Ahnlichkeit, Abbildungsbegriff

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Ähnlichkeit, Abbildungsbegriff
Inhaltsverzeichnis
1 Längenmass, Winkelmass, Flächenmass
2
1.1
Längenmessung, Zahlbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.2
Winkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1.3
Flächeninhalt, Rechtecke und Dreiecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2 Vergrössern, verkleinern
5
2.1
Strahlensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2
Zentrische Streckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.2.1
Eigenschaften der zentrischen Streckung
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.2.2
Ähnlichkeit von Figuren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3 Ähnlichkeitsabbildungen
12
4 Anwendungen
14
4.1
Schwerpunkt eines Dreiecks, Satz von Ceva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
4.2
Winkelhalbierende im Dreieck, Kreis des Apollonius . . . . . . . . . . . . . . . .
17
4.2.1
Winkelhalbierende im Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
4.2.2
Kreis des Apollonius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
4.3
Ähnlichkeit und Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
4.4
Satz des Ptolemäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
5 Zum Abbildungsbegriff
5.1
5.2
21
Abbildungen als Konstruktionshilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
5.1.1
Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
5.1.2
Heuristische Hilfen zur Lösung von Konstruktionsaufgaben . . . . . . . .
22
Zur Entwicklung des Abbildungsbegriffs in der Geometrie . . . . . . . . . . . . .
22
5.2.1
Euklid
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
5.2.2
L. Euler
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
5.2.3
A.F. Möbius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
5.2.4
F. Klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1
ETH Zürich, HS 2016
1
1.1
Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Längenmass, Winkelmass, Flächenmass
Längenmessung, Zahlbegriff
Der Kongruenzbegriff führt auf den Begriff der Länge einer Strecke: Kongruenzklasse kongruenter Strecken.
Die Möglichkeit der kongruenten Übertragung von Strecken führt auf die Addition von Strecken.
Zeichnet man nun eine beliebige Kongruenzklasse als Einheitsstrecke e aus, so kann bezüglich
dieser Einheitstrecke jeder Strecke AB eine Längenmasszahl L(AB) zugeordnet werden.
(Bemerkung: In der hyperbolischen Geometrie ist dies nicht sinnvoll, da es dort natürliche Referenzlängen gibt.)
Die Punkte der Ebene erhalten so eine metrische Struktur:
(L1) L(A, A) = 0
(L2) L(A, B) = 0 ⇒ A = B
(L3) L(A, B) = L(C, D), wenn die Strecken AB und CD kongruent sind.
(L4) L(A, B) ≤ L(A, C) + L(C, B) , “=“ gilt genau dann, wenn C zwischen A und B liegt.
Operativ: Herstellung eines Messlineals, Zeichnen eines Zahlenstrahls, einer Zahlengeraden.
Durch fortgesetztes Abtragen der Einheitsstrecke auf einer Geraden ergibt sich eine abstandsgleiche Punktreihe.
Verfeinerung: Die Einheitsstrecke e lässt sich mit einem einfachen Verfahren in eine beliebige
Anzahl gleicher Teile teilen, wie im Folgenden gezeigt wird.
Satz 1.1 Es seien g1 , g2 und g3 parallele Geraden, die von zwei Geraden g und h geschnitten
werden.
Wenn die Schnittpunkte A1 , A2 , und A3 auf der Geraden g eine abstandsgleiche Punktreihe
bilden, dann bilden auch die entsprechenden Schnittpunkte B1 , B2 , und B3 auf h eine abstandsgleiche Punktreihe.
g
b
b
b
A1
A2
A3
h
b
g1
B1
b
g2
B2
b
B3
g3
Beweis Da die Schnittpunkte A1 , A2 , und A3 auf der Geraden g eine abstandsgleiche Punktreihe
bilden, ist g2 nach Satz 7.9 des Handouts Geometrische Grundbegriffe, Kongruenz Mittelparallele
zu g1 und g3 . Mit demselben Satz folgt, dass auch B1 , B2 , und B3 eine abstandsgleiche Punktreihe
bilden.
Damit folgt
Satz 1.2 Eine abstandsgleiche Parallelenreihe schneidet auf einer weiteren nicht parallelen Geraden gleich lange Strecken aus.
2
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
e
Daher lässt sich eine Einheitsstrecke e mit Hilfe von Parallelen teilen, und es lassen sich somit
beliebige rationale Vielfache einer Einheitsstrecke konstruieren. Es ergibt sich so die Vorstellung
eines Messlineals mit rationalen Zahlen: Zahlenstrahl. Zwei Strecken a und b auf einem solchen
Messlineal“ sind untereinander kommensurabel. (Zwei Strecken a und b heissen kommensurabel,
”
wenn sie ein gemeinsames Mass besitzen, das heisst wenn es eine Strecke t und natürliche Zahlen
n und m gibt mit a = mt und b = nt.)
Es waren vermutlich die Pythagoräer, die eine fundamentale Entdeckung machten: Es gibt Figuren, in welchen Strecken vorkommen, die kein gemeinsames Mass besitzen.
Satz 1.3 Nicht alle Streckenverhältnisse lassen sich durch Brüche ausdrücken. Die rationalen
Zahlen reichen somit nicht aus, um jeder Strecke bezüglich einer Einheit eine Masszahl zuordnen
zu können.
