Tachymeter - Ruhr-Universität Bochum

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Prof. Dr. techn. Alfred Mischke
Vorlesung zur Veranstaltung Vermessungskunde
Skript Teil 5: Tachymetermessung
Tachymeter sind die wichtigsten geodätischen Messinstrumente. Mit einem Tachymeter
werden gleichzeitig Horizontalrichtungen (Hz), Zenitdistanzen (Z) und Strecken (s)
gemessen. Ältere, analoge Messinstrumente, die über keine Streckenmesseinrichtung
verfügen, werden als Theodolite bezeichnet.
Ein Winkel ist die Differenz zweier Richtungen. Räumliche Richtungen werden i.d.R. in zwei
spezielle Ebenen zerlegt und projiziert:
=> Horizontalebene -> Horizontalwinkel, Horizontalrichtung
=> Vertikalebene -> Vertikalwinkel, Zenitwinkel, Zenitdistanz, Höhenwinkel, Elevation,
Nadirwinkel
Während die Vertikalebene eine eindeutige 0-Richtung besitzt (Zenit bzw. Nadir), ist die
Horizontalrichtung eine nicht orientierte Richtung in der Horizontalebene.
1 Im dreidimensionalen Raum führt die Zerlegung bzw. die Projektion dieser beiden
Raumrichtungen zu zwei Horizontalrichtungen R1, R2 und zwei Zenitdistanzen Z1, Z2.
Der Horizontalwinkel  ergibt sich dabei aus der Differenz der beiden Horizontalrichtungen
 = R2 - R1
Beispiel:
2 1 = 2 1  ist unabhängig von der Höhe der beiden Zielpunkt P1 und P2.
Der Vertikal- bzw. Zenitwinkel ist die Differenz einer speziellen Bezugsrichtung (Zenit,
Nadir) und der Projektion der Raumrichtung zum Punkt P in die Vertikalebene.
Der Zenitwinkel (die Zenitdistanz Z) zählt vom Zenit aus.
Alternativ gibt es den Höhenwinkel (Elevation E), der von der Horizontalebene aus zählt, und
den Nadirwinkel, der vom Nadir aus zählt.
Es gilt:
Z =100 gon - E
Um das Genauigkeitspotential der Instrumente ausschöpfen zu können, sind spezielle
Anforderungen an das Aufstellen des Instrumentes und an die Verfahren zur Messung und
Berechnung der Winkel zu stellen.
2 Richtungsmessung mit einem Theodolit und Tachymeter
Generell sind alle Winkelmessungen, die man mit einem Theodolit oder Tachymeter
durchführt, fehlerbehaftet. Man unterscheidet systematische und zufällige Fehler.
Systematische Fehler unterliegen, wie der Name schon verrät, einer Systematik. Vor
Berechnung der endgültigen Messergebnisse sollten die Messergebnisse um systematische
Fehlereinflüsse bereinigt werden (vgl. Kapitel „Statistik“).
Aufstellen des Instruments
Häufig ist bei einer Messung die Aufstellung über einem koordinatenmäßig bekannten
(Boden-)Punkt erforderlich. Eine fehlerhafte Aufstellung wirkt sich systematisch auf die
Messergebnisse aus.
Eine Aufstellung, die nicht exakt über dem Punkt erfolgt, führt zu konstanten Fehlern in xund y-Richtung und/oder zu einer Verdrehung des Messsystems. Eine ungenaue Bestimmung
der Instrumentenhöhe führt zu einem konstanten Fehler in z-Richtung. Eine ungenaue
Horizontierung des Instrumentes führt zu einem Fehler, dessen Ausmaß von der Zenitdistanz
zum Zielpunkt abhängt. Der Einfluss ist vergleichbar den Instrumentenfehlern und wird
deshalb dort mit abgehandelt.
Die Aufstellung und Horizontierung des Theodoliten oder Tachymeters über einem
Bodenpunkt erfolgt in folgenden Schritten:
1. Stativ grob über den Bodenpunkt aufstellen (ggfs. mit Hilfe eines Schnurlotes).
2. Korrigieren des Stativtellers, so dass sich dessen Mitte möglichst horizontal über dem
Bodenpunkt befindet.
3. Stativbeine fest in den Boden eintreten und das Instrument auf das Stativ schrauben.
4. Laserlot einschalten bzw. bei älteren Instrumenten durch das optische Lot schauen und
