Vom Kalten Krieg zur Koexistenz

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VON 1961 BIS 1973
Vom Kalten Krieg
zur Koexistenz
der Welt in zwei verfeindete militärische Blöcke. Der Kalte Krieg droht zu eskalieren:
Während der Kubakrise ist die Menschheit 1962 nur einen Wimpernschlag von einem Atomkrieg entfernt. Ein besonders grausamer »Stellvertreterkrieg«, dessen Dimension sich
immer weiter auswächst, beginnt 1964 mit dem militärischen Eingreifen der USA in
Vietnam. Die Sowjetunion konzentriert sich im Gegenzug darauf, alle freiheitlichen Bestrebungen in ihren Satellitenstaaten kompromisslos zu unterdrücken.
Die moderne 20-bändige „Große Weltgeschichte“ präsentiert die Geschichte unserer Welt
präzise, leichtverständlich und streng chronologisch. Genaue Einzelinformationen
und verständliche Zusammenhangs- und Spezialdarstellungen mit über 8000
Abbildungen machen die Vergangenheit inhaltlich und visuell erfahrbar. Je drei Bände
beschreiben die Vor – und Frühgeschichte, die Antike und das Mittelalter. Der Zeitraum von
der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wird in fünf, das 20. Jahrhundert
bis zur Gegenwart in sechs Bänden behandelt.
ISBN 978-3-902016-92-8
9 7 83 902 01 692 8
Titelbild: Berliner Mauer; Copyright: corbis
Vom Kalten Krieg zur Koexistenz
Die Berliner Mauer, im August 1961 errichtet, wird zum augefälligen Symbol für die Teilung
WELTGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR GEGENWART
W E LT G E S C H I C H T E V O N D E N A N F Ä N G E N B I S Z U R G E G E N W A R T
18
NO- 18
2. September 1961
7. September 1961
6. September 1961
Blockfreie fordern Frieden
2.9.1961: In offiziellen
Noten an die drei west­
lichen Siegermächte
beanstandet die Sowjet­
union den Missbrauch
der Luftkorridore nach
Berlin zur Einschleusung
von Spionen.
4.9.1961: Obwohl die
Sowjetunion weitere
Versuchsreihen ange­
kündigt hat, nimmt sie
an der Genfer Konferenz
über die Einstellung von
Atomtests teil.
Der Präsident Jugoslawiens,
Josip Tito, ist eine der
wichtigsten Stimmen der
blockfreien Staaten.
In der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad geht die Konferenz von 25 blockfreien Staaten
zu Ende, die am 1. September
zu einem Meinungsaustausch
über internationale Probleme
zusammengetreten waren und
damit ihre Bereitschaft zum
Weltfrieden und zur friedlichen
Zusammenarbeit der Völker demonstrieren wollten.
Teilnehmer der Tagung waren
Afghanistan, Algerien, Äthiopien, Birma, Ceylon (Sri Lanka), Ghana, Guinea, Indien,
Indonesien, Irak, Jemen, Jugoslawien, Kambodscha (Kampuchea), Kongo (Zaïre), Kuba,
Libanon, Mali, Marokko, Nepal, Saudi-Arabien, Somalia,
Sudan, Tunesien, Vereinigte
Arabische Republik (Ägypten,
Syrien); Bolivien, Brasilien und
Ecuador waren durch Beobachter vertreten. Die Sicherung des
Friedens, Fragen der Abrüstung, der Kampf gegen Kolonialismus sowie gegen die Rassendiskriminierung gehörten
neben der Durchsetzung des
Selbstbestimmungsrechts der
Völker zu den Hauptthemen
der Belgrader Konferenz, die
vor allem aufgrund der Initiativen des jugoslawischen Regierungschefs Josip Tito, seines
ägyptischen Kollegen Gamal
Abd el Nasser und des indischen
Premierministers Jawaharlal
Nehru zustande gekommen ist.
Die drei Staatschefs gelten als
Vorkämpfer für den Gedanken
der Blockfreiheit und der friedlichen Koexistenz.
Angesichts der ergebnislosen
Gipfelkonferenz zwischen US-
Präsident John F. Kennedy und
dem sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow in
Wien und der sich aufgrund
der Berlinkrise verschärfenden
Spannungen zwischen Ost und
West versuchen diese Politiker,
eine neutrale Außenpolitik zu
finden und bemühen sich um
ein gemeinsames Auftreten der
blockfreien Staaten. In einer 27Punkte-Erklärung nehmen die
25 Teilnehmerstaaten zum Abschluss der Konferenz zu Fragen der internationalen Politik
ausdrücklich Stellung.
Im Gegensatz zu den Diskussionen während der Konferenz,
wo dem Berlin- und Deutschlandproblem größte Bedeutung
beigemessen wurde, wird dieser
Themenkomplex erst in Punkt
27 des Schlussdokuments behandelt. Dort heißt es: »Die
Teilnehmerländer sind der Ansicht, dass das deutsche Problem
nicht ein regionales Problem
darstellt, sondern zwangsläufig
einen entscheidenden Einfluss
auf den Verlauf der weiteren
Entwicklung in den internatio­
nalen Beziehungen ausüben
wird. Über die Entwicklung
besorgt, die zur Verschlechterung der Situation in Deutschland und Berlin führte, fordern
die Teilnehmerländer alle betroffenen Seiten auf, bei der
Lösung der deutschen Frage
oder des Berlinproblems nicht
zur Gewalt oder zur Androhung
von Gewalt zu greifen.«
Die 27-Punkte-Erklärung beginnt mit der Forderung nach
Abschaffung des Kolonialismus.
