The drugs don`t work...?!

Werbung
Diplomarbeit
The drugs don’t work...?!
SSRI-eine kritische Betrachtung der
Medikamentengruppe in Hinblick auf Indikation und
Nutzen in der antidepressiven Therapie
eingereicht von
Wilfried Waidacher
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler
Graz am 23. Februar 2015
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am 23. Februar 2015
Wilfried Waidacher eh.
Gleichheitsgrundsatz: Zur Erleichterung der Lesbarkeit wird das generische
Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sollen sich hierunter männliche wie
weibliche Individuen gleichermaßen angesprochen fühlen.
i
Zusammenfassung
Wir stehen heute einer zunehmend großen Gruppe von Patienten gegenüber, die
an verschiedenen Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis leidet. Laut
der Global Burden of Disease Studie von 2010, sind Depressionen verschiedenen
Typs für 8,2% der YLD’s (years lived with disability) weltweit verantwortlich.
Sogar die WHO empfiehlt eine globale Strategie gegen das weltumspannende
Problem der Depressionen. Alleine in Österreich können heute über 10% der
Bevölkerung als depressiv erachtet werden, mit einer Zunahme der Anzahl an
Patienten ist zu rechnen. In der gesamten Europäischen Union haben
Depressionen im Jahr 2010 Kosten von 113 Milliarden Euro verursacht.
Mit diesen Zahlen und Fakten vor Augen, ist man als ein im Gesundheitsberuf
tätiger Mensch gezwungen die Bedeutung der Depression als globales
Gesundheitsproblem wahrzunehmen und anzuerkennen. In vielen Fällen besteht
das
„first
line
treatment“
Wiederaufnahmehemmern.
Die
heute
aus
eindeutig
SSRI,
meisten
selektiven
SSRI
Serotonin-
werden
in
der
extramuralen Primärversorgung (also nicht von Fachärzten für Psychiatrie)
verschrieben. Obwohl in vielen Bereichen der medikamentösen antidepressiven
Therapie ein Mangel an Evidenz bezüglich der Wirksamkeit herrscht, werden
SSRI einerseits in manchen Fällen von Patienten selbst verlangt, aber auch von
Ärzten
die
unter
Zeitdruck
und
dem
allgegenwärtigen
Mangel
an
psychotherapeutischen Grundversorgungskapazitäten leiden, oft zu leichtfertig
verschrieben und als „Lifestyle-Pillen“ missbraucht.
Das Ziel dieser Diplomarbeit soll unter anderem sein, Probleme aufzuzeigen
welche einem Mediziner begegnen können wenn er nach Informationen für die
tägliche Praxis in Bezug auf die Wirksamkeit von SSRI in der antidepressiven
Therapie sucht. Die Bandbreite der erwähnten Themen reicht von der allgemeinen
Terminologie über die Ätiologie und diagnostischen Kriterien sowie die
mannigfaltigen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieoptionen,
ii
mit Focus auf SSRI im ersten Teil der Arbeit. Im zweiten Teil werden
vergleichende Studien zur Wirksamkeit der SSRI mit Placebo dargestellt. Es wird
auf Publikationsbias und die Rolle von Tiermodellen in der Psychopharmakologie
eingegangen. Ebenso soll versucht werden Gründe dafür anzuführen warum sich
heute mehr und mehr Pharmafirmen aus dem einst lukrativen Bereich der
Psychopharmakologie zurückziehen und Forschungsgelder und Anstrengungen
in andere Bereiche investieren. Abschließen wird die Rolle der Psychotherapie
und häufige Nebenwirkungen der SSRI erläutert.
iii
Abstract
Today we are facing a steady growing number of patients suffering from different
types of depressive disorders. They account, according to the Global Burden of
Disease Trial 2010, for 8,2% of YLD’s (years lived with disability) worldwide. The
WHO suggests a global health strategy against depression. Regarding Austria,
approximately 10% of the population is currently suffering from depression,
numbers rising. Costs resulting in the European Union in the year 2010 from
depressive disorders range around 113 billion euro.
Regarding these facts and numbers, one must acknowledge the importance of this
global health issue. Number-one pharmacological treatment in many cases
nowadays are SSRI, Selective Serotonin Reuptake Inhibitors. Primary care
physicians or general practitioners prescribe the vast majority of SSRI. It is not
uncommon that, although in many fields of pharmacological treatment of
depressive disorders a lack of evidence is ubiquitous, SSRI are asked after by
patients and misused by physicians as a “lifestyle drug“ far too often. Demanding
patients, a shortage of psychotherapists, overworked doctors and apparently “safe
and benign” drugs, such as SSRI result in this dangerous situation.
It is the aim of this thesis to point out the problems doctors are facing when trying
to look up “hard facts” about the efficacy of SSRI in the treatment of depressive
disorders. Subjects to be discussed in this paper range from the terminology and
etiology of depression to diagnostics and the various pharmacological and nonpharmacological treatment modalities with focus on SSRI in the first part. In the
second part numerous studies regarding efficacy in comparison with placebo will
be cited. Special attention will be paid to terms like “publication bias” and the role
of animal models in psychopharmacological research. An attempt to answer the
question, why more and more pharmaceutical companies are today giving up
research efforts in the psychopharmacological field, will also be made. The role of
iv
psychotherapy and the most common side effects of SSRI shall be mentioned at
the end of the second part.
v
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ........................................................................................................... ii
Abstract ...............................................................................................................................iv
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................vi
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... viii
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... x
Tabellenverzeichnis ....................................................................................................... xii
1
Einleitung .................................................................................................................... 1
2
„Lost inside yourself“- Depressionszustände...................................................... 2
3
2.1
Terminlogie (ICD-10, DSM-V) ................................................................................... 2
2.2
Depression heute: einige epidemiologische Zahlen und Fakten ........................ 6
2.3
Krankheitsentstehung................................................................................................ 10
2.4
Diagnostische Kriterien und wichtige Differenzialdiagnosen .......................... 13
2.5
Typen der Depression ................................................................................................ 16
2.6
Therapeutische Strategien......................................................................................... 18
2.6.1
Psychotherapeutische Basistherapie ..................................................................... 19
2.6.2
Medikamentöse Therapie ....................................................................................... 20
2.6.3
Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren ........................................ 22
2.6.4
Krankheitsverlauf .................................................................................................... 25
2.6.5
Neue Therapieverfahren......................................................................................... 27
SSRI heute: Einsatz und Evidenz ......................................................................... 30
3.1
SSRI versus Placebo-tatsächlich zwei ebenbürtige Kontrahenten...?............... 30
3.1.1
A closer look...was wurde wann wie verglichen ................................................ 32
3.1.2
Unblinding oder Placebos mit Nebenwirkungen ............................................... 38
3.1.3
Publication Bias........................................................................................................ 40
3.2
Forschung in der Krise oder warum Mäuse vielleicht nicht immer die Lösung
sind... 46
3.3
Psychotherapie anstatt Antidepressiva? ................................................................. 47
3.4
Das Nebenwirkungspotential von SSRI ................................................................ 49
vi
4
Conclusio ................................................................................................................... 54
5
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 57
vii
Abkürzungsverzeichnis
SSRI
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
YLD
Years lived with disability
NCBI
National Center for Biotechnology Information
ICD
International Classification of Diseases
DSM
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
WHO
World Health Organisation
HIV
Human Immunodeficiency Virus
L-DOPA
L-3,4-Dihydroxyphenylalanin
ACTH
Adrenocorticotropes Hormon
MAO
Monoaminooxidase
5-HT
5-Hydroxytryptamin
NARI
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
TCA/TZA
Trizyklische Antidepressiva
NASSA
Noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum
SNRI
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
NDRI
Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahmehemmer
MT1/2
Melatoninrezeptor
EKT
Elektrokrampftherapie
SAD
Seasonal affective disorder
TNF
Tumornekrosefaktor
ASM
Acid Sphingomyelinase
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
RCT
Randomized controlled trial
HRSD
Hamilton Rating Scale for Depression
MADRS
Montgomery-Åsberg Depressionsskala
NICE
National Institute for Health and Care Excellence
NNT
Number needed to treat
NNH
Number needed to harm
FDA
Food and Drug Administration
viii
NEJM
New England Jounal of Medicine
JAMA
Journal of the American Medical Association
GIT
Gastrointestinaltrakt
SIADH
Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
ix
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kielholzschema der Depressionen (nach Kielholz und Huber) [5]
Abbildung 2: Häufigkeiten der einzelnen Verlaufsformen affektiver Störungen
nach Rothenhäusler, Täschner (2012) [4]
Abbildung 3: Illustration zur Monoaminhypothese nach Schildkraut (1965) und
Coppen (1967) von Margaret Shear, Public Library of Science [34]
Abbildung 4: Diagramm zum Verlauf depressiver Erkrankungen nach Kupfer
(1992) [33]
Abbildung 5: Entwicklung der Antidepressiva nach Laux (2012) [25]
Abbildung 6: Illustration zur Kontroverse bezüglich des Nutzens von SSRI
von Margaret Shear, Public Library of Science [37]
Abbildung 7: Grafik zum Antidepressiva-Verbrauch zwischen 2000 und 2011
nach OECD: Health at a Glance (2013) [38]
Abbildung 8: Das durchschnittliche standardisierte Ansprechen dargestellt als
Funktion der initialen HRSD und der Behandlungsgruppe (Drug vs. Placebo) nach
Kirsch et al. (2008) [41]
Abbildung 9: SSRI verglichen mit Placebo bezüglich Besserung der
Depressionssymptomatik nach Arroll et al. (2005) [53]
Abbildung 10: Publikation von Studien in Abhängigkeit von der Beurteilung des
Studienergebnisses durch die FDA aufgeschlüsselt als Balkendiagramm
nach Turner et al. (2008) [60]
x
xi
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen (modifiziert nach
Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4]
Tabelle 2: Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen (modifiziert nach
Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4]
Tabelle 3: Pharmakologische Einteilung von Antidepressiva nach Laux, Dietmaier
[25]
xii
1 Einleitung
Diese
Arbeit
zielt
darauf
ab,
das
heterogene
Krankheitsbild
der
Depressionszustände mit dem Fokus auf unipolar affektive Störungen zu
behandeln, sowie Nutzen, Probleme, Erwartungen, Meinungen, Gefahren und
Risiken der Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI)
auszuführen.
Zunächst soll versucht werden, die allgemeinen Grundlagen der Krankheit, die
(leider noch immer viel zu oft von Medizinern unterschätzte) Häufigkeit der
Depression, sowie Differenzialdiagnosen und vor allem die Therapie nach den
aktuellen Empfehlungen (Stand: Ende 2014) zusammenzufassen. Ebenso wird ein
Ausblick in die Zukunft der antidepressiven Therapie gewagt.
Der zweite Teil dieser Arbeit soll sich vorrangig, mit den von vielen als
unentbehrlich in der antidepressiven Therapie und von manchen als potentiell
lebensgefährlich gebrandmarkten Psychopharmaka, den SSRI, befassen. Die
Einschätzungen von Fachleuten stehen sich in diesem Kontext zuweilen diametral
gegenüber; dieser Meinungskonflikt soll thematisiert werden. Auch wird auf
aktuelle Probleme bei der Entwicklung neuer Psychopharmaka und die
Verzerrung von Studienergebnissen durch selektives Publizieren genauer
eingegangen.
Zu den Informationsquellen welche Eingang in den folgenden Text fanden zählen
Artikel aus einschlägigen medizinischen Zeitschriften, sowie Studien welche über
das Forschungsportal Pubmed des NCBI bezogen wurden ebenso wie Fachbücher
aus dem Kreis der Psychiatrie und Psychotherapie, der Psychopharmakotherapie
und
der
allgemeinen
Pharmakologie.
Sogar
Inhalte
von
Texten
aus
Tageszeitungen und Magazinen sind notwendigerweise enthalten. Damit soll die
tagesaktuelle
Relevanz,
des
sich
durch
1
alle
Gesellschaftsschichten
und
Altersgruppen ziehenden Themas der Depressionen und der antidepressiven
Therapie mit SSRI, unterstrichen werden.
2 „Lost inside yourself“- Depressionszustände
2.1 Terminlogie (ICD-10, DSM-V)
Der Begriff „Depression“ zählt zu den affektiven Störungen.
Diese umfassende Gruppe psychischer Erkrankungen wird im Kapitel fünf der
ICD-10-Version von 2013 in sieben Unterkapiteln genauer definiert und bezieht
sich auf krankhafte Alterationen der Grundstimmung eines Menschen [1]:

