1 SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Steppke, Glamour, Gossengöre - Die Berliner Operette „Die großen Stars und ihre Bühnen“ (3) Mit Ines Pasz Sendung: 24. Mai 2017 Redaktion: Dr. Bettina Winkler Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 SWR2 Musikstunde mit Ines Pasz 22. Mai – 26. Mai 2017 Steppke, Glamour, Gossengöre- Die Berliner Operette Teil 3: „Die großen Stars und ihre Bühnen“ Und da geht es in dieser Woche um die Berliner Operette, dazu begrüßt Sie herzlich Ines Pasz. Heute, im 3. Teil stehen ihre Stars im Rampenlicht und ihre Bühnen. Da glitzert eine heller als die andere und sie heißen: Metropol, Apollotheater und Admiralspalast. Titelmusik So bunt es auch glitzernd und funkelt auf den großen Bühnen der Berliner Operette, so jämmerlich fängt alles an. „Ach du grüne Neune“, ruft nämlich voller Entsetzen der Theaterunternehmer Franz Wallner als er nach Berlin kommt, um hier ein Theater aufzumachen, 1856 ist das. Man hat ihm sonst was versprochen, und was er sieht ist eine ziemlich schäbige Baracke, ein kleines Lokal, die Grüne Neune in der Blumenstraße 9, ein ärmliches Hinterhaus mit ungeputzten Wänden, mitten auf dem Lande. Aber jener Franz Wallner lässt sich nicht unterkriegen und baut hier an dieser Stelle das Neue Königstädtische Sommertheater. Und hat Erfolg. Großen sogar. Es gibt zwar noch keine typische Berliner Operette, die wird erst später erfunden, aber es laufen einfache Berliner Possen und immer mal wieder umjubelte Gastspiele. Damit schärfen sich die Berliner ihren Operettengeschmack, denn es sind richtig gute Produktionen aus dem Ausland, darunter Jacques Offenbach und Arthus Sullivan aus England mit seinem Mikado. 1‘20 Musik 1: M0009853 005 Mikado ca.4‘00 3 Bis zu solcher Qualität ist es erst mal ein weiter Weg für die Berliner Operette, und hinterher wird sie ohnehin ganz anders: ein Ausschnitt war das aus der Ouvertüre zur Operette „Mikado“ von Arthus Sullivan mit der Academy of St.Martin- in-theFields unter Neville Marriner. In Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in Belrin shcon eien ganze Reihe kleinerer und größerer Theater, einige davon kommen und gehend: das Walhalla, das Victoria, das Wallner. Übrig bleibt erst mal das Neue Friedrich-Wilhelmstätische Theater. Allerdings hat es ein richtig massives Problem: es liegt zu weit draußen. Fast schon absehbar, dass es sich auf Dauer nicht halten wird. Und so ist es auch: ganz zentral, in der Friedrichstraße eröffnet 1892 das Apollo Theater. Jetzt laufen alle hierhin. Und es gibt ordentlich was zu sehen. Neben allem Prunk und Pomp ein Riesenensemble. 160 Tänzerinnen, zwei Ballettmeistern, 12 Soltänzerinnen, ein Orchester mit 52 Mann. Vor allem der Kapellmeister erweist sich als goldener Griff, Paul Lincke heißt er und steuert, wenn nötig bei Revuen und Varietés auch schon mal eigenen Melodien bei. Im Apollo Theater wird Paul Lincke mit seiner „Frau Luna“ der Berliner Operette das erste Leben einhauchen, es ist die größte Zeit des Theaters, aber auch dieser Erfolgs-Schuppen bekommt bald wieder Konkurrenz. Neben all den unzähligen kleinen Operettenbühnen, die vor dem 1. Weltkrieg wie Pilze aus dem Boden sprießen, schaffen einige wenige den ganz großen Durchbruch, weil sie noch größer sind, noch prächtiger, voller Glamour und mit den größten Stars. Eines dieser legendären Etablissements ist das Metropol Theater in der Behrenstraße, parallel zur Allee unter den Linden. 