In diesem Zusammenhang wird
die Unabhängigkeit von Algerien und Angola gefordert und
der Abzug fremder Truppen aus
Militärbasen wie Guantánamo
auf Kuba oder Biserta in Tunesien verlangt. Außerdem wird
die Apartheidpolitik in Südafrika verurteilt.
6.9.1961: Das Statis­
tische Bundesamt teilt
mit, dass der Genuss von
Konsummitteln in der
Bundesrepublik Deutsch­
land im vergangenen Jahr
stark zugenommen habe.
7. September 1961
Brasilien feiert neuen Präsidenten
João Belchior Marques Goulart,
der am 3. September seine Zustimmung zur Verfassungsänderung gegeben hat, die eine
Umwandlung des bestehenden
Präsidialregimes in eine parlamentarische Verfassung vorsieht, tritt sein Amt als brasilianischer Staatspräsident an.
Am 9. September ernennt
Marques Goulart den konservativen Sozialdemokraten
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Tancredo Neves zum Ministerpräsidenten. Die Verfassungsänderung, die eine Beendigung
des bürgerkriegsähnlichen Zustandes nach dem Rücktritt
des Präsidenten Janio da Silva
Quadros einleitete, war am ­
2. September im Kongress angenommen worden. Daraufhin
erklärten sich die drei Militärminister mit Goularts Präsidentschaft einverstanden.
25
05.10.2007 7:49:26 Uhr
8. September 1961
28. September 1961
18. September 1961
Dag Hammarskjöld fliegt in den Tod
8.9.1961: Auf der Fahrt
von Paris zu seinem
Landsitz in Colombeyles-deux-Eglises entgeht
Frankreichs Präsident
Charles de Gaulle knapp
einem Attentat.
9.9.1961: Die US-Marine
stellt mit dem 216 m
langen Kreuzer »Long
Beach« das erste Über­
wasserkriegsschiff mit
Atomantrieb in Dienst.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hammarskjöld, verunglückt tödlich
auf dem Flug von Léopoldville
(Kinshasa) im Kongo (Zaïre) zur
nordrhodesischen Stadt Ndola.
Der 56-jährige Schwede wollte
in Ndola mit dem gestürzten
Präsidenten der abtrünnigen
Kongo-Provinz Katanga, Moi-
se Tschombé, zusammentreffen,
um Verhandlungen über einen
Waffenstillstand zu führen. Als
Ursache für den ungeklärten
Absturz während des Landeanflugs werden ein technischer
Defekt, aber auch ein Abschuss
der Maschine genannt. Postum
erhält Hammarskjöld 1961 den
Friedensnobelpreis.
20. September 1961
Fenstersprung in den Westen
In den frühen Morgenstunden
beginnen die Behörden der
DDR mit der Räumung der
Wohnungen an der Sektorengrenze zwischen dem Ost- und
dem Westteil von Berlin.
Diese gewaltsamen Evakuierungen betreffen zunächst die
unmittelbar an der Sektorengrenze gelegenen Gebäude,
werden im Laufe der nächsten
Bewohner der Bernauer Stra­
ße in Berlin flüchten aus den
Fenstern in den Westen.
26
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Tage jedoch auch auf Häuser
ausgedehnt, die 100 m von der
Grenze entfernt stehen. Die
Räumungsmaßnahmen setzen
im Bezirk Neukölln ein, wo
unter schwerster Bewachung
durch ein großes Aufgebot von
Volkspolizisten rund 250 Menschen aus 20 Häusern evakuiert
werden. Den Mietern war die
Räumung vorher nicht ange-
kündigt worden. Im SED-Zentralorgan »Neues Deutschland«
werden die Zwangsmaßnahmen
am 22. September legitimiert:
Die Evakuierung geschehe zur
eigenen Sicherheit der Bewohner, da an der Grenze Rowdys,
Reporter und Filmleute randalierten. Am 24. September werden die Evakuierungen an der
Bernauer Straße fortgesetzt. Bewohner versuchen, durch einen
Sprung aus den oberen Stockwerken der Häuser auf Westberliner Gebiet zu flüchten. Die im
Westteil alarmierte Feuerwehr
spannt Sprungtücher auf, damit sich die Flüchtenden nicht
verletzen. Rauchbomben geben
den Fliehenden Sichtschutz.
28. September 1961
Syrien nabelt sich von Arabern ab
Unzufriedenheit über die Ägyptisierungspolitik von Präsident
Gamal Abd el Nasser und die
wirtschaftliche Gleichschaltung
Syriens mit Ägypten innerhalb
der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) führen in Damaskus zu einem Militärputsch und
zum Austritt Syriens aus der
VAR. Getragen wird der erfolgreiche Aufstand von Teilen der
sozialistischen Bathpartei und
des Offizierskorps.