Manische Episoden

Bipolar affektive Störungen

Depressive Episoden

Rezidivierende depressive Störungen

Anhaltende affektive Störungen

Andere affektive Störungen

Nicht näher bezeichnete affektive Störungen
Als im 19. Jahrhundert der Begriff der Depression erstmals Erwähnung in der
Psychiatrie fand, war der Gebrauch desselben viel undifferenzierter als heute.
Wurde damals unter Depressionen eine generelle Verflachung der Wahrnehmung
von Gefühlen und des Ausdrucks von Emotionen verstanden sowie eine
allgemeine Degeneration anderer psychischer Funktionen wie z.B. der Kognition,
so findet der ehemalige Überbegriff nun als Unterbegriff in der Einheit der
affektiven Störungen Verwendung [2].
Da im Bereich der amerikanischen Psychiatrie hingegen seit jeher ein eigenes
nationales Diagnosesystem für psychiatrische Diagnosen verwendet wird, erfolgt
die Klassifikation depressiver Störungen dort erwartungsgemäß unterschiedlich.
2
Im Gegensatz zum länderübergreifenden und in Europa dominierenden ICD-10
Klassifikationssystems welches als Grobunterteilung manisch und depressive
Zustände verwendet, erfolgt im amerikanischen DSM-V von Mai 2013 die
Einteilung
primär
anhand
rein
depressiver
(„unipolar“)
oder
bipolarer
Symptomatik [3].
Genannte Tatsache an sich zeigt bereits dass bei der Nomenklatur und der
Definition der Krankheitsbegriffe alles andere als einheitliche und international
vergleichbare Standards angelegt wird.
Im Laufe der Zeit wurden für psychische Störungen mit den Hauptcharakteristika
der gedrückten Grundstimmung sowie der Lust-, Freud- und Antriebslosigkeit
viele verschiedene Bezeichnungen geschaffen. Nur um einige zu nennen (ohne auf
die genauen zu jener Zeit gebräuchlichen Definitionen derselben einzugehen)
seien die Dysthymie, die Melancholie, Gemütskrankheiten, die monopolare
(endogene) Depression, die depressive Episode nach ICD-10 sowie die Major
Depression nach DSM-V genannt.
Erwähnung verdient ebenso das triadische System der Depressionsklassifikation
nach Staehelin aus dem Jahre 1955 welches als sogenanntes „Kielholz-Schema“
über mehrere Jahrzehnte in den westlichen psychiatrischen Schulen Anwendung
fand (siehe Abbildung 1). Dieses System unterteilte anhand der Ätiopathogenese
nach endogenen, psychogenen und somatogenen Depressionen. Oft entschied
allein die Zuordnung zu der entsprechenden Gruppe die Therapie. Von dieser
kategorisierenden Einteilung nahm man mit der zehnten Revision der ICD-10 im
Jahre 1992 endgültig Abschied und implementierte die nun auf objektiven
zeitlichen, klinischen und organischen Kriterien beruhende, bereits eingangs
vorgestellte Klassifikation, welche 2013 ihre letzte Revision erfuhr. Damit wird der
multifaktoriellen Krankheitsentstehung Rechnung getragen [1] [2] [4].
3
Abbildung 1: Kielholzschema der Depressionen (nach Kielholz und Huber) [5]
Da das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf unipolar depressive Störungen gelegt
werden soll, erscheint es zielführend, die wichtigsten in der Praxis und in der
Literatur verwendeten Diagnosen noch einmal zusammenfassend darzustellen:
 Die „depressive Episode“ (F32) der ICD-10 welche weiter nach
Schweregrad, psychotischen Symptomen und somatischen Symptomen
unterteilt werden kann, entspricht der „major depression“ der DSM-V.
Laut WHO müssen drei der im ICD-10 Manual festgelegten Symptome
(gedrückte
Stimmung/Interessensverlust,
Freudlosigkeit
sowie
Antriebslosigkeit) zusammen mit vier von sieben Nebensymptomen über
einen definierten Zeitraum nachweisbar sein, um schwere depressive
Episoden diagnostizieren zu können.
 Die „rezidivierend depressiven Störungen“ (F33) der ICD-10 welche nach
Schweregrad, psychotischen Symptomen und somatischen Symptomen bei
remittierendem Verlauf beschrieben werden, können in ihrer leichten Form
der „minor depression“ nach DSM-V gleichgesetzt werden.
4
Weiters kann die Anwendung des Begriffs „minor depression“ auch
dadurch gerechtfertigt sein, wenn eine depressive Phase kürzer als zwei
Wochen dauert und die diagnostischen Kriterien der leichten depressiven
Episode oder der Dysthymie nicht erfüllt werden.
 Unter dem Kapitel „anhaltende affektive Störungen (F34)“ sticht in
Zusammenhang mit dem Fokus dieser Arbeit vor allem die Dysthymie
hervor, welche anhand WHO-Definition durch eine sehr langwierige, oft
schon in jungen Lebensjahren beginnende dauernd gedrückte Stimmung
charakterisiert ist aber meist nicht stark genug ausgeprägt ist um die
Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung zu erfüllen. Diese
Diagnose wird der „dysthymen Störung“ nach DSM gleichgesetzt [4], [6],
[7].
5
2.2 Depression heute: einige epidemiologische Zahlen und
Fakten
Bevor auf die, in der Tat alarmierenden, Zahlen und Fakten näher eingegangen
wird, die mit Nachdruck verdeutlichen wie allgegenwärtig und von welch nicht
zu unterschätzender sozioökonomischer und gesundheitspolitischer Relevanz das
Thema der unipolaren affektiven Störungen weltweit und in Österreich ist, darf
vorangestellt werden dass:
 65% aller affektiven Störungen auf unipolar affektive Störungen (also
depressive Episoden/depressive Störungen) entfallen
 hingegen ca. 30% aller affektiven Störungen bipolarer Natur sind
 ein sehr geringer Part von nur 5% aller Patienten mit der Diagnose einer
affektiven Störung auf rein manische Verläufe fällt [2], [4].
rein manische
Episoden
5%
bipolar affektive
Störungen
30%
unipolar
depressive
Störungen
65%
Abbildung 2: Häufigkeiten der einzelnen Verlaufsformen affektiver Störungen nach
Rothenhäusler, Täschner (2012) [4]
6
Wer sind nun also die Personen unter uns, welche das höchste Risiko haben eine
Krankheit aus dem Formenkreis der affektiven Störungen diagnostiziert zu
bekommen, bzw. wie groß schätzt man die Wahrscheinlichkeit für den
Durchschnittsbürger ein, irgendwann in seinem Leben an einer Depression zu
erkranken? Spielen Depressionen wirklich eine so herausragende Rolle für das
Versicherungswesen und sind auch Hausärzte gut darin solche zu erkennen?
Depression bei Vorschulkindern-kann es denn das geben?
Es ist nicht einfach, auf diese bewusst sehr allgemein formulierten Fragen, immer
eine eindeutige Antwort zu finden mithilfe der aktuellen psychiatrischepidemiologischen Literatur.
Man kann aber davon ausgehen, dass:
 ...Frauen von Depressionen im Schnitt doppelt so häufig heimgesucht
werden wie Männer [3].
Diese Annahme wird allerdings, nur um eine rezente amerikanische Studie
zu diesem Thema zu nennen, jüngst immer häufiger angezweifelt. Es
können sich Symptome einer Depression bei Männern anders manifestieren
(Wutausbrüche, Abhängigkeitsverhalten, erhöhte Bereitschaft Risiken
einzugehen, übermäßige sportliche Aktivität...) als durch die bisher
beachteten „klassischen“ Depressionssymptome. Wenn nun diese, bisher
nicht mit einer Depression bei Männern in Zusammenhang gebrachten
Verhaltensweisen
bei
scheinen
geschlechtsspezifischen
die
Krankheitshäufigkeit
der
Diagnosestellung
nahezu
berücksichtigt
Unterschiede
verschwunden.
Stichwort:
werden,
in
der
„male
depression“[8].
 ...in Deutschland (vermutlich auf Österreich übertragbar) das Risiko einer
Frau, mindestens einmal im Leben an einer depressiven Störung oder an
7
Dysthymie zu erkranken, bei ca. 20 % und das eines Mannes bei ca. 10 %
liegt [2].
 ...man an Dysthymie, sowie an bipolaren affektiven Störungen eher als
unter dreißig-Jähriger erkrankt (wobei auch hier das weibliche Geschlecht
tendenziell häufiger betroffen zu sein scheint) [2].
 ...viele praktische Ärzte in Österreich oft Depressionen (und andere
psychische Erkrankungen) nicht rechtzeitig erkennen und diagnostizieren,
was für den Patienten und das Gesundheitssystem aber wesentlich wäre.
Bei rund 1,2 Millionen psychisch kranker Menschen in Österreich ist die
erste medizinische Anlaufstelle nach wie vor der Hausarzt. Begründet wird
der fehlende Blick für psychische oder psychosomatische Medizin mit bis
dato fehlender Ausbildung der Mediziner in diesen Bereichen [9].
 ...major Depressions weltweit in der Global Burden of Disease Studie von
2010 bereits 8.2 % der YLDs (years lived with disability) bedingen, was
zurzeit die zweit-bedeutendste Ursache für Behinderung und somit auch
Erwerbslosigkeit ist. Es wird auch ein ganz eindeutiger Zusammenhang
zwischen Suiziden und Depressionen aufgezeigt. Deshalb wird der
Vorschlag unterbreitet, dass Krankheiten des depressiven Formenkreises zu
einem prioritären globalen Gesundheitsthema gemacht werden sollen [10].
 ...laut einer europäischen Studie, die sich auf das Jahr 2010 bezieht, Kosten
aus Depressionen und bipolaren Erkrankungen in der EU entstanden sind,
welche in Summe 113 Milliarden (!) Euro betragen [22].
 ...in einer Untersuchung aus dem Jahr 2014 tatsächlich mehr als 12% der
Vorschulkinder mit einer Angststörung bereits Symptome aufwiesen,
welche mit einer Depression einhergehen können [14].
8
 ...laut einer 2014 veröffentlichen Tabelle der Statistik Austria, die Anzahl
der Krankenstandstage pro 1000 Erwerbstätige, aufgrund von psychischen
Krankheiten in den vergangenen 15 Jahren stetig gestiegen ist. So
verdoppelten sich die Krankenstandsfälle durch psychische Leiden beinahe
von 17,2 pro 1000 Erwerbstätige im Jahr 2000 auf 27,3 pro 1000
Erwerbstätige im Jahre 2013 [11].
 ...in Österreich im Jahr
überwiegend
unipolare
2012
affektive
Störungen
Störungen und
den
größten
hierunter
Anteil
unter
Spitalsentlassungsdiagnosen aus dem Diagnosebereich der psychischenund Verhaltensstörungen nach ICD-10 ausmachten. Frauen verließen 2012
eine psychiatrische Krankenanstalt in Österreich in etwa doppelt so oft mit
der Diagnose einer affektiven Störung (F30-F39) als Männer [12].
 ...mit Abstand der bedeutendste Grund für Neuzugänge an Pensionen der
geminderten Arbeitsfähigkeit, bzw. der dauernden Erwerbsunfähigkeit
(„Invaliditätspension“) im Jahre 2013 psychiatrische Krankheiten waren
[13].
 ...der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Jahr
2009 insgesamt 10748419 Psychopharmaka-Verschreibungen dokumentierte
welche von niedergelassenen Ärzten erfolgten. Davon entfielen 49% auf
Antidepressiva.
Von
diesen
wurden
78%
(!)
von
Ärzten
für
Allgemeinmedizin verschrieben. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert
der Allgemeinmediziner bei der Therapie von Erkrankungen aus dem
depressiven Formenkreis in der Präklinik [42].
9
2.3 Krankheitsentstehung
Abbildung 3: Illustration zur Monoaminhypothese nach Schildkraut (1965) und Coppen
(1967) von Margaret Shear, Public Library of Science [34]
Der aktuelle Konsens der Wissenschaftler bzw. der Autoren vieler Studien zu
diesem äußerst komplexen Thema ist, dass der Entstehung der Depression keine
monokausale Vorstellung zugrunde liegt (eindeutig somato- und pharmakogene
Depressionen seien hierbei ausgeschlossen, siehe Tabelle 1 und 2), sondern dass
multifaktorielle Prozesse an der Depressiogenese beteiligt sind.
Kurz soll nun auf die bisher in der Wissenschaft weitgehend akzeptierten
Theorien eingegangen werden.
Als erwiesen gelten genetische Prädisposition, ebenso wie gewisse Störungen oder
Imbalancen (nicht aber der alleinige Mangel an gewissen Botenstoffen!) im Bereich
der Neurotransmission und der Neuroendokrinologie. Weitere anerkannte
Größen
in
der
„Depressionsentstehungsgleichung“
sind
psychosoziale
Stresssituationen oder Belastungen („Traumen der Seele“), chronobiologische
Unregelmäßigkeiten, oder gewisse Krankheiten und Medikamente welche
depressive Zustände herbeiführen können. Manche Persönlichkeitsstrukturen
10
scheinen außerdem tendenziell eher anfällig für das Entstehen einer Erkrankung
aus dem depressiven Formenkreis zu sein, als andere (Typus melancholicus nach
Tellenbach) [2], [4].
Tabelle 1: Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen (modifiziert nach
Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4]
Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen
Kardiologie: koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Status post
Myokardinfarkt, Status post Bypass-Operation
Neurologie/Psychiatrie: Morbus Parkinson, Epilepsie, zerebrovaskuläre
Erkrankungen, Morbus Alzheimer, Status post Schädelhirntrauma, entzündliche
neurologische Erkrankungen, maligne Neubildungen des zentralen
Nervensystems, multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose, Chorea
Huntington
Endokrinologie: Hypo- und Hyperthyreose, Thyreoiditis, Morbus Cushing,
Morbus Addison, Nebenschilddrüsenerkrankungen
Mangelerkrankungen/Stoffwechselerkrankungen:
Eisenmangel,
perniziöse
Anämie, Folsäuremangel, Fruktosemalabsorption, Porphyrie, Hämochromatose
Infektionskrankheiten:
HIV-Infektion,
Lues,
Influenza,
Tuberkulose,
Mononukleose, Hepatitis, Streptokokken-Infektion
Neoplasien: Bronchial-Karzinom, Pankreas-Karzinom, Ovarial-Karzinom
Sonstige:
dialysepflichtige
Niereninsuffizienz,
Alkoholismus, Diabetes mellitus...
11
rheumatoide
Arthritis,
Tabelle 2: Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen (modifiziert nach
Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4]
Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen
Antihypertensiva:
Betablocker,
Clonidin,
alpha-Methyldopa,
Hydralazin,
Reserpin
Psychopharmaka: Neuroleptika (v.a. ältere, hochpotente wie z.B. Haloperidol),
Barbiturate, Disulfiram, L-DOPA
Steroide: ACTH, Glukokortikoide, „Anabolika“
Analgetika/Antirheumatika: Ibuprofen, Opiate, Indometacin, Chloroquin
Sonstige:
Antibiotika
(Tuberkulostatika,
anitvirale/antibakterielle/antimykotische
Wirkstoffe),
H2-Antagonisten
(Cimetidin, Ranitidin), Alkohol, Amphetamine, Kokain...
Das von Schildkraut im Jahre 1965 erstmals beschriebene Konzept, welches besagt
dass ein Defizit an Noradrenalin (Monoaminhypothese) im neuronalen System
eine Depression bedinge, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Sehr
plastisch und für jedermann nachvollziehbar wird suggeriert, dass der Mangel an
ein oder zwei Substanzen im Gehirn (im Jahre 1967 durch Coppen um das
Serotonin erweitert), in einer einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehung, eine
Krankheit zu Folge hat [15].
Dieses
vereinfachende,
mittlerweile
60
Jahre
alte
„Ur-Modell“
der
Depressionsentstehung, wird noch heute von Forschern revidiert, modifiziert,
aktualisiert aber auch vielfach kritisiert. Pharmafirmen hingegen benutzen es seit
jeher mit großem Enthusiasmus, um den Wirkmechanismus ihrer Produkte
einleuchtend zu erklären und Absatzzahlen von antidepressiven Produkten,
welche in den Neurotransmitterstoffwechsel eingreifen, in die Höhe zu treiben.
Eine besonders aufwändige, um nicht zu sagen aggressive Marketingkampagne,
für das erste im großen Stil vertriebene SSRI Fluoxetin (Prozac® im
angloamerikanischen Sprachraum, Fluctine®/Mutan® im deutschsprachigen)
führte der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly&Company Ende der 1980er
Jahre durch. Damit sicherte sich dieser Global Player am Psychopharmaka-Markt
12
gegenüber Mitbewerbern einen wesentlichen Startvorteil im Rennen um
Verkaufszahlen, in dem zu dieser Zeit aufkeimenden und besonders lukrativen
Geschäftsfeld der Antidepressiva [16].
Zahlreiche namhafte Neurowissenschaftler und Depressionsforscher andererseits,
erklären
die
Monoaminhypothese
in
Hinblick
auf
den
oft
zitierten
Serotoninmangel für schlichtweg falsch und wissenschaftlich nicht eindeutig
belegbar [17].
2.4 Diagnostische Kriterien und wichtige
Differenzialdiagnosen
Um in der täglichen Praxis unipolar affektive Störungen verlässlich erkennen zu
können, ist es von großer Bedeutung sich mit den diagnostischen Kriterien für
besagte Krankheiten auseinanderzusetzen. Erneut treffen wir auf die in der
westlichen Welt der Psychiatrie vorhandene Dichotomie zwischen europäischem
ICD-10 und amerikanischem DSM-V. Verfolgen doch beide Klassifikationssysteme
ähnliche
Ziele,
sind
bei
näherem
Hinsehen
Unterschiede
in
den
Diagnoserichtlinien erkennbar.
Da es aber das Thema einer eigenen Diplomarbeit sein kann, die Unterschiede und
Gemeinsamkeiten der Diagnosekriterien bei depressiven Störungen von ICD-10
und DSM-V zu erarbeiten, beschränkt sich die folgende Darstellung auf eine
überblicksmäßige Auflistung der bei uns in Europa gebräuchlichen ICD-10
Diagnosekriterien von unipolar affektiven Störungen. Es sei auf die aktuelle von
der WHO publizierte Fassung der ICD-10 Diagnosekriterien von affektiven
Störungen (Kapitel V, F30-39) verwiesen, sollten genauere Angaben hierzu
gewünscht werden.
13
Zu den vorgegebenen Hauptkriterien laut ICD-10 zählen:

depressive Stimmung

Interessensverlust/Freudlosigkeit

Antriebslosigkeit
Zu den Nebenkriterien zählen:

Konzentrationsprobleme

vermindertes Selbstwertgefühl/Selbstvertrauen

Schuldgefühle und Selbstzweifel

pessimistische Zukunftsgedanken

Gedanken an Selbstmord/Autoaggression

Schlafstörungen

reduzierter Appetit
Ein wichtiges zeitliches Kriterium für leichte, mittlere und schwere depressive
Episoden welches es zu erfüllen gilt, ist die Persistenz der Beschwerden über
mindestens zwei Wochen. In dem Fall dass die Symptome außergewöhnlich
schnell auftreten oder von besonders ausgeprägter Intensität sind, kann die
zeitliche Komponente vernachlässigt werden.
Die Leitlinien schlagen vor, die Unterteilungen in „milde, mittelgradige/moderate
oder schwere depressive Episode“ nur zu verwenden, wenn die Symptomatik bei
dem Patient erstmalig auftritt. Alle rezidivierenden Krankheitsepisoden aus
diesem Bereich sollen unter dem Begriff „Rezidivierende depressive Störung“
(F33) zusammengefasst werden.
14
Die depressive Episode kann anhand der Anzahl der vorhandenen von der WHO
definierten Haupt- und Nebensymptomen in
 leicht
(zwei
der
Hauptsymptome
plus
mindestens
zwei
der
Nebensymptome),
 mittelgradig/moderat (zwei der Hauptsymptome plus mindestens drei der
Nebensymptome) und
 schwer (alle drei Hauptsymptome plus mindestens vier Nebensymptome)
eingeteilt werden.
Abgesehen von den oben genannten Haupt- und Nebensymptomen, wird
ergänzend anhand von somatischen Beschwerden und psychotischen Symptomen
klassifiziert.
Man darf hier ein weiteres unipolar-depressives Krankheitsbild nicht unerwähnt
lassen, nämlich die Dysthymie. Bei dieser werden die Kriterien für eine
rezidivierende depressive Störung (F33) in Hinblick auf Dauer oder Schwere der
Symptome, nicht vollständig erfüllt [18].
Um den diagnostischen Pfad konsequent beschreiten zu können, gilt es
differenzialdiagnostische Möglichkeiten der Depression stets zu bedenken. In
Tabelle 2 sind zahlreiche Auslöser substanzinduzierter Depressionen aufgeführt.
Eine Medikamentenanamnese und eine sorgfältige Exploration eines eventuell
vorliegenden
Abhängigkeitsverhaltens
Depressionsabklärung
ebenso
stehen,
sollten
wie
die
am
Anfang
gründliche
jeder
körperliche
Untersuchung. Dazu sollen und müssen Konsile von ärztlichen Kollegen aus
anderen
Fachbereichen
(Innere
Medizin,
Neurologie,
Neuroradiologie,
Onkologie...) eingeholt werden.
Die Henne-Ei-Problematik kann auch bei der auf den ersten Blick trivial
anmutenden Diagnosestellung der Depression auftreten: Ist nun die Depression
die Ursache für somatische Beschwerden (somatisierte/larvierte Depression) oder
entwickelt der Patient, aufgrund der körperlichen Leiden, eine sogenannte
15
„Begleitdepression“? Viele chronische Erkrankungen können Depressionen
auslösen oder deren Entstehung begünstigen (siehe Tabelle 1) [19], [4].
Der dritte wichtige Punkt (neben den von Medikamenten oder somatischen
Erkrankungen ausgelösten Depressionen) im Bereich der Differenzialdiagnostik
schließt Depressionen im Kontext mit anderen psychiatrischen Erkrankungen ein.
Hier gilt es vor allem daran zu denken, dass bei Mb. Parkinson sowie bei der
Alzheimer-Demenz
Depressionen
unterschiedlicher
Ausprägung
primär
anzunehmen sind und eventuell sogar das erste Symptom einer solchen
Erkrankung darstellen können. Dies erklärt, warum bei Parkinson-Patienten eine
Diagnosestellung „ex juvantibus“ möglich sein kann. Wenn also depressive
Symptome im Rahmen der Parkinson-Therapie gelindert werden können, ist die
Diagnose der Parkinson-Krankheit offensichtlich.
Manchmal verbergen sich unter dem Deckmantel einer depressiven Symptomatik
auch
schizoaffektive
oder
schizophrene
Psychosen,
Angsterkrankungen,
Anpassungsstörungen oder ein hypoaktives Delir. Auch auf das Auftreten einer
sogenannten „depressiven Pseudodemenz“ welche eine Demenz imitieren kann,
ist zu achten [2], [4], [19].
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Symptomatik der depressiven
Störungen vielgestaltig sein kann und ein fachübergreifendes Denken sowie ein
umfassendes Wissen aus vielen Bereichen der Medizin vom Diagnostiker verlangt.
2.5 Typen der Depression
Es wurde in vorhergehenden Abschnitten bereits angeführt, dass international
einheitliche diagnostische Kriterien für unipolar depressive Erkrankungen zurzeit
nicht existieren.
So verwundert es auch nicht, dass man momentan, je nachdem in welchem
Lehrbuch oder in welchem wissenschaftlichen Text man nachschlägt, auf
unterschiedliche
Informationen
betreffend
Erscheinungsbilder der Depression, stößt.
16
die
Subtypen
und
die
Die
am
häufigsten
erwähnten
Begriffe
in
gängigen
deutschsprachigen
Psychiatrielehrbüchern sollen nun kurz näher beschrieben werden [2],[3],[4],[21]:
Melancholische Depression: vereint viele der klassischen Symptome depressiver
Störungen wie Freudlosigkeit, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Grübelneigung,
Desinteresse, Schlafstörungen, herabgesetzten Appetit, reduzierte Libido, das
sogenannte „Gefühl der Gefühllosigkeit“.
Gehemmte Depression: hier imponiert vor allem eine Hemmung des Antriebes
mit Initiativlosigkeit und psychomotorischer Inaktivität, aber auch eine
Denkhemmung ist typisch. Im Extremfall liegt ein depressiver Stupor vor welcher
unter Umständen nur durch eine Elektrokonvulsionstherapie durchbrochen
werden kann.
Agitiert-ängstliche Depression: die Patienten werden getrieben durch innere
Unruhe, es fällt ihnen schwer still zu sitzen, sie nesteln, klagen über Angst und
Anspannung.
Larvierte/somatisierte Depression: die eigentliche Depression „versteckt“ sich
hinter einer Maske (lateinisch: larva) aus subjektiv empfundenen aber nicht
objektivierbaren körperlichen Symptomen. Klassisch sind unspezifische Kopf-,
Brust-,
oder
Bauchschmerzen
sowie
Abgeschlagenheit.
Symptome
der
„klassischen melancholischen“ Depression treten hier in den Hintergrund.
Psychotische Depression: Unterschiedliche Arten von Wahnideen (Schuld-,
Verarmungs-,
Versündigungs-,
Bestrafungswahn...)
charakterisieren
diesen
Subtyp. Manchmal werden auch akustische Halluzinationen wahrgenommen,
meist tadelnde oder anklagende Stimmen.
17
Anankastische Depression: Jede Art von Zwangsgedanken treten hier zusammen
mit allgemein depressiven Symptomen auf.
Nihilistische Depression: Der Patient empfindet sich als tot, leugnet manchmal
sogar seine Existenz.
Atypische Depression: Im Vordergrund stehen übertriebene Kränkbarkeit und
Sensibilität gegenüber Kritik, gesteigerter Appetit sowie Hypersomnie. Der
Terminus „atypisch“ soll allerdings nicht dahingehend missverstanden werden,
dass diese Depression untypisch selten ist. Eine deutsche Untersuchung aus dem
Jahre 2009 zeigt eine Prävalenz von ca. 15% der atypischen Form unter
depressiven Patienten [20].
Es existieren auch noch die Altersdepressionen bei Patienten über 60 Jahren,
peripartale Depressionen bei werdenden/jungen Müttern und saisonale
Depressionen (SAD) welche gehäuft im Herbst/Winter auftreten.
2.6 Therapeutische Strategien
So vielfältig sich die Störungen aus dem depressiven Formenkreis manifestieren
können und so komplex manchmal die Diagnosefindung sein kann, so
unterschiedlich sind auch die therapeutischen Möglichkeiten mit denen man
diesen begegnet.
Wenn man sich mit einer großen Anzahl an Quellen befasst welche die
antidepressive Therapie zum Thema haben, so kristallisiert sich doch dem
aufmerksamen Leser eine „Trias der antidepressiven Therapie“ heraus.
Diese sieht wie folgt aus:

