Methodenentwicklung zur Anwendung genetischer

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Zusammenfassung und Ausblick
182
10. Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Arbeit wurden Grundlagen für das Konzept der gerichteten Evolution
semisynthetischer Enzyme entwickelt. Dies sind Proteine, in die eine katalystisch aktive
Gruppe durch gezielte chemische Modifikation eingebaut wurde (Abbildung 82).
Kat
Protein
Protein
Kat
Abbildung 82. Herstellung von semisynthetischen Enzymen durch chemische Modifikation
eines Proteingerüstes mit einer katalytisch aktiven Gruppe (Kat).
Diese Methode stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Kombination der Vorteile der
homogenen und der enzymatischen Katalyse dar. Es könnten dadurch die einzigartigen
Wechselwirkungen von Proteinliganden auf die wesentlich flexibleren homogenen Katalysatoren übertragen werden. Durch Anwendung einer effizienten genetischen Optimierungsstrategie wäre daüber hinaus eine Verbesserung der katalytischen Eigenschaften dieser
Konjugate innerhalb kürzester Zeit möglich.
Mutagenese
X
X
Gen
X
Transformation
X
Gene mit
Mutationen
. .
. . . . .. .
.
. .. .. . . .
. . . . ..
. .. . .
Bakterien
Zuordnung
Wiederholung
Expression
chemische
Modifikation
Katalyse
Identification of
Identifizierung
von
Improved
Catalysts
verbesserten Katalysatoren
Semisynthetische
Enzyme
Proteinvarianten
Abbildung 83. Das Konzept der gerichteten Evolution von semisynthetischen Enzymen.
Zusammenfassung und Ausblick
183
Der erste Schwerpunkt der Arbeit lag in der Untersuchung verschiedener Methoden zur
selektiven chemischen Modifikation von Proteinen mit katalystisch aktiven Gruppen. Es
wurde zuerst eine Anbindung von Diphosphanen, der am häufigsten in der asymmetrischen
Übergangsmetallkatalyse eingesetzten Ligandenklasse, über die Thiolgruppe von Cysteinen
versucht. Cysteine sind verhältnismäßig seltene Aminosäuren in Proteinen und können
aufgrund der herausragenden Nukleophilie der Thiolgruppe selektiv modifiziert werden.
Jedoch stellte sich bei der Darstellung geeigneter thiolselektiver Reagenzien heraus, daß
Diphosphane inkompatibel mit den üblicherweise eingesetzten Anbindungsgruppen sind. Zum
Beispiel addiert sich das schwach nukleophile Phosphoratom des Liganden an die Doppelbindung der Maleinimidgruppe (Abbildung 84).
O
R 3P +
NR
O
330
O
331
NR
R3P
O
332
Abbildung 84. Michael-Addition des Phosphanliganden an die Maleinimidgruppe.
Mehrere daraufhin untersuchte Möglichkeiten zur Lösung dieses Problems, zum Beispiel eine
sterische oder elektronische Abschwächung des Michael-Akzeptors, führten jedoch nicht zum
Erfolg. Außerdem wurde im Rahmen dieser Versuche festgestellt, daß die chemische
Modifikation freier Cysteine in Proteinen aufgrund der hohen Reaktivität der Thiolgruppe und
ihrer großen Affinität zu Übergangsmetallkomplexen keine allgemein anwendbare Methode
für die Anbindung beliebiger katalytisch aktiver Gruppen darstellt.
Daher wurde im Rahmen der Entwicklung einer allgemeinen Methode zur Anbindung von
Übergangsmetallkatalysatoren an Proteine die chemischen Modifizierung von Serin-Hydrolasen über irreversibel bindende Organophosphorverbindungen untersucht. Dazu wurde die
Darstellung verschiedener Phosphonsäurederivate unternommen, die anschließend auf ihre
Wirkung als Inhibitor gegenüber verschiedenen Serin-Hydrolasen getestet wurden. Der
Diphosphanligand war mit dieser Anbindungsgruppe kompatibel. Der Phosphonsäureesters 234 (Abbildung 85) konnte unter anderem an Bacillus subtilis Lipase A gebunden
werden, von der bereits ein geeignetes Expressionssystem sowie große Bibliotheken mit
Enzymvarianten zur Verfügung standen. Jedoch erwies sich die Anbindung als reversibel.
