ZEIT Backstein-Architektur heute 1/2016 MODERNE VS. MITTELALTER KLEINOD MIT SEEBLICK KUNST-MONOLITH HOCHOFEN-KONTRAST Dass Mittelalter und Moderne durchaus Wie man auf einem Kompromiss- Dass ein Museum genauso sehens- Eine klare Antwort auf opulente harmonieren können, demonstriert die Grundstück doch noch ein Traumhaus wert sein kann wie seine Exponate, Industriearchitektur gibt das Maison Sparkasse Ulm baut, zeigt ein Haus am Zürichsee beweist das Kunstmuseum Basel de l‘ Innovation in Belval Einladender Backstein: Haus der Bildung Bonn E in Gebäude, das der Bildung dient, kann gar nicht einladend und aufmerksamkeitsstark genug sein. Das „Haus der Bildung“ in Bonn erfüllt diese Kriterien in hohem Maße. Aufgabe des Entwurfes war es, das denkmalgeschützte „Alte Stadthaus“ mit dem angrenzenden „Siemenshaus“ zu einem neuen Standort für die Stadtbibliothek und die Volkshochschule umzubauen. Das markante neue großen Lichthof als Herz des Ensembles lithisch wirkende Neubau löst sich in Eingangsgebäude löst elegant alle damit auch alle haustechnisch und geometrisch der Nahsicht in einen feingekörnten, verbundenen Herausforderungen. Der anspruchsvollen Räume. Die Fassade aus bewegten Mauerwerksbau auf. Durch Eingang bildet eine großzügige transpa- doppelt gebranntem grauen Ziegel den Backstein wirkt er menschlich, wertig rente Fuge, die eine attraktive Sogwirkung orientiert sich farblich am Rusticasockel und nachhaltig – was könnte besser zum entfaltet. Der Neubau enthält neben einem des Altbaus. Der aus der Ferne mono- „Haus der Bildung“ passen? Backstein-Zeit 1-2016.indd 1 Projekt: Bauherr: Haus der Bildung, Bonn Städtisches Gebäudemanagement Bonn Architekt: Kleyer.Kobitz.Letzel.Freivogel Architekten, Berlin Stein: Nr. 306 Format: NF 240 x 115 x 71 mm, Formsteine NF Verarbeiter: Duda Bau, Heilbronn Fotograf: Stefan Schilling, Köln 30.05.16 09:59 ZEIT Zeitlos zeitgemäß: Backstein Bernhard Krutzke Geschäftsführer und Gründer des Backstein-Kontors auen im Bestand ist eine zentrale B weiterer Aspekt, der immer wieder auf- sanieren wollen und auf der Suche nach Herausforderung für Architekten. taucht, ist die Nachhaltigkeit: von langlebi- dem richtigen Stein sind, sprechen Sie Wie markant darf sich ein neues Gebäude ger Qualität über die Resistenz gegenüber mich bitte an. Ich berate Sie gerne in allen präsentieren? Wie stark soll man auf den Umwelteinflüssen bis hin zu Gedanken über Aspekten rund um den Backstein. Bestand Rücksicht nehmen? Wie erreicht ressourcenschonende Stoffkreisläufe und die man Harmonie mit einem historischen Verwendung alter Ziegel. Backstein trägt auf Umfeld, ohne dessen Formensprache zu vielfältige Weise zur Nachhaltigkeit bei und imitieren? Spannende Fragen, auf die einige es gibt keinen Grund, ihn nicht mehrmals der in dieser Ausgabe vorgestellten Objekte einzusetzen. Lassen Sie sich inspirieren! ebenso spannende Antworten geben. Ein Und falls Sie mit Backstein neu bauen oder Ihr Bernhard Krutzke Skulptur mit Bürgernähe: Justizzentrum Gelsenkirchen Projekt: Bauherr: Justizzentrum Gelsenkirchen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW Architekt: Harris + Kurrle Architekten, Stuttgart Stein: Nr. 260 Format: DF 240 x 115 x 52 mm Verarbeiter: Rheder Klinkerbau, Rhede Fotograf: as neue Justizzentrum Gelsenkirchen D Erscheinung des Neubaus wird durch die vereint verschiedene Gerichte und Materialität des Klinkers bestimmt. Seine den Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz gleichmäßige Textur unterstreicht die skulp- Nordrhein-Westfalens unter einem Dach. turale Wirkung des Gebäudes, während Das Gebäude besteht aus drei ähnlichen, der „menschliche Maßstab“ des Materials würfelförmigen Baukörpern, die sich zu ei- die Bürgernähe