Petr Eben: Hiob Masterarbeit von Zita Szeitl eingereicht an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Betreuer Prof. Dr. Peter Revers Graz, am 06.06.2013 I Kurzfassung Die vorliegende Masterarbeit analysiert den achtsätzigen Orgelzyklus Hiob (1987) des tschechischen Komponisten Petr Eben (1929 – 2007). Das Werk wurde für Orgel und Sprecher komponiert, die Zitate entstammen dem alttestamentarischen Weisheitsbuch Hiob. Die Geschichte handelt von einem Mann aus dem Lande Uz, der vor 3500 – 3600 Jahren gelebt hat und von Gott alles bekommen hat: Reichtum, Anerkennung, Familie. Innerhalb eines Tages verliert er jedoch alles, was er hatte, und neben all den Katastrophen befallen ihn auch noch schreckliche Krankheiten. Gott gibt sein Leben in die Hände des Satans, wodurch Hiobs Glaube auf die Probe gestellt wird. Diesen Kampf und die Geschichte von Hiob vertont Petr Eben in acht Sätzen die wie folgt betitelt sind: Schicksal, Gesinnungstreue, Annahme des Leides, Sehnsucht nach dem Tode, Verzweiflung und Resignation, Geheimnis der Schöpfung, Buße und Erkenntnis, Gottes Lohn. Eben kommentiert in seinem Vorwort zu dem Orgelzyklus jeden der Sätze, indem er die musikalischen Zitate (z. B. das Lied Wer nur den lieben Gott lässt walten, Exultet) oder die Formen der Sätze (z. B. Passacaglia, Choralvariation) nennt. Die vorliegende Arbeit hat diese Äußerungen zur Grundlage, und als erster Aspekt wird in der Arbeit nach Hintergrundinformationen, Liedtexten und inhaltlichen Parallelen mit dem Text Hiob gesucht. Dadurch kommt man zu dem Ergebnis, dass Ebens Zitate in Verbindung mit neutestamentarischen Geschehen (wie Ostern oder Pfingsten) stehen und dadurch die Parallelen zwischen der alttestamentarischen Geschichte Hiobs und dem neutestamentarischen Christus dargestellt werden. Eben komponierte dieses Werk in seiner letzten Schaffensphase, in der er auf traditionelle Formen früherer Epochen zurückgreift oder Stücke anderer Komponisten zitiert. Als zweiter Aspekt wird nach diesen von Eben verwendeten musikalischen Zitate gesucht, dargestellt, welche Eindrücke der tschechische Komponist von ihnen bekommen haben könnte, und untersucht, wie sich in seiner Komposition die Eigenschaften der dritten Schaffensphase realisieren. Dadurch kommt man zum Ergebnis, dass Johann Sebastian Bach, Olivier Messiaen, Jean Langlais, Marcell Dupré oder Maurice Duruflé als mögliche kompositorische Vorbilder gelten können. II Abstract This master thesis aims to analyse the organ cycle Job in eight movements (1987) by the Czech composer Petr Eben (1929 – 2007). This work was composed for solo organ and narrator, whereas the references are taken from the book of Job from the Old Testament. The story deals with a man from the land of Uz, who lived about 3500 to 3600 years ago and had received everything by God’s benevolence: wealth, recognition and a large familiy. Within one single day, however, he loses anything and besides all catastrophes he is also afflicted with terrific diseases. God gives his life into the hands of Satan, thereby proving Job’s faith. This battle between good and the evil is set to music by Petr Eben in eight movements, each of which expresses a theme based on a quotation from the Book of Job: Destiny, Faith, Acceptance of Suffering, Longing for Death, Despair and Resignation, Mystery of Creation, Penitence and Realisation and God’s Reward. Eben even comments the movements one by one in his preface and mentions some musical references (e.g. the song Wer nur den lieben Gott lässt walten, or the Exultet) or forms of the movements (e.g. Passacaglia, choral variation). The following thesis is founded onto these statements from the composer himself and the first aim was searching for further background information, spiritual songs and contextual parallels with the Book of Job. Via this analysis one comes to the result that Eben’s references are standing in striking association with the happenings of the New Testament (like Easter or Pentecost). They are referring to the parallels existing between the Old Testamentary Job and the New Testamentary Jesus Christ. Eben composed this work during his last period of work, being characterized by the use of forms from former musical epochs or musical references from other composers. The second aim was searching for and comparing which musical references Eben could have used and which influences he could have received from them. It was also investigated how the characteristics of his third and last period of his creative life are built up in this composition. Finally, one comes to conclude, that Johann Sebastian Bach, Olivier Messiaen, Jean Langlais, Marcell Dupré or Maurice Duruflé can be presumed to be his compository paradigms. III Vorwort In der Masterarbeit Petr Eben: Hiob wird der achtsätzige Orgelzyklus in elf Kapiteln analysiert. Im ersten Kapitel der Arbeit, welches als einleitender Teil dient, bekommt der Leser einen Überblick über die Biographie und das Schaffen und die Schaffensphasen des tschechischen Komponisten. Danach werden die zwei Aspekte der Analyse bekannt gegeben, welche in Verbindung mit den Schaffensphasen des Komponisten sowie mit Hiob stehen. Der erste Aspekt ist es, die vom Komponisten genannten musikalischen Zitate im Vorwort des Werkes zu untersuchen. Dadurch