen. Der zweite Fall mit lim (an )n = 0 oder lim (bn )n = 0 würde mit (5.16) sowie dem Nullfolgensatz (Seite 117) gewonnen, und die übrigen Fälle ließen sich auf den Spezialfall (an )n = (−1)n mit lim (−bn )n = − lim (bn )n zurückführen. Die Additionsregel und der Verträglichkeitssatz (Seite 138) ergeben jetzt aber eine kürzere Herleitung ohne Fallunterscheidungen. Als gliedweise Differenz von Folgen in vollständigen Trichtern sind (an − an0 )n und (bn − bn0 )n geometrische Nullfolgen. Wegen an bn − a n0 b n0 = (an − a n0 ) bn + a n0 (bn − b n0 ) sowie aufgrund des Fundamentalfolgensatzes (Seite 129, Beschränktheit von (bn )n und an0 ) und des Nullfolgensatzes (Seite 117) ist auch (an bn − an0 bn0 )n eine geometrische Nullfolge. Mit dem Abgeschlossenheitssatz (Seite 129) und der Additionsregel erhalten wir lim (an bn )n = lim (an0 bn0 + (an bn − an0 bn0 ))n = lim (an0 bn0 )n + lim (an bn − an0 bn0 )n . 5.2.5 Eigenschaften der Limesabbildung 141 Der Verträglichkeitssatz (Seite 138) und die Definition der Multiplikation reeller Zahlen (Seite 136) ergeben dann die “Multiplikationsregel ” lim (an bn )n = lim (an0 bn0 )n = lim (an )n lim (bn )n . v) Bei der Reziprokenfolge 1 an n mit an 6= 0 und (an )n ∈ / N haben wir wie bei der Multiplikation beide Herleitungsmöglichkeiten, wobei die “geometrische” Vorgehensweise eine Indexverschiebung um p : = min{m ∈ N | am − rm > 0} erfordert. Wir entscheiden uns auch hier für die formale Entwicklung, weil im Abgeschlossenheitssatz (Seite 129) und in (5.18) alle Hilfsmittel bereitstehen. Nach (5.18) gibt es ein s > 0, sodass |an | ≥ s gilt, und wie bei der Definition der Reziprokenabbildung (Seite 136) sei m : = min {k ∈ N | a k0 6= 0}. Aufgrund des 0 0 Dezimalzahlsatzes (Seite 110) ist dann |an+m | ≥ |am |. Damit folgt 1 1 0 0 |an+m − an+m − a 01 = | ≤ 10 |an+m − an+m |. a 0 n+m n+m |an+m an+m | s|am | eine geometrische Nullfolge dar, während a 1 Also stellt a 1 − 0 1 an+m n n+m n n+m 1 und aufgrund des Abgeschlossenheitssatzes (Seite 129) Fundamental0 an+m n folgen sind. Wie oben erhalten wir = lim a0 1 lim a 1 n+m n + a 1 − a0 1 n+m n+m n+m n 1 1 1 = lim a0 + lim a − 0 . n+m n n+m an+m n Die Wegnahmeregel, der Verträglichkeitssatz (Seite 138) und die Definition der Reziprokenabbildung ergeben damit die “Reziprokenregel ” 1 lim a1 = . n n lim (an )n vi) Die vollständigen Trichter von (an )n und (bn )n lassen erwarten, dass aus 0 an > bn0 die Existenz eines p ∈ N mit ap > bp folgt, was als Konsequenz der W - oder V V -förmigen Gestalt des Durchschnitts der beiden Trichter aufgefasst werden kann. Aufgrund des Abstandssatzes (Seite 122) gibt es zunächst ein k ∈ 0 0 N, sodass ak+n > bk+n + 10−k gilt. Da (an − an0 )n und (bn − bn0 )n geometrische Nullfolgen sind, sichert (5.8) außerdem die Existenz eines p ∈ N mit p ≥ k und |ap − ap0 | ≤ 10−k−1 sowie |bp − bp0 | ≤ 10−k−1 . Damit erhalten wir 142 Der Körpersatz 5.3.1 ap − bp = (ap0 − bp0 ) + (ap − ap0 ) − (bp − bp0 ) > 10−k − 2 · 10−k−1 > 0. Als “Negation” dieses Zusammenhangs erhalten wir die “Vergleichsregel ”, die besagt, dass aus an ≤ bn die entsprechende Relation lim (an )n ≤ lim (bn )n folgt. Diese sechs Limesregeln fassen wir in dem folgenden außerordentlich nützlichen Satz zusammen: Limessatz Die Folgen (an )n und (bn )n seien Fundamentalfolgen. i) Wegnahmeregel : Für jedes k ∈ N1 ist (an+k )n eine Fundamentalfolge mit lim (an+k )n = lim (an )n . ii) Hinzunahmeregel : Ist (cn )n eine Folge, für die es ein k ∈ N1 gibt, mit dem (cn+k )n eine Fundamentalfolge bildet, so stellt auch (cn )n eine Fundamentalfolge dar, und es gilt lim (cn )n = lim (cn+k )n . iii) Additionsregel : lim (an + bn )n = lim (an )n + lim (bn )n ; iv) Multiplikationsregel : lim (an bn )n = lim (an )n lim (bn )n . v) Reziprokenregel : Ist an 6= 0 und lim (an )n 6= 0, so stellt 1 damentalfolge mit lim a1n = dar. lim (an ) n 1 an eine Funn n vi) Vergleichsregel : Aus an ≤ bn folgt lim (an )n ≤ lim (bn )n . Im letzten Abschnitt dieses Kapitels (Seite 149) wird außerdem eine Eigenschaft der Limesabbildung bei “elementar stetigen” Funktionen hergeleitet. 5.3 5.3.1 Eigenschaften der reellen Zahlen Der Körpersatz Der Limessatz ermöglicht es nun, die Körpereigenschaften von R unmittelbar aus denjenigen von Q abzuleiten. Zu a, b, c ∈ R seien an0 , bn0 und cn0 die zugehörigen Dezimalbruchfolgen. Bei allen Eigenschaften, die durch Gleichungen ausgedrückt werden, gelten die 5.3.1 Der Körpersatz 143 entsprechenden Aussagen in Bezug auf die gliedweisen Verknüpfungen der Dezimalzahlen, da die Näherungsbrüche rationale Zahlen sind, für die wir die Körpereigenschaften im Satz über Q als archimedisch geordneter Körper (Seite 105) erhalten haben. Zum Beispiel ist (an0 + bn0 )n = (bn0 + an0 )n , an0 bn0 + cn0 n = (an0 bn0 + an0 cn0 )n und 1 0 an+m · a 0 = (1)n mit m : = min {k ∈ N | |ak0 | > 0} (falls a 6= 0 ist). n+m n Die Gleichungen für die zugehörigen reellen Zahlen folgen dann durch Anwendung der entsprechenden Verknüpfungsdefinition oder des Limessatzes (Seite 142), z. B. a + b = lim (an0 + bn0 )n = lim (bn0 + an0 )n = b + a, a · (b + c) = lim (an0 )n · lim (bn0 + cn0 )n = lim (an0 (bn0 + cn0 ))n = lim (an0 bn0 + an0 cn0 )n = lim (an0 bn0 )n + lim (an0 cn0 )n = ab + ac, 1 1 0 0 = lim an+m n · lim a 0 a · (1/a) = lim (an )n · lim a 0 n+m n n+m n = lim (1)n = 1 (falls a 6= 0 ist). Die Anordnung der reellen Zahlen lässt sich am einfachsten durch vier Eigenschaften des Positivbereichs R+ beschreiben. Unmittelbar aus der Definition der Dezimalzahlen folgt, dass jede reelle Zahl a genau eine der Beziehungen a = 0, a ∈ R+ oder −a ∈ R+ erfüllt. Ist a = an0 ∈ R+ , so ergeben der Dezimalzahlsatz (Seite 110) und der Dezimalschachtelungssatz (Seite 111) die “Archimedische Eigenschaft” m · 1 = 1| + ·{z · · + 1} > a für m : = a00 + 1. m Die additive und die multiplikative Abgeschlossenheit von R+ können wir gemeinsam herleiten: Für zwei positive reelle Zahlen a und b existiert nach Definition von R+ ein (gemeinsames) k ∈ N, sodass a k0 > 0 und b k0 > 0 sowie wegen des 0 0 Dezimalzahlsatzes (Seite 110) auch an+k ≥ ak0 und bn+k ≥ bk0 gilt. Der Limessatz (Seite 142, Wegnahmeregel und Vergleichsregel ) ergibt schließlich 0 0+ 0 + 0 a+· b = lim an+k · bn+k n ≥ ak · bk > 0. Damit haben wir unser erstes Ziel (Seite 108) erreicht, nämlich die Verknüpfungen und die Kleinerrelation in R so zu definieren, dass die gleichen einfachen Rechengesetze gelten wie in Q: 144 Verknüpfungs- und Positivitätstreue 5.3.2 Körpersatz Sind +, ·, 0, 1, −, / die oben definierten Verknüpfungen, neutralen Elemente und Inversenabbildungen sowie R+ der Positivbereich von R, so ist (R, +, ·, 0, 1, −, /, R+ ) ein archimedisch geordneter Körper, das heißt, es gilt für alle a, b, c ∈ R: K1 (Kommutativgesetz der Addition) a + b = b + a; K2 (Assoziativgesetz der Addition) (a + b) + c = a + (b + c); K3 (Neutralität der Null ) a + 0 = a; K4 (Eigenschaft der Minusabbildung, “Inverses bezüglich der Addition”) a + (−a) = 0; K5 (Kommutativgesetz der Multiplikation) a · b = b · a; K6 (Assoziativgesetz der Multiplikation) (a · b) · c = a · (b · c); K7 (Neutralität der Eins) a · 1 = a; K8 (Eigenschaft der Reziprokenabbildung, “Inverses bezüglich der Multiplikation”) d · (1/d) = 1 für alle d ∈ R \ {0}; K9 (Distributivgesetz ) a · (b + c) = a · b + a · c . K10 (Trichotomiegesetz ) Für jedes a ∈ R gilt genau eine der Beziehungen a = 0, a ∈ R+ oder −a ∈ R+ . K11 (Additive Abgeschlossenheit von R+ ) e + f ∈ R+ für alle e, f ∈ R+ ; K12 (Multiplikative Abgeschlossenheit von R+ ) e · f ∈ R+ für alle e, f ∈ R+ . K13 (Archimedische Eigenschaft) Zu jedem e ∈ R+ gibt es m ∈ N1 , sodass m · 1 = 1| + .{z . . + 1} > e gilt. m 5.3.2 Verknüpfungs- und Positivitätstreue der Einbettung von Q in R Nun bleibt nur noch das zweite Ziel (Seite 109), nämlich die Klärung der Frage, ob die in R definierten Verknüpfungen und die Positivität mit den Verknüpfungen und der Positivität in Q verträglich sind. 5.3.2 Verknüpfungs- und Positivitätstreue 145 Dabei denken wir uns Q durch die umkehrbare Abbildung per, die durch den Divisionsalgorithmus (Seite 112), den Periodensatz (Seite 120) und den Einbettungssatz (Seite 122) definiert ist (siehe Seite 123), in R “eingebettet”. Die zugehörige Bildmenge - nämlich die Menge der zulässigen periodischen Dezimalzahlen - bezeichnen wir mit per (Q) 16 Aufgrund des Verträglichkeitssatzes (Seite 138) gilt lim (a)n = per (a) für die konstanten Folgen (a)n mit a ∈ Q, und der Limessatz (Seite 142) ergibt lim (p + q)n = lim (p)n + lim (q)n sowie lim (pq)n = lim (p)n · lim (q)n für alle p, q ∈ Q. Also ist i) per (p + q) = per (p) + per (q) und ii) per (pq) = per (p)· per (q) für alle p, q ∈ Q. Wegen iii) per (0) = 0 und iv) per (1) = 1 folgt daraus unmittelbar die Verträglichkeit für die Inversenabbildung: per (p) + per (−p) = per (p + (−p)) = per (0)= 0 bedeutet v) per (−p) = −per (p) für alle p ∈ Q, 1 und per (p) · per p = per p p1 = per (1)= 1 liefert vi) per p1 = 1/per (p) für alle p ∈ Q \ {0}. Aus der Konstruktion von per (Q) und der Definition von R ergibt sich schließlich die “ Positivitätstreue” vii) per (Q+ ) = per (Q) ∩ R+ . Eine bijektive Abbildung eines geordneten Körpers auf einen anderen, die die Eigenschaften i) bis iv) (“Verknüpfungstreue”) und vii) besitzt, wird “Isomorphismus” genannt. Zwei geordnete Körper heißen “isomorph”, wenn es zwischen ihnen einen Isomorphismus gibt. Also ist per ein Isomorphismus, und wir können (per (Q), +, ·, 0, 1, −, /, per (Q) ∩ R+ ) im Wesentlichen (das heißt bis auf Umbenennungen) als identisch mit (Q, +, ·, 0, 1, −, /, Q+ ) ansehen: 17 16 17 Der Einfachheit halber verwenden wir in Q, per (Q) und R dieselben Verknüpfungszeichen. Wir werden deshalb in Zukunft die alten Bezeichnungen für rationale Zahlen verwenden und z. B. sg, z1 . . . zn anstelle von sg, z1 . . . szn 0̄ sowie 10−n anstelle von per (10−n ) schreiben. 146 Verknüpfungs- und Positivitätstreue 5.3.2 Isomorphiesatz Die durch den Divisionsalgorithmus, den Periodensatz und den Einbettungssatz definierte bijektive Abbildung, per : Q → per(Q) ist ein Isomorphismus von (Q, +, ·, 0, 1, −, /, Q+ ) auf (per (Q), +, ·, 0, 1, −, /, per(Q) ∩ R+ ). Da in R dieselben Rechengesetze gelten wie in Q, können wir nun alle bisherigen Begriffe, Definitionen und Ergebnisse von Q nach R übertragen, indem wir ~ durch R sowie die jeweils kursiv gedruckten Wortteile das Zahlmengensymbol Q rational durch “reell” ersetzt denken. Nicht angepasst werden dabei zusammengehörende Begriffe, die nicht mit “rationale Zahl” gleichbedeutend sind (wie rationale Funktion, rationaler Exponent, rationaler Winkel) und Einschränkungen des Begriffs “rational” (wie “nicht rational”, “keine rationale Zahl”, “höchstens eine rationale Zahl”). Insbesondere bleiben alle Aussagen, die in Q nur aus den Körpereigenschaften und der Ordnung abgeleitet wurden, auch in R gültig. Dazu gehören die Dreiecksun gleichungen |a| − |b| ≤ |a + b| ≤ |a| + |b| sowie alle Ergebnisse mit folgenden selbstverständlichen Ausnahmen: die Aussagen über den Divisionsalgorithmus (Seite 112), der Rationalzahlsatz (Seite 119), der Einbettungssatz (Seite 122), die Einbettung von Q in R, die Definition der gemischten Ungleichungen (Seite 124), der Verträglichkeitssatz (Seite 138) und der Isomorphiesatz (Seite 146). Der Zuordnungssatz (Seite 134) und der Intervallschachtelungssatz (Seite 138) gelten wörtlich auch in R, weil bei ihrer Herleitung neben den Körpereigenschaften von Q und schon übertragenen Sätzen nur der Ungleichungssatz (Seite 125) verwendet wird, der seine “alternativen” Aussagen gerade zu diesem Zweck erhalten hat. Dabei sind natürlich alle auftretenden rationalen Zahlen durch die zugehörigen Dezimalzahlen ersetzt zu denken. Bei der geometrischen Entwicklung des Limessatzes (Seite 142) werden ausschließlich bereits übertragene Sätze gebraucht. Da wir uns in diesem Buch aber zum Teil für die kürzeren formalen Herleitungen entschieden haben, müssen wir auch den dort benutzten Verträglichkeitssatz (Seite 138) anpassen. Dazu brauchen wir nur zu beachten, dass in R die Abbildung per in die identi- 5.3.3 Vollständigkeit von R 147 sche Abbildung (von per (Q) auf per (Q)) übergeht. Damit erhält zum Beispiel Gleichung (5.24) die Form lim (a)n = a für alle a ∈ per (Q). Darüber hinaus gilt jetzt auch lim (a)n = a für alle übrigen a ∈ R, sodass im Verträglichkeitssatz stets lim (an )n = a erfüllt ist. Wir heben deshalb die gesamte bisher für Q entwickelte Theorie auf die Ebene der reellen Zahlen hinauf und denken uns alle übertragbaren Begriffe, Definitionen und Sätze von nun an für R formuliert. 