Geometrisch lässt sich dies zum Beispiel bei der Diagonale eines Quadrats oder beim regelmässigen
Fünfeck mit der schon im Altertum bekannten Wechselwegnahme zeigen:
s2
d1
s2
d2
s1
s1
Es wird das Quadrat mit Seitenlänge s1 und Diagonale d1 betrachtet. s1 und d1 sind nicht
kommensurabel. Denn die Annahme, dass es eine Strecke t mit d1 = m1 · t, s1 = n1 · t, wobei
m1 , n1 ∈ N gibt, führt zu einem Widerspruch: Im gleichschenklig rechtwinkligen Dreieck mit
Katheten der Länge s1 und der Hypotenuse der Länge d1 lässt sich ein weiteres gleichschenklig
rechtwinkliges Dreieck mit Kathetenlänge s2 = d1 − s1 und Hypotenusenlänge d2 = s1 − s2
3
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
einbeschreiben“ (siehe Figur) und die obige Annahme führt auf s2 = n2 · t, d2 = m2 · t für
”
bestimmte m2 , n2 ∈ N. Diesen Prozess denken wird uns fortgesetzt zu immer kleineren Dreiecken.
Irgendwann unterschreitet eine Kathetenlänge si die Länge der Strecke t, was im Widerspruch
zu si = ni · t steht.
Durch Hinzunahme von irrationalen Zahlen können die Lücken“ gefüllt werden.
”
Den Zahlen im heutigen Sinn entsprechen in der griechischen Mathematik die Verhältnisse von
”
Grössen“.
Die Proportionenlehre in Euklids Elementen, Buch V, geht auf Eudoxos (400 - 347) zurück. Sie
gründet auf folgenden Aussagen:
1. Axiom: Sind a und b zwei Strecken, so gibt es eine natürliche Zahl n, so dass na > b ist.
2. Definition: Die Strecken a und b sowie a′ und b′ stehen im selben Verhältnis, wenn für
beliebige natürliche Zahlen n und m gilt:
(I) Aus na > mb folgt na′ > mb′
(II) Aus na = mb folgt na′ = mb′
(III) Aus na < mb folgt na′ < mb′ .
Es werden so Äquivalenzklassen von Streckenpaaren (a, b) ausgezeichnet. Jede Äquivalenzklasse
teilt die Brüche m
n in drei Klassen (I), (II) und (III). Die Klasse (II) enthält nur einen einzigen
Bruch oder ist leer. Erst viel später wurde dieser Ansatz weiterentwickelt: Dedekindsche Schnitte
zur Definition der reellen Zahlen.
Die reellen Zahlen werden in der Schule als unendliche Dezimalbrüche, allenfalls auch mit Intervallschachtelungen eingeführt. Es ist eine grundlegende Annahme der Geometrie, dass es zu jeder
Intervallschachtelung einen Punkt auf der Zahlengeraden gibt, der in allen Intervallen enthalten
ist.
(In der Fachdidaktik II kommt die Einführung der reellen Zahlen ausführlicher zur Sprache.)
1.2
Winkelmessung
Der Kongruenzbegriff führt auf den Begriff der Grösse eines Winkels: Kongruenzklasse kongruenter Winkel
Um eine Masszahl für Winkel anzugeben, gibt es “natürliche“ Referenzwinkel. Man nimmt Bezug auf den Vollwinkel, den gestreckten Winkel oder den rechten Winkel.
Euklid gibt Winkel in Vielfachen, respektive Bruchteilen von rechten Winkeln an.
Gradmass“: 1◦ bedeutet die Masszahl eines Winkels, der sich 360 mal in einem vollen Winkel
”
abtragen“ (durch Kongruenz definiert) lässt. Die Masszahl der (geometrisch definierten) Sum”
me zweier Winkel ist die Summe der Masszahlen der beiden Winkel: das Winkelmass ist additiv.
Diese Vorstellung liegt dem Transporteur, unserem Winkelmesser zugrunde.
Die Bogenlänge eines Winkels ist ebenfalls ein additives Winkelmass.
Im Prinzip lässt sich die Grösse eines Winkels auch durch die Länge der zugehörigen Sehne im
Einheitskreis angeben ( Sehnenrechnung“ der Griechen) oder beispielsweise durch den Tangens.
”
Aber dies wären keine additiven Winkelmasse.
1.3
Flächeninhalt, Rechtecke und Dreiecke
Der Inhalt A(F ) einer Figur F soll folgende Eigenschaften besitzen:
4
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
(A1) Ist Q ein Einheitsquadrat, das heisst ein Quadrat mit der Seitenlänge 1, dann gilt:
A(Q) = 1.
(A2) Sind F1 und F2 kongruente Figuren, dann gilt: A(F1 ) = A(F2 ).
(A3) Zerfällt eine Figur F in die Teilfiguren F1 und F2 , dann gilt: A(F ) = A(F 1) + A(F 2).
(A4) Ist die Figur F1 in der Figur F2 enthalten, dann gilt: A(F1 ) ≤ A(F2 ).
Satz 1.4 Ein Rechteck R mit den Seitenlängen a und b besitzt den Flächeninhalt
A(R) = a · b.
Beweis Mit (A1) - (A3) erhält man die Formel für den Inhalt von Rechtecken im Fall von
natürlichen und von rationalen Seitenlängen.