stößt man auf wichtige Hintergrundinformationen und auch auf bestimmte Liedtexte. Der zweite Aspekt ist es, mögliche kompositorische Vorbilder zu den einzelnen Sätzen zu suchen, wobei auf Figurationsähnlichkeiten, formale Gemeinsamkeiten oder inhaltliche Parallelen hingewiesen wird. Als drittes Kapitel wird die alttestamentarische Geschichte Hiob mit den Stellen des Sprechers verglichen. Ab dem vierten Kapitel beginnen die Hauptkapitel der Arbeit mit den acht Sätzen des Orgelzyklus, in denen jeder Satz mit dem Zitat des Sprechers beginnt, welchem das Motto des Satzes und das dazu passende Zitat des Komponisten folgen. Die gesprochenen Einleitungen jener Sätze weisen auf den ersten Aspekt der vorliegenden Arbeit hin, welchem eine detaillierte tabellarische Analyse folgt. In dieser ist es wichtig, den Verläufen der Zitate folgen zu können und den Aufbau der einzelnen Sätze kennen lernen zu können. Jeder Satz schließt mit einem Fazit. Diese Arbeit ist in erster Reihe denen gewidmet, die diese Komposition auf der Orgel oder als Sprecher interpretieren, interpretiert haben oder interpretieren werden. Sie dient als Unterstützung, dieses Orgelwerk weiter als es das Notenbild zeigt - kennenzulernen und beantwortet solche Fragen, wie „warum der Komponist manche Zitate benützt“ oder „in welchem Zusammenhang manches Zitat in der Liturgie steht“. Diese Informationen geben ein erweitertes Bild über den Komponisten und über das Stück. Dies war schließlich auch meine eigene Motivation als Autorin der Abschlussarbeit. Ich möchte mich an erster Stelle bei meinem Betreuer, Herrn Prof. Dr. Peter Revers, für die von mir sehr geschätzten Vorlesungen und Seminare der letzten Jahre und für die Verbesserungsvorschläge meiner Masterarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch Frau Mag. Réka Miklós bei der Unterstützung meiner Fragen in Verbindung mit der Liturgie und allen jenen Kollegen, die mir in den letzten Jahren zur Seite gestanden sind. IV Mein größter Dank gilt meiner Familie Eibinger, besonders Eva und Gerald, die diese Arbeit mit voller Unterstützung sprachlich und graphisch korrigiert und verbessert haben. Mein allergrößter Dank gebührt jedoch meinen Eltern, die mich stets selbstlos unterstützt und mir damit meinen Lebensweg ermöglicht haben. V Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Petr Eben .............................................................................................. 8 1.1 Ebens Schaffen......................................................................................................... 9 1.2 Eben und die Orgel................................................................................................. 14 1.2.1 Werke für Orgel und Sprecher ............................................................................... 14 1.3 Eben und die Religion ............................................................................................ 15 2 Aspekte der Arbeit............................................................................. 17 3 Hiob ..................................................................................................... 19 3.1 Über die biblische Geschichte................................................................................ 21 3.2 Die Figur Hiobs...................................................................................................... 28 4 Erster Satz: Schicksal ........................................................................ 29 4.1 Schicksal................................................................................................................. 29 4.2 Analyse des Satzes ................................................................................................. 30 4.3 Mögliche kompositorische Vorbilder..................................................................... 34 4.4 Fazit........................................................................................................................ 38 5 Zweiter Satz: Gesinnungstreue ......................................................... 40 5.1 Exsultet................................................................................................................... 41 5.2 Gloria in Excelsis Deo............................................................................................ 44 5.3 Über das Lied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“............................................. 45 5.4 Ablauf der Osternacht ............................................................................................ 48 5.5 Fazit........................................................................................................................ 51 5.6 Analyse des Satzes ................................................................................................. 52 5.7 Mögliche kompositorische Vorbilder..................................................................... 56 6 Dritter Satz: Annahme des Leides .................................................... 63 6.1 Über das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ .......................................... 64 6.2 Analyse des Satzes ................................................................................................. 