Psychotherapeutische Basistherapie


Medikamentöse Therapie
Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren
18
2.6.1 Psychotherapeutische Basistherapie
Der Stellenwert der Psychotherapie im Rahmen der antidepressiven Therapie hat
in den letzten Jahrzenten merklich zugenommen. Dies geschah deshalb, weil
immer mehr mit der Behandlung depressiver Patienten betraute Personen
akzeptieren,
dass
sich
eine
pharmakologische
Therapie
und
eine
psychotherapeutische nicht ausschließen, sondern im Gegenteil, ergänzen können
und sollen. Analog zur multimodalen Depressiogenese ist hier auch oft ein
multimodaler therapeutischer Zugang indiziert [4].
Man muss in den Raum stellen, dass die Psychotherapie nicht unkritisch
verordnet werden darf und auch nicht immer das alleinige Mittel der Wahl sein
kann. Auch sie kann Nebenwirkungen haben (falsches Verfahren, sehr stark
abhängig von den Fähigkeiten des individuellen Therapeuten, eventuell
verzögerte Verordnung von Psychopharmaka...) und auch sie ist nicht immer
uneingeschränkt indiziert wie zum Beispiel bei schweren depressiven Störungen
bei denen die Patienten in ihrer Krankheit ohne medikamentöse oder sogar
biologische Primärtherapien „gefangen“ scheinen und erst empfänglich für
gesprächstherapeutische Interventionen gemacht werden müssen. Unbestritten
sind allerdings auch die
Vorteile,
die eine konsequente,
zielgerichtete
Psychotherapie durch einen qualifizierten Therapeuten mit
sich bringt.
Angefangen bei einem regelmäßigen Monitoring des depressiven Patienten zur
Verlaufsbeobachtung, über eine gewisse Einflussnahme auf den Patienten
hinsichtlich depressionsbedingter (Fehl)Entscheidungen oder Entschlüsse, sowie
die allgemeine Hilfestellung durch empathisches Zuhören und gemeinsames
Festlegen von Therapiezielen und dergleichen, ergeben sich ein hervorragendes
Nutzen-Risiko-Profil. Auch wirkt sich Psychotherapie positiv auf die Compliance
bezüglich der antidepressiven Medikation aus [23].
Es ist anzumerken, dass die Domäne der Psychotherapie im Rahmen der
antidepressiven Therapie leichte bis mittelgradige depressive Störungen sind.
Schwer depressiven Patienten soll auch eine Psychotherapie zu Teil werden,
freilich nur wenn zugleich medikamentös angemessen interveniert wird [3], [23].
19
2.6.2 Medikamentöse Therapie
Die
inhomogene
Klasse
der
Antidepressiva
ist
zu
einem
nicht
mehr
wegzudenkenden Pfeiler in der modernen Psychiatrie geworden. Die ersten
antidepressiv wirksamen Medikamente wurden–wie oft in der Medizin, man
denke nur an das Penicillin, vor über einem halben Jahrhundert–per Zufall
entdeckt [2].
So unterschiedlich doch die postulierten Wirkmechanismen der einzelnen
Gruppen auf Rezeptorebene sind, ist ihnen allen gemein, dass sie im ZNS ihre
Hauptwirkung entfalten.
Diese, um erneut auf die Monoaminhypothese zurückzukommen, korreliert mit
der Konzentration von Neurotransmittern im synaptischen Spalt [24].
Ansonsten vereinen sie noch die stimmungsaufhellenden (thymoleptischen) und
antriebsnormalisierenden Effekte zusammen mit der Tatsache, dass sie die
Stimmung beim Gesunden nicht beeinflussen. Eine gewisse Dauer (bis zu drei
Wochen) zwischen Ersteinnahme und vom Patienten wahrnehmbarer Wirkung
wird allen Antidepressiva zugeschrieben (Latenzzeit)[25].
Es ist nicht das Ziel im Rahmen dieser Arbeit, alle Wirkklassen der heute
verwendeten Substanzen in der antidepressiven Therapie genau zu beschreiben
und
auf
ihre
Wirkungen,
Nebenwirkungen,
das
Interaktionspotential,
Indikationen und Kontraindikationen einzugehen. Hierfür stehen hervorragende
Bücher der (Psycho-)Pharmakologie zur Verfügung. Stattdessen soll versucht
werden, einen Überblick über momentan in der Therapie unipolarer Störungen
verwendete Gruppen von Medikamenten zu geben, um später auf einzelne
Charakteristika der SSRI, näher eingehen zu können.
Ein gängiges Modell, um sich die verschiedenen Klassen der Antidepressiva vor
Augen zu führen, liefert die Einteilung anhand von Selektivität und
Wirkmechanismus (siehe Tabelle 3).
20
Tabelle 3: Pharmakologische Einteilung von Antidepressiva nach Laux, Dietmaier [25]
monoaktive
dual wirksame Substanzen
Substanzen
MAO-
SSRI
NARI
TZA
NaSSA
SNRI
NDRI
Melatonin-
Hemmer
agonist
Serotoninantagonist
Tranyl-
Citalopram
cypromin,
Escitalopram
Clomipramin
Fluoxetin
Imipramin
Paroxetin
Doxepin
Moclobemid
Reboxetin
Amitryptilin
Mirtazapin
Venlafaxin
Bupropion
Agomelatonin
Duloxetin
Fluvoxamin
Sertralin
Monoamin
5-HT-Wieder
NA-
NA-und
NA-und
NA-und
NA-und
MT1/MT2
oxidase
aufnahme
Wieder
5-HT-
spez. 5-HT-
5-HT-
5-HT-
Agonismus,
hemmung
hemmung
aufnahme
Wieder
Rezeptor
Wieder
Wieder
5HT2c
hemmung
aufnahme
blockade
aufnahme
aufnahme
Antagonismus
hemmung
hemmung
hemmung
In der Tabelle nicht enthaltene Arzneimittel sind Trazodon welches als
nichtklassifizierbares Antidepressivum geführt wird sowie Lithiumsalze und
Hypericum perforatum („Johanniskraut“). Diese Präparate haben als CoTherapeutika ihren definierten Stellenwert in der antidepressiven Therapie.
Nach der gesicherten Diagnosestellung einer depressiven Störung ist die
medikamentöse Therapie oft unumgänglich. Vor allem bei mittelschweren bis
schweren Depressionen ist ein psychopharmakologisches Vorgehen (idealerweise
kombiniert mit einer begleitenden Psychotherapie) unbedingt anzuraten und eine
Wirkung durch Studien nachgewiesen. Faktoren welche bei der Auswahl des
geeigneten Präparates mitspielen sind u.a. Alter, Verträglichkeit,
Nebenwirkungsprofil, Kosten, Erfahrung des Arztes mit dem Medikament, ev.
Vortherapie mit Medikamenten und aktuelle Medikamenteneinnahme.
Unabhängig davon, welches Therapeutikum auch immer initial angewandt wird,
ist laut Empfehlung aktueller Leitlinien eine wöchentliche Wiederbestellung des
Patienten in den ersten vier Behandlungswochen zur Wirksamkeits-,
Verträglichkeits- und Nebenwirkungskontrolle anzuraten.
21
Sollte sich nach vier Wochen verlässlicher Einnahme des Präparates und bei
therapeutischem Serumspiegel des Pharmakons, noch keine subjektive Besserung
der Symptomatik eingestellt haben, ist die Strategie zu überdenken hinsichtlich
Dosis, Switching (Wechsel des Antidepressivums), Augmentation (Kombination
mit einem nicht-Antidepressivum), Kombination (Verordnung eines weiteren
Antidepressivums) oder Kombination mit/Wechsel zur Psychotherapie [23].
2.6.3 Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren
Unter diese Gruppe werden alle therapeutischen Interventionen subsummiert,
welche nicht in den beiden zuvor beschriebenen Punkten Erwähnung finden. Dies
sind Schlafentzugsbehandlung, Phototherapie, Elektrokrampftherapie (EKT),
sowie Hirnstimulationsverfahren [2]. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt auf
den Stellenwert körperlicher Betätigung bei depressiven Patienten eingegangen.
Schlafentzugsbehandlung:
Es
existieren
zwei
anerkannte
Arten
der
Schlafentzugstherapie oder Wachtherapie, nämlich die totale (kein Schlaf während
der gesamten Nacht) und die partielle (maximal drei Stunden erholsamer Schlaf
pro Nacht). Indikation zur Schlaftherapie ist die depressive Episode. Bisher ist
nicht eindeutig erforscht ob die totale oder die partielle Schlafentzugstherapie
wirksamer ist, Hinweise deuten auf eine Überlegenheit ersterer hin. Auch der
Wirkmechanismus ist noch nicht eindeutig geklärt, Theorien reichen von
chronobiologischen Wechselwirkungen, über einen Einfluss auf den zerebralen
Serotonin- oder Adenosin-Stoffwechsel, bis hin zu einer psychostimulierenden
Wirkung per se [26]. Eine neuere Studie zu diesem Thema, kam zu dem Ergebnis
dass für das Weiterbestehen einer Depression wichtige Netzwerke im Gehirn
umstrukturiert bzw. die Verbindung zwischen Arealen welche für emotionale
Bewertungen zuständig sind, unterbrochen werden und Areale welche für
kognitive Fähigkeiten verantwortlich sind, stimuliert werden [32].
22
Wann soll nun diese auf den ersten Blick fragwürdig, um nicht zu sagen
kontraproduktiv erscheinende Art der antidepressiven Therapie, angewandt
werden?
In bzw. ab welchem Erkrankungsstadium diese Therapieform indiziert ist, bleibt
in aktuellen Leitlinien ungenau definiert [23]. Sie wird empfohlen zur Ergänzung
medikamentöser und/oder psychotherapeutischer Strategien wenn eine schnelle
Linderung der depressiven Symptomatik gefordert wird. Der Effekt ist oft schon
am Tag nach der durchwachten Nacht spürbar. Leider ist dieser meist nur von
relativ kurzer Wirkdauer. Sie wird in der Literatur zwischen einigen Stunden bis
Tagen angegeben. Äußerst selten wurde von einer kompletten Terminierung der
depressiven
Episode
berichtet.
Essenziell
für
den
Erfolg
einer
Schlafentzugsbehandlung ist, dass während der durchwachten Nacht absolut
keine, auch noch so kurze, Schlafphasen auftreten dürfen. Bei konsequenter
Durchführung sind Responderraten um 60 Prozent nicht ungewöhnlich. Deshalb
empfiehlt sich diese sehr nebenwirkungsarme Therapie vor allem unter klinischen
Bedingungen, in erster Line während einer Akuttherapie. Die Wirkung kann
gesteigert/verlängert werden wenn konventionelle Pharmakotherapie oder
Lichttherapie mit Schlafentzugstherapie kombiniert wird [4], [26].
Phototherapie: Nach heutigem Wissenstand ist die Lichttherapie vor allem bei der
SAD
(seasonal
affective
disorder),
welche
hierzulande
gemeinhin
als
„Winterdepression“ bekannt ist, gut etabliert. Da der Wirkmechanismus aber auch
bei der Therapie chronisch-depressiver Patienten, bei bipolaren Patienten oder
allgemein formuliert, bei nicht-jahreszeitabhängig-affektiven Störungen von
Nutzen sein könnte, erscheint es möglich, dass das Wirkspektrum in Zukunft auf
genannte Diagnosen erweitert wird.
Die Behandlung erfolgt entweder in Lichtkabinen oder mittels Lichtpanelen mit
einer Intensität von 5000 bis 10 000 Lux über einen Zeitraum von 30 bis 120
Minuten. Es ist nicht notwendig mit offenen Augen in das Licht zu blicken. Die
ersten beim Patienten spürbaren positiven Effekte der Therapie sollten nach drei
bis sieben hintereinanderliegenden Therapietagen auftreten. Die Dauer der
23
positiven Wirkungen, welche über Melatonin und dessen Vorläufer, das Serotonin
mediiert werden, ist individuell sehr verschieden und liegt im Bereich von Tagen.
Das Nebenwirkungsspektrum ist überschaubar, unter gewissen Umständen kann
die Konsultation eines Ophthalmologen vor Therapiebeginn ratsam sein [27].
Elektrokrampftherapie (EKT): Diese leider archaisch anmutende Therapieform,
welche durch Filme wie „Einer flog übers Kuckucksnest“ aus dem Jahre 1975
einen drastischen Imageschaden erlitten hat, ist bei schweren depressiven
Episoden, welche als „therapieresistent“ klassifiziert werden (obwohl eine
einheitliche Definition der Therapieresistenz nicht vorliegt), eine wertvolle
Option. Obwohl es vor nicht einmal 20 Jahren in Italien (gerade in dem Land, in
welchem vor bald 80 Jahren die ersten EKTs durchgeführt wurden) noch
Bestrebungen gab, die Behandlungsmethode gesetzlich zu verbieten (!), findet
diese bis auf das Narkoserisiko nebenwirkungsfreie und bei manchen
Indikationen sogar lebensrettende Therapie, langsam wieder ihren Platz in der
modernen Psychiatrie.
Der
Wirkmechanismus
erklärt
sich
über
einen
elektrisch
induzierten
generalisierten Krampfanfall der zu einem, leider nur vorübergehenden, „Reset“
vielfältiger gestörter Neurotransmitter- und Rezeptorsysteme
führt.
Was
allerdings gravierende Änderungen im Vergleich zu den EKTs im Italien der
1940er Jahre erfuhr, sind die Bedingungen unter denen diese Behandlung heute
angewandt wird: Im Operationssaal unter Vollnarkose und Muskelrelaxation und
unter ständigem Monitoring durch Anästhesisten und Psychiater wird mittels
elektrischer Stimulation ein einige Minuten dauernder Krampfanfall induziert.
Meist sind mehrere Behandlungen von Nöten um eine ausreichende Wirkung zu
erzielen. Verschiedene Therapieschemata sind bei der Indikation „schwere
depressive Episode“ im Einsatz. Rückfälle nach der Behandlung sind die Regel,
allerdings sprechen diese auf erneute EKTs gut an. Viele psychiatrische
Fachgesellschaften setzen sich heute dafür ein, die EKT von dem Attribut der
„Ultima-Ratio-Therapie“ zu befreien und bei geeigneten Patientengruppen
frühzeitig mit EKTs zu intervenieren. Leider wird noch immer zu oft, sowohl von
24
Ärzten als auch von Patienten, das Nebenwirkungspotential der Psychopharmaka
unter-, dafür aber das der EKT bei weitem überschätzt [23],[28],[29].
Hirnstimulationsverfahren: Hierunter werden transkranielle Magnetstimulation,
Vagnusnervstimulation, Tiefhirnstimulation sowie Magnetkonvulsionstherapie
verstanden.
Auf diese derzeit in der Praxis unüblichen Therapieverfahren soll hier nicht näher
eingegangen werden, da sie nur für ein sehr geringes Patientenkollektiv an darauf
spezialisierten
Zentren
eine
Option
darstellen
und
eine
umfassende
Studiendatenlage noch nicht vorhanden ist [2]. Trotzdem sind Fortschritte im
Bereich der
antidepressiven Therapie möglich und die
therapeutischen
Möglichkeiten nehmen ständig zu. Positive Studien, welche belegen dass tiefe
Gleichstromstimulation für Patienten große Vorteile bringen kann, sind wichtig
und motivieren Patienten und Ärzte gleichermaßen [30].
Körperliche Betätigung: Laut Leitlinien ist Patienten zu körperlichem Training,
soweit medizinisch vertretbar, zu raten allerdings werden einstige Meinungen
welche Sport als „Antidepressivum“ interpretierten immer mehr in Zweifel
gezogen. Neuere Studien zeigen dass durch moderaten Sport weder der
Antidepressiva-Verbrauch gesenkt werden kann, noch dass sich das subjektive
Befinden schneller bessert im Vergleich zu konventionellen Therapien [31].
2.6.4 Krankheitsverlauf
Man sollte sich stets vergegenwärtigen, dass eine korrekt diagnostizierte
Depression eine meist sehr langwierige und in vielen Fällen chronische Krankheit
darstellt. Zahlreichen Aufklärungskampagnen und Informationsveranstaltungen
seitens der Ärzteschaft und der Psychotherapeuten ist es zu verdanken, dass die
Krankheit mittlerweile einiges von ihrer negativen Konnotation, um nicht zu
sagen Stigmatisierung, verloren hat. Die gesellschaftliche Perzeption psychischer
Leiden ist überdies sehr stark länderabhängig: In den USA zum Beispiel wird die
25
Aussage „Ich muss nun leider die Teerunde verlassen da mich mein Psychiater in
einer halben Stunde zu meiner wöchentlichen Psychotherapie wegen der
Depression erwartet...“ anders aufgenommen werden als in Russland oder
Österreich.
Auch wenn Depressionen im Allgemeinen mittlerweile gut zu therapieren sind,
weisen affektive Erkrankungen eine unerfreulich hohe Rezidivrate auf. Man geht
davon aus, dass lediglich 25% der unipolaren Erkrankungen aus einer singulären
Krankheitsepisode bestehen. Der Rest erleidet mindestens einen Rückfall in eine
depressive Phase, ab dem dritten Rückfall liegt die Wahrscheinlichkeit für einen
vierten oder weitere Rückfälle bei 90% [2]. Die in keiner Weise verharmlosend
gemeinte „Achterbahn der Gefühle“ stellt eine Graphik aus dem Jahre 1992 noch
immer zutreffend dar (siehe Abbildung 4).
Aus diesen Gründen ist es wichtig, im Sinne einer nicht immer ganz voneinander
zu
trennenden
Erhaltungstherapie/Rezidivprophylaxe
die
medikamentöse
Therapie (und manchmal auch die Psychotherapie) über die Remission hinaus
fortzuführen (als Remission wird der Status psychicus vor Beginn der Erkrankung
herangezogen). Die Erhaltungstherapie soll gemäß aktueller Leitlinie, mindestens
über vier bis neun Monate mit derselben Dosis des zuletzt, in der Akutphase der
Depression verwendeten Medikamentes, weitergeführt werden. Erst dann kann
unter Umständen mit einer langsamen, über mehrere Wochen und Monate
angelegten Reduktion des Antidepressivums bis zum völligen Absetzen begonnen
werden. Da Chronifizierungstendenzen ernstzunehmend sind, ist es besonders
ratsam die Erhaltungstherapie anzuwenden wenn Komorbiditäten somatischer
oder psychischer Natur bestehen oder bereits mehrere Erkrankungsphasen
durchgemacht wurden, wenn erbliche Vorbelastung besteht, Unterstützung und
Halt im Familien- und Freundeskreis oder bei der Arbeit fehlt, oder die
Ersterkrankung bereits in jungen Jahren erfolgte [4], [25].
26
Abbildung 4: Diagramm zum Verlauf depressiver Erkrankungen nach Kupfer (1992)
[33]
2.6.5 Neue Therapieverfahren
„Stillstand bedeutet Rückschritt“! Diese vermutlich auf alle Wissenschaftsbereiche
anwendbare Aussage, trifft auch in der Behandlung von Depressionen den Nagel
auf den Kopf. Kaum hat sich ein Medikament in der Praxis etabliert, werden
bereits Forderungen nach einem Nachfolger laut und Förderungen für eine
Weiterentwicklung versucht zu akquirieren. Wenn man einen kurzen Rückblick
auf
die
Entwicklung
der
als
antidepressiv
wirksam
vermarkteten
Psychopharmaka in den vergangenen sechs Jahrzehnten wagt, darf man gespannt
sein welche Neuerungen die Pharmaindustrie in der Zukunft auf den Markt
bringen wird (siehe Abbildung 5).
Unschwer ist zu erkennen, dass sich bisherige Forschungsschwerpunkte sehr stark
auf
die
Monoamine
Wirkungsverstärkung,
(Serotonin,
in
erster
Noradrenalin,
Line
durch
Abbauhemmung oder Wirkmodulation, fokussierten.
27
Dopamin...)
und
deren
Wiederaufnahmehemmung,
Abbildung 5: Entwicklung der Antidepressiva nach Laux (2012) [25]
Obwohl nur ca. die Hälfte der behandelten Patienten, welche mit Therapeutika die
auf diesem Wirkmechanismus basieren, eine vollständige Remission erreichten,
sind Anreize für Pharmafirmen momentan eher spärlich vorhanden, Millionen in
die Entwicklung von Medikamenten mit neuartigen Wirkmechanismen zu
investieren. Mit den vorhandenen Produkten wird viel Geld verdient.
28
Trotzdem existieren heute einige „Forschungsbaustellen“ in diesem insgesamt, im
Vergleich zu anderen Gebieten wie der Hypertensiologie, der Diabetologie etc.,
nur oberflächlich untersuchten Gebiet der Psychopharmakologie. So versucht man
neue Ansatzpunkte z.B. im Bereich von Zytokinen (Interferon, TNF, Interleukine),
Cannabinoid-Rezeptoren,
Neuropeptiden
und
Melatonin-Rezeptoren
zu
entdecken [35].
Ebenso werden Anstrengungen im Bereich der Lipidforschung rund um die
Entstehung von Depressionen unternommen. So wurde in einer Studie von 2013
festgestellt, dass Hemmer der Aktivität der ASM (acid sphingomyelinase) die
Ceramidproduktion
in
Hirnarealen
Neuronenwachstum
bei
symbolisiert
Entdeckung
diese
reduzieren
depressiven
Patienten
einen
vielversprechenden therapeutischen Pfad [36].
29
bisher
können,
bremst.
nicht
was
wiederum
Möglicherweise
beachteten
und
3 SSRI heute: Einsatz und Evidenz
3.1 SSRI
versus
Placebo-tatsächlich
zwei
ebenbürtige
Kontrahenten...?
Abbildung 6: Illustration zur Kontroverse bezüglich des Nutzens von SSRI
von Margaret Shear, Public Library of Science [37]
Warum macht es Sinn, sich mit dieser provokant formulierten Frage näher zu
beschäftigen? Tatsache ist, dass laut einer Studie der OECD aus dem Jahr 2013, in
allen
untersuchten
Ländern
die
Einnahme
von
Antidepressiva
im
Untersuchungszeitraum stark zunahm. Island liegt mit der Zahl der Pro-Kopf
Verschreibungen unangefochten an der Spitze vor Australien, Kanada und
Dänemark. In dem Bericht werden als Gründe für den in der vergangenen Dekade
massiv gestiegenen Verbrauch dieser Medikamente geänderte therapeutische
30
Guidelines
und
ein
erweitertes
Indikationsspektrum
der
Antidepressiva
angeführt. Sogar die Wirtschaftskrise von 2011 wird ins Treffen geführt bei der
Diskussion um die Zunahme der Antidepressiva-Verschreibungen von 2000 bis
2011 [38]. Statistiken aus den USA welche sich auf die Jahre von 2007 bis 2010
beziehen zeigen, dass dort ca. 11% der Bevölkerung über 18 Jahren ein
Antidepressivum verschrieben bekommt [52].
Gewiss, diese Daten repräsentieren alle Antidepressiva zusammen, nicht SSRI
alleine. Dennoch enthüllt diese Untersuchung einen Trend und nachdem SSRI
heutzutage zu den meistverwendeten Antidepressiva zählen, kann man davon
ausgehen, dass sich auch die SSRI-Verschreibungspraxis dahingehend wandelt
früher, höher-dosiert und länger zu verschreiben.
Abbildung 7: Grafik zum Antidepressiva-Verbrauch zwischen 2000 und 2011
nach OECD: Health at a Glance (2013) [38]
31
Im Zeitalter der „evidence-based medicine“ wird der Ruf nach eindeutigen
Ergebnissen, RCT, Placebo-kontrollierten Studien, Signifikanz, harten Fakten und
Zahlen immer lauter. Diese Forderungen sind berechtigt und wichtig wenn man
ernsthaft versuchen will, auf wissenschaftlich-fundierten Grundlagen Medizin zu
betreiben und therapeutische Entscheidungen nachvollziehbar anhand von
Forschungsergebnissen zu gestalten.
Die Debatte um die Wirksamkeit von SSRI im Rahmen der antidepressiven
Therapie wird, je länger sie dauert, immer emotionaler. Sie wurde in den Medien
genauso breit diskutiert wie in wissenschaftlichen Fachkreisen. Weshalb dieses
Thema eine solch große Aufmerksamkeit nach sich zieht, ist auch verständlich: Es
geht um eine breite Masse an Betroffenen (hier wird bewusst nicht das Wort
„Patient“ verwendet) und folglich um sehr viel finanziellen Profit.
Im Rahmen der Recherchen und der Literatursuche wurden Primärstudien und
Metaanalysen gesichtet. Ein Faktum welches wenig überrascht ist, dass es im
Rahmen dieser Arbeit nicht möglich sein kann, die Frage nach der Wirksamkeit
von SSRI in der antidepressiven Therapie auch nur ansatzweise abschließend zu
klären. Es ist das Ziel, rezente Studien zu diesem Thema zu zitieren und einige
divergierende Meinungen von Experten oder Fachgesellschaften zu präsentieren.
3.1.1 A closer look...was wurde wann wie verglichen
Am Anfang der Analyse der Literatur zu diesem Thema steht eine
Differenzierung der Fragestellung. Gemäß einem Zitat von Jean-Claude Riber sind
„Statistiken wie ein spanisches Gasthaus denn jeder findet darin das, was er
sucht“. So können auch Studien, abhängig von der Grundannahme die es zu
bestätigen oder widerlegen gilt, in eine Richtung interpretiert werden oder bereits
passend von Studienautoren designt werden. Dessen sollte man immer gewahr
bleiben und nie eine einzelne Studie und auch keine Metaanalyse als „der
Weisheit letzter Schluss“ ansehen. Manche Experten sehen in Antidepressiva die
„am besten meta-analysierten Medikamenten in der ganzen Medizin“ [39]. Dieses
Statement unterstreicht, wie groß die absolute Anzahl an Studien zu diesem
32
Thema ist. Erst durch das kritische und sorgfältige Lesen vieler unterschiedlicher
Studien ist es vielleicht möglich, Tendenzen zu erkennen und Ergebnisse
dahingehend zu deuten, dass der individuelle Patient daraus auch einen Benefit
erfährt.
Abgesehen von dem Studiendesign, sind die im Bereich der Psychiatrie
angewandten Diagnosewerkzeuge zur Beurteilung des Schweregrades bzw. des
Behandlungserfolges von Depressionen oft Ausgangspunkt für Debatten. Die
gängigsten Methoden hierfür sind die HRSD (Hamilton Rating Scale for
Depression) und die MADRS (Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale).
Weitere Diagnosemethoden existieren zwar, die zwei erwähnten finden sich
jedoch
am
häufigsten
in
den
gesichteten
Studien.
Beides
sind
Fremdbeurteilungsmethoden bei denen Patienten eine unterschiedliche Anzahl an
Fragen gestellt werden und der Psychiater dann mittels einer Punktezahl die
Ausprägung der Symptome beurteilt. Kritikpunkte sind die subjektive Bewertung
durch den Untersucher, die nur momentane Bestandsaufnahme des Status
psychicus welche auch tagesabhängigen Schwankungen unterworfen sein könnte
und die unterschiedliche Anzahl der Fragen je nach Übersetzung und Version bei
der HRSD [2], [4].
In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit der SSRI versucht zu überprüfen. Ein
Name welcher immer wieder in diesem Zusammenhang auftaucht ist Irving
Kirsch. Er verfasste zahlreiche placebokontrollierte Studien, Metaanalysen sowie
Bücher zu diesem Thema und ist ein überzeugter und vehementer Kritiker des
Nutzens von SSRI vor allem bei leichter bis moderater Depression. Die
Grundhaltung dieses prominenten Wortführers in der Debatte kann wohl am
besten mit einem direkten Zitat von ihm aus einem Interview von 2013
zusammengefasst werden:
“Denn bei leichter bis moderater Depression gibt es überhaupt keine Evidenz für
einen klinischen Nutzen, selbst bei schwerer Depression profitieren nur Patienten mit
einem hohem Hamilton-Depression-Score, also mit 27 Punkten oder darüber.“ [40]
33
Im Folgenden wird auf eine Schlüssel-Metaanalyse von ihm näher eingegangen
welche nach ihrer Publikation im Februar 2008 für sehr viel Aufsehen und Furore
in der Fachwelt sorgte. In besagter Metaanalyse wurden insgesamt 35 Studien
miteinander verglichen welche zwischen 1987 und 1999 bei der FDA zu
Zulassungszwecken von 5 SSRI und Venlafaxin (SNRI) eingereicht wurden. Man
analysierte abhängig vom initialen Schweregrad der Depression (evaluiert durch
die HRSD) den Behandlungserfolg bei depressiven Patienten mittels Verum oder
Placebo anhand der Abnahme der HRSD-Punktezahl.
Das bemerkenswerte Ergebnis dieser Untersuchung zeigte dass:

diese neuen Antidepressiva unter den empfohlenen Kriterien für klinische
Wirksamkeit blieben (laut NICE sind eine Differenz der Reduktion der
HRSD um 3 Punkte verglichen mit Placebo erforderlich, im Schnitt
erreichten Antidepressiva nur 1,8 Punkte)

hinsichtlich der Abnahme des HRSD, was als Surrogatparameter für die
„Wirksamkeit“ einer Intervention definiert wurde, quasi kein Unterschied
bei moderater Depression und nur ein kleiner statistischer Unterschied
zugunsten der Medikamente bei schwerer Depression auffiel und selbst
dieser von den Autoren einem verminderten Ansprechverhalten auf die
Placebo-Therapie und nicht einer Effektivität der Antidepressiva attribuiert
wurde