Zusammenfassung und Ausblick
O2N
O
P
O
O
184
O
PPh2
N
O2N
PPh2
234
Abbildung 85. Phosphonsäureester zur spezifischen kovalenten Anbindung von Diphosphanliganden an Serin-Hydrolasen.
Zur spezifischen chemischen Modifizierung von Serin-Hydrolasen über irreversibel bindende
Organophosphorverbindungen wurden keine weiteren Versuche mehr unternommen. Die stabile kovalente Anbindung eines katalytisch aktiven Diphosphan-Übergangsmetallkomplexes
erschien zwar möglich, jedoch stand mit dem Streptavidin-Biotin-System zu diesem Zeitpunkt
ein überlegenes Verfahren zur Verfügung.
Biotin 243 ist ein essentielles Vitamin (Abbildung 86), zu dem die beiden Proteine Avidin
und Streptavidin eine starke Affinität zeigen. Der Avidin-Biotin-Komplexe weist die stärkste
in der Natur bekannte nicht-kovalente Wechselwirkung zwischen einem Protein und einem
Liganden auf, wodurch die Biotinbindung quasi irreversibel erfolgt.
O
HN
H
NH
H
OH
S
O
243
Abbildung 86. Biotin (Vitamin H, Vitamin B7).
Die Avidin-Biotin-Technologie wurde bereits 1978 von WHITESIDES zur Herstellung eines
semisynthetischen Enzyms mit einem Rhodium-Diphosphankomplex genutzt.[50] Außerdem
war ein für die gerichtete Evolution geeignetes Expressionssystem für Streptavidin bekannt,
ebenso wie eine einfache Proteinreinigungsmethode.
Zusammenfassung und Ausblick
185
Der Streptavidin-Biotin-Komplex weist eine tetramere Struktur mit tiefer Biotinbindungstasche auf (Abbildung 86) und ist außerordentlich stabil. Darüber hinaus erfolgt die Anbindung des Biotins sehr schnell und es ist kein Reagenzüberschuß zur Erlangung einer vollständigen Modifikation notwendig. In parallel zu der eigenen Arbeit stattfindenden Untersuchungen konnte WARD außerdem beweisen, daß eine genetische Optimierung der Enantioselektivität von Übergangsmetallkatalysatoren mit Streptavidinliganden vorgenommen
werden kann.[42, 51,230]
Abbildung 86. Kristallstruktur des Biotin-Streptavidinkomplexes bei einer Auflösung von
1.4 Å.[161]
Nachdem eine geeignete Methode zur selektiven chemischen Modifikation von Proteinen mit
katalytisch aktiven Gruppen zur Verfügung stand, wurde aufbauend auf den Arbeiten von
WHITESIDES ein Rhodium-Diphosphankomplex für die asymmetrische Hydrierung an Biotin
angebunden (Abbildung 87).
Zusammenfassung und Ausblick
O
HN
H
NH
H
N
S
186
Ph2
P
Rh
PPh2
BF4
O
258
Abbildung 87. Rhodium-Diphosphankomplex für die asymmetrische Hydrierung.
Der dargestellte Rhodium-Diphosphankomplex 258 katalysierte zwar die Hydrierung von
funktionalisierten Alkenen, jedoch war unter den ursprünglich eingesetzten Bedingungen das
Substrat-zu-Katalysatorverhältnis zu niedrig für die Anwendung in der gerichteten Evolution
semisynthetischer Enzyme. Es wurden zur Reaktionsoptimierung daher verschiedene Parameter genauer untersucht und optimiert. Die benötigte Menge des Proteinliganden konnte
dadurch deutlich reduziert werden. Des weiteren wurde bei der Hydrierung des Substrates
2-Acetamidoacrylsäuremethylester (264) mit dem Rhodium-Diphosphankomplex 258 in Gegenwart von Streptavidin ein niedriger, aber reproduzierbarer Enantiomerenübersschuß zugunsten des (R)-Enantiomers erhalten (Schema 101). Somit sind gute Vorrausetzungen für die
Anwendung einer genetischen Optimierungsstrategie gegeben.
O
H
N
H
N
kat. 258, kat. Streptavidin,
OMe 5 bar H2, NaOAc-Puffer,
O
0.1 M, pH = 4.00
O
OMe
O
264
267
23% ee (R)
Schema 101. Asymmetrische Hydrierung von 2-Acetamidoacrylsäuremethylester (264) mit
einem auf Streptavidin basierenden semisynthetischen Enzym.
