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Zitierhinweis
Helmut Halfmann: Rezension von: Martin Jehne / Francisco Pina
Polo (eds.): Foreign clientelae in the Roman Empire. A
Reconsideration, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2015, in
sehepunkte 16 (2016), Nr. 4 [15.04.2016],
URL:http://www.sehepunkte.de/2016/04/27768.html
First published: http://www.sehepunkte.de/2016/04/27768.html
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sehepunkte 16 (2016), Nr. 4
Martin Jehne / Francisco Pina Polo (eds.):
Foreign clientelae in the Roman Empire
Ernst Badians berühmtes Werk "Foreign Clientelae" aus dem Jahr 1958,
in dem er die Herrschaftsgrundlagen und -praxis der römischen Republik
zu erfassen versuchte, stand Pate für ein an der Universität Zaragoza
gefördertes Forschungsprojekt "Provincial Clientelae in the Roman
Empire", dessen Resultate auf einer im Jahr 2013 durchgeführten Tagung
präsentiert und im vorliegenden Sammelband publiziert wurden. Die
Beiträge bieten zum einen eine kritische, auch
wissenschaftsgeschichtlich inspirierte Auseinandersetzung mit Badians
Buch, zum anderen und umfangreicher eine Vertiefung und zeitlich
weiter ausgreifende Ergänzung des Badian'schen Ansatzes. Nach Badian
wurde die von gegenseitiger Treue ( fides ) getragene PatronKlientbeziehung, die in ihren vielfältigen Manifestationen den
Grundpfeiler der römischen Sozialordnung bildete, auch zu einem Pfeiler
römischer Herrschaftsbildung, indem die Oberschicht jenseits aller
vertraglicher Regelungen das Weltreich auf persönlichen
Treueverhältnissen, also nach eher moralisch-ethischen als rechtlichen
Prinzipien, aufbaute. Er betrachtete die Aufrichtung der römischen
Herrschaft in Italien und im Mittelmeerraum und die Rückwirkung von
Klientelbildung auf die römische Innenpolitik also unter einem stark
personalen Aspekt, auch wenn er dieser Linie in seinem Buch nicht strikt
gefolgt ist. Zu einer überwiegend positiven Aufnahme von Badians Werk
hat sich auch Kritik gesellt (z.B. Jochen Bleicken, Peter A. Brunt), die der
Koordinator des Projektes, Francisco Pina Polo, in einem ersten Beitrag
aufgreift: Sie richten sich zum einen gegen Badians Versuch, provinziale
Klientel mithilfe der Onomastik nachzuweisen (zahlreiche Belege für
bestimmte, eben von Namen römischer Statthalter abgeleitete Gentilizia
bei Provinzialen, die ihren Status als römische Bürger der Fürsprache
und den Beziehungen dieser Herren verdankt haben sollen). Ferner hegt
er Zweifel an einer über Generationen gepflegten Treue zu einer einmal
etablierten Patron-Klientelbeziehung, und schließlich an der Effizienz
solcher Beziehungen angesichts der Möglichkeit des Klienten, ihren
Patron zu wechseln oder zu gleich mehreren Patronen eine Beziehung
einzugehen. Ein zweiter Beitrag (Angela Ganter) richtet den Blick auf das
quellenmäßige Fundament der von Badian zugrunde gelegten Bedeutung
der Patron-Klientelbeziehung und untersucht hierzu die Komödien des
Plautus und eine einschlägige Textpassage aus Dionysios von Halikarnass
(2,9-11); sie richtet ihre Argumentation freilich weniger gegen Badian als
vielmehr gegen Peter A. Brunt, dem sie eine allzu unkritische Übernahme
des in den Quellen gezeichneten Bildes vorhält. Fernando Wulff Alonso
hinterfragt Badians Evolutionskonzept, nach welchem die "foreign
clientelae" sich erst nach der Zerschlagung des latinischen Städtebundes
und dem Ende der ausschließlich vertraglich geregelten
zwischenstaatlichen Beziehungen entwickelten, aber erst nach dem
Zweiten Punischen Krieg volle Geltung erlangten, als Rom mit
außeritalischen Städten und Herrschern neue Formen hegemonialer
Machtausübung praktizierte; der Autor verwirft dieses Konzept und
damit letztlich das ganze Gedankengebäude Badians.
