Diplomarbeit The drugs don’t work...?! SSRI-eine kritische Betrachtung der Medikamentengruppe in Hinblick auf Indikation und Nutzen in der antidepressiven Therapie eingereicht von Wilfried Waidacher zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler Graz am 23. Februar 2015 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 23. Februar 2015 Wilfried Waidacher eh. Gleichheitsgrundsatz: Zur Erleichterung der Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sollen sich hierunter männliche wie weibliche Individuen gleichermaßen angesprochen fühlen. i Zusammenfassung Wir stehen heute einer zunehmend großen Gruppe von Patienten gegenüber, die an verschiedenen Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis leidet. Laut der Global Burden of Disease Studie von 2010, sind Depressionen verschiedenen Typs für 8,2% der YLD’s (years lived with disability) weltweit verantwortlich. Sogar die WHO empfiehlt eine globale Strategie gegen das weltumspannende Problem der Depressionen. Alleine in Österreich können heute über 10% der Bevölkerung als depressiv erachtet werden, mit einer Zunahme der Anzahl an Patienten ist zu rechnen. In der gesamten Europäischen Union haben Depressionen im Jahr 2010 Kosten von 113 Milliarden Euro verursacht. Mit diesen Zahlen und Fakten vor Augen, ist man als ein im Gesundheitsberuf tätiger Mensch gezwungen die Bedeutung der Depression als globales Gesundheitsproblem wahrzunehmen und anzuerkennen. In vielen Fällen besteht das „first line treatment“ Wiederaufnahmehemmern. Die heute aus eindeutig SSRI, meisten selektiven SSRI Serotonin- werden in der extramuralen Primärversorgung (also nicht von Fachärzten für Psychiatrie) verschrieben. Obwohl in vielen Bereichen der medikamentösen antidepressiven Therapie ein Mangel an Evidenz bezüglich der Wirksamkeit herrscht, werden SSRI einerseits in manchen Fällen von Patienten selbst verlangt, aber auch von Ärzten die unter Zeitdruck und dem allgegenwärtigen Mangel an psychotherapeutischen Grundversorgungskapazitäten leiden, oft zu leichtfertig verschrieben und als „Lifestyle-Pillen“ missbraucht. Das Ziel dieser Diplomarbeit soll unter anderem sein, Probleme aufzuzeigen welche einem Mediziner begegnen können wenn er nach Informationen für die tägliche Praxis in Bezug auf die Wirksamkeit von SSRI in der antidepressiven Therapie sucht. Die Bandbreite der erwähnten Themen reicht von der allgemeinen Terminologie über die Ätiologie und diagnostischen Kriterien sowie die mannigfaltigen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieoptionen, ii mit Focus auf SSRI im ersten Teil der Arbeit. Im zweiten Teil werden vergleichende Studien zur Wirksamkeit der SSRI mit Placebo dargestellt. Es wird auf Publikationsbias und die Rolle von Tiermodellen in der Psychopharmakologie eingegangen. Ebenso soll versucht werden Gründe dafür anzuführen warum sich heute mehr und mehr Pharmafirmen aus dem einst lukrativen Bereich der Psychopharmakologie zurückziehen und Forschungsgelder und Anstrengungen in andere Bereiche investieren. Abschließen wird die Rolle der Psychotherapie und häufige Nebenwirkungen der SSRI erläutert. iii Abstract Today we are facing a steady growing number of patients suffering from different types of depressive disorders. They account, according to the Global Burden of Disease Trial 2010, for 8,2% of YLD’s (years lived with disability) worldwide. The WHO suggests a global health strategy against depression. Regarding Austria, approximately 10% of the population is currently suffering from depression, numbers rising. Costs resulting in the European Union in the year 2010 from depressive disorders range around 113 billion euro. Regarding these facts and numbers, one must acknowledge the importance of this global health issue. Number-one pharmacological treatment in many cases nowadays are SSRI, Selective Serotonin Reuptake Inhibitors. Primary care physicians or general practitioners prescribe the vast majority of SSRI. It is not uncommon that, although in many fields of pharmacological treatment of depressive disorders a lack of evidence is ubiquitous, SSRI are asked after by patients and misused by physicians as a “lifestyle drug“ far too often. Demanding patients, a shortage of psychotherapists, overworked doctors and apparently “safe and benign” drugs, such as SSRI result in this dangerous situation. It is the aim of this thesis to point out the problems doctors are facing when trying to look up “hard facts” about the efficacy of SSRI in the treatment of depressive disorders. Subjects to be discussed in this paper range from the terminology and etiology of depression to diagnostics and the various pharmacological and nonpharmacological treatment modalities with focus on SSRI in the first part. In the second part numerous studies regarding efficacy in comparison with placebo will be cited. Special attention will be paid to terms like “publication bias” and the role of animal models in psychopharmacological research. An attempt to answer the question, why more and more pharmaceutical companies are today giving up research efforts in the psychopharmacological field, will also be made. The role of iv psychotherapy and the most common side effects of SSRI shall be mentioned at the end of the second part. v Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ........................................................................................................... ii Abstract ...............................................................................................................................iv Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................vi Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... viii Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... x Tabellenverzeichnis ....................................................................................................... xii 1 Einleitung .................................................................................................................... 1 2 „Lost inside yourself“- Depressionszustände...................................................... 2 3 2.1 Terminlogie (ICD-10, DSM-V) ................................................................................... 2 2.2 Depression heute: einige epidemiologische Zahlen und Fakten ........................ 6 2.3 Krankheitsentstehung................................................................................................ 10 2.4 Diagnostische Kriterien und wichtige Differenzialdiagnosen .......................... 13 2.5 Typen der Depression ................................................................................................ 16 2.6 Therapeutische Strategien......................................................................................... 18 2.6.1 Psychotherapeutische Basistherapie ..................................................................... 19 2.6.2 Medikamentöse Therapie ....................................................................................... 20 2.6.3 Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren ........................................ 22 2.6.4 Krankheitsverlauf .................................................................................................... 25 2.6.5 Neue Therapieverfahren......................................................................................... 27 SSRI heute: Einsatz und Evidenz ......................................................................... 30 3.1 SSRI versus Placebo-tatsächlich zwei ebenbürtige Kontrahenten...?............... 30 3.1.1 A closer look...was wurde wann wie verglichen ................................................ 32 3.1.2 Unblinding oder Placebos mit Nebenwirkungen ............................................... 38 3.1.3 Publication Bias........................................................................................................ 40 3.2 Forschung in der Krise oder warum Mäuse vielleicht nicht immer die Lösung sind... 46 3.3 Psychotherapie anstatt Antidepressiva? ................................................................. 47 3.4 Das Nebenwirkungspotential von SSRI ................................................................ 49 vi 4 Conclusio ................................................................................................................... 54 5 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 57 vii Abkürzungsverzeichnis SSRI selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer YLD Years lived with disability NCBI National Center for Biotechnology Information ICD International Classification of Diseases DSM Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders WHO World Health Organisation HIV Human Immunodeficiency Virus L-DOPA L-3,4-Dihydroxyphenylalanin ACTH Adrenocorticotropes Hormon MAO Monoaminooxidase 5-HT 5-Hydroxytryptamin NARI Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer TCA/TZA Trizyklische Antidepressiva NASSA Noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum SNRI Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer NDRI Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahmehemmer MT1/2 Melatoninrezeptor EKT Elektrokrampftherapie SAD Seasonal affective disorder TNF Tumornekrosefaktor ASM Acid Sphingomyelinase OECD Organisation for Economic Co-operation and Development RCT Randomized controlled trial HRSD Hamilton Rating Scale for Depression MADRS Montgomery-Åsberg Depressionsskala NICE National Institute for Health and Care Excellence NNT Number needed to treat NNH Number needed to harm FDA Food and Drug Administration viii NEJM New England Jounal of Medicine JAMA Journal of the American Medical Association GIT Gastrointestinaltrakt SIADH Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion ix Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kielholzschema der Depressionen (nach Kielholz und Huber) [5] Abbildung 2: Häufigkeiten der einzelnen Verlaufsformen affektiver Störungen nach Rothenhäusler, Täschner (2012) [4] Abbildung 3: Illustration zur Monoaminhypothese nach Schildkraut (1965) und Coppen (1967) von Margaret Shear, Public Library of Science [34] Abbildung 4: Diagramm zum Verlauf depressiver Erkrankungen nach Kupfer (1992) [33] Abbildung 5: Entwicklung der Antidepressiva nach Laux (2012) [25] Abbildung 6: Illustration zur Kontroverse bezüglich des Nutzens von SSRI von Margaret Shear, Public Library of Science [37] Abbildung 7: Grafik zum Antidepressiva-Verbrauch zwischen 2000 und 2011 nach OECD: Health at a Glance (2013) [38] Abbildung 8: Das durchschnittliche standardisierte Ansprechen dargestellt als Funktion der initialen HRSD und der Behandlungsgruppe (Drug vs. Placebo) nach Kirsch et al. (2008) [41] Abbildung 9: SSRI verglichen mit Placebo bezüglich Besserung der Depressionssymptomatik nach Arroll et al. (2005) [53] Abbildung 10: Publikation von Studien in Abhängigkeit von der Beurteilung des Studienergebnisses durch die FDA aufgeschlüsselt als Balkendiagramm nach Turner et al. (2008) [60] x xi Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen (modifiziert nach Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4] Tabelle 2: Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen (modifiziert nach Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4] Tabelle 3: Pharmakologische Einteilung von Antidepressiva nach Laux, Dietmaier [25] xii 1 Einleitung Diese Arbeit zielt darauf ab, das heterogene Krankheitsbild der Depressionszustände mit dem Fokus auf unipolar affektive Störungen zu behandeln, sowie Nutzen, Probleme, Erwartungen, Meinungen, Gefahren und Risiken der Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) auszuführen. Zunächst soll versucht werden, die allgemeinen Grundlagen der Krankheit, die (leider noch immer viel zu oft von Medizinern unterschätzte) Häufigkeit der Depression, sowie Differenzialdiagnosen und vor allem die Therapie nach den aktuellen Empfehlungen (Stand: Ende 2014) zusammenzufassen. Ebenso wird ein Ausblick in die Zukunft der antidepressiven Therapie gewagt. Der zweite Teil dieser Arbeit soll sich vorrangig, mit den von vielen als unentbehrlich in der antidepressiven Therapie und von manchen als potentiell lebensgefährlich gebrandmarkten Psychopharmaka, den SSRI, befassen. Die Einschätzungen von Fachleuten stehen sich in diesem Kontext zuweilen diametral gegenüber; dieser Meinungskonflikt soll thematisiert werden. Auch wird auf aktuelle Probleme bei der Entwicklung neuer Psychopharmaka und die Verzerrung von Studienergebnissen durch selektives Publizieren genauer eingegangen. Zu den Informationsquellen welche Eingang in den folgenden Text fanden zählen Artikel aus einschlägigen medizinischen Zeitschriften, sowie Studien welche über das Forschungsportal Pubmed des NCBI bezogen wurden ebenso wie Fachbücher aus dem Kreis der Psychiatrie und Psychotherapie, der Psychopharmakotherapie und der allgemeinen Pharmakologie. Sogar Inhalte von Texten aus Tageszeitungen und Magazinen sind notwendigerweise enthalten. Damit soll die tagesaktuelle Relevanz, des sich durch 1 alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen ziehenden Themas der Depressionen und der antidepressiven Therapie mit SSRI, unterstrichen werden. 