Lemma 10. Die Menge Aff (Kn ) aller Affinitäten von Kn ist eine Gruppe bezüglich der Verkettung. Beweis. (vgl. Lemma 39 LAAG I sowie Noch ein Beispiel“ aus ” Vorl. 1, Seite 10) Zuerst zeigen wir, dass jede Affinität bijektiv ist. Nach Lemma 13 LAAG I genügt es zu zeigen, dass es zu jeder Affinität F (x) = Ax + b eine inverse Abbildung gibt. Wir konstruieren die inverse Abbildung: Wir setzen G (x) = A−1 x − A−1 b. Dann gilt: G ◦ F (x) = A−1 (Ax + b) − A−1 b = A−1 Ax + A−1 b − A−1 b = x. F ◦ G (x) = A(A−1 x − A−1 b) + b = AA−1 x − AA−1 b + b = x. Also ist jede Affinität bijektiv. Ausserdem sehen wir, dass die Umkerabbildung G auch eine Affinität ist. Wir betrachten die Menge SKn := {aller Bijektionen g : Kn → Kn }. Nach Wicht. Bsp. aus Vorl. 1 (Seite 15) ist (SKn , ◦) eine Gruppe (wobei ◦“ die Verkettung ist). Wie oben gezeigt gilt Aff (Kn ) ⊆ SKn . Nach Satz ” 2 genügt es zu zeigen, dass Aff (Kn ) eine Untergruppe ist, also dass (i) ∀F ∈ Aff (Kn ) gilt: F −1 ∈ Aff (Kn ) – Das haben wir bereits oben gezeigt. (ii) ∀F , G ∈ Aff (Kn ) gilt: F ◦ G ∈ Aff (Kn ). Sei A, B ∈ GLn (K) und a, b ∈ Kn . Dann gilt für F (x) = Ax + a und G (x) = Bx + b: F ◦ G (x) = F (G (x)) = A(Bx + b) + a = |{z} AB x + Ab + a ∈ Aff (Kn ) | {z } ∈GLn (K) wie behauptet. Nebenergebnis. Jede Affinität ist eine Bijektion. ∈Kn Punkte in der allgemeinen Lage – affines Analogon der linearen Unabhängigkeit Def. Die Punkte a0 , ..., ak ∈ Kn bzw. die endliche (k+1-elementige) Menge {a0 , ..., ak } ⊆ Kn heißt in der allgemeinen Lage, wenn die affine Hülle Aff (a0 , ..., ak ) k−dimensional ist. Bemerkung: Da der Vektorraum zu Aff (a0 , ..., ak ) gleich span (a1 − a0 ), (a2 − a0 ), ..., (a3 − a0 ) ist, sind die Punkte a0 , ..., ak ∈ Kn genau dann in der allgemeinen Lage, wenn die Vektoren (a1 − a0 ), (a2 − a0 ), ..., (a3 − a0 ) linear unabhängig sind. Diese drei Punkte sind NICHT in der allg. Lage Diese drei Punkte sind in der allg. Lage Def. Fortsetzung Eine (n + 1)−elementige Menge in der allgemeinen Lage heißt eine affine Basis. Lemma 11. Seien Kn , Km zwei affine Räume der Dimensionen n und m. Die Punkte a0 , ..., an ∈ Kn seien eine affine Basis in Kn . b0 , ..., bn ∈ Km seien beliebige Punkte. Dann existiert genau eine affine Abbildung F : Kn → Km s.d. F (ai ) = bi . Ferner gilt: Ist m = n und b0 , ..., bn eine affine Basis, so ist diese Abbildung eine Affinität. Anwendung in D2: Seien (A, B, C ) die Ecken eines nichtausgearteten Dreiecks in der Ebene R2 . Dann gilt für beliebige Punkte A′ , B ′ , C ′ der Ebene: Es gibt genau eine affine Abbildung, mit A 7→ A′ , B 7→ B ′ , C 7→ C ′ . Ferner gilt: Sind die Punkte A′ , B ′ , C ′ auch die Ecken eines nichtausgearteten Dreiecks, so ist die Abbildung eine Affinität: B Es gibt (genau eine) Affinität, die A-->A’, B-->B’, C-->C’ A C C’ B’ A’ Analogon in Linearer Algebra – Lemma 15 Vorl. 9 LAAG I (V , +, ·) sei ein n−dimensionaler Vektorraum; (U, +, ·) sei ein Vektorraum beliebiger Dimension. (v1 , ..., vn ) sei ein Basis-Tupel in V und (u1 , ..., un ) sei ein n−Tupel der Vektoren aus U. Dann gilt: Es existiert genau eine lineare Abbildung f : V → U so dass f (vi ) = ui für alle i = 1, ..., n. Ist (u1 , ..., un ) auch eine Basis, so ist die Abbildugn