man aus den Ergebnissen der Studie folgern kann, dass es nicht
gerechtfertigt ist milde oder moderate Depressionen mit untersuchten
Medikamenten (den sechs umsatzstärksten Antidepressiva der USA!) zu
therapieren [41]
34
Abbildung 8: Das durchschnittliche standardisierte Ansprechen dargestellt als Funktion
der initialen HRSD und der Behandlungsgruppe (Drug vs. Placebo) nach Kirsch et al.
(2008) [41] (Rote Dreiecke entsprechen einer Reduktion der HRSD auf Medikamente,
Kreise einer Reduktion der HRSD auf Placebo. Die grüne Fläche symbolisiert den Bereich,
in dem die Medikamente den von der NICE definierten Kriterien für klinische Signifikanz
entsprechen (also ≥ 28). Die Größe der Figuren entspricht ihrem prozentuellen Anteil an
der gesamten Studie.)
Die Daten und vor allem die gezogenen Schlüsse aus besagter „Kirsch-Studie“ von
2008, welche genau genommen die Wiederholung einer Untersuchung [43] von
demselben Autor nach identem Muster aus dem Jahr 2002 darstellt, kann man
getrost als Meilenstein in der Debatte um die Wirksamkeit von Antidepressiva,
respektive SSRI, betrachten. Die erneute Analyse der ersten FDA-Zulassungsdaten
von 2002 wurde aus folgendem Grund durchgeführt: Autoren von Repliken auf
diese alarmierende Publikation warfen Kirsch und seinen Kollegen vor, in erster
Linie leicht depressive Patienten untersucht zu haben, von denen man keine allzu
„signifikanten Effekte“ der medikamentösen Therapie erwarten hätte können [44],
[45].
35
Also teilte man sechs Jahre später, bevor man Verum mit Placebo bezüglich
statistisch und klinisch signifikanter Wirksamkeit untersuchte, die Patienten nach
der Schwere ihrer Depression anhand der Punktezahl auf der HRSD ein. Dieser
einstige Kritikpunkt von Zweiflern an Kirschs Theorien führte folglich dazu, dass
in der Metaanalyse von 2008 der Zusammenhang zwischen Ausprägungsgrad der
Depression und Ansprechen auf Medikamente genau beschrieben wurde (siehe
Abbildung 8).
Nun
wurde
diese
Studie,
welche
in
gewisser
Weise
einerseits
ein
neuropsychiatrisches Grundmodell (Serotoninhypothese) in Frage stellt, das seit
über
vierzig
Jahren
die
Depressionsentstehung
prägnant
als
eine
Serotoninverarmung im ZNS deutet und andererseits, den als sicher und effektiv
geltenden zweit-Generations-Antidepressiva (SSRI, SNRI in erster Linie.) ihren
therapeutischen Effekt abspricht, nicht ohne Widerspruch akzeptiert.
Im Gegenteil widersprachen zahlreiche Veröffentlichungen Kirsch et al. vehement.
Unter anderem wurde angeführt, dass die Rekrutierung der Studienteilnehmer,
welche zumeist in den USA stattfand, die Ausgangslage die Schwere der
Depression betreffend beeinflusst haben könnte, da manche Probanden erst durch
die Teilnahme an der Studie kostenlosen Zugang zu einer medizinischen
Behandlung
erhielten,
Sozialversicherungssystem
welcher
ihnen
verwehrt
sonst
geblieben
im
wäre
amerikanischen
(Unterschiedliche
Ausgangssituationen der Patienten, eine Form des Selektionsbias) [46].
Besorgt über die Folgen welche die Veröffentlichung der Metaanalyse von Kirsch
et al. im Jahre 2008 haben könnte, zeigte sich auch der renommierte deutsche
Psychiater Hans-Jörg Möller in einer Veröffentlichung, in welcher er Stellung
bezog und generell die „Vormachtstellung“ der Ergebnisse von Metaanalysen
anzweifelte und Kirsch und seinen Kollegen grundsätzlich jeden Neuwert der
Studie absprach. Auch weist Möller darauf hin, dass die Differenz auf der HRSD
vor und nach Therapie mit Verum bzw. Placebo eine fragwürdige Methode sei,
um die komplexen Wirkungen von Antidepressiva zu beurteilen. Er kritisiert (wie
36
auch Kirsch selbst!) die vom NICE willkürlich definierte Placebo-Verum-Differenz
von drei Punkten als klinische Signifikanzschwelle. Besonderen Wert legt Möller
in seinen Ausführungen auf die Analyse des Ansprechverhaltens der Patienten: Er
leitet aus den Zahlen von Kirsch et al. ab dass eine NNT von nur 5-7 bei den
untersuchten Antidepressiva vorläge, um bei 15-20% der Patienten eine Abnahme
der initialen HRSD-Wertes um die Hälfte zu erzielen. Auch wird von Möller auf
die Tatsache des „publication bias“ hingewiesen (dazu später Genaueres) [47].
Ein rezentes Review von Fountoulakis et al. welches im August 2013, also über
fünf Jahre nach der eingangs vorgestellten Kirsch et al.-Metaanlayse von 2008
publiziert wurde, erhebt den Anspruch der von Kirsch et al. initiierten Debatte um
den Nutzen von Antidepressiva, respektive SSRI, ein Ende zu bereiten. Mithilfe
eines geänderten statistischen Verfahrens werde das individuelle Ansprechen der
Patienten in dieser Form der Metaanalyse verlässlicher dargestellt. So ist nach der
Meinung der Autoren ein Antidepressivum klar wirksamer als ein Placebo.
Ebenso spielt die
Schwere der Depression keine Rolle bezüglich des
Ansprechverhaltens auf ein Antidepressivum [39].
Unabhängig davon ist zu erwähnen, dass Kirsch et al. nur die Substanzen
Fluoxetine,
Venlafaxine
(SNRI!),
Nefazodone,
Paroxetine,
Sertralin
und
Citalopram untersuchten. Nefazodon ist seit 2003 nicht mehr erhältlich wegen
schweren
Leberschädigungen,
dafür
sind
mittlerweile
Escitalopram
und
Fluvoxamin aus der Klasse der SSRI am Markt.
Die aus heutiger Sicht neueste in die Kirsch-Metaanalyse eingeschlossene Studie
stammt aus dem Jahr 1999, ist also mittlerweile sechzehn Jahre alt. Inwiefern diese
Tatsachen Einfluss auf die heutige Anwendbarkeit der Ergebnisse der Arbeit von
Kirsch et al. haben, sei dahingestellt.
Eine weitere Re-Analyse der Daten welche Kirsch et al. verwendeten, kommt 2011
mit wieder anderen statistischen Werkzeugen als Fountoulakis et al. zu einer
ähnlichen Conclusio: Antidepressiva sind in der akuten Depression bei schweren
und moderaten Depressionen wirksam. Für eine Wirksamkeit bei leichten
Depressionen ist der Nachweis nicht erbringbar. Es wird hier zwischen
37
Akuttherapie und Erhaltungstherapie unterschieden. Keine eindeutige Aussage
liefern die Autoren bezüglich des Wirknachweises bei der Erhaltungstherapie,
leiten aber aus den Daten ab, dass ein Nutzen nicht evident ist, vermutlich aber
auch kein Schaden von einer solchen ausgehe [48].
3.1.2 Unblinding oder Placebos mit Nebenwirkungen
Seit langem wird ein Faktor in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt, welcher
RCT, unabhängig davon ob sie nun ein probates Mittel darstellen um die Wirkung
von Antidepressiva zu evaluieren oder nicht, in ihrem Selbstverständnis als
geblindete (der Patient ist sich nicht aktiv bewusst ob er das Verum oder das
Placebo erhält) Versuchsanordnung empfindlich stören können: das Problem der
Nebenwirkungen des Verums.
Vielen Generationen an Medizinstudenten wurde folgende Zeile im Rahmen ihrer
pharmakologischen Ausbildung eingebläut: Keine Wirkung eines Medikamentes
ohne Nebenwirkung! Besagte Tatsache stellt in der vergleichenden Untersuchung
von pharmakologischen Effekten naturgemäß ein Problem dar, weil die
Patientengruppe welche Nebenwirkungen verspürt, tendenziell geneigt ist
(korrekterweise) zu vermuten, das Verum zu erhalten. Diesem Zusammenhang
wird auch in einigen Publikationen Rechnung getragen [49], [50].
Dem Thema „unblinding“ begegnet man heute damit, aktive Placebos bei Studien
zu verwenden die auch Nebenwirkungen hervorrufen können. Nun erfahren also
beide Patientenkollektive Nebenwirkungen aber nur eine Patientengruppe soll auf
die erhoffte und zu überprüfende Hauptwirkung des Medikaments ansprechen.
In einer Metaanalyse von neun Studien aus dem Jahre 2004 mit in Summe 751
inkludierten Patienten, stellte sich heraus, dass die Wirkdifferenz zwischen
aktivem Placebo und Verum gering ist. Eine aus der Studie ableitbare Tatsache
stieß jedoch auf noch größere Resonanz in der Fachwelt: Placebokontrollierte
Studien
mit
herkömmlichen
(inaktiven)
Placebos
(welche
also
keine
Nebenwirkungen simulieren können) verfälschen vermutlich das Ergebnis durch
38
„unblinding“, da die Erwartungshaltung der Teilnehmer möglicherweise
unbewusst beeinflusst wird [51].
Diesen Zusammenhang kennend, sind viel zitierte Studien wie die von Arroll et
al. [53] aus dem Jahre 2005 vermutlich unter anderem Lichte zu sehen: Hier
wurden im Rahmen einer Metaanalyse Daten gesammelt und versucht die
Fragestellung zu beantworten ob TCA oder SSRI verglichen mit Placebo im
extramuralen Bereich im Rahmen der Depressionstherapie effektiver seien. Man
analysierte 10 Studien in denen TCA mit Placebo verglichen wurden, 3 Studien in
denen man SSRI mit Placebo verglich und weitere 2 in denen beide
Medikamentengruppen zugleich mit Placebo verglichen wurden. Die Autoren
folgerten nach der Datenanalyse, dass sowohl TCA als auch SSRI effektiv im
Rahmen der antidepressiven Therapie anwendbar sind. Eine NNT für SSRI wurde
mit 6 angegeben, eine NNH für SSRI mit 21 bis 94, wobei mit „harm“ der
Studienausschluss aufgrund von SSRI-Nebenwirkungen definiert ist.
Abbildung 9: SSRI verglichen mit Placebo bezüglich Besserung der
Depressionssymptomatik nach Arroll et al. (2005) [53]
In einer sehr rezenten Metaanalyse aus dem Jahr 2014, wurde versucht einen
Wirknachweis für ein bestimmtes SSRI, nämlich Paroxetin bei Depressionen und
bei Angst- und Panikstörungen zu erlangen. Es wurden 27 Studien eingeschlossen
mit 3301 Patienten im Paroxetin-Arm und 1885 im Placebo-Arm. Gemessen wurde
39
die Wirkung der Intervention wieder an einer Abnahme der HRSD. Eine
Abnahme um 11 Punkte in der Paroxetin-Gruppe steht einer Abnahme von 8.37
Punkten im Schnitt bei der Placebo-Gruppe gegenüber.
Die Ergebnisse insgesamt decken sich mit ähnlichen Studien zur Wirksamkeit von
Antidepressiva welche im wiederholten Falle auch nur einen kleinen Benefit für
SSRI im Vergleich zu Placebos detektierten [54].
In einer Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2009 hingegen, mit dem Ziel zu
eruieren ob Antidepressiva in der niedergelassenen Versorgung verglichen mit
Placebo bei Depressionen Vorteile bringen, erarbeitete man folgende Schlüsse:
Nach der Analyse von 14 Studien (zehn zu TCA, zwei zu SSRI und zwei zu beiden
Medikamenten) wobei jede einzelne eine randomisiert-kontrollierte Studie mit
einem Patientenkollektiv unter 65 Jahren darstellte (1364 Patienten in der
Interventionsgruppe, 919 in der Placebogruppe), kamen die Autoren zu dem
Schluss, dass beide untersuchten Medikamentengruppen wirksam sind im
Rahmen der antidepressiven Therapie im niedergelassenen Bereich. Die NNT für
SSRI war im Median mit 7 niedriger als die der TCA welche eine NNT von 9 im
Median hatten. Die NNH (Einnahmeabbruch der Medikamente aufgrund von
Nebenwirkungen) der TCA war mit 4-30 niedriger als die der SSRI mit 20-90.
Aus diesen Zahlen zogen die Autoren den Schluss, dass beide Medikamente
wirkungsvoll sind und Nebenwirkungen bei SSRI seltener zu einem Abbruch der
Medikamenteneinnahme führen [55].
Die unterschiedlichen, sich widersprechenden und oft nicht eindeutig zu
interpretierenden Daten aus Einzelstudien, aber vor allem auch die der vielen
Metaanalysen zu diesem Thema, geben dem nach Hilfestellung in der Literatur
suchenden Arzt leider oft mehr Rätsel auf als sie Antworten liefern. Dieses
Dilemma der Datenanalyse wird zu späterem Zeitpunkt noch einmal aufgegriffen.
3.1.3 Publication Bias
Befasst man sich mit klinischen Studien zu einer gewissen Fragestellung–nehmen
wir an, man versucht sich an der ambitionierten Frage ob die Wirkung von SSRI in
40
der antidepressiven Therapie durch Daten aus Studien untermauert werden
kann–stoßt man früher oder später im Zuge der Recherchen, auf den Begriff
„Publication Bias“.
Dieser Terminus bezeichnet die Verzerrung der Datenlage bezüglich einer
wissenschaftlichen Fragestellung durch die Veröffentlichung von in erster Linie
„positiven“ Studienergebnissen dazu. Aufgrund der Tatsache dass Ergebnisse
zugunsten neuer Medikamente oder Methoden innovativ erscheinen und eine
Alternative, ja manchmal sogar einen Lösungsweg für althergebrachte Probleme
verheißen, wurden und werden zum Teil immer noch, Studien mit der
Bestätigung der Überlegenheit der neuen Intervention bevorzugt bei Verlagen
eingereicht und publiziert. Die Adjektive „positiv“ und „negativ“ in dieser
Funktion erachten freilich schon manche Wissenschaftler für ungeeignet.
Auch „negative“ Ergebnisse einer Studie, welche zum Beispiel die Unterlegenheit
eines neuen Medikamentes im Vergleich mit der herkömmlichen Therapie
demonstrieren, können schließlich wertvoll sein und die Modifikation oder
Adaptation von therapeutischen Guidelines beeinflussen oder die Beibehaltung
der bisherigen Therapie stützen [56], [57]. Der auf eine „good clinical practice“
abzielende Gedankengang wird in diesem Sinne von Pharmakonzernen aber nicht
zu hundert Prozent geteilt. Der Grund dafür ist, dass an Profit orientierte
Unternehmen mit bereits am Markt etablierten Standardmedikamenten, für die
vermutlich auch das Patent schon abgelaufen ist, weniger Umsatz und folglich
auch einen geringeren finanziellen Profit erwirtschaften können.
Die Existenz des Publication Bias ist seit beinahe dreißig Jahren im Bereich des
wissenschaftlichen Arbeitens bekannt. Ältere Publikationen dazu datieren aus den
späten 1980er Jahren [58], [59]. In einer bereits zuvor zitierten Arbeit aus dem Jahr
2014 wird erwähnt, dass bis zu 40% der Studien zu Antidepressiva nicht publiziert
werden, was als Konsequenz auch eine Verfälschung der Daten aus Metaanalysen
zu Folge hat (Schubladenphänomen) [54].
Eine Studie aus dem New England Journal of Medicine von 2008, befasst sich
ausschließlich mit dem Thema der selektiven Publikation von Studien zu
Antidepressiva. Die Ergebnisse der Auswertung von Daten der FDA erscheinen
41
mehr als beunruhigend: 74 von FDA registrierte Studien im Zeitraum zwischen
1987 und 2004 zur Wirksamkeit von 12 Antidepressiva wurden gelistet.
Insgesamt handelt es sich dabei um ein Patientenkollektiv von 12 564 Personen.
Die Ergebnisse der Studien wurden von der FDA unterschiedlich beurteilt.
Es ist auffallend, dass von den Studien, welche von der FDA als „positiv“ erachtet
wurden (38 von 74 Studien, also 51% der eingeschlossenen Arbeiten) alle bis auf
eine, also 37 Studien, auch publiziert wurden. Von den übrigen 36 Studien welche
als entweder „negativ“ oder „fraglich“ von der FDA eingestuft wurden, schafften
es erstaunlicherweise nur drei zur Publikation als negative Studien. Von den
übrigen 33 wurden 22 überhaupt nicht publiziert, die restlichen 11 Studien
wurden als positive Studien veröffentlicht, urteilten die Autoren der Metaanalyse.
Auf die Zahl der teilnehmenden Patienten gerechnet bedeutet dies, dass 27%, also
3449 Personen, überhaupt nicht in der öffentlichen wissenschaftlichen Literatur
erwähnt sind (siehe Abbildung 10).
Die Autoren kommen zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die
Veröffentlichung einer Studie, merklich von dem Ausgang derselben abhängt
(positive Studien wurden in dieser Untersuchung bis auf eine immer publiziert,
negative entweder überhaupt nicht oder nur in abgeänderter Form). Gründe für
diese Unterschiede im Publikationsverhalten konnten keine angeführt werden. Es
wird darauf hingewiesen, dass selektives Publizieren die Verschreibungspraxis
von Ärzten beeinflussen kann und dass Patienten in weiterer Folge, ein eventuell
nicht indiziertes Medikament verordnet werden kann [60].
42
Abbildung 10: Publikation von Studien in Abhängigkeit von der Beurteilung des
Studienergebnisses durch die FDA aufgeschlüsselt als Balkendiagramm
nach Turner et al. (2008) [60]
Es geht aus einer weiteren Untersuchung von 2011 hervor, dass das Problem des
selektiven Publizierens nicht auf die medizinische Wissenschaft beschränkt ist.
Man fand heraus, dass die Tendenz zum bevorzugte Publizieren positiver
Resultate nicht kleiner wird, sondern im Gegenteil tendenziell eher steigt: Im
Zeitraum von 1990 bis 2007 wuchs der Anteil an Studien welche eine These
teilweise oder komplett stützten oder bestätigten um 20%. Die Medizinischen
Wissenschaften und die Pharmakologie zählen, verglichen mit anderen
Forschungsgebieten, zu den Bereichen, in welchen ein besonders starker Anstieg
von positiv-Publikationen zu verzeichnen ist.
Erneut wird auch hier auf die Wichtigkeit von negativen Studienergebnissen
hingewiesen
und
betont,
dass
Fehlen
von
„Negativergebnissen“
zur
Überbewertung von Interventionen und zu Verschwendung von Ressourcen, in
43
manchem Fall sogar zur mehrfachen wissenschaftlichen Untersuchung derselben
Fragestellung führen kann [61].
Dass es problematisch sein kann, sich bei der Therapiewahl nur anhand von
Metaanalysen welche sich auf öffentlich zugängliche Studien stützen leiten zu
lassen, wird in einer Arbeit von Melander et al. aus dem Jahre 2003 erwähnt[62].
Schon fast als in die Alternativmedizin abdriftende Pseudoforschung kann man es
deuten, wenn Wissenschaftler in der seriösen Debatte um Publication Bias und
Wirksamkeit von Medikamenten bei Depressionen daran schreiten, Placebos
untereinander nach Wirksamkeit zu reihen versuchen.
So geschehen in einer publizierten Arbeit von Naudet et al. im Jahre 2013. Man
erarbeitete im Rahmen einer Metaanalyse Daten und versuchte die Wirksamkeit
von Placebos als Antidepressivum im Vergleich mit Fluoxetin, Venlafaxin und
Venlafaxin in Kombination mit Fluoxetin gleichzeitig, miteinander in Beziehung
zu setzen. Man fand heraus dass die Antidepressiva wirksamer waren als die
Placebos in Hinblick auf Response und Remission der Patienten. Unter den drei
Placebos gab es wie erwartet keine Wirkunterschiede. Publication Bias wurde
auch hier durch Funnel Plots nachgewiesen. Die Autoren betonen dass die Daten
von Metaanalysen nur so gut sein können wie die der einbezogenen Studien und
dass sowohl mangelnde Studienqualität in einigen Ländern (China wird als
Beispiel genannt) als auch die Abhängigkeit der Forschung im Bereich der
Antidepressiva von der Pharmaindustrie, zu einer groben Verfälschung der
Daten, hin zu einer nicht existenten Überlegenheit der Medikamente führen kann.
Wichtiger als die Kategorisierung der potentiellen Effektivität von einzelnen
Wirkklassen erachten die Autoren die permanente kritische Betrachtung von
Studienergebnissen
sogar–oder
vor
allem–von
Metaanalysen
unter
dem
Deckmantel der EBM [63].
Was also tun, um so gut wie möglich Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei
der wissenschaftlichen Literatur zu schaffen und deren Herkunft, Finanzierung
und Entstehung objektivierbar in den Publikationsprozess miteinzubeziehen?
Welche Ideen offerieren Experten um den Publikationsbias einzudämmen?
44
Mathew und Charney [64] zum Beispiel fordern in einem Kommentar zu den
Studien von Kirsch [41] und Turner [60] unter anderem, dass:

Studienprotokolle welche der FDA zu Zulassungszwecken übergeben
werden, einen Plan bezüglich der Publikationsabsichten enthalten sollen

die
Durchführung
von
klinischen
Studien
welche
seit
2007
auf
www.clinicaltrials.gov in den USA obligatorisch zu registrieren ist, genau
überwacht werden müssen und Zwischenresultate elektronisch abrufbar
sein sollen (Abgesehen davon existiert noch die International Clinical Trials
Registry Platform, das online Studienregister der WHO)

Ergebnisse des Zulassungsverfahrens transparenter zu gestalten sind. Als
Beispiel wird angeführt, Detailergebnisse des Zulassungsverfahrens neuer
Medikamente, z.B. wie viele Studien insgesamt durchgeführt wurden und
in wie vielen eine Überlegenheit des neuen Pharmakons gegenüber Placebo
nachgewiesen werden konnte, genau anzuführen und Ärzten und
Patienten mitzuteilen

neue Wege in der Forschung beschritten werden müssen um Alternativen
zu den bisher verwendeten, quasi nur auf Monoamin-Basis basierenden
Antidepressiva,
zu
entwickeln.
Ein
Augenmerk
soll
auch
auf
Genforschung, Biomarkerforschung und das Neuroimaging gelegt werden
Seit
September
2004
veröffentlichen
Verleger
der
prominentesten
naturwissenschaftlich-medizinischen Journals (NEJM, JAMA, The Lancet, Annals
Of Internal Medicine...) keine nicht zuvor in oben erwähnten nationalen oder
internationalen Registern eingetragenen Studien mehr [65].
45
3.2 Forschung in der Krise oder warum Mäuse vielleicht nicht
immer die Lösung sind...
Die Entwicklung von neuen Medikamenten ist kostspielig. In manchen Sparten
der Pharmakologie gibt es Tiermodelle bei denen Wirkung, Nebenwirkung,
Toxizität etc. von Neuentwicklungen sehr gut auf Menschen übertragen werden
können
(Schweinemodelle
im
Bereich
der
Kardiologie
und
Anästhesie,
Tiermodelle in der Onkologie...). Bei der Entwicklung von Psychopharmaka steht
die Industrie hingegen vor dem Problem, keine verlässlichen und allgemein
akzeptierten tierischen Versuchsanordnungen zu besitzen die Psychosen,
Depressionen, Angstzustände etc. realitätsnah simulieren können, um dann
medikamentös therapiert zu werden.
Momentan greift man häufig auf den forced swim test oder den tail suspension
test zurück. Hierbei setzt man das Versuchstier unter Stress, bzw. versucht man
Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit zu simulieren. Dies erfolgt entweder
indem man es in ein Behältnis mit Wasser verbringt worin es schwimmen bzw.
paddeln muss um nicht zu ertrinken oder man befestigt eine Versuchsmaus mit
Klebeband an ihrem Schwanz und lässt diese kopfüber herabhängen. Das Tier
wird (vergeblich) Anstrengungen unternehmen, sich in eine bekannte, ihm
vertraute Position zu begeben. Nun wird die Zeit von den Beobachtern gemessen,
bis die Schwimmversuche enden und das Ertrinken akzeptiert wird, bzw. bis das
sich in einer ungewohnten Lage befindliche Tier nicht mehr probiert, sich gegen
die ihm aufgezwungene Position zu wehren und nur mehr regungslos herabhängt
[68].
Eine weitere Möglichkeit Symptome einer Depression bei Tieren auszulösen
besteht darin, diese mit anderen Methoden unter chronischen milden Stress zu
setzten, woraufhin Depressionssymptome wie Interessensverlust, verändertes
Schlafverhalten, Lustlosigkeit, verminderte Tagesaktivität und reduzierte Libido
auszulösen sind. In passenden Versuchsanordnungen sind diese Symptome auch
durch Antidepressiva meist reversibel [67].
46
Tatsache ist, dass der forced-swim-test und der tail-suspension-test heute mangels
Alternativen in der Antidepressiva-Entwicklung verwendet werden und etliche
Forscher an dessen Sinnhaftigkeit und Aussagekraft festhalten.
Andere wiederum sind der Meinung, dass aufgrund einer längeren Zeitspanne
des Kämpfens eines Nagetieres um an der Wasseroberfläche zu bleiben, man nicht
ein Antidepressivum als wirksam bezeichnen könne, bzw. Antidepressiva die
diese Zeitspanne nicht verlängern als unwirksam abtun könne. Es besteht die
Möglichkeit, dass Anpassung an die Situation (Habituation) durch bereits zuvor
Erlebtes (der forced-swim-test wird an aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt
zwei mal durchgeführt) ebenfalls die als Surrogatparameter für antidepressive
Effekte herangezogene Zeit bis zur Einstellung der Aktivität beeinflusst. Forscher
haben auch herausgefunden, dass Medikamente welche auf das Serotoninsystem
Einfluss nehmen, in Mäusen und Ratten unterschiedliche Effekte beim forcedswim-test hervorrufen. Ob nun ein SSRI bei einer um ihr Leben strampelnden
Maus oder einer Ratte eingesetzt wird, kann demzufolge entscheidend sein
hinsichtlich weiterer Zulassungsphasen für das in Erprobung befindliche
Medikament [69].
So verwundert es nicht, dass sich immer mehr Pharmaunternehmen angesichts
der
fehlenden
oder
zumindest
fragwürdigen
Testmodelle,
der
hohen
Entwicklungskosten und der langen Entwicklungsdauer sowie der schwer
absehbaren Marktsituation aus dem Bereich der Neuro-/Psychopharmakologie
zurückziehen. Kein großer Stimulus für die Forschung in diesem Bereich ist auch
der Zustand, dass nach den klinischen Testphasen heute nur rund 8% der
Präparate zur Zulassung auf den Markt gelangen [66].
3.3 Psychotherapie anstatt Antidepressiva?
Abhängig von der Ausprägung der Depression kann eine reine Psychotherapie
bzw. ein „watchful waiting“ durchaus indiziert sein. Es sollte sich vor allem in der
präklinischen und hausärztlichen Praxis durchsetzten, dass bei leichten
depressiven Episoden eine Verschreibung von Antidepressiva ab initio nicht
leitlinienkonform ist und vom medizinischen Standpunkt aus auch nicht indiziert
47
ist. Wichtig ist eine weitere Verlaufskontrolle (z.B. Wiederbestellung nach 14
Tagen) um eine Aggravierung der Symptomatik nicht zu übersehen und um unter
Umständen
eine
medikamentöse
(Co-)Therapie
rechtzeitig
einzuleiten.
Verhaltenstherapie, Gruppentherapie oder auch konfliktzentrierte Therapie
können Hilfe zur Selbsthilfe leisten [23].
Dieser Zusammenhang, welcher auch Eingang in die S3-Leitlinie der unipolaren
Depression von 2012 fand, wird in einer Studie von Dekker bestätigt. Hier wurde
in einer Untersuchung von 103 Patienten festgestellt, dass es bei milden und
moderaten depressiven Episoden vorteilhaft sein kann, mit einer Psychotherapie
zu beginnen. Es kann nach einer gewissen Zeit ohne Symptombesserung sinnvoll
sein, den Patienten dann eine kombinierte Psycho-Pharmakotherapie zu offerieren
[70]. Zu dem Schluss, dass es in erster Linie von Bedeutung ist, Patienten mit ihren
Beschwerden ernst zu nehmen und diese in einen Behandlungsplan aufzunehmen,
wie
auch
immer
dieser
gestaltet
sein
möge
(primär
medikamentös,
psychotherapeutisch oder kombiniert), kam auch eine Metaanalyse aus dem Jahre
2012. Es ist nicht von entscheidender Bedeutung für den depressiven Patienten
WAS gemacht wird, als DASS etwas gemacht wird [71]. Es sollte also keine rein
medikamentöse Monotherapie initial erfolgen, leider ist dennoch oft ein
stufenweises Vorgehen (mit Antidepressiva zu Beginn) bei vielen Ärzten die erste
Therapiewahl. Bei mittelgradigen und schweren (vor allem rezidivierenden)
depressiven Episoden hingegen ist auch initial schon ein Antidepressivum im
Behandlungsplan vorgesehen [23].
Es wird sich zeigen, ob sich in den nächsten Jahren auch ein Rückgang der
verordneten SSRI im extramuralen Bereich einstellen wird wie er heute schon bei
verordneten Antibiotika in Österreich zu verzeichnen ist. Hier führte ebenfalls
eine Weiterbildung und Aufklärung von Ärzten zu einem rationaleren Einsatz
dieser wichtigen Medikamentengruppe. [72].
Auf der Hand liegt es allerdings, dass diese Aufrufe zu einem strengeren
Verschreibungsregime bei Antidepressiva nicht ohne eine Aufwertung bzw.
Forcierung der psychosozialen Therapieeinrichtungen im innerklinischen und vor
allem extramuralen Bereich geschehen können. Kapazitäten sind in der Steiermark
48
vorhanden, im Jahr 2012 dokumentierte man eine Versorgungsdichte von 74% bei
psychosozialen Beratungsstellen [73]. Dennoch sind Wartezeiten auf einen Platz
für eine Psychotherapie in der Regel noch immer zu lange, weshalb vermutlich
auch der Griff nach dem Rezeptblock bei manchen Ärzten zu früh erfolgt.
3.4 Das Nebenwirkungspotential von SSRI
SSRI sind unter Annahme einer korrekten Diagnosestellung, bei depressiven
Patienten in der Mehrzahl der Fälle sichere Medikamente. Unwillkürlich kommt
man zu diesem Schluss, betrachtet man alternative Pharmaka mit ähnlichen
Indikationen (TCA, MAO-Inhibitoren...). Dennoch muss ebendiese klar gestellt
sein. Auf keinen Fall sollte man sie als „Lifestylepillen“ missverstehen, welche
man in kurzfristig schwierig erscheinenden Lebenssituationen zu sich nimmt. Der
Siegeszug der SSRI wurde seit den frühen Neunzigern des vergangenen
Jahrtausends unter anderem durch ihre große therapeutische Breite ermöglicht.
Verglichen mit den bis dahin oft verordneten TCA, welche ein sehr ausgeprägtes
Nebenwirkungsprofil aufgrund ihrer Multi-Rezeptoraffinität aufweisen und eine
geringe Toleranzgrenze bei der Dosierung besitzen, ist das Risiko bei SSRI relativ
gering ernsthaft Schaden zu nehmen, sollte man akzidentiell oder in suizidaler
Absicht, eine größere als verordnete Menge an SSRI zu sich nehmen [74].
Im Jahr 2007 publizierten McKenzie und McFarland eine Untersuchung zu
Intoxikationen mit Antidepressiva in den USA zwischen 1983 und 2003. Es wurde
ein deutlicher Anstieg der Intoxikationen insgesamt festgestellt. Betrug die
Häufigkeit 1983 noch 0,61 Fälle pro 10000 Einwohner, stieg sie auf 3,62 pro 10000
Einwohner im Jahr 2003. Die Autoren führen den Anstieg auf das Aufkommen der
SSRI mit ihrer, mit den TCA verglichenen, geringen Toxizität zurück. Das
geringere Gefährdungspotential zeigt sich auch an der stark gesunkenen Letalität
der Intoxikationen, welche im Beobachtungszeitraum von 73 Verstorbenen auf
10000 Vergiftungen auf 32 pro 10 000 Vergiftungen sank [75].
Die gute Verträglichkeit der SSRI spiegelt sich darin wider, dass 75% der Patienten
unter SSRI-Therapie überhaupt keine Nebenwirkungen erfahren die ein Absetzen
49
der Medikation erforderlich machen und die restlichen 25% vorwiegend
gastrointestinale Probleme spüren die nur in den ersten zwei Therapiewochen
präsent
sind.
Diese
Nebenwirkungen
können
sich
als
krampfartige
Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Diarrhoe, Gewichtsverlust aber auch
Gewichtszunahme manifestieren. Es ist deshalb wichtig, die Anfangsdosis nicht
zu hoch zu wählen. Die meisten der beschriebenen Symptome sind durch eine
gesteigerte Magen-Darm-Motilität erklärbar. Im GIT liegt eine hohe Anzahl von
Serotoninrezeptoren
(5-HT3)
vor.
Diese
werden
im
Rahmen
erhöhter
Serotoninkonzentrationen verstärkt stimuliert und wirken auf diese Weise
Peristaltik-steigernd [76].
Eine unerwünschte Wirkung, welche sich im Gegensatz zu den gastrointestinalen
Nebenwirkungen offensichtlich nicht mit zunehmender Behandlungsdauer
abzuschwächen scheint sind sexuelle Störungen. Diese beinhalten Anorgasmie,
reduzierte Libido, verminderte Erektionsfähigkeit und verlängerte Zeit bis zum
Erreichen des Orgasmus. Die Häufigkeiten dieser sehr ernstzunehmenden
Probleme werden mit 30 bis 80% (!) beschrieben [77]. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten den Patienten dabei zu unterstützen, ohne das Medikament
voreilig absetzen zu müssen: eine Dosisreduktion sollte als erstes in Betracht
gezogen werden, die Zugabe eines anderen Medikamentes (die beste Datenlage
besitzt Bupropion), oder ein Medikamentenwechsel innerhalb der Klasse der SSRI
können Abhilfe verschaffen. Auch körperliches Training oder Yoga können
unterstützende Maßnahmen darstellen. Als letzter Weg bei noch immer
persistierenden Beschwerden sollte ein Absetzen des Antidepressivums in
Erwägung gezogen werden [78].
Zentralnervöse Störungen welche Kopfschmerz, Schlafstörungen, Schwindel,
Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Tremor einschließen sind mit einer
Wahrscheinlichkeit
von
ca.
20%
anzunehmen.
Ist
die
Tagesmüdigkeit
vordergründig sollte das Präparat am Abend eingenommen werden, sind
Schlafstörungen das Hauptproblem können Sedativa/Hypnotika als KoMedikation verabreicht werden. Man geht davon aus, dass auch diese Effekte den
50
verschiedenen
Wirkungen
des
Serotonins
bei
zentralnervösen
Prozessen
zuzuschreiben sind [76].
Blutungskomplikationen zählen zu den schwerwiegenderen Nebenwirkungen
welche unter SSRI-Therapie auftreten können. Da der Serotonintransporter in
seiner Funktion gehemmt wird und in weiterer Folge die Serotoninkonzentration
in den Thrombozyten abnimmt, diese aber essentiell ist für deren Funktion in der
Gerinnungskaskade, verdreifacht sich laut Untersuchungen bei SSRI-Einnahme
das Risiko eine Blutung im GIT zu erleiden. Es kann sogar um das 12fache
gesteigert werden wenn zusätzlich zum SSRI noch Cyclooxygenase-Hemmer
(COX-Hemmer) eingenommen werden [24]. In einer großen Übersichtsarbeit wird
darauf hingewiesen, Patienten mit der nicht ungewöhnlichen Kombination von
SSRI und COX-Hemmer oder anderen gerinnungshemmenden Substanzen wie
einer oralen Antikoagulation (OAK), genau auf das Vorliegen von GIT-Blutungen
hin zu beobachten und aufzuklären, im Speziellen wenn bereits eine
Blutungshistorie vorliegt oder es sich um ältere Patienten handelt [79]. Eine
Untersuchung von 5377 Patienten aus dem Jahre 2014 folgerte sogar, dass auch
kurzzeitige Anwendungen von SSRI (ab sieben Tagen bereits) zu einer erhöhten
Inzidenz von oberen GI-Blutungen führen können [81].
Zusammenfassend kann man aus einer Analyse von Serebruany im Jahr 2006
schließen, dass SSRI mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert sind, dass es
sich dabei aber meist um nicht lebensbedrohliche, nicht transfusionsbedürftige
und mit nur geringem Blutverlust einhergehende Ereignisse handelt. Das
perioperativ erhöhte Blutungsrisiko sollten Anästhesisten und Chirurgen
bedenken, weitere gerinnungshemmende Substanzen erhöhen es beträchtlich, ein
genaues Monitoring von Risikopatienten ist elementar [80].
Erwähnung sollte ebenso eine potentiell gefährliche Nebenwirkung von SSRI
erfahren: das SSRI-induzierte Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH).
Es handelt sich um eine Nebenwirkung welche im Schnitt in den ersten zwei
Behandlungswochen und vermehrt bei älteren (über 65 Jahren) Patienten sowie
gehäuft bei Frauen und bei Patienten welche ein Diuretikum einnehmen auftritt.
Fluoxetin scheint öfter als andere SSRI ein SIADH auszulösen.
51
Oft ist das durch ein SIADH-Syndrom (relativ) erniedrigte Serumnatrium durch
ein Absetzten des SSRI und/oder durch Wasserrestriktion gut zu in den Griff zu
bekommen. Bei Patienten mit oben erwähnten Risikokonstellationen erscheint es
indiziert, vor allem zu Behandlungsbeginn mit einem SSRI, regelmäßige
Elektrolytkontrollen durchzuführen [82].
Eine unangenehmer wenn auch nicht lebensbedrohender Effekt von SSRI der
ebenfalls gehäuft bei Fluoxetin aufzutreten scheint, sind eine verschlechterte
extrapyramidal-motorische Symptomatik bei Patienten die an Morbus Parkinson
leiden. Man nimmt an dass ein Ungleichgewicht durch den erhöhten
Serotoninspiegel zwischen Dopamin-Rezeptoren und Serotonin-Rezeptoren die
Ursache dafür ist [76].
Die Ansichten ob SSRI zu einer Erhöhung der Suizid-Ideen und dadurch auch zu
einem Anstieg der Suizidrate führen, wird kontrovers diskutiert. Da SSRI
antriebssteigernd wirken bevor die Stimmungsaufhellung eintritt, können
Patienten in einer Lebenskrise dazu verleiten werden, möglicherweise bereits
bestehende Suizidgedanken in die Tat umzusetzen. Um solchen tragischen
Zwischenfällen vorzubeugen, sollte insbesondere bei Patienten mit bereits
geäußerten Suizidabsichten oder Suizidversuchen in der Vergangenheit, ein SSRI
nur mit einer sedierenden Begleitmedikation oder zunächst überhaupt ein
anderes, nicht aktivierendes Antidepressivum, in der akuten Depression
verschrieben werden [2], [25]. Etliche Hinweise gibt es dahingehend, dass das
Suizidrisiko in erster Linie bei Kindern und Jugendlichen (< 25 Jahre) bei
Depression und SSRI-Therapie erhöht sei. Mit Zunahme des Patientenalters
hingegen ist ein Suizid-protektiver Effekt sogar wahrscheinlich [83], [84]. Weitere
Faktoren
die
das
Therapieversager,
Eintreten
vermehrte
von
Selbsttötungsideen
Hospitalisationen,
begünstigen
sind
Akathisie
und
Persönlichkeitsstörungen. Diese Patientenkollektive befinden sich meist ohnedies,
zumindest am Beginn der Therapie, im eher sicheren und kontrollierbaren Umfeld
einer stationären Behandlung. SSRI-Therapie bei jüngeren Patienten sollte
ausschließlich Spezialisten vorbehalten sein, die Konsultation von Kinder- und
Jugendpsychiatern kann hier erforderlich werden.
52
Einig sind sich die meisten Autoren darin, dass weitere Untersuchungen zu
diesem bedeutenden Zusammenhang wichtig und notwendig sind [83].
Kurz eingegangen soll noch auf das Serotonisyndrom und das SSRIAbsetzsyndrom
werden:
Ersteres
ist
ein
sehr
seltenes
aber
potentiell
lebensbedrohliches Ereignis. Es tritt für gewöhnlich nicht unter Monotherapie
(wenn, dann nur unter massivster Überdosis) auf. Meist sind Kombinationen von
mehreren
serotonerg
wirkenden
Substanzen
erforderlich
um
ein
Serotoninsyndrom auszulösen wie z.b. SSRI in Kombination mit MAOI, SNRI,
TCA, Buspiron, Triptanen, Opioiden oder auch manchen Antibiotika. Die
Therapie erfordert meist intensivmedizinische Maßnahmen, das sofortige
Absetzen der serotonerg wirkenden Medikation ist der wichtigste Schritt.
Manifestationen
Hypertonie,
können
Tachykardie,
Schwitzen,
Rigor,
Erregung,
Koma,
Psychosen,
Delir
oder
Hyperthermie,
sogar
schwere
Herzrhythmusstörungen sein [4], [25].
Das SSRI-Absetzsyndrom ist seit 1997 bekannt und wird heute gemeinhin als
Form eines Entzugssymptoms gedeutet. Die Ausprägungen sind mannigfaltig und
reichen von Mattheitsgefühl über Kopfschmerzen, Gereiztheit, Lethargie und
Schlafstörungen bis zu Schwindel und gastrointestinalen Symptomen. Nicht alle
Patienten bei denen ein SSRI abgesetzt wird leiden später bei Dosisreduktion an
solchen Symptomen. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit abnehmender Dauer des
Ausschleichprozesses. Empfohlen ist deshalb ein langsames „Entwöhnen“ von
SSRI, sowie behutsame Patientenaufklärung über mögliche, meist nur einige Tage
dauernde Befindlichkeitsstörungen nach dem Ende einer SSRI-Langzeittherapie
[76], [85].
53
4 Conclusio
In der vorliegenden Arbeit wurde versucht eine Erkrankung von großer Relevanz
für Betroffene, aber auch für gesamte staatliche Gesundheitssysteme mitsamt der
Therapie durch eine spezielle Medikamentengruppe zu beschreiben.
Es wäre falsch anzunehmen dass hier tief in die unterschiedlichen Problematiken
bei der antidepressiven Therapie vorgedrungen wurde. Das kann auch nicht der
Zweck einer solchen Übersichtsarbeit sein. Hingegen war die Absicht aufzuzeigen
dass Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen, welche auch nach Durchsicht
aktueller Literatur nicht eindeutig beantwortet werden können.
Medizinische Datenbanken offerieren nach Informationen suchenden Medizinern
heute Unmengen an Studien, Fallberichten, Metaanalysen etc. Der Weg um von
einer definierten Fragestellung zu einer in der täglichen Praxis anwendbaren
Antwort zu gelangen, ist mühsam und zeitintensiv. Zusätzlich verkomplizieren
eine mangelnde Ausbildung in diesen für angehende Ärzte heute so wichtigen
Fähigkeiten und ein eingeschränkter Zugriff auf Material in ebendiesen
Datenbanken (teilweise fehlende Lizenzen der Medizinischen Universität Graz)
solch ein Unterfangen. Es wäre wünschenswert, zukünftige Generationen von
Studenten
dahingehend
besser
vorzubereiten
und
auch
die
nötigen
Zugriffsmöglichkeiten auf akademisches Wissen von Seiten der Universität zu
gewähren. In den mehrere Wochen dauernden Recherchearbeiten für diese Arbeit
konnten etliche als wichtig erachtete, teilweise aktuelle, teilweise ältere (vor dem
Jahr 2005 erschienene) Artikel oder Studien nicht eingesehen und daher auch nicht
miteinbezogen werden. Besagte Literatur auf herkömmlichem Wege kommerziell
zu erwerben hätte einige hundert Euro an Kosten verursacht.
SSRI sind sehr häufig verschriebene Medikamente [38]. Es liegt auf der Hand
Belege für nachweisbare Wirkung zu fordern. Da die Summe der Literatur zu
diesem Thema immens ist, sich aber in vielen Punkten widerspricht, ist es allzu oft
nicht möglich eindeutige Ergebnisse auf die Frage der Wirkung bei verschieden
stark ausgeprägten Formen von Depressionen zu geben.
54
Man versucht heute, der kontinuierlich wachsenden Menge an Literatur mittels
Metaanalysen und Meta-Metaanalysen Herr zu werden. Leider sind aber auch
diese in ihrer Aussagekraft oft limitiert: der Einschluss der Studien ist nach
individuellen Parametern definiert, die Vergleichbarkeit der Studien kann
schwierig nachzuweisen sein, ebenso kann die Qualität der Einzelstudien stark
voneinander divergieren. Darum empfehlen manche Fachleute auch Leitlinien
nicht alleine anhand von Metaanalysen zu gestalten [25].
In Zusammenschau der Fakten aus den zahlreichen gesichteten wissenschaftlichen
Artikeln können folgende Schlüsse gezogen werden:

Die auf breiter Front geführte Diskussion zur Wirksamkeit von SSRI bei
unterschiedlichen Schweregraden von depressiven Störungen ist wichtig
und soll mit zukünftigen Langzeitstudien untersucht werden

Die Methoden zur Beurteilung des Erfolges einer antidepressiven Therapie
(HRSD, MADRS) sollen re-evaluiert und eventuell durch geeignetere
Modelle ersetzt werden

Da es sich bei SSRI um Medikamente mit zum Teil schweren bis letalen
Nebenwirkungen handelt, ist eine genaue Erhebung der aktuellen
Verschreibungssituation, vor allem im hausärztlichen Bereich, anzuraten

Bei gegebener Indikation sind SSRI Medikamente mit einem, im Vergleich
zu
älteren
Medikamenten,
(TCA,
MAO-Inhibitoren...)
benignen
Nebenwirkungsspektrum und stellen einen wichtigen Bestandteil des
psychopharmakologischen
Armamentariums
in
der
Therapie
der
Depressionen dar

Die Verschreibung von SSRI bei milder depressiver Störung ist nach
momentanen Erkenntnissen und Leitlinien nicht indiziert. Eine sorgfältige
Nutzen-Risikoabwägung sollte selbst bei moderater Depression immer an
erster Stelle des Therapeuten stehen neben dem stützenden Gespräch, der
Motivation zur Psychotherapie und der genauen Weiterverfolgung des
Therapieverlaufes um Nebenwirkungen frühzeitig begegnen zu können
55

Publikationen zur Wirksamkeit von Medikamenten sind mit Bedacht zu
interpretieren. Das Nicht-Unterscheiden von statistischer und klinischer
Signifikanz, das Negieren des Publication-Bias, die Existenz des PlaceboEffektes, fehlende oder mangelhafte Tiermodelle oder die Einflussnahme
durch Pharmaunternehmen im Zulassungsverfahren können zu einer
erheblichen
Verzerrung
von
Datenlagen
zur
Wirksamkeit
von
Medikamenten führen.