2 „Lost inside yourself“- Depressionszustände 2.1 Terminlogie (ICD-10, DSM-V) Der Begriff „Depression“ zählt zu den affektiven Störungen. Diese umfassende Gruppe psychischer Erkrankungen wird im Kapitel fünf der ICD-10-Version von 2013 in sieben Unterkapiteln genauer definiert und bezieht sich auf krankhafte Alterationen der Grundstimmung eines Menschen [1]: Manische Episoden Bipolar affektive Störungen Depressive Episoden Rezidivierende depressive Störungen Anhaltende affektive Störungen Andere affektive Störungen Nicht näher bezeichnete affektive Störungen Als im 19. Jahrhundert der Begriff der Depression erstmals Erwähnung in der Psychiatrie fand, war der Gebrauch desselben viel undifferenzierter als heute. Wurde damals unter Depressionen eine generelle Verflachung der Wahrnehmung von Gefühlen und des Ausdrucks von Emotionen verstanden sowie eine allgemeine Degeneration anderer psychischer Funktionen wie z.B. der Kognition, so findet der ehemalige Überbegriff nun als Unterbegriff in der Einheit der affektiven Störungen Verwendung [2]. Da im Bereich der amerikanischen Psychiatrie hingegen seit jeher ein eigenes nationales Diagnosesystem für psychiatrische Diagnosen verwendet wird, erfolgt die Klassifikation depressiver Störungen dort erwartungsgemäß unterschiedlich. 2 Im Gegensatz zum länderübergreifenden und in Europa dominierenden ICD-10 Klassifikationssystems welches als Grobunterteilung manisch und depressive Zustände verwendet, erfolgt im amerikanischen DSM-V von Mai 2013 die Einteilung primär anhand rein depressiver („unipolar“) oder bipolarer Symptomatik [3]. Genannte Tatsache an sich zeigt bereits dass bei der Nomenklatur und der Definition der Krankheitsbegriffe alles andere als einheitliche und international vergleichbare Standards angelegt wird. Im Laufe der Zeit wurden für psychische Störungen mit den Hauptcharakteristika der gedrückten Grundstimmung sowie der Lust-, Freud- und Antriebslosigkeit viele verschiedene Bezeichnungen geschaffen. Nur um einige zu nennen (ohne auf die genauen zu jener Zeit gebräuchlichen Definitionen derselben einzugehen) seien die Dysthymie, die Melancholie, Gemütskrankheiten, die monopolare (endogene) Depression, die depressive Episode nach ICD-10 sowie die Major Depression nach DSM-V genannt. Erwähnung verdient ebenso das triadische System der Depressionsklassifikation nach Staehelin aus dem Jahre 1955 welches als sogenanntes „Kielholz-Schema“ über mehrere Jahrzehnte in den westlichen psychiatrischen Schulen Anwendung fand (siehe Abbildung 1). Dieses System unterteilte anhand der Ätiopathogenese nach endogenen, psychogenen und somatogenen Depressionen. Oft entschied allein die Zuordnung zu der entsprechenden Gruppe die Therapie. Von dieser kategorisierenden Einteilung nahm man mit der zehnten Revision der ICD-10 im Jahre 1992 endgültig Abschied und implementierte die nun auf objektiven zeitlichen, klinischen und organischen Kriterien beruhende, bereits eingangs vorgestellte Klassifikation, welche 2013 ihre letzte Revision erfuhr. Damit wird der multifaktoriellen Krankheitsentstehung Rechnung getragen [1] [2] [4]. 3 Abbildung 1: Kielholzschema der Depressionen (nach Kielholz und Huber) [5] Da das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf unipolar depressive Störungen gelegt werden soll, erscheint es zielführend, die wichtigsten in der Praxis und in der Literatur verwendeten Diagnosen noch einmal zusammenfassend darzustellen: Die „depressive Episode“ (F32) der ICD-10 welche weiter nach Schweregrad, psychotischen Symptomen und somatischen Symptomen unterteilt werden kann, entspricht der „major depression“ der DSM-V. Laut WHO müssen drei der im ICD-10 Manual festgelegten Symptome (gedrückte Stimmung/Interessensverlust, Freudlosigkeit sowie Antriebslosigkeit) zusammen mit vier von sieben Nebensymptomen über einen definierten Zeitraum nachweisbar sein, um schwere depressive Episoden diagnostizieren zu können. Die „rezidivierend depressiven Störungen“ (F33) der ICD-10 welche nach Schweregrad, psychotischen Symptomen und somatischen Symptomen bei remittierendem Verlauf beschrieben werden, können in ihrer leichten Form der „minor depression“ nach DSM-V gleichgesetzt werden. 4 Weiters kann die Anwendung des Begriffs „minor depression“ auch dadurch gerechtfertigt sein, wenn eine depressive Phase kürzer als zwei Wochen dauert und die diagnostischen Kriterien der leichten depressiven Episode oder der Dysthymie nicht erfüllt werden. Unter dem Kapitel „anhaltende affektive Störungen (F34)“ sticht in Zusammenhang mit dem Fokus dieser Arbeit vor allem die Dysthymie hervor, welche anhand WHO-Definition durch eine sehr langwierige, oft schon in jungen Lebensjahren beginnende dauernd gedrückte Stimmung charakterisiert ist aber meist nicht stark genug ausgeprägt ist um die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung zu erfüllen. Diese Diagnose wird der „dysthymen Störung“ nach DSM gleichgesetzt [4], [6], [7]. 5 2.2 Depression heute: einige epidemiologische Zahlen und Fakten Bevor auf die, in der Tat alarmierenden, Zahlen und Fakten näher eingegangen wird, die mit Nachdruck verdeutlichen wie allgegenwärtig und von welch nicht zu unterschätzender sozioökonomischer und gesundheitspolitischer Relevanz das Thema der unipolaren affektiven Störungen weltweit und in Österreich ist, darf vorangestellt werden dass: 65% aller affektiven Störungen auf unipolar affektive Störungen (also depressive Episoden/depressive Störungen) entfallen hingegen ca. 30% aller affektiven Störungen bipolarer Natur sind ein sehr geringer Part von nur 5% aller Patienten mit der Diagnose einer affektiven Störung auf rein manische Verläufe fällt [2], [4]. rein manische Episoden 5% bipolar affektive Störungen 30% unipolar depressive Störungen 65% Abbildung 2: Häufigkeiten der einzelnen Verlaufsformen affektiver Störungen nach Rothenhäusler, Täschner (2012) [4] 6 Wer sind nun also die Personen unter uns, welche das höchste Risiko haben eine Krankheit aus dem Formenkreis der affektiven Störungen diagnostiziert zu bekommen, bzw. wie groß schätzt man die Wahrscheinlichkeit für den Durchschnittsbürger ein, irgendwann in seinem Leben an einer Depression zu erkranken? Spielen Depressionen wirklich eine so herausragende Rolle für das Versicherungswesen und sind auch Hausärzte gut darin solche zu erkennen? Depression bei Vorschulkindern-kann es denn das geben? Es ist nicht einfach, auf diese bewusst sehr allgemein formulierten Fragen, immer eine eindeutige Antwort zu finden mithilfe der aktuellen psychiatrischepidemiologischen Literatur. Man kann aber davon ausgehen, dass: ...Frauen von Depressionen im Schnitt doppelt so häufig heimgesucht werden wie Männer [3]. Diese Annahme wird allerdings, nur um eine rezente amerikanische Studie zu diesem Thema zu nennen, jüngst immer häufiger angezweifelt. Es können sich Symptome einer Depression bei Männern anders manifestieren (Wutausbrüche, Abhängigkeitsverhalten, erhöhte Bereitschaft Risiken einzugehen, übermäßige sportliche Aktivität...) als durch die bisher beachteten „klassischen“ Depressionssymptome. Wenn nun diese, bisher nicht mit einer Depression bei Männern in Zusammenhang gebrachten Verhaltensweisen bei scheinen geschlechtsspezifischen die Krankheitshäufigkeit der Diagnosestellung nahezu berücksichtigt Unterschiede verschwunden. Stichwort: werden, in der „male depression“[8]. ...in Deutschland (vermutlich auf Österreich übertragbar) das Risiko einer Frau, mindestens einmal im Leben an einer depressiven Störung oder an 7 Dysthymie zu erkranken, bei ca. 20 % und das eines Mannes bei ca. 10 % liegt [2]. ...man an Dysthymie, sowie an bipolaren affektiven Störungen eher als unter dreißig-Jähriger erkrankt (wobei auch hier das weibliche Geschlecht tendenziell häufiger betroffen zu sein scheint) [2]. ...viele praktische Ärzte in Österreich oft Depressionen (und andere psychische Erkrankungen) nicht rechtzeitig erkennen und diagnostizieren, was für den Patienten und das Gesundheitssystem aber wesentlich wäre. Bei rund 1,2 Millionen psychisch kranker Menschen in Österreich ist die erste medizinische Anlaufstelle nach wie vor der Hausarzt. Begründet wird der fehlende Blick für psychische oder psychosomatische Medizin mit bis dato fehlender Ausbildung der Mediziner in diesen Bereichen [9]. ...major Depressions weltweit in der Global Burden of Disease Studie von 2010 bereits 8.2 % der YLDs (years lived with disability) bedingen, was zurzeit die zweit-bedeutendste Ursache für Behinderung und somit auch Erwerbslosigkeit ist. Es wird auch ein ganz eindeutiger Zusammenhang zwischen Suiziden und Depressionen aufgezeigt. Deshalb wird der Vorschlag unterbreitet, dass Krankheiten des depressiven Formenkreises zu einem prioritären globalen Gesundheitsthema gemacht werden sollen [10]. ...laut einer europäischen Studie, die sich auf das Jahr 2010 bezieht, Kosten aus Depressionen und bipolaren Erkrankungen in der EU entstanden sind, welche in Summe 113 Milliarden (!) Euro betragen [22]. ...in einer Untersuchung aus dem Jahr 2014 tatsächlich mehr als 12% der Vorschulkinder mit einer Angststörung bereits Symptome aufwiesen, welche mit einer Depression einhergehen können [14]. 8 ...laut einer 2014 veröffentlichen Tabelle der Statistik Austria, die Anzahl der Krankenstandstage pro 1000 Erwerbstätige, aufgrund von psychischen Krankheiten in den vergangenen 15 Jahren stetig gestiegen ist. So verdoppelten sich die Krankenstandsfälle durch psychische Leiden beinahe von 17,2 pro 1000 Erwerbstätige im Jahr 2000 auf 27,3 pro 1000 Erwerbstätige im Jahre 2013 [11]. ...in Österreich im Jahr überwiegend unipolare 2012 affektive Störungen Störungen und den größten hierunter Anteil unter Spitalsentlassungsdiagnosen aus dem Diagnosebereich der psychischenund Verhaltensstörungen nach ICD-10 ausmachten. Frauen verließen 2012 eine psychiatrische Krankenanstalt in Österreich in etwa doppelt so oft mit der Diagnose einer affektiven Störung (F30-F39) als Männer [12]. ...mit Abstand der bedeutendste Grund für Neuzugänge an Pensionen der geminderten Arbeitsfähigkeit, bzw. der dauernden Erwerbsunfähigkeit („Invaliditätspension“) im Jahre 2013 psychiatrische Krankheiten waren [13]. ...der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Jahr 2009 insgesamt 10748419 Psychopharmaka-Verschreibungen dokumentierte welche von niedergelassenen Ärzten erfolgten. Davon entfielen 49% auf Antidepressiva. Von diesen wurden 78% (!) von Ärzten für Allgemeinmedizin verschrieben. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert der Allgemeinmediziner bei der Therapie von Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis in der Präklinik [42]. 9 2.3 Krankheitsentstehung Abbildung 3: Illustration zur Monoaminhypothese nach Schildkraut (1965) und Coppen (1967) von Margaret Shear, Public Library of Science [34] Der aktuelle Konsens der Wissenschaftler bzw. der Autoren vieler Studien zu diesem äußerst komplexen Thema ist, dass der Entstehung der Depression keine monokausale Vorstellung zugrunde liegt (eindeutig somato- und pharmakogene Depressionen seien hierbei ausgeschlossen, siehe Tabelle 1 und 2), sondern dass multifaktorielle Prozesse an der Depressiogenese beteiligt sind. Kurz soll nun auf die bisher in der Wissenschaft weitgehend akzeptierten Theorien eingegangen werden. Als erwiesen gelten genetische Prädisposition, ebenso wie gewisse Störungen oder Imbalancen (nicht aber der alleinige Mangel an gewissen Botenstoffen!) im Bereich der Neurotransmission und der Neuroendokrinologie. Weitere anerkannte Größen in der „Depressionsentstehungsgleichung“ sind psychosoziale Stresssituationen oder Belastungen („Traumen der Seele“), chronobiologische Unregelmäßigkeiten, oder gewisse Krankheiten und Medikamente welche depressive Zustände herbeiführen können. Manche Persönlichkeitsstrukturen 10 scheinen außerdem tendenziell eher anfällig für das Entstehen einer Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis zu sein, als andere (Typus melancholicus nach Tellenbach) [2], [4]. Tabelle 1: Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen (modifiziert nach Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4] Mit Depressionen assoziierte Erkrankungen Kardiologie: koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Status post Myokardinfarkt, Status post Bypass-Operation Neurologie/Psychiatrie: Morbus Parkinson, Epilepsie, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Morbus Alzheimer, Status post Schädelhirntrauma, entzündliche neurologische Erkrankungen, maligne Neubildungen des zentralen Nervensystems, multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose, Chorea Huntington Endokrinologie: Hypo- und Hyperthyreose, Thyreoiditis, Morbus Cushing, Morbus Addison, Nebenschilddrüsenerkrankungen Mangelerkrankungen/Stoffwechselerkrankungen: Eisenmangel, perniziöse Anämie, Folsäuremangel, Fruktosemalabsorption, Porphyrie, Hämochromatose Infektionskrankheiten: HIV-Infektion, Lues, Influenza, Tuberkulose, Mononukleose, Hepatitis, Streptokokken-Infektion Neoplasien: Bronchial-Karzinom, Pankreas-Karzinom, Ovarial-Karzinom Sonstige: dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Alkoholismus, Diabetes mellitus... 