1898 wird es eröffnet und alle sind platt: so viel Luxus hatte man bis dahin an der Spree noch nie gesehen. 2’00 Musik 2: Raymond: „Schau einer schönen Frau…“ 2‘18 M0091561 022 Er kannte nie Berührungsängste mit der Operette, Fritz Wunderlich mit einer der typischen Operettenweisheiten aus „Maske in Blau“ von Fred Raymond, uraufgeführt in den späten Zeiten des Berliner Metropols, erst 1937, da hat es seine größten Glanzzeiten schon eine Weile hinter sich. 4 Die Anfänge des Metropol Theaters gehören in das aufstrebende Berlin der Kaiserzeit. Hier trifft sich die wilhelminische Oberschicht, Leute mit viel Geld und Einfluss. Zu sehen gibt es mit den heiß begehrten Billets in den ersten Jahren vor allem Revuen mit zweifelhafter Qualität. Echter Hurra-Patriotismus für das Haus Hohenzollern und seine militaristischen Auswüchse. Vom typisch berlinischen Sarkasmus und einer spöttischen Ironie keine Spur. Dazu sind die Zuschauer zu reich und zu selbstverliebt. Als „sinnlose Feerien“ in „mondänen Amüsierbuden“ geißelt der jüdische Theaterkritiker Siegfried Jacobsohn diese Vorstellungen im Metropol, und sieht ihren einzigen Zweck darin ein „denkfaules Publikum über einen Abend hinwegzubringen.“ Aber das Niveau steigert sich, schon allein durch die neuen Stars. Sie stammen zwar mitunter aus der Gosse, spielen sich aber empor in den Operettenolymp der preußischen Metropole und glitzern dort in den üppigsten Farben. Während sie astronomische Gagen kassieren, schrammen die übrigen Mitarbeiter dieser Operettenpaläste am Elend vorbei. Musiker, Bühnenarbeiter, Choristen verdienen einen Hungerlohn. Diktiert wird das alles von den Brüdern Fritz und Alfred Rotter, sie setzen die Preise fest, spinnen ein Netz von fast mafiösen Strukturen und sie entscheiden, was wann wo gespielt wird. Mit ihren prallen Geldbörsen locken sie auch seriöse Opernstars in ihre Musentempel, weder die Kroll-Oper, noch die Staatsoper Unter den Linden können mit den Rotters konkurrieren. Hier wartet auf die Stars ein Ruhm, den die seriöse Opernbranche ihnen niemals hätte bieten können. Gespielt werden Werke von Berliner Komponisten und nach dem 1. Weltkrieg auch solche der neuen Kulturmigranten. Sie sind an die Spree gezogen auf der Suche nach dem großen Glanz. Sie heißen Leo Fall, Oscar Straus und Franz Lehar und kommen direkt aus Wien. 2‘25 Musik 3: Oscar Straus: Der letzte Walzer Oscar Straus. Der letzte Walzer LC 12281 nr.: 232999 Müthel Schlemm und Bartos Deltgen mit einer Szene aus „Der Walzertraum“ von Oscar Straus, zusammen dem Kölner Rundfunkorchester unter Franz Marsalek. 5 Uraufgeführt im Berliner Theater, im Februar 1920. Der gebürtige Wiener Oscar Straus fühlt sich wohl an der Spree, vor allem weil hier die Geschäfte so gut laufen. Der 1. Weltkrieg ist vorüber, die Revolution auch und Berlin lebt wieder auf. Das freie, ungezügelte Leben, das schon um die Jahrhundertwende zu spüren ist, kommt jetzt so richtig in Schwung. Für diejenigen, die danach suchen und es sich leisten können eine Stadt, die niemals schläft. Aus der einstmals biederen, etwas provinziellen preußischen Hauptstadt der Kaiserzeit ist ein echter europäischer Hochglanz- Amüsierbetrieb