ein Beweis von Lemma 11. Nach Definition ist das Tupel (a1 − a0 , a2 − a0 , a3 − a0 , ..., an − a0 ) eine Basis in Kn , weil es aus n linear unabhängigen Vektoren besteht. Wir betrachten das Tupel (b1 − b0 , b2 − b0 , b3 − b0 , ..., bn − b0 ) (von Vektoren in Km ). Nach eben wiederholtem Lemma 15 aus LAAG I gibt es (genau eine) lineare Abbildung f , so dass f (ai − a0 ) = f (bi − b0 ). Wir betrachten die affine Abbildung F : Kn → Km , F (x) := b0 + f (x − a0 ) = b0 − f (a0 ) + f (x) . Wir zeigen, dass F die gewünschte Eigenschaft F (ai ) = bi hat: Wir rechnen es aus: Für i = 0 ist F (a0 ) = b0 + f (a0 − a0 ) = b0 + f (~0) = b0 . Für i = 1, ..., n gilt: F (ai ) = b0 + f (ai − a0 ) Konstr. von f = b0 + bi − b0 = bi . Ferner gilt: Ist (b0 , ..., bn ) eine affine Basis, also sind b1 − b0 , ..., bn − b0 linear unabhängig, so ist f nach Lemma 15 LAAG I ein Isomorphismus; folglich ist F eine Affinität. Existenz von F (und die Zusatzaussage) ist damit (konstruktiv) bewiesen; wir müssen jetzt die Eindeutigkeit zeigen. Eindeutigkeit von F mit F (ai ) = bi Seien F , F ′ : Kn → Km affine Abbildungen mit der Eigenschaft F (ai ) = F ′ (ai ) = bi . Die Abbildungen F und F ′ seien wie folgt gegeben: F (x) = c + f (x) und F ′ (x) = c ′ + f ′ (x) wobei c, c ′ ∈ Km . Wir haben: Linearität bi − b0 = F (ai ) − F (a0 ) = c + f (ai ) − c − f (ai ) = f (ai − a0 ). ′ Analog gilt: bi − b0 = f (ai − a0 ). Nach Lemma 15 LAAG I ist dann f′ ≡f. Dann gilt: b0 = c + f (a0 ) und b0 = c ′ + f (a0 ); wir ziehen eine Gleichung von der Anderen ab und bekommen: c − c ′ = ~0. Daraus folgt F ′ (x) = F (x) wie wir es wollen. Affine Eigenschaften (K = R, falls nicht explizit erwähnt.) Def. Sei M eine Teilmenge eines affinen Raums Kn . Eine Eigenschaft der Menge M heißt affin, wenn für jede Affinität F : Kn → Kn die Bildmenge {F (a)wobei a ∈ M} auch diese Eigenschaft hat. Bezeichnung – Wiederholung Die Bildmenge einer Menge M unter der Abbildung F werden wir mit BildF (M) := {F (a) wobei a ∈ M} bezeichnen. Bsp. Eigenschaft Unterraum zu sein“ ist eine affine Eigenschaft. ” Tatsächlich: Man betrachte einen affinen Unterraum U = {a0 + v | v ∈ VU } ⊆ Kn . Ist F ein Affinität, so ist F (x) = Ax + b für ein A ∈ GLn (Kn ) und b ∈ Kn . Dann gilt: BildF (U) := {A(a0 + v ) + b | v ∈ VU } = {Aa0 + b + Av | v ∈ VU } = | {z } a′ {a′ + u | u ∈ BildA (VU )}. Da, nach Satz 12(i) LAAG I, BildA (VU ) ein Untervektorraum von Kn ist, ist BildF (U) ein affiner Unterraum. Wir bemerken, dass dim(BildA (VU )) (und deswegen auch dim(BildF (U))) gleich dim(U), weil A ∈ GLn (K) ist. Bsp. Eigenschaften Gerade , Ebene, oder Hyperebene zu sein“ ” sind affine Eigenschaften. Tatsächlich ist nach Definition Gerade Unterraum der Dimension 1 Ebene Unterraum der Dimension 2 Hyperebene Unterraum der Dimension n − 1 Da die Isomorphismen die Dimension des Untervektorraums erhalten, ist Bild einer Geraden, Ebene oder Hyperebene jeweils eine Gerade, Ebene oder Hyperebene. Bsp. Eigenschaft aus 3 Punkten zu bestehen ist eine affine Eigenschaft. Def. Seien a0 , a1 ∈ Rn . Die Strecke mit Endpunkten a0 , a1 ist die Menge {a0 + λ(a1 − a0 ) wobei 0 ≤ λ ≤ 1 }. (ist sinnvoll nur wenn K = R ist) a1 a0 Bsp. Eigenschaft eine Strecke zu sein ist auch eine affine Eigenschaft. Tatsächlich: Für jeden Punkt einer Strecke {a0 + λ(a1 − a0 ) wobei 0 ≤ λ ≤ 1 } gilt Def. λf (a1 − a0 ) F (a0 + λ(a1 − a0 )) = F (a0 ) + {z } | . λ(F (a1 ) − F (a0 )) nach Def. Dann ist die Bildmenge {F (a0 ) + λ(F (a1 ) − F (a0 )) wobei 0 ≤ λ ≤ 1 } auch eine Strecke. Def. Sei (a, b, c) ein Tripel von Punkten in Kn . 