des Gebäudes transpor- nem homogenen Ganzen vereinigen. Hö- tiert. Ein schönes Beispiel dafür, wie man henunterschiede und Rücksprünge gliedern mit ein und demselben Stein ein ganzes das Gebäude und nehmen Bezug auf Spektrum an Wirkungen erzielen kann. Stefan Schilling, Köln den städtebaulichen Kontext. Die äußere Backstein-Zeit 1-2016.indd 2 30.05.16 09:59 Backstein-Architektur heute Kleinod auf kleiner Fläche: Haus am Zürichsee Projekt: Bauherr: Architekt: Stein: Format: Verarbeiter: Fotograf: L äge es nicht direkt am Zürichsee, hätte Das Haus wurde in Massivbauweise Dichtmasse der Dehnfugen in den Hinter- sich der anspruchsvolle Bauherr wohl nach dem Energiestandard MINENERGIE grund. Die Entscheidung für den dunkel- kaum für das Baugrundstück interessiert: erstellt. Die Fassade besteht aus einer grauen, unregelmäßigen Backstein hat hier Mit 638 m2 ist es recht klein und oben- zweischaligen Konstruktion mit einge- neben optischen auch ganz praktische drein grenzt es direkt an die stark frequen- färbtem Sichtbeton im Erdgeschoss und Gründe: Dieses Mauerwerk altert gut und tierte Eisenbahnlinie Zürich–Chur. Aber die einem hinterlüfteten Verblendmauerwerk Verschmutzungen durch die nahegelegene Uferlage und der grandiose Ausblick auf aus Petersen-Kolumba-Ziegeln in den Bahnlinie werden darauf kaum zu sehen den See waren Grund genug, eben das Obergeschossen. Dunkle, zurückliegen- sein. Beim Bestreben, das Optimale aus Beste aus der Situation zu machen. Und de Mörtelfugen verstärken das Bild der der besonderen Lage zu machen, erwies das ist dank einer geschickten Architektur horizontalen Schichtung und rücken die sich Backstein als ideales Material. Wohnhaus M Privat Diethelm + Spillmann, Zürich Kolumba K54 528 x 108 x 37 mm Meli Sichtmauerwerk GmbH, Schwyz Roger Frei, Zürich hervorragend gelungen. Das vierstöckige Gebäude bietet ausreichend Platz für eine vierköpfige Familie. Es öffnet sich zum See hin und schirmt das Innenleben und den Grundstücksbereich am Ufer komplett von den nachteiligen Aspekten des Umfelds ab. Oder wie Architekt Daniel Spillmann es ausdrückt: „Ist man aber erst einmal im Haus, hat man die unwirtliche Lage buchstäblich zurückgelassen und der See ist – dem kleinen Grundstück sei Dank – zum Greifen nahe.“ Backstein-Zeit 1-2016.indd 3 30.05.16 09:59 ZEIT Minimalistisches Statement: Kunstmuseum Basel V or kurzem hatte Basel einen Grund ausstellungen genutzt werden. Er ist ein zum Feiern: Der 2009 beschlossene reines Ausstellungsgebäude ohne Café, Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel Shop oder Garderobe. Diese Funktionen öffnete zusammen mit dem sanierten befinden sich im alten Hauptbau, der über Hauptgebäude im April seine Pforten für einen großzügigen Gang mit dem Neubau die Besucher. Mit der Wiedereröffnung verbunden ist. des Kunstmuseums Basel kehrt nicht nur Zwei Aspekte hatten entscheidenden Einfluss eine führende Kunstsammlung zurück. Auch auf den Entwurf: das kompliziert geschnitte- das neue Museumsgebäude an sich ist ein ne Grundstück und der Bezug zum gegen- sehenswertes Statement. überliegenden palazzoähnlichen Hauptbau Trotz markanter eigener Formensprache aus dem Jahre 1936. Im Ergebnis entstand konkurriert es weder mit seiner Umgebung ein Gebäude, das einen eigenen Cha- noch mit der Kunst, sondern unterstützt rakter zeigt, ohne dabei den Bestand in beides in seiner Wirkung. Der Neubau den Schatten zu stellen. Der introvertierte bietet 20 Räume für Kunst, die für Sonder- Monolith mit nur wenigen Fenstern konzent- Projekt: Bauherr: Kunstmuseum Basel Bau- und Verkehrsdepartement, Städtebau & Architektur, Hochbauamt Basel Architekt: Christ & Gantenbein Architekten, Basel Stein: Nr. 254, K11, D91 Format: FF 228 x 108 x 40 mm