Mit der Inhaltsformel bei rationalen Seitenlängen erhält man die Inhaltsformel für beliebige
Rechtecke durch Einschachteln unter Verwendung von (A4): Es gilt
Ri ⊂ R ⊂ Ri und wegen (A4) damit A Ri ≤ A (R) ≤ A Ri ,
wobei Ri das Rechteck mit den Seiten ai , bi und Ri das Rechteck mit den Seiten Ai , Bi ist,
und (ai ),(bi ) monoton wachsende Folgen aus Q mit limi→∞ ai = a und limi→∞ bi = b
und (Ai ),(Bi ) monoton fallende Folgen aus Q mit limi→∞ Ai = a und limi→∞ Bi = b sind.
Satz 1.5 Ein Dreieck mit der Seite a und der zugehörigen Höhe ha besitzt den Flächeninhalt
a · ha
2
Beweis Dies folgt mit (A2) und (A3).
2
Vergrössern, verkleinern
Empirische Erfahrungen: Das Vergrössern und Verkleinern einer Figur, zum Beispiel eines Polygons führt auf die Beobachtung der Invarianz von Winkeln und Streckenverhältnissen. Dies
führt zu den vorläufigen Definitionen
• Figuren sind ähnlich, wenn sie die gleiche Form“ haben.
”
• Figuren sind ähnlich, wenn entsprechende Winkel und entsprechende Streckenverhältnisse
gleich gross sind.
Für Dreiecke vermutet man die Ähnlichkeitssätze:
• Dreiecke sind ähnlich, wenn entsprechende Winkel gleich gross sind.
• Dreiecke sind ähnlich, wenn entsprechende Seitenverhältnisse gleich sind.
Fragen, die sich nun stellen:
• Kann man solche Ähnlichkeitssätze auf Grund des Bisherigen beweisen?
• Kann man Ähnlichkeit mit Hilfe von Abbildungen definieren?
5
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2.1
Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Strahlensätze
Aus dem Satz 1.1 über abstandsgleiche Punktreihen und der Eigenschaft von Parallelogrammen,
dass gegenüberliegende Seiten gleichlang sind, folgt ein wichtiger Satz:
Satz 2.1 (Mittellinien im Dreieck) Die Parallele durch den Mittelpunkt einer Dreieckseite
zu einer weiteren Seite schneidet die dritte Seite in deren Mittelpunkt. Jede Verbindungsstrecke
zweier Seitenmittelpunkte (Mittellinie) ist parallel zur dritten Seite und halb so lang wie diese.
C
b
Mb
A
b
b
Ma
b
b
Mc
B
b
Dieser Satz lässt sich auch als Spezialfall der sogenannten Strahlensätze auffassen:
b
A1
O
b
b
A2
B1
b
b
B2
Es sei OB1 = 2 · OA1 . Dann gilt:
(1) [A1 A2 ]k[B1 B2 ] ⇔ OB2 = 2 · OA2 (⇒: 1. Strahlensatz, ⇐: Umkehrung des 1. Strahlens.)
(2) [A1 A2 ]k[B1 B2 ] ⇒ B1 B2 = 2 · A1 A2 (2. Strahlensatz )
Verallgemeinerung:
Satz 2.2 (1. und 2. Strahlensatz für rationale Streckenverhältnisse) Im Dreieck OB1 B2
OA1
rational und A2 ein Punkt auf [OB2 ]. Sei [A1 A2 ] k [B1 B2 ].
sei A1 ein Punkt auf [OB1 ] mit OB
1
6
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
Dann gilt
OA1
OA2
=
(1. Strahlensatz)
OB1
OB2
A1 A2
OA1
=
(2. Strahlensatz)
B1 B2
OB1
Beweis
1. Strahlensatz: Eine passende Parallelenreihe parallel zu A1 A2 schneidet auf [OB2 ] eine abstandsgleiche Punktreihe aus.
2. Strahlensatz: Eine passende Parallelenreihe parallel zu OB1 schneidet auf [A1 A2 ] und [B1 B2 ]
je abstandsgleiche Punktreihen aus. Die Abstände auf den beiden Punktreihen sind wegen der
Kongruenz von gegenüberliegenden Parallelogrammseiten gleich gross.
b
O
A1
b
b
B1
b
A2
b
B2
Verallgemeinerung auf beliebige reelle Streckenverhältnisse:
Satz 2.3 (1. Strahlensatz) Im Dreieck OB1 B2 sei A1 ein Punkt auf [OB1 ] und A2 ein Punkt
auf [OB2 ]. Sei [A1 A2 ] k [B1 B2 ] . Dann gilt:
OA1
OA2
=
OB1
OB2
1. Beweis: Flächeninhaltsüberlegung
A(OA1 A2 )
OA1
OA2
A(OA1 A2 )
=
=
=
A(OB1 A2 )
A(OB2 A1 )
OB1
OB2
7
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Fachdidaktik I
Kristine Barro-Bergflödt
O
b
A1
b
b
A2
B1
b
b
B2
2. Beweis: Intervallschachtelung
Durch fortgesetzte Streckenhalbierungen folgt aus dem 1. Strahlensatz für rationale Verhältnisse,
dass sich
OA1
OA2
1 1 1
und
höchstens um , , . . . unterscheiden, also gleich sind.
2 4 8
OB1
OB2
B2
b
A2 T23
b
b
O
b
T11
A1
b
b
b
T21
T13
b
T22
b
T12
b
B1
Satz 2.4 (2. Strahlensatz) Im Dreieck OB1 B2 sei A1 ein Punkt auf [OB1 ] und A2 ein Punkt
auf [OB2 ]. Sei [A1 A2 ] k [B1 B2 ] . Dann gilt:
A1 A2
OA1
=
B1 B2
OB1
Beweis Dies lässt sich mit Hilfe des ersten Strahlensatzes zeigen, wenn man die Parallele zu
A1 A2 durch O mit den Parallelen zu OA1 durch A2 und B2 schneidet und benützt, dass in
einem Parallelogramm die gegenüberliegenden Seiten gleich lang sind.