durch Drehen der Fußschrauben den Laserpunkt oder das optische Lot auf den
Bodenpunkt ausrichten.
5. Einspielen der Libelle(n) durch Verändern der Stativbeine (Stativschrauben)!
6. Feinhorizontierung mittels der Fußschrauben
7. Durch vorsichtiges Lösen der Zentralschraube und Verschieben des Stativtellers den
Bodenpunkt exakt einstellen.
8. Zentralschraube wieder fest anziehen und die Horizontierung und Zentrierung nochmals
überprüfen (ggfs. Schritte 6 und 7 wiederholen).
3 4 Horizontieren des Instrumentes
Zur Horizontierung der Instrumente dienen Dosen- und Röhrenlibellen.
Vor der eigentlichen Horizontierung sollte geprüft werden, dass der Spielpunkt der Libelle in
der Mitte der Libellenablesung liegt. Der Spielpunkt der Libelle bezeichnet den Punkt, in dem
die Libellenblase sich auf einer ebenen, horizontalen Fläche unabhängig von der Ausrichtung
der Libelle einspielt.
Die Horizontierung erfolgt in zwei Schritten, der Grob- und der Feinhorizontierung. Die
Grobhorizontierung erfolgt mittels der Dosenlibelle. Für die Feinhorizontierung wird die
genauere Röhrenlibelle verwendet.
Bei der Horizontierung werden zunächst zwei Fußschrauben gleichzeitig gegenläufig gedreht.
Dabei gibt der Zeigefinger der rechten Hand die Richtung an, in die die Blase der
Dosenlibelle laufen soll. Mit der dritten Fußschraube wird dann die Libelle zum Einspielen
gebracht. Zur Kontrolle wird das Instrument um 180° gedreht und überprüft, ob der
Spielpunkt richtig eingestellt wurde.
Ein nicht richtig horizontiertes Instrument führt zu einem Stehachsfehler, der zusätzlich zu
den anderen Achsfehlern des Instruments die Genauigkeit der Winkelmessung negativ
beeinflusst.
5 Instrumentenfehler
Im Idealfall sollten bei einem horizontierten
Instrument folgende Bedingungen erfüllt sein:
a) Stehachse VV lotrecht b) Kippachse KK senkrecht zur Stehachse VV c) Zielachse ZZ senkrecht zur Kippachse KK d) Vertikalkreisablesung im Zenit 0 Gon Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so spricht man von folgenden Fehlern: 1) Stehachsfehler v 2) Kippachsfehler i 3) Zielachsfehler (oder Kollimationsfehler) c 4) Höhenindexfehler IZ Dementsprechend handelt es sich bei Kippachs-, Zielachs- und Höhenindexfehler um
Instrumentenfehler und beim Stehachsfehler um einen Aufstellungsfehler.
Der Einfluss von Kippachs-, Zielachs- und Höhenindexfehler lässt sich durch Messungen in
zwei Lagen eliminieren. Eine Messung in zwei Lagen bedeutet, dass das Fernrohr nach einer
Messung „durchgeschlagen“ und anschließend um 200 gon gedreht wird und danach eine
weitere Messung aller Punkte erfolgt. Der Einfluss des Stehachsfehlers kann nicht durch
Messungen in zwei Lagen eliminiert werden, sondern nur durch den Einsatz von
Kompensatoren.
6 7 Herleitung des Einflusses der Fehler auf die Winkelmessung
a) Zielachsfehler c
Der Zielachsfehler c ist darauf zurückzuführen, dass die Zielachse nicht rechtwinklig zur
Kippachse ausgerichtet ist.
Betrachtet wird zunächst der Fall, in dem das Ziel exakt im Horizont liegt. Hierbei entspricht
der Einfluss (c) des Zielachsfehlers genau dem Zielachsfehler c.
In Lage I wirkt der Zielachsfehler in der Form:
R gI  R I  c 
Nach Durchschlagen des Fernrohrs und anschließender Drehung um 200 gon wirkt der
Zielachsfehler mit umgekehrtem Vorzeichen und gleichem Betrag in der Form:
R gII  R II  c 
Das Mittel aus einer Zweilagenmessung
R gI  R gII  200 gon R I  c   R II  c   200 gon R I  R II  200 gon


