übung verfassungsrecht

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ÜBUNG VERFASSUNGSRECHT [WS 2012/13]
Bruno Binder/Carsten Roth/Gudrun Trauner
30.01.2013
148.001 [Cyber]
3. KLAUSUR – BEWERTUNG
NAME: ____________________________________________ MatNr: ___________
140.074
09.15 bis 11.45 Uhr
Punkte [50] ___
A. FORMALIA
Schriftsatzform: Antrag auf Gesetzesprüfung an den VfGH gem Art 140 Abs 1 B-VG; Antragstellerin: Partei „Team S für Österreich (S-Partei)“, vertreten durch den Obmann Frank
S; Einbringung durch RA; Unterschrift RA; Bundesregierung; relevanter Sachverhalt; Trennung Sachverhalt/Anträge/Begründung
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B. SUBJEKTIVE RECHTE
I. Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte
Recht auf ungestörte Betätigung politischer Parteien, § 1 Abs 3 PartG 2012
Gleichheit vor dem Gesetz, Art 7 Abs 1 B-VG. Art 2 StGG 1867
Vereinigungsfreiheit, Art 11 EMRK
Diskriminierungsverbot, Art 14 iVm Art 11 EMRK
II. Einfachgesetzlich gewährleistete Rechte
Recht, nicht ohne (verfassungsmäßige) gesetzliche Grundlage von Parteiauflösung betroffen
zu sein
C. ANTRÄGE
I. Antrag auf Aufhebung des „Bundesgesetz vom 10.12.2012 zur Bereinigung der Parteienlandschaft (Parteienbereinigungsgesetz – PartBerG)“, kundgemacht in BGBl I 2013/xx.
II. Kostenantrag: Bund
D. BEGRÜNDUNG ZUM AUFHEBUNGSANTRAG
I. Zulässigkeit
1. Angefochtenes Gesetz ist nach Vorschriften des B-VG und des BGBlG kundgemacht, damit tauglicher Prüfungsgegenstand im Verfahren nach Art 140 B-VG.
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2. Antragslegitimation: Partei- und Prozessfähigkeit S-Partei als juristische Person mit
Auflösung nicht mehr existent, aber: rechtstaatliche Rechtsschutzgarantie erfordert, dass
aufgelöste Partei im Verfahren der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Auflösung als partei- und prozessfähig behandelt wird [andernfalls auch Konflikt mit Art 13 EMRK]. Betroffenheitsdichte: Gesetz ist unmittelbar wirksam, ohne dass vollziehender Bescheid
oder Urteil erforderlich wäre; Eingriff in Rechte der S-Partei: Gesetz greift nachteilig in
Rechte der S-Partei (Vereinigungsfreiheit, Recht auf politische Betätigung gem § 1 Abs 3
PartG 2012, Gleichheit vor dem Gesetz, Diskriminierungsverbot, einfachgesetzlich gewährleistetes Recht, nicht ohne Gesetz von Auflösung betroffen zu sein) ein; Eingriff ist aktuell,
da S-Partei mit Ablauf des 28.01.2013 aufgelöst. Eingriff nach Art und Ausmaß hinreichend bestimmt.
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3. Kein Umweg über anderweitigen Rechtsweg vorhanden.
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II. Begründetheit
1. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften des B-VG
a. Verstoß gegen Art 42 Abs 6 B-VG (Kundmachung des Gesetzes ohne Herbeiführung
eines Beharrungsbeschlusses):
Verweigerung der Zustimmung des Bundesrats ist als Einspruch zu werten, da jedenfalls
ablehnende Haltung deutlich zum Ausdruck kommt und begründet wird.
Bei Einspruch des Bundesrats ist gem Art 42 Abs 6 B-VG Gesetzesbeschluss nur zu beurkunden und zu unterzeichnen, wenn ursprünglicher Beschluss bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder wiederholt wird (Beharrungsbeschluss): hier zwar bereits bei
erstem Beschluss entsprechende Quoren erfüllt, aber B-VG sieht zwingend Wiederholung
vor.
b. Verstoß gegen Art 47 Abs 3 B-VG: Bundeskanzler hat als Einzelorgan gegenzuzeichnen; Gegenzeichnung „für die Bundesregierung“(=als Kollegialorgan) daher unzulässig.