Am 29. September wird in Syrien eine Regierung unter Minis­
terpräsident Mahmun al Kuz­bari gebildet, der auch Außenund
Verteidigungsminister
wird. Als wichtigste Aufgabe
bis zu den Parlamentswahlen
am 1. Dezember bezeichnet
Kuzbari die Wiederherstellung
der Grundfreiheiten, die Verstärkung der Armee und die
Gewährung gewerkschaftlicher
Freiheiten. Außerdem soll der
Wohlstand gefördert werden.
Die neue syrische Regierung
wird noch im September von
Jordanien und der Türkei anerkannt. Anfang Oktober folgen
weitere Staaten diesem Beispiel,
unter ihnen die UdSSR.
Der ägyptische Staatschef Gamal Abd el Nasser, der zunächst
mit Waffengewalt gegen den
Putsch vorgehen will, verhält
sich angesichts des Ausmaßes
der Revolte abwartend. Tunesien und Marokko sprechen
dem ägyptischen Präsidenten
angesichts dieses Verhaltens
ihre Sympathie aus.
Frauen haben bei den
ersten Wahlen nach der
Unabhängigkeit Syriens das
Wahlrecht, müssen aber in
gesonderten Wahlräumen
zur Urne gehen.
27
05.10.2007 7:49:28 Uhr
1. Oktober 1961
Großer Bahnhof für die
Transsibirische Eisenbahn in
Ussuriysk.
19. Oktober 1961
1. Oktober 1961
10. Oktober 1961
Handeln unter einem Dach
Transsib rollt elektrisch
Als Nachfolgerin der Organisation für Europäische Zusammenarbeit (OEEC) wird in Paris
die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegründet.
Neben den OEEC-Staaten Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich,
Österreich, Schweiz, Schweden
und Groß­britannien werden
auch die USA und Kanada der
Organisation angehören.
Hinter der Gründung der
OECD steht der Versuch, die
Atlantische Gemeinschaft wirtschaftlich zu untermauern, eine
einheitliche westliche Konjunkturpolitik zu entwickeln und
die Hilfe für die Staaten der
Dritten Welt zu koordinieren.
Das erklärte Ziel der OECD ist
eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung bei steigendem
Lebensstandard der Mitgliedsländer unter Wahrung der
­fi nanziellen Stabilität. Zu diesem Zweck soll insbesondere der
Welthandel ausgebaut werden.
Die Transsibirische Eisenbahn
ist zum größten Teil auf elektrischen Betrieb umgestellt. Auf
5500 km der insgesamt 9300 km
langen Strecke werden die Züge
fortan mit Strom angetrieben.­
Die Transsibirische Eisenbahn
(Transsib) gehört zu den längsten Gleisstrecken der Welt.
Sie verbindet die sowjetische
Hauptstadt Moskau mit Wladiwostok am Pazifik und ist von
herausragender wirtschaftlicher
und militärischer Bedeutung.
Wunsch nach einer engeren
Zusammenarbeit mit Adenauer
im Interesse einer Kontinuität
der Politik nach dem Rücktritt
des Kanzlers. Adenauer sichert
seinen Parteifreunden zu, Erhard werde von Anfang an bei
den politischen Entscheidungen
Frankreich schiebt Algerier ab
Adenauer will aussteigen
28
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auch über seine Verantwortung
als Bundeswirtschaftsminister
hinaus gehört werden. Während
sich die Bildung einer Koalition
zwischen FDP und CDU/CSU
abzeichnet, fordert Willy Brandt
die Bildung einer Regierung, an
der auch die SPD beteiligt ist.
19. Oktober 1961
17. Oktober 1961
Bundeskanzler Konrad Ade­
nauer erklärt vor der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion, er
wolle nicht für die ganzen vier
Jahre der Legislaturperiode im
Amt bleiben, sondern zu einem
Zeitpunkt zurücktreten, der
seinem Nachfolger eine Einarbeitung bis zu den Bundestagswahlen 1965 ermögliche.
Adenauer lehnt es allerdings
Konrad Adenauer bei einer
Rede auf dem 9. Bundespar­
teitag der Christdemokraten
in Karlsruhe
ab, einen Termin festzulegen,
an dem er seine Amtsgeschäfte übergeben will. Eine solche
Festlegung war von der FDP in
den Koalitionsverhandlungen
verlangt worden. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard,
der als Vizekanzler einer neuen Regierung und Nachfolger Adenauers vorgesehen ist,
äußert vor der Fraktion den
Nach Demonstrationen von
Algeriern in Paris gegen die
restriktiven Maßnahmen der
Regierung beginnt die Anfang
September beschlossene Deportation unliebsamer Algerier in
ihre Heimat, wo sie unter Hausarrest gestellt werden sollen.