11 rheumatoide Arthritis, Tabelle 2: Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen (modifiziert nach Rothenhäusler, Täschner sowie Möller, Laux, Deister) [2], [4] Potentiell depressiogene Arzneimittel/Substanzen Antihypertensiva: Betablocker, Clonidin, alpha-Methyldopa, Hydralazin, Reserpin Psychopharmaka: Neuroleptika (v.a. ältere, hochpotente wie z.B. Haloperidol), Barbiturate, Disulfiram, L-DOPA Steroide: ACTH, Glukokortikoide, „Anabolika“ Analgetika/Antirheumatika: Ibuprofen, Opiate, Indometacin, Chloroquin Sonstige: Antibiotika (Tuberkulostatika, anitvirale/antibakterielle/antimykotische Wirkstoffe), H2-Antagonisten (Cimetidin, Ranitidin), Alkohol, Amphetamine, Kokain... Das von Schildkraut im Jahre 1965 erstmals beschriebene Konzept, welches besagt dass ein Defizit an Noradrenalin (Monoaminhypothese) im neuronalen System eine Depression bedinge, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Sehr plastisch und für jedermann nachvollziehbar wird suggeriert, dass der Mangel an ein oder zwei Substanzen im Gehirn (im Jahre 1967 durch Coppen um das Serotonin erweitert), in einer einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehung, eine Krankheit zu Folge hat [15]. Dieses vereinfachende, mittlerweile 60 Jahre alte „Ur-Modell“ der Depressionsentstehung, wird noch heute von Forschern revidiert, modifiziert, aktualisiert aber auch vielfach kritisiert. Pharmafirmen hingegen benutzen es seit jeher mit großem Enthusiasmus, um den Wirkmechanismus ihrer Produkte einleuchtend zu erklären und Absatzzahlen von antidepressiven Produkten, welche in den Neurotransmitterstoffwechsel eingreifen, in die Höhe zu treiben. Eine besonders aufwändige, um nicht zu sagen aggressive Marketingkampagne, für das erste im großen Stil vertriebene SSRI Fluoxetin (Prozac® im angloamerikanischen Sprachraum, Fluctine®/Mutan® im deutschsprachigen) führte der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly&Company Ende der 1980er Jahre durch. Damit sicherte sich dieser Global Player am Psychopharmaka-Markt 12 gegenüber Mitbewerbern einen wesentlichen Startvorteil im Rennen um Verkaufszahlen, in dem zu dieser Zeit aufkeimenden und besonders lukrativen Geschäftsfeld der Antidepressiva [16]. Zahlreiche namhafte Neurowissenschaftler und Depressionsforscher andererseits, erklären die Monoaminhypothese in Hinblick auf den oft zitierten Serotoninmangel für schlichtweg falsch und wissenschaftlich nicht eindeutig belegbar [17]. 2.4 Diagnostische Kriterien und wichtige Differenzialdiagnosen Um in der täglichen Praxis unipolar affektive Störungen verlässlich erkennen zu können, ist es von großer Bedeutung sich mit den diagnostischen Kriterien für besagte Krankheiten auseinanderzusetzen. Erneut treffen wir auf die in der westlichen Welt der Psychiatrie vorhandene Dichotomie zwischen europäischem ICD-10 und amerikanischem DSM-V. Verfolgen doch beide Klassifikationssysteme ähnliche Ziele, sind bei näherem Hinsehen Unterschiede in den Diagnoserichtlinien erkennbar. Da es aber das Thema einer eigenen Diplomarbeit sein kann, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Diagnosekriterien bei depressiven Störungen von ICD-10 und DSM-V zu erarbeiten, beschränkt sich die folgende Darstellung auf eine überblicksmäßige Auflistung der bei uns in Europa gebräuchlichen ICD-10 Diagnosekriterien von unipolar affektiven Störungen. Es sei auf die aktuelle von der WHO publizierte Fassung der ICD-10 Diagnosekriterien von affektiven Störungen (Kapitel V, F30-39) verwiesen, sollten genauere Angaben hierzu gewünscht werden. 13 Zu den vorgegebenen Hauptkriterien laut ICD-10 zählen: depressive Stimmung Interessensverlust/Freudlosigkeit Antriebslosigkeit Zu den Nebenkriterien zählen: Konzentrationsprobleme vermindertes Selbstwertgefühl/Selbstvertrauen Schuldgefühle und Selbstzweifel pessimistische Zukunftsgedanken Gedanken an Selbstmord/Autoaggression Schlafstörungen reduzierter Appetit Ein wichtiges zeitliches Kriterium für leichte, mittlere und schwere depressive Episoden welches es zu erfüllen gilt, ist die Persistenz der Beschwerden über mindestens zwei Wochen. In dem Fall dass die Symptome außergewöhnlich schnell auftreten oder von besonders ausgeprägter Intensität sind, kann die zeitliche Komponente vernachlässigt werden. Die Leitlinien schlagen vor, die Unterteilungen in „milde, mittelgradige/moderate oder schwere depressive Episode“ nur zu verwenden, wenn die Symptomatik bei dem Patient erstmalig auftritt. Alle rezidivierenden Krankheitsepisoden aus diesem Bereich sollen unter dem Begriff „Rezidivierende depressive Störung“ (F33) zusammengefasst werden. 14 Die depressive Episode kann anhand der Anzahl der vorhandenen von der WHO definierten Haupt- und Nebensymptomen in leicht (zwei der Hauptsymptome plus mindestens zwei der Nebensymptome), mittelgradig/moderat (zwei der Hauptsymptome plus mindestens drei der Nebensymptome) und schwer (alle drei Hauptsymptome plus mindestens vier Nebensymptome) eingeteilt werden. Abgesehen von den oben genannten Haupt- und Nebensymptomen, wird ergänzend anhand von somatischen Beschwerden und psychotischen Symptomen klassifiziert. Man darf hier ein weiteres unipolar-depressives Krankheitsbild nicht unerwähnt lassen, nämlich die Dysthymie. Bei dieser werden die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung (F33) in Hinblick auf Dauer oder Schwere der Symptome, nicht vollständig erfüllt [18]. Um den diagnostischen Pfad konsequent beschreiten zu können, gilt es differenzialdiagnostische Möglichkeiten der Depression stets zu bedenken. In Tabelle 2 sind zahlreiche Auslöser substanzinduzierter Depressionen aufgeführt. Eine Medikamentenanamnese und eine sorgfältige Exploration eines eventuell vorliegenden Abhängigkeitsverhaltens Depressionsabklärung ebenso stehen, sollten wie die am Anfang gründliche jeder körperliche Untersuchung. Dazu sollen und müssen Konsile von ärztlichen Kollegen aus anderen Fachbereichen (Innere Medizin, Neurologie, Neuroradiologie, Onkologie...) eingeholt werden. Die Henne-Ei-Problematik kann auch bei der auf den ersten Blick trivial anmutenden Diagnosestellung der Depression auftreten: Ist nun die Depression die Ursache für somatische Beschwerden (somatisierte/larvierte Depression) oder entwickelt der Patient, aufgrund der körperlichen Leiden, eine sogenannte 15 „Begleitdepression“? Viele chronische Erkrankungen können Depressionen auslösen oder deren Entstehung begünstigen (siehe Tabelle 1) [19], [4]. Der dritte wichtige Punkt (neben den von Medikamenten oder somatischen Erkrankungen ausgelösten Depressionen) im Bereich der Differenzialdiagnostik schließt Depressionen im Kontext mit anderen psychiatrischen Erkrankungen ein. Hier gilt es vor allem daran zu denken, dass bei Mb. Parkinson sowie bei der Alzheimer-Demenz Depressionen unterschiedlicher Ausprägung primär anzunehmen sind und eventuell sogar das erste Symptom einer solchen Erkrankung darstellen können. Dies erklärt, warum bei Parkinson-Patienten eine Diagnosestellung „ex juvantibus“ möglich sein kann. Wenn also depressive Symptome im Rahmen der Parkinson-Therapie gelindert werden können, ist die Diagnose der Parkinson-Krankheit offensichtlich. Manchmal verbergen sich unter dem Deckmantel einer depressiven Symptomatik auch schizoaffektive oder schizophrene Psychosen, Angsterkrankungen, Anpassungsstörungen oder ein hypoaktives Delir. Auch auf das Auftreten einer sogenannten „depressiven Pseudodemenz“ welche eine Demenz imitieren kann, ist zu achten [2], [4], [19]. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Symptomatik der depressiven Störungen vielgestaltig sein kann und ein fachübergreifendes Denken sowie ein umfassendes Wissen aus vielen Bereichen der Medizin vom Diagnostiker verlangt. 2.5 Typen der Depression Es wurde in vorhergehenden Abschnitten bereits angeführt, dass international einheitliche diagnostische Kriterien für unipolar depressive Erkrankungen zurzeit nicht existieren. So verwundert es auch nicht, dass man momentan, je nachdem in welchem Lehrbuch oder in welchem wissenschaftlichen Text man nachschlägt, auf unterschiedliche Informationen betreffend Erscheinungsbilder der Depression, stößt. 16 die Subtypen und die Die am häufigsten erwähnten Begriffe in gängigen deutschsprachigen Psychiatrielehrbüchern sollen nun kurz näher beschrieben werden [2],[3],[4],[21]: Melancholische Depression: vereint viele der klassischen Symptome depressiver Störungen wie Freudlosigkeit, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Grübelneigung, Desinteresse, Schlafstörungen, herabgesetzten Appetit, reduzierte Libido, das sogenannte „Gefühl der Gefühllosigkeit“. Gehemmte Depression: hier imponiert vor allem eine Hemmung des Antriebes mit Initiativlosigkeit und psychomotorischer Inaktivität, aber auch eine Denkhemmung ist typisch. Im Extremfall liegt ein depressiver Stupor vor welcher unter Umständen nur durch eine Elektrokonvulsionstherapie durchbrochen werden kann. Agitiert-ängstliche Depression: die Patienten werden getrieben durch innere Unruhe, es fällt ihnen schwer still zu sitzen, sie nesteln, klagen über Angst und Anspannung. Larvierte/somatisierte Depression: die eigentliche Depression „versteckt“ sich hinter einer Maske (lateinisch: larva) aus subjektiv empfundenen aber nicht objektivierbaren körperlichen Symptomen. Klassisch sind unspezifische Kopf-, Brust-, oder Bauchschmerzen sowie Abgeschlagenheit. Symptome der „klassischen melancholischen“ Depression treten hier in den Hintergrund. Psychotische Depression: Unterschiedliche Arten von Wahnideen (Schuld-, Verarmungs-, Versündigungs-, Bestrafungswahn...) charakterisieren diesen Subtyp. Manchmal werden auch akustische Halluzinationen wahrgenommen, meist tadelnde oder anklagende Stimmen. 17 Anankastische Depression: Jede Art von Zwangsgedanken treten hier zusammen mit allgemein depressiven Symptomen auf. Nihilistische Depression: Der Patient empfindet sich als tot, leugnet manchmal sogar seine Existenz. Atypische Depression: Im Vordergrund stehen übertriebene Kränkbarkeit und Sensibilität gegenüber Kritik, gesteigerter Appetit sowie Hypersomnie. Der Terminus „atypisch“ soll allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass diese Depression untypisch selten ist. Eine deutsche Untersuchung aus dem Jahre 2009 zeigt eine Prävalenz von ca. 15% der atypischen Form unter depressiven Patienten [20]. Es existieren auch noch die Altersdepressionen bei Patienten über 60 Jahren, peripartale Depressionen bei werdenden/jungen Müttern und saisonale Depressionen (SAD) welche gehäuft im Herbst/Winter auftreten. 2.6 Therapeutische Strategien So vielfältig sich die Störungen aus dem depressiven Formenkreis manifestieren können und so komplex manchmal die Diagnosefindung sein kann, so unterschiedlich sind auch die therapeutischen Möglichkeiten mit denen man diesen begegnet. Wenn man sich mit einer großen Anzahl an Quellen befasst welche die antidepressive Therapie zum Thema haben, so kristallisiert sich doch dem aufmerksamen Leser eine „Trias der antidepressiven Therapie“ heraus. Diese sieht wie folgt aus: Psychotherapeutische Basistherapie Medikamentöse Therapie Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren 18 2.6.1 Psychotherapeutische Basistherapie Der Stellenwert der Psychotherapie im Rahmen der antidepressiven Therapie hat in den letzten Jahrzenten merklich zugenommen. Dies geschah deshalb, weil immer mehr mit der Behandlung depressiver Patienten betraute Personen akzeptieren, dass sich eine pharmakologische Therapie und eine psychotherapeutische nicht ausschließen, sondern im Gegenteil, ergänzen können und sollen. Analog zur multimodalen Depressiogenese ist hier auch oft ein multimodaler therapeutischer Zugang indiziert [4]. Man muss in den Raum stellen, dass die Psychotherapie nicht unkritisch verordnet werden darf und auch nicht immer das alleinige Mittel der Wahl sein kann. Auch sie kann Nebenwirkungen haben (falsches Verfahren, sehr stark abhängig von den Fähigkeiten des individuellen Therapeuten, eventuell verzögerte Verordnung von Psychopharmaka...) und auch sie ist nicht immer uneingeschränkt indiziert wie zum Beispiel bei schweren depressiven Störungen bei denen die Patienten in ihrer Krankheit ohne medikamentöse oder sogar biologische Primärtherapien „gefangen“ scheinen und erst empfänglich für gesprächstherapeutische Interventionen gemacht werden müssen. Unbestritten sind allerdings auch die Vorteile, die eine konsequente, zielgerichtete Psychotherapie durch einen qualifizierten Therapeuten mit sich bringt. Angefangen bei einem regelmäßigen Monitoring des depressiven Patienten zur Verlaufsbeobachtung, über eine gewisse Einflussnahme auf den Patienten hinsichtlich depressionsbedingter (Fehl)Entscheidungen oder Entschlüsse, sowie die allgemeine Hilfestellung durch empathisches Zuhören und gemeinsames Festlegen von Therapiezielen und dergleichen, ergeben sich ein hervorragendes Nutzen-Risiko-Profil. Auch wirkt sich Psychotherapie positiv auf die Compliance bezüglich der antidepressiven Medikation aus [23]. Es ist anzumerken, dass die Domäne der Psychotherapie im Rahmen der antidepressiven Therapie leichte bis mittelgradige depressive Störungen sind. Schwer depressiven Patienten soll auch eine Psychotherapie zu Teil werden, freilich nur wenn zugleich medikamentös angemessen interveniert wird [3], [23]. 