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2. Verstöße gegen PartG 2012:
a. § 1 S 1 PartBerG (Auflösung) verstößt gegen § 1 Abs 3 S 2 PartG 2012:
Gründung politischer Parteien ist Menschenrecht, kein Staatsbürgerrecht; gesetzliche Anknüpfung an Staatsbürgerschaft nur durch BVG zulässig, nicht durch einfaches Gesetz.
Auflösung ist stärkste Form der Beschränkung der Betätigung; PartBerG ist unzulässige
besondere Rechtsvorschrift.
b. § 1 S 2 PartBerG (Verbot der Wiedergründung) verstößt gegen § 1 Abs 3 S 1 PartG
2012: Beschränkungen der Parteigründungsfreiheit nur durch BVG zulässig.
3. Verletzung des Gleichheitssatzes:
Gleichheitssatz bindet auch Gesetzgeber (Diskriminierungsverbot, Sachlichkeitsgebot)
a. Verstoß gegen Sachlichkeitsgebot: Verbot einer Partei allein wegen euroskeptischen
(aber dadurch nicht verfassungsfeindlichen) Kurses und Furcht vor Machtverlust ist unsachlich.
b. Anknüpfung an doppelte Staatsbürgerschaft ist Ungleichbehandlung im Vergleich zu Österreichern ohne zweite Staatsbürgerschaft; keine Rechtfertigung, da dadurch österreichische Staatsbürgerschaft „zweiter Klasse“.
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4. Verstöße gegen EMRK:
a. Verletzung der Vereinigungsfreiheit (nur Art 11 EMRK): Partei selber ist Grundrechtsträgerin; Schutzbereich: Recht auf freien Zusammenschluss mit anderen (= Vereinigung); Vereinigung iSd EMRK ist jeder auf Dauer angelegte organisatorisch verfestigte
Zusammenschluss zu einer Organisation, unabhängig von eventueller Einordnung als Verein
im nationalen Recht oder nationalem Sonderrecht für Parteien; auch Bildung politischer
Parteien von Vereinigungsbegriff erfasst. Bestand und Betätigung der Partei ebenfalls geschützt.
Eingriffe: (1) Auflösung, (2) Untersagung der Wiedergründung.
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Eingriffsrechtfertigung (Art 11 Abs 2 EMRK): Eingriffe nur zulässig bei gesetzlicher
Grundlage, und nur wenn in demokratischer Gesellschaft zum Schutz der dort genannten
Interessen notwendig (= verhältnismäßig). Hier keiner der Eingriffe im Interesse der nationalen Sicherheit oder sonstiger der genannten Rechtsgüter notwendig: Demokratie lebt von
Meinungsvielfalt insbesondere auch der politischen Auseinandersetzung in organisierten
Parteien; erfasst auch Eintreten für Änderung der Rechts- und Verfassungsordnung, solange
Mittel rechtmäßig und demokratisch sind und vorgeschlagene Änderungen mit grundlegenden demokratischen Prinzipien vereinbar sind [vgl. EGMR 13.02.2003 – Refah Partisi ua gg
Türkei, 41340/98 ua Z 98]. Eintreten für eine Abschaffung des Euros in jetziger Form ist
hiermit vereinbar. Eingriff daher nicht gerechtfertigt.
b. Verletzung von Art 14 iVm Art 11 EMRK: Anknüpfung an doppelte Staatsbürgerschaft
ist Ungleichbehandlung im Vergleich zu sonstigen Parteien; Ungleichbehandlung im Regelungsbereich des Art 11 EMRK (Akzessorietät des Diskriminierungsverbots), keine sachliche
Rechtfertigung (Ausführungen zu Art 7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG entsprechend).
5. Verletzung einfach-gesetzlich gewährleisteter Rechte
Verletzung des Rechts, nicht ohne (verfassungsmäßige) gesetzliche Grundlage von Parteiauflösung betroffen zu sein, folgt aus rechtsstaatlichem Prinzip (status negativus).
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