Dem Zitat von Victor Hugo „Die Melancholie ist das Glück traurig zu sein“
werden 800 000 an einer Depression leidende Österreicher nicht viel
abgewinnen
[86].
Es
benötigt
heute
unabhängige
Forschungsanstrengungen, eine offene und ehrliche Diskussion unter
Wissenschaftlern und länderübergreifende prospektive
Studien um
Medikamente und andere Therapieformen gezielt und basierend auf
wissenschaftlichen Grundlagen zum Wohle der Patienten einsetzen zu
können.
56
5 Literaturverzeichnis
[1] Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (2013), ICD10WHO Version 2013 Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) Affektive
Störungen (F30-F39) URL: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/block-f30-f39.htm (Stand: 08.
Dezember. 2014)
[2] H.J. Müller, G.Laux, A. Deister. Duale Reihe-Psychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie. 5. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2013
[3] G. Lenz, B. Küfferle. Klinische Psychiatrie. Grundlagen, Krankheitslehre und
spezifische Therapiestrategien. 3. überarbeitete Auflage. Facultas Verlag Wien, 2008
[4] H.-B. Rotehenhäusler, K.-L. Täschner, Kompendium Praktische Psychiatrie und
Psychotherapie. 2. Auflage. Springer –Verlag Berlin Heidelberg, 2012
[5] Endogene Psychose in de.wikipedia.org, Nosologische Einordnung unterschiedlicher
Formen von Depressionszuständen (nach Kielholz und Huber) URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Endogene_Psychose#mediaviewer/File:Nosologie_(Kielh
olz).jpg (Stand: 09. Jänner 2015)
[6] World Health Organization: The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural
Disorders – Clinical descriptions and diagnostic guidelines. World Health Organization,
S. 100–102 URL: http://www.who.int/classifications/icd/en/bluebook.pdf (Stand: 09.
Jänner 2015)
[7] Psychotherapie-Lehrbuch, Kapitel Depressionen: Sonderformen, URL:
http://psychotherapie-lehrbuch.de/depressionen.html (Stand: 09. Jänner 2015)
[8] Lisa A. Martin, PhD, Harold W. Neighbors, PhD, Derek M. Griffith, PhD. The
Experience of Symptoms of Depression in Men vs Women. Analysis of the National
Comorbidity Survey Replication. JAMA Psychiatry. 2013;70(10):1100-1106
57
[9] Der Standard: Jeder siebente Österreicher ist psychisch krank. Stefanie Ruep.
12.Dezember 2013. URL: http://derstandard.at/1385170906325/Psychische-Erkrankungbleiben-oft-unbehandelt (Stand: 10. Jänner 2015)
[10] Ferrari AJ, Charlson FJ, Norman RE, Patten SB, Freedman G, et al. Burden of
Depressive Disorders by Country, Sex, Age, and Year: Findings from the Global Burden of
Disease Study 2010 (2013) Burden of Depressive Disorders by Country, Sex, Age, and
Year: Findings from the Global Burden of Disease Study 2010. PLoS Med 10(11): e1001547.
doi: 10.1371/journal.pmed.1001547
[11] Statistik Austria: Krankenstandsfälle auf 1.000 Erwerbstätige nach
Krankheitsgruppen seit 2000 URL:
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankenst
andstage/index.html (Stand: 10.Jänner 2015)
[12] Statistik Austria: 3.1.2 Spitalsentlassungen 2012 aus Akutkrankenanstalten nach
Bundesländern des Standortes der Krankenanstalt, Alter und Geschlecht – Österreich
URL:http://www.statistik.at/web_de/dynamic/services/publikationen/4/publdetail?i
d=4&listid=4&detail=495 (Stand: 10. Jänner 2015)
[13] Statistik Austria: 3.5.8 Neuzugänge an Pensionen der geminderten Arbeitsfähigkeit
bzw. der dauernden Erwerbsunfähigkeit 2013 nach Krankheitsgruppen, Geschlecht und
Alter
URL:
http://www.statistik.at/web_de/dynamic/services/publikationen/4/publdetail?id=4&l
istid=4&detail=495 (Stand: 10. Jänner 2015)
[14] Klitzing, K. von, White, L. O, Otto, Y., Fuchs, S., Egger, H. L., & Klein, A. M. (2014):
Depressive comorbidity in preschool anxiety disorder. Journal of Child Psychology and
Psychiatry, and Pllied Disciplines. Published online, doi:10.1111/jcpp.12222
[15] Schildkraut JJ. The catecholamine hypothesis of affective disorders: A review of
supporting evidence. (1965) J Neuropsychiatry Clin Neurosci 7: 524–533.
58
[16] J. Virapen. Nebenwirkung Tod. Neuer Europa Verlag Leipzig GmbH. 3. Auflage,
2008
[17] Lacasse JR, Leo J (2005) Serotonin
and depression: A disconnect between the
advertisements and the scientific literature. PLoS Med 2(12): e392.
[18] The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders.Clinical descriptions
and diagnostic guidelines. World Health Organization
URL:http://www.who.int/classifications/icd/en/bluebook.pdf (Stand: 14.Jänner 2015)
[19] Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie. Die Diagnosen der Depression.
Differenzialdiagnostische Abgrenzung URL: http://www.c-d-k.de/psychotherapieklinik/Stoerungen/depressionen_diagnose.html (Stand: 15. Jänner 2015)
[20] M. Riedel; F. Seemüller; F. Wickelmaier; R. Schennach-Wolff; M. Adli; M. Bauer; K.
Kranmüller; P. Brieger; G. Laux; W. Bender; I. Häuser; J. Zeiler; W. Gaebel; M. Jäger; H.-J.
Möller;V. Henkel. Häufigkeit und klinische Charakteristika von atypisch depressiven
Symptomen bei stationären Patienten mit major depressions. Nervenheilkunde 2009; 28:
193–199
[21] Wikipedia: Depressionen. Unterschiedliche Formen.
URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Depression#cite_note-42 (Stand: 16. Jänner 2015)
[22] Gustavsson A, Svensson M, Jacobi F et al. Cost of disorders oft he brain in Europe
2010. European Neuropsychopharmacol. Oct. 2011; 21(10): 718-779
[23] DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs,
DGRW (Hrsg) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale
VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression-Kurzfassung, 1. Auflage 2009. DGPPN, ÄZQ,
AWMF - Berlin, Düsseldorf 2009. (Gültigkeit bis 31.August 2015)
[24] K.H. Graefe, W. Lutz, H. Bönisch. Duale Reihe Pharmakologie und Toxikologie.
Thieme Verlag Stuttgart, 2011
59
[25] G.Laux, O. Dietmaier. Praktische Psychopharmakotherapie. 6. Auflage.
Urban&Fischer Verlag München, 2012
[26] Henner Giedke, Frank Schwärzler. Therapeutic use of sleep deprivation in
depression. Sleep Medicine Reviews, Vol. 6, No. 5, pp 361±377, 2002
[27] Pail G, Huf W, Pjrek E, Winkler D, Willeit M, Praschak-Rieder N, Kasper S, BrightLight Therapy in the Treatment of Mood Disorders. Neuropsychobiology 2011;64:152-162
[28] Länderübergreifende Stellungnahme zur Elektrokonvulsionstherapie. Erstellt von der
DGPPN, 2012. URL:
http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/stellungnahm
en/2012/stn-2012-06-07-elektrokonvulsionstherapie.pdf (Stand: 17. Jänner 2015)
[29] Offizielles EKT-Konsensuspapier der ÖGPP. Die Elektrokrampftherapie: Theorie und
Praxis Anwendungs-Empfehlungen der EKT
URL:http://www.psychoreanimatology.org/download/docs/Die_Elektrokrampftherapi
e_Theorie_und_Praxis.pdf (Stand: 17. Jänner 2015)
[30] Wolkenstein L, Plewnia C.: Amelioration of Cognitive Control in Depression by
Transcranial Direct Current Stimulation. Biol Psychiatry. 2012 Dec 6. doi:pii: S00063223(12)00898-0. 10.1016/j.biopsych.2012.10.010.
[31] Chalder M, Wiles NJ, Campbell J, et al. Facilitated physical activity as a treatment for
depressed adults: randomised controlled trial. BMJ : British Medical Journal
2012;344:e2758. doi:10.1136/bmj.e2758.
[32] Bosch OG, Rihm JS, Scheidegger M, et al. Sleep deprivation increases dorsal nexus
connectivity to the dorsolateral prefrontal cortex in humans. Proceedings of the National
Academy of Sciences of the United States of America 2013;110(48):19597-19602.
doi:10.1073/pnas.1317010110.
60
[33] Kupfer DJ, Frank E, Perel JM, et al. Five-Year Outcome for Maintenance Therapies in
Recurrent Depression. Arch Gen Psychiatry. 1992;49(10):769-773.
doi:10.1001/archpsyc.1992.01820100013002.
[34] Serotonin and Depression: A Disconnect. URL: http://corpuscallosum.blogspot.co.at/2006_05_01_archive.html (Stand 19. Jänner 2015), Illustration:
Margaret Shear, Public Library of Science URL:
http://static.flickr.com/47/149941224_a1ad42bba9.jpg
[35] Olivier Berton, Eric J. Nestler. New approaches to antidepressant drug discovery:
beyond monoamines. Nature Reviews Neuroscience 7, 137-151 (February 2006)
|doi:10.1038/nrn1846
[36] Gulbins E, Palmada M, Reichel M, et al. Acid sphingomyelinase–ceramide system
mediates effects of antidepressant drugs. Nature Medicine 19, 934–938 (2013)
doi:10.1038/nm.3214
[37| Stang A, Hense H-W, Jöckel K-H, Turner EH, Tramèr MR. Is It Always Unethical to
Use a Placebo in a Clinical Trial? PLoS Medicine 2005;2(3):e72.
doi:10.1371/journal.pmed.0020072.
[38] OECD (2013), Health at a Glance 2013: OECD Indicators, OECD Publishing.
http://dx.doi.org/10.1787/health_glance-2013-en
[39] Fountoulakis KN, Veroniki AA, Siamouli M, Möller H-J. No role for initial severity on
the efficacy of antidepressants: results of a multi-meta-analysis. Annals of General
Psychiatry 2013;12:26. doi:10.1186/1744-859X-12-26.
[40] Ärzte Zeitung online: US-Psychologe im Interview, Kontroverse zum Nutzen von
Antidepressiva. Ärzte Zeitung online 13.12. 2013.
URL:http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuropsychiatrische_krankheiten/depressionen/?sid=852012 (Stand: 21. Jänner 2015)
61
[41] Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, et al. (2008) Initial
Severity and Antidepressant Benefits: A Meta-Analysis of Data Submitted to the Food and
Drug Administration. PLoS Med 5(2): e45. doi:10.1371/journal.pmed.0050045
[42] Alexander Eggerth. Waltraud Bednar. Joachim Hagleitner. Versorgung mit
Psychotherapie 2009. Eine Iststand-Erhebung mit einem Sonderkapitel zu
Psychopharmaka. Wien, im Dezember 2010
Im Auftrag der Bundesministeriums für
Gesundheit Verleger: Gesundheit Österreich GmbH, Stubenring 6, 1010 Wien
[43] Kirsch, I., Moore, T.J., Scoboria, A., & Nicholls, S.S. (2002). The emperor´s new drugs:
An analysis of antidepressant medication data submitted to the U.S. Food and Drug
Administration. Prevention and Treatment, 5, 23. doi: 10.1037/1522-3736.5.1.523a
[44] Hollon S. D., DeRubeis R. J., Shelton R. C., & Weiss B. (2002). The emperor’s new
drugs: Effect size and moderation effects. Prevention and Treatment, 5, 28 doi:
10.1037/1522-3736.5.1.528c
[45] Thase M. E. (2002). Antidepressant effects: The suit may be small, but the fabric is
real. Prevention & Treatment, 5, 32 doi: 10.1037/1522-3736.5.1.532c
[46] R. H. McAllister-Williams. Do antidepressants work? A commentary on ‘‘Initial
severity and antidepressant benefits: a meta-analysis of data submitted to the Food and
Drug Administration’’ by Kirsch et al. Evid Based Mental Health 2008;11:66-68
doi:10.1136/ebmh.11.3.66
[47] H. J. Möller. Isn't the efficacy of antidepressants clinically relevant? A critical
comment on the results of the metaanalysis by Kirsch et al. 2008. European archives of
psychiatry and clinical neuroscience;258(8);451-5 ISSN:0940-1334
[48] Vöhringer, P. A., & Ghaemi, S. N. (2011). Solving the Antidepressant Efficacy
Question? Effect Sizes in Major Depressive Disorder. Clinical Therapeutics, 33(12), B49–
B61. doi:10.1016/j.clinthera.2011.11.019
62
[49] Frederic M. Quitkin, Judith G. Rabkin, Jessica Gerald, John M. Davis, and Donald F.
Klein. Validity of Clinical Trials of Antidepressants American Journal of Psychiatry 2000
157:3 , 327-337
[50] Moncrieff, J., & Kirsch, I. (2005). Efficacy of antidepressants in adults. BMJ : British
Medical Journal, 331(7509), 155–157.
[51] Moncrieff J, Wessely S, Hardy R. Active placebos versus antidepressants for
depression. Cochrane Database of Systematic Reviews 2004, Issue 1. Art. No.: CD003012.
DOI: 10.1002/14651858.CD003012.pub2.
[52] Use of prescription antidepressants in the past 30 days among adults aged 18 and
over, by sex and age: United States, 1988–1994 through 2007-2010. CDC/NCHS, National
Health and Nutrition Examination Survey. Chartbook: Special Feature on Prescription
Drugs Health, United States, 2013 URL:
http://www.cdc.gov/nchs/data/hus/2013/fig25.pdf Stand: 23. Jänner 2015
[53] Arroll B, Macgillivray S, Ogston S, et al. Efficacy and Tolerability of Tricyclic
Antidepressants and SSRIs Compared With Placebo for Treatment of Depression in
Primary Care: A Meta-Analysis. Annals of Family Medicine 2005;3(5):449-456.
doi:10.1370/afm.349.
[54] Sugarman MA, Loree AM, Baltes BB, Grekin ER, Kirsch I (2014) The Efficacy of
Paroxetine and Placebo in Treating Anxiety and Depression: A Meta-Analysis of Change
on the Hamilton Rating Scales. PLoS ONE 9(8): e106337. doi:10.1371/journal.pone.0106337
[55] Arroll B, Elley CR, Fishman T, Goodyear-Smith FA, Kenealy T, Blashki G, Kerse N,
MacGillivray S. Antidepressants versus placebo for depression in primary care. Cochrane
Database of Systematic Reviews 2009, Issue 3. Art. No.: CD007954. DOI:
10.1002/14651858.CD007954.
[56] M. Benesch, E. Raab-Steiner. Klinische Studien lesen und verstehen. Erste Auflage,
Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien Österreich, 2013
63
[57] Ioannidis JPA. Why Most Published Research Findings Are False. PLoS Medicine
2005;2(8):e124. doi:10.1371/journal.pmed.0020124.
[58] Dickersin K, Chan S, Chalmers TC, Sacks HS, Smith H. Publication bias and clinical
trials. Control Clin Trials 1987;8: 343-53
[59] Simes RJ. Publication bias: the case for an international registry for clinical trials. J
Clin Oncol 1986;4: 1529-41
[60] Erick H. Turner, M.D., Annette M. Matthews, M.D., Eftihia Linardatos, B.S., Robert A.
Tell, L.C.S.W., and Robert Rosenthal, Ph.D. Selective Publication of Antidepressant Trials
and Its Influence on Apparent Efficacy N Engl J Med 2008; 358:252-260January 17,
2008DOI: 10.1056/NEJMsa065779
[61] Fanelli D. Negative results are disappearing from most disciplines and countries.
Scientometrics March 2012, Volume 90, Issue 3, pp 891-904
[62] Melander H, Ahlqvist-Rastad J, Meijer G, Beermann B. Evidence b(i)ased medicine—
selective reporting from studies sponsored by pharmaceutical industry: review of studies
in new drug applications. BMJ : British Medical Journal 2003;326(7400):1171.
[63] Naudet F, Millet B, Charlier P, Reymann JM, Maria AS, Falissard B. Which placebo to
cure depression? A thought-provoking network meta-analysis. BMC Medicine
2013;11:230. doi:10.1186/1741-7015-11-230
[64] Publication Bias and the Efficacy of Antidepressants Sanjay J. Mathew, M.D. and
Dennis S. Charney, M.D. American Journal of Psychiatry 2009 166:2 , 140-145
[65] The Wahington Post online: Medical journal editors take hard line on drug research.
Washington Post online 10.09.2004
URL: http://www.smh.com.au/articles/2004/09/09/1094530773888.html (Stand: 25.
Jänner 2015)
64
[66] Ärzte Woche: Hürden in der Forschung-gehen den Psychiatern bald die Pillen aus?
Ausgabe Nr.06, Donnerstag 06.Februar 2014, 28.Jahrgang. Springer Verlag Wien, ISSN
1862-7137
[67] Barbara Vollmayr, Fritz A Henn, Stress models of depression, Clinical Neuroscience
Research, Volume 3, Issues 4–5, December 2003, Pages 245-251, ISSN 1566-2772
[68] Castagné V, Moser P, Porsolt RD. Behavioral Assessment of Antidepressant Activity
in Rodents. In: Buccafusco JJ, editor. Methods of Behavior Analysis in Neuroscience. 2nd
edition. Boca Raton (FL): CRC Press; 2009. Chapter 6. Available from:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK5222/ (Stand 30.012015)
[69] Franco Borsini, Role of the serotonergic system in the forced swimming test,
Neuroscience & Biobehavioral Reviews, Volume 19, Issue 3, Autumn 1995, Pages 377-395,
ISSN 0149-7634
[70] Jack Dekker: What Is the Best Sequential Treatment Strategy in the Treatment of
Depression? Adding Pharmacotherapy to Psychotherapy or Vice Versa? Psychother
Psychosom 2013;82:89–98, DOI: 10.1159/000341177
[71] Khan A, Faucett J, Lichtenberg P, Kirsch I, Brown WA (2012) A Systematic Review of
Comparative Efficacy of Treatments and Controls for Depression. PLoS ONE 7(7): e41778.
doi:10.1371/journal.pone.0041778
[72] der Standard: Verwendung von Antibiotika eher rückläufig. 15. November 2013 URL:
http://derstandard.at/1381372186895/Verwendung-von-Antibiotika-eher-ruecklaeufig
(Stand: 25.01.2015)
[73] Psychiatriebericht Steiermark 2012. DrDr. Susanna Krainz. Gesundheitsplatform
Steiermark, 2013
[74] K. Aktories, U. Förstermann, F. Hofmann, K. Starke. Allgemeine und spezielle
Pharmakologie und Toxikologie. 11. Auflage. Elsevier GmbH, München; 2013
65
[75] McKenzie, M. S. and McFarland, B. H. (2007), Trends in antidepressant overdoses.
Pharmacoepidem. Drug Safe., 16: 513–523. doi: 10.1002/pds.1355
[76] P. Riederer, G. Laux, W. Pöldinger (Hrsg.). Neuro-Psychopharmaka Ein TherapieHandbuch, Bd. 3. 2. neu bearbeitete Auflage, Springer Verlag, Wien; 2002
[77] Treatment-Emergent Sexual Dysfunction Related to Antidepressants: A MetaAnalysis. Serretti, Alessandro MD, PhD; Chiesa, Alberto MD
Journal of Clinical Psychopharmacology. 29(3):259-266, June 2009.
[78] Kennedy SH. Psychopharmacology for the Clinician. Journal of Psychiatry &
Neuroscience : JPN 2013;38(5):E27-E28. doi:10.1503/jpn.130076.
[79] Yuhong Yuan, Keith Tsoi, Richard H. Hunt, Selective Serotonin Reuptake Inhibitors
and Risk of Upper GI Bleeding: Confusion or Confounding?, The American Journal of
Medicine, Volume 119, Issue 9, September 2006, Pages 719-727.
[80] Victor L. Serebruany, Selective Serotonin Reuptake Inhibitors and Increased Bleeding
Risk: Are We Missing Something?, The American Journal of Medicine, Volume 119, Issue
2, February 2006, Pages 113-116, ISSN 0002-9343
[81] Short-Term Use of Serotonin Reuptake Inhibitors and Risk of Upper Gastrointestinal
Bleeding Yen-Po Wang, Yung-Tai Chen, Chia-Fen Tsai, Szu-Yuan Li, Jiing-Chyuan Luo,
Shuu- Jiun Wang, Chao-Hsiun Tang, Chia-Jen Liu, Han-Chieh Lin, Fa-Yauh Lee, FullYoung Chang, and Ching-Liang Lu
American Journal of Psychiatry 2014 171:1 , 54-61
[82] Liu, B. A., Mittmann, N., Knowles, S. R., & Shear, N. H. (1996). Hyponatremia and the
syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone associated with the use of
selective serotonin reuptake inhibitors: a review of spontaneous reports. CMAJ: Canadian
Medical Association Journal, 155(5), 519–527.
[83] F. Seemüller, M. Riedel, M. Obermeier, M. Bauer, M. Adli, C. Mundt, F. Holsboer, P.
Brieger, G. Laux, W. Bender, I. Heuser, J. Zeiler, W. Gaebel, M. Jäger, V. Henkel, H.-J.
66
Möller, The controversial link between antidepressants and suicidality risks in adults:
data from a naturalistic study on a large sample of in-patients with a major depressive
episode. International Journal of Neuropsychopharmacology Mar 2009,12(2)181-189;DOI:
10.1017/S1461145708009139
[84] J.-M. Fegert, B. Herpertz-Dahlmann, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer im Kindesund Jugendalter – Warnhinweise der Behörden, Analyseergebnisse und Empfehlungen.
Nervenarzt 2005; 76:1330-1339
[85] Renoir T. Selective Serotonin Reuptake Inhibitor Antidepressant Treatment
Discontinuation Syndrome: A Review of the Clinical Evidence and the Possible
Mechanisms Involved. Frontiers in Pharmacology 2013;4:45.
doi:10.3389/fphar.2013.00045.
[86] orf science: Volkskrankheit Depression URL:
http://sciencev1.orf.at/science/news/9703 (Stand: 30. Jänner 2015)
67
Herunterladen