R
2
2
2
ist daher frei vom Zielachsfehler.
Der Einfluss des Zielachsfehlers (c) ändert sich mit der Zenitdistanz z. Folgende Abbildung
zeigt die Herleitung des Einflusses des Zielachsfehlers (c) auf die Horizontalwinkelmessung.
8 Abb.: Zielachsfehler c und sein Einfluss (c)
Zur Verdeutlichung wird das sphärische Dreieck auf der Kugel (Radius r=1) betrachtet.
Gegeben bzw. mit r = 1 berechenbar sind:
z, z, c, rechter Winkel (100 gon)
Gesucht: Winkel (c)
In der sphärischen Trigonometrie gilt:
1
sin c  sin 100 gon 


sin c
sin z
sin z
sin c  
sin c
sin z
Für kleine Winkel c gilt:
c  
c
sin z
9 Hieraus folgt z.B. für
z =100 gon
=> (c) = c
z =50 gon
=> (c) =
2*c
b) Kippachsfehler i
Der Kippachsfehler i ist darauf zurückzuführen, dass die Kippachse nicht rechtwinklig zur
Stehachse ausgerichtet ist.
Bei einem horizontalen Ziel wirkt sich, wie die weitere Herleitung zeigen wird, der
Kippachsfehler i nicht aus, d.h. der Einfluss des Kippachsfehlers (i) = 0.
Erst bei einem Ziel ober- oder unterhalb des Horizonts wirkt der Kippachsfehler i, da das
Fernrohr nicht mehr in einer Vertikalebene, sondern in einer um den Winkel i verkippten
Ebene bewegt wird. Da die Kippung der Zielachse nach dem Durchschlagen des Fernrohrs
mit gleichem Betrag in die entgegengesetzte Richtung zeigt, fällt die Auswirkung des
Kippachsfehlers (i) bei einer Zweilagenmessung heraus.
R gI  R I  i 
R gII  R II  i 
Das Mittel aus einer Zweilagenmessung
R
R gI  R gII  200 gon R I  i   R II  i   200 gon R I  R II  200 gon


2
2
2
ist daher frei vom Kippachsfehler.
10 Im Felde kann der Kippachsfehler bereits durch einfaches Anzielen senkrechten Kante (z.B.
Gebäudekante) überprüft und erkannt werden.
Die Herleitung des Einflusses des Kippachsfehlers (i) in Abhängigkeit von der Zenitdistanz z
auf die Horizontalwinkelmessung zeigt nachfolgende Abbildung.
11 Kippachsfehler i und sein Einfluss (i)
Zur Verdeutlichung wird das sphärische Dreieck auf der Kugel (Radius r=1) betrachtet.
Gegeben bzw. mit r = 1 berechenbar sind:
z, 100 gon, 100 gon – z, i
Gesucht: Winkel (i)
In der sphärischen Trigonometrie gilt:
sin i 
sin i