66 6.3 Mögliche kompositorische Vorbilder..................................................................... 69 6.4 Fazit........................................................................................................................ 76 7 Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode .......................................... 78 7.1 Passacaglia ............................................................................................................. 79 VI Inhaltsverzeichnis 7.2 Analyse des Satzes: ................................................................................................ 80 7.3 Mögliche kompositorische Vorbilder..................................................................... 85 7.4 Fazit........................................................................................................................ 89 8 Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation ................................... 91 8.1 Analyse des Satzes ................................................................................................. 91 8.2 Das Klagelied ......................................................................................................... 93 8.3 Mögliche kompositorische Vorbilder..................................................................... 94 8.4 Fazit........................................................................................................................ 97 9 Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung ......................................... 98 9.1 Schöpfungsgeschehen in Hiob ............................................................................... 99 9.2 Analyse des Satzes ............................................................................................... 100 9.3 Mögliche kompositorische Vorbilder................................................................... 102 9.4 Fazit...................................................................................................................... 105 10 Siebter Satz: Buße und Erkenntnis................................................. 106 10.1 Über das Bußlied.................................................................................................. 106 10.2 Über den Hymnus Veni creator Spiritus .............................................................. 107 10.3 Veni creator spiritus und das Bußlied .................................................................. 109 10.4 Analyse des Satzes ............................................................................................... 111 10.5 Mögliche kompositorische Vorbilder................................................................... 113 10.6 Fazit...................................................................................................................... 115 11 Achter Satz: Gottes Lohn................................................................. 117 11.1 Über das Lied Christus, Beispiel der Demut........................................................ 118 11.2 Vere dignum et iustum est.................................................................................... 119 11.3 Analyse des Satzes ............................................................................................... 120 11.4 Die Choralvariation .............................................................................................. 124 11.5 Fazit...................................................................................................................... 126 12 Literaturverzeichnis ........................................................................ 128 13 Abbildungsverzeichnis .................................................................... 135 VII Petr Eben 8 1 Petr Eben Der tschechische Komponist Petr Eben wurde 1929 im ostböhmischen Zamberk als zweites Kind einer Lehrerfamilie geboren. Die heutige Stadt Zamberk (deutsch Seftenberg in Böhmen), wo der Komponist 1993 zum Ehrenbürger ernannt wurde 1, befindet sich im Tal der Divoká Orlice (deutsch Wilde Adler) und ist auch wegen seiner Petr-Eben-Musikschule bekannt. Schon Ebens Kindheit war durch die Musikalität seiner Eltern geprägt: Die Mutter sang gern und begleitete sich selbst mit der Gitarre. Der Vater war Mitglied in einem Laienorchester, wo er regelmäßig die Violine spielte. Nach Ansicht Ebens waren seine Eltern zwar keine markanten Künstlerpersönlichkeiten, er dankte aber trotzdem dafür, dass sie ihm seine musikalischen Anfänge ermöglicht haben. 2 Die Familie ging 1935 in die Stadt Cesky Krumlov (deutsch Krumau), wo Eben mit sechs Jahren Klavier und Violoncello – und mit neun Jahren auch die Orgel zu spielen begann. 3 Die Familie wohnte in einem Haus, das sich parallel zur St.Veits Kirche befand. Dadurch war es dem Komponisten möglich, häufig die Kirchenlieder und den Messgesang zu vernehmen. Wegen der politischen Umstände zu Beginn des 2. Weltkrieges musste die Familie in ein anderes Haus ziehen, welches sich direkt unter dem Krumauer Schloßturm befand. Die kirchlichen Eindrücke, die Fanfaren, der Fluss – die Moldau – und die mittelalterliche Architektur der Stadt haben Ebens kompositorische Inspiration maßgebend beeinflusst. Ab 1948 studierte Eben Klavier und Komposition in Prag. Die Stadt Prag spielte in seinem Leben eine bedeutende Rolle. Der Komponist selbst bezeichnete sie als „allerschönste Stadt“ 4 und in mehreren Werken sind die Einflüsse Prags sehr deutlich (Pragensia 1972, Prager Nocturno 1983). Die Orgel war sein Hauptinstrument, obwohl er sie nicht studierte und er erreichte mit seinem Diplomwerk Konzert für Orgel und Orchester No.1 (1954) großen Erfolg und Anerkennung. 