und Sonderformate/Formsteine Verarbeiter: Arge Kunstmuseum Basel, Basel Fotograf: Stefan Schilling, Köln Backstein-Zeit 1-2016.indd 4 30.05.16 10:00 Backstein-Architektur heute riert sich ganz auf seine Hauptaufgabe: der bewusst als Verblendung vor die Fassa- ton stand nie zur Debatte. Gerade bei der Kunst im Inneren einen sicheren Raum zu de des Betonbaus gesetzt. Die Baseler Außenhaut erweist sich das als eine gute bieten. Dass er dennoch nicht abweisend Architekten Emanuel Christ und Christoph Entscheidung. Der Backstein macht den mo- wirkt, liegt an den konkaven Knicken der Gantenbein interpretieren den Backstein als nolithischen Bau nicht nur zugänglicher und Fassaden und am handgefertigten däni- eine Verkleidung der Oberflächen – so wie lebendiger. Er sorgt auch für Langlebigkeit schen Backstein, der den Baukörper in feine auch im Gebäude bis auf die Decken alle und gutes Altern der Fassade – ein großer Linien gliedert und eine sorgfältig strukturier- Flächen mit unterschiedlichen Materialien Vorteil bei dem innerstädtischen Standort an te Oberfläche erzeugt. Das Mauerwerk ist verkleidet sind. Eine Ausführung in Sichtbe- einer stark frequentierten Kreuzung. Backstein-Zeit 1-2016.indd 5 30.05.16 10:00 ZEIT Moderne trifft Mittelalter: Sparkasse Ulm W elche Art von Gebäude in Bezug auf Plastizität und Materialisie- rung bringt der Stadt an dieser Stelle den besten Mehrwert? Diese Frage stellte das Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei ins Zentrum des Entwurfes für den neuen Verwaltungsbau der Sparkasse Ulm. Wesentlich für ihre Beantwortung war das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite: der „Neue Bau“, ein wuchtiges Backstein-Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert. Seine charaktervollen alten Ziegelmauern legten für den Neubau ein ähnliches, wenn nicht gar gleiches Material nahe. Aufgrund seiner Erfahrungen mit gebrauchten Ziegeln konnte der Architekt den Bauherrn von den Vorteilen des alten Steins überzeugen. Dabei zählte neben der Übereinstimmung mit den historischen Fassaden auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Vom Einsatz der Recyclingsteine profitieren das Stadtbild, Projekt: Bauherr: Architekt: Stein: Format: Verarbeiter: Fotograf: Sparkasse Ulm Sparkasse Ulm Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart Recycling-Abbruchziegel 210–230 x 100 x 62–67 mm Lagierski Bau, Neckarsulm Roland Halbe, Stuttgart der Ressourcenverbrauch und auch die Entwicklung zeitgemäßer Architektur. Denn die Verwendung alter Steine ermöglicht ein harmonisches Bauen im historischen Bestand, ohne dessen Formensprache zu imitieren. So entfalten die modernen Fensterbänder aus polierten Edelstahlrahmen in Zickzack-Form eine positive Wirkung im Stadtraum, indem sie die geschlossene Steinwand auflockern und den „Neuen Bau“ vielfältig spiegeln. Mit dem Neubau kann die Sparkasse Ulm gleichzeitig einen beispielhaften Umgang mit der historischen Umgebung und ihre Modernität demonstrieren. Das Recycling von Baustoffen ist ein vielversprechender Ansatz, aber es setzt auch ein wertiges Material voraus. Backstein verfügt zweifellos über die Qualitäten für eine mehrfache Verwendung. Welches zweite Leben wohl den Backsteinen bevorsteht, mit denen wir heute bauen? Backstein-Zeit 1-2016.indd 6 30.05.16 09:59 Backstein-Architektur heute Wissensfabrik trifft Hochofen: Maison de l’Innovation D ie eindrucksvollen Hochöfen des 1909 gegründeten Stahlwerks von Esch-Belval rauchten bis in die 90er Jahre. Dann wurden sie im Zuge der Stahlkrise stillgelegt. 