geworden. Im Zentrum, Unter den Linden, auf der Friedrichstraße, um die Leipziger und Potsdamer Straße herum schließen die Lokale überhaupt nicht. Wenn die letzten Gäste gegangen sind, wird aufgeräumt und schon wieder geöffnet. Dazu all die schrägen Vögel. Transvestitenbälle, Damenclubs, versteckte Opiumhöhlen. Varietés, Cabarets, Szenebars, Hinterhofbühnen. Berlin floriert und auf der anderen Seite fällt hinten was runter. Wien, das alte Zentrum deutschsprachiger Theaterkultur gerät kulturell ins Hintertreffen. Nach dem Krieg zerfällt das Riesenreich der Habsburger, übrig bleibt ein überdimensionaler Wasserkopf an Hauptstadt mit 2 Millionen Einwohnern, nur noch zuständig ist für ein kleines Alpenländchen, mit einer miserablen Wirtschaft. Wien muss sich um erst mal um das Nötigste kümmern und dazu gehören Operetten nun mal gar nicht. Deshalb heißt es für die wachsamen Geister, auf nach Berlin! 1‘55 Musik 4: Leo Fall: Rose von Stambul 3‘54 M0022415 012 Noch einmal Fritz Wunderlich mit dem Lied des Achmed aus „Rose von Stambul“ von leo Fall, zusammne mit dem bayerischen Staatsorchester unter Hans Moltkau. Zusammen mit Oscar Straus und Franz Lehar gehört Leo Fall er zum Dreigestirn der Berliner Operette mit Wiener Wurzeln. Er kommt schon um die Jahrhundertwende als Geiger ans Metropol Theater und schreibt erst mal Couplets und Kabarettmusik. Immer wieder zieht es ihn zurück nach Wien, seine ersten Operetten aber, die vergibt er alle an Berliner Bühnen. Leo Fall hat nicht nur Geschmack und ein 6 glückliches Händchen für das, was die Berliner wollen, sondern er arbeitet auch zusammen mit dem größten Star der Berliner Operette, mit Fritzi Massáry, Glamourgirl, Femme fatale, Modeikone und begnadete Künstlerin in einem. Sie ist seine „Madame Pompadour“ und reißt damit das Publikum und die Presse geleichermaßen aus den Sitzen. 1922 geht die Operette im Berliner Metropol zum ersten Mal über die Bühne, danach ist der kauzige Komponist ein gemachter Mann. Aber sein Triumph ist nichts gegen den seines Stars. Fritzi Massary gilt schon vorher als die Diva an der Spree, nach der Pompadour Premiere aber nimmt der Kult um sie fast schon groteske Züge an. Sie aber weiß ihren Erfolg immer zu schätzen, denn sie weiß, wie es sich anfühlt da ganz unten, an kleinen Schmierentheatern in der Provinz. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ist sie die unumschränkte Herrscherin der Berliner Operette, mit astronomisch hohen Gagen und einem Leben im Luxus. 1‘35 Musik 5: Oscar Straus: Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben 3‘17 M0269188 001 Eine der Glanznummern von Fritzi Massary aus der Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ von Oscar Straus. „Kurse gefallen, Kurse gestiegen, Massary fest“ spottet voller Respekt ein Song von Friedrich Hollaender Anfang der 20er Jahre in Berlin. Wie viele Künstler im Berlin der 20er Jahre ist sie eine österreichische Jüdin, stammt aus einer Wiener Kaufmannsfamilie. Nach einer jahrelangem Tingeltangel und Revueshows auf unterste, Niveau landet sie 1904 in Berlin und hat Glück. Der Direktor des Metropol Theaters entdeckt ihr Talent und holt die 22 jährige an sein Haus. Dann geht alles ganz schnell. Innerhalb von ein paar Jahren spielt sie sich in die allererste Reihe. Rollen werden ihr auf den Leib geschrieben, und