5.3.3 Vollständigkeit von R Ausgangspunkt unserer Konstruktion der reellen Zahlen war der Wunsch, jedem Punkt der Zahlengeraden (genau) eine (reelle) Zahl zuzuordnen und damit jede Strecke messbar zu machen. Dieses Ziel haben wir sofort dadurch erreicht, dass wir die reellen Zahlen als Dezimalzahlen in einer Form einführten, die als Beschreibung des Messvorgangs beziehungsweise als Abkürzung für den Prozess der Approximation durch Dezimalbrüche angesehen werden kann. Schließlich ist es uns gelungen, in der Menge R Verknüpfungen und Positivität so zu erklären, dass sich die Eigenschaften des geordneten Körpers Q ziemlich direkt auf R übertrugen. Wenn wir danach fragen, was in R anders ist als in Q, erkennen wir, dass sich unsere “Vervollständigung” von Q bisher nur auf einen geometrischen Mangel - nämlich die “Lückenhaftigkeit” der Zahlengeraden - bezogen hat. Eine dazu gleichwertige arithmetische Formulierung haben wir im Periodensatz (Seite 120) und im Einbettungssatz (Seite 122) gefunden: Die periodischen Dezimalzahlen sind in Q geometrisch konvergent, die nichtperiodischen nicht. Wie steht es in R? Sind die nichtperiodischen Dezimalzahlen jetzt auch geometrisch konvergent? Und allgemeiner: Welche Folgen sind in R geometrisch konvergent? Beide Fragen lassen sich leicht beantworten. Ist sg, z1 , z2 . . . eine zulässige (periodische oder nichtperiodische) Dezimalzahl, so erwarten wir, dass sg, z1 , z2 . . . Grenzwert von (sg, z1 . . . zn )n ist. Tatsächlich folgt jetzt aus (5.13) unmittelbar |sg, z1 z2 . . . − sg, z1 . . . zn | ≤ 10−n , 148 Vollständigkeit von R 5.3.3 das heißt, als Folgen von Dezimalbrüchen sind alle zulässigen Dezimalzahlen geometrisch konvergent, und der Grenzwert ist die Dezimalzahl selbst. Ebenso ergibt der Zuordnungssatz (Seite 134) nun für eine beliebige Fundamentalfolge (an )n ∈ Fc,q mit der zugeordneten reellen Zahl sg, z1 z2 . . . durch direkte Umformung die Abschätzung c qn, (5.25) |an − sg, z1 z2 . . . | ≤ 1−q das heißt, (an )n ist geometrisch konvergent in R, und der Grenzwert ist lim (an )n , wodurch zusammen mit dem angepassten Verträglichkeitssatz (Seiten 138 und 147) nachträglich die Bezeichnung “Limes” (= Grenzwert) gerechtfertigt ist. Wegen der großen Bedeutung dieses Ergebnisses unter anderem für die Elementaranalysis [8] formulieren wir es als eigenen Satz: Konvergenzsatz Jede Fundamentalfolge (an )n ∈ Fc,q ist geometrisch konvergent mit dem im Zuordnungssatz bestimmten Grenzwert sg, z1 z2 . . . = lim (an )n , und es gilt die Fehlerabschätzung c (5.25) |an − sg, z1 z2 . . . | ≤ qn. 1−q Da umgekehrt aufgrund des angepassten Verträglichkeitssatzes jede geometrisch konvergente Folge eine Fundamentalfolge ist, haben wir damit bereits die vollständige Antwort auf unsere Frage, welche Folgen in R geometrisch konvergent sind: Vollständigkeitssatz In R sind die geometrisch konvergenten Folgen genau die Fundamentalfolgen. Diese Antwort ist natürlich äußerst vorteilhaft, da wir zur Feststellung, ob eine gegebene Folge geometrisch konvergent ist, nun nicht einmal den Grenzwert zu kennen brauchen, sondern nur die Differenz aufeinanderfolgender Glieder abschätzen müssen. Wir haben sogar einen noch größeren Vorteil: Ist nämlich eine Fundamentalfolge (an )n (explizit oder rekursiv) gegeben, so sind die festbleibenden Näherungsbrüche der Folgenglieder an zugleich die Näherungsbrüche des Grenzwerts. Auf 5.4.1 Limesvertauschung 149 einem Taschenrechner oder Computerbildschirm können wir deshalb die Näherungsbrüche des Grenzwerts einfach ablesen, indem wir die entsprechenden Näherungsbrüche genügend vieler Folgenglieder berechnen. 5.4 5.4.1 Lückenlosigkeit bei Funktionen Limesvertauschung Mit den reellen Zahlen haben wir eine “lückenlose” Zahlengerade erreicht. Außerdem erhielten wir eine algebraische Struktur, die gegenüber den rationalen Zahlen durch die “Vollständigkeit” ausgezeichnet ist. Da die Untersuchung von Funktionen eine wichtige Anwendung der reellen Zahlen darstellt, bestimmen wir nun eine Menge von Funktionen, bei denen zu jeder geometrisch konvergenten Folge im “Urbildbereich” eine geometrisch konvergente “Bildfolge” gehört. Für den Beweis des letzten Satzes im nächsten Kapitel (ab Seite 163) zeigen wir dann, dass jede Funktion dieser Menge abgeschlossene Intervalle stets auf ebensolche abbildet. Damit können auch die zugehörigen Funktionsgraphen als lückenlos angesehen werden. Hier genügt es, Funktionen der Form f : = (x → f (x), [a, b ]) zu betrachten, wobei x → f (x) die Zuordnung der Funktionswerte f (x) zu den “Argumenten” x beschreibt und der Argumentbereich [a, b] ein abgeschlossenes Intervall in dem Definitionsbereich der Funktion darstellt. Ist (gn )n eine geometrisch konvergente Folge mit gn ∈ [a, b ] und g : = lim (gn )n , so gilt aufgrund der Vergleichsregel des Limessatzes (Seite 142) auch g ∈ [a, b ]. Sind die Abstände der Funktionswerte von f stets durch ein nur von f abhängiges Vielfaches der zugehörigen Argumentabstände nach oben beschränkt, so folgt f (gn ) − f (g) n ∈ N unmittelbar aus (gn − g)n ∈ N . Die Definition dieser Funktioneneigenschaft, die auch für die Herleitung der übrigen Funktionsaussagen in diesem Buch ausreicht, übernehmen wir aus der Elementaranalysis [8]: Definition der elementaren Stetigkeit Die Funktion f : = (x → f (x), [a, b ]) heißt elementar stetig 18 , wenn es eine (nur von f abhängige) Konstante L ∈ R+ gibt, mit der gilt: (5.26) |f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| für alle x, y ∈ [a, b]. 150 Limesvertauschung 5.4.1 Ist unter den obigen Voraussetzungen |gn − g| ≤ c q n , so folgt |f (gn ) − f (g)| ≤ L|gn − g| ≤ cL q n . Die Gleichung lim (f (gn ))n = f (lim (gn )n ) gibt dem folgenden nützlichen Satz seinen Namen: Limesvertauschungssatz Es sei (x → f (x), [a, b]) elementar stetig. Ist (gn )n eine geometrisch konvergente Folge mit gn ∈ [a, b], so stellt auch (f (gn ))n eine geometrisch konvergente Folge dar, und es gilt lim (f (gn ))n = f (lim (gn )n ). Als Beispiele betrachten wir die Polynomfunktionen P : = x → n P ak x k , R k=0 mit n ∈ N1 und ak ∈ R für k = 0, . . . , n. Ersetzen wir in (5.6) k durch i, n durch k − 1 und q durch xy für x, y ∈ R, x 6= 0, x 6= y, so erhalten wir nach Multiplikation beider Seiten mit xk−1 (x − y) die Gleichung k k x − y = (x − y) (5.27) k−1 X xk−1−i y i , i=0 die auch in den Fällen x = 0 und x = y gilt. Für die obigen Polynomfunktionen ergibt sich n X ak x k − y k . P (x) − P (y) = k=1 Durch Einsetzen von (5.27) folgt daraus (5.28) P (x) − P (y) = (x − y) n X k=1 ak k−1 X xk−1−i y i für alle x, y ∈ R. i=0 Die mit vollständiger Induktion auf jede endliche Anzahl von Summanden erweiterte Dreiecksungleichung (4.56) liefert für die auf abgeschlossene Intervalle n P “eingeschränkten” Polynomfunktionen P | [a, b] : = x → ak xk , [a, b] die Abk=0 schätzung |P (x) − P (y)| ≤ n X ! k|ak | (max {|a|, |b|})k−1 |x − y| für alle x, y ∈ [a, b]. k=1 18 Diese Funktionen werden üblicherweise als “global Lipschitz-stetig” bezeichnet. 5.4.1 Limesvertauschung 151 Also sind alle Polynomfunktionen über abgeschlossenen Intervallen elementar stetig. Wird für y ein festes Argument c ∈ [a, b] eingesetzt, so ist die Ungleichung (5.26) äquivalent zu f (c) − L|x − c| ≤ f (x) ≤ f (c) + L|x − c| für alle x ∈ [a, b], (5.29) das heißt, Graphf : = {(u, v) ∈ [a, b] × R | Es gibt x ∈ [a, b] mit v = f (x)} wird durch zwei “Knickstrecken”, die sich im Punkt (c, f (c)) berühren, wie von einer Kneifzange eingeschlossen. Die beiden Teilstrecken haben jeweils die Steigungen L beziehungsweise −L. Wählen wir c als Mittelpunkt von [a, b], so sind die zugehörigen Knickstrecken punktsymmetrisch zu (c, f (c)). Durch Verbinden der oberen beziehungsweise unteren Endpunkte ergibt sich als einprägsame Veranschaulichung ein Kuvert, das die beiden Knickstrecken als Laschenränder enthält (siehe Abbildung 5.8). Wegen x − a+b ≤ 1 (b − a) folgen aus (5.29) die Abschätzungen 2 (5.30) f a+b 2 2 L − L2 (b − a) ≤ f (x) ≤ f a+b + 2 (b − a) für alle x ∈ [a, b]. 2 L f a+b + 2 (b − a) 2 f (a) f (b) L f a+b − 2 (b − a) 2 a b Abbildung 5.8: Elementar stetige Funktion und “Kuvert” Ist I ein abgeschlossenes Intervall und wird f (I) : = {y ∈ R | Es gibt x ∈ I mit y = f (x)} gesetzt, so folgt nun in zwei Teilen der Nachweis dafür, dass auch f (I) ein abgeschlossenes Intervall darstellt: Einerseits muss gezeigt werden, dass es zwei Endpunkte (“Extremwerte”) f (e1 ) und f (e2 ) gibt, die also e1 , e2 ∈ I und f (e1 ) ≤ f (x) ≤ f (e2 ) für alle x ∈ I erfüllen, und andererseits ist zu beweisen, 152 Zwischenwerte 5.4.2 dass zu jedem “Zwischenwert” C ∈ [ f (e1 ), f (e2 )] mindestens ein c ∈ I mit f (c) = C existiert. In beiden Fällen werden wir die gesuchten Argumente ei beziehungsweise c durch geometrische Intervallschachtelungen finden. Mit Hilfe des Limesvertauschungssatzes (Seite 150) ergibt sich dann, dass f (ei ) und f (c) die gewünschten Eigenschaften haben. 5.4.2 Zwischenwerte Wir beginnen mit der Bestimmung einer geometrischen Intervallschachtelung für das Argument c zu einem Zwischenwert C, weil dieses einfacher ist als für ei . Statt der Funktionswerte f (e1 ) und f (e2 ) müssen wir dann aber beliebige Funktionswerte f (u) und f (v) mit u, v ∈ I und f (u) < f (v) als Endpunkte zulassen und C aus dem Intervall [f (u), f (v)] wählen. Wir führen die Konstruktion zuerst für den Fall u < v durch. Dazu setzen wir I0 : = [u0 , v0 ] mit u0 : = u, v0 : = v und versuchen, durch fortgesetzte Intervallhalbierung die Intervalle In = : [un , vn ] so zu bestimmen, dass bei In stets dieselbe Ausgangssituation wie bei I0 vorliegt, nämlich dass f (un ) ≤ C ≤ f (vn ) gilt (siehe Abbildung 5.9). f (vn ) f un + vn 2 C f (un ) z un c I n0 }| {z u n + vn 2 I n00 }| { vn Abbildung 5.9: Zwischenwert und “Kuvertschachtelung” Nehmen wir an, dass die Endpunkte von In die Bedingung f (un ) ≤ C ≤ f (vn ) erfüllen, und bezeichnen wir die beiden Halbintervalle von In mit h i h i u +v u +v I n0 : = un , n 2 n und I n00 : = n 2 n , vn , 5.4.2 Zwischenwerte 153 so können wir In+1 folgendermaßen wählen: ( u +v I n0 , wenn f n 2 n ≥ C ist, (5.31) In+1 : = u +v I n00 , wenn f n 2 n < C ist; u +v denn für die Endpunkte von In+1 gilt dann im ersten Fall f (un ) ≤ C ≤ f n 2 n u +v und im zweiten f n 2 n < C ≤ f (vn ), also in beiden Fällen f (un+1 ) ≤ C ≤ f (vn+1 ). Definieren wir die Intervallschachtelung (In )n rekursiv durch (5.31), so gilt einerseits nach Konstruktion vn+1 − un+1 = 12 (vn − un ) und mit vollständiger Induktion vn − un = (v0 − u0 ) 2−n , das heißt, (In )n ist eine geometrische Intervallschachtelung. Setzen wir c : = cen (In )n , so ist aufgrund des Intervallschachtelungssatzes (Seite 138) lim (un )n = c. Andererseits haben wir nach Konstruktion (und mit vollständiger Induktion) f (un ) ≤ C ≤ f (vn ), also 0 ≤ C − f (un ) ≤ f (vn ) − f (un ) ≤ L(vn − un ) = L(v − u) 2−n . Damit ist C = lim (f (un ))n , und der Limesvertauschungssatz (Seite 150) ergibt schließlich C = f (lim (un )n ) = f (c). Zur Konstruktion der geometrischen Intervallschachtelung (In )n hatten wir u < v vorausgesetzt. Der Fall u = v ist wegen f (u) < f (v) ausgeschlossen, und die Möglichkeit v < u kann wegen −f (v) < −f (u) durch Übergang zu der elementar stetigen Funktion −f sowie nach Vertauschen von u und v auf den ersten Fall mit −C statt C zurückgeführt werden. Zwischenwertsatz Ist (x → f (x), [a, b]) elementar stetig mit f (a) 6= f (b), so gibt es zu jeder Zahl C zwischen f (a) und f (b) ein c ∈ [a, b], sodass f (c) = C gilt. Bei einer beliebigen Funktion f : = (x → f (x) A) heißt x0 ∈ A Nullstelle von f , wenn f (x0 ) = 0 gilt. Als Beispiel beweisen wir die Existenz mindestens einer n P Nullstelle bei Polynomfunktionen P : = x → ak xk , R mit einer Eigenschaft, k=0 die wir gleichzeitig entwickeln. Da jede Funktion durch alle Paare aus Argumenten und zugehörigen Funktionswerten festgelegt ist, zeigen wir mit der folgenden Herleitung auch, dass Polynomfunktionen schon durch ihre endlich vielen Koeffizienten bestimmt sind. Dazu nehmen wir an, dass Q eine Polynomfunktion mit zwei verschiedenen Darstellungen 154 Q(x) = Extremwerte m P m P ak0 xk = k=0 5.4.3 ak00 xk für alle x ∈ R ist. Mit n : = max {k ∈ Am+1 | ak0 6= ak00 } k=0 und mit ak : = ak0 − ak00 für k = 0, . . . , n werde die obige Polynomfunktion P gebildet. Dann setzen wir n−1 X ak 1 n P (x) = an x K(x) mit K(x) : = 1 + a . n−k x n k=0 Aufgrund der nach R übertragenen Dreiecksungleichung nach unten (4.56) gilt n−1 P |ak | 1 K(x) ≥ 1 − 1 . Aus |x| ≥ 1 folgt |x|1n−k ≤ |x| für k = 0, . . . , n − 1. n−k |an | k=0 |x| Definieren wir nun r : = max 1, 2 |an | n−1 X |ak | , k=0 so ergibt sich K(x) ≥ 12 und damit |P (x)| ≥ 12 |an |rn für alle x ∈ R mit |x| ≥ r - im Widerspruch zu P (x) = Q(x) − Q(x) = 0 für alle x ∈ R, das heißt, jede Polynomfunktion ist eindeutig durch ihre Koeffizienten bestimmt. Stellt P nun eine beliebige Polynomfunktion mit den Koeffizienten a0 , . . . , an dar, so wird der Grad von P durch Grad P : = max {k ∈ An+1 | ak 6= 0} definiert. Da alle obigen Umformungen und Abschätzungen mit an 6= 0 weiterhin gelten, erhalten wir für ungerades n die Ungleichungskette (5.32) 1 P (−r) an ≤ − 12 rn < 0 < 12 rn ≤ a1 P (r). n Aufgrund des Zwischenwertsatzes (Seite 153) existiert also ein c ∈ [−r, r], sodass 1 P (c) an = 0 und damit P (c) = 0 gilt. Satz über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad Ist der Grad der Polynomfunktion P ungerade, so hat P mindestens eine Nullstelle. 