19 2.6.2 Medikamentöse Therapie Die inhomogene Klasse der Antidepressiva ist zu einem nicht mehr wegzudenkenden Pfeiler in der modernen Psychiatrie geworden. Die ersten antidepressiv wirksamen Medikamente wurden–wie oft in der Medizin, man denke nur an das Penicillin, vor über einem halben Jahrhundert–per Zufall entdeckt [2]. So unterschiedlich doch die postulierten Wirkmechanismen der einzelnen Gruppen auf Rezeptorebene sind, ist ihnen allen gemein, dass sie im ZNS ihre Hauptwirkung entfalten. Diese, um erneut auf die Monoaminhypothese zurückzukommen, korreliert mit der Konzentration von Neurotransmittern im synaptischen Spalt [24]. Ansonsten vereinen sie noch die stimmungsaufhellenden (thymoleptischen) und antriebsnormalisierenden Effekte zusammen mit der Tatsache, dass sie die Stimmung beim Gesunden nicht beeinflussen. Eine gewisse Dauer (bis zu drei Wochen) zwischen Ersteinnahme und vom Patienten wahrnehmbarer Wirkung wird allen Antidepressiva zugeschrieben (Latenzzeit)[25]. Es ist nicht das Ziel im Rahmen dieser Arbeit, alle Wirkklassen der heute verwendeten Substanzen in der antidepressiven Therapie genau zu beschreiben und auf ihre Wirkungen, Nebenwirkungen, das Interaktionspotential, Indikationen und Kontraindikationen einzugehen. Hierfür stehen hervorragende Bücher der (Psycho-)Pharmakologie zur Verfügung. Stattdessen soll versucht werden, einen Überblick über momentan in der Therapie unipolarer Störungen verwendete Gruppen von Medikamenten zu geben, um später auf einzelne Charakteristika der SSRI, näher eingehen zu können. Ein gängiges Modell, um sich die verschiedenen Klassen der Antidepressiva vor Augen zu führen, liefert die Einteilung anhand von Selektivität und Wirkmechanismus (siehe Tabelle 3). 20 Tabelle 3: Pharmakologische Einteilung von Antidepressiva nach Laux, Dietmaier [25] monoaktive dual wirksame Substanzen Substanzen MAO- SSRI NARI TZA NaSSA SNRI NDRI Melatonin- Hemmer agonist Serotoninantagonist Tranyl- Citalopram cypromin, Escitalopram Clomipramin Fluoxetin Imipramin Paroxetin Doxepin Moclobemid Reboxetin Amitryptilin Mirtazapin Venlafaxin Bupropion Agomelatonin Duloxetin Fluvoxamin Sertralin Monoamin 5-HT-Wieder NA- NA-und NA-und NA-und NA-und MT1/MT2 oxidase aufnahme Wieder 5-HT- spez. 5-HT- 5-HT- 5-HT- Agonismus, hemmung hemmung aufnahme Wieder Rezeptor Wieder Wieder 5HT2c hemmung aufnahme blockade aufnahme aufnahme Antagonismus hemmung hemmung hemmung In der Tabelle nicht enthaltene Arzneimittel sind Trazodon welches als nichtklassifizierbares Antidepressivum geführt wird sowie Lithiumsalze und Hypericum perforatum („Johanniskraut“). Diese Präparate haben als CoTherapeutika ihren definierten Stellenwert in der antidepressiven Therapie. Nach der gesicherten Diagnosestellung einer depressiven Störung ist die medikamentöse Therapie oft unumgänglich. Vor allem bei mittelschweren bis schweren Depressionen ist ein psychopharmakologisches Vorgehen (idealerweise kombiniert mit einer begleitenden Psychotherapie) unbedingt anzuraten und eine Wirkung durch Studien nachgewiesen. Faktoren welche bei der Auswahl des geeigneten Präparates mitspielen sind u.a. Alter, Verträglichkeit, Nebenwirkungsprofil, Kosten, Erfahrung des Arztes mit dem Medikament, ev. Vortherapie mit Medikamenten und aktuelle Medikamenteneinnahme. Unabhängig davon, welches Therapeutikum auch immer initial angewandt wird, ist laut Empfehlung aktueller Leitlinien eine wöchentliche Wiederbestellung des Patienten in den ersten vier Behandlungswochen zur Wirksamkeits-, Verträglichkeits- und Nebenwirkungskontrolle anzuraten. 21 Sollte sich nach vier Wochen verlässlicher Einnahme des Präparates und bei therapeutischem Serumspiegel des Pharmakons, noch keine subjektive Besserung der Symptomatik eingestellt haben, ist die Strategie zu überdenken hinsichtlich Dosis, Switching (Wechsel des Antidepressivums), Augmentation (Kombination mit einem nicht-Antidepressivum), Kombination (Verordnung eines weiteren Antidepressivums) oder Kombination mit/Wechsel zur Psychotherapie [23]. 2.6.3 Biologische nichtmedikamentöse Therapieverfahren Unter diese Gruppe werden alle therapeutischen Interventionen subsummiert, welche nicht in den beiden zuvor beschriebenen Punkten Erwähnung finden. Dies sind Schlafentzugsbehandlung, Phototherapie, Elektrokrampftherapie (EKT), sowie Hirnstimulationsverfahren [2]. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt auf den Stellenwert körperlicher Betätigung bei depressiven Patienten eingegangen. Schlafentzugsbehandlung: Es existieren zwei anerkannte Arten der Schlafentzugstherapie oder Wachtherapie, nämlich die totale (kein Schlaf während der gesamten Nacht) und die partielle (maximal drei Stunden erholsamer Schlaf pro Nacht). Indikation zur Schlaftherapie ist die depressive Episode. Bisher ist nicht eindeutig erforscht ob die totale oder die partielle Schlafentzugstherapie wirksamer ist, Hinweise deuten auf eine Überlegenheit ersterer hin. Auch der Wirkmechanismus ist noch nicht eindeutig geklärt, Theorien reichen von chronobiologischen Wechselwirkungen, über einen Einfluss auf den zerebralen Serotonin- oder Adenosin-Stoffwechsel, bis hin zu einer psychostimulierenden Wirkung per se [26]. Eine neuere Studie zu diesem Thema, kam zu dem Ergebnis dass für das Weiterbestehen einer Depression wichtige Netzwerke im Gehirn umstrukturiert bzw. die Verbindung zwischen Arealen welche für emotionale Bewertungen zuständig sind, unterbrochen werden und Areale welche für kognitive Fähigkeiten verantwortlich sind, stimuliert werden [32]. 22 Wann soll nun diese auf den ersten Blick fragwürdig, um nicht zu sagen kontraproduktiv erscheinende Art der antidepressiven Therapie, angewandt werden? In bzw. ab welchem Erkrankungsstadium diese Therapieform indiziert ist, bleibt in aktuellen Leitlinien ungenau definiert [23]. Sie wird empfohlen zur Ergänzung medikamentöser und/oder psychotherapeutischer Strategien wenn eine schnelle Linderung der depressiven Symptomatik gefordert wird. Der Effekt ist oft schon am Tag nach der durchwachten Nacht spürbar. Leider ist dieser meist nur von relativ kurzer Wirkdauer. Sie wird in der Literatur zwischen einigen Stunden bis Tagen angegeben. Äußerst selten wurde von einer kompletten Terminierung der depressiven Episode berichtet. Essenziell für den Erfolg einer Schlafentzugsbehandlung ist, dass während der durchwachten Nacht absolut keine, auch noch so kurze, Schlafphasen auftreten dürfen. Bei konsequenter Durchführung sind Responderraten um 60 Prozent nicht ungewöhnlich. Deshalb empfiehlt sich diese sehr nebenwirkungsarme Therapie vor allem unter klinischen Bedingungen, in erster Line während einer Akuttherapie. Die Wirkung kann gesteigert/verlängert werden wenn konventionelle Pharmakotherapie oder Lichttherapie mit Schlafentzugstherapie kombiniert wird [4], [26]. Phototherapie: Nach heutigem Wissenstand ist die Lichttherapie vor allem bei der SAD (seasonal affective disorder), welche hierzulande gemeinhin als „Winterdepression“ bekannt ist, gut etabliert. Da der Wirkmechanismus aber auch bei der Therapie chronisch-depressiver Patienten, bei bipolaren Patienten oder allgemein formuliert, bei nicht-jahreszeitabhängig-affektiven Störungen von Nutzen sein könnte, erscheint es möglich, dass das Wirkspektrum in Zukunft auf genannte Diagnosen erweitert wird. Die Behandlung erfolgt entweder in Lichtkabinen oder mittels Lichtpanelen mit einer Intensität von 5000 bis 10 000 Lux über einen Zeitraum von 30 bis 120 Minuten. Es ist nicht notwendig mit offenen Augen in das Licht zu blicken. Die ersten beim Patienten spürbaren positiven Effekte der Therapie sollten nach drei bis sieben hintereinanderliegenden Therapietagen auftreten. Die Dauer der 23 positiven Wirkungen, welche über Melatonin und dessen Vorläufer, das Serotonin mediiert werden, ist individuell sehr verschieden und liegt im Bereich von Tagen. Das Nebenwirkungsspektrum ist überschaubar, unter gewissen Umständen kann die Konsultation eines Ophthalmologen vor Therapiebeginn ratsam sein [27]. Elektrokrampftherapie (EKT): Diese leider archaisch anmutende Therapieform, welche durch Filme wie „Einer flog übers Kuckucksnest“ aus dem Jahre 1975 einen drastischen Imageschaden erlitten hat, ist bei schweren depressiven Episoden, welche als „therapieresistent“ klassifiziert werden (obwohl eine einheitliche Definition der Therapieresistenz nicht vorliegt), eine wertvolle Option. Obwohl es vor nicht einmal 20 Jahren in Italien (gerade in dem Land, in welchem vor bald 80 Jahren die ersten EKTs durchgeführt wurden) noch Bestrebungen gab, die Behandlungsmethode gesetzlich zu verbieten (!), findet diese bis auf das Narkoserisiko nebenwirkungsfreie und bei manchen Indikationen sogar lebensrettende Therapie, langsam wieder ihren Platz in der modernen Psychiatrie. Der Wirkmechanismus erklärt sich über einen elektrisch induzierten generalisierten Krampfanfall der zu einem, leider nur vorübergehenden, „Reset“ vielfältiger gestörter Neurotransmitter- und Rezeptorsysteme führt. Was allerdings gravierende Änderungen im Vergleich zu den EKTs im Italien der 1940er Jahre erfuhr, sind die Bedingungen unter denen diese Behandlung heute angewandt wird: Im Operationssaal unter Vollnarkose und Muskelrelaxation und unter ständigem Monitoring durch Anästhesisten und Psychiater wird mittels elektrischer Stimulation ein einige Minuten dauernder Krampfanfall induziert. Meist sind mehrere Behandlungen von Nöten um eine ausreichende Wirkung zu erzielen. Verschiedene Therapieschemata sind bei der Indikation „schwere depressive Episode“ im Einsatz. Rückfälle nach der Behandlung sind die Regel, allerdings sprechen diese auf erneute EKTs gut an. Viele psychiatrische Fachgesellschaften setzen sich heute dafür ein, die EKT von dem Attribut der „Ultima-Ratio-Therapie“ zu befreien und bei geeigneten Patientengruppen frühzeitig mit EKTs zu intervenieren. Leider wird noch immer zu oft, sowohl von 24 Ärzten als auch von Patienten, das Nebenwirkungspotential der Psychopharmaka unter-, dafür aber das der EKT bei weitem überschätzt [23],[28],[29]. Hirnstimulationsverfahren: Hierunter werden transkranielle Magnetstimulation, Vagnusnervstimulation, Tiefhirnstimulation sowie Magnetkonvulsionstherapie verstanden. Auf diese derzeit in der Praxis unüblichen Therapieverfahren soll hier nicht näher eingegangen werden, da sie nur für ein sehr geringes Patientenkollektiv an darauf spezialisierten Zentren eine Option darstellen und eine umfassende Studiendatenlage noch nicht vorhanden ist [2]. Trotzdem sind Fortschritte im Bereich der antidepressiven Therapie möglich und die therapeutischen Möglichkeiten nehmen ständig zu. Positive Studien, welche belegen dass tiefe Gleichstromstimulation für Patienten große Vorteile bringen kann, sind wichtig und motivieren Patienten und Ärzte gleichermaßen [30]. Körperliche Betätigung: Laut Leitlinien ist Patienten zu körperlichem Training, soweit medizinisch vertretbar, zu raten allerdings werden einstige Meinungen welche Sport als „Antidepressivum“ interpretierten immer mehr in Zweifel gezogen. Neuere Studien zeigen dass durch moderaten Sport weder der Antidepressiva-Verbrauch gesenkt werden kann, noch dass sich das subjektive Befinden schneller bessert im Vergleich zu konventionellen Therapien [31]. 2.6.4 Krankheitsverlauf Man sollte sich stets vergegenwärtigen, dass eine korrekt diagnostizierte Depression eine meist sehr langwierige und in vielen Fällen chronische Krankheit darstellt. Zahlreichen Aufklärungskampagnen und Informationsveranstaltungen seitens der Ärzteschaft und der Psychotherapeuten ist es zu verdanken, dass die Krankheit mittlerweile einiges von ihrer negativen Konnotation, um nicht zu sagen Stigmatisierung, verloren hat. Die gesellschaftliche Perzeption psychischer Leiden ist überdies sehr stark länderabhängig: In den USA zum Beispiel wird die 25 Aussage „Ich muss nun leider die Teerunde verlassen da mich mein Psychiater in einer halben Stunde zu meiner wöchentlichen Psychotherapie wegen der Depression erwartet...“ anders aufgenommen werden als in Russland oder Österreich. Auch wenn Depressionen im Allgemeinen mittlerweile gut zu therapieren sind, weisen affektive Erkrankungen eine unerfreulich hohe Rezidivrate auf. Man geht davon aus, dass lediglich 25% der unipolaren Erkrankungen aus einer singulären Krankheitsepisode bestehen. Der Rest erleidet mindestens einen Rückfall in eine depressive Phase, ab dem dritten Rückfall liegt die Wahrscheinlichkeit für einen vierten oder weitere Rückfälle bei 90% [2]. Die in keiner Weise verharmlosend gemeinte „Achterbahn der Gefühle“ stellt eine Graphik aus dem Jahre 1992 noch immer zutreffend dar (siehe Abbildung 4). Aus diesen Gründen ist es wichtig, im Sinne einer nicht immer ganz voneinander zu trennenden Erhaltungstherapie/Rezidivprophylaxe die medikamentöse Therapie (und manchmal auch die Psychotherapie) über die Remission hinaus fortzuführen (als Remission wird der Status psychicus vor Beginn der Erkrankung herangezogen). Die Erhaltungstherapie soll gemäß aktueller Leitlinie, mindestens über vier bis neun Monate mit derselben Dosis des zuletzt, in der Akutphase der Depression verwendeten Medikamentes, weitergeführt werden. Erst dann kann unter Umständen mit einer langsamen, über mehrere Wochen und Monate angelegten Reduktion des Antidepressivums bis zum völligen Absetzen begonnen werden. Da Chronifizierungstendenzen ernstzunehmend sind, ist es besonders ratsam die Erhaltungstherapie anzuwenden wenn Komorbiditäten somatischer oder psychischer Natur bestehen oder bereits mehrere Erkrankungsphasen durchgemacht wurden, wenn erbliche Vorbelastung besteht, Unterstützung und Halt im Familien- und Freundeskreis oder bei der Arbeit fehlt, oder die Ersterkrankung bereits in jungen Jahren erfolgte [4], [25]. 