sie wählt aus. Mondän muss die Partie sein, die Hauptfigur souverän, mächtig, klug und natürlich schön. Dabei ist Fritzi Massary das eigentlich eher nicht. Auch nicht anmutig. Eine eher gedrungene Figur, die Taille zu üppig, das Gesicht klein. Aber mit einer gigantischen Ausstrahlung. Funkelnde Augen, Bewegungen von hinreißender Erotik, eine perfekte Körperspannung. „Ihre Gebärden erlaubten zugleich die gewagtesten 7 und harmlosesten Deutungen“ schwärmt ein Kritiker, mit ihren wunderbar feinen, blendend geformten Prinzessinnenhänden scheint sie rings um sich herum Poesie auszustreuen.“ Alle Gesten verwendet sie gezielt und sparsam. Alles ist genau berechnet und einstudiert. Auch ihr Gesang. Mit ihrer leicht näselnden Stimme kann sie wispern und gurren, schmeicheln und verführen. Ihr Hamlet Monolog, seufzt sogar Ludwig Marcuse bestand aus einem Wort: Olala!“ Diese Oscar-Straus-Monolog existiert leider nur noch in einer nicht sendbaren Aufnahme, deshalb die Massary hier mit einer ihrer anderen Glanzrollen, als Madame Pompadour aus der gleichnamigen Operette. Solche Rollen, wie die der Mätresse aus dem 18. Jahrhundert liegen ihr besonders. Galant, pikant, charmant, couragiert. Mit großem Engagement bereitet sie sich auf die Rolle vor, liest Biographien, Briefe, will alles erfahren über diese bedeutungsvolle Frau. Dann die Premiere, natürlich ein Erfolg, der alles in den Schatten stellt. Die Kritik überschlägt sich, sogar der geistvolle Alfred Polgar neigt vor Ehrfurcht das Knie: „Die Noten von Leo Fall, schreibt er, die Musik von Fritzi Massary!“. 2‘30 Musik 6: Leo Fall: aus Madame Pompdour 3‘08 M0039499 012 Die Rolle liegt der Fritzi Massary, mit gepuderter Perücke und viel erotischem Tamtam, die „Madame Pompadour“ von Leo Fall wird einer ihrer glanzvollsten Erfolge der 20er Jahre. Es ist ihre beste Zeit am Berliner Metropol Theater. Sie ist der unumschränkte Star. Nach der Vorstellung trifft man sich in der Eden Bar oder im Romanischen Café. Hier sitzt alles, was im Berliner Kulturleben Rang und Namen hat. Lovis Corinth, Max Liebermann, Fritz Kortner, Egon Erwin Kisch und Bert Brecht. Gottfried Benn, Erich Kästner und Lion Feuchtwanger. Am Tisch der Fritzi Massary sitzt auch ihr Gatte, der Sänger und Schauspieler Max Pallenberg. Ein ungleiches Paar. Sie, Fritzi der gefeierte Glamourstar, mit aufwändiger Garderobe, teuren Klamotten, gestylt, behängt, und ausstaffiert, er ein bisschen oll, klein und eigentlich auch eher hässlich. Aber umtriebig, einfallsreich, schillernd, gebildet, unendlich geistreich und originell. Sie liebt ihn abgöttisch, er liebt 8 sie auch, aber außerdem noch viele andere: Soubretten, Ballettmädchen und Verkäuferinnen mit schönem dicken Hintern. Noch Jahrzehnte später, lange nach Pallenbergs Tod ringt die Massary bei einem Interview in Beverly Hills mit den Tränen, wenn sie von ihm erzählt, so tief, so tragisch und so verletzlich war diese Liebe. Max Pallenberg ist ein Naturereignis, ebenfalls österreichsicher Jude wie sein Frau, weshalb beide später emigrieren und ein Schauspieler von Gottes Gnaden. Er kann alles, Erhebendes, Groteskes, Bösewichte, Schmeichler und verzweifelte. „Er war der Lauteste der Lauten, der Leiseste der Leisen, der Stummste der Stummen“ meint ein Rezensent. 