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b
Kristine Barro-Bergflödt
O
A1
b
b
A2
B1
b
b
B2
Noch allgemeiner gilt:
Satz 2.5 Gegeben sind zwei Geraden g1 und g2 , die sich in einem Punkt O schneiden, sowie
Punkte A1 , B1 , C1 auf der Geraden g1 und Punkte A2 , B2 , C2 auf der Geraden g2 .
Voraussetzung: A1 A2 k B1 B2 k C1 C2 .
Erster Strahlensatz: Entsprechende Strahlenabschnitte stehen im gleichen Verhältnis.
Zweiter Strahlensatz: Parallelenabschnitte stehen im gleichen Verhältnis wie die ihnen entsprechenden vom Zentrum O aus gemessenen Strahlenabschnitte.
g1
b
B2
A2
b
b
C1
b
C2
O
b
A1
b
b
B1
g2
Es gilt auch
Satz 2.6 (Umkehrung des ersten Strahlensatzes) Gegeben sind zwei Geraden g1 und g2 ,
die sich in einem Punkt O schneiden.
Stehen Streckenabschnitte auf g1 und g2 im selben Verhältnis, so sind die zugehörigen Querstrecken parallel.
Beweis Es seien A1 , B1 Punkte auf der Geraden g1 und A2 , B2 auf der Geraden g2 für die gelte:
OA1
OA2
=
OB1
OB2
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Kristine Barro-Bergflödt
Sei h die Parallele zu A1 A2 durch B1 und sei P der Schnittpunkt von h und g2 . Dann gilt auf
Grund des 1. Strahlensatzes:
OP =
OB1
OB2
· OA2 =
· OA2 = OB2
OA1
OA2
Also ist P = B.
2.2
Zentrische Streckung
Definition Gegeben sind ein Punkt Z und eine reelle Zahl k 6= 0. Die zentrische Streckung mit
dem Zentrum Z und dem Streckungsfaktor k ist eine Abbildung mit folgenden Eigenschaften:
(1) Z ist Fixpunkt
(2) Für P 6= Z ist der Bildpunkt P ′ derjenige Punkt auf der Geraden P Z, für den gilt:
−−→′
−→
ZP = k · ZP
Bemerkungen
• Die Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl ist im Unterricht natürlich erklärungsbedürftig.
• |k| ist der Vergrösserungs- respektive Verkleinerungsfaktor.
• Die zentrische Streckung ist eine bijektive Abbildung der Ebene auf sich.
• Eine zentrische Streckung ist durch das Zentrum Z und einen Punkt A 6= Z und seinen
Bildpunkt A′ bestimmt.
Aus den Strahlensätzen folgen die Eigenschaften der zentrischen Streckung unmittelbar. Man
kann das Thema Ähnlichkeit aber auch mit der zentrischen Streckung beginnen und die Eigenschaften der zentrischen Streckung herleiten. Dabei hat man die gleichen Überlegungen wie bei
der Herleitung der Strahlensätze zu machen.
2.2.1
Eigenschaften der zentrischen Streckung
(1) Geraden (Strecken) werden auf parallele Geraden (Strecken) abgebildet: Die zentrische
Streckung ist geradentreu und richtungstreu.
(2) Winkel werden auf kongruente Winkel abgebildet: Die zentrische Streckung ist winkeltreu.
(3) Die Längen von Bildstrecke und Urbildstrecke stehen im Verhältnis |k|:
P ′ Q′
ZP ′
=
= |k|
PQ
ZP
(4) Die zentrische Streckung ist verhältnistreu:
A′ B ′
AB
=
′
′
CD
CD
(5) Das Bild eines Kreises ist ein Kreis.
10
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Kristine Barro-Bergflödt
Begründungen
(1) folgt aus der Umkehrung des ersten Strahlensatzes: Seien P und P ′ Punkt und Bildpunkt.
Dann gilt für jeden weiteren Punkt Q und seinen Bildpunkt Q′ auf ZQ:
ZP ′
ZQ′
= |k| =
ZP
ZQ
Mit der Umkehrung des ersten Strahlensatzes folgt, dass Q′ auf der Parallelen zu P Q durch
P ′ liegt.
(2) folgt aus (1).
(3) folgt aus dem zweiten Strahlensatz.
(4) folgt aus (3).
(5) Für jeden Punkt P eines Kreises mit Mittelpunkt M und Radius r gilt:
M ′ P ′ = |k| · M P = |k| · r
P ′ liegt also auf einem Kreis mit dem Mittelpunkt M ′ und dem Radius |k| · r.
E. Wittmann ([4], S. 102 ff.) schlägt im Sinne eines operativen Zugangs vor, die zentrische
Streckung mit einem einfachen Gerät, dem Pantographen (oder Storchschnabel) mit dem man
Figuren vergrössern oder verkleinern kann, einzuführen. Der Begriff der zentrischen Abbildung
ist für SuS nicht einfach, sodass der Pantograph zur Illustration jedenfalls gute Dienste leisten
kann; ein solches Gerät kann auch einfach hergestellt werden.