5.4.3 Extremwerte Ganz ähnlich wie in (5.31) können wir jetzt auch geometrische Intervallschachtelungen für die Argumente ei (i = 1, 2) der Extremwerte f (ei ) einer elementar stetigen Funktion (x → f (x), I ) definieren. Wir beginnen mit dem Maximum f (e2 ). Von I0 : = I ausgehend versuchen wir wieder, die Intervalle In = : [an , bn ] durch fortgesetzte Intervallhalbierung zu bestimmen. Da wir den größtmöglichen Wert von f (I) suchen, wählen wir von den beiden Halbintervallen 5.4.3 Extremwerte 155 i h h i u +v u +v I n0 : = un , n 2 n und I n00 : = n 2 n , vn , jeweils dasjenige als In+1 , das ein Element enthält, dessen zugehöriger Funktionswert mindestens so groß ist wie jeder der Funktionswerte über dem anderen Intervall (siehe Abbildung 5.10). Gibt es in beiden Intervallen ein solches Element, so könnten wir jedes der beiden Intervalle als In+1 nehmen. Wir entscheiden uns in diesem Fall stets für I n0 . z | {z In+2 In+1 }| } { f (e) un un + vn 2 e vn Abbildung 5.10: Intervallwahl bei Extremwertstellen Damit lautet die rekursive Definition der Intervalle In : I n0 , wenn es ein x ∈ I n0 gibt, sodass f (y) ≤ f (x) für alle y ∈ I n00 gilt, (5.33) In+1 : = I n00 , wenn es zu jedem y ∈ I n0 ein x ∈ I n00 mit f (y) < f (x) gibt. Wegen In+1 ⊂ In und un − vn = (u0 − v0 ) 2−n ist (In )n eine geometrische Intervallschachtelung, deren Zentrum wir mit e (= : e2 ) bezeichnen. Um zu zeigen, dass f (y) ≤ f (e) für jedes y ∈ I gilt, gehen wir in drei Schritten vor und nutzen dabei, dass sich jede obere Schranke von f | In auf f über dem Ausgangsintervall I = I0 übertragen lässt (siehe Abbildung 5.11). i) Zunächst gibt es aufgrund der Definition von In zu jedem y ∈ Im \Im+1 , m ∈ N, ein x ∈ Im+1 mit f (y) ≤ f (x). Ist also S ∈ R und gilt f (x) ≤ S für alle x ∈ Im+1 , so folgt, dass auch f (y) ≤ S für alle y ∈ Im \ Im+1 und damit für jedes y ∈ Im erfüllt ist. 156 Extremwerte z un un + vn 2 In+1 }| 5.4.3 { sn sn+1 vn Abbildung 5.11: Kuvertschachtelung und “Badewanne” 19 ii) Wegen (5.30) stellt sn : = f un + vn L + n+1 2 2 (v0 − u0 ) für jedes n ∈ N eine obere Schranke von f | In dar. Setzen wir kn : = min {j ∈ An+1 | f (y) ≤ sn für alle y ∈ Ij } , so folgt kn = 0, weil andernfalls i) im Hinblick auf die Minimalität von kn zu einem Widerspruch führen würde. Also gilt f (y) ≤ sn für jedes n ∈ N und alle y ∈ I0 . iii) Der Abgeschlossenheitssatz (Seite 129) und der Limesvertauschungssatz (Seite 150) ergeben dann lim (sn )n = f (e), und mit der Vergleichsregel des Limessatzes (Seite 142) folgt schließlich f (y) ≤ f (e) für alle y ∈ I. Die Existenz des Minimums f (e1 ) beweist man am einfachsten durch Übergang zu der (elementar stetigen) Funktion −f : Bezeichnet man das Argument, für das −f sein Maximum annimmt, mit e1 , so ist f (e1 ) Minimum von f ; denn aus −f (x) ≤ −f (e1 ) folgt f (e1 ) ≤ f (x) für alle x ∈ I. Damit haben wir einen Satz, der am Schluss des nächsten Kapitel wesentlich zur Herleitung des bedeutendsten Ergebnisses in der Geschichte der Zahlen beiträgt. Extremwertsatz Zu jeder elementar stetigen Funktion (x → f (x), I ) gibt es Zahlen e1 , e2 ∈ I, sodass f (e1 ) ≤ f (x) ≤ f (e2 ) für alle x ∈ I erfüllt ist. 19 Der Wasserspiegel sn sinkt zuerst in der Zone In des Abflusses und gleicht sich dann in den übrigen Teilen an - solange bis der höchste Punkt erreicht wird. Kapitel 6 Komplexe Zahlen 6.1 Motivation und Definition der komplexen Zahlen Ausgangspunkt der bisherigen Zahlverallgemeinerungen war jeweils der Wunsch, eine im vorliegenden Bereich nur eingeschränkt mögliche Operation durchgängig ausführbar werden zu lassen. Während wir Subtraktion und Division als Umkehroperationen der Grundrechenarten Addition und Multiplikation behandelt haben, wurde die Einführung der reellen Zahlen durch die Unlösbarkeit der Gleichung x2 = 2 in Q als Beispiel für die Lückenhaftigkeit der Zahlengeraden motiviert. Das Lösen von Gleichungen der Form xk = c mit k ∈ N2 und c ∈ R+ , das durch die reellen Zahlen zugänglich wird, heißt im Mathematikunterricht “Wurzelziehen”. Aber schon die einfache Gleichung x2 = −1 hat in R keine Lösung, weil x2 ≥ 0 > −1 für alle x ∈ R gilt. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei dem historischen Werdegang der neuen “unmöglichen” Zahlen, der auch in [2] skizziert ist, dürfte keine einfache Motivation oder naheliegende Lösung zu erwarten sein. Unsere Vorkenntnisse erlauben wenigstens einen Suchansatz. Wegen (4.43) wurde die + - Inversenabbildung in Q als Spiegelung am Nullpunkt interpretiert. Mit (4.49) gilt das Gleiche für die Multiplikation mit −1. Ließe sich die Gleichung x2 = −1 geometrisch deuten, so entstünde die Spiegelung −1 als Hintereinanderausführung von zwei Drehungen x um 90◦ . Die ebene Trigonometrie liefert mit den “Additionstheoremen” für cos und sin sogar eine Beschreibung der Drehung eines Einheitskreispunktes (cos α, sin α) um einen beliebigen Winkel β (siehe Abbildung 6.1), wobei cos und sin die trigonometrischen Verhältnisgrößen Kosinus und Sinus bezeichnen. Hier genügt es wegen des heuristischen Ziels, α und β mit dem Gradmaß zu verwenden. 157 158 Motivation und Definition der komplexen Zahlen 6.1 E α OE = 1 C D β α O A B Abbildung 6.1: Additionseigenschaften von cos und sin Von den rechtwinkligen Dreiecken OAE, OBD, ECD und ODE entnehmen wir cos(α + β) = OA = OB − CD = OD cos α − DE sin α = cos β cos α − sin β sin α und sin(α + β) = AE = BD + CE = OD sin α + DE cos α = cos β sin α + sin β cos α. Die Additionseigenschaften von cos und sin stellen damit eine Verbindung zwi schen den drei Punkten cos(α + β), sin(α + β) , (cos α, sin α) und (cos β, sin β) her. Denken wir uns den Punkt cos(α + β ), sin(α + β ) = (cos α cos β − sin α sin β, sin α cos β + cos α sin β ) durch Verknüpfung der Punkte (cos α, sin α) und (cos β, sin β ) entstanden, so können wir diese Verknüpfung für beliebige Paare reeller Zahlen durch (u1 , v1 ) ◦ (u2 , v2 ) : = (u1 u2 − v1 v2 , v1 u2 + u1 v2 ) definieren. In unserem Falle handelt es sich um die Paare (u, v) mit u2 + v 2 = 1. Aber auch für andere Paare liefert die so entdeckte Verknüpfung interessante Ergebnisse. Zum Beispiel für Paare mit v = 0 gilt (u1 , 0) ◦ (u2 , 0) = (u1 u2 , 0), das heißt, die Verknüpfung entspricht hier der Multiplikation von reellen Zahlen. Im Falle u = 0 erhalten wir (0, v1 ) ◦ (0, v2 ) = (−v1 v2 , 0), für v1 = v2 = 1 also insbesondere (0, 1) ◦ (0, 1) = (−1, 0). Zusammen mit dem Fall v = 0 lässt sich diese Gleichung folgendermaßen deuten: Könnten wir die obige Verknüpfung 6.1 Motivation und Definition der komplexen Zahlen 159 als Multiplikation in einem Körper ansehen, in den die reellen Zahlen durch die Abbildung u 7→ (u, 0) verknüpfungstreu eingebettet sind (siehe Seite 145), so würde i : = (0, 1) in diesem Körper die Gleichung i2 = −1 erfüllen - wobei wegen der Verknüpfungstreue sich u als Abkürzung für (u, 0) verwenden ließe. Wir wollen nun prüfen, ob die Menge C : = R × R zusammen mit der obigen Verknüpfung 1 als Multiplikation sowie mit einer noch zu erklärenden Addition + und mit den zugehörigen neutralen Elementen 0, 1 und Inversenabbildungen −, / einen Körper darstellt, der außerdem die oben vorausgesetzten Eigenschaften besitzt. 2 Da die Abbildung u 7→ (u, 0) verknüpfungstreu sein soll, muss die Addition so definiert werden, dass (u1 , 0) + (u2 , 0) = (u1 + u2 , 0) gilt. Wegen (0, v) = (0, 1) · (v, 0) und im Hinblick auf das Distributivgesetz überträgt sich diese Beziehung auch auf die zweite Komponente, sodass (u1 , v1 ) + (u2 , v2 ) : = (u1 + u2 , v1 + v2 ) zu setzen ist. Die neutralen Elemente sind dann offenbar 0 : = (0, 0) und 1 : = (1, 0). Für die Minusabbildung ergibt sich − : C → C, (u, v) 7→ (−u, −v). Ebenso ist die Reziprokenabbildung durch die Bedingung (u, v) · (u2 , v2 ) = (1, 0), also durch das lineare Gleichungssystem uu2 − vv2 = 1, vu2 + uv2 = 0 für u2 und v2 eindeutig festgelegt: u −v , . / : C \ {0} → C \ {0}, (u, v) → u2 + v 2 u2 + v 2 Bisher haben wir nur gezeigt, wie die Addition, die neutralen Elemente und die Inversenabbildungen aussehen müssen, wenn wir einen Körper mit der oben definierten Multiplikation und der verknüpfungstreuen Einbettung der reellen Zahlen erhalten wollen. Wir beweisen nun, dass (C, +, ·, 0, 1, −, /) tatsächlich einen Körper darstellt. Seine Elemente heißen komplexe Zahlen. Es seien s, t, u, v, w, x ∈ R. Die nachzuweisenden Eigenschaften bezeichnen wir wie im Körpersatz (Seite 144) mit K1 bis K9. Die Gleichungen zu K1, K2, K3 1 Da keine Mißverständnisse auftreten können, wählen wir der Einfachheit halber in C dieselben Bezeichnungen für die Verknüpfungen, neutralen Elemente und Inversenabbildungen wie in R. 2 Einen Positivbereich C+ kann es in C nicht geben, weil dann i2 ∈ C+ und −1 6= C+ , also i 6= −1 gelten würde. 2 160 Motivation und Definition der komplexen Zahlen 6.1 und K4 ergeben sich komponentenweise aus den entsprechenden Beziehungen im Körpersatz. K5 folgt aus (s, t) · (u, v) = (su − tv, sv + tu) = (us − vt, ut + vs) = (u, v)·(s, t). K6 erhält man mit (s, t)·(u, v) ·(w, x) = (su−tv, sv+tu)·(w, x) = (suw − tvw − svx − tux, sux − tvx + svw + tuw) = (suw − svx − tux − tvw, sux + svw + tuw − tvx) = (s, t) · (uw − vx, ux + vw) = (s, t) · (u, v) · (w, x) . (u, v) · u2 +v2 −uv+vu u −v (1, 0) = (u−0, 0+v) bedeutet K7. (u, v)· 2 2 , 2 2 = 2 2 , 2 2 = u +v u +v u +v u +v (1, 0) liefert K8. Auch das Distributivgesetz K9 wird durch einfache Rechnung gewonnen: (s, t) · (u, v) + (w, x) = (su + sw − tv − tx, sv + sx + tu + tw) = (su − tv) + (sw − tx), (sv + tu) + (sx + tw) = (s, t) · (u, v) + (s, t) · (w, x). Der folgende Satz fasst diese Ergebnisse zusammen: Satz über C als Körper Sind +, ·, 0, 1, − und / die oben definierten Verknüpfungen, neutralen Elemente und Inversenabbildungen, so ist (C, +, ·, 0, 1, −, /) ein Körper, der den Körper der reellen Zahlen enthält, dessen Verknüpfungen und Inversenabbildungen mit den obigen durch Einschränkung zusammenhängen. Wegen C = R × R können wir jede komplexe Zahl z = (u, v) als einen Punkt in der Ebene (“Gaußsche Zahlenebene”) veranschaulichen, wobei die Einheit auf der zweiten Achse “imaginäre Einheit” genannt wird (siehe Abbildung 6.2). Wegen z = (u, v) = (u, 0)+(0, v) = (u, 0)+(0, 1)·(v, 0) erhalten wir mit den oben schon verwendeten Abkürzungen u = (u, 0) und i = (0, 1) die “Normaldarstellung” z = u + iv, in der u “Realteil ” von z (Re z) und v “Imaginärteil ” von z (Im z) heißt. Die Summe zweier komplexer Zahlen z1 , z2 ist dann der vierte Eckpunkt des Parallelogramms mit den Seiten 0z1 und 0z2 . iv u + iv z2 z1 + z2 z1 u 0 Abbildung 6.2: Veranschaulichung der komplexen Zahlen und ihrer Addition 6.2 Betrag und Konvergenz in C 6.2 161 Betrag und Konvergenz in C Um auch in C die geometrische Konvergenz von Folgen erklären zu können, benötigen wir eine geeignete Betragsfunktion. Wie in R sollte auch in C der Betrag einer Zahl mit dem Abstand des entsprechenden Punktes vom Nullpunkt übereinstimmen. Deshalb bietet sich √ |z| = |u + iv| : = u2 + v 2 als Definition des Betrags von z = u + iv an. 3 Dieser Betrag besitzt die folgenden Eigenschaften, die wir in der entsprechenden Form auch im vorigen Kapitel über die reellen Zahlen verwendet haben: i) Für jedes z = u + iv ∈ C \ {0} ist u2 + v 2 > 0 also |z| ∈ R+ . ii) Für alle z1 , z2 ∈ C gilt |z1 z2 | = |z1 ||z2 |; denn mit z1 = s + it und z2 = u + iv p gilt |(s+it)·(u+iv)| = |(su−tv)+i(sv +tu)| = (su − tv)2 + (sv + tu)2 = √ √ √ s2 u2 + t2 v 2 + s2 v 2 + t2 u2 = s2 + t2 u2 + v 2 . iii) Schließlich können wir durch Fallunterscheidung zeigen, dass die “Dreiecksungleichung” |z1 +z2 | ≤ |z1 |+|z2 | für alle z1 , z2 ∈ C gültig ist. Für z1 = 0 hap ben wir |z1 +z2 | = |z2 | ≤ |z1 |+|z2 |. Im Falle z1 = 1 folgt aus u2 ≤ u22 + v22 p die Abschätzung 1 + 2u2 + u22 + v22 ≤ 1 + 2 u22 + v22 + u22 + v22 und damit q q |1 + z2 | = (1 + u2 )2 + v22 ≤ 1 + u22 + v22 = 1 + |z2 |. Daraus ergibt sich für z1 6= 0 der allgemeine Fall z z2 2 |z1 + z2 | = |z1 |1 + ≤ |z1 | 1 + = |z1 | + |z2 |. z1 z1 Nun können wir ganz analog wie in den Definitionen der geometrischen Nullfolge (Seite 116), der geometrischen Konvergenz (Seite 117) und der geometrischen Fundamentalfolge (Seite 128) erklären, wann eine Folge (zn )n mit komplexen Gliedern zn eine geometrische Nullfolge, eine geometrisch konvergente Folge bezie√ √ hungsweise eine Fundamentalfolge ist. Wegen |u| ≤ u2 + v 2 und |v| ≤ u2 + v 2 für alle u, v ∈ R folgt sofort, dass (un )n und (vn )n (reelle) geometrische Nullfolgen sind, wenn (un + ivn )n eine (komplexe) geometrische Nullfolge darstellt. Umgekehrt ergibt sich aus |un | ≤ c1 q1n , |vn | ≤ c2 q2n 3 Da der Betrag für alle ”reellen” z mit dem in R definierten übereinstimmt, verwenden wir in C dieselben Betragszeichen wie in R. 162 Betrag und Konvergenz in C 6.2 mit q : = max {q1 , q2 } < 1 die Abschätzung q p |un + ivn | = u2n + vn2 ≤ c21 + c22 q n , das heißt, (zn )n ist genau dann eine geometrische Nullfolge, wenn (Re zn )n und (Im zn )n geometrische Nullfolgen sind. Wegen zn − z = (un − u) + i(vn − v) mit z = u + iv sowie zn+1 − zn = (un+1 − un ) + i(vn+1 − vn ) folgt entsprechend, dass (zn )n genau dann eine geometrisch konvergente Folge beziehungsweise eine Fundamentalfolge ist, wenn dieses für die Folgen (Re zn )n und (Im zn )n gilt. Damit lassen sich die Aussagen des Limessatzes (Seite 142, ohne vi)) und des Vollständigkeitssatzes (Seite 148) unmittelbar auf komplexe Folgen übertragen. Insbesondere ist also auch der Körper der komplexen Zahlen vollständig in dem Sinne, dass jede Fundamentalfolge in C geometrisch konvergent ist. Als Beispiel führen wir eine wichtige Funktion als “Potenzreihenfunktion” auf C ein und geben ihren Zusammenhang mit Funktionen an, die auf R definiert sind. P n k Ist (an )n eine beliebige Zahlenfolge, so heißt die Polynomfolge ak z “Pok=0 tenzreihe” (zur Koeffizientenfolge (an )n ). Mit der Abkürzung sn (z) : = n n P ak z k k=0 erhält man |sn+1 (z) − sn (z)| = |an+1 ||z|n+1 . 