Anlass der neuen Unruhen
am 17. und 18. Oktober sind die
von der Polizeipräfektur in Paris
verhängten Maßnahmen gegen
die Algerier, vor allem das Ausgehverbot und das Verbot des
Besuchs von öffentlichen Loka-
len in den Abend- und Nachtstunden. Bei den Demonstrationen kommen vier Algerier
ums Leben, etwa 400 werden
verletzt und über 13 000 verhaftet. Rund 2000 Algerier sollen
in den nächsten Tagen in ihre
Heimat abgeschoben werden.
Der französische Innenminister Roger Frey begründet die
Unterdrückungsmaßnahmen
mit der hohen Zahl der Attentate in Paris. Vom 29. August bis
7. Oktober seien durch Algerier
102 Attentate verübt worden.
3.10.1961: Der ehemalige
Hoffotograf Anthony
Armstrong-Jones, Gatte
der britischen Prinzessin
Margret, wird in den
Adelsstand erhoben.
29
05.10.2007 7:49:30 Uhr
20. Oktober 1961
31. Oktober 1961
21. Oktober 1961
20.10.1961: Schwe­
den bereitet einen
Notstandsplan für die
von der Sowjetunion
geplante Explosion einer
50-Megatonnen-Atom­
bombe vor.
23.10.1961: Wegen der
seit Jahren andauernden
Grenzstreitigkeiten
bricht Kambodscha die
diplomatischen Bezie­
hungen zu Thailand ab.
31. Oktober 1961
Ägyptens Oberschicht enteignet
Stalinerbe belastet Russen
Der ägyptische Staatspräsident
Gamal Abd el Nasser holt zu
einem Schlag gegen die Oberschicht seines Landes aus: Er
lässt 40 einflussreiche Personen
verhaften und 167 enteignen.
Mit dieser Maßnahme will der
Präsident seine Reformpolitik
schützen, die laut offizieller Pro­
paganda vor allem dem Wohl der
ärmeren Bevölkerungsschich­ten
auf dem Land, den Fellachen,
dienen soll. Nasser befürchtet,
dass das Besitzbürgertum sei-
Der 22. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der am 17. Oktober
von dem sowjetischen Parteiund Regierungschef Nikita
Chruscht­schow in Moskau eröffnet worden war, bringt eine
Bekräftigung der 1956 eingeleiteten Entstalinisierung und
eine Betonung der Politik der
friedlichen Koexistenz.
Chruschtschow hatte in seiner
Eröffnungsrede die Bedeutung
der Zusammenarbeit aller sozialistischen Staaten bekräftigt, sich aber scharf gegen die
selbstständige Politik Jugoslawiens und Albaniens gewandt.
Die UdSSR soll in Zukunft eine
flexiblere Außenpolitik betreiben und ihr Augenmerk stärker
auf die Entwicklungsländer der
Dritten Welt richten.
In der Frage der Deutschlandund Berlinpolitik erklärt der
sowjetische Parteichef: »Wenn
die Westmächte Bereitschaft
zur Regelung des deutschen
Problems zeigen, so wird die
Frage des Termins der Unterzeichnung eines deutschen
Friedensvertrags nicht solche
Bedeutung haben.«
Ein weiterer Hauptpunkt des
Parteitags war die Abrechnung
mit der dogmatischen »parteifeindlichen« Gruppe um den
ehemaligen Verteidigungsminister Wjatscheslaw Molotow.
Chruschtschow erklärt, diese
Gruppe habe sich entschieden
gegen die auf dem 20. Parteitag
1956 begonnene Entstalinisierung, die Verurteilung der Ter-
nen »arabischen Sozialismus«
zu Fall bringen könnte. Die
harte Enteignungspolitik des
ägyptischen Staatsoberhaupts
stößt jedoch auf den Widerstand
nicht nur der Oberschicht: Auch
die konservative muslimische
Geistlichkeit fühlt sich durch
die Reformpolitik Nassers aufs
Schärfste herausgefordert. Der
Staatspräsident hatte sein Vorhaben bereits am 16. Oktober
in einer Radioansprache angekündigt.
25. Oktober 1961
Broadway-Erfolg verzaubert Europa
»My Fair Lady« mit deut­
schen Stars (vorn von l.):
Friedrich Schönfelder, Paul
Hubschmid, Karin Hübner
und Rex Gildo
Im neu eröffneten »Theater des
Westens« in Westberlin wird
das Musical »My fair Lady«
zum ersten Mal in deutscher
Sprache aufgeführt. Das Musical, das von Frederick Loewe
komponiert wurde und nach
dem Text von Alan Jay Lerner
gespielt wird, hatte seine Uraufführung 1956 in New York
erlebt. Seitdem wurde es rund
30
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10 000-mal gespielt, seit 1958
auch im Londoner Drury Lane
Theatre. Auch die deutsche
Uraufführung des Musicals in
Berlin wird zum Erfolg. Vor
allem Karin Hübner in der Titelrolle zeigt sich ihrer Partie,
die Gesang, Tanz und schauspielerisches Können verlangt,
gewachsen und wird zum erklärten Publikumsliebling.
rormaßnahmen und des Personenkults um den ehemaligen
Staats- und Parteichef Josef
Stalin gewehrt.
Gegen diese Neuorientierung
der sowjetischen Politik in Richtung auf mehr politische Flexibi­
lität protestierte am 21. Oktober
der chinesische Regierungschef
Chou En-lai mit einer demonstrativen Kranzniederlegung an
Stalins Grab und seiner verfrühten Abreise nach China.