Nach diesen kritischen Bestandsaufnahmen übernehmen die folgenden
Kapitel nicht nur formal weitgehend die Gliederung von Badians Buch
(Italien, Westen, Osten, erweitert um den militärischen Aspekt und einen
Ausblick auf die Kaiserzeit), sondern Badian bildet gleichsam die
Inspirationsquelle für einzelne Aspekte vertiefende Untersuchungen, die
im Wesentlichen seinen methodischen Ansatz bestätigen. Dies gilt für
Hans Becks Beitrag zur Bedeutung der Heiratspolitik zwischen
stadtrömischen und italischen Eliten im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. und
die von Wolfgang Blösel als fiktiv entlarvte Geschichte einer Klientel des
Scipio Africanus, über die er angeblich in Etrurien verfügt haben soll (sie
wird in Badians Buch auch nicht thematisiert). Selbstverständlich kann
man hier und da anders als Badian gewichten, etwa mit Blick auf die
Bedeutung der einheimischen Klientel für Roms Herrschaft in Spanien
(Enrique García Riaza stellt gegen die Statthalter den Senat und das Volk
von Rom als Bezugsgrößen heraus), oder eine feinere Analyse der
Onomastik vornehmen (Michel Christol zu Südgallien, Frédéric Hurlet zu
Africa). Viele Beiträge beleuchten interessante Einzelaspekte des
römischen Herrschaftsraumes, auch wenn sie teilweise nur lose mit
Badians Werk verknüpft sind: Francisco Beltrán Lloris wirft neues Licht
auf das Verhältnis des älteren Cornelius Balbus zu seiner Heimatstadt
Gades, Arnaud Suspène untersucht am Beispiel Iubas II. von
Mauretanien das Herrschaftskonzept eines Klientelkönigs augusteischer
Zeit. Die dem östlichen Reichsteil gewidmeten Beiträge (Michael
Snowdon, Paul Burton) favorisieren anstelle des clientela -Modells den
Begriff der amicitia , den Badian freilich, da es sich stets um eine
asymmetrische amicitia mit Rom als stärkerem Partner handelte, in
seiner Effizienz für Roms Herrschaftspraxis mit clientela gleichsetzte (f.
c. 11-12).
Mehrere Beiträge zeigen, wie instabil sich "foreign clientelae"
namentlich in innenpolitischen Krisen zeigten, beide Partner richteten ihr
Verhalten eher danach aus, was politisch opportun schien, als an
unverrückbaren Klientelbindungen: Claudia Tiersch widmet sich den
Begleitumständen der Annexion Cyperns als Provinz, Cristina RosilloLópez relativiert die Bedeutung der "foreign clientelae" als Teil des
politischen Kapitals römischer Senatoren im Kampf um Prestige - wobei
freilich auch schon Badian den geringen Einfluss der auswärtigen
Klientel auf die römische Innenpolitik gesehen hat. Jonathan R. W. Prag
ergänzt Badians auf das politische Agieren gerichtete Perspektive um die
militärische Komponente einer Klientelbeziehung in Form der
Mobilisierung von Hilfstruppenkontingenten aufgrund persönlicher
Beziehungen. Eine Erweiterung des von Badian abgesteckten zeitlichen
Horizonts bilden die Beiträge von Martin Jehne und Claude Eilers. Eilers
konstatiert in Auseinandersetzung mit einer anders lautenden
Forschungsmeinung während der Kaiserzeit einen stärkeren lokalen,
kaum noch reichsweiten Bezug des Patron-Klientelphänomens mit
gleichzeitiger Abnahme der sozial- und machtpolitischen Implikationen,
die sie einst in republikanischer Zeit besessen hatten. Martin Jehne geht
es um die Verortung der Großen der späten Republik und des ersten
Prinzeps im Patron-Klientelgeflecht. Den Widerspruch zwischen dem
partikular-persönlichen Charakter der Patronage und der Vorstellung,
der römische Kaiser sei universaler Patron aller Reichsbewohner, löste
Augustus mittels einer neu kreierten Rolle als "Vater" ( pater ), der nicht
für individuelle Vorteile sondern als Garant von Recht und Gesetz für alle
in Anspruch genommen werden konnte.
Wie bei Sammelbänden nicht anders zu erwarten, positionieren sich die
einzelnen Beiträge recht unterschiedlich zu Badians Werk. Selbst die
kritischen unter ihnen leugnen nicht die Existenz von "foreign clientelae"
an sich, zumal ihre Bedeutung auch von den antiken Zeitgenossen
erkannt worden ist (z.B. Cic. fam. 9,9,2 mit Blick auf Pompeius), und sie
präsentieren trotz teilweise fundamentaler Einwände (Fernando Wulff
Alonso) kein Alternativmodell. So berechtigt die Kritik an der allzu
undifferenzierten Anwendung der onomastischen Methode durch Badian
auch ist, so deutlich ist andererseits festzuhalten, dass sie keine zentrale
Bedeutung für Badians Argumentation besaß und bereits er selbst die
meist unbekannten Umstände im Rahmen von Bürgerrechtsverleihungen
durchaus konzediert hat (z.B. f. c. 256). Die Aufsatzsammlung bietet also
eine wirkliche "reconsideration" - keine Alternative, aber eine
willkommene Ergänzung, die man sich nicht anstelle von, aber gerne
neben Badians Werk hinstellt.
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