1. Die Punkte a, b, c heißen kollinear, liegen. falls sie auf einer Geraden 2. Ist (a, b, c) ein kollineares Punktetripel und a 6= b, so heißt der durch die Gleichung c − a = λ(b − a) eindeutig bestimmte Skalar λ das Teilverhältnis des kollinearen Punktetripels (a, b, c), bezeichnet durch TV (a, b, c). Bsp. c heißt der Mittelpunkt der Strecke (a, b), wenn TV (a, b, c) = gilt (hat Sinn falls 12 = 2−1 wohldefiniert ist, also falls 1 + 1 6= 0 ist.) Das ist äquivalent zu c = a + 12 (b − a). c TV(a,b,c)=1/2 a b b c a TV(a,b,c)=-1 1 2 0 3 1 Bsp. In R2 sind a = , b= und c = kollinear. Wegen 1 1 1 3 1 gilt TV (a, b, c) = 13 . c −a= = 31 (b − a) = 13 0 0 c=(1,1) a=(0,1) b=(3,1) Geometr. Bedeutung: Wir betrachten den affinen Raum R2 . Dann gilt: TV(a,b,c)=-2 |TV (a, b, c)| = Länge(a, c) . Länge(a, b) Vorzeichen von TV (a, b, c) ist +“, wenn c und b von einer Seite von a ” liegen, und −“, wenn a zwichen b und c liegt. ” Ferner gilt: Liegt c auf der Strecke a, b, so ist 0 ≤ TV (a, b, c) ≤ 1. Liegt a auf der Strecke b, c, so ist TV (a, b, c) ≤ 0. Liegt b auf der Strecke a, c, so ist TV (a, b, c) ≥ 1. Mnemonische Regel/alte Bezeichnung für TV (a, b, c) b Früher hat man TV (a, b, c) wie folgt → − − → ab ist der Vektor s.d. ac bezeichnet: → − . Wir wollen hier ab als a + ab = b; ab a → als c −a verstehen, siehe also ist ab=b-a b −a und − ac 0 das Bild: → − ac c−a Die Formel → hat nur dann Sinn, wenn c − a und b − a − = b−a ab proportional sind, also wenn a, b, c auf einer Gerade liegen (also, kollinear sind), und b 6= a ist. Das Teilverhältnis ist eine affine Eigenschaft. Lemma 12. Sind (a, b, c) kollinear und F eine Affinität, so sind auch (F (a), F (b), F (c)) kollinear; ferner gilt: TV (a, b, c) = TV (F (a), F (b), F (c)). Beweis. Liegen a, b, c auf einer Geraden G , so liegen F (a), F (b), F (c) auf der Bildmenge BildF (G). Da BildF (G) wieder eine Gerade ist, sind F (a), F (b), F (c) kollinear. Nach Definition ist c − a = TV (a, b, c)(b − a). Nach Definition ist F (c) − F (a) = f (c − a) und F (b) − F (a) = f (b − a). Also, F (c) − F (a) = TV (a, b, c)(F (b) − F (a)), also TV (F (a), F (b), F (c)) = TV (a, b, c) Folgerung: Punkt c ist der Mittelpunkt der Strecke (a, b) Punkt c teilt die Strecke (a, b) im Verhältnis 2 : 1 affine Eigenschaft affine Eigenschaft Flächeninhalt einer Menge Flächeninhalt der zweiten Menge ist eine affine Eigenschaft (K = R) In der Vorl. 12 LAAG I, Seiten 47–52 haben wir verstanden, dass eine lineare Abbildung fA : R2 → R2 (wobei R2 mit der üblichen Schulgeometrischen“ Ebene identifiziert ist) den Flächeninhalt einer ” jeden Figur mit dem Faktor det(A) multipliziert. Wir wissen, dass jede Affinität von R2 die Form F (x) = F (a) + fA (x − a) hat. Da die Translation (Parallelverschiebung) offensichtlich den Flächeninhalt erhält, multipliziert die affine Abbildung den Flächeninhalt einer