Partei- und Regierungschef
Nikita Chruschtschow bei
seiner Eröffnungsrede zum
22. Parteitag der Kommuni­
stischen Partei
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05.10.2007 7:49:32 Uhr
4. November 1961
19. November 1961
14. November 1961
Adenauer wieder Kanzler
Nach den Wahlen zum vierten
Deutschen Bundestag, die fast
zwei Monate zurückliegen, wird
in Bonn das vierte Kabinett unter Konrad Adenauer vereidigt.
Der neuen CDU/CSU/FDPRegierung gehören zwölf Mitglieder der CDU, vier der CSU
Gerstenmaier mit 463 von 504
Stimmen zum dritten Mal zum
Bundestagspräsidenten wählte,
war erst eine Vorentscheidung
gefallen: Die FDP machte deutlich, dass sie einer Adenauerregierung doch beitreten würde,
wenn Adenauer seine Amtszeit
17. November 1961
UNO-Soldaten im Kongo ermordet
Trotz des am 13. Oktober abgeschlossenen Waffenstillstands
zwischen der UNO und der Regierung von Katanga gehen im
Kongo die bewaffneten Auseinandersetzungen weiter.
Nachdem es bereits Ende Oktober zu Kämpfen zwischen
Katangatruppen und Einheiten der kongolesischen Zentralregierung gekommen war,
drangen die Kongotruppen
unter General Joseph Desire
Mobutu Anfang November
rund 60 km tief in Katanga ein.
Den Katanga-Einheiten gelang
es zwar zunächst, die Truppen zurückzuschlagen, Mobutu
konnte jedoch am 14. November Nordkatanga besetzen. Am ­
11. November kam es in der Provinz Kivu zu Meutereien der
Kongosoldaten, bei denen 13
Italiener der UN-Truppen ermordet wurden. Diese Morde
bilden den Anlass für ein stärkeres militärisches Engagement
der UNO in dem von Krisen
geschüttelten Gebiet.
Teile der Rebellenarmee von
Katanga greifen in der Nähe
des Flughafens von Eliza­
bethville die UN-Truppen an.
19. November 1961
Weltkirchen beraten sich in Indien
Erste Sitzung des neuen Ka­
binetts mit Konrad Adenauer
(3. v. r.), Ludwig Erhard,
(4. v. r.) sowie mit Walter
Scheel und Eli­sabeth
Schwarzhaupt (beide hinten
stehend). Mit der Gesund­
heitsministerin wird erst­
mals in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutsch­
land eine Frau Regierungs­
mitglied.
32
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und fünf der FDP an. Die Ko­
alitionsverhandlungen zwischen
CDU/CSU und FDP waren nur
langsam vorangekommen. Anfang Oktober kam es zu ersten
Gesprächen, doch bildete die
Wahlkampfaussage der Freien Demokraten, sich nicht an
einer von Adenauer geführten
Regierung zu beteiligen, ein
Hindernis. Als sich am 17. Oktober der vierte Deutsche Bundestag kons­tituierte und Eugen
begrenzen würde. Am selben
Tag gab Bundeskanzler Konrad
Adenauer eine entsprechende
Entscheidung bekannt.
Die Freien Demokraten erklärten sich daraufhin zu einer
Koalition bereit. Am 7. November wurde Konrad Adenauer
mit 258 gegen 206 Stimmen
bei 26 Enthaltungen zum deutschen Bundeskanzler gewählt.
Es ist der vierte Wahlsieg für
Adenauer als Regierungschef.
Unter dem Vorsitz des evangelischen Bischofs von BerlinBrandenburg, Otto Dibelius,
tritt die Weltkirchenkonferenz
in Neu-Delhi zusammen. Zuvor ist die bis zum 5. Dezember
dauernde dritte Vollversammlung des Ökumenischen Rates
der Kirchen mit einem gemeinsamen Gottesdienst feierlich eröffnet worden.
Insgesamt nehmen 625 Delegierte aus mehr als 50 Ländern
an der Konferenz in Indien teil,
die unter dem Thema »Jesus
Christus – das Licht der Welt«
steht. Die Tagung dient in erster
Linie der Verständigung aller
Kirchen sowie der Beratung
über aktuelle Weltprobleme. So
endet die Vollversammlung mit
einem Appell für einen Stopp
des Rüstungswettlaufs. Weiter
fordert die Vollversammlung
die Einstellung aller Atomwaffentests und eine Stärkung
der Rolle der Vereinten Nationen in New York.
Im Ökumenischen Rat der
Kirchen sind mehr als 300
Mio. Christen in 198 Kirchen
aus etwa 60 Ländern vereint. Er
wurde am 23. August 1948 in
Amsterdam gegründet.
4.11.1961: Der Führer der
Nationalen Radikalen
Union, Konstantinos Ka­
ramanlis, bildet die neue
griechische Regierung.
Sein Wahlerfolg gilt als
umstritten.