1 Für die Koeffizientenfolge n! und für jedes z ∈ C ergibt der Nullfolgenn 1 |z|n+1 n ∈ N ist. Damit stellen die Polynomfolgen satz (Seite 117), dass (n+1)! P n 1 k z für alle z ∈ C Fundamentalfolgen dar. Ihre Grenzwerte definieren die k! k=0 n “Exponentialfunktion” exp : C → C, z 7→ lim X n k=0 1 k z k! . n Den Namen erhält sie wegen der folgenden beiden Eigenschaften, die in [8] hergeleitet werden: r (6.1) exp (r) = exp (1) für jedes r ∈ Q und (6.2) exp (z1 + z2 ) = exp (z1 ) · exp (z2 ) für alle z1 , z2 ∈ C. Die Zahl e : = exp (1) = 2, 7182818 . . . , die in vielen Teilen der Mathematik eine 6.3 Nullstellen von Polynomfunktionen 163 Rolle spielt, heißt “Eulersche Zahl ”. 4 Wegen (6.1) in der Form er = exp (r) für r ∈ Q und wegen der für Exponentialterme typischen “Funktionalgleichung” (6.2) setzt man auch ez : = exp (z) für alle z ∈ C \ Q. Mit z1 = u ∈ R und z2 = i v, v ∈ R, gilt also insbesondere eu+iv = eu eiv . Aufgrund der Definition der geometrischen Konvergenz (Seite 117) ist hier eiv = 2n+1 P n P ik k 1 k (iv) = lim v . Wegen i2j = (−1)j und i2j+1 = (−1)j i für lim k! k! n k=0 n k=0 alle j ∈ N ergibt sich nun mit Hilfe des Limessatzes (Seite 142) X X n n (−1)j 2j+1 (−1)j 2j iv + i lim . v v (6.3) e = lim (2j)! (2j+1)! n j=0 j=0 n In [8] werden die folgenden Zusammenhänge bewiesen: X n (−1)j 2j lim = cos v und v (2j)! j=0 lim X n j=0 n (−1)j 2j+1 v (2j+1)! = sin v für jedes v ∈ R sowie n cos π = −1 und sin π = 0, wobei die trigonometrischen Funktionen cos und sin zu der Bogenlänge am Einheitskreis definiert sind und π der Flächeninhalt dieses Kreises ist. Die erste der sich damit ergebenden Gleichungen ist nach L. Euler benannt, die zweite stellt eine Verbindung der fünf wichtigsten Zahlen dar. Theorem über die Eulersche Formel Für jedes v ∈ R gilt Insbesondere folgt 6.3 eiv = cos v + i sin v. 0 = 1 + eiπ . Nullstellen von Polynomfunktionen in C Da die Einführung sowohl der reellen als auch der komplexen Zahlen mit der Unlösbarkeit einer quadratischen Gleichung motiviert wurde, stellt sich nun die 4 Leonhard Euler (1707-1783) wirkte als Mathematiker in St. Petersburg und Berlin. 164 Nullstellen von Polynomfunktionen 6.3 Frage, welche Potenzgleichungen ζ k = γ mit k ∈ N2 und γ ∈ C eine Lösung ζ ∈ C besitzen. Wir betrachten zunächst “iterierte quadratische” Gleichungen und untersuchen dann Potenzgleichungen mit ungeraden Exponenten. i) Für C ∈ R+ ∪{0} ist 0 ≤ C ≤ (max {1, C})2 . Aufgrund des Zwischenwertsatzes (Seite 153)) gibt es also ein c ∈ [0, max {1, C}], sodass c2 = C gilt. Diese Lösung p √ wird mit C bezeichnet. Ist C ∈ R mit C < 0, so erfüllt ζ = i |C| die Gleichung ζ 2 = C. Im Falle γ ∈ C \ R sei γ = : A + iB mit A, B ∈ R und B 6= 0. Dann lässt sich die Gleichung (u + iv)2 = A + iB durch Vergleich der Real- und Imaginärteile 2 lösen: u2 − v 2 = A und 2uv = B ergeben zunächst A2 + B 2 = (u2 + v 2 ) . Also ist u2 + v 2 = |γ |. Damit folgt u2 = 21 (|γ | + A) und v 2 = 21 (|γ | − A). Wegen √ |γ| = A2 + B 2 > |A| sind die beiden quadratischen Gleichungen mit reellen q q 1 Zahlen lösbar. Wir wählen u = (|γ | + A) und v = (sign B) 12 (|γ | − A), 2 damit auch die Vorzeichen in der Gleichung 2uv = B passen. Diese grundlegende Lösung halten wir fest: q q 2 1 1 (|A + iB| + A) + i (sign B) (|A + iB| − A) = A + iB 2 2 (6.4) für alle A, B ∈ R mit B 6= 0. h 2 h+1 Analog zu (2.12) mit ζ ∈ C gilt ζ 2 = ζ2 für jedes h ∈ N1 . Vollständige h Induktion ergibt dann, dass die Gleichungen ζ 2 = γ für alle γ ∈ C und jedes h ∈ N1 lösbar sind. h 2h ii) Wie in (2.12) wird auch ζ (2m+1) 2 = (ζ 2m+1 ) für alle h, m ∈ N1 hergeleitet. h Ist ξ eine Zahl, die ξ 2 = γ erfüllt, so folgt also die Lösbarkeit der allgemeinen 2h Gleichung (ζ 2m+1 ) = γ aus der Existenz einer Lösung von ζ 2m+1 = ξ. Im Falle ξ ∈ R stellt (x → x2m+1 − ξ, R) eine Polynomfunktion mit reellen Koeffizienten und mit dem Grad 2m + 1 dar. Aufgrund des Satzes über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad (Seite 154) gibt es ein r ∈ R, sodass r2m+1 − ξ = 0 gilt. Also genügt r der Gleichung r2m+1 = ξ. Wird auf diese Weise zu γ ∈ C \ R ein s ∈ R mit s2m+1 = |γ | bestimmt und ζ1 : = ζs gesetzt, so lässt sich mit der auf C übertragenen Gleichung (2.13) die Produktpotenz (ζ1 · s)2m+1 passend zu γ = |γγ | |γ | aufspalten: ζ 2m+1 = (ζ1 · s)2m+1 = ζ12m+1 · s2m+1 = |γγ | |γ |. Nach Division durch s2m+1 beziehungsweise durch |γ | bleibt schließlich die 6.3 Nullstellen von Polynomfunktionen 165 |γ | Gleichung ζ12m+1 = |γγ | zu lösen, wobei γ ∈ C \ R und |γγ | = |γ | = 1 ist. Wegen der ungeraden Exponenten versuchen wir wieder, den Satz über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad (Seite 154) zu nutzen. Das gelingt hier, indem wir die Idee des Aufspaltens aus (6.3) auf (x ± i)2m+1 anwenden und anschließend durch eine geeignete Linearkombination Polynome mit reellen Koeffizienten erzeugen. Mit m X 2m+1 Ph (x) : = (−1)j x2m+1−2j−h für h ∈ A2 2j+h j=0 ist (x ± i)2m+1 = P0 (x) ± i P1 (x). Komplexe Zahlen, die sich nur durch das Vorzeichen der Imaginärteile unterscheiden, heißen “konjugiert komplex ”. Ihre Summe, die das Zweifache des Realteils ergibt, ist stets eine reelle Zahl. Wir bilden deshalb eine Linearkombination der Polynome (x ± i)2m+1 mit zwei konjugiert komplexen Zahlen a ± ib, die anschließend geeignet gewählt werden: S(x) : = (a + ib) · (x + i)2m+1 + (a − ib) · (x − i)2m+1 = 2 Re (a + ib) · (x + i)2m+1 = 2aP0 (x) − 2bP1 (x). Damit sind alle Koeffizienten von S(x) reell. Da 2a der Koeffizient von x2m+1 ist, hat die Polynomfunktion (x → S(x), R) für a 6= 0 den Grad 2m + 1. Aufgrund des Satzes über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad gibt es dann ein t ∈ R, sodass S(t) = 0 gilt. Damit folgt t − i 2m+1 a + ib i − t 2m+1 (a + ib)2 a + ib 2 =− = = 2 = . i+t t+i a − ib a + b2 |a + ib| Wird nun a + ib mit Hilfe von (6.4) als Lösung von (a + i b)2 = γ bestimmt, so gilt wegen |a + ib|2 = |γ | auch a+ib 2 |a+ib| = |γγ | , und aus γ ∈ / R folgt a 6= 0. Mit einer reellen Nullstelle t der zu a und b gehörenden Polynomfunktion i−t (x → S(x), R) = (x → 2aP0 (x) − 2bP1 (x), R) stellt schließlich ζ1 = i+t eine γ 2m+1 Lösung der Gleichung ζ1 = |γ | dar. Ist γ ∈ C und k ∈ N2 , so heißt jedes ζ ∈ C mit ζ k = γ “k-te Wurzel aus γ ” . Diese Bezeichnung gibt dem folgenden zusammenfassenden Satz seinen Namen: Wurzelsatz Zu jedem γ ∈ C und für jedes k ∈ N2 gibt es mindestens ein ζ ∈ C, sodass ζ k = γ gilt. 166 Nullstellen von Polynomfunktionen 6.3 Durch den Satz über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad (Seite 154) sind reelle Nullstellen von Polynomfunktionen mit reellen Koeffizienten zur Anwendung gekommen, und die Umformulierung ζ k − γ = 0 der Potenzgleichung deutet ζ als komplexe Nullstelle der Polynomfunktion (z → z k − γ, C) mit einem komplexen Koeffizienten. Für Nullstellen beliebiger Polynomfunktionen mit komplexen Koeffizienten bringen wir nun als Höhepunkt der Zahlgenese einen elementaren Existenzbeweis. Der erste vollständige Nachweis dieses bedeutendsten Ergebnisses in der Geschichte der Zahlen, das meistens “Fundamentalsatz der Algebra” heißt, wurde 1815 von C. F. Gauß gefunden. Ist P (z) = c0 z n + c1 z n−1 + . . . + cn mit n ∈ N1 und c0 6= 0 ein Polynom mit komplexen Koeffizienten, so besitzen (z → P (z), C) und (z → c1 P (z), C) die0 selben Nullstellen. Wir können deshalb bei unserer Suche nach Nullstellen ein “normiertes” Polynom P (z) = z n + a1 z n−1 + . . . + an , mit n ∈ N1 und ak ∈ C für k = 1, . . . , n zugrunde legen. Der Graph {(x, y, u, v) ∈ R4 | u + iv = P (x + iy)} der komplexen Funktion P : = (x + iy → P (x + iy), C) ist eine zweidimensionale Teilmenge des vierdimensionalen Raumes. Da wir höchstens Gebilde des dreidimensionalen Raumes einigermaßen übersichtlich in einer Ebene veranschaulichen können, versuchen wir zunächst, unser Problem so zu reduzieren, dass es in weniger als vier Dimensionen dargestellt werden kann. Wegen der Eigenschaft i) des Betrages von komplexen Zahlen (siehe Seite 161) gilt P (z0 ) = 0 genau dann, wenn |P (z0 )| = 0 ist. Deshalb werden wir im Folgenden die reellwertige Funktion (z → |P (z)|, C ) untersuchen. Ihr Graph {(x, y, w) ∈ R3 | w = |P (x + iy)|} ist eine Fläche im R3 , die “Betragsfläche” genannt wird. Da bei der Betragsbildung in C Wurzeln gezogen werden müssen, treten in der Betragsfläche bei den Nullstellen von P “Schluchten” auf. Um “glatte” Flächen zu erhalten, verwenden wir bei Veranschaulichungen die “analytische Landschaft” {(x, y, w) ∈ R3 | w = |P (x + iy)|2 }, die wir in unserem speziellen Fall der Polynomfunktionen “Polynomlandschaft” nennen wollen. Alle Werterelationen wie etwa Monotonie- oder Minimumaussagen gelten für sie genau dann, wenn sie für die entsprechende Betragsfläche erfüllt sind. Die Grundidee der folgenden Herleitung stammt aus einem unvollständigen Beweis in einer 1814 veröffentlichten Arbeit von J. R. Argand. 5 5 Jean Robert Argand (1768-1822) war Schweizer Mathematiker. 6.3 Nullstellen von Polynomfunktionen 167 Wir nutzen die Möglichkeit, geeignete Ausschnitte von Polynomlandschaften mit Hilfe von Computern sichtbar zu machen und führen den Nachweis dafür, dass P eine Nullstelle besitzt, im Anschluss an drei Beobachtungen, die bei den meisten Polynomlandschaften möglich sind (siehe Abbildung 6.3): P (z) = z 4 − (78, 31 + 24, 9 i)z 3 − (50, 72 + 27, 4 i)z 2 − (71, 26 + 35, 93 i)z −(32, 25 − 73, 9 i) 1,0 -1,31 Schnitthöhe: 15000 -2,5 -1,25 Realteile 0,41 1,25 Abbildung 6.3: Polynomlandschaft 6 i) Die Polynomlandschaft bildet einen “Krater”. ii) Bei jedem Punkt, der keine Nullstelle ist, beginnt in der Polynomlandschaft eine “Abstiegsstrecke”. iii) In jeder Polynomlandschaft gibt es mindestens einen tiefsten Punkt. Diese Beobachtungen gelten auch für “Polynombetragsflächen”. i) Wachstum von |P (z)| für betragsgroße z Um das Verhalten von |P (z)| für |z| ≥ r bei genügend großem r zu finden, schätzen wir |P (z)| für z 6= 0 analog zur Herleitung von (5.32) mit Hilfe der Dreiecksungleichung nach unten ab: a1 an |a1 | |an | n n |P (z)| = |z| 1 + z + · · · + z n ≥ |z| 1 − |z| − · · · − |z|n . 1 Für |z| ≥ 1 ist 1 k ≤ |z| , k = 1, ..., n, und für |z| ≥ 2|a1 | + · · · + 2|an | erhalten |z| wir 6 |a1 |+···+|an | |z| ≤ 12 . Mit der Abkürzung r : = max {1, 2|a1 | + · · · + 2|an |} und Wie alle anderen Abbildungen in diesem Buch ist auch diese eine LATEX-Figur. 