Parallel wurden Anstrengungen zur Etablierung eines geeigneten Katalysatorssystems für die
asymmetrische Transferhydrierung von Ketonen unternommen. Für die Anwendung in semisynthetischen Enzymen auf Basis von Streptavidin erschienen Rhodium-Bipyridinkomplexe
sehr gut geeignet, daher erfolgte die Anbindung eines entsprechenden Komplexes an Biotin
(Abbildung 88).
Zusammenfassung und Ausblick
187
O
HN
H
NH
H
H
N
S
O
N
N
Rh Cl
Cl
309
Abbildung 88. Rhodium-Bipyridinkomplex für die Transferhydrierung von Ketonen.
In der Transferhydrierung mit dem dargestellten Rhodium-Bipyridinkomplex 309 wurden
nach Optimierung der Reaktionsbedingungen die Substrate Brenztraubensäureethylester 314
und α,α,α-Trifluoracetophenon 315 sehr gut umgesetzt (Abbildung 89). Dabei erwies sich für
die Erzielung einer guten Katalysatorleistung eine erhöhte Reaktionstemperatur als der
entscheidende Faktor.
O
O
OEt
CF3
O
314
315
Abbildung 89. In der Transferhydrierung mit dem Rhodium-Bipyridinkomplex 309 sehr gut
umgesetzte Substrate.
In den folgenden Katalysen in Gegenwart von Streptavidin wurde bei beiden Substraten eine
deutliche Verminderung des Umsatzes beobachtet. Außerdem lag der erhaltene Enantiomerenüberschuß jeweils unter fünf Prozent.
Die gemachten Beobachtungen erschienen ungewöhnlich, daher wurden genauere Untersuchungen durchgeführt. In deren Verlauf verdichteten sich die Anzeichen dafür, daß eine
Dissoziation des Übergangsmetalls vom Liganden stattfindet, und dieses zur der beobachteten
Aktivitätsverminderung und fehlenden Selektivität führt. Hierfür konnte jedoch kein endgültiger Beweis erbracht werden.
Zusammenfassung und Ausblick
188
Des weiteren wurden Technologien zur parallelen Durchführung homogener Katalysen
entwickelt. Zur schnelleren Reaktionsoptimierung wurde eine Glasapparatur entworfen, in der
16 Reaktionen gleichzeitig stattfinden können (Abbildung 90). Es können damit Reaktionen
bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck mit einem Reaktionsvolumen von 2−15 ml
durchgeführt werden. Zur Agitation wurde ein umgerüsteter Laborschüttler verwendet. Diese
Apparatur erwies sich besonders bei der Überprüfung von pH-Abhängigkeiten und der Ermittlung maximaler Substrat-zu-Katalysatorverhältnisse als sehr hilfreich.
Abbildung 90. Glasapparatur mit 16 parallelen Reaktionsgefäßen nach Einbau in den modifizierten Laborschüttler.
Außerdem wurde mit der Entwicklung eines 24fach-Parallelreaktors zur Integration in die
bestehende Laborautomation begonnen. Dieser wurde auf das standardisierte Mikrotiterplatten-Format ausgerichtet, und verwendet als Reaktionsgefäße kommerziell erhältliche Kulturröhrchen. Einige Probleme des ersten Entwurfs, zum Beispiel ein zu aufwendiges Verschlußsystem, konnten überwunden werden. Jedoch sind weitere Verbesserungen notwendig. Die
gegenwärtige Konstruktionsweise des 24fach-Parallelreaktors erscheint aber grundsätzlich für
die
spätere
Anwendung
(Abbildung 91).
in
der
kombinatorischen
homogenen
Katalyse
geeignet
Zusammenfassung und Ausblick
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Abbildung 91. Aktuelle Ausführung des 24fach-Parallelreaktors.
Zur parallelen Durchführung von Druckreaktionen wurde ein Chemspeed Accelerator Synthesizer verwendet (Abbildung 92). Jedoch waren die unter Verwendung des Geräts in der
Hydrierung von 2-Acetamidoacrylsäuremethylester (264) anfänglich erhaltenen Ergebnisse
deutlich schlechter als die zuvor unter identischen Bedingungen in einem Stahlautoklaven
erzielten Resultate. Als Ursache wurde eine durch eine nicht ausreichende Abdichtung der
Druckreaktorblöcke unter Vakuum verursachte Sauerststoffkontamination identifiziert.
