Statistische Mechanik Die Thermodynamik beschreibt makroskopische Eigenschaften von Materie. Molekulare Eigenschaften werden mit der Quantenmechanik untersucht. Der Verknüpfung von Quantenmechanik und Thermodynamik erfolgt durch die statistische Mechanik. Ziel ist, beispielsweise die Entropie S, die innere Energie U oder die Wärmekapazität Cv aus Moleküleigenschaften zu berechnen. Wegen der großen Zahl von Molekülen in einem makroskopischen System benützt man statistische Methoden. Die statistische Mechanik von Gleichgewichtszuständen bezeichnet man auch als statistische Thermodynamik. Wir unterscheiden das makroskopische thermodynamische System von mikroskopischen Systemen, den Molekülen oder Teilchen. Ferner unterscheiden wir den thermodynamischen Zustand eines makroskopischen Systems (durch Zustandsvariablen p, T, V, N bestimmt) und seinen Quantenzustand (durch Quantenzahl, Wellenfunktion und Energie bestimmt). Ersterer wird als Makrozustand, letzterer als Mirkozustand bezeichnet. Für einen gegebenen Makrozustand sind sehr viele verschiedene Mikrozustände denkbar, die experimentell i.a. nicht zu unterscheiden sind. Postulat I Das zeitliche Mittel einer makroskopischen Eigenschaft in einem System von Interesse entspricht dem Mittelwert dieser Eigenschaft in einem Ensemble. Ein Ensemble ist eine hypothetische unendlich große Zahl von unabhängigen identischen Systemen mit demselben Makrozustand. Ein Ensemble von Systemen mit gleicher Temperatur, gleichem Volumen und identischer Zusammensetzung wird kanonisches Ensemble genannt. Die möglichen Mikrozustände eines Systems können theoretisch durch Lösung der Schrödinger-Gleichung Ĥψ j = E jψ j für das makroskopische System erhalten werden. Man erhält Ej = Ej (V, NB, NC….) als Funktion des Volumens und der Zusammensetzung. (Die Temperatur taucht als Variable nicht auf, da sie keine mikroskopische Größe ist.) Die innere Energie U kann als Mittelwert von Ej erhalten werden U = <Ej> = Σ pj Ej Hierbei ist pj eine Wahrscheinlichkeit. Die Summe bezieht sich auf die erlaubten Quantenzustände des Systems. pj ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das System im Quantenzustand j befindet. Mit Ej sind demnach Zustände und nicht Energieniveaus gemeint, einige Energieniveaus werden entartet sein. Postulat II Für ein thermodynamisches System mit bestimmtem Volumen, Zusammensetzung und Temperatur haben alle Quantenzustände derselben Energie dieselbe Wahrscheinlichkeit. Demnach hängt pj nur von Ej ab und nicht davon, wie die Energie auf die einzelnen Moleküle verteilt ist. Es gilt pj = e −β E j ∑e −β E k = e −β E j Z k Wichtig: Z ist die kanonische Zustandssumme des (makroskopischen) Systems. 