16.11.1961: Das im Jahr
1653 entstandene Rem­
brandt-Gemälde »Aris­
toteles betrachtet die
Büste Homers« erzielt
bei einer Auktion in New
York 2,3 Mio. Dollar.
33
05.10.2007 7:49:34 Uhr
20. November 1961
1. Dezember 1961
20. November 1961
Großer Bahnhof bei Krupp in Essen
Schichtwechsel im Schatten
der Produktionsanlagen:
Arbeiter verlassen das Ge­
lände der Krupp-Werke.
Die Firma Fried. Krupp in Essen, seit fünf Generationen im
Besitz der Familie, feiert ihr
150-jähriges Jubiläum.
Mehr als 2000 Gäste versammeln sich aus diesem Anlass zu
einer Feierstunde in einer eigens
zu diesem Zweck errichteten
Traglufthalle, einem der jüngsten Erzeugnisse des Konzerns.
In der Reihe der Ehrengäste
finden sich u. a. Altbundespräsident Theodor Heuss, der
die Festrede hält, Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard
als Vertreter des Bundeskanzlers
Konrad Adenauer, Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier
sowie Botschafter und Gesandte aus 26 Nationen. Heuss und
Erhard beschäftigen sich in
ihren Reden u. a. mit der Verkaufsauflage, die Alfried Krupp
von Bohlen und Halbach nach
seiner Entlassung aus der Haft
der Alliierten 1951 unterschrieben hatte. Die Auflage besagt,
dass Krupp sich von seinem
gesamten Bergbaubesitz, dessen Wert auf rund 2,5 Mrd.
Euro geschätzt wird, zu trennen habe. Bei den Reden wird
das Bemühen deutlich, die Vergangenheit der Firma Krupp als
»Waffenschmiede der Nation«
vergessen zu machen.
20. November 1961
Türkei mit EWG-Ambitionen
Ismet Inönü, der Führer der
Republikanischen Volkspartei,
die bei den Parlamentswahlen
vom 15. Oktober einen knappen
Vorsprung vor der Gerechtigkeitspartei erreicht hat, wird
türkischer Ministerpräsident.
Bereits am 26. Oktober war
General Cemal Gürsel zum
Staatsoberhaupt der Türkei gewählt worden.
34
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Die Republikanische Volkspartei war vor dem Militärputsch vom 27. Mai 1960 die
stärkste oppositionelle Kraft
gegen die regierende Demokratische Partei des beim Militärputsch gestürzten Ministerpräsidenten Adnan Menderes, der
am 17. September hingerichtet
worden ist. Ismet Inönü, der ein
enger Weggefährte des bereits
1938 verstorbenen Republikgründers Kemal Atatürk ist,
wird zum dritten Mal türkischer
Regierungschef. Er steht einer
Koalition seiner Partei mit der
Gerechtigkeitspartei vor.
Innenpolitisch will die neue
Regierung das Kriegsrecht
aufheben und das Streikverbot beenden. In der Außenpolitik wird der westliche
Kurs, die Mitgliedschaft in der
NATO, dem Nordatlantischen
Verteidigungspakt, bekräftigt.
Der neue Regierungschef deutet auch den Wunsch der Türkei
nach einer Mitgliedschaft in der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) an.
26. November 1961
Finnland setzt weiter auf Neutralität
Der finnische Staatspräsident
Urho Kekkonen kehrt von seinem dreitägigen Besuch bei ­
dem sowjetischen Regierungsund Parteichef Nikita Chruschtschow in Nowosibirsk zurück.
Es ist ihm gelungen, Chruschtschows angeschlagenes Vertrauen in die finnische Neutralitätspolitik wiederherzustellen.
Die innenpolitische Situation
Finnlands, die durch starke parteipolitische Gegensätze geprägt
ist, die Unmöglichkeit, eine starke Regierung zu bilden und die
schwierige Stellung Kekkonens
– für die UdSSR ein Garant der
bisherigen Neutralitätspolitik –
hatten Moskau zum Eingreifen
veranlasst. Da durch die Berlin-
krise die Sicherheitsinteressen
der UdSSR gefährdet seien, hatte die Sowjetunion der Regierung Finnlands vorgeschlagen,
»Konsultationen über Maßnahmen zur Sicherung der
Grenzen beider Länder« durchzuführen. Kekkonen hatte
daraufhin am 14. November
das Parlament aufgelöst und
Neuwahlen ausgeschrieben. Er
begründete diesen Schritt mit
den erhöhten internationalen
Spannungen, die eine Sammlung der nationalen Kräfte zur
Zusammenarbeit verlangten.
Kekkonen war daraufhin zu
den erfolgreichen Gesprächen
nach Moskau gereist, sein Gegenkandidat tritt zurück.
Der türkische Politiker Ismet
Inönü manövriert die Türkei
auf einen westlichen Kurs.
30.11.1961: Die UdSSR
lehnt während einer
Sitzung des UN-Sicher­
heitsrates die Aufnahme
des Ölscheichtums
Kuwait in die Vereinten
Nationen ab.
1.12.1961: Zum ersten
Mal seit dem Ausschei­
den aus der Vereinigten
Arabischen Republik
(VAR) wählt Syrien ein
neues Parlament.