5 Nach seinem Studium (1955) begann er am musikhistorischen Institut der Karls-Universität in Prag Musiktheorie zu unterrichten. Er war später (1978 – 1979) Professor für Komposition an der Royal Northern Academy of Music in Manchester und ab 1 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S.21. 2 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 14 3 Vgl. Martin WEYER: Artikel Petr Eben. in: Handbuch Orgelmusik. Komponisten, Werke, Interpretation. Bärenreiter, Metzler, Kassel 2002. S. 623. 4 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S.27. 5 Vgl. John BROWNE: The Organ concertos of Petr Eben. in: A Tribute to Petr Eben. To mark his 70th birthday year. Edited by Graham Melville – Mason. The Dvorak Society 2000. S. 34 – 62. Petr Eben 9 1990 Lehrer für Komposition an der Akademie für darstellende Künste in Prag. 6 In diesem Jahr wurde er zum Präsidenten des Prager Frühlings-Festivals gewählt und er erhielt die Auszeichnung „Chevalier des Arts et des Lettres“ (Paris 1991). 1998 bekam er in Mainz den Kunst- und Kulturpreis der Deutschen Bischofkonferenz. 7 Petr Eben starb 2007 in Prag. 1.1 Ebens Schaffen Ebens Schaffen, welches ungefähr zweihundert Kompositionen umfasst, ist in drei Phasen gegliedert 8: Es beginnt (1950 – 1961) mit Werken, in denen er häufig Themen gregorianischer Choräle und Motive von Volksliedern verwendet. In der zweiten Schaffensphase (1961 – 1975) sind für Ebens Werk „moderne“ Gestaltungsprinzipien (wie zum Beispiel die zu Ebens Zeit ungewöhnlichen, häufig bizarren Klänge auf der Orgel) charakteristisch (Laudes für Orgel 1964). In der dritten Phase des tschechischen Komponisten verwendet er Elemente, die typisch für frühere Epochen sind, von ihm aber individuell mit neuen Techniken gestaltet werden. Er setzt sich mit historischen Gattungsmustern auseinander 9 (zum Beispiel Streichquartett 1981, Hiob 1987). Eben, der ein tiefgläubiger Mensch war, betont die Wichtigkeit das gregorianisches Chorals und des Volksgesangs, die für ihn zwei zentrale Quellen des Komponierens waren. 10 Mit dem Volksgesang als Forschungsgegenstand beschäftigt sich Eben nach seinem Studium am Brünner Volksliedinstitut in den schlesischen Beskiden. Dieser spielt in mehreren Werken Ebens eine große Rolle. So betont er auch ehrfürchtig die Volksliedforschung von Janacek, Brahms, Bartók, Stravinsky, Penderecki und Orff. 11 Ebens Schaffen beginnt mit dem von ihm als Opus 1 gekennzeichneten Werk aus dem Jahre 1950 Sonate für Oboe und Klavier. Diese Komposition ist noch nicht durch volksliedartige oder gregorianisch anmutende Melodien geprägt. In diesem Stück ist der Signalcharakter 6 Vgl, Petr EBEN: Vorwort. in: Job for Organ. United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. London 1987. 7 Vgl, Katerina VONDROVICOVÁ: Artikel Eben, Petr. in: MGG2, Hg. von Ludwig Finscher, Personenteil 6. Bärenreiter, Kassel, Basel, London 2001. Spalte 9. 8 Vgl, Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 71 – 75. 9 Vgl, "Eben, Petr" in Munzinger Online/KDG - Komponisten der Gegenwart, URL: http://www.munzinger.de/document/17000000762 (am 26.10.2012) 10 Vgl, Tina FRÜHAUF: Artikel Eben, Petr. in: Lexikon der Orgel. Orgelbau – Orgelspiel – Komponisten und ihre Werke – Interpreten. Laaber – Verlag, Laaber 2007. S. 190. 11 Vgl, Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 80. Petr Eben 10 der Oboe dominant. Nach dem militärischen ersten Satz folgt eine Pastorale, welche an den Klang der Hirtenschalmei erinnert, und danach folgt der dritte Satz Ballabile (ital. tanzbar), der mit den typischen akzentuierten Tanzrhythmen gestaltet ist. 12 Im Schaffen von Petr Eben findet man zwei größere Klavierwerke: Das erste ist noch während seiner Studienzeit entstanden und trägt den Titel Sonate in Des (1951). Das Werk, das in drei Sätze gegliedert ist und 24 Minuten dauert, hat das Thema: „Das Leben ist ein unentwegter Kampf“. 13 Die kompositorische Grundlage der Sonate in Des war das Volkslied beziehungsweise volksliedartige Motive. Die zweite große Komposition ist das Konzert für Klavier und Orchester (1960 – 1961). Mit diesem Werk beginnt Ebens zweite Schaffensphase, worauf die bizarren Triller des Werkes und auch die maximalen Kontraste zwischen den drei Sätzen hinweisen. Auffällig in diesem Werk ist auch ein Militärmotiv, hinter dem die Ironie des Komponisten gegen die damaligen politischen Zustände steckt. 