Ein Pantograph (siehe folgende Figur) besteht aus vier gelenkig verbundenen Stäben ZA′ , AP ,
A′ P ′ und P Q, wobei die Abmessungen so sind, dass AA′ QP ein Parallelogramm bildet und Z,
P und P ′ auf einer Geraden liegen. Der Mechanismus ist in Z drehbar gelagert. Fährt man mit
einem Abtaststift in P einer Figur entlang, so zeichnet ein Schreibstift in P ′ eine vergrösserte
Figur. Der Vergrösserungsfaktor beträgt dann ZA′ /ZA. Werden Abtast- und Schreibstift vertauscht, so kann man eine Figur mit dem reziproken Faktor verkleinern.
b
b
b
2.2.2
Z
b
P
A
b
b
P′
Q
A′
Ähnlichkeit von Figuren
Mit Hilfe der zentrischen Streckung lässt sich nun die Ähnlichkeit von Figuren definieren:
11
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Kristine Barro-Bergflödt
Definiton Eine Figur G heisst zu einer Figur F ähnlich, wenn F zu einer Figur F ′ zentrisch
gestreckt werden kann, so dass G und F ′ kongruent sind.
Für Dreiecke lassen sich Ähnlichkeitssätze formulieren. Jedem Kongruenzsatz entspricht ein
Ähnlichkeitssatz. Für Anwendungen am wichtigsten ist der folgende Ähnlichkeitssatz:
Satz 2.7 (Ähnlichkeitssatz WW) Stimmen Dreiecke in zwei Winkeln überein, dann sind sie
ähnlich.
Beweis In den Dreiecken ABC und A∗ B ∗ C ∗ gelte für die Winkel α = α∗ und β = β ∗ .
A∗ B ∗
′
′
.
B und C seien die Bilder von B und C unter der zentrischen Streckung Z A,
AB
Dann gilt: A∗ B ∗ = AB, und die Dreiecke AB ′ C ′ und A∗ B ∗ C ∗ sind nach Voraussetzung wegen
dem Kongruenzsatz WSW kongruent.
b
b
C∗
C
C′
b
b
b
b
A∗
A
b
B′
b
3
B∗
B
Ähnlichkeitsabbildungen
Definition Die Verkettung einer zentrischen Streckung mit einer Kongruenzabbildung heisst
Ähnlichkeitsabbildung oder Ähnlichkeit.
Nun können wir den Begriff der Ähnlichkeit von Figuren einfacher formulieren:
Definition Zwei Figuren heissen ähnlich, wenn sie sich durch eine Ähnlichkeitsabbildung aufeinander abbilden lassen.
Ähnlichkeitsabbildungen sind geraden- und winkeltreu.
Frage
Ist jede geraden- und winkeltreue Abbildung ist eine Ähnlichkeitsabbildung?
Die Antwort ist ja“, wie die folgenden Überlegungen zeigen.
”
Definition Eine geradentreue und winkeltreue Abbildung heisst gleichsinnig (ungleichsinnig),
wenn die Orientierung der Winkel erhalten bleibt (ändert).
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Kristine Barro-Bergflödt
Bemerkung Eine Ähnlichkeitsabbildung K ◦ Z ist gleichsinnig (ungleichsinnig), wenn K
gleichsinnig (ungleichsinnig) ist.
Lemma 3.1 Zu zwei Strecken [AB] und [A′ B ′ ] gibt es (mindestens) eine gleichsinnige (ungleichsinnige) Ähnlichkeitsabbildung, die [AB] auf [A′ B ′ ] abbildet.
Beweis
′
Sei c := AB und c :=
A′ B ′ .
c′
B sei das Bild von B unter der zentrischen Streckung Z A,
c
∗
.
Es ist AB ∗ = A′ B ′ , und es gibt eine gleichsinnige (ungleichsinnige) Kongruenzabbildung K, die
[AB ∗ ] auf [A′ B ′ ] abbildet. Dann ist
c′
K ◦ Z A,
c
eine gleichsinnige (ungleichsinnige) Ähnlichkeitsabbildung, die [AB] auf [A′ B ′ ] abbildet.
b
b
A′
b
B′
A
b
B
b
B∗
Lemma 3.2 Zu gegebenen Strecken [AB] und [A′ B ′ ] gibt es höchstens eine gleichsinnige (ungleichsinnige) geraden- und winkeltreue Abbildung, die [AB] auf [A′ B ′ ] abbildet.
Beweis Sei C ein beliebiger Punkt ausserhalb von AB. Dann ist das Bild C ′ wegen der Geradenund Winkeltreue eindeutig bestimmt (die Figur ist für den gleichsinnigen Fall gezeichnet). Liegt
ein Punkt D auf AB, dann liegt D ′ auf A′ B ′ und auf dem einen Schenkel von ∠ (BCD)′ , der
wegen der Winkeltreue bestimmt ist.
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b
Kristine Barro-Bergflödt
b
C′
C
A′
b
b
B′
b
D′
A
b
b
B
b
D
Eine erste Folgerung ist
Satz 3.1 Zu zwei Strecken [AB] und [A′ B ′ ] gibt es genau eine gleichsinnige (ungleichsinnige)
Ähnlichkeitsabbildung, welche [AB] auf [A′ B ′ ] abbildet.
Eine zweite Folgerung ist
Satz 3.2 Eine gleichsinnige (ungleichsinnige) geradentreue und winkeltreue Abbildung ist eine
gleichsinnige (ungleichsinnige) Ähnlichkeit.