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05.10.2007 7:49:37 Uhr
Fokus
Krank durch Medizin
Der Conterganskandal erschüttert die Welt
In der Bundesrepublik Deutschland, Schweden, Großbritannien und anderen europäischen Ländern kommt es durch das Schlafmittel Contergan zum folgenschwersten
Arzneimittelskandal der Nachkriegszeit. Mehrere Zehntausend Kinder werden Opfer
von Contergan und mit schweren Missbildungen an den Gliedmaßen geboren.
N
achdem öffentlich darüber diskutiert
wird, dass das Schlafmittel Contergan wahrscheinlich Missbildungen
verursache, zieht die Firma Chemie Grünenthal in Stolberg (bei Aachen) – noch vor
den behördlichen Anordnungen – das von
ihr produzierte thalidomidhaltige Arzneimittel vom Markt zurück. Am 18. November 1961 hat der Kinderarzt Widukind Lenz
Fokus
ber 1957 und November 1961 nahmen ca.
fünf Millionen Menschen das Medikament
in etwa 300 Mio. Tagesdosen (à 100 mg) ein.
Im Januar 1961 wurden ca. 20 Mio. Tagesdosen ver­kauft, etwa 70 000 Bundesbürger
verwandten das Mittel regelmäßig. Bei der
Firma gingen nur etwa 500 Meldungen über
(geringfügige) Nebenwirkungen ein. Anfang
1961 erschienen Berichte über nervöse Krib-
länder insgesamt 2625 Kinder mit einem
Dysmelie-Syndrom registriert. Doch auch
in anderen Ländern, in denen thalidomidhaltige Präparate vertrieben wurden, sind
zahlreiche Opfer zu beklagen. So kommt
es z. B. in Großbritannien zu einem Prozess
gegen den Lizenzhersteller Destillers Ltd., in
dem 62 Klagen auf Schadenersatz verhandelt werden. Am 27. Mai 1968 beginnt in
im Rahmen der Jahreshauptversammlung
der rheinisch-westfälischen Kinderärzte in
Düsseldorf zum ersten Mal öffentlich den
Verdacht geäußert, dass die Einnahme von
Thalidomid (Contergan) mit dem plötzlichen
Anstieg der Zahl missgebildeter Neugeborener zusammenhängen könne. Bereits zuvor
war von mehreren Ärzten vermutet worden,
dass die erhöhte Missbildungsrate durch äußere Faktoren verursacht wurde.
Tierversuche ohne Ergebnis
Die siebenjährige Ann Eriksson übt mit Armprothesen
an einem schräg gekipptenSchreibtisch.
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Kurze Zeit später melden sich mehrere Hundert Mütter, die Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt gebracht hatten. Den
Säuglingen fehlen Arme, Beine, Zwischenglieder oder Ohren. Die intensive Befragung
der Mütter bestätigt den Verdacht, dass
Contergan, das bis dahin als hervorragend
wirkendes und nicht mit Nebenwirkungen
belastetes Beruhigungs- und Schlafmittel gilt
und deshalb gern von Schwangeren eingenommen wird, schwere Missbildungen, vor
allem der Gliedmaßen, an den Kindern im
Mutterleib hervorruft.
Die Substanz »K 17«, die weder in den Tierversuchen noch in den klinischen Arzneimittelprüfungen bedenkliche Nebenwirkungen
hatte erkennen lassen, war im Mai 1954 als
Patent angemeldet und unter der Kurzbezeichnung »thalidomide« bei der Weltgesundheitsorganisation WHO registriert worden.
Unter dem Handelsnamen Contergan kam
sie am 1. Oktober 1957 auf den Markt, nachdem zuvor 300 Patienten eine Versuchsserie
mit dem Mittel ohne erkennbare Nebenwirkungen absolviert hatten. Zwischen Okto-
Der contergangeschädigte Thomas Quasthoff gilt als einer der besten Konzertsänger Europas.
belgefühle in den Extremitäten (sensible Polyneuritis) nach längerer Thalidomideinnahme.
Die Firma nahm dies zum Anlass, Contergan
unter Rezeptpflicht stellen zu lassen. Eine solche Verschreibungspflicht wurde auch vom
Bundesgesundheitsamt und der Arzneimittelkommission der Ärzte empfohlen. Gleichwohl
galt Contergan noch bis zum Herbst 1961 als
hervorragendes Schlafmittel.
Im Dezember 1961 werden bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Aachen Strafanzeigen gegen den Hersteller gestellt. Als
Folge der Contergan-Katastrophe werden
bei den Gesundheitsbehörden der Bundes-
Deutschland der Contergan-Prozess vor
der Großen Strafkammer des Landgerichts
Aachen. Sieben leitende Angestellte der Firma
Chemie Grünenthal sind wegen fahrlässiger
Tötung und Vergehen gegen Vorschriften des
Arzneimittelrechts angeklagt. Das Gericht
hält Thalidomid allgemein für geeignet, körperliche Missbildungen am Fetus hervorzurufen. Ein Urteil wird jedoch nicht gefällt:
Das Gericht beschließt am 18. Dezember
1970, den Prozess einzustellen. Es kommt zu
einem außergerichtlichen Vergleich, bei dem
die Firma sich zur Zahlung einer Entschädigung an die Opfer verpflichtet.