14 Für das Instrument Klavier komponiert Eben noch weitere Zyklen, in denen die Eigenschaften seiner ersten Schaffensphase eindeutig sind, wie zum Beispiel: Hundert Volkslieder (1959 – 1960), einige Werke mit pädagogischer Absicht für Kinder: Die Welt der Kleinen (1955), Kuckkuck, wo warst du (1955), Frühlingsmotiv (1960) und einige Werke für die Bewegungsgestaltung mit Kindern. Die Komposition Sonatina Semplice (1955) für Violine und Klavier, die Eben seinem Vater widmete, vermittelt in ihrem zweiten Satz eine weihnachtliche Stimmung. Duettina (1962 – 1963) für ein Sopraninstrument und Klavier stellt ebenfalls eine Sammlung von instruktiven Stücken dar. Einen besonders starken Einfluss der Volkslieder merkt man in der Sammlung Von Schwalben und Mädchen (1959 – 1960) für dreistimmigen Frauenchor a capella und in Volkslieder für gemischten Chor (1952), wo Szenen aus dem Dorfleben dargestellt werden, wie z. B. ein lyrisches Gute Nachtlied und ein schwungvolles Tanz, tanz. 15 Ebenso in die erste Schaffensphase Ebens gehört der Orgelzyklus Sonntagsmusik (1957 - 1959), wobei der Titel nicht nur die Festlichkeit des Zyklus ausdrückt, sondern anhand des Stückes auch die Sonntagsversion des gregorianischen Responsorium Ite, missa est zitiert wird. Weitere gregorianische Motive findet man in dem Werk Missa adventus et quadragesimae (1951 – 1952), das in der Form des Ordinarium Missae komponiert wurde. Noch in seiner ersten Schaffensphase schrieb Eben drei Kantaten: Balladen für Soli, gemischten Chor und Orchester (Von Heiligen 12 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 250. 13 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 249. 14 Vgl, Milan SLAVICKY: Petr Eben – The symphonic Works. in: A Tribute to Petr Eben. To mark his 70th birthday year. Edited by Graham Melville – Mason. The Dvorak Society 2000. S. 29 – 30. 15 Vgl, Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott . Mainz 2000. S. 259. Petr Eben 11 und Sündern) (1953, 1957), Zauberspruch, den Liebsten zu beschwören für drei Frauenstimmen – Soli und gemischten Chor (1957) und Bittere Erde (1959 – 1960). An der Grenze zwischen der ersten und zweiten Schaffensphase steht das Werk Konzert für Klavier und Orchester (1960 – 1961), wobei schon die Merkmale der zweiten Schaffensphase ersichtlich werden. In diesem Werk strebt Eben den maximalen Kontrast zwischen den drei Sätzen an und durch die einstimmigen Triller und Oktaventriller kommen besonders bizarre Klangfarben zustande. Zum Schluss unterstreicht der Komponist diesen Effekt noch mit dem Akkordtriller. Das Stück Duettina (1962 – 63), welches Petr Eben für ein Sopraninstrument und Klavier komponiert hat, wirkt wie ein „Streit“ zwischen den zwei Instrumenten, ob die die Komposition in Dur oder Moll zu spielen sei. Die bitonalen Effekte des Stückes geben die Bizarrerie der zweiten Schaffensphase wider. 16 Eben stellt in seinem Orgelzyklus Laudes (1964) die Dankbarkeit dem Zynismus und der Skepsis gegenüber. Außer der inhaltlichen Aussage sucht der Komponist nach neuen Klangmöglichkeiten der Orgel. Inspiriert wird er von der elektronischen Musik, deren Klang er mit verschiedenen Registrierungen der Orgel nachahmt. 17 Die Komposition Quintetto per stromenti a fiat (1965) zeigt die Konfrontation zwischen der Einstimmigkeit und der Mehrstimmigkeit 18. Die Stimmverdopplungen, die Cluster, die Verzögerung der Einsätze geben dem Stück eine interessante Stimmung. In dem Werk Apologia Sokratus (1967) 19 arbeitet Eben weiter mit Klängen, sodass es bei diesem Stück so scheint, als kopple er die höheren Stimmen des Chores mit den höheren Stimmen des Orchesters. In dem Werk Bläserquintett (1968 – 1969) für zwei Trompeten, Waldhorn und zwei Posaunen benützt Eben die Klangfarben der Bläser und setzt als Mittel den Dämpfer 20 ein. Durch eine besondere Anordnung der einzelnen Instrumentenspieler auf der Bühne erreicht er außerdem ganz spezielle akustische Wirkungen. Bei der Besetzung der Komposition Musik für Oboe, Fagott und Klavier (1970) kommt selten ein Klaviertrio zum Einsatz, obwohl Eben selbst findet, dass der Klang dieser Komposition besser zum heutigen Klavierklang passt als der Klang der für das traditionelle Klaviertrio typischen Streicher 21. Er versucht die Homogenität insofern zu erreichen, indem er die Klänge zwischen Klavier und Oboe in der gleichen Lage kombiniert. Diese Komposition ist atonal und basiert auf einer 16 Vgl. Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 216. 17 Vgl, Claude HERMITTE: Thoughts Laudes. in: A Tribute to Petr Eben. To mark his 70th birthday year. Edited by Graham Melville – Mason. The Dvorak Society 2000. S. 65. 18 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Wer. Schott , Mainz 2000. S. 246. 19 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 204. 20 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Wer. Schott , Mainz 2000. S. 206. Petr Eben 12 Eingangsfanfare mit einem darauf kontrastierenden gregorianischen Weihnachtshymnus. Im Jahr 1972 komponiert Eben den Orgelzyklus Zwei Choralphantasien. In dieser Komposition kommt eine Besonderheit vor, und zwar ist die Stimme des Pedals auf zwei Systemen notiert, wodurch bei den kanonischen Führungen eine doppelte, massive Baßlinie erzeugt wird. Das Werk Griechisches Wörterbuch komponiert Eben im vorletzten Jahr seiner zweiten Schaffensphase (1974). 22 Dieses Stück ist für einen zwei- bis vierstimmigen Frauenchor mit Harfe gedacht. Es sind in diesem Werk viele zweistimmige und kanonische Stellen zu finden, die durch einen festen, marschartigen Rhythmus der Harfe begleitet werden. Der Komponist beschließt seine zweite Schaffensphase (1975) mit der Komposition Nachtstunden mit der Besetzung: Holzbläserquintett, Tenortuba, Streichorchester, Klavier und Schlagzeug. Eben schreibt für dieses Werk zwei Versionen. 