Man kann zeigen (nicht einfach), dass eine geraden- und winkeltreue Abbildung entweder gleichsinnig oder ungleichsinnig ist. Somit gilt
Satz 3.3 Jede geraden- und winkeltreue Abbildung ist eine Ähnlichkeitsabbildung.
4
4.1
Anwendungen
Schwerpunkt eines Dreiecks, Satz von Ceva
Satz 4.1 Die Seitenhalbierenden eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt. dieser Punkt
teilt die Seitenhalbierenden im Verhältnis 2 : 1.
Beweis Seien Ma , Mb und Mc die Seitenmittelpunkte. Sei S der Schnittpunkt von AMa und
BMb . Nach dem Satz 2.1 über Mittellinien ist Ma Mb kAB und AB = 2 · Ma Mb . Also ist Ma
das Bild von A und Mb das Bild von B unter der zentrischen Streckung Z S, − 21 . S teilt also
[AMa ] und [BM b] im Verhältnis 2 : 1. Da auch CMc die Strecke [AMa ] im Verhältnis 2 : 1 teilt,
schneidet die Seitenhalbierende CMc die Seitenhalbierende AMa ebenfalls in S.
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b
Mb
C
b
b
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Ma
S
b
A
b
b
B
Begründung aufgrund physikalischer Überlegungen (vgl. auch [2], S.4):
Postulate
(1) Hebelgesetz: Eine Hantel mit den Massen m1 und m2 befindet sich im Gleichgewicht, wenn
sie im Punkt S so unterstützt wird, dass gilt:
m2
a1
=
a2
m1
S heisst Schwerpunkt der Massen m1 und m2 .
m1
b
a2
a1
b
b
m2
S
(2) Jedes System von Massen hat genau einen Schwerpunkt.
(3) Wenn in einem System von Massen ein Teilsystem mit zwei Massen ersetzt wird durch eine
im Schwerpunkt des Teilsystems konzentrierte Masse, die gleich der Summe der ersetzten
Massen ist, so ändert sich der Schwerpunkt des Gesamtsystems nicht.
Wir stellen uns vor, dass in den Ecken des Dreiecks Punkte mit gleicher Masse sitzen.
Übungsaufgabe Begründen Sie den Satz über die Seitenhalbierenden aufgrund der obigen
Postulate anhand der untenstehenden Figuren.
15
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Fachdidaktik I
b
Kristine Barro-Bergflödt
C
b
Ma
b
C
b
Ma
S
bc
b
A
b
B
b
A
Verallgemeinerung
In den Ecken A, B und C sitzen Punkte mit den Massen mA , mB und mC . Sind X, Y und
Z die Schwerpunkte der Teilsysteme B/C, C/A und A/B, so schneiden sich die Transversalen
AX, BY und CZ im Gesamtschwerpunkt S. Es ist
u :=
BX
CY
AZ
mC
mA
mB
, v :=
, z :=
, und es folgt uvz = 1.
=
=
=
mB
mC
mA
XC
YA
ZB
C
b
Y
b
bc
A
b
X
b
b
Z
S
b
B
Diese Überlegung führt zum Satz von Ceva (1647 - 1734):
Satz 4.2 (Ceva) Auf den Geraden BC, CA und AB eines Dreiecks ABC seien Punkte X 6= C,
Y 6= A, Z 6= B gewählt, welche die entsprechenden Seiten in den Verhältnissen u, v, w teilen.
Dann gilt:
Falls sich die Geraden AX, BY , CZ (Transversalen) in einem Punkt schneiden oder parallel
sind, dann gilt uvw = 1.
Übungsaufgabe Begründen Sie den Satz von Ceva im Fall, wo X zwischen B und C, Y
zwischen C und A und Z zwischen A und B liegt.
a) aufgrund der physikalischen Postulate, b) geometrisch mit Hilfe der Strahlensätze.
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b
B
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Es gilt auch die Umkehrung:
Satz 4.3 Falls uvw = 1 ist, schneiden sich die Geraden AX, BY , CZ in einem Punkt oder sie
sind parallel.
b
Y
b
b
b
X
b
bc
A
C
P
Z
b
B
Beweis Wir betrachten den Fall, wo sich AX und BY in einem Punkt P schneiden. Sei Z ′ der
Schnittpunkt von CP mit AB. Dann gilt nach dem Satz von Ceva
BX CY AZ ′
·
·
=1
CX AY BZ ′
Da nach Voraussetzung
BX CY AZ
·
·
=1
CX AY BZ
folgt Z = Z ′ .
4.2
4.2.1
Winkelhalbierende im Dreieck, Kreis des Apollonius
Winkelhalbierende im Dreieck
Satz 4.4 Jede Winkelhalbierende im Dreieck teilt die Gegenseite innen im Verhältnis der anliegenden Seiten. Jede Winkelhalbierende eines Aussenwinkels teilt die Gegenseite aussen im
Verhältnis der anliegenden Seiten.
Der Satz benützt die bekannte Sprechweise von innerer“ und äusserer“ Teilung und besagt
”
”
(siehe folgende Figur):
Ti A
Ta A
CA
=
=
Ti B
Ta B
CB
Übungsaufgabe Beweisen Sie den Satz anhand der folgenden Figur. Tipp: Zeichnen Sie in
die Figur eine Hilfsgerade ein, so dass eine Strahlensatzfigur“ entsteht.