168 Nullstellen von Polynomfunktionen 6.3 unter der Voraussetzung, dass |z| ≥ r erfüllt ist, gilt also zusammengefasst |a1 |+···+|an | n ≥ 12 |z|n ≥ 21 |z| ≥ |an | = |P (0)|, |P (z)| ≥ |z| 1 − |z| sodass wir (6.5) |P (z)| ≥ 21 |z|n ≥ |P (0)| für |z| ≥ r : = max {1, 2|a1 | + · · · + 2|an |} festhalten können. ii) Verhalten von |P (z)| in der Nähe von Nichtnullstellen Es sei z1 ∈ C mit P (z1 ) 6= 0. Da wir |P (z)| in der Nähe von z1 untersuchen wollen, rechnen wir zunächst P (z1 +z) aus und ordnen nach Potenzen von z. Wir erhalten dann ein Polynom P (z1 +z) = b0 z n +b1 z n−1 +· · ·+bn mit b0 = 1 und bn = P (z1 ) 6= 0. Ist k : = min {j ∈ N1 | bn−j 6= 0} der Index des nächsten nicht verschwindenden Koeffizienten vor bn , so können wir P (z1 + z) = Q(z)z k+1 + bn−k z k + bn mit dem Polynom Q(z) : = b0 z n−k−1 + · · · + bn−k−1 schreiben, falls k < n gilt. Für k = n ist P (z1 + z) = b0 z n + bn , also Q(z) = 0 für alle z ∈ C. Eine von z1 ausgehende Strecke in C lässt sich durch {z1 + tw | t ∈ [0, 1]} mit w ∈ C \ {0} darstellen. Damit erhalten wir P (z1 + tw) = Q(wt)wk+1 tk+1 + bn−k wk tk + bn . Um unsere zweite Beobachtung zu sichern, müssen wir w so bestimmen, dass |P (z1 +tw)| < |bn | für alle t ∈]0, c[ 7 mit geeignetem positivem c gilt. Könnten wir wk als Vielfaches von bn wählen, so ließe sich bn ausklammern, und wir brauchten k k uns nur noch um den Faktor Q(wt)w wb tk+1 + bn−k wb tk + 1 zu kümmern, dessen n n Betrag kleiner als 1 werden soll. Für kleine t kann nur der mittlere Summand zur Verkleinerung des Faktors beitragen, weil die höhere t-Potenz des ersten Summanden benötigt wird, um den zugehörigen Koeffizienten klein zu halten. Deshalb bestimmen wir w mit Hilfe b des Wurzelsatzes (Seite 165) aus der Gleichung wk = − b n damit tk den reellen n−k Koeffizienten −1 erhält. Für k = n gilt nun bereits |P (z1 + tw)| = (−tn + 1)|bn | < |P (z1 )| für alle t ∈]0, 1[. n−k b0 w bn−k−1 w Im Folgenden sei k < n. Mit B : = b + ··· + b als Schranke von n−k n−k Q(wt) b−w für t ∈ [0, 1] folgt dann n−k 7 Für a, b ∈ R mit a < b bezeichnet ]a, b[ : = {x ∈ R | a < x < b} ein “offenes Intervall ”. 6.3 Nullstellen von Polynomfunktionen 169 |P (z1 + tw)| ≤ Btk+1 − tk + 1 |bn | für alle t ∈ [0, 1]. 1 1 - also insgesamt 0 < t < min {1, B } -, so gilt Wählen wir jetzt außerdem t < B 1 nt o |P (z1 + tw)| < |bn | = |P (z1 )|, und mit z2 : = w min 1, B sowie s : = 1 min 1, B erhalten wir schließlich (6.6) |P (z1 + sz2 )| < |P (z1 )| für alle s ∈]0, 1[. In jedem Punkt, der keine Nullstelle ist, beginnt also in der Polynomlandschaft eine Abstiegsstrecke. iii) Existenz eines Minimums von (z → |P (z)|, C) Wegen (6.5) genügt es, die reellwertige Funktion von zwei reellen Veränderlichen (x, y) → h(x, y), [−r, r] × [−r, r] mit h(x, y) : = |P (x + iy)| zu betrachten. Wie bei reellen Veränderlichen erhalten wir wegen (5.28) die Umformung n n k−1 X X X (6.7) P (z1 ) − P (z2 ) = an−k z1k − z2k = (z1 − z2 ) an−k z1k−j−1 z2j . Mit der Abkürzung L : = k=0 n P k=1 √ k−1 folgt also |an−k |k 2 r j=0 k=1 |P (x1 + iy1 ) − P (x2 + iy2 )| ≤ L|(x1 + iy1 ) − (x2 + iy2 )| für x1 , y1 , x2 , y2 ∈ [−r, r]. Die Dreiecksungleichungen nach unten und oben ergeben dann (6.8) |h(x1 , y1 ) − h(x2 , y2 )| ≤ L|x1 − x2 | + L|y1 − y2 | für alle x1 , y1 , x2 , y2 ∈ [−r, r]. Insbesondere sind die Funktionen (x → h(x, y), [−r, r]) für jedes y ∈ [−r, r] elementar stetig. Aufgrund des Extremwertsatzes (Seite 156) besitzen sie jeweils ein Minimum, das wir mit M (y) bezeichnen. Zu jedem Paar (y1 , y2 ) ∈ [−r, r] × [−r, r] gibt es also ein Paar (x1 , x2 ) ∈ [−r, r] × [−r, r], sodass M (y1 ) = h(x1 , y1 ) und M (y2 ) = h(x2 , y2 ) erfüllt ist. Wegen der Minimumeigenschaft gilt außerdem M (y1 ) ≤ h(x2 , y1 ) und M (y2 ) ≤ h(x1 , y2 ). Im Falle M (y1 ) ≥ M (y2 ) erhalten wir damit 0 ≤ M (y1 ) − M (y2 ) ≤ h(x2 , y1 ) − h(x2 , y2 ), und für M (y1 ) < M (y2 ) ergibt sich 0 < M (y2 ) − M (y1 ) ≤ h(x1 , y2 ) − h(x1 , y1 ). Also gilt |M (y1 ) − M (y2 )| ≤ |h(x? , y1) − h(x? , y2 )| mit x? ∈ {x1 , x2 } für alle y1 , y2 ∈ [−r, r]. Wegen (6.8) folgt |M (y1 ) − M (y2 )| ≤ L|y1 − y2 | für alle y1 , y2 ∈ [−r, r]. Damit ist auch die Funktion (y → M (y), [−r, r]) elementar stetig, und der Extremwertsatz 170 Nullstellen von Polynomfunktionen 6.3 garantiert die Existenz eines y0 ∈ [−r, r], sodass M (y0 ) ≤ M (y) für alle y ∈ [−r, r] gilt. Mit dem zugehörigen x0 ∈ [−r, r] folgt M (y0 ) = |P (x0 + i y0 )| ≤ |P (x + iy)| für alle x, y ∈ [−r, r]. Insbesondere ist |P (x0 + iy0 )| ≤ |P (0)|. Wegen (6.5) erhalten wir also |P (x0 + iy0 )| ≤ |P (x + iy)| für alle x, y ∈ R. An der Stelle z0 : = x0 + iy0 kann aber keine Abstiegsstrecke gemäß (6.6) beginnen. Deshalb muss z0 eine Nullstelle von P sein. Damit haben wir den Fundamentalsatz der Algebra Zu jeder Polynomfunktion P : = (z → a0 z n + a1 z n−1 + · · · + an , C) mit n ∈ N1 , ak ∈ C für k = 0, . . . , n und a0 6= 0 gibt es ein z0 ∈ C, sodass P (z0 ) = 0 gilt. Wegen dieser Eigenschaft heißt der Körper (C, +, ·, 0, 1, −, /) “algebraisch abgeschlossen”. Wird in (6.7) z1 durch z sowie z2 durch die Nullstelle z0 von P ersetzt und wird die zweite Summe in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, so folgt k−1 n X X an−k z0k−j−1 z j . P (z) = (z − z0 ) k=1 j=0 Vertauschen der beiden Summen unter Beachtung der Ungleichungen 0 ≤ j ≤ k − 1 ≤ n − 1 ergibt dann n−1 X n X k−j−1 (6.9) P (z) = (z − z0 ) an−k z0 z j = : (z − z0 )P1 (z) für alle z ∈ C. j=0 k=j+1 n−1 In P1 (z) hat z den Koeffizienten a0 . Damit stimmen die “Leitkoeffizienten” von P und P1 überein, und der Grad von P1 ist n − 1. Wiederholung der Abspaltung eines “Linearfaktors” bei P1 (z) (und vollständige Induktion über n mit (6.9) als Induktionsschritt) ergibt also die Existenz von n komplexen Zahlen z0 , . . . , zn−1 , sodass P (z) = a0 (z − z0 ) · · · (z − zn−1 ) für alle 0 z ∈ C gilt. Schreiben wir z 10 , . . . , z m für die paarweise verschiedenen Nullstellen von P und fassen wir gleiche Linearfaktoren zusammen, so erhalten wir 0 vm P (z) = a0 (z − z 10 )v1 · · · (z − z m ) für alle z ∈ C, wobei z i0 6= z j0 (6.10) für i 6= j, vk ∈ N1 für k = 1, . . . , m und v1 + · · · + vm = n ist. Die Darstellung (6.10) eines Polynoms spielt bei vielen Anwendungen eine Rolle, zum Beispiel bei der “Partialbruchzerlegung” von rationalen Funktionen und bei “Eigenwertberechnungen”. Kapitel 7 Rückblick Dieses Buch wurde geschrieben, weil sich alle Mängel, die zu den in der Einleitung formulierten Kritikpunkten führten, in der Zahlgenese beheben ließen. Als Ergänzung möchte ich in diesem Rückblick die teilweise recht überraschenden Ergebnisse und auch die noch zu leistende Arbeit aus persönlicher Sicht kommentieren. Der Titel “Zahlgenese” verweist darauf, dass das Werk die mathematische Grundlage für einen Aufgabenbereich der Mathematikdidaktik liefern soll. Für diejenigen, die den Aufbau wegen der ersten beiden Postulate nicht mathematisch fundiert finden, und für alle, die den mathematischen Stil als undidaktisch ansehen, schlage ich die neue Gebietsbezeichnung “Metadidaktik ” vor, auch weil noch mindestens zwei weitere Konzepte - nämlich die “Elementaranalysis” und die “Raumalgebra” - zu diesem Grenzbereich zwischen der Mathematik und der Mathematikdidaktik gehören. Wegen der immer noch sehr großen inhaltlichen Probleme im Mathematikunterricht oberhalb der Primarstufe ist es notwendig, von dem mathematischen Ufer her Brücken zu bauen, zu denen die obigen Konzepte Pfeiler bilden können. Einige Aspekte des wünschenswerten didaktischen Ausbaus spreche ich zum Schluss an. Bei der bisherigen Arbeit war es ein günstiger Umstand, dass die Einführung der Zahlbereiche im Unterricht kaum geändert zu werden braucht. Stattdessen geht es um angemessene Fundierung, um verständnisfördernde Begründungen und um die Unterstützung des “genetischen Prinzips” im Sinne von These 14 in [4] (Seite 53 f.). Das genetische Prinzip hat sowohl die Lösungssuche als auch viele Formulierungen in der Zahlgenese beeinflusst. Das meiste über seine historische Entwicklung und über seine Bedeutung habe ich aus [13] gelernt. 171 172 Rückblick 7 Aus mehreren Quellen kamen Ideen zu den vorliegenden Lösungen. Zur Motivation der ungewöhnlichen Kardinalzahlpostulate (Seite 25) wurde auf Seite 18 F. Klein zitiert. Noch besser passen die folgenden Aussagen von H. Freudenthal aus [3] (Seite 159), die auch durch Ergebnisse der Neurologie bestätigt werden: Die Anzahl ist genetisch wohl früher als die Zählzahl. Tiere erkennen kleine Anzahlen, obwohl sie sicher nicht zählen können. Das Kind dagegen lernt so früh zählen, daß es anfangs nicht merkt, daß das Zählen zur Bestimmung von Anzahlen dient. Doch erkennt es . . . kleine Anzahlen, unabhängig vom Zählen, insbesondere, wenn sie in klaren Mustern geordnet sind. Schon 1888 schrieb R. Dedekind im Vorwort von [1]: Verfolgt man genau, was wir bei dem Zählen der Menge oder Anzahl von Dingen thun, so wird man auf die Betrachtung der Fähigkeit des Geistes geführt, Dinge auf Dinge zu beziehen, einem Dinge ein Ding entsprechen zu lassen, oder ein Ding durch ein Ding abzubilden, ohne welche Fähigkeit überhaupt kein Denken möglich ist. Auf dieser einzigen, auch sonst ganz unentbehrlichen Grundlage muß nach meiner Ansicht . . . die gesammte Wissenschaft der Zahlen errichtet werden. Das entspricht dem ersten Kardinalzahlpostulat (Seite 25). Nun kommt die größte Überraschung der Zahlgenese: Auch die meisten der übrigen Teile des zweiten Kapitels haben ein Analogon in [1], sodass von einem “Neubau” gesprochen werden kann. In der folgenden Aufzählung von Definitionen und Ergebnissen ist in spitzen Klammern jeweils die Nummer angegeben, die in [1] vor dem entsprechenden Abschnitt steht: Kardinalzahlpostulate (Seite 25, b) h90i), Definition der endlichen und der unendlichen Menge (Seite 28, h64i), Zugehörigkeitspostulate (Seite 28, a) h162i, b) h73i), Anfängepostulat (Seite 28, h163i), Unendlichkeitssatz (Seite 29, h73i, h119i), Nachfolgersatz (Seite 30, a) h91i, b) h116i, c) h110i, h108i, d) h71i, h78i), Minimumsatz (Seite 31, h96i), Maximumsatz (Seite 32, h114i), Induktionssatz (Seite 32, h80i), Rekursionssatz von Dedekind (Seite 33, h126i), Definition der Addition in N (Seite 35, h135i), Satz über die Addition in N (Seite 39, i) h137i, iii) h140i, iv) h141i, v) h145i, vi) h143i), Satz über die Ergänzung in N (Seite 40, h146i), Definition der Multiplikation in N (Seite 36, h147i), Satz über die Multiplikation in N (Seite 41, i) h148i, iii) h150i, iv) h149i, v) h151i, h152i, vi) h153i), Definition der Potenzen (Seite 36, h131i, h155i), Satz über Potenzen (Seite 45, h156i, h158i). Dieser Neubau von [1] war nicht geplant, weil ich die “Zahlenfragen” nach dem Kennenlernen vor vielen Jahren erst wieder zum Abfassen der Einleitung und des Rückblicks durchgesehen habe. Das entscheidende Anfängepostulat (Seite 28) wurde von mir nach einigen verworfenen Versuchen gewählt, weil es der Identi- 7 Rückblick 173 fizierbarkeit der endlichen Kardinalzahlen und der Ordinalzahlen von Wohlordnungen mit endlicher Trägermenge entspricht. Über das Internet ist [1] noch zu erwerben, die 1901 angefertigte englische Übersetzung kann aus dem “Project Gutenberg” kostenlos heruntergeladen werden (http://www.gutenberg.org/ebooks/21016), und es besteht die Möglichkeit, einen Scan der zweiten Auflage von 1893 im “Project ECHO” anzusehen (Weblink am Schluss des Wikipedia-Artikels über Richard Dedekind). Bei allen Zahlbereichen, die mit Hilfe von Äquivalenzklassen eingeführt werden, spielen Repräsentanten mindestens bei der Definition der Verknüpfungen eine Rolle. Obwohl auch “ausgezeichnete Repräsentanten” in der Mathematik vorkommen, treten sie im Zusammenhang mit Zahlbereichen nur in der didaktischen Literatur auf. So werden zum Beispiel in [12] (Seite 69) die Kernbrüche als ausgezeichnete Repräsentanten der Klassen gleichwertiger Brüche bezeichnet. In der Zahlgenese sind auch die Randdifferenzen von natürlichen Zahlen beziehungsweise von Kernbrüchen Vertreter - nämlich von Bidifferenzen -, und die Dezimalzahlen ohne Neunerperiode vertreten geometrische Fundamentalfolgen oder Cauchy-Folgen. Ähnlich wie der Neubau von [1] stellt auch die Behandlung der Dezimalzahlen in der Zahlgenese eine Aufwertung eines der ältesten Verfahren zur Einführung des entsprechenden Zahlbereichs dar. In [13] (Seite 287) wird O. Toeplitz 1 zitiert: Es ist der unendliche Dezimalbruch, der - teils bewußt, teils unbewußt - der infinitesimalen Mathematik seit ihrem Werden zugrunde gelegen hat. . . . Der im heutigen Schulunterricht wie in der Mathematik des 19. Jahrhunderts benutzte unendliche Dezimalbruch ist im Grunde der gleiche Zahlbegriff, der aus den Sinustafeln des Ptolemäus hervorgeht. Zum sechsten Kapitel sind noch zwei Quellen zu nennen: Die geometrische Deutung der Gleichung z 2 = −1 kommt schon 1806 bei J. R. Argand vor, und einzelne Teile des Wurzelsatzes (Seite 165) habe ich durch [2] (Seite 62 f.) kennengelernt. Es bleibt die Aufgabe der didaktischen Ausgestaltung. Daran werde ich mich nicht beteiligen, weil es einerseits gute Fachleute dafür gibt und weil andererseits das Veröffentlichen von drei weiteren “Kompass-Büchern” bei mir Vorrang hat. Zum Abschluss stelle ich deshalb nur noch einige Hinweise und Wünsche zusammen. 