23 Die frühere Version (1975) ist für Holzbläserquintett, Tenortuba, Streichorchester, Klavier und Schlagzeug, in der späteren Version (1987) wird eine klangliche Variation erreicht, indem er der ursprünglichen Besetzung zusätzlich einen Kinderchor hinzufügt. Die Rahmensätze des fünfteiligen Werkes drücken Hektik, Lärm und Tanz aus, während die Zwischensätze als Kontrast einen ruhigen Charakter ausstrahlen (z. B. Die zwölfte Stunde: Chorale, Die dritte Stunde: Silencio). Die Kammerversion des zweiten Satzes der Komposition Nachtstunden ist für Oboe und Klavier komponiert (Amoroso) und weist einen deutlich moderneren Stil auf – mit Vierteltönen und aleatorischen Elementen 24. Seine letzte Schaffensphase beginnt mit der Komposition zweier Werke für Bühnenmusik. Beide Werke basieren auf literarischen Texten – Goethes Faust und Shakespeares Hamlet. In der Bühnenmusik zu Goethes Faust sind neben den Orgelstellen mehrere Zitate aus Liedern zu finden wie z. B. das gregorianische Dies Irae. Für die Musik zum Drama Hamlet bedient er sich der Komposition Die Fenster nach Marc Chagall, die im selben Jahr wie die beiden Bühnenmusiken (1976) entstanden ist. In dieser Schaffensphase ist ein Rückgriff zu traditionellen Formen beim Großteil seiner Werke bemerkbar. Einige Kompositionen drücken es schon in ihrem Titel aus: z. B. Sonate für Flöte und Marimba (1978), Kleine Choralpartita (1978), Streichquartett (1981), Missa cum populo (1981 – 1982), Phantasie für Viola und Orgel Rorate coeli (1982), Drei Suitensätze für Orffsches Instrumentarium (1983). Mit Ebens 21 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 241. 22 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 222. 23 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 242. 24 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 202. Petr Eben 13 Namen ist die so genannte Ceská Orffova skola 1966/1976, die als die tschechische Version des Orff – Schulwerks zu bezeichnen ist, untrennbar verbunden. In diesem Zeitabschnitt (1975 – 1983) entstehen auch zwei Orgelzyklen: Mutationes (1980 – 1981) und Versetti (1982). Beide Stücke beinhalten Gattungen aus früheren Epochen: Im sechssätzigen Orgelzyklus Mutationes sind alle Sätze in der Form „Präludium“ komponiert 25 und das Werk endet mit einem Duo. Die zweisätzigen Versetti, in der Form „Intermezzo“, sind als liturgische Ausführung der Missa cum populo gedacht. 26 Das Stück Prager Nocturno (1983) ist ein Auftragswerk der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg und wurde auch dort uraufgeführt. Es trägt den Untertitel Hommage á Wolfgang Amadeus Mozart und es finden sich darin zwei Originalzitate: eines aus der Phantasie in c für Klavier und sowie eines aus einem Menuett, das Mozart mit acht Jahren komponierte. Während der nächsten Jahre (1984 – 89) arbeitet der tschechische Komponist mit traditionellen Kompositionsgattungen. Er schreibt z. B. Klaviertrio (1986) und Sonate für Cembalo (1988), das sein einziges Werk für dieses Instrument bleibt. In diesem Stück sind aggressive Klänge und scharfe Akzente dominant und Eben legt besonderen Wert auf die Klangverstärkung des Cembalos. 27 Die beiden Kompositionen Hommage á Dietrich Buxtehude (1987) und Eine Mozart Geschichte (1988) zählen ebenso zur letzten Schaffensphase Ebens. Auch bei diesen beiden Werken sind deutlich Zitate der Komponisten Buxtehude und Mozart herauszuhören. Im Jahr 1987 entsteht der Orgelzyklus Hiob, dessen Text auch in seinem späteren Werk Alttestamentarisches Fresco (1993) für Violoncello und Klavier vorkommt. Risonanza (1986) schreibt Eben für das Instrument Harfe und er verwendet dafür ein Menuett von Mozarts Don Giovanni, das er schrittweise zitiert. 28 Zu Beginn der 90er Jahre komponiert Eben Briefe an Milena (1990), ein Klavierstück, das in fünf Sätze gegliedert ist und dem Inhalt nach durch Franz Kafkas Briefe an Milena inspiriert ist, sowie die Klavierimprovisation Veni Creator (1992), der ein gregorianisches Thema zugrunde liegt. Es folgt das Klavierquintett (1991 – 1992), das in der klassischen Sonatenhauptsatzform komponiert ist und in dem bizarre Klänge wie die Vermischung von Pizzicato, Spizzicato und Col legno auffällig sind. Im Werk Marsch und Fanfaren für die Burgwache (1994) zitiert der Komponist Smetanas Oper Libussa und arbeitet mit daraus entnommenen Motiven. 25 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 242. 26 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 256. 27 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 249. 28 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 202. Petr Eben 14 Seine letzte Komposition Improperia (1995) (deutsch: „Vorwürfe“) besteht aus drei Sätzen und ist für Eben thematisch eine kritische Auseinandersetzung mit den auf der Welt immerfort hörbaren Vorwürfen im Gegensatz zum viel zu geringen Lob. 1.2 Eben und die Orgel „Die Orgel ist mein Schicksalsinstrument.