2001 beschloss die luxemburgische Regierung, mit der „Cité des Sciences, de la Recherche et de l’Innovation“ der Industriebrache neues, zeitgemäßes Leben einzuhauchen. Heute umfasst der Wissenschaftspark neben Wohnungen, Geschäften und Gastronomie vor allem Gebäude, die von der Universität Luxemburg und öffentlichen Forschungszentren genutzt Projekt: werden. Eines davon ist das im September klar strukturierte Antwort auf die opulente regelmäßigen vertikalen und horizontalen 2015 eingeweihte Maison de l‘Innovation Fülle des Industriedenkmals. Der qua- Streifen, im Hintergrund eine dunkle Glas- im Herzen des Industriedenkmals. derförmige Baukörper mit Innenhof wird fassade, die dem Gebäude Ausdruck und Hier wird in den Bereichen Information, komplett von einem Raster aus grauem Tiefe verleiht. Der Backstein verleiht der Kommunikation und Gesundheit geforscht. Backstein umwoben, der alle Außen- und minimalistischen Architektur eine handfeste Eine komplexe, formen- und detailreiche Innenfassaden, Terrassen und Gehwege Materialität und stellt einen Bezug zur Industriearchitektur prägt die Umgebung umfasst. Die Gebäudehülle besteht aus historischen Industriearchitektur her. des Gebäudes. Die Architektur des zwei Komponenten: im Vordergrund die Maison de l‘Innovation ist eine ruhige, backsteinverkleidete Gebäudestruktur aus Backstein-Zeit 1-2016.indd 7 Belval, Maison de l‘Innovation, Esch-sur-Alzette, Luxemburg Bauherr: Le Fonds Belval, Esch-sur-Alzette, Luxemburg Architekt: Bourguignon Siebenaler Sàrl architectes, Luxemburg Stein: Petersen D91 Format: FF Verarbeiter: Trigatti Marbrerie Sàrl, Luxemburg Fotograf: Lukas Roth | Stefan Schilling, Köln 30.05.16 09:59 ZEIT Neues vom Backstein-Kontor Backstein-Kontor neu im Web natürlich auf jedem Gerät Ihrer Wahl – ob In den vergangenen Monaten haben wir Desktop-PC, Tablet oder Smartphone. nicht nur viele interessante Projekte in Back- Schauen Sie doch direkt mal rein: stein realisiert, sondern in eigener Sache www.backstein-kontor.de IMPRESSUM: Ausgabe 1/2016 Herausgeber: auch eines in Bits und Bytes: die neue Website des Backstein-Kontors. Handel und Service mit Tonbaustoffen GmbH Leyendecker Straße 4, 50825 Köln Telefon +49 221 888785-0 Fax +49 221 888785-10 [email protected] www.backstein-kontor.de Das frische, klare Design und die übersichtliche Darstellung einer spannenden, ständig wachsenden Projektauswahl laden dazu ein, jede Menge BacksteinInspiration zu tanken oder Bauherren die Konzept, Text und Gestaltung: Weingartz’, Köln www.weingartz.de vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten mit Backstein zu demonstrieren. Und das Langlebige Qualität im Fokus: Wohnhaus in Köln-Nippes Projekt: Bauherr: Architekt: Stein: Format: Verarbeiter: Fotograf: Mehrfamilienhaus, Köln-Nippes Privat Nebel Pössl Architekten, Köln Nr. 306 DNF 228 x 108 x 54 mm Hans Blatzheim Bauunternehmung, Bonn Stefan Schilling, Köln Backstein-Zeit 1-2016.indd 8 enn Bauherr und Architekt W die Umgebung ein. Zehn Wohnungen langlebige Qualität anstreben, mit individuellen Grundrissen sprechen ist die Entscheidung für Backstein nahe- unterschiedliche Generationen und liegend. So auch bei diesem Mehrfami- Wohnformen an. Nutzbare, von Mau- lienhaus in Köln-Nippes. Am Rande des ern eingefasste Vorgärten steigern die und den Holz-Aluminium-Fenstern, sowie in Riphahn’schen „Grünen Hofes“ in einer Wohnqualität und fördern die Kontakte der Energieversorgung mit Geothermie und heterogenen Nachbarschaft gelegen, der Mieter untereinander. Der nachhaltige Photovoltaik. Dauerhaft hohe Wohn- und setzt es als kubisch lebendige Kompositi- Qualitätsanspruch spiegelt sich auch in Lebensqualität – das ist ein Ziel, zu dem on mit ausdrucksvoller roter Farbgebung der Baustoffauswahl, z. B. der Terrakotta- Backstein einfach hervorragend passt. ein Zeichen und fügt sich dennoch gut in Ziegelfassade mit mineralischer Dämmung 30.05.16 09:59