26 Abbildung 4: Diagramm zum Verlauf depressiver Erkrankungen nach Kupfer (1992) [33] 2.6.5 Neue Therapieverfahren „Stillstand bedeutet Rückschritt“! Diese vermutlich auf alle Wissenschaftsbereiche anwendbare Aussage, trifft auch in der Behandlung von Depressionen den Nagel auf den Kopf. Kaum hat sich ein Medikament in der Praxis etabliert, werden bereits Forderungen nach einem Nachfolger laut und Förderungen für eine Weiterentwicklung versucht zu akquirieren. Wenn man einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der als antidepressiv wirksam vermarkteten Psychopharmaka in den vergangenen sechs Jahrzehnten wagt, darf man gespannt sein welche Neuerungen die Pharmaindustrie in der Zukunft auf den Markt bringen wird (siehe Abbildung 5). Unschwer ist zu erkennen, dass sich bisherige Forschungsschwerpunkte sehr stark auf die Monoamine Wirkungsverstärkung, (Serotonin, in erster Noradrenalin, Line durch Abbauhemmung oder Wirkmodulation, fokussierten. 27 Dopamin...) und deren Wiederaufnahmehemmung, Abbildung 5: Entwicklung der Antidepressiva nach Laux (2012) [25] Obwohl nur ca. die Hälfte der behandelten Patienten, welche mit Therapeutika die auf diesem Wirkmechanismus basieren, eine vollständige Remission erreichten, sind Anreize für Pharmafirmen momentan eher spärlich vorhanden, Millionen in die Entwicklung von Medikamenten mit neuartigen Wirkmechanismen zu investieren. Mit den vorhandenen Produkten wird viel Geld verdient. 28 Trotzdem existieren heute einige „Forschungsbaustellen“ in diesem insgesamt, im Vergleich zu anderen Gebieten wie der Hypertensiologie, der Diabetologie etc., nur oberflächlich untersuchten Gebiet der Psychopharmakologie. So versucht man neue Ansatzpunkte z.B. im Bereich von Zytokinen (Interferon, TNF, Interleukine), Cannabinoid-Rezeptoren, Neuropeptiden und Melatonin-Rezeptoren zu entdecken [35]. Ebenso werden Anstrengungen im Bereich der Lipidforschung rund um die Entstehung von Depressionen unternommen. So wurde in einer Studie von 2013 festgestellt, dass Hemmer der Aktivität der ASM (acid sphingomyelinase) die Ceramidproduktion in Hirnarealen Neuronenwachstum bei symbolisiert Entdeckung diese reduzieren depressiven Patienten einen vielversprechenden therapeutischen Pfad [36]. 29 bisher können, bremst. nicht was wiederum Möglicherweise beachteten und 3 SSRI heute: Einsatz und Evidenz 3.1 SSRI versus Placebo-tatsächlich zwei ebenbürtige Kontrahenten...? Abbildung 6: Illustration zur Kontroverse bezüglich des Nutzens von SSRI von Margaret Shear, Public Library of Science [37] Warum macht es Sinn, sich mit dieser provokant formulierten Frage näher zu beschäftigen? Tatsache ist, dass laut einer Studie der OECD aus dem Jahr 2013, in allen untersuchten Ländern die Einnahme von Antidepressiva im Untersuchungszeitraum stark zunahm. Island liegt mit der Zahl der Pro-Kopf Verschreibungen unangefochten an der Spitze vor Australien, Kanada und Dänemark. In dem Bericht werden als Gründe für den in der vergangenen Dekade massiv gestiegenen Verbrauch dieser Medikamente geänderte therapeutische 30 Guidelines und ein erweitertes Indikationsspektrum der Antidepressiva angeführt. Sogar die Wirtschaftskrise von 2011 wird ins Treffen geführt bei der Diskussion um die Zunahme der Antidepressiva-Verschreibungen von 2000 bis 2011 [38]. Statistiken aus den USA welche sich auf die Jahre von 2007 bis 2010 beziehen zeigen, dass dort ca. 11% der Bevölkerung über 18 Jahren ein Antidepressivum verschrieben bekommt [52]. Gewiss, diese Daten repräsentieren alle Antidepressiva zusammen, nicht SSRI alleine. Dennoch enthüllt diese Untersuchung einen Trend und nachdem SSRI heutzutage zu den meistverwendeten Antidepressiva zählen, kann man davon ausgehen, dass sich auch die SSRI-Verschreibungspraxis dahingehend wandelt früher, höher-dosiert und länger zu verschreiben. Abbildung 7: Grafik zum Antidepressiva-Verbrauch zwischen 2000 und 2011 nach OECD: Health at a Glance (2013) [38] 31 Im Zeitalter der „evidence-based medicine“ wird der Ruf nach eindeutigen Ergebnissen, RCT, Placebo-kontrollierten Studien, Signifikanz, harten Fakten und Zahlen immer lauter. Diese Forderungen sind berechtigt und wichtig wenn man ernsthaft versuchen will, auf wissenschaftlich-fundierten Grundlagen Medizin zu betreiben und therapeutische Entscheidungen nachvollziehbar anhand von Forschungsergebnissen zu gestalten. Die Debatte um die Wirksamkeit von SSRI im Rahmen der antidepressiven Therapie wird, je länger sie dauert, immer emotionaler. Sie wurde in den Medien genauso breit diskutiert wie in wissenschaftlichen Fachkreisen. Weshalb dieses Thema eine solch große Aufmerksamkeit nach sich zieht, ist auch verständlich: Es geht um eine breite Masse an Betroffenen (hier wird bewusst nicht das Wort „Patient“ verwendet) und folglich um sehr viel finanziellen Profit. Im Rahmen der Recherchen und der Literatursuche wurden Primärstudien und Metaanalysen gesichtet. Ein Faktum welches wenig überrascht ist, dass es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich sein kann, die Frage nach der Wirksamkeit von SSRI in der antidepressiven Therapie auch nur ansatzweise abschließend zu klären. Es ist das Ziel, rezente Studien zu diesem Thema zu zitieren und einige divergierende Meinungen von Experten oder Fachgesellschaften zu präsentieren. 3.1.1 A closer look...was wurde wann wie verglichen Am Anfang der Analyse der Literatur zu diesem Thema steht eine Differenzierung der Fragestellung. Gemäß einem Zitat von Jean-Claude Riber sind „Statistiken wie ein spanisches Gasthaus denn jeder findet darin das, was er sucht“. So können auch Studien, abhängig von der Grundannahme die es zu bestätigen oder widerlegen gilt, in eine Richtung interpretiert werden oder bereits passend von Studienautoren designt werden. Dessen sollte man immer gewahr bleiben und nie eine einzelne Studie und auch keine Metaanalyse als „der Weisheit letzter Schluss“ ansehen. Manche Experten sehen in Antidepressiva die „am besten meta-analysierten Medikamenten in der ganzen Medizin“ [39]. Dieses Statement unterstreicht, wie groß die absolute Anzahl an Studien zu diesem 32 Thema ist. Erst durch das kritische und sorgfältige Lesen vieler unterschiedlicher Studien ist es vielleicht möglich, Tendenzen zu erkennen und Ergebnisse dahingehend zu deuten, dass der individuelle Patient daraus auch einen Benefit erfährt. Abgesehen von dem Studiendesign, sind die im Bereich der Psychiatrie angewandten Diagnosewerkzeuge zur Beurteilung des Schweregrades bzw. des Behandlungserfolges von Depressionen oft Ausgangspunkt für Debatten. Die gängigsten Methoden hierfür sind die HRSD (Hamilton Rating Scale for Depression) und die MADRS (Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale). Weitere Diagnosemethoden existieren zwar, die zwei erwähnten finden sich jedoch am häufigsten in den gesichteten Studien. Beides sind Fremdbeurteilungsmethoden bei denen Patienten eine unterschiedliche Anzahl an Fragen gestellt werden und der Psychiater dann mittels einer Punktezahl die Ausprägung der Symptome beurteilt. Kritikpunkte sind die subjektive Bewertung durch den Untersucher, die nur momentane Bestandsaufnahme des Status psychicus welche auch tagesabhängigen Schwankungen unterworfen sein könnte und die unterschiedliche Anzahl der Fragen je nach Übersetzung und Version bei der HRSD [2], [4]. In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit der SSRI versucht zu überprüfen. Ein Name welcher immer wieder in diesem Zusammenhang auftaucht ist Irving Kirsch. Er verfasste zahlreiche placebokontrollierte Studien, Metaanalysen sowie Bücher zu diesem Thema und ist ein überzeugter und vehementer Kritiker des Nutzens von SSRI vor allem bei leichter bis moderater Depression. Die Grundhaltung dieses prominenten Wortführers in der Debatte kann wohl am besten mit einem direkten Zitat von ihm aus einem Interview von 2013 zusammengefasst werden: “Denn bei leichter bis moderater Depression gibt es überhaupt keine Evidenz für einen klinischen Nutzen, selbst bei schwerer Depression profitieren nur Patienten mit einem hohem Hamilton-Depression-Score, also mit 27 Punkten oder darüber.“ [40] 33 Im Folgenden wird auf eine Schlüssel-Metaanalyse von ihm näher eingegangen welche nach ihrer Publikation im Februar 2008 für sehr viel Aufsehen und Furore in der Fachwelt sorgte. In besagter Metaanalyse wurden insgesamt 35 Studien miteinander verglichen welche zwischen 1987 und 1999 bei der FDA zu Zulassungszwecken von 5 SSRI und Venlafaxin (SNRI) eingereicht wurden. Man analysierte abhängig vom initialen Schweregrad der Depression (evaluiert durch die HRSD) den Behandlungserfolg bei depressiven Patienten mittels Verum oder Placebo anhand der Abnahme der HRSD-Punktezahl. Das bemerkenswerte Ergebnis dieser Untersuchung zeigte dass: diese neuen Antidepressiva unter den empfohlenen Kriterien für klinische Wirksamkeit blieben (laut NICE sind eine Differenz der Reduktion der HRSD um 3 Punkte verglichen mit Placebo erforderlich, im Schnitt erreichten Antidepressiva nur 1,8 Punkte) hinsichtlich der Abnahme des HRSD, was als Surrogatparameter für die „Wirksamkeit“ einer Intervention definiert wurde, quasi kein Unterschied bei moderater Depression und nur ein kleiner statistischer Unterschied zugunsten der Medikamente bei schwerer Depression auffiel und selbst dieser von den Autoren einem verminderten Ansprechverhalten auf die Placebo-Therapie und nicht einer Effektivität der Antidepressiva attribuiert wurde man aus den Ergebnissen der Studie folgern kann, dass es nicht gerechtfertigt ist milde oder moderate Depressionen mit untersuchten Medikamenten (den sechs umsatzstärksten Antidepressiva der USA!) zu therapieren [41] 34 Abbildung 8: Das durchschnittliche standardisierte Ansprechen dargestellt als Funktion der initialen HRSD und der Behandlungsgruppe (Drug vs. Placebo) nach Kirsch et al. (2008) [41] (Rote Dreiecke entsprechen einer Reduktion der HRSD auf Medikamente, Kreise einer Reduktion der HRSD auf Placebo. Die grüne Fläche symbolisiert den Bereich, in dem die Medikamente den von der NICE definierten Kriterien für klinische Signifikanz entsprechen (also ≥ 28). Die Größe der Figuren entspricht ihrem prozentuellen Anteil an der gesamten Studie.) Die Daten und vor allem die gezogenen Schlüsse aus besagter „Kirsch-Studie“ von 2008, welche genau genommen die Wiederholung einer Untersuchung [43] von demselben Autor nach identem Muster aus dem Jahr 2002 darstellt, kann man getrost als Meilenstein in der Debatte um die Wirksamkeit von Antidepressiva, respektive SSRI, betrachten. Die erneute Analyse der ersten FDA-Zulassungsdaten von 2002 wurde aus folgendem Grund durchgeführt: Autoren von Repliken auf diese alarmierende Publikation warfen Kirsch und seinen Kollegen vor, in erster Linie leicht depressive Patienten untersucht zu haben, von denen man keine allzu „signifikanten Effekte“ der medikamentösen Therapie erwarten hätte können [44], [45]. 35 Also teilte man sechs Jahre später, bevor man Verum mit Placebo bezüglich statistisch und klinisch signifikanter Wirksamkeit untersuchte, die Patienten nach der Schwere ihrer Depression anhand der Punktezahl auf der HRSD ein. Dieser einstige Kritikpunkt von Zweiflern an Kirschs Theorien führte folglich dazu, dass in der Metaanalyse von 2008 der Zusammenhang zwischen Ausprägungsgrad der Depression und Ansprechen auf Medikamente genau beschrieben wurde (siehe Abbildung 8). Nun wurde diese Studie, welche in gewisser Weise einerseits ein neuropsychiatrisches Grundmodell (Serotoninhypothese) in Frage stellt, das seit über vierzig Jahren die Depressionsentstehung prägnant als eine Serotoninverarmung im ZNS deutet und andererseits, den als sicher und effektiv geltenden zweit-Generations-Antidepressiva (SSRI, SNRI in erster Linie.) ihren therapeutischen Effekt abspricht, nicht ohne Widerspruch akzeptiert. Im Gegenteil widersprachen zahlreiche Veröffentlichungen Kirsch et al. vehement. Unter anderem wurde angeführt, dass die Rekrutierung der Studienteilnehmer, welche zumeist in den USA stattfand, die Ausgangslage die Schwere der Depression betreffend beeinflusst haben könnte, da manche Probanden erst durch die Teilnahme an der Studie kostenlosen Zugang zu einer medizinischen Behandlung erhielten, Sozialversicherungssystem welcher ihnen verwehrt sonst geblieben im wäre amerikanischen (Unterschiedliche Ausgangssituationen der Patienten, eine Form des Selektionsbias) [46]. Besorgt über die Folgen welche die Veröffentlichung der Metaanalyse von Kirsch et al. im Jahre 2008 haben könnte, zeigte sich auch der renommierte deutsche Psychiater Hans-Jörg Möller in einer Veröffentlichung, in welcher er Stellung bezog und generell die „Vormachtstellung“ der Ergebnisse von Metaanalysen anzweifelte und Kirsch und seinen Kollegen grundsätzlich jeden Neuwert der Studie absprach. Auch weist Möller darauf hin, dass die Differenz auf der HRSD vor und nach Therapie mit Verum bzw. Placebo eine fragwürdige Methode sei, um die komplexen Wirkungen von Antidepressiva zu beurteilen. Er kritisiert (wie 36 auch Kirsch selbst!) die vom NICE willkürlich definierte Placebo-Verum-Differenz von drei Punkten als klinische Signifikanzschwelle. Besonderen Wert legt Möller in seinen Ausführungen auf die Analyse des Ansprechverhaltens der Patienten: Er leitet aus den Zahlen von Kirsch et al. ab dass eine NNT von nur 5-7 bei den untersuchten Antidepressiva vorläge, um bei 15-20% der Patienten eine Abnahme der initialen HRSD-Wertes um die Hälfte zu erzielen. Auch wird von Möller auf die Tatsache des „publication bias“ hingewiesen (dazu später Genaueres) [47]. Ein rezentes Review von Fountoulakis et al. welches im August 2013, also über fünf Jahre nach der eingangs vorgestellten Kirsch et al.