“ 29 So äußert sich Petr Eben in einem Interview, in dem er seine Haltung und Liebe zu dem Instrument ausdrückt. Der Komponist hat mit 9 Jahren mit dem Orgelspiel begonnen. Die Orgel der St. Veits Kirche mit ihren drei Manualen zählte in der damaligen Zeit zu den großen Orgeln Böhmens. In Krumau lernte er kontinuierlich dazu und sammelte viel Erfahrung mit dem Instrument Orgel, der Kirchenmusik und dem improvisatorischen Spiel zur Messgestaltung. Dass sein Diplomwerk: „Konzert für Orgel und Orchester No. 1“ (1954) zu den am meisten gespielten Werken zählt, beruht auf seinen guten Kenntnissen dieses Instruments und den Möglichkeiten, die es bietet. Die Orgelwerke bilden den Großteil von Ebens Schaffen, z.B. die Stücke Laudes (1964), Mutationes (1980 - 81), Biblische Tänze (1991), Zehn Choralvorspiele (1971), Hommage a Dietrich Buxtehude (1987), Zwei Choralphantasien (1972), Kleine Choralpartita (1978), Versio ritmica (1996). Petr Eben setzt die Orgel nicht nur als Soloinstrument ein, er verwendet sie auch in vielen seiner Kompositionen wie ein Kammermusikinstrument, so z. B. in Die Fenster für Trompete und Orgel (1976), Die Landschaften von Patmos für Orgel und Schlagzeug (1984), oder im Stück Phantasie für Viola und Orgel Rorate coeli (1982). 1.2.1 Werke für Orgel und Sprecher Es gibt außer dem Orgelzyklus Hiob zwei größere Orgelwerke Ebens, die für Orgel und Sprecher geschrieben wurden. Das frühere Werk ist Faust (1979 – 80), für das Eben das Drama Goethes verwendet. Eben äußert sich darüber wie folgt: „Ich wollte die Polarität des Guten und Bösen in einer Person zum Ausdruck bringen, denn der Sinn von Goethes „Faust“ ist gewiß nicht das Spiel zwischen Gott und Mephisto um Faust, sondern der Kampf dieser Gegensätze in Fausts Innerem.“ 30 29 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 84. 30 Janette FISHELL: God’s Gesamtkunstwerk:Petr Eben’s Faust. in: A Tribute to Petr Eben. To mark his 70th birthday year. Edited by Graham Melville – Mason. The Dvorak Society 2000. S. 88. Petr Eben 15 Die Sätze der neunteiligen Komposition behandeln einzelne Bilder aus Goethes Faust. Eben gibt den Sätzen folgende Titel, wodurch die Programmatik der Geschichte für den Leser nachvollziehbar werden soll: 1.) Prolog, 2.) Mysterium, 3.) Lied des Leiermannes, 4.) Osterchöre, 5.) Studentenlieder, 6.) Gretchen, 7.) Requiem, 8.) Walpurgisnacht, 9.) Epilog. Die spätere Komposition ist Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens (2003), der Text stammt von Jan Amos Comenius. Eben zitiert anhand des Zyklus mehrere Choräle, wie z. B. O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet. Er äußert sich wie folgt über seine Komposition: „In der Orgelimprovisation zitiere ich Choräle aus dem Amsterdamer Kantional des Comenius; manchmal versuche ich, auf moderne Weise die dramatischen Passagen des Textes auszudrücken, wie zum Beispiel die Deformation der menschlichen Gesichter, das Surren der Pfeile oder das Abrutschen vom Glücksrad der Fortuna. Die ganze Atmosphäre des Textes vermittelt keinen idyllischen Spaziergang durch die Welt, sondern einen bitteren, satirischen, bizarren und manchmal geradezu apokalyptischen Blick auf die Welt – und dies bestimmt auch den Charakter der Musik.“ 31 1.3 Eben und die Religion Petr Ebens Einstellung zur Religion wurde stark durch seine Familie stark beeinflusst. Einerseits wurde ihm der Weg zum Christentum schon früh durch die Erziehung seiner Mutter gewiesen, die eine tiefgläubige Katholikin war. Andererseits wurde er durch seinen Vater geprägt, der wegen seiner jüdischen Wurzeln ins KZ musste und nach Ebens Erzählung „den Weg zu Gott im KZ gefunden“ hat. 32 Die besondere Beziehung zu seinem Vater und die Ähnlichkeit im Wesen mit diesem, der in seiner Persönlichkeit einem alttestamentarischen Gerechten glich, wie Eben findet, begründen wiederum seine Affinität zum Alten Testament. 33 Während der Sommer- und Weihnachtsferien hatte Eben die Möglichkeit im oberösterreichischen Zisterzienserkloster Schlierbach in der Gemeinschaft der Brüder zu leben. Dadurch bekam er Einblick in das Klosterleben und lernte auch den gregorianischen Gesang kennen. 1966 nahm er aktiv an der Gregorianikforschung im berühmten Benediktinerkloster in Solesmes teil. Der Komponist Eben will mit seinen Werken Kritik am zunehmenden Materialismus 31 Petr EBEN: Vorwort zur Ausgabe in: Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens. Schott Music Panton International, Mainz 2003. 32 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 45 – 47. 33 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott , Mainz 2000. S. 9 – 10. Petr Eben 16 der Welt üben und beschäftigt sich deshalb mit humanistischen Themen, er möchte Liebe, Frieden und Toleranz unter den Menschen verbreiten. Unter seinen Kompositionen findet man fünf Messen, wovon drei in der Form des Ordinarium Missae geschrieben wurden und mehrere Werke, die auf biblischen Texten basieren Lied der Ruth für Gesang und Orgel (1970), Verba sapientiae (1991 – 92). In Ebens Schaffen findet man viele Chorwerke, die mit der geistlichen Welt, mit der Religion, häufig mit lateinischen Texten verbunden sind. (z. B. Pater noster für Chor und Orgel, 1950, Geistliche Lieder für Volksgesang mit Orgelbegleitung, 1954, Fünf HallelujaVerse für Chor und Orgel, 1987, Suita liturgica für einstimmigen Chor und Orgel, 1955, Ubi caritas et amor, 1964, Komm herab, o Heiliger Geist, 1996, Psalmus 8, 1993). Er verarbeitete aber auch Texte anderer Autoren in seinen Werken (z. B. De Sancto Adalberto, 1966, De nomine Cäciliae, 1994, Der Atem längst vergangener Tage, 1984). Es gibt vier stark von der Religion geprägte Themen, die in Ebens Kompositionen immer wieder vorkommen. 