1 Otto Toeplitz (1881-1940) war Mathematiker und Mathematikdidaktiker in Kiel und Bonn. 174 Rückblick 7 Durch die freie Verfügbarkeit dieses Buches im Mathkompass [7] wird das Eliminieren von Beweisen oder ihre Umwandlung in Berichte wegen der Verweismöglichkeit erleichtert. Bei den neuen Begriffen und Symbolen ist eventuell eine Umgewöhnung nötig, die aber wegen des durchgängig verwendeten genetischen Prinzips erträglich sein dürfte. Die folgenden Beispiele geben einige der nun möglichen Sprechweisen wieder. Die Kardinalzahlen sind Eigenschaften von elementweise vergleichbaren Mengen. Die natürlichen Zahlen ergeben sich als Kardinalzahlen von Mengen, die nicht umkehrbar eindeutig auf eine ihrer echten Teilmengen abgebildet werden können. Solche Mengen heißen endlich, und die Anfänge sind ihre Vertreter. Das Anfängepostulat legt die Kardinalzahlen der Anfänge fest und stellt auf diese Weise eine Verbindung zum Zählen her. Außerdem lässt sich damit die Nachfolgerabbildung konstruktiv einführen. Deren Eigenschaften ermöglichen prägnante Herleitungen des Minimumsatzes, des Maximumsatzes und des Induktionssatzes, womit die wichtigen Beweisverfahren für die natürlichen Zahlen zur Verfügung stehen. Genetisch wird auch der Rekursionssatz gewonnen, mit dessen Hilfe die Verknüpfungen und Rechengesetze begründbar sind. Die spielerische Form des Kernbruchalgorithmus behebt das Kürzungsproblem der Bruchrechnung, die auch eine Vorbildfunktion für die Behandlung der ganzen Zahlen und der rationalen Zahlen erhält: So wie die Brüche verallgemeinerte Quotienten sind, werden die Bidifferenzen als Verallgemeinerung der nicht immer auszurechnenden Differenzen eingeführt. Die ganzen Zahlen und die rationalen Zahlen sind dann Bidifferenzen, die mindestens eine Null enthalten. Da mit Bidifferenzen wie mit gewöhnlichen Differenzen gerechnet wird, ist nun auch die Regel “minus mal minus ergibt plus” im Mathematikunterricht herleitbar. Da die Dezimalzahlen Folgen von Dezimalbrüchen sind, haben sie den Vorteil, dass bei der Einbettung der rationalen Zahlen ein angemessener Grenzwertbegriff und bei den gliedweisen Verknüpfungen eine passende Fundamentalfolgenmenge entdeckbar ist. Durch die Verbindung mit der Elementargeometrie wird bei den komplexen Zahlen sowohl ihre Darstellung als auch die Form der Verknüpfungen motivierbar. Ein echter Höhepunkt ist schließlich die Möglichkeit, eine Beweisidee für den Fundamentalsatz der Algebra anhand der Polynomlandschaft in Abbildung 6.3 (Seite 167) zu vermitteln. Ich wünsche mir, dass die verbreiteten Bezeichnungen “Neunerende” und “unendlicher Dezimalbruch” durch “Neunerperiode” und “Dezimalzahl” ersetzt werden, weil im ersten Fall kein Ende und im zweiten kein Bruch vorliegt. . . . Und ich hoffe, dass alle, denen dieses Buch gefällt, auch zu seiner Verbreitung beitragen. Definitions- und Satzverzeichnis Definition der Abbildung und der bijektiven Abbildung (Seite 24) Definition der Gleichmächtigkeit von Mengen (Seite 25) Kardinalzahlpostulate (Seite 25) Erzeugungspostulate (Seite 26) Potenzmengensatz (Seite 26) Definition der endlichen und der unendlichen Menge (Seite 28) Zugehörigkeitspostulate (Seite 28) Anfängepostulat (Seite 28) Unendlichkeitssatz (Seite 29) Nachfolgersatz (Seite 30) Definition des Minimums (Seite 31) Minimumsatz (Seite 31) Definition der Beschränktheit und des Maximums (Seite 32) Maximumsatz (Seite 32) Induktionssatz (Seite 32) Rekursionssatz von Dedekind (Seite 33) Satz über die Addition in N (Seite 39) Satz über die Ergänzung in N (Seite 40) Definition der Differenz und der Subtraktion in N (Seite 41) Satz über die Multiplikation in N (Seite 41) Satz über allgemeine Assoziativität (Seite 43) Satz über Potenzen (Seite 45) Definition der Halbgruppe (Seite 46) Satz über Halbgruppen mit N und N1 (Seite 46) Definition des Teilers (Seite 46) Satz über Teilbarkeitsregeln (Seite 47) Definition der Primzahl (Seite 47) Satz über den kleinsten Primteiler (Seite 48) Satz über die Primzahlmenge (Seite 48) Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie (Seite 48) Definition der Gleichnamigkeit und der Erweiterung (Seite 55) Definition der Gleichheit von Brüchen (Seite 56) Bruchgleichheitssatz (Seite 56) Definition der Kleinerrelation für Brüche (Seite 59) Bruchvergleichssatz (Seite 60) 175 176 Definitions- und Satzverzeichnis Definition des Kernbruchs (Seite 64) Kürzungssatz (Seite 65) Kernbruchsatz (Seite 67) Erweiterungssatz (Seite 68) Definition der (abelschen) Gruppe (Seite 69) Satz über Q+ als Gruppe (Seite 70) Effizienzsatz (Seite 71) Vielfachensatz (Seite 73) Produktteilersatz (Seite 74) Satz über die Addition in Q0 (Seite 75) Satz über die Ergänzung in Q0 (Seite 76) Satz über die Multiplikation in Q0 (Seite 76) Bezeichnung des Dezimalbruchs (Seite 78) Satz über Dezimalbrüche (Seite 79) Satz über Differenzengleichheit in N (Seite 81) Definition der Gleichheit von Bidifferenzen in N (Seite 81) Definition der Randdifferenz in N (Seite 82) Satz über Randdifferenzen in N (Seite 83) Definition der Kleinerrelation in Z (Seite 88) Satz über totale Ordnung in Z (Seite 89) Satz über Z als geordnete abelsche Gruppe (Seite 89) Satz über die Multiplikation in Z (Seite 91) Definition des (kommutativen nullteilerfreien) Ringes (Seite 93) Satz über Z als geordneter Integritätsring (Seite 93) Satz über Differenzengleichheit in Q0 (Seite 94) Definition der Gleichheit von Bidifferenzen in Q0 (Seite 95) Definition der Randdifferenz in Q0 (Seite 95) Satz über Randdifferenzen in Q0 (Seite 95) Definition der Kleinerrelation in Q (Seite 99) Satz über totale Ordnung in Q (Seite 99) Satz über Q als geordnete abelsche Gruppe (Seite 100) Satz über die Multiplikation in Q (Seite 101) Definition des archimedisch geordneten Körpers (Seite 104) Satz über Q als archimedisch geordneter Körper (Seite 105) Definition der periodischen und der zulässigen Dezimalzahl (Seite 108) Dezimalzahlsatz (Seite 110) Dezimalschachtelungssatz (Seite 111) Definition der geometrischen Nullfolge (Seite 116) Definitions- und Satzverzeichnis Nullfolgensatz (Seite 117) Definition der geometrischen Konvergenz und des Grenzwerts (Seite 117) Rationalzahlsatz (Seite 119) Periodensatz (Seite 120) Abstandssatz (Seite 122) Einbettungssatz (Seite 122) Definition der Kleiner-gleich-Relation (Seite 123) Definition der gemischten Ungleichungen (Seite 124) Ungleichungssatz (Seite 125) Definition der geometrischen Fundamentalfolge (Seite 128) Fundamentalfolgensatz (Seite 129) Abgeschlossenheitssatz (Seite 129) Definition der geometrischen Intervallschachtelung (Seite 129) Zentrumssatz (Seite 133) Zuordnungssatz (Seite 134) Definition der Limesabbildung (Seite 134) Intervallschachtelungssatz (Seite 138) Verträglichkeitssatz (Seite 138) Limessatz (Seite 142) Körpersatz (Seite 144) Isomorphiesatz (Seite 146) Konvergenzsatz (Seite 148) Vollständigkeitssatz (Seite 148) Definition der elementaren Stetigkeit (Seite 149) Limesvertauschungssatz (Seite 150) Zwischenwertsatz (Seite 153) Satz über Polynomfunktionen mit ungeradem Grad (Seite 154) Extremwertsatz (Seite 156) Satz über C als Körper (Seite 160) Theorem über die Eulersche Formel (Seite 163) Wurzelsatz (Seite 165) Fundamentalsatz der Algebra (Seite 170) 177 Symbolverzeichnis N . . . . . . . . . 12, 28 ν . . . . . . . . . . . . 30 a b . . . . . . . . . . 68 sn . . . . . . . 113 Z . . . . . . . . . 13, 83 Nk . . . . . . . . . . . 30 Q0 . . . . . . . . . . . 68 N . . . . . . . 116 Q . . . . . . . . . 14, 95 ν | An . . . . . . . . 31 + . . . . . . . . . . . 68 per . . . . . . 123 3 Q+ . . . . . . . . 14, 68 Bn . . . . . . . . . . . 31 − . . . . . . . . . . . 68 Q10 . . . . . . 123 3 R . . . . . . . . 15, 108 min . . . . . . . . . . 32 · . . . . . . . . . . . 68 rn . . . . . . . 127 3 R+ . . . . . . 15, 137 max . . . . . . . . . 32 : . . . . . . . . . . . 68 F . . . . . . . 128 3 C . . . . . . . . 16, 159 + . . . . . . . 35, 58, 13 : . . . . . . . . . . 69 Fc,q . . . . . . 128 ∅ . . . . . . . . . . . . . 23 84, 96, 136, 159 kgV . . . . . . . . . 73 [ . . . , . . . ] 129 {. . .} . . . . . . . . . 23 · . . . . . . . . . 36, 61, ( . . . . . . . . 81, 94 cen . . . . . . 133 90, 101, 136, 159 Z− . . . . . . . . . . . 83 lim . . . . . . 134 ∈, ∈ / . . . . . . . . . 23 ⊆, ⊂ . . . . . . . . . 23 bn . . . . . . . . . . . 36 . . . . . . . . 84, 96 / . . . 136, 159 ∩ . . . . . . . . . . . . . 24 n! . . . . . . . . . . . . 36 b . . . e . . . . 84, 94 ◦ . . . . . . . . 158 P \ . . . . . . . . . . . . . 24 . . . . . . . . . . . 37 . . . . . . . . 85, 97 i . . . . . . . . . 159 Q ∪ . . . . . . . . . . . . . 24 . . . . . . . . . . . 37 0− . . . . . . . . . . . 86 Re . . . . . . . 160 2M . . . . . . . . . . . 24 − . . . . . . . 41, 60, −α . . . . . . . 86, 95 Im . . . . . . . 160 (. . . , . . .) . . . . . 24 85, 98, 136, 159 . . . . . . . 90, 100 exp . . . . . . 162 × . . . . . . . . . . . . . 24 d | a . . . . . . . . . . 47 sign . . . . . 92, 103 e . . . . . . . . 162 {. . . | . . .} . . . . 24 d - a . . . . . . . . . 47 | . . . | 92, 103, 161 cos . . . . . . 163 →, 7→ . . . . . . . . 25 : . . . . . . . . . 47, 62 Q− . . . . . . . . . . 95 sin . . . . . . . 163 f (M) . . . . . . . . 25 P . . . . . . . . . . . . 47 sg, z1 z2 . . . 108, 110 π . . . . . . . . 163 card . . . . . . . . . . 25 pn . . . . . . . . . . . 47 zk+1 . . . zk+p . 108 ] . . . , . . . [ ~ . . . . . . . . . . . 109 ≤, <, ≥, > . 26, kP (n) . . . . . . . 48 Q 59, 88, 99, 123 a b . . . . . . . 55, 103 an . . . . . . . . 111 An . . . . . . . . . . . 28 ggT . . . . . . . . . . 65 [ . . . ] . . . . . . . . 112 178 168 GNU Free Documentation License Version 1.2, November 2002 c 2000,2001,2002 Free Software Foundation, Inc. Copyright 51 Franklin St, Fifth Floor, Boston, MA 02110-1301, USA Everyone is permitted to copy and distribute verbatim copies of this license document, but changing it is not allowed. 0. PREAMBLE The purpose of this License is to make a manual, textbook, or other functional and useful document free in the sense of freedom: to assure everyone the effective freedom to copy and redistribute it, with or without modifying it, either commercially or noncommercially. Secondarily, this License preserves for the author and publisher a way to get credit for their work, while not being considered responsible for modifications made by others. This License is a kind of “copyleft”, which means that derivative works of the document must themselves be free in the same sense. It complements the GNU General Public License, which is a copyleft license designed for free software. We have designed this License in order to use it for manuals for free software, because free software needs free documentation: a free program should come with manuals providing the same freedoms that the software does. But this License is not limited to software manuals; it can be used for any textual work, regardless of subject matter or whether it is published as a printed book. We recommend this License principally for works whose purpose is instruction or reference. 1. APPLICABILITY AND DEFINITIONS This License applies to any manual or other work, in any medium, that contains a notice placed by the copyright holder saying it can be distributed under the terms of this License. Such a notice grants a world-wide, royaltyfree license, unlimited in duration, to use that work under the conditions stated herein. The “Document”, below, refers to any such manual or work. Any member of the public is a licensee, and is addressed as “you”. You accept the license if you copy, modify or distribute the work in a way requiring permission under copyright law. A “Modified Version” of the Document means any work containing the Document or a portion of it, either copied verbatim, or with modifications and/or translated into another language. 