-Metaanlayse von 2008 publiziert wurde, erhebt den Anspruch der von Kirsch et al. initiierten Debatte um den Nutzen von Antidepressiva, respektive SSRI, ein Ende zu bereiten. Mithilfe eines geänderten statistischen Verfahrens werde das individuelle Ansprechen der Patienten in dieser Form der Metaanalyse verlässlicher dargestellt. So ist nach der Meinung der Autoren ein Antidepressivum klar wirksamer als ein Placebo. Ebenso spielt die Schwere der Depression keine Rolle bezüglich des Ansprechverhaltens auf ein Antidepressivum [39]. Unabhängig davon ist zu erwähnen, dass Kirsch et al. nur die Substanzen Fluoxetine, Venlafaxine (SNRI!), Nefazodone, Paroxetine, Sertralin und Citalopram untersuchten. Nefazodon ist seit 2003 nicht mehr erhältlich wegen schweren Leberschädigungen, dafür sind mittlerweile Escitalopram und Fluvoxamin aus der Klasse der SSRI am Markt. Die aus heutiger Sicht neueste in die Kirsch-Metaanalyse eingeschlossene Studie stammt aus dem Jahr 1999, ist also mittlerweile sechzehn Jahre alt. Inwiefern diese Tatsachen Einfluss auf die heutige Anwendbarkeit der Ergebnisse der Arbeit von Kirsch et al. haben, sei dahingestellt. Eine weitere Re-Analyse der Daten welche Kirsch et al. verwendeten, kommt 2011 mit wieder anderen statistischen Werkzeugen als Fountoulakis et al. zu einer ähnlichen Conclusio: Antidepressiva sind in der akuten Depression bei schweren und moderaten Depressionen wirksam. Für eine Wirksamkeit bei leichten Depressionen ist der Nachweis nicht erbringbar. Es wird hier zwischen 37 Akuttherapie und Erhaltungstherapie unterschieden. Keine eindeutige Aussage liefern die Autoren bezüglich des Wirknachweises bei der Erhaltungstherapie, leiten aber aus den Daten ab, dass ein Nutzen nicht evident ist, vermutlich aber auch kein Schaden von einer solchen ausgehe [48]. 3.1.2 Unblinding oder Placebos mit Nebenwirkungen Seit langem wird ein Faktor in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt, welcher RCT, unabhängig davon ob sie nun ein probates Mittel darstellen um die Wirkung von Antidepressiva zu evaluieren oder nicht, in ihrem Selbstverständnis als geblindete (der Patient ist sich nicht aktiv bewusst ob er das Verum oder das Placebo erhält) Versuchsanordnung empfindlich stören können: das Problem der Nebenwirkungen des Verums. Vielen Generationen an Medizinstudenten wurde folgende Zeile im Rahmen ihrer pharmakologischen Ausbildung eingebläut: Keine Wirkung eines Medikamentes ohne Nebenwirkung! Besagte Tatsache stellt in der vergleichenden Untersuchung von pharmakologischen Effekten naturgemäß ein Problem dar, weil die Patientengruppe welche Nebenwirkungen verspürt, tendenziell geneigt ist (korrekterweise) zu vermuten, das Verum zu erhalten. Diesem Zusammenhang wird auch in einigen Publikationen Rechnung getragen [49], [50]. Dem Thema „unblinding“ begegnet man heute damit, aktive Placebos bei Studien zu verwenden die auch Nebenwirkungen hervorrufen können. Nun erfahren also beide Patientenkollektive Nebenwirkungen aber nur eine Patientengruppe soll auf die erhoffte und zu überprüfende Hauptwirkung des Medikaments ansprechen. In einer Metaanalyse von neun Studien aus dem Jahre 2004 mit in Summe 751 inkludierten Patienten, stellte sich heraus, dass die Wirkdifferenz zwischen aktivem Placebo und Verum gering ist. Eine aus der Studie ableitbare Tatsache stieß jedoch auf noch größere Resonanz in der Fachwelt: Placebokontrollierte Studien mit herkömmlichen (inaktiven) Placebos (welche also keine Nebenwirkungen simulieren können) verfälschen vermutlich das Ergebnis durch 38 „unblinding“, da die Erwartungshaltung der Teilnehmer möglicherweise unbewusst beeinflusst wird [51]. Diesen Zusammenhang kennend, sind viel zitierte Studien wie die von Arroll et al. [53] aus dem Jahre 2005 vermutlich unter anderem Lichte zu sehen: Hier wurden im Rahmen einer Metaanalyse Daten gesammelt und versucht die Fragestellung zu beantworten ob TCA oder SSRI verglichen mit Placebo im extramuralen Bereich im Rahmen der Depressionstherapie effektiver seien. Man analysierte 10 Studien in denen TCA mit Placebo verglichen wurden, 3 Studien in denen man SSRI mit Placebo verglich und weitere 2 in denen beide Medikamentengruppen zugleich mit Placebo verglichen wurden. Die Autoren folgerten nach der Datenanalyse, dass sowohl TCA als auch SSRI effektiv im Rahmen der antidepressiven Therapie anwendbar sind. Eine NNT für SSRI wurde mit 6 angegeben, eine NNH für SSRI mit 21 bis 94, wobei mit „harm“ der Studienausschluss aufgrund von SSRI-Nebenwirkungen definiert ist. Abbildung 9: SSRI verglichen mit Placebo bezüglich Besserung der Depressionssymptomatik nach Arroll et al. (2005) [53] In einer sehr rezenten Metaanalyse aus dem Jahr 2014, wurde versucht einen Wirknachweis für ein bestimmtes SSRI, nämlich Paroxetin bei Depressionen und bei Angst- und Panikstörungen zu erlangen. Es wurden 27 Studien eingeschlossen mit 3301 Patienten im Paroxetin-Arm und 1885 im Placebo-Arm. Gemessen wurde 39 die Wirkung der Intervention wieder an einer Abnahme der HRSD. Eine Abnahme um 11 Punkte in der Paroxetin-Gruppe steht einer Abnahme von 8.37 Punkten im Schnitt bei der Placebo-Gruppe gegenüber. Die Ergebnisse insgesamt decken sich mit ähnlichen Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva welche im wiederholten Falle auch nur einen kleinen Benefit für SSRI im Vergleich zu Placebos detektierten [54]. In einer Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2009 hingegen, mit dem Ziel zu eruieren ob Antidepressiva in der niedergelassenen Versorgung verglichen mit Placebo bei Depressionen Vorteile bringen, erarbeitete man folgende Schlüsse: Nach der Analyse von 14 Studien (zehn zu TCA, zwei zu SSRI und zwei zu beiden Medikamenten) wobei jede einzelne eine randomisiert-kontrollierte Studie mit einem Patientenkollektiv unter 65 Jahren darstellte (1364 Patienten in der Interventionsgruppe, 919 in der Placebogruppe), kamen die Autoren zu dem Schluss, dass beide untersuchten Medikamentengruppen wirksam sind im Rahmen der antidepressiven Therapie im niedergelassenen Bereich. Die NNT für SSRI war im Median mit 7 niedriger als die der TCA welche eine NNT von 9 im Median hatten. Die NNH (Einnahmeabbruch der Medikamente aufgrund von Nebenwirkungen) der TCA war mit 4-30 niedriger als die der SSRI mit 20-90. Aus diesen Zahlen zogen die Autoren den Schluss, dass beide Medikamente wirkungsvoll sind und Nebenwirkungen bei SSRI seltener zu einem Abbruch der Medikamenteneinnahme führen [55]. Die unterschiedlichen, sich widersprechenden und oft nicht eindeutig zu interpretierenden Daten aus Einzelstudien, aber vor allem auch die der vielen Metaanalysen zu diesem Thema, geben dem nach Hilfestellung in der Literatur suchenden Arzt leider oft mehr Rätsel auf als sie Antworten liefern. Dieses Dilemma der Datenanalyse wird zu späterem Zeitpunkt noch einmal aufgegriffen. 3.1.3 Publication Bias Befasst man sich mit klinischen Studien zu einer gewissen Fragestellung–nehmen wir an, man versucht sich an der ambitionierten Frage ob die Wirkung von SSRI in 40 der antidepressiven Therapie durch Daten aus Studien untermauert werden kann–stoßt man früher oder später im Zuge der Recherchen, auf den Begriff „Publication Bias“. Dieser Terminus bezeichnet die Verzerrung der Datenlage bezüglich einer wissenschaftlichen Fragestellung durch die Veröffentlichung von in erster Linie „positiven“ Studienergebnissen dazu. Aufgrund der Tatsache dass Ergebnisse zugunsten neuer Medikamente oder Methoden innovativ erscheinen und eine Alternative, ja manchmal sogar einen Lösungsweg für althergebrachte Probleme verheißen, wurden und werden zum Teil immer noch, Studien mit der Bestätigung der Überlegenheit der neuen Intervention bevorzugt bei Verlagen eingereicht und publiziert. Die Adjektive „positiv“ und „negativ“ in dieser Funktion erachten freilich schon manche Wissenschaftler für ungeeignet. Auch „negative“ Ergebnisse einer Studie, welche zum Beispiel die Unterlegenheit eines neuen Medikamentes im Vergleich mit der herkömmlichen Therapie demonstrieren, können schließlich wertvoll sein und die Modifikation oder Adaptation von therapeutischen Guidelines beeinflussen oder die Beibehaltung der bisherigen Therapie stützen [56], [57]. Der auf eine „good clinical practice“ abzielende Gedankengang wird in diesem Sinne von Pharmakonzernen aber nicht zu hundert Prozent geteilt. Der Grund dafür ist, dass an Profit orientierte Unternehmen mit bereits am Markt etablierten Standardmedikamenten, für die vermutlich auch das Patent schon abgelaufen ist, weniger Umsatz und folglich auch einen geringeren finanziellen Profit erwirtschaften können. Die Existenz des Publication Bias ist seit beinahe dreißig Jahren im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens bekannt. Ältere Publikationen dazu datieren aus den späten 1980er Jahren [58], [59]. In einer bereits zuvor zitierten Arbeit aus dem Jahr 2014 wird erwähnt, dass bis zu 40% der Studien zu Antidepressiva nicht publiziert werden, was als Konsequenz auch eine Verfälschung der Daten aus Metaanalysen zu Folge hat (Schubladenphänomen) [54]. Eine Studie aus dem New England Journal of Medicine von 2008, befasst sich ausschließlich mit dem Thema der selektiven Publikation von Studien zu Antidepressiva. Die Ergebnisse der Auswertung von Daten der FDA erscheinen 41 mehr als beunruhigend: 74 von FDA registrierte Studien im Zeitraum zwischen 1987 und 2004 zur Wirksamkeit von 12 Antidepressiva wurden gelistet. Insgesamt handelt es sich dabei um ein Patientenkollektiv von 12 564 Personen. Die Ergebnisse der Studien wurden von der FDA unterschiedlich beurteilt. Es ist auffallend, dass von den Studien, welche von der FDA als „positiv“ erachtet wurden (38 von 74 Studien, also 51% der eingeschlossenen Arbeiten) alle bis auf eine, also 37 Studien, auch publiziert wurden. Von den übrigen 36 Studien welche als entweder „negativ“ oder „fraglich“ von der FDA eingestuft wurden, schafften es erstaunlicherweise nur drei zur Publikation als negative Studien. Von den übrigen 33 wurden 22 überhaupt nicht publiziert, die restlichen 11 Studien wurden als positive Studien veröffentlicht, urteilten die Autoren der Metaanalyse. Auf die Zahl der teilnehmenden Patienten gerechnet bedeutet dies, dass 27%, also 3449 Personen, überhaupt nicht in der öffentlichen wissenschaftlichen Literatur erwähnt sind (siehe Abbildung 10). Die Autoren kommen zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die Veröffentlichung einer Studie, merklich von dem Ausgang derselben abhängt (positive Studien wurden in dieser Untersuchung bis auf eine immer publiziert, negative entweder überhaupt nicht oder nur in abgeänderter Form). Gründe für diese Unterschiede im Publikationsverhalten konnten keine angeführt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass selektives Publizieren die Verschreibungspraxis von Ärzten beeinflussen kann und dass Patienten in weiterer Folge, ein eventuell nicht indiziertes Medikament verordnet werden kann [60]. 