34 1. Das Thema des Suchens („Vox clamantis”, „Pragensia – III. Satz: Der „Stein des Weisen”) 2. Das Thema der Polarität des Guten und Bösen im Inneren des Menschen („Faust”, „Hiob”) 3. Das Thema des Lobes und der Dankbarkeit („Laudes”, „Prager Te Deum”) 4. Das Thema des Todes („Apologia Sokratus”) Als inhaltlich besonderes Werk gilt Ebens Komposition „Vox clamantis“ (1969) für drei Trompeten und Orchester, dessen Ausgangspunkt an der Grenze zwischen Altem und Neuem Testament liegt, wo thematisch auch die Person Johannes des Täufers vorkommt. Die drei Trompeten symbolisieren die Stimmen des Rufenden, wie schon aus dem Titel hervorgehend. Im ersten Teil des Stückes wird ein Teil des gregorianischen „Sanctus“ zitiert, im zweiten Teil steht ein altböhmischer Choral im Vordergrund. 34 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott. Mainz 2000. S. 52. Aspekte der Arbeit 17 2 Aspekte der Arbeit Die vorliegende Masterarbeit analysiert den Orgelzyklus Hiob von Petr Eben, welchen er für Sprecher und Orgel solo komponiert hat. Als Grundlage des Stückes verwendet er ein alttestamentarisches Buch der Bibel, Hiob. Einen weiteren Ausgangspunkt für die Analyse des Stückes bilden die Zitate des Komponisten über den Orgelzyklus, durch die der Interpret auf die von ihm zitierten liturgischen Melodien aufmerksam gemacht wird. So findet man in dem Stück das österliche Exsultet, das Gloria in excelsis Deo (im vierten Ton), den Hymnus Veni creator spiritus, das Lied von Georg Neumark Wer nur den lieben Gott lässt walten und das böhmische Lied Christus, das Vorbild der Demut. Durch detaillierte tabellarische Analysen werden die Strukturen der Sätze klar gemacht und es wird auch untersucht, wie Eben die Melodien darstellt und bearbeitet. Von Takt zu Takt wird analysiert, in welcher Stimme sich welches Zitat befindet, und auch die Verhältnisse (die Hierarchie der Stimmen) werden dargestellt. Der erste Aspekt der Arbeit ist es, die von Eben genannten Melodien zu analysieren. Es wird untersucht, was hinter den Begriffen Exsultet, Hymnus Angelikus, Veni creator spiritus steckt, oder welchen Text die Kirchenlieder haben. Zusätzlich werden die Hintergrundinformationen der Melodiezitate beschrieben, die notwendig sind, um das Konzept von Ebens Hiob zu verstehen. Durch die Informationen bekommt der Leser Antworten auf die Frage, wieso der Komponist bestimmte liturgische Melodien oder Lieder in bestimmten Sätzen des Werkes verwendet. Dieser Aspekt sucht nach den Parallelen zwischen der biblischen Geschichte, welche durch die Wörter des Sprechers zum Zuhörer kommt und Ebens Komposition, die mit der Orgel die seelischen Zustände der Person Hiobs musikalisch ausdrückt. Im nächsten Kapitel werden auch die grundlegenden Unterschiede zwischen den Stellen des Sprechers und dem biblischen Buch Hiob analysiert. Dadurch bekommt man einen Einblick, in welchem Zusammenhang die Zitate des Sprechers mit dem alttestamentlichen Hiob stehen. Im vorherigen Kapitel wurde der tschechische Komponist Petr Eben vorgestellt. In seiner Biographie liest man, dass er aus einer jüdisch – katholischen Familie stammt und, dass dadurch seine Einstellung zur Religion geprägt wurde. Durch die Analyse der musikalischen Zitate des Werkes erkennt man viele alt- und neutestamentliche Dualismen. Auffällig ist es zunächst, dass in dem Werk, das einen alttestamentlichen Text zur Vorlage hat, Zitate, die eindeutig auf das neue Testament hindeuten (zum Beispiel das Lied Christus, das Vorbild der Demut), vorhanden sind. Diese christlichen und jüdischen Eigenschaften des Werkes sollen durch die inhaltliche Analyse ebenfalls vorgestellt werden. Aspekte der Arbeit 18 Das achtsätzige Werk Hiob komponierte Eben 1987, und dadurch fällt das Stück in die letzte (dritte) Schaffensphase des Komponisten. Der dritten Schaffensphase werden jene Werke Ebens zugerechnet, in denen er sich mit historischen Gattungsmustern auseinandersetzt und Elemente früherer Epochen mit neuen Techniken verknüpft. Im vorigen Kapitel wurden größere Werke aus Ebens Schaffen vorgestellt und deutlich gemacht, mit welchen Mitteln die Eigenschaften der Schaffensphasen zu Stande gekommen sind. Diese Einteilung der Werke kann man bei mehreren Autoren lesen, die sich mit dem tschechischen Komponisten beschäftigt haben. Das bedeutungsvollste Buch über ihn stammt von Katerina Vondrovicová. Sie hat das Buch gemeinsam mit dem Komponisten zusammengestellt. 35 Diese Einteilung findet man auch im Munzinger Online Lexikon, im Teil Komponisten der Gegenwart. 36 Der zweite Aspekt der Arbeit analysiert anhand obengenannter Informationen, wie Ebens Auseinandersetzung mit historischen Gattungsmustern in diesem achtsätzigen Stück zu Stande kommt und welche Elemente aus früheren Epochen man in dem Stück finden kann. In diesem Zusammenhang werden mögliche kompositorische Vorbilder, Komponisten oder Kompositionen, Stellen mit Figurationsähnlichkeiten, formale Gemeinsamkeiten oder inhaltliche Parallelen angeführt. Den Ausgangspunkt des zweiten Aspektes der Arbeit bilden die Zitate aus dem Vorwort des Komponisten, wo er häufig die Form der Sätze erwähnt (zum Beispiel Passacaglia oder Choralvariation). Im Jahr 1987 – 88 wurden von Eben mehrere Kompositionen geschrieben, in denen Melodien seiner musikalischen Vorbilder bearbeitet wurden, wie zum Beispiel das Stück Hommage á Dietrich