jeden Figur mit dem Faktor det(A). Flächeninhalt einer Menge Deswegen erhalten die Affinitäten von R2 Flächeninhalt der zweiten Menge . Selbstverständlich ist das Phänomen mehrdimensional : In Dim(3) und in Dim(n) ist Volum(BildF (Menge)) = det(f )(Volum(Menge)) und deswegen det(f ) · Volum(Menge1 ) Volum(Menge1 ) Volum(BildF (Menge1 )) = = Volum(BildF (Menge2 )) det(f ) · Volum(Menge2 ) Volum(Menge2 ) Wiederholung Eine Eigenschaft einer Teilmenge M ⊆ Rn heißt affin, wenn für jede Affinität F : Rn → Rn die Bildmenge {F (a) wobei a ∈ M} auch diese Eigenschaft hat. Punkt zu sein Gerade (zu sein) Strecke Dreieck parallele Gerade Winkel (in D2 oder D3) zwischen zwei Geraden ist 90◦ Länge einer Strecke (in D2 oder D3) ist gleich 5 Punkt c ist die Mittelpunkt der Stecke (a, b) Punkt c teilt die Stecke (a, b) in Verhältnis 2 : 1 Flächeninhalt (in D2 oder Volumen in D3) Flächeninhalt einer Menge Flächeninhalt der zweiten Menge = 5 affin affin affin affin affin nicht affin nicht affin affin affin nicht affin affin Anwendung in der (Schul)geometrie Wir sagen, dass eine geometrische Aufgabe affin ist, falls nur affine Eigenschaften gegeben sind. Um eine affine Aufgabe zu lösen, können Sie zuerst eine passende Affinität anwenden. Wenn Sie dies klug genug tun, vereinfacht dies die Aufgabe. BspAufgabe. Beweisen Sie, dass sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks (a) in einem Punkt schneiden (b), dass der Schnittpunkt sie im Verhältnis 2 : 1 teilt, (c), dass die 6 Dreiecke, in die die Seitenhalbierenden das Dreieck teilen, gleichen Flächeninhalt haben. Bemerkung Hausaufgabe 4 ist die Verallgemeinerung von (a) und (c) für 3-dim Fall. c b’ a a’ c’ b Man betrachte eine Affinität, die die Ecken des Dreiecks ABC in die Ecken eines regelmäßigen Dreiecks überführt. (Existiert nach Lemma 11, weil A, B, C und A′ , B ′ , C ′ affine Basen in R2 sind.) Die Abbildung führt die Seiten in Seiten über. Die Abbildung führt die Mittelpunkte der Seiten in die Mittelpunkte der Seiten über. Die Abbildung führt die Seitenhalbierenden in die Seitenhalbierenden über. Da sich in dem regelmäßigen Dreieck, die Seitenhalbierenden in einem Punkt schneiden, schneiden sich die Seitenhalbierenden des ursprünglichen Dreiecks auch in einem Punkt. (a) ist bewiesen. F(c) F(b’) c b’ F a’ m’ m a c’ b F(a’) F(a) F(c’) F(b) F(c) F(b’) c b’ F a’ m’ m a c’ b F(a’) F(a) F(b) F(c’) Da in einem regelmäßigen Dreieck alle 6 Dreiecke, in die die TV(a,b,c)=-2 Seitenhalbierenden das Dreieck teilen, gleich sind, sind ihre Flächeninhalte auch gleich, also Flächeninhalt eines kleinen Dreieck = 1. Flächeninhalt eines anderen kleinen Dreiecks (∗) Da dies eine affine Eigenschaft ist, gilt (∗) auch für das ursprüngliche Dreieck. (c) ist bewiesen. Man betrachte ein “kleines” Dreieck. Da der Winkel F (c)F (a)F (a′ ) gleich 30o ist, ist |(m′ , F (b ′ ))| = sin(30o ) |(m′ , F (a))| = 12 |(m′ , F (a))|. Da |(F (b), m′ )| = |(m′ , F (a))|, teilt der Punkt m′ die Seitenhalbierende (F (b), F (b ′ )) im Verhältnis 2 : 1. Da Affinitäten die Teilverhältnisse erhalten, teilt m die Seitenhalbierende (b, b ′ ) im Verhältnis 2 : 1. (b) ist bewiesen. F(c) F(b’) c b’ F a’ o 30 m a b c’ TV(a,b,c)=-2 F(a’) F(a) m’ F(c’) F(b)