1928 sieht Heinrich Mann Max Pallenberg auf der Bühne als Menelaos in Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ und ist fassungslos: “Der furchtbare Scharfblick für alles ungewollt Menschliche erschreckte mich und ließ mich nicht wieder los. Sein „ich bin Menelaos der Gute, Entsetzlich bis zum Selbstmord klang das.“ Es ist zwar eine Aufnahme aus dem Jahr 1913, verrauscht und verkratzt, aber Max Pallenberg dringt durch alle Störgeräusche hindurch. 2‘15 Musik 7: Pallenberg Menelaos 3‘29 W0261552 009 Genial schräg, Max Pallenberg als Menelaos aus der Operette „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach, aufgenommen 1913 in Berlin. Aber so grandios der Erfolg des Ehepaars Massary/ Pallenberg auch ist, allmählich müssen auch sie sich umgucken, kein Triumph hält für die Ewigkeit. Als Fritzi Massary 1926 auf Gastspielreisen in Wien ist, erfährt sie da von aufregenden Geschehnissen in Berlin. Ein neuer Star erobert gerade die OperettenBühne. Zum Glück ein Mann, aber was für ein Erfolg! Dabei ist er noch nicht mal attraktiv, etwas zu korpulent, außer auf der Bühne immer mit Monokel und ein leicht aufgeschwemmtes Gesicht. Aber die Berliner jubeln ihm zu, vor allem wenn er sein „Gern hab ich die Frau’n geküsst“ schmettert. Ganze 150 Mal geht die Operette 9 „Paganini“ mit Richard Tauber über die Bühne, dann hat der neue Startenor erst mal genug. Aber Franz Lehar, der Komponist des Erfolgsstücks legt sogar noch eins drauf. Ein Jahr später schickt er Richard Tauber mit dem „Zarewitsch“ ins Berliner Scheinwerferlicht, und wieder, ein sensationeller Erfolg. Zwei Österreicher, die ganz offensichtlich genau wissen womit sie das Publikum an der Spree begeistern können. Da ist zum einen die warme, weiche Stimme von Richard Tauber, geboren als Ernst Seiffert, dann diese wunderbaren, dahinströmenden Melodien. Für Fritzi Massary eine echte Konkurrenz, noch dazu, wo ihr Lieblingskomponist Leo Fall gerade gestorben ist und Oscar Straus ganz offensichtlich nichts Neues einfällt. Jetzt öffnet sich der Vorhang für ein neues Erfolgsgespann. Und da geschehen wunderbare Dinge. So verliert die Operette sogar ihr bislang unverzichtbares Happy End und Großstadtprobleme mischen sich in den süßlichen Schmelz. Wovon singt der leicht depressive chinesische Prinz im Land des Lächelns da? „Sie hat mich verzaubert, sie hat mich betört, wie Haschisch, wie purpurner Wein“. 2‘00 Musik 8: Lehar mit Tauber Immer nur lächeln 3‘12 M0271603 001 Richard Tauber, sein Welterfolg „Immer nur lächeln“, die Auftrittsarie des Prinzen aus „Land des Lächelns“ von Franz Lehar, aufgenommen 1929, zusammen mit der Staatskapelle Berlin unter der Leitung des Komponisten Was für ein Mensch ist dieser Startenor, den alle anbeten, der sich nicht retten kann vor Fans, vor Rummel? Für die Recherche zu einem Drehbuch besucht in dieser Zeit der Berliner Autor Fred Hildenbrandt den Startenor, in dessen Appartement im Hotel Adlon, bis unters Kinn voll mit Vorurteilen. Tenöre, so Hildenbrandt, sind empfindlich, launisch, überheblich, verwöhnt. Sie sind das Verhätscheltste, was auf der Bühne steht. „Richard Tauber empfing mich im großen Salon“, erzählt Hildenbrandt, „ Roter, schwerer Velour durchs ganze Zimmer, Perserteppiche darüber, vergoldete Stühle, mit Seide bezogene Sessel, die Wände mit Brokat bespannt. 