1 Innere Energie U U = ∑ p jE j = j ∑ E je −β E j j Z ⎛ ∂Z ⎞ −βE Wegen ⎜ ⎟ = −∑ E je j folgt ⎝ ∂β ⎠ V,N B j U=− ⎛ ∂ ln Z ⎞ 1 ⎛ ∂Z ⎞ = −⎜ ⎜ ⎟ ⎟ Z ⎝ ∂β ⎠V,N ⎝ ∂β ⎠V,NB B Druck p ⎛ ∂E j ⎞ Es gilt Pj = − ⎜ ⎟ ⎝ ∂V ⎠ NB p = ∑ p jPj = − j 1 −β E ⎛ ∂E j ⎞ e j⎜ ⎟ ∑ Z j ⎝ ∂V ⎠ N B 1 ⎛ ∂ ln Z ⎞ Es folgt p = ⎜ ⎟ β ⎝ ∂V ⎠T,NB Mit β = 1 ergeben sich folgende grundlegende Zusammenhänge kT ⎛ ∂ ln Z ⎞ Innere Energie U = kT 2 ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠V,NB ⎛ ∂ ln Z ⎞ Druck p = kT ⎜ ⎟ ⎝ ∂V ⎠T,NB ⎛ ∂ ln Z ⎞ + k ln Z Entropie S = kT ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠ V,NB Freie Energie A = −kT ln Z Die Wahrscheinlichkeit, dass ein System die Energie EJ besitzt, ist Wi e− Ei / kT p(Ei ) = Z 2 Allgemeines Rezept 1. Aufstellen des Hamilton-Operators Ĥ für das thermodynamische System. (Dafür sind alle Formen von intramolekularen Energien und intermolekularen Kräften notwendig). 2. Lösen der Schrödinger-Gleichung (SGL) Ĥψ j = E jψ j , um die quantenmechanischen Energien Ej für die möglichen Quantenzustände zu erhalten. 3. Berechnung der kanonischen Zustandssumme Z ≡ ∑ e − Ej/ kT als Summe über alle j Quantenzustände des thermodynamischen Systems. 4. Berechnung von thermodynamischen Größen aus Z. Die kanonische Zustandssumme kann relativ einfach berechnet werden, wenn die Teilchen eines Systems nicht miteinander wechselwirken. ˆ =H ˆ +H ˆ +H ˆ + ... + H ˆ Dann gilt: H 1 2 3 N und E j = ε1,r + ε 2,s + ε3,t + ... + ε N,w Hierbei ist ε1,r die Energie des Moleküls 1 im Quantenzustand r. Ĥ1ψ1,r = ε1,r ψ1,r Für die kanonische Zustandssumme folgt: Z = ∑e = ∑e −βE j j j = ∑∑ ...∑ e r s = ∑e r −β ( ε1,r +ε 2,s +....+ε N,w ) −βε1,r −βε 2,s ⋅ ... ⋅ e ...∑ e −βε N,w ⋅e −βε N,w w −βε1,r ∑e −βε 2,s r r = z1 ⋅ z 2 ⋅ z3 ⋅ ... ⋅ z N zN ist die molekulare Zustandssumme des Moleküls N. Für identische, unterscheidbare, untereinander nicht wechselwirkende Moleküle folgt Z = zN mit z ≡ ∑e −βεs s Für nicht unterscheidbare Teilchen gilt: Z = zN N! 3 Kanonische Zustandsfunktion für ein reines ideales Gas ⎛ zN ⎞ ⎟⎟ = Nlnz – lnN! ln Z = ln ⎜⎜ N ! ⎠ ⎝ Stirling-Näherung (für große N): lnN! ≈ NlnN – N Annahme: εr = εtr,s + εrot,t + εvib + εel,u Die Energie eines Moleküls lässt sich im Rahmen dieser Näherung in Translation, Rotation, Schwingung und elektronische Zustände separieren. Damit gilt: z = ztr· zrot · zvib · zel lnz = lnztr + lnzrot + lnzvib + lnzel Wenn die Energie eines Moleküls die Summe von unabhängigen Energieformen ist, kann die molekulare Zustandssumme als Produkt von Zustandsummen für jede Energieform geschrieben werden. Es folgt : lnZ = Nlnztr + Nlnzrot + Nlnzvib + Nlnzel – N(lnN-1) ⎛ ∂ ln Z ⎞ Innere Energie U = kT2 ⎜ ⎟ = Utr + Urot + Uvib + Uel ⎝ ∂T ⎠V , N ⎛ ∂ ln z tr ⎞ U tr = NkT 2 ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠V ⎛ ∂ ln z rot ⎞ U rot = NkT 2 ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠V ⎛ ∂ ln z vib ⎞ U vib = NkT 2 ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠ V ⎛ ∂ ln z el ⎞ U el = NkT 2 ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠V U Entropie S = + k ln Z T S = Str + Srot + Svib + Sel Str = U tr + Nk ln z tr − Nk(ln N − 1) T Srot = U rot + Nk ln z rot T Svib = U vib + Nk ln z vib T 4 Statistische Thermodynamik von idealen 1- und 2-atomigen Gasen Die thermodynamischen Eigenschaften eines Systems werden durch die kanonischen Zustandssummen ausgedrückt. zN mit z = ∑ e − ßεr N! r Zustandssumme Translation Es gilt Z = Z = z tr = ∑ e − ßε tr,s s 2 h 2 ⎛ n 2x n y n z2 ⎞ Energieeigenwerte für Teilchen im 3dim Kasten ε tr = + + ⎟ ⎜ 8m ⎜⎝ a 2 b 2 c 2 ⎟⎠ Im Folgenden werden etliche Formeln aufgelistet. Für die jeweiligen (länglichen) Herleitungen wird auf Lehrbücher verwiesen. Es ist sehr instruktiv wenigstens ein Beispiel nachzuvollziehen. 3 ⎛ 2πmkT ⎞ 2 z tr = ⎜ ⎟ ⋅V 2 ⎝ h ⎠ 3 ⎛ 2πmk ⎞ 3 ln z tr = ln ⎜ 2 ⎟ + ln T + ln V 2 ⎝ h ⎠ 2 Zustandssumme Rotation ∞ z rot = ∑ (2J + 1)e − =2 J(J +1) 2IkT J =0 z rot = 2IkT ⎧ σ = 1 hetreonuklear ⎨ σ= 2 ⎩σ = 2 hom onuklear Zustandssumme Schwingung z vib = 1 1− e − hν0 / kT Zustandssumme elektronisch z el = g el In der Regel ist der elektronische Grundzustand nicht entartet. Deshalb ist die elektronische Zustandssumme meist gleich Eins. Ausnahmen sind Sauerstoff (gel = 3) und NO (gel = 2). Druck p Nur ztr hängt von V ab. Damit folgt die Zustandsgleichung für ideale Gase. ⎛ ∂ ln z tr ⎞ ⎛ ∂ ln Z ⎞ p = kT ⎜ ⎟ = kT ⎜ ⎟ ⎝ ∂V ⎠T,N ⎝ ∂V ⎠T,N ⎛ ∂ ln z tr = NkT ⎜ ⎝ ∂V ⎞ NkT nRT ⎟= V = V ⎠ 5 Innere Energie 3 3 ⎛ ∂ ln z tr ⎞ U tr = nRT 2 ⎜ = nRT 2 = RT ⎟ 2T 2 ⎝ ∂T ⎠V U rot = nRT U vib = nR hν 1 hν / kT k e −1 U el = 0 Wärmekapazität Cv C v,tr = 3 nR 2 C v,rot = nR C v,vib ⎛ hν ⎞ = nR ⎜ ⎟ ⎝ kT ⎠ 2 e hν / kT (e hν / kT ) −1 2 C v,el = 0 Entropie ⎡ (2πm) 3 2 (kT) 5 2 ⎤ 5 ⎥ Str = nR + nR ln ⎢ 2 p ⎥ ⎢ h3 ⎣ ⎦ Srot = nR + nR ln Svib = nR T ⋅ 2Ik σ= 2 hν 1 − nR ln 1 − e − hν / kT hν / kT kT e −1 ( ) Sel = nR ln g el,0 6 Statistische Thermodynamik von idealen mehratomigen Gasen ⎛ 2πmkT ⎞ z tr = ⎜ ⎟ 2 ⎝ h ⎠ ∞ z rot = ∑ (2J + 1)e − =2 J(J +1) 2IkT 3 2 ⋅V (nur lineare Moleküle wie Acetylen) J =0 z vib = ∏ s 1 1− e − hνs / kT z el = 1 U tr = 3 nRT 2 U el = 0 U linear = nRT rot linear U nicht = rot 3 nRT 2 U vib = nR ∑ s C v,tr = e hνs / k hνs / kT −1 3 nR 2 C v,el = 0 C v,rot = 3 nR 2 bzw. nR C v,vib = ∑ C v,vib,s s Str ,Srot,linear s.o. Srot,nicht linear = 3 nR + nR ln z rot 2 Svib = ∑ Svib,s Sel = nR ln g el,0 7 Acetylen einfachstes Alkin Ethin lineare Struktur Punktgruppe D∞,h RCC = 120 pm RCH = 106 pm C-C-Bindungslänge / pm C-H-Bindungslänge / pm C-C-H-Bindungswinkel / ° Ethan 153 109,5 ~110 Ethen 133 107,6 ~120 Ethin 120 106,4 180 sp-Hybridisierung Dreifachbindung σ-Bindung π-Bindungen 8 9