179 180 GNU Free Documentation License A “Secondary Section” is a named appendix or a front-matter section of the Document that deals exclusively with the relationship of the publishers or authors of the Document to the Document’s overall subject (or to related matters) and contains nothing that could fall directly within that overall subject. (Thus, if the Document is in part a textbook of mathematics, a Secondary Section may not explain any mathematics.) The relationship could be a matter of historical connection with the subject or with related matters, or of legal, commercial, philosophical, ethical or political position regarding them. The “Invariant Sections” are certain Secondary Sections whose titles are designated, as being those of Invariant Sections, in the notice that says that the Document is released under this License. If a section does not fit the above definition of Secondary then it is not allowed to be designated as Invariant. The Document may contain zero Invariant Sections. If the Document does not identify any Invariant Sections then there are none. The “Cover Texts” are certain short passages of text that are listed, as FrontCover Texts or Back-Cover Texts, in the notice that says that the Document is released under this License. A Front-Cover Text may be at most 5 words, and a Back-Cover Text may be at most 25 words. A “Transparent” copy of the Document means a machine-readable copy, represented in a format whose specification is available to the general public, that is suitable for revising the document straightforwardly with generic text editors or (for images composed of pixels) generic paint programs or (for drawings) some widely available drawing editor, and that is suitable for input to text formatters or for automatic translation to a variety of formats suitable for input to text formatters. A copy made in an otherwise Transparent file format whose markup, or absence of markup, has been arranged to thwart or discourage subsequent modification by readers is not Transparent. An image format is not Transparent if used for any substantial amount of text. A copy that is not “Transparent” is called “Opaque”. Examples of suitable formats for Transparent copies include plain ascii without markup, Texinfo input format, LATEX input format, SGML or XML using a publicly available DTD, and standard-conforming simple HTML, PostScript or PDF designed for human modification. Examples of transparent image formats include PNG, XCF and JPG. Opaque formats include proprietary formats that can be read and edited only by proprietary word processors, SGML or XML for which the DTD and/or processing tools are not generally available, and the machine-generated HTML, PostScript or PDF produced by some word processors for output purposes only. The “Title Page” means, for a printed book, the title page itself, plus such following pages as are needed to hold, legibly, the material this License requires to appear in the title page. For works in formats which do not have any title page as such, “Title Page” means the text near the most prominent GNU Free Documentation License 181 appearance of the work’s title, preceding the beginning of the body of the text. A section “Entitled XYZ” means a named subunit of the Document whose title either is precisely XYZ or contains XYZ in parentheses following text that translates XYZ in another language. (Here XYZ stands for a specific section name mentioned below, such as “Acknowledgements”, “Dedications”, “Endorsements”, or “History”.) To “Preserve the Title” of such a section when you modify the Document means that it remains a section “Entitled XYZ” according to this definition. The Document may include Warranty Disclaimers next to the notice which states that this License applies to the Document. These Warranty Disclaimers are considered to be included by reference in this License, but only as regards disclaiming warranties: any other implication that these Warranty Disclaimers may have is void and has no effect on the meaning of this License. 2. VERBATIM COPYING You may copy and distribute the Document in any medium, either commercially or noncommercially, provided that this License, the copyright notices, and the license notice saying this License applies to the Document are reproduced in all copies, and that you add no other conditions whatsoever to those of this License. You may not use technical measures to obstruct or control the reading or further copying of the copies you make or distribute. However, you may accept compensation in exchange for copies. If you distribute a large enough number of copies you must also follow the conditions in section 3. You may also lend copies, under the same conditions stated above, and you may publicly display copies. 3. COPYING IN QUANTITY If you publish printed copies (or copies in media that commonly have printed covers) of the Document, numbering more than 100, and the Document’s license notice requires Cover Texts, you must enclose the copies in covers that carry, clearly and legibly, all these Cover Texts: Front-Cover Texts on the front cover, and Back-Cover Texts on the back cover. Both covers must also clearly and legibly identify you as the publisher of these copies. The front cover must present the full title with all words of the title equally prominent and visible. You may add other material on the covers in addition. Copying with changes limited to the covers, as long as they preserve the title of the Document and satisfy these conditions, can be treated as verbatim copying in other respects. If the required texts for either cover are too voluminous to fit legibly, you should put the first ones listed (as many as fit reasonably) on the actual cover, and continue the rest onto adjacent pages. If you publish or distribute Opaque copies of the Document numbering more than 100, you must either include a machine-readable Transparent copy along 182 GNU Free Documentation License with each Opaque copy, or state in or with each Opaque copy a computernetwork location from which the general network-using public has access to download using public-standard network protocols a complete Transparent copy of the Document, free of added material. If you use the latter option, you must take reasonably prudent steps, when you begin distribution of Opaque copies in quantity, to ensure that this Transparent copy will remain thus accessible at the stated location until at least one year after the last time you distribute an Opaque copy (directly or through your agents or retailers) of that edition to the public. It is requested, but not required, that you contact the authors of the Document well before redistributing any large number of copies, to give them a chance to provide you with an updated version of the Document. 4. MODIFICATIONS You may copy and distribute a Modified Version of the Document under the conditions of sections 2 and 3 above, provided that you release the Modified Version under precisely this License, with the Modified Version filling the role of the Document, thus licensing distribution and modification of the Modified Version to whoever possesses a copy of it. In addition, you must do these things in the Modified Version: A. Use in the Title Page (and on the covers, if any) a title distinct from that of the Document, and from those of previous versions (which should, if there were any, be listed in the History section of the Document). You may use the same title as a previous version if the original publisher of that version gives permission. B. List on the Title Page, as authors, one or more persons or entities responsible for authorship of the modifications in the Modified Version, together with at least five of the principal authors of the Document (all of its principal authors, if it has fewer than five), unless they release you from this requirement. C. State on the Title page the name of the publisher of the Modified Version, as the publisher. D. Preserve all the copyright notices of the Document. E. Add an appropriate copyright notice for your modifications adjacent to the other copyright notices. F. Include, immediately after the copyright notices, a license notice giving the public permission to use the Modified Version under the terms of this License, in the form shown in the Addendum below. G. Preserve in that license notice the full lists of Invariant Sections and required Cover Texts given in the Document’s license notice. H. Include an unaltered copy of this License. GNU Free Documentation License 183 I. Preserve the section Entitled “History”, Preserve its Title, and add to it an item stating at least the title, year, new authors, and publisher of the Modified Version as given on the Title Page. If there is no section Entitled “History” in the Document, create one stating the title, year, authors, and publisher of the Document as given on its Title Page, then add an item describing the Modified Version as stated in the previous sentence. J. Preserve the network location, if any, given in the Document for public access to a Transparent copy of the Document, and likewise the network locations given in the Document for previous versions it was based on. These may be placed in the “History” section. You may omit a network location for a work that was published at least four years before the Document itself, or if the original publisher of the version it refers to gives permission. K. For any section Entitled “Acknowledgements” or “Dedications”, Preserve the Title of the section, and preserve in the section all the substance and tone of each of the contributor acknowledgements and/or dedications given therein. L. Preserve all the Invariant Sections of the Document, unaltered in their text and in their titles. Section numbers or the equivalent are not considered part of the section titles. M. Delete any section Entitled “Endorsements”. Such a section may not be included in the Modified Version. N. Do not retitle any existing section to be Entitled “Endorsements” or to conflict in title with any Invariant Section. O. Preserve any Warranty Disclaimers. If the Modified Version includes new front-matter sections or appendices that qualify as Secondary Sections and contain no material copied from the Document, you may at your option designate some or all of these sections as invariant. To do this, add their titles to the list of Invariant Sections in the Modified Version’s license notice. These titles must be distinct from any other section titles. You may add a section Entitled “Endorsements”, provided it contains nothing but endorsements of your Modified Version by various parties—for example, statements of peer review or that the text has been approved by an organization as the authoritative definition of a standard. You may add a passage of up to five words as a Front-Cover Text, and a passage of up to 25 words as a Back-Cover Text, to the end of the list of Cover Texts in the Modified Version. Only one passage of Front-Cover Text and one of Back-Cover Text may be added by (or through arrangements made by) any one entity. If the Document already includes a cover text for the same 184 GNU Free Documentation License cover, previously added by you or by arrangement made by the same entity you are acting on behalf of, you may not add another; but you may replace the old one, on explicit permission from the previous publisher that added the old one. The author(s) and publisher(s) of the Document do not by this License give permission to use their names for publicity for or to assert or imply endorsement of any Modified Version. 5. COMBINING DOCUMENTS You may combine the Document with other documents released under this License, under the terms defined in section 4 above for modified versions, provided that you include in the combination all of the Invariant Sections of all of the original documents, unmodified, and list them all as Invariant Sections of your combined work in its license notice, and that you preserve all their Warranty Disclaimers. The combined work need only contain one copy of this License, and multiple identical Invariant Sections may be replaced with a single copy. If there are multiple Invariant Sections with the same name but different contents, make the title of each such section unique by adding at the end of it, in parentheses, the name of the original author or publisher of that section if known, or else a unique number. Make the same adjustment to the section titles in the list of Invariant Sections in the license notice of the combined work. In the combination, you must combine any sections Entitled “History” in the various original documents, forming one section Entitled “History”; likewise combine any sections Entitled “Acknowledgements”, and any sections Entitled “Dedications”. You must delete all sections Entitled “Endorsements.” 6. COLLECTIONS OF DOCUMENTS You may make a collection consisting of the Document and other documents released under this License, and replace the individual copies of this License in the various documents with a single copy that is included in the collection, provided that you follow the rules of this License for verbatim copying of each of the documents in all other respects. You may extract a single document from such a collection, and distribute it individually under this License, provided you insert a copy of this License into the extracted document, and follow this License in all other respects regarding verbatim copying of that document. 7. AGGREGATION WITH INDEPENDENT WORKS A compilation of the Document or its derivatives with other separate and independent documents or works, in or on a volume of a storage or distribution medium, is called an “aggregate” if the copyright resulting from the compilation is not used to limit the legal rights of the compilation’s users beyond what GNU Free Documentation License 185 the individual works permit. When the Document is included in an aggregate, this License does not apply to the other works in the aggregate which are not themselves derivative works of the Document. If the Cover Text requirement of section 3 is applicable to these copies of the Document, then if the Document is less than one half of the entire aggregate, the Document’s Cover Texts may be placed on covers that bracket the Document within the aggregate, or the electronic equivalent of covers if the Document is in electronic form. Otherwise they must appear on printed covers that bracket the whole aggregate. 