”
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b
A
b
4.2.2
b
Kristine Barro-Bergflödt
C
Ti
b
B
b
Ta
Kreis des Apollonius
Da innere und äussere Winkelhalbierende senkrecht stehen, folgt aus Satz 4.4
Lemma 4.1 Punkte, deren Abstände von zwei gegebenen Punkten ein festes Verhältnis bilden,
liegen auf einem Kreis oder auf der Mittelsenkrechten der beiden Punkte, falls das Verhältnis 1
beträgt.
C
b
A
b
Definition
b
X
b
B
Der Kreis in Lemma 4.1 heisst Kreis des Apollonius.
18
b
Y
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Es gilt auch die Umkehrung:
Lemma 4.2 Liegt ein Punkt C auf dem Kreis von Apollonius über AB zu einem festen Verhältnis
u : v, dann verhalten sich die Abstände von C zu A und zu B wie u : v.
Übungsaufgabe Beweisen Sie den Satz anhand er folgenden Figur. Tipp: Zeichnen Sie in die
Figur eine Hilfsgerade ein, so dass eine Strahlensatzfigur“ entsteht.
”
C
b
A
b
b
X
b
B
Somit gilt
Satz 4.5 Die Menge aller Punkte C, deren Abstände von zwei gegebenen Punkten A und B ein
festes Verhältnis bilden, ist der Kreis des Apollonius über [AB] zu diesem Verhältnis oder die
Mittelsenkrechte von [AB], falls das Verhältnis 1 beträgt.
4.3
Ähnlichkeit und Kreis
Übungsaufgabe Begründen Sie den folgenden Satz mit Hilfe des Peripheriewinkelsatzes und
ähnlicher Dreiecke.
Satz 4.6 Sei P ein Punkt und k ein Kreis. Für jede Gerade durch P , die den Kreis in den
Punkten A und B schneidet, ist das Produkt q = P A · P B konstant.
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b
Y
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P
b
b
P
Liegt P im Innern des Kreises, spricht man vom Sehnensatz; liegt P im Äussern, spricht man
vom Sekanten- und Tangentensatz.
Übungsaufgabe
Begründen Sie die folgenden Aussagen:
• Der Satz des Pythagoras und der Höhensatz sind Spezialfälle des Sehnensatzes und der
Kathetensatz ein Spezialfall des Tangentensatzes.
• Der Mittelpunkt des Kreises sei M und sein Radius sei r.
2
Dann ist M P − r 2 die sogenannte Potenz von P bezüglich des Kreises k.
Es gilt q = P A · P B ist gleich dem Betrag der Potenz von P bezüglich k.
4.4
Satz des Ptolemäus
Sehnenvierecke (Vierecke, deren Eckpunkte auf einem Kreis liegen) lassen sich durch die Eigenschaft, dass sich gegenüber liegende Winkel zu 180◦ ergänzen, charakterisieren. Sie lassen sich
aber auch durch eine Beziehung der Längen von Seiten und Diagonalen charakterisieren:
Satz 4.7 (Ptolemäus) In einem Sehnenviereck ABCD mit den Seiten a, b, c, d und den
Diagonalen e und f gilt ac + bd = ef . Das heisst, das Produkt der Diagonalen ist gleich der
Summe der Produkte der Gegenseiten.
b
D
d
c
A
b
f
e
b
C
a
b
b
B
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Beweis Der Punkt E sei auf AC so definiert, dass ∠ADB = ∠EDC.
Dann folgt mit dem Peripheriewinkelsatz und WW die Ähnlichkeit der Dreiecke DAB ∼ DEC
und DAE ∼ DBC, daraus
f
a
d
f
und =
=
c
b
EC
AE
und somit
a · c = f · EC und b · d = f · AE
.
Die Summe ergibt
a·c+b·d=e·f
.
b
D
d
c
A
b
b
f
E
e
b
C
a
b
b
B
Mit Hilfe dieses Satzes stellte Ptolemäus Sehnentafeln auf, das heisst Tafeln, die die zu einem
Winkel α gehörigen Sehnen S(α) angeben. (Die heutigen Sinustafeln sind Halbsehnentafeln“.)
”
Aus dem Satz des Ptolemäus lassen sich nämlich Additionstheoreme herleiten, die es gestatten
aus bekannten Sehnenwerten (Sinus-/Cosinuswerten) weitere Werte zu berechnen.
Bemerkung Es gilt auch die Umkehrung: Jedes Viereck, das die Bedingung ac + bd = ef
erfüllt, ist ein Sehnenviereck.
5
Zum Abbildungsbegriff
5.1
5.1.1
Abbildungen als Konstruktionshilfsmittel
Beispiele
1. Gegeben: Punkt A und Geraden g und h
Gesucht: Quadrat ABCD mit B auf g, D auf h
2. Gegeben: Konzentrische Kreise k1 , k2 mit Mittelpunkt M , Punkt P
Gesucht: Sekante durch P , auf der k1 , k2 drei gleichlange Strecken ausschneiden
3. Gegeben: Kreise k1 und k2 , Gerade g, Streckenlänge a
Gesucht: Rhombus ABCD mit A auf k1 , B auf g, C auf k2 , D auf g, AB = a
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4. Gegeben: Punkte A, P , Q
Gesucht: Quadrat ABCD mit P auf BC, Q auf CD
5. Gegeben: Zwei Geraden g und h, Punkt P
Gesucht: Kreis durch P , der die beiden Geraden berührt
6. Gegeben: Gerade g und zwei Punkte A und B, die auf derselben Seite von g und nicht auf
g liegen.