sin 100 gon - z  sin z

cos z
sin i   sin i *
cos z
 sin i * cot z
sin z
Für kleine Winkel i gilt: i   i * cot z Hieraus folgt z.B. für
z =100 gon => (i) = 0
Theoretisch gesehen beeinflusst der Kippachsfehler auch die Zenitdistanz. Dieser Einfluss ist
jedoch aufgrund seiner minimalen Größe in jedem Fall zu vernachlässigen, so dass auf eine
detaillierte Herleitung verzichtet wird.
c) Stehachsfehler V
Der Stehachsfehler V ist ein Aufstellungsfehler. Die Vertikalachse ist nicht parallel zur
Lotrichtung. Die Kippachse, die senkrecht zur Stehachse ausgerichtet ist, ist daher zur
Horizontalebene gekippt.
Ziel senkrecht zur Richtung der Stehachsneigung
12 Für die Horizontalwinkelmessung wirkt der Stehachsfehler ähnlich wie der Kippachsfehler.
Anders als beim Kippachsfehler bleiben aber die Neigung der Stehachse und daher auch die
Neigung der Kippachse raumfest, da der Theodolit um die geneigte Stehachse gedreht wird.
Der Stehachsfehler wird daher nicht durch die Zweilagenmessung eliminiert.
Der Einfluss des Stehachsfehlers (v) auf die Horizontalwinkelmessung wird senkrecht zur
Richtung der Stehachsneigung v maximal und wirkt dann wie ein Kippachsfehler - allerdings
mit dem Unterschied, dass in Lage II das Vorzeichen nicht wechselt. Liegt das Ziel in
Richtung der Stehachsneigung, so bleibt die Horizontalwinkelmessung unbeeinflusst.
Der Einfluss der Stehachsneigung (vH) auf die Horizontalwinkelmessung lässt sich daher wie
folgt berechnen:
(vH) = v * sin ( – 0) * cot z
mit
0  Richtung der Stehachsneigung (in Lage I)
 Richtung zum Ziel (in Lage I)
Auf die Zenitdistanzmessung wirkt sich die Stehachsneigung unmittelbar aus. In Richtung der
Stehachsneigung wird der Einfluss maximal, senkrecht hierzu verschwindet er.
Der Einfluss der Stehachsneigung (vZ) auf die Zenitdistanzmessung lässt sich daher wie folgt
berechnen:
(vZ) = v * cos ( – 0)
mit
 Richtung der Stehachsneigung (in Lage I)
 Richtung zum Ziel (in Lage I)
13 d) Höhenindexfehler Iz
Im Gegensatz zum Horizontalkreis, der bei Drehung des Theodolits um die Stehachse fest
bleibt, dreht der Vertikalkreis bei Drehung des Fernrohrs um die Kippachse mit, da der
Vertikalkreis fest mit der Kippachse verbunden ist. Die Ablesevorrichtung des Vertikalkreises
ist fest mit der Stütze verbunden.
Sie wurde früher durch eine spezielle Libelle, die sog. Höhenindexlibelle, parallel zur
Lotrichtung ausgerichtet. Heutzutage sorgt ein automatischer Kompensator (automatischer
Höhenindex) für die Ausrichtung. Der Fehler des Kompensators bzw. der Fehler der Libelle
wird als Höhenindexfehler (oder einfach Indexfehler) bezeichnet und wirkt wie ein
konstanter Ablesefehler. Er beeinflusst sämtliche Zenitdistanzmessungen in gleicher Weise
Zg = Z + Iz
mit:
Zg = Messwert
Z = fehlerfreier Wert (Sollwert)
Für die Messung in zwei Lagen gilt daher:
Z gI  Z I  I z
Z gII  Z II  I z
wobei die Summe aus beiden Messungen im fehlerfreien Fall 400 Gon ergeben muss:
ZI + ZII = 400 gon
=>
ZI = 400 gon - ZII
Auswirkung des Höhenindexfehlers:
a) Fehlerfreier Fall:
14 Fehlerfreie Ablesungen für ein Ziel im Horizont:
Lage I: ZI = 100 gon
ZI + ZII = 400 gon
Lage II: ZII = 300 gon
=>
ZI = 400 gon - ZII
Mittel aus Lage I und II:
Z I, II 
1 g
1
1

Z I  400 gon - Z gII   Z I  400 gon - 400 gon - Z I   Z I  Z I   Z I
2
2
2
b) Ablesungen im Falle eines Höhenindexfehlers Iz:
Für die Messung in zwei Lagen im Falle eines Höhenindexfehlers Iz gilt:
Z gI  Z I  I z
Z gII  Z II  I z
Die fehlerfreie Zenitdistanz aus Lage I und Lage II ergibt sich daher wie folgt:
15 Z I, II 


1 g
Z I  400 gon - Z gII
2









1
Z I  I z  400 gon - Z II  I z
2

1
Z I  I z  400 gon - 400 gon - Z I  I z
2

1
ZI  Iz  ZI - Iz
2



 ZI
Der Mittelwert aus einer in Lage I und Lage II gemessenen Zenitdistanz ist frei vom Einfluss
des Höhenindexfehlers. Dementsprechend lässt sich der Höhenindexfehler durch eine
Zweilagenmessung eliminieren.
Bei der Zenitdistanz bestimmt man i.d.R. an Stelle des Höhenindexfehlers die
Indexverbesserung vz. Fehler und Verbesserung unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen,
so dass hier Folgendes gilt:
vz = -Iz
Auswirkung und Bestimmung der Fehler
Die vier beschriebenen Fehler wirken sich unterschiedlich auf Horizontalwinkel- und
Zenitdistanzmessung aus.
Fehler
Auswirkung auf
Stehachsfehler v
Horizontalrichtung und Zenitdistanz
Kippachsfehler i
Horizontalrichtung
Zielachsfehler (oder Kollimationsfehler) c
Horizontalrichtung
Höhenindexfehler IZ
Zenitdistanz
Um die Fehler einzeln bestimmen zu können, müssen die Überlagerungseinflüsse eliminiert
werden. Des Weiteren sind Instrumenten- und Aufstellungsfehler zu trennen. Sind die
Instrumentenfehler einmal bestimmt, können sie als bekannt vorausgesetzt werden. Sie lassen
sich dann rechnerisch an jede Messung als Verbesserung anbringen, so dass auf den
Standpunkten jeweils nur noch der Aufstellungsfehler zu bestimmen ist.
Bei der Messung in zwei Lagen wirken sich nur die Aufstellungsfehler aus.
16 a) Ziel- und Kippachsfehler
Zunächst sei die Bestimmung des Ziel- und des Kippachsfehlers beschrieben. Um einen
Einfluss des Stehachsfehlers aufgrund schlechter Horizontierung der Aufstellung
auszuschließen, muss die Instrumentenhorizontierung mit höchster Genauigkeit erfolgen.
I.d.R. wird der Einfluss von Restfehlern bei der Horizontierung durch Kompensatoren nahezu
eliminiert.
Ziel- und des Kippachsfehler wirken in Abhängigkeit von der Zenitdistanz und wachsen mit
der Steilheit der Visuren, weshalb sehr steile Visuren nach Möglichkeit vermieden werden
sollten.
c  
c
sin z
i   i * cot z
=>
R gI  R I  c   i  und R gII  R II  c   i 
Bildet man nun folgende Differenz zwischen den Messungen aus Lage I und Lage II, so erhält
man:
R gI - R gII  200 gon  R I  c   i   200 gon - R II  c   i 
 R I  200 gon - R I  200 gon   2 * c   i 
 2 * c   i 
Somit gilt:
c   i   1 * R gI - R gII  200 gon 
2
Für ein horizontales Ziel (z =100 Gon) gilt aber:
c  
c
c