42 Abbildung 10: Publikation von Studien in Abhängigkeit von der Beurteilung des Studienergebnisses durch die FDA aufgeschlüsselt als Balkendiagramm nach Turner et al. (2008) [60] Es geht aus einer weiteren Untersuchung von 2011 hervor, dass das Problem des selektiven Publizierens nicht auf die medizinische Wissenschaft beschränkt ist. Man fand heraus, dass die Tendenz zum bevorzugte Publizieren positiver Resultate nicht kleiner wird, sondern im Gegenteil tendenziell eher steigt: Im Zeitraum von 1990 bis 2007 wuchs der Anteil an Studien welche eine These teilweise oder komplett stützten oder bestätigten um 20%. Die Medizinischen Wissenschaften und die Pharmakologie zählen, verglichen mit anderen Forschungsgebieten, zu den Bereichen, in welchen ein besonders starker Anstieg von positiv-Publikationen zu verzeichnen ist. Erneut wird auch hier auf die Wichtigkeit von negativen Studienergebnissen hingewiesen und betont, dass Fehlen von „Negativergebnissen“ zur Überbewertung von Interventionen und zu Verschwendung von Ressourcen, in 43 manchem Fall sogar zur mehrfachen wissenschaftlichen Untersuchung derselben Fragestellung führen kann [61]. Dass es problematisch sein kann, sich bei der Therapiewahl nur anhand von Metaanalysen welche sich auf öffentlich zugängliche Studien stützen leiten zu lassen, wird in einer Arbeit von Melander et al. aus dem Jahre 2003 erwähnt[62]. Schon fast als in die Alternativmedizin abdriftende Pseudoforschung kann man es deuten, wenn Wissenschaftler in der seriösen Debatte um Publication Bias und Wirksamkeit von Medikamenten bei Depressionen daran schreiten, Placebos untereinander nach Wirksamkeit zu reihen versuchen. So geschehen in einer publizierten Arbeit von Naudet et al. im Jahre 2013. Man erarbeitete im Rahmen einer Metaanalyse Daten und versuchte die Wirksamkeit von Placebos als Antidepressivum im Vergleich mit Fluoxetin, Venlafaxin und Venlafaxin in Kombination mit Fluoxetin gleichzeitig, miteinander in Beziehung zu setzen. Man fand heraus dass die Antidepressiva wirksamer waren als die Placebos in Hinblick auf Response und Remission der Patienten. Unter den drei Placebos gab es wie erwartet keine Wirkunterschiede. Publication Bias wurde auch hier durch Funnel Plots nachgewiesen. Die Autoren betonen dass die Daten von Metaanalysen nur so gut sein können wie die der einbezogenen Studien und dass sowohl mangelnde Studienqualität in einigen Ländern (China wird als Beispiel genannt) als auch die Abhängigkeit der Forschung im Bereich der Antidepressiva von der Pharmaindustrie, zu einer groben Verfälschung der Daten, hin zu einer nicht existenten Überlegenheit der Medikamente führen kann. Wichtiger als die Kategorisierung der potentiellen Effektivität von einzelnen Wirkklassen erachten die Autoren die permanente kritische Betrachtung von Studienergebnissen sogar–oder vor allem–von Metaanalysen unter dem Deckmantel der EBM [63]. Was also tun, um so gut wie möglich Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der wissenschaftlichen Literatur zu schaffen und deren Herkunft, Finanzierung und Entstehung objektivierbar in den Publikationsprozess miteinzubeziehen? Welche Ideen offerieren Experten um den Publikationsbias einzudämmen? 44 Mathew und Charney [64] zum Beispiel fordern in einem Kommentar zu den Studien von Kirsch [41] und Turner [60] unter anderem, dass: Studienprotokolle welche der FDA zu Zulassungszwecken übergeben werden, einen Plan bezüglich der Publikationsabsichten enthalten sollen die Durchführung von klinischen Studien welche seit 2007 auf www.clinicaltrials.gov in den USA obligatorisch zu registrieren ist, genau überwacht werden müssen und Zwischenresultate elektronisch abrufbar sein sollen (Abgesehen davon existiert noch die International Clinical Trials Registry Platform, das online Studienregister der WHO) Ergebnisse des Zulassungsverfahrens transparenter zu gestalten sind. Als Beispiel wird angeführt, Detailergebnisse des Zulassungsverfahrens neuer Medikamente, z.B. wie viele Studien insgesamt durchgeführt wurden und in wie vielen eine Überlegenheit des neuen Pharmakons gegenüber Placebo nachgewiesen werden konnte, genau anzuführen und Ärzten und Patienten mitzuteilen neue Wege in der Forschung beschritten werden müssen um Alternativen zu den bisher verwendeten, quasi nur auf Monoamin-Basis basierenden Antidepressiva, zu entwickeln. Ein Augenmerk soll auch auf Genforschung, Biomarkerforschung und das Neuroimaging gelegt werden Seit September 2004 veröffentlichen Verleger der prominentesten naturwissenschaftlich-medizinischen Journals (NEJM, JAMA, The Lancet, Annals Of Internal Medicine...) keine nicht zuvor in oben erwähnten nationalen oder internationalen Registern eingetragenen Studien mehr [65]. 45 3.2 Forschung in der Krise oder warum Mäuse vielleicht nicht immer die Lösung sind... Die Entwicklung von neuen Medikamenten ist kostspielig. In manchen Sparten der Pharmakologie gibt es Tiermodelle bei denen Wirkung, Nebenwirkung, Toxizität etc. von Neuentwicklungen sehr gut auf Menschen übertragen werden können (Schweinemodelle im Bereich der Kardiologie und Anästhesie, Tiermodelle in der Onkologie...). Bei der Entwicklung von Psychopharmaka steht die Industrie hingegen vor dem Problem, keine verlässlichen und allgemein akzeptierten tierischen Versuchsanordnungen zu besitzen die Psychosen, Depressionen, Angstzustände etc. realitätsnah simulieren können, um dann medikamentös therapiert zu werden. Momentan greift man häufig auf den forced swim test oder den tail suspension test zurück. Hierbei setzt man das Versuchstier unter Stress, bzw. versucht man Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit zu simulieren. Dies erfolgt entweder indem man es in ein Behältnis mit Wasser verbringt worin es schwimmen bzw. paddeln muss um nicht zu ertrinken oder man befestigt eine Versuchsmaus mit Klebeband an ihrem Schwanz und lässt diese kopfüber herabhängen. Das Tier wird (vergeblich) Anstrengungen unternehmen, sich in eine bekannte, ihm vertraute Position zu begeben. Nun wird die Zeit von den Beobachtern gemessen, bis die Schwimmversuche enden und das Ertrinken akzeptiert wird, bzw. bis das sich in einer ungewohnten Lage befindliche Tier nicht mehr probiert, sich gegen die ihm aufgezwungene Position zu wehren und nur mehr regungslos herabhängt [68]. Eine weitere Möglichkeit Symptome einer Depression bei Tieren auszulösen besteht darin, diese mit anderen Methoden unter chronischen milden Stress zu setzten, woraufhin Depressionssymptome wie Interessensverlust, verändertes Schlafverhalten, Lustlosigkeit, verminderte Tagesaktivität und reduzierte Libido auszulösen sind. In passenden Versuchsanordnungen sind diese Symptome auch durch Antidepressiva meist reversibel [67]. 46 Tatsache ist, dass der forced-swim-test und der tail-suspension-test heute mangels Alternativen in der Antidepressiva-Entwicklung verwendet werden und etliche Forscher an dessen Sinnhaftigkeit und Aussagekraft festhalten. Andere wiederum sind der Meinung, dass aufgrund einer längeren Zeitspanne des Kämpfens eines Nagetieres um an der Wasseroberfläche zu bleiben, man nicht ein Antidepressivum als wirksam bezeichnen könne, bzw. Antidepressiva die diese Zeitspanne nicht verlängern als unwirksam abtun könne. Es besteht die Möglichkeit, dass Anpassung an die Situation (Habituation) durch bereits zuvor Erlebtes (der forced-swim-test wird an aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt zwei mal durchgeführt) ebenfalls die als Surrogatparameter für antidepressive Effekte herangezogene Zeit bis zur Einstellung der Aktivität beeinflusst. Forscher haben auch herausgefunden, dass Medikamente welche auf das Serotoninsystem Einfluss nehmen, in Mäusen und Ratten unterschiedliche Effekte beim forcedswim-test hervorrufen. Ob nun ein SSRI bei einer um ihr Leben strampelnden Maus oder einer Ratte eingesetzt wird, kann demzufolge entscheidend sein hinsichtlich weiterer Zulassungsphasen für das in Erprobung befindliche Medikament [69]. So verwundert es nicht, dass sich immer mehr Pharmaunternehmen angesichts der fehlenden oder zumindest fragwürdigen Testmodelle, der hohen Entwicklungskosten und der langen Entwicklungsdauer sowie der schwer absehbaren Marktsituation aus dem Bereich der Neuro-/Psychopharmakologie zurückziehen. Kein großer Stimulus für die Forschung in diesem Bereich ist auch der Zustand, dass nach den klinischen Testphasen heute nur rund 8% der Präparate zur Zulassung auf den Markt gelangen [66]. 3.3 Psychotherapie anstatt Antidepressiva? Abhängig von der Ausprägung der Depression kann eine reine Psychotherapie bzw. ein „watchful waiting“ durchaus indiziert sein. Es sollte sich vor allem in der präklinischen und hausärztlichen Praxis durchsetzten, dass bei leichten depressiven Episoden eine Verschreibung von Antidepressiva ab initio nicht leitlinienkonform ist und vom medizinischen Standpunkt aus auch nicht indiziert 47 ist. Wichtig ist eine weitere Verlaufskontrolle (z.B. Wiederbestellung nach 14 Tagen) um eine Aggravierung der Symptomatik nicht zu übersehen und um unter Umständen eine medikamentöse (Co-)Therapie rechtzeitig einzuleiten. Verhaltenstherapie, Gruppentherapie oder auch konfliktzentrierte Therapie können Hilfe zur Selbsthilfe leisten [23]. Dieser Zusammenhang, welcher auch Eingang in die S3-Leitlinie der unipolaren Depression von 2012 fand, wird in einer Studie von Dekker bestätigt. Hier wurde in einer Untersuchung von 103 Patienten festgestellt, dass es bei milden und moderaten depressiven Episoden vorteilhaft sein kann, mit einer Psychotherapie zu beginnen. Es kann nach einer gewissen Zeit ohne Symptombesserung sinnvoll sein, den Patienten dann eine kombinierte Psycho-Pharmakotherapie zu offerieren [70]. Zu dem Schluss, dass es in erster Linie von Bedeutung ist, Patienten mit ihren Beschwerden ernst zu nehmen und diese in einen Behandlungsplan aufzunehmen, wie auch immer dieser gestaltet sein möge (primär medikamentös, psychotherapeutisch oder kombiniert), kam auch eine Metaanalyse aus dem Jahre 2012. Es ist nicht von entscheidender Bedeutung für den depressiven Patienten WAS gemacht wird, als DASS etwas gemacht wird [71]. Es sollte also keine rein medikamentöse Monotherapie initial erfolgen, leider ist dennoch oft ein stufenweises Vorgehen (mit Antidepressiva zu Beginn) bei vielen Ärzten die erste Therapiewahl. Bei mittelgradigen und schweren (vor allem rezidivierenden) depressiven Episoden hingegen ist auch initial schon ein Antidepressivum im Behandlungsplan vorgesehen [23]. Es wird sich zeigen, ob sich in den nächsten Jahren auch ein Rückgang der verordneten SSRI im extramuralen Bereich einstellen wird wie er heute schon bei verordneten Antibiotika in Österreich zu verzeichnen ist. Hier führte ebenfalls eine Weiterbildung und Aufklärung von Ärzten zu einem rationaleren Einsatz dieser wichtigen Medikamentengruppe. [72]. Auf der Hand liegt es allerdings, dass diese Aufrufe zu einem strengeren Verschreibungsregime bei Antidepressiva nicht ohne eine Aufwertung bzw. Forcierung der psychosozialen Therapieeinrichtungen im innerklinischen und vor allem extramuralen Bereich geschehen können. Kapazitäten sind in der Steiermark 48 vorhanden, im Jahr 2012 dokumentierte man eine Versorgungsdichte von 74% bei psychosozialen Beratungsstellen [73]. Dennoch sind Wartezeiten auf einen Platz für eine Psychotherapie in der Regel noch immer zu lange, weshalb vermutlich auch der Griff nach dem Rezeptblock bei manchen Ärzten zu früh erfolgt. 3.4 Das Nebenwirkungspotential von SSRI SSRI sind unter Annahme einer korrekten Diagnosestellung, bei depressiven Patienten in der Mehrzahl der Fälle sichere Medikamente. Unwillkürlich kommt man zu diesem Schluss, betrachtet man alternative Pharmaka mit ähnlichen Indikationen (TCA, MAO-Inhibitoren...). Dennoch muss ebendiese klar gestellt sein. Auf keinen Fall sollte man sie als „Lifestylepillen“ missverstehen, welche man in kurzfristig schwierig erscheinenden Lebenssituationen zu sich nimmt. Der Siegeszug der SSRI wurde seit den frühen Neunzigern des vergangenen Jahrtausends unter anderem durch ihre große therapeutische Breite ermöglicht. Verglichen mit den bis dahin oft verordneten TCA, welche ein sehr ausgeprägtes Nebenwirkungsprofil aufgrund ihrer Multi-Rezeptoraffinität aufweisen und eine geringe Toleranzgrenze bei der Dosierung besitzen, ist das Risiko bei SSRI relativ gering ernsthaft Schaden zu nehmen, sollte man akzidentiell oder in suizidaler Absicht, eine größere als verordnete Menge an SSRI zu sich nehmen [74]. Im Jahr 2007 publizierten McKenzie und McFarland eine Untersuchung zu Intoxikationen mit Antidepressiva in den USA zwischen 1983 und 2003. Es wurde ein deutlicher Anstieg der Intoxikationen insgesamt festgestellt. Betrug die Häufigkeit 1983 noch 0,61 Fälle pro 10000 Einwohner, stieg sie auf 3,62 pro 10000 Einwohner im Jahr 2003. Die Autoren führen den Anstieg auf das Aufkommen der SSRI mit ihrer, mit den TCA verglichenen, geringen Toxizität zurück. Das geringere Gefährdungspotential zeigt sich auch an der stark gesunkenen Letalität der Intoxikationen, welche im Beobachtungszeitraum von 73 Verstorbenen auf 10000 Vergiftungen auf 32 pro 10 000 Vergiftungen sank [75]. Die gute Verträglichkeit der SSRI spiegelt sich darin wider, dass 75% der Patienten unter SSRI-Therapie überhaupt keine Nebenwirkungen erfahren die ein Absetzen 49 der Medikation erforderlich machen und die restlichen 25% vorwiegend gastrointestinale Probleme spüren die nur in den ersten zwei Therapiewochen präsent sind. Diese Nebenwirkungen können sich als krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Diarrhoe, Gewichtsverlust aber auch Gewichtszunahme manifestieren. Es ist deshalb wichtig, die Anfangsdosis nicht zu hoch zu wählen. Die meisten der beschriebenen Symptome sind durch eine gesteigerte Magen-Darm-Motilität erklärbar. Im GIT liegt eine hohe Anzahl von Serotoninrezeptoren (5-HT3) vor. Diese werden im Rahmen erhöhter Serotoninkonzentrationen verstärkt stimuliert und wirken auf diese Weise Peristaltik-steigernd [76]. Eine unerwünschte Wirkung, welche sich im Gegensatz zu den gastrointestinalen Nebenwirkungen offensichtlich nicht mit zunehmender Behandlungsdauer abzuschwächen scheint sind sexuelle Störungen. Diese beinhalten Anorgasmie, reduzierte Libido, verminderte Erektionsfähigkeit und verlängerte Zeit bis zum Erreichen des Orgasmus. Die Häufigkeiten dieser sehr ernstzunehmenden Probleme werden mit 30 bis 80% (!) beschrieben [77]. Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Patienten dabei zu unterstützen, ohne das Medikament voreilig absetzen zu müssen: eine Dosisreduktion sollte als erstes in Betracht gezogen werden, die Zugabe eines anderen Medikamentes (die beste Datenlage besitzt Bupropion), oder ein Medikamentenwechsel innerhalb der Klasse der SSRI können Abhilfe verschaffen. Auch körperliches Training oder Yoga können unterstützende Maßnahmen darstellen. Als letzter Weg bei noch immer persistierenden Beschwerden sollte ein Absetzen des Antidepressivums in Erwägung gezogen werden [78]. Zentralnervöse Störungen welche Kopfschmerz, Schlafstörungen, Schwindel, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Tremor einschließen sind mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 20% anzunehmen. Ist die Tagesmüdigkeit vordergründig sollte das Präparat am Abend eingenommen werden, sind Schlafstörungen das Hauptproblem können Sedativa/Hypnotika als KoMedikation verabreicht werden. Man geht davon aus, dass auch diese Effekte den 50 verschiedenen Wirkungen des Serotonins bei zentralnervösen Prozessen zuzuschreiben sind [76]. Blutungskomplikationen zählen zu den schwerwiegenderen Nebenwirkungen welche unter SSRI-Therapie auftreten können. Da der Serotonintransporter in seiner Funktion gehemmt wird und in weiterer Folge die Serotoninkonzentration in den Thrombozyten abnimmt, diese aber essentiell ist für deren Funktion in der Gerinnungskaskade, verdreifacht sich laut Untersuchungen bei SSRI-Einnahme das Risiko eine Blutung im GIT zu erleiden. Es kann sogar um das 12fache gesteigert werden wenn zusätzlich zum SSRI noch Cyclooxygenase-Hemmer (COX-Hemmer) eingenommen werden [24]. In einer großen Übersichtsarbeit wird darauf hingewiesen, Patienten mit der nicht ungewöhnlichen Kombination von SSRI und COX-Hemmer oder anderen gerinnungshemmenden Substanzen wie einer oralen Antikoagulation (OAK), genau auf das Vorliegen von GIT-Blutungen hin zu beobachten und aufzuklären, im Speziellen wenn bereits eine Blutungshistorie vorliegt oder es sich um ältere Patienten handelt [79]. Eine Untersuchung von 5377 Patienten aus dem Jahre 2014 folgerte sogar, dass auch kurzzeitige Anwendungen von SSRI (ab sieben Tagen bereits) zu einer erhöhten Inzidenz von oberen GI-Blutungen führen können [81]. Zusammenfassend kann man aus einer Analyse von Serebruany im Jahr 2006 schließen, dass SSRI mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert sind, dass es sich dabei aber meist um nicht lebensbedrohliche, nicht transfusionsbedürftige und mit nur geringem Blutverlust einhergehende Ereignisse handelt. Das perioperativ erhöhte Blutungsrisiko sollten Anästhesisten und Chirurgen bedenken, weitere gerinnungshemmende Substanzen erhöhen es beträchtlich, ein genaues Monitoring von Risikopatienten ist elementar [80]. Erwähnung sollte ebenso eine potentiell gefährliche Nebenwirkung von SSRI erfahren: das SSRI-induzierte Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH). Es handelt sich um eine Nebenwirkung welche im Schnitt in den ersten zwei Behandlungswochen und vermehrt bei älteren (über 65 Jahren) Patienten sowie gehäuft bei Frauen und bei Patienten welche ein Diuretikum einnehmen auftritt. Fluoxetin scheint öfter als andere SSRI ein SIADH auszulösen. 51 Oft ist das durch ein SIADH-Syndrom (relativ) erniedrigte Serumnatrium durch ein Absetzten des SSRI und/oder durch Wasserrestriktion gut zu in den Griff zu bekommen. Bei Patienten mit oben erwähnten Risikokonstellationen erscheint es indiziert, vor allem zu Behandlungsbeginn mit einem SSRI, regelmäßige Elektrolytkontrollen durchzuführen [82]. Eine unangenehmer wenn auch nicht lebensbedrohender Effekt von SSRI der ebenfalls gehäuft bei Fluoxetin aufzutreten scheint, sind eine verschlechterte extrapyramidal-motorische Symptomatik bei Patienten die an Morbus Parkinson leiden. Man nimmt an dass ein Ungleichgewicht durch den erhöhten Serotoninspiegel zwischen Dopamin-Rezeptoren und Serotonin-Rezeptoren die Ursache dafür ist [76]. Die Ansichten ob SSRI zu einer Erhöhung der Suizid-Ideen und dadurch auch zu einem Anstieg der Suizidrate führen, wird kontrovers diskutiert. Da SSRI antriebssteigernd wirken bevor die Stimmungsaufhellung eintritt, können Patienten in einer Lebenskrise dazu verleiten werden, möglicherweise bereits bestehende Suizidgedanken in die Tat umzusetzen. Um solchen tragischen Zwischenfällen vorzubeugen, sollte insbesondere bei Patienten mit bereits geäußerten Suizidabsichten oder Suizidversuchen in der Vergangenheit, ein SSRI nur mit einer sedierenden Begleitmedikation oder zunächst überhaupt ein anderes, nicht aktivierendes Antidepressivum, in der akuten Depression verschrieben werden [2], [25]. Etliche Hinweise gibt es dahingehend, dass das Suizidrisiko in erster Linie bei Kindern und Jugendlichen (< 25 Jahre) bei Depression und SSRI-Therapie erhöht sei. Mit Zunahme des Patientenalters hingegen ist ein Suizid-protektiver Effekt sogar wahrscheinlich [83], [84]. Weitere Faktoren die das Therapieversager, Eintreten vermehrte von Selbsttötungsideen Hospitalisationen, begünstigen sind Akathisie und Persönlichkeitsstörungen. Diese Patientenkollektive befinden sich meist ohnedies, zumindest am Beginn der Therapie, im eher sicheren und kontrollierbaren Umfeld einer stationären Behandlung. SSRI-Therapie bei jüngeren Patienten sollte ausschließlich Spezialisten vorbehalten sein, die Konsultation von Kinder- und Jugendpsychiatern kann hier erforderlich werden. 52 Einig sind sich die meisten Autoren darin, dass weitere Untersuchungen zu diesem bedeutenden Zusammenhang wichtig und notwendig sind [83]. Kurz eingegangen soll noch auf das Serotonisyndrom und das SSRIAbsetzsyndrom werden: Ersteres ist ein sehr seltenes aber potentiell lebensbedrohliches Ereignis. Es tritt für gewöhnlich nicht unter Monotherapie (wenn, dann nur unter massivster Überdosis) auf. Meist sind Kombinationen von mehreren serotonerg wirkenden Substanzen erforderlich um ein Serotoninsyndrom auszulösen wie z.b. SSRI in Kombination mit MAOI, SNRI, TCA, Buspiron, Triptanen, Opioiden oder auch manchen Antibiotika. Die Therapie erfordert meist intensivmedizinische Maßnahmen, das sofortige Absetzen der serotonerg wirkenden Medikation ist der wichtigste Schritt. Manifestationen Hypertonie, können Tachykardie, Schwitzen, Rigor, Erregung, Koma, Psychosen, Delir oder Hyperthermie, sogar schwere Herzrhythmusstörungen sein [4], [25]. Das SSRI-Absetzsyndrom ist seit 1997 bekannt und wird heute gemeinhin als Form eines Entzugssymptoms gedeutet. Die Ausprägungen sind mannigfaltig und reichen von Mattheitsgefühl über Kopfschmerzen, Gereiztheit, Lethargie und Schlafstörungen bis zu Schwindel und gastrointestinalen Symptomen. Nicht alle Patienten bei denen ein SSRI abgesetzt wird leiden später bei Dosisreduktion an solchen Symptomen. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit abnehmender Dauer des Ausschleichprozesses. Empfohlen ist deshalb ein langsames „Entwöhnen“ von SSRI, sowie behutsame Patientenaufklärung über mögliche, meist nur einige Tage dauernde Befindlichkeitsstörungen nach dem Ende einer SSRI-Langzeittherapie [76], [85]. 53 4 Conclusio In der vorliegenden Arbeit wurde versucht eine Erkrankung von großer Relevanz für Betroffene, aber auch für gesamte staatliche Gesundheitssysteme mitsamt der Therapie durch eine spezielle Medikamentengruppe zu beschreiben. Es wäre falsch anzunehmen dass hier tief in die unterschiedlichen Problematiken bei der antidepressiven Therapie vorgedrungen wurde. Das kann auch nicht der Zweck einer solchen Übersichtsarbeit sein. Hingegen war die Absicht aufzuzeigen dass Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen, welche auch nach Durchsicht aktueller Literatur nicht eindeutig beantwortet werden können. Medizinische Datenbanken offerieren nach Informationen suchenden Medizinern heute Unmengen an Studien, Fallberichten, Metaanalysen etc. Der Weg um von einer definierten Fragestellung zu einer in der täglichen Praxis anwendbaren Antwort zu gelangen, ist mühsam und zeitintensiv. Zusätzlich verkomplizieren eine mangelnde Ausbildung in diesen für angehende Ärzte heute so wichtigen Fähigkeiten und ein eingeschränkter Zugriff auf Material in ebendiesen Datenbanken (teilweise fehlende Lizenzen der Medizinischen Universität Graz) solch ein Unterfangen. Es wäre wünschenswert, zukünftige Generationen von Studenten dahingehend besser vorzubereiten und auch die nötigen Zugriffsmöglichkeiten auf akademisches Wissen von Seiten der Universität zu gewähren. In den mehrere Wochen dauernden Recherchearbeiten für diese Arbeit konnten etliche als wichtig erachtete, teilweise aktuelle, teilweise ältere (vor dem Jahr 2005 erschienene) Artikel oder Studien nicht eingesehen und daher auch nicht miteinbezogen werden. Besagte Literatur auf herkömmlichem Wege kommerziell zu erwerben hätte einige hundert Euro an Kosten verursacht. SSRI sind sehr häufig verschriebene Medikamente [38]. Es liegt auf der Hand Belege für nachweisbare Wirkung zu fordern. Da die Summe der Literatur zu diesem Thema immens ist, sich aber in vielen Punkten widerspricht, ist es allzu oft nicht möglich eindeutige Ergebnisse auf die Frage der Wirkung bei verschieden stark ausgeprägten Formen von Depressionen zu geben. 54 Man versucht heute, der kontinuierlich wachsenden Menge an Literatur mittels Metaanalysen und Meta-Metaanalysen Herr zu werden. Leider sind aber auch diese in ihrer Aussagekraft oft limitiert: der Einschluss der Studien ist nach individuellen Parametern definiert, die Vergleichbarkeit der Studien kann schwierig nachzuweisen sein, ebenso kann die Qualität der Einzelstudien stark voneinander divergieren. Darum empfehlen manche Fachleute auch Leitlinien nicht alleine anhand von Metaanalysen zu gestalten [25]. In Zusammenschau der Fakten aus den zahlreichen gesichteten wissenschaftlichen Artikeln können folgende Schlüsse gezogen werden: Die auf breiter Front geführte Diskussion zur Wirksamkeit von SSRI bei unterschiedlichen Schweregraden von depressiven Störungen ist wichtig und soll mit zukünftigen Langzeitstudien untersucht werden Die Methoden zur Beurteilung des Erfolges einer antidepressiven Therapie (HRSD, MADRS) sollen re-evaluiert und eventuell durch geeignetere Modelle ersetzt werden Da es sich bei SSRI um Medikamente mit zum Teil schweren bis letalen Nebenwirkungen handelt, ist eine genaue Erhebung der aktuellen Verschreibungssituation, vor allem im hausärztlichen Bereich, anzuraten Bei gegebener Indikation sind SSRI Medikamente mit einem, im Vergleich zu älteren Medikamenten, (TCA, MAO-Inhibitoren...) benignen Nebenwirkungsspektrum und stellen einen wichtigen Bestandteil des psychopharmakologischen Armamentariums in der Therapie der Depressionen dar Die Verschreibung von SSRI bei milder depressiver Störung ist nach momentanen Erkenntnissen und Leitlinien nicht indiziert. Eine sorgfältige Nutzen-Risikoabwägung sollte selbst bei moderater Depression immer an erster Stelle des Therapeuten stehen neben dem stützenden Gespräch, der Motivation zur Psychotherapie und der genauen Weiterverfolgung des Therapieverlaufes um Nebenwirkungen frühzeitig begegnen zu können 55 Publikationen zur Wirksamkeit von Medikamenten sind mit Bedacht zu interpretieren. Das Nicht-Unterscheiden von statistischer und klinischer Signifikanz, das Negieren des Publication-Bias, die Existenz des PlaceboEffektes, fehlende oder mangelhafte Tiermodelle oder die Einflussnahme durch Pharmaunternehmen im Zulassungsverfahren können zu einer erheblichen Verzerrung von Datenlagen zur Wirksamkeit von Medikamenten führen. Dem Zitat von Victor Hugo „Die Melancholie ist das Glück traurig zu sein“ werden 800 000 an einer Depression leidende Österreicher nicht viel abgewinnen [86]. Es benötigt heute unabhängige Forschungsanstrengungen, eine offene und ehrliche Diskussion unter Wissenschaftlern und länderübergreifende prospektive Studien um Medikamente und andere Therapieformen gezielt und basierend auf wissenschaftlichen Grundlagen zum Wohle der Patienten einsetzen zu können. 56 5 Literaturverzeichnis [1] Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (2013), ICD10WHO Version 2013 Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) Affektive Störungen (F30-F39) URL: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/block-f30-f39.htm (Stand: 08. Dezember. 2014) [2] H.J. Müller, G.Laux, A. Deister. Duale Reihe-Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. 5. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2013 [3] G. Lenz, B. Küfferle. Klinische Psychiatrie. Grundlagen, Krankheitslehre und spezifische Therapiestrategien. 3. überarbeitete Auflage. Facultas Verlag Wien, 2008 [4] H.-B. Rotehenhäusler, K.-L. 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