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Dezember1961
1961
15. Dezember
10. Dezember 1961
10. Dezember 1961
15.12.1961: Die Gewerk­
schaften in den USA
beschließen, den von
US-Präsident John F.
Kennedy geforderten
Zurückhaltungen bei der
Forderung nach höheren
Löhnen nicht zu folgen.
15. Dezember 1961
Unglücksopfer bekommt Nobelpreis
Hitlers Vollstrecker verurteilt
In Stockholm und Oslo werden
die diesjährigen Nobelpreisträger geehrt. In Stockholm werden
die Preise für Physik, Chemie,
Medizin und Literatur verliehen. Der Jugoslawe Ivo Andrić
wird mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt, für die epische
Kraft, mit der er Motive und
Schicksale aus der Geschichte
seines Landes gestaltet. Den
Friedensnobelpreis, der in der
norwegischen Hauptstadt Oslo
verliehen wird, erhält postum
der schwedische Politiker Dag
Der am 11. April in Jerusalem
begonnene Prozess gegen den
ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann
endet mit der Verkündung des
Todesurteils wegen Verbrechen
gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit
und Kriegsverbrechen.
In der Urteilsbegründung
sprechen die Richter dem Verurteilten jedes Alibi ab. Eichmann
habe die Befehle, Millionen von
Juden dem Tod auszuliefern,
nicht nur befolgt, sondern sie
auch mit Eifer jahrelang ausgeführt. Eichmanns Teilnahme an der Ausrottung, seine
Mittäter- und Mitwisserschaft
habe ihn zu einem Hauptschuldigen gemacht, der viel größere
Schuld auf sich geladen habe als
diejenigen, die den Judenmord
tatsächlich ausgeführt hätten.
Für das Verbrechen des Völkermordes und um andere in
der Zukunft vor gewalttätigen
Akten des Antisemitismus abzuschrecken, müsse die Höchststrafe verhängt werden.
Wörtlich heißt es: »Er verschloss seine Ohren der Stimme
des Gewissens, wie es das Regime von ihm verlangte, dem
er ganz ergeben war und dem
er sich mit Leib und Seele auslieferte. Er sank immer tiefer, bis
er mit der ›Endlösung‹ die unterste der Höllen erreichte.« Bereits am 11. Dezember war der
Schuldspruch gefällt worden,
den Eichmann jedoch nicht
anerkannte. Seine Schuld bestehe nur in seinem Gehorsam
Hammarskjöld, der während
einer diplomatischen Mission
im Kongo mit dem Flugzeug
abgestürzt ist.
Gleichzeitig wird in Oslo auch
der Friedensnobelpreis für das
Jahr 1960 verliehen. Albert
Luthuli, Präsident des 1960
verbotenen African National
Congress (ANC), der Organisation der schwarzen Bevölkerung Südafrikas, wird für seinen friedlichen Kampf gegen
die Rassentrennungspolitik
Südafrikas ausgezeichnet.
10. Dezember 1961
Albanien wird Vorposten Beijings
Vor dem großen Bruch:
Enver Hoxha (l.) und Nikita
Chruschtschow (r.) pflanzen
1959 in Tirana als Zeichen
der Zusammengehörigkeit
gemeinsam eine junge Eiche.
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Das kommunistische Albanien
ist auf der Suche nach einem
eigenen politischen Weg: Die
ideologischen Differenzen des
albanischen Parteichefs Enver
Hoxha mit seinem sowjetischen
Kollegen Nikita S. Chruschtschow führen zum Abbruch der
diplomatischen Beziehungen
zwischen der UdSSR und dem
Balkanland.
Albanien hatte sich stets gegen
den Kurs der Entstalinisierung
und der friedlichen Koexistenz
von Ost und West gewandt,
den der Kremlchef verfolgt.
Das kleine Balkanland fürchtet
zudem eine politische Annäherung zwischen Jugoslawien und
der Sowjetunion, die zur Annexion des Balkanlandes Albaniens führen könnte.
Bereits im Frühjahr dieses
Jahres hatte die Sowjetunion
die Wirtschaftshilfe für Tirana
gesperrt. Diese Situation nutzte
China aus, das sich ebenfalls im
ideologischen Gegensatz zur
UdSSR befindet, und zog Albanien durch Gewährung eines
Kredits und die Entsendung von
Technikern auf seine Seite.
und in seiner Respektierung der
militärischen Disziplin, hatte
Eichmann am 13. Dezember
erklärt. Eichmann will durch
seinen Verteidiger, dem Kölner
Rechtsanwalt Robert Servatius, beim höchsten israelischen
Gericht Berufung gegen das Todesurteil einlegen. Das Todesurteil wird jedoch am 31. Mai
1962 in Ramla/Israel nach der
Zurückweisung der Berufung
vollstreckt.
Uneinsichtig bis zum
Schluss: Geschützt hinter
schusssicherem Glas nimmt
Adolf Eichmann an der
Gerichtsverhandlung in
Jerusalem teil.
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