Gesucht: Kreis, der g berührt und der durch A und B geht
7. Gegeben: Punkte A, P , Q
Gesucht: Rechteck mit P auf BC, Q auf CD, AB : BC = 2 : 1
5.1.2
Heuristische Hilfen zur Lösung von Konstruktionsaufgaben
• Überlegungsfigur: Zeichne zuerst die gesuchten Stücke und dann die gegebenen.
• Zeichne nützliche Hilfsgeraden ein: Verbinde Punkte, verlängere Strecken, ziehe Parallelen
oder Senkrechte etc.
• Konstruiere eine Teilfigur.
• Lasse eine Bedingung weg. Suche Symmetrien und entsprechende Abbildungen.
5.2
5.2.1
Zur Entwicklung des Abbildungsbegriffs in der Geometrie
Euklid
Im 4. Axiom Was einander deckt, ist einander gleich.“ greift Euklid auf die intuitive Vorstellung
”
einer Bewegung“ von Figuren zurück. Die Idee der Abbildung kommt bei ihm nur in dieser
”
impliziten Form vor.
5.2.2
L. Euler
Leonard Euler (1707 - 1783), führt den Funktionsbegriff in der Algebra ein, verwendet jedoch
keine geometrischen Abbildungen in unserem Sinn, sondern nur Abbildungen, deren Definitions und Wertebereich eine gegebene Figur ist. Die Bezeichnung Abbildung kommt bei Euler nicht
vor. Beispielsweise definiert Euler (in moderner Terminologie ausgedrückt):
Eine Figur F heisst symmetrisch zum Punkt B, wenn es für alle von B verschiedenen Punkte
A von F einen Punkt A′ von F mit A 6= A′ gibt, so dass gilt: B ist der Mittelpunkt der Strecke
AA′ .
Dass Euler den allgemeinen Abbildungsbegriff nicht benützt, kommt auch in seiner Formulierung
des folgenden Satzes zum Ausdruck: Sind ABC und A′ B ′ C ′ gleichsinnig ähnliche Dreiecke, wobei
sich A und A′ , B und B ′ , C und C ′ entsprechen, so gibt es einen Punkt F , so dass die Vierecke
ABCF und A′ B ′ C ′ F gleichsinnig ähnlich sind.
Diesen Satz kann man heute so formulieren: Jede gleichsinnige Ähnlichkeitsabbildung der Ebene,
die keine Kongruenzabbildung ist, besitzt einen Fixpunkt.
(Siehe auch [3], S. 168 ff.)
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5.2.3
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A.F. Möbius
Den Abbildungsbegriff findet man erst bei August Ferdinand Möbius (1790 - 1868). Er beschäftigt
sich eingehend mit der projektiven Geometrie und veröffentlicht 1827 das berühmte Werk Der
”
barycentrische Calcul“. Im zweiten Teil, den er dem Leser besonders ans Herz legt, befasst er
sich mit geometrischen Verwandtschaften zweier Figuren“. Hier definiert er Kollineationen als
”
geometrische Abbildungen, die die gesamte Ebene als Definitions- und Wertebereich besitzen
und nicht nur einzelne Figuren abbilden: Das Wesen dieser neuen Verwandtschaft besteht also
”
darin, dass bei zwei ebenen oder körperlichen Räumen, jedem Punkte des einen Raums ein Punkt
in dem anderen Raume dergestalt entspricht, dass, wenn man in dem einen Raum eine beliebige
Gerade zieht, von allen Punkten, welche von dieser Geraden getroffen werden, die entsprechenden Punkte in dem anderen Raume gleichfalls durch eine Gerade verbunden werden können. Es
ist deshalb diese Verwandtschaft die Verwandtschaft der Collineation genannt worden. Figuren,
zwischen denen sie stattfindet, heissen collinear verwandte, oder schlechthin collineare Figuren.“
5.2.4
F. Klein
Vom Ende des 18. Jahrhunderts an begann sich die Geometrie in verschiedene Richtungen zu entwickeln. Das 19. Jahrhundert brachte die Herausbildung der hyperbolischen und der elliptischen
Geometrie, der projektiven Geometrie und auch die Anfänge der Topologie. Um die verschiedenen Zweige der Geometrie zu ordnen, führt Felix Klein (1849 - 1925) mit Hilfe von Abbildungen und gruppentheoretischen Methoden, basierend auf Grundideen vom ihm und Sophus Lie,
Möbius’ Überlegungen zu den geometrischen Verwandtschaften zweier Figuren“ weiter. Klein
”
stellt das Programm 1872 in Erlangen in einer Antrittsvorlesung mit dem Titel Vergleichende
”
Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen“ vor, es wird daher Erlanger Programm“
”
genannt.
Klein betrachtet Gruppen von Abbildungen der Ebene resp. des Raumes auf sich. Die Sätze
über Eigenschaften, die bei einer solchen Gruppe von Abbildungen ungeändert bleiben, bilden
die Geometrie, die dieser Gruppe von Abbildungen zugeordnet ist.
(Siehe auch [1], S. 130 ff.)
Literatur
[1] Courant, R. und H. Robbins: Was ist Mathematik? Springer, 2000.
[2] Hanna G., Jahnke, H.N.: Another Aproach to Proof. ZDM Mathematics Education, 34(1):1
– 8, 2002.
[3] Struve, H.: Grundlagen einer Geometriedidaktik. Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik. B.I. Wissenschaftsverlag, 1990.
[4] Wittmann, E.C.: Elementargeometrie und Wirklichkeit: Einführung in geometrisches Denken. Didaktik der Mathematik. Vieweg, 1987.
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