10 Ich sah, den weltberühmten Sänger, der das wunderbarste Pianissimo singen konnte, so dass einem die Tränen runterliefen, ich sah ihn zum ersten Mal aus der Nähe. Eine etwas füllige, schwere Figur. Ein rotes, fleischiges, etwas gedunsenes Gesicht, in dem das kleine Monokel nicht gut wirkte. Und die unförmigen, vom jahrelangen schweren Gelenkrheumatismus geschwollenen Hände, die sich beim Sprechen nur steif und nur innerhalb von gewissen Grenzen bewegen konnten. Ich war sofort froh. Ich hatte den besten Eindruck von ihm. Nichts von Allüren, nicht von Pose, von Mätzchen, nichts von Launen, von Empfindlichkeit. Er war natürlich, er zeigte Humor, er redete klar und ohne Umschweife, er lachte gern und oft.“. 1‘45 Musik 9: Lehar: Wolgastrand 3‘58 M0471555 011 Augenommen 1927, Richard Tauber mit dem Wolgalied aus der Operette „Der Zarewitsch“ von Franz Lehar, begleitet vom Orchester des Deutschen Künstlertheaters Berlin unter Ernst Hauke. Spätestens seit der Uraufführung des „Zarewitsch“ mit Richard Tauber in der Titelrolle ist Berlin im Lehar-Fieber. Kritik hagelt es nur für das schwache Libretto. „Ich will nicht schon um 7 Uhr 20 wissen wie die Sache um fünf vor elf endet“ grummelt die Berliner Morgenpost und das Ganze scheint den Berlinern dann doch etwas zu melancholisch. Ein Liebespaar, das sich am Ende nicht kriegt, ein Zarensohn, der seine großen Gefühle der Staatsräson opfert, was soll das denn? Lehars bezaubernde Melodien und Richard Taubers schmeichelnde Stimme müssen Einiges ausbügeln um die angegriffenen Herzen des Berliner Publikums in einem solchen Sturme zu erobern. Gleichzeitig, neben diesem ganzen Rummel um die Berliner Operette in ihrer silbernen Ära erwachsen ihr neue Konkurrenten. Eine davon ist die große Ausstattungsrevue. Noch bunter, schriller, massentauglicher als die Operette ohnehin schon ist. Sie laufen vor allem im Bereich der nördlichen Friedrichstraße, in der Komischen Oper, im Großen Schauspielhaus und vor allem im prächtigen Admiralspalast. Es gibt ihn heute noch, wiedereröffnet nach langer Schließung 2006 und seitdem bespielt von einem Entertainment Unternehmen. Damit steht der 11 Admiralspalast dann heute in seiner eigenen Tradition. Unterhaltung war hier schon immer oberstes Gebot, ob als Gartenbad, Vergnügungspalast, Eisarena oder Revuetheater. Dann kommen auch die ersten Operetten, aber sie klingen plötzlich ganz anders. Für den Admiralspalast werden sie aufgehübscht, modernisiert, und amerikanisiert. Meister dieser Arrangements ist der neue Kapellmeister im Admiralspalast, Theo Mackeben. Vor allem, wenn er sich Carl Millöckers Bühnenerfolg Gräfin Dubarry vornimmt, die bei ihm nur noch „Die Dubarry“ heißt und plötzlich ganz beschwingt den Reifrock lüftet. 2‘15 Musik 10: Mackeben: Dubarry M0069475 001 4‘00 Ein Ausschnitt aus der Ouvertüre zu „Die Dubarry“ von Theo Mackeben nach dem Bühnenerfolg von Carl Millöcker, mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserlautern unter Peter Falk. Und das war der dritte Teil dieser SWR2 Musikstundenwoche über die Berliner Operette. Nach dem Feiertag morgen geht am Freitag weiter mit den großen Berliner Ausstattungsrevuen und den Operettenfilmen und solch schillernden Protagonisten wie Mischa Spolianksy und Ralph Benatzky. Mein Name ist Ines Pasz, ich bedanke mich fürs Zuhören und wünsche noch einen schönen Tag.