c
sin z sin 100 gon
i   i * cot z
 i * cot 100 gon  0
=> für z = 100 gon:
c  c  
1
* R gI - R gII  200 gon 
2
Daher bestimmt man zunächst aus der Zweilagenmessung zu einem horizontalen Ziel den
Zielachsfehler. Anschließend wird eine zweite Zweilagenmessung zu einem möglichst steilen
Ziel (steile Visur) durchgeführt. Da der Zielachsfehler bereits zuvor bestimmt wurde, lässt
sich der Kippachsfehler nun wie folgt bestimmen:
17 c  i   1 * R gI - R gII  200 gon 
2
i   1 * R gI - R gII  200 gon   c 
2


1
i * cot z  * R gI - R gII  200 gon  c 
2
Durch eine weitere Umstellung erhält man schließlich:
c 
1
* tan z
i   * R gI - R gII  200 gon  
sin z 
2
c
1
i  * R gI - R gII  200 gon * tan z 
cos z
2
Zur Bestimmung von Ziel- und Kippachsfehler gibt es entsprechende Programme, die aus den
Zweilagenmessungen zu mehreren Zielen diese Fehler berechnen und bei späteren
Winkelmessungen rechnerisch berücksichtigen. Wenn diese Messungen zur Bestimmung und
Speicherung von Ziel- und Kippachsfehler durchgeführt werden, muss unbedingt darauf
geachtet werden, dass sowohl nahezu horizontale Ziele als auch Ziele mit steiler Visur
angezielt werden. Ansonsten ist die Berechnung der Fehler nummerisch instabil, was dazu
führt, dass fehlerhafte Korrekturwerte vom Tachymeter gespeichert und an allen folgenden
Messungen angebracht werden! Bei Zielen, die eine steile Visur erfordern, sollte in jedem Fall
unbedingt die Messung in beiden Fernrohrlagen erfolgen.
Des Weiteren muss streng genommen der Zielachsfehler als Funktion der eingestellten
Entfernung bestimmt werden, da die Ziellinie beim Umfokussieren minimal ihre Lage ändern
kann, was sich unmittelbar auf den Zielachsfehler auswirkt.
b) Höhenindexfehler
Der Höhenindexfehler Iz resultiert aus dem Kompensatorfehler (bei älteren Theodoliten:
Fehler der Höhenindexlibelle) und wirkt wie ein konstanter Ablesefehler, d.h. der Fehler wirkt
auf alle Zenitdistanzmessungen in gleicher Weise:
Für die Messung in zwei Lagen gilt daher:
Z gI  Z I  I z
Z gII  Z II  I z
wobei die Summe aus beiden Messungen im fehlerfreien Fall 400 gon ergeben muss:
ZI + ZII = 400 gon
=>
ZI = 400 - ZII
18 Der Höhenindexfehler lässt sich entsprechend bestimmen:
Z gI  Z gII - 400 gon  Z I  I z  Z II  I z - 400 gon
 2 * I z  Z I  400 gon  Z I  - 400 gon
 2 * Iz
=>
Iz 
1
* Z gI  Z gII - 400 gon 
2
Bei der Zenitdistanz bestimmt man i.d.R. an Stelle des Höhenindexfehlers die
Indexverbesserung vz. Fehler und Verbesserung unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen,
so dass hier Folgendes gilt:
vZ  - Iz 