8. TRANSLATION Translation is considered a kind of modification, so you may distribute translations of the Document under the terms of section 4. Replacing Invariant Sections with translations requires special permission from their copyright holders, but you may include translations of some or all Invariant Sections in addition to the original versions of these Invariant Sections. You may include a translation of this License, and all the license notices in the Document, and any Warranty Disclaimers, provided that you also include the original English version of this License and the original versions of those notices and disclaimers. In case of a disagreement between the translation and the original version of this License or a notice or disclaimer, the original version will prevail. If a section in the Document is Entitled “Acknowledgements”, “Dedications”, or “History”, the requirement (section 4) to Preserve its Title (section 1) will typically require changing the actual title. 9. TERMINATION You may not copy, modify, sublicense, or distribute the Document except as expressly provided for under this License. Any other attempt to copy, modify, sublicense or distribute the Document is void, and will automatically terminate your rights under this License. However, parties who have received copies, or rights, from you under this License will not have their licenses terminated so long as such parties remain in full compliance. 10. FUTURE REVISIONS OF THIS LICENSE The Free Software Foundation may publish new, revised versions of the GNU Free Documentation License from time to time. Such new versions will be similar in spirit to the present version, but may differ in detail to address new problems or concerns. See http://www.gnu.org/copyleft/. Each version of the License is given a distinguishing version number. If the Document specifies that a particular numbered version of this License “or any later version” applies to it, you have the option of following the terms and conditions either of that specified version or of any later version that has been 186 GNU Free Documentation License published (not as a draft) by the Free Software Foundation. If the Document does not specify a version number of this License, you may choose any version ever published (not as a draft) by the Free Software Foundation. ADDENDUM: How to use this License for your documents To use this License in a document you have written, include a copy of the License in the document and put the following copyright and license notices just after the title page: Copyright (C) year your name. Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document under the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.2 or any later version published by the Free Software Foundation; with no Invariant Sections, no Front-Cover Texts, and no Back-Cover Texts. A copy of the license is included in the section entitled “GNU Free Documentation License”. If you have Invariant Sections, Front-Cover Texts and Back-Cover Texts, replace the “with. . . Texts.” line with this: with the Invariant Sections being list their titles, with the Front-Cover Texts being list, and with the Back-Cover Texts being list. If you have Invariant Sections without Cover Texts, or some other combination of the three, merge those two alternatives to suit the situation. If your document contains nontrivial examples of program code, we recommend releasing these examples in parallel under your choice of free software license, such as the GNU General Public License, to permit their use in free software. Literaturverzeichnis [1] Dedekind, R.: Was sind und was sollen die Zahlen? Braunschweig 1888, 10 1965, Repr. 1969. [2] Ebbinghaus, H.-D., Hermes, H., Hirzebruch, F., Koecher, M., Mainzer, K., Neukirch, J., Prestel, A. u. R. Remmert (Red. K. Lamotke): Zahlen. Berlin [et al.] 1983, 2 1988. [3] Freudenthal, H.: Mathematik als pädagogische Aufgabe, Band 1. Stuttgart 1973. [4] Führer, L.: Pädagogik des Mathematikunterrichts - Eine Einführung in die Fachdidaktik für Sekundarstufen. Braunschweig/Wiesbaden 1997. [5] Klein, F.: Elementarmathematik vom höheren Standpunkt aus, Band I. Berlin 1933, Nachdruck 1968. [6] Landau, E.: Grundlagen der Analysis. Leipzig 1930, Repr. Darmstadt 1963. [7] Mathkompass: Website http://www.math.uni-muenster.de/u/mollerh. [8] Möller, H.: Elementaranalysis. E-Buch in [7] 2008. [9] Möller, H.: Elementare Zahlentheorie und Problemlösen. Hypertext-Buch in [7] 2008. [10] Oberschelp, A.: Aufbau des Zahlensystems. Göttingen 1968. [11] Padberg, F.: Didaktik der Bruchrechnung. Heidelberg [et al.] 1988, 2 1995. [12] Padberg, F., Danckwerts, R. u. M. Stein: Zahlbereiche. Heidelberg [et al.] 1995. [13] Schubring, G.: Das genetische Prinzip in der Mathematik-Didaktik. Stuttgart 1978. [14] Strehl, R.: Zahlbereiche. Freiburg 1972, Neufassung Hildesheim 1997. 187 Index Abel, N. H., 69 Argand, J. R., 166, 173 Bolzano, B., 27 Cantor, G., 10, 17, 23 Cohen, P. J., 17 Dedekind, R., 10, 12, 19, 27, 172 Euklid, 18, 48, 72, 73 Euler, L., 163 Frege, G., 10, 18 Freudenthal, H., 18, 172 Gauß, C. F., 10, 16 Gödel, K., 17 Hamilton, W. R., 10 Hankel, H., 3 Hilbert, D., 17 Klein, F., 18, 22 Méray, C., 10 Neumann, J. von, 19 Peano, G., 3, 11, 32, 45 Ries(e), A., 55 Toeplitz, O., 173 Weierstraß, K., 10 Zenon von Elea, 119 Zermelo, E., 49 Abbildung, 24 eingeschränkte, 31 abbrechende Dezimalzahl, 121 abelsch, 69, 70, 92 abgeschlossenes Intervall, 129 Addition, 84, 96, 136, 159 Additionsregel, 140 algebraisch abgeschlossen, 16, 170 algebraische Struktur, 45 Algorithmus, 66 allgemeine Summe, 44 allgemeines Produkt, 44 alternierende Summe, 119 Altsteinzeit, 9 analytische Landschaft, 166 Anfang, 28 Anordnung, 13, 14, 15 Antisymmetrie, 89 Äquivalenzklasse, 13 Äquivalenzrelation, 13 Arabien, 9 archimedisch geordnet, 104 archimedisch geordneter Körper, 144 archimedische Eigenschaft, 143 Assoziativität, 39 Axiom, 11 axiomatische Methode, 11, 17 Babylonier, 9 Basistheorie, 3 beschränkt, 32 Betrag, 92, 103, 161 Betragsfläche, 166 Bidifferenz, 81, 94 bijektiv, 25 Bildmenge, 25 biminus, 81 Binomialformel, 24 Binomialkoeffizient, 24 boxmal, 90 boxplus, 84 Bruch, 51, 55 gemischter, 55 188 Index Bruchrechnung, 14 Bruchstrich, 55 Bruchteil, 66 Bruchzahlen, 20 C-Menge, 25 Cauchy-Folge, 10, 15, 129 Cauchysches Konvergenzkriterium, 15 Definition durch Rekursion, 33 Dezimalbruch, 78, 120 negativer, 106 Dezimalbruchdarstellung, 79 Dezimaldarstellung, 38 Dezimalnotation, 9 Dezimalzahl, 108 abbrechende, 121 periodische, 108 zulässige, 108 dicht, 94 Differenz, 24, 41, 60 Distributivität, 41 Division, 14, 47, 54, 104 Divisionsalgorithmus, 112 Dreiecksungleichung, 150, 161 Dreiecksungleichungen, 106, 146 Duo, 4, 81 Durchschnitt, 24 echte Teilmenge, 23 Einbettung isomorphe, 12 einelementig, 27 eingeschränkte Abbildung, 31 Einheitskreis, 163 Einsneutralität, 41 einstufig rekursive Folge, 36 elementar stetig, 149 Elementaranalysis, 171 endlich, 28 Erweiterung, 55 euklidische Methode, 18 189 euklidischer Algorithmus, 72 Eulersche Formel, 163 Eulersche Zahl, 163 Exponentialfunktion, 162 Extremwert, 151 Fakultät, 36 festbleibende Ziffern, 132 Fibonacci-Folge, 37, 66 Folge, 36 einstufig rekursive, 36 geometrische, 113 geometrisch konvergente, 117 konvergente, 15 unbeschränkte, 118 Formalisierung, 11 Formalist, 11 Fundamentalfolge, 129 Fundamentalsatz der Algebra, 166 g-adische Zahlendarstellung, 38 ganze Zahl, 13, 83 Ganzteil, 66, 112 Gaußsche Zahlenebene, 160 gemischte Ungleichung, 124 gemischter Bruch, 55 genetisches Prinzip, 171 geometrisch konvergent, 117 geometrische Folge, 113 geometrische Fundamentalfolge, 128 geometrische Intervallschachtelung, 129 geometrische Nullfolge, 116 geometrische Summe, 113 geordnete Gruppe, 89 geordneter Körper, 104 gleichmächtig, 25 gleichnamig, 55 Gleichsetzung, 68 Grad, 154 Grenzwert, 15, 117, 148 Griechen, 9 größter gemeinsamer Teiler, 65 190 Grundlagenkrise, 11 Gruppe, 69, 70 abelsche, 69 geordnete, 89 Halbgruppe, 12, 46 Hinzunahmeregel, 139 Hochkultur, 9 imaginäre Einheit, 160 Imaginärteil, 160 Indien, 9 Induktionsaxiom, 12, 32 Induktionsprinzip, 11 Integritätsbereich, 93 Integritätsring, 93 Intervall abgeschlossenes, 129 offenes, 168 Intuitionist, 11 Invarianz, 39 invers, 13 inverse Zahl, 15 Inversenabbildung, 69, 86, 136 Inversenzeichen, 87 irrationale Zahl, 9 isomorph, 145 isomorphe Einbettung, 12 Isomorphie, 11, 12 Isomorphismus, 145 k-te Wurzel, 165 Kardinalzahl, 10, 25 Kardinalzahlpostulate, 25 Kehrbruch, 62 Kernbruch, 64 Kernbruchalgorithmus, 66, 68 Kernbruchpost, 72 kerndurch, 68 kernmal, 68 kernminus, 68 kernplus, 68 Index Kette, 11 Kettenbruchalgorithmus, 21, 72 Kettenbruchentwicklung, 135 Kleinerrelation, 88 Kleinstbruch, 63 kommutativ, 46, 69, 70, 92 Kommutativität, 39 komplexe Zahl, 16, 159 komplexe Zahlenebene, 10 konjugiert komplex, 165 Konnexität, 89 Kontextabhängigkeit, 86 Kontinuumshypothese, 17 Kontraposition, 40 konvergente Folge, 15 Konvergenz, 14 geometrische, 117 Körper, 14 algebraisch abgeschlossener, 170 archimedisch geordneter, 144 geordneter, 104 Körperadjunktion, 16 Kürzbarkeit, 41 Kürzen, 56 Kuvert, 151 leere Menge, 23 Leitkoeffizient, 170 lexikographische Anordnung, 106 Limes, 148 Limesabbildung, 134 Linearfaktor, 170 Linearität, 47 Lipschitz-stetig, 150 Mathkompass, 2 Maximum, 32 Menge, 23 Mengenlehre, 11 Metadidaktik, 171 Minimum, 31 Minusabbildung, 136, 159 Index Modell, 11 positionelle Dezimalnotation, 9 Positionssystem, 108 Monotonie, 39 positiv, 13, 14, 137 Monotonieeigenschaft, 111 Multiplikation, 61, 90, 100, 101, 136, Positivbereich, 137 positive Zahl, 9, 15 159 Positivitätstreue, 145 Multiplikationsregel, 141 Potenz, 36 Multiplizierbarkeit, 47 Potenzgleichung, 164 Nachahmungsmethode, 85 Potenzmenge, 24 Nachfolgerabbildung, 12, 30 Potenzreihe, 162 Näherungsbruch, 110 Potenzreihenfunktion, 162 natürliche Zahl, 11, 28 Primärzerlegung, 48 negativ, 13 Primzahl, 47 negative ganze Zahl, 83 Produkt, 36 negative rationale Zahl, 95 allgemeines, 44 negative Zahl, 9 sukzessives, 37 Nenner, 55 Produktmenge, 24 neutrales Element, 46, 70, 136, 159 Produktzeichen, 37 Normaldarstellung, 160 Pythagoreer, 9, 14 Null, 9, 12 Quotient, 47, 54 Nulldominanz, 41 verallgemeinerter, 62 Nullelement, 13 Nullfolge, 15, 115 Randdifferenz, 82, 95 geometrische, 116 Randsymbol, 82 Nullneutralität, 39 rationale Zahl, 14, 95 Nullstelle, 153 Raumalgebra, 171 Nullteilerfreiheit, 41, 91 Realteil, 160 Rechenregel, 9 obere Dreiecksungleichung, 106 reelle Zahl, 15, 108 Oberkörper, 16 Reflexivität, 47 offenes Intervall, 168 regulär, 46 Operationszeichen, 86 Rekursion, 33 Rekursionssatz, 11 Paar, 24 Repräsentant, 68 Paradoxie, 11 repräsentantenweise, 13 Peano-Axiome, 11, 45 reziproke Zahl, 15 Peano-Struktur, 12, 45 Reziprokenabbildung, 136, 159 Periode, 108 Reziprokenregel, 141 periodische Dezimalzahl, 108 Ring, 93 Permanenzprinzip, 3, 12 Rückwärtsstrategie, 64 Polynomfunktion, 150 Säge, 113 Polynomlandschaft, 166 191 192 Schachtelungseigenschaft, 111 Schnecke, 118 Schnitt, 10 Signum, 92, 103 Stammbruch, 55 Starteigenschaft, 111 Stellenwertsystem, 38 Struktur, 45 algebraische, 45 Subtraktion, 41, 85, 97, 98 sukzessive Summe, 37 sukzessives Produkt, 37 Summe, 13, 35 allgemeine, 44 alternierende, 119 geometrische, 113 sukzessive, 37 Summenzeichen, 37 Teiler, 46 größter gemeinsamer, 65 teilerfremd, 47 Teilmenge, 23 total geordnet, 89 Transitivität, 24, 26, 47 Transitivitätsgesetz, 56 Treppe, 119 Trichotomie, 26 Trichter, 130 vollständiger, 139 trigonometrische Funktion, 163 Unabhängigkeit, 17 unbeschränkte Folge, 118 unendlich, 28 untere Dreiecksungleichung, 106 Verbindungszeichen, 81 Vereinigung, 24 Vergleichsregel, 142 Verknüpfungszeichen, 86 Vertreter, 19 Index Vielfaches kleinstes gemeinsames, 73 Vollständigkeit, 15, 17 vollständiger Trichter, 139 Vorperiode, 108 Vorzeichen, 87 Wegnahmeregel, 138 Widerspruchsfreiheit, 17 Wurzel k-te, 165 Zahl ganze, 13, 83 inverse, 15 irrationale, 9 komplexe, 16, 159 natürliche, 11, 28 negative, 9 negative ganze, 83 positive, 9, 15 rationale, 14, 95 reelle, 15, 108 reziproke, 15 Zahlbereichserweiterung, 12 Zahldarstellung, 9 Zahlenebene Gaußsche, 160 komplexe, 10 Zahlenfragen, 172 Zahlengerade, 88 Zahlensystem, 9, 11 Zähler, 55 Zahlzeichen, 9 Zehnpotenzbruch, 78 Zentrum, 133 Ziffer, 38 Zifferneigenschaft, 111 zulässige Dezimalzahl, 108 zweielementig, 27 Zwischenwert, 152