Abbildung 92. Chemspeed Accelerator Synthesizer (links) und Druckreaktorblock (rechts).
Zusammenfassung und Ausblick
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Nachdem sich mehrere Veränderungen am bestehenden System als nicht ausreichend
erwiesen, konnte dieses Problem durch Entwicklung eines neuen Reaktoroberteils gelöst
werden, bei dem auf bewegliche Komponenten sowie Elektronik verzichtet wurde. Nachdem
in mehreren erfolgreichen Hydrierungen die Funktionsfähigkeit des entwickelten Prototyps
gezeigt werden konnte, erfolgte die Umrüstung des Geräts auf die neuen Reaktorblöcke (Abbildung 93). Es besteht damit zur Zeit die Kapazität zur parallelen Durchführung von 80
Reaktionen unter erhöhtem Druck.
Abbildung 93. Chemspeed Accelerator Synthesizer nach Umrüstung der Druckreaktorblöcke.
Im Verlauf der durchgeführten Arbeiten konnten wesentliche Grundlagen für die Umsetzung
des Konzepts der gerichten Evolution semisynthetischer Enzyme etabliert werden. Die BiotinStreptavidin-Technologie stellt ein gut entwickeltes Verfahren zur gezielten Anbindung von
Übergangsmetallkatalysatoren an Proteine dar. Des weiteren ist Streptavidin aufgrund seiner
herausragenden Stabilität sehr gut für die Darstellung semisynthetischer Enzyme geeignet.
Darüber hinaus steht mit der Rhodium-katalysierten Hydrierung eine Katalyse zur Verfügung,
bei der reproduzierbare Ergebnisse mit nur sehr kleinen Katalysatormengen erzielt werden
können. Der Chemspeed Accelerator Synthesizer ermöglicht überdies nach Umrüstung der
Reaktorblöcke die Durchführung einer Vielzahl paralleler Druckreaktionen. Als ungelöstes
Problem verbleibt jedoch die Gewinnung und Reinigung von Streptavidin.
Zusammenfassung und Ausblick
191
Zur erfolgreichen Umsetzung des Konzepts der gerichteten Evolution ist daher die Etablierung eines Expressionssystems vordringlich, das einen hohen Durchsatz und eine einfache,
parallelisierbare Proteinreinigung erlaubt.
Die außerordentliche Stabilität des Streptavidins und die einfache Funktionalisierung des
Biotins ermöglichen eine Ausdehnung dieses Verfahrens zur Darstellung semi-synthetischer
Enzyme auf weitere asymmetrische Katalysen. Es könnten zum Beispiel Oxidationen oder
Kohlenstoffgerüst-aufbauende Reaktionen untersucht werden. Da Diphosphane und Bipyridine zu den am weitesten verbreitesten Liganden in der homogenen Übergangsmetallkatalyse gehören, bietet sich hierbei besonders die Verwendung der bereits dargestellten
biotingebunden Liganden 257 und 305 an (Abbildung 94).
O
HN
H
O
PPh2
NH
H
N
S
O
HN
H
PPh2
NH
H
H
N
S
O
N
N
257
305
Abbildung 94. Dargestellte biotingebundene Liganden für die Übergangsmetallkatalyse.
Des weiteren könnte die entwickelte Reaktortechnologie im Rahmen anderer Projekte auf
dem Gebiet der kombinatorischen Katalyse eingesetzt werden. Die vorhandenen Parallelreaktorsysteme sind sowohl für die Optimierung bekannter Reaktionen als auch für Suche
nach neuen Katalysatoren geeignet. Somit steht eine Plattform zur Verfügung, auf der das
Konzept der gerichteten Evolution von semisynthetischen Enzymen umgesetzt werden kann.
Insgesamt stellt die Erforschung von semisynthetischen Enzymen momentan ein sehr
dynamisches und sich schnell entwickelndes Gebiet der Chemie dar.[44] Dieser Ansatz zur
Kombination der homogenen und enzymatischen Katalyse besitzt ein großes Potential, und in
Zukunft sind weitere interessante Entwicklungen in diesem Bereich zu erwarten.
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