1
* 400 gon - Z gI  Z gII
2

Auf einem Standpunkt sollte der Höhenindexfehler bei den Zenitdistanzmessungen zu allen
Zielpunkten konstant bleiben. Aus diesem Grunde wird vz unmittelbar aus den Abweichungen
der Einzelwerte zum Mittelwert bestimmt.
c) Stehachsfehler
Der Einfluss der Stehachsneigung auf die Horizontalwinkelmessung (vH) und auf die
Zenitdistanzmessung (vZ) lässt sich, wie oben gezeigt, wie folgt berechnen:
(vH) = v * sin ( – 0) * cot z
(vZ) = v * cos ( – 0)
mit
0  Richtung der Stehachsneigung (in Lage I)
 Richtung zum Ziel (in Lage I)
19 Moderne digitale Theodolite und Tachymeter verfügen über einen Zweiachskompensator
(Flüssigkeitskompensator), der die Neigung der Stehachse in zwei senkrecht zueinander
stehenden Richtungen erfasst und dann nach oben gezeigter Formel rechnerisch an die
Messungen anbringt. Die Neigung v und die Richtung der Neigung 0 wird aus den beiden
Neigungswerten vx und vy wie folgt berechnet:
v  v 2X  v 2Y
 0  arctan
vY
vX
Theoretisch lassen sich diese Werte auch durch Anzielung von Zielen im Horizont, die in
einem Horizontalwinkel von ca. 100 gon zueinander liegen, bestimmen.
Bei einer automatischen Berechnung und Berücksichtigung des Stehachsfehlers darf die
Neigung nicht größer als der Messbereich des Kompensators sein, i.d.R. 1’ bis 3’. Wird dieser
Bereich überschritten, erfolgt keine Winkelmessung mehr bzw. das Instrument zeigt einen
Fehler an (z.B. Tilt).
Es ist wichtig, sich den Messbereich des Kompensators bewusst zu machen, da eine Neigung
des Messinstrumentes auch zu einer Positionierung neben einem Bodenpunkt führen kann.
Beispiel:
Das Instrument ist um 3’ ≙ 0,05° in eine Richtung geneigt. Bei einer Instrumentenhöhe von
180 cm lässt sich die Lage-Abweichung fL bezüglich des Bodenpunktes in diese Richtung
berechnen zu:
fL 
r *
 grad

180 cm * 0,05 * 
 0,15 cm
180
20 Allgemeine Hinweise
Sämtliche Instrumentenfehler ändern sich mit der Temperatur. Weitere Einflussfaktoren, die
eine Änderung der Instrumentenfehler hervorrufen können, sind Vibrationen und Stöße beim
Transport. Wenn nur in einer Fernrohrlage gemessen wird, sind diese Fehler daher unbedingt
vor der Messung zu bestimmen und im Gerät abzuspeichern, damit diese bei der
anschließenden Winkelmessung rechnerisch berücksichtigt werden können. Messungen zu
Zielen, die eine steile Visur erfordern, sind auch mit modernsten Instrumenten grundsätzlich
in zwei Lagen zu durchzuführen.
Horizontalwinkelmessung
Die Horizontalwinkelmessung erfolgt in Voll- oder Halbsätzen zu zwei oder mehreren Zielen.
- Halbsatz:
Messung nur in einer Fernrohrlage
- Vollsatz:
Messung in beiden Fernrohrlagen
Halbsätze sind nur zulässig
―
bei geringen Genauigkeitsanforderungen (cgon)
―
bei Zielen mit gleicher
Horizontalrichtung.
Zenitdistanz
und
sehr
geringen
Unterschieden
der
Die Anzahl der Sätze richtet sich nach der Genauigkeit des Theodoliten und der
Genauigkeitsanforderung an die Winkelmessung. Vor Beginn der Satzwinkelmessung sind
daher folgende Vorgaben festzulegen:
n: Anzahl der Sätze
s: Anzahl der zu beobachtenden Ziele
Sofern für die Messauswertung Näherungskoordinaten des Standpunktes und/oder von
Zielpunkten berechnet werden müssen, sollte das erste Ziel ein gut sichtbares und gut
21 einzustellendes Ziel sein, da auf diese Richtung alle anderen Richtungen später reduziert
werden.
Die Durchführung der Winkelmessung erfolgt in folgenden Schritten:
1. Horizontierung des Instrumentes
2. Lage I:
Ziel 1, Ziel 2, Ziel 3, ...., Ziel s
3. Lage II:
Ziel s, Ziel s-1, Ziel s-2, ..., Ziel 1
4. Überprüfung der Horizontierung und ggf. Nachhorizontieren des Instruments
5. nächster Satz, Lage I, dann Lage II usw.
Durch die Reihenfolge 1, 2, 3,... s bzw. s, s-1, s-2,..., 1 sollen ein zwischenzeitliches
(gleichmäßiges) Einsinken des Instruments und Einflüsse durch einseitige Sonnenerwärmung
kompensiert werden.
Die Feldbuchführung sowie die Auswertung der Messungen werden nachfolgend beschrieben.
Feldbuch Winkelmessung (Beispiel für Ausfüllen: s. Zusatzskript)
Feldbuchauswertung: ( s: Anzahl der Strahlen, n: Anzahl der Sätze):
Die Ergebnisse sind geodätisch zu runden, wobei sich bei den Richtungsmessungen die
Anzahl der Nachkommastellen nach der Ablesegenauigkeit richtet. Die angegebenen
Rechenproben sind nur bei manueller Auswertung des Feldbuchs sinnvoll, nicht bei
Auswertung mit Programmen.
Satzweise Berechnungen:
1. Reduzierung der einzelnen Richtungen auf 1. Richtung:
R I i  A I i - A I1
R II i  A II i - A II1
;
1. Summenprobe: [R I ]  [A I ] - s * A I i
;
i = 1, s
[R II ]  [A II ] - s * A II i
;
2. Berechnung der Satzmittel:
R I, II i 

1
* R I i  R II i
2

;
i = 1, s

2. Summenprobe: [A I ]  [A II ]  2 * [R I, II ]  s * A I1  A II1

22 Mittel aus allen Sätzen:
Ri 
1 n
*  R I, II i
n j 1
;
i = 1, s
3. Summenprobe: n * [R ]  [R I, II ]
Die Summenproben dienen zur Verprobung der reduzierten und gemittelten Beobachtungen
und werden an Hand der letzten beiden Stellen vollzogen; sie kontrollieren nicht die
Richtigkeit der Messung, sondern die Richtigkeit der Auswertung des Feldbuchs!
Berechnung der Verbesserungen:
Differenz d zum Gesamtmittel:
d ik  R i - R k
;
k = 1, n ;
Mittel der Differenzen pro Satz:
s
k 1
d  *  d kj
s j 1
;
k = 1, n
Verbesserungen:
v ik  d ik - d
I,II i
k
;
k = 1, n ;
i = 1, s
i = 1, s
Die vik müssen in dieser Weise aus den dik berechnet werden, um eine Fehlerverteilung auch
auf die Nullrichtung vorzunehmen.
Berechnung der Standardabweichungen:
Standardabweichung einer Einzelrichtung (Lage I,II gemittelt):
R 
 vv
n - 1 * s - 1
Standardabweichung der aus n-Sätzen gemittelten Richtung:
R 
R
n

 vv
n * n - 1 * s - 1
23 Zenitdistanzmessung
Die Zenitdistanz bzw. der Zenitwinkel ist der Winkel zwischen dem Zenit und dem Zielpunkt
(definiert durch die Zielachse des Fernrohrs) in der Vertikalebene zum Ziel. Der Zenit ist
durch die Lotrichtung des Standpunktes definiert.
Der Zenitwinkel Z wird zur Berechnung der Horizontalstrecke sh aus der gemessenen
Schrägstrecke s sowie zur Berechnung des Höhenunterschiedes h benötigt:
sh = s * sin z
h = sh * cot z + i – t = s * cos z + i – t
mit
s: gemessene Schrägstrecke
i: Kippachshöhe des Theodolits
t: Tafelhöhe des Zielpunktes
24 Für eine horizontale Visur gilt: Lage I: z =100 gon; Lage 2: z = 300 gon
Entsprechend gilt für ein Ziel im Zenit: Lage I: z = 0 gon; Lage II: z = 200 gon
Bei längeren Entfernungen sind unbedingt die Strahlkrümmung (wegen Refraktion) und die
Erdkrümmung zu berücksichtigen.
Erdkrümmung:
Z/2
Wegen der Erdkrümmung sind die beiden Lotrichtungen von zwei Punkten im Abstand b auf
der Erdoberfläche nicht mehr parallel. Die durch den Abstand b resultierende Winkeldifferenz
(Verfälschung der Zenitdistanzmessung) z/2 lässt sich wie folgt abschätzen:
z 
b*
z b * 


R
2
2R
Beispiele (für R = 6371 km):
b = 100 m
=>
z = 1 mgon =>
z/2 = 0,5 mgon
b = 200 m
=>
z = 2 mgon =>
z/2 = 1 mgon
b = 500 m
=>
z = 5 mgon =>
z/2 = 2,5 mgon
Die Beispiele zeigen, dass bereits ab 200 m Entfernung für Genauigkeitsanforderungen von 1
mgon bis 2 mgon die Erdkrümmung nicht mehr zu vernachlässigen ist.
25 Mit der Kathetenzuschlagsformel kann man auch die Höhenunterschiedsreduktion h wegen
der Erdkrümmung anstelle der Zenitdistanzabweichung angeben. Deutlich bemerkbar macht
sich die Erdkrümmung ab s > 300 m:
rE Abb. Reduktion wegen Erdkrümmung
rE = s² / 2R mit R 6370 km (Radius der Erdkugel)
Die Erdkrümmung wird bei den elektronischen Tachymetern automatisch berücksichtigt.
Neben der Erdkrümmung wirkt sich auch noch die Ablenkung des Zielstrahls in der
Atmosphäre auf die Messung aus (Refraktion). Dies wird im Kapitel „Trigonometrische
Höhenbestimmung“ (Skript: Nivellement) beschrieben.
Feldbuch zur Zenitdistanzmessung:
399,992
207,100
207,104
26 Jedes Ziel wird zunächst einzeln mit der vorher festgelegten Anzahl von Sätzen gemessen.
Am Ende aller Messungen wird überprüft, ob der Höhenindexfehler für alle Ziele konstant
geblieben ist.
Wenn dieses der Fall ist, werden die Indexverbesserungen aller Ziele für diesen Standpunkt
gemeinsam gemittelt und aus hieraus die Standardabweichung für eine Zenitdistanzmessung
bestimmt.
Ist jedoch erkennbar, dass der Indexfehler für jedes Ziel unterschiedlich ist, was darauf
hindeutet, dass noch andere Zenitdistanz-abhängige Fehlereinflüsse verblieben sind, müssen
die Indexverbesserungen und damit die Standardabweichung für eine Zenitdistanzmessung für
jedes Ziel einzeln ermittelt werden.
Berechnungen pro Strahl:
400 gon - A I i  A II i 
Indexabweichung:
v Zi 
Zenitdistanz:
zi 
Mittel:
z
Summenprobe:
n * z  z   A I   v Z 
2
A I i  A II i  400 gon
2
;
i = 1, n
;
i = 1, n
n = Anzahl der Sätze
1 n
*  zi
n i 1
Berechnung der Standardabweichungen unter Verwendung der berechneten Indexabweichung
aus allen Sätzen und allen Zielen (Gesamtanzahl: m = n * s):
mittlere Indexabweichung:
1 m
vz  *  vzi
m i 1
Verbesserungen: v i  v z  v z i
Standardabweichung der Indexabweichung und einer aus Lage I und II gemittelten
Zenitdistanz:
svz  sz 
 vv
m -1
Standardabweichung einer aus n-Sätzen gemittelten Zenitdistanz
sz 
s
 vv
 z 
n * m - 1
n
n
svz
27 Falls die einzelnen Ziele mit einer unterschiedlichen Anzahl von Sätzen bestimmt wurden,
sind für n die individuellen Werte einzusetzen.
Vereinfacht wird die Standardabweichung manchmal aus den Verbesserungen zwischen den
gemessenen und gemittelten Zenitdistanzen berechnet:
vi  z - zi
Die Genauigkeit einer Zenitdistanzmessung beträgt danach
 vv
Z 
n - 1 * s - 1
Die Genauigkeit der gemittelten Zenitdistanzmessung beträgt danach
Z 
Z
n

 vv
n * n - 1 * s - 1
Ausreißern in der Messung
Zum Aufspüren von Ausreißern sei auf das Kapitel Statistik verwiesen.
Eine Besonderheit bei der Winkel- bzw. Richtungsmessung betrifft die Messung in zwei
Lagen. Wurde ein Ausreißer bei einer Messung festgestellt, so muss auch der zugehörige
Messwert in der anderen Lage gestrichen werden.
Die Berechnung der Standardabweichung, bei der immer von vollständigen Sätzen ausgegangen wird, lässt sich nicht mehr absolut korrekt durchführen, wenn in einem Satz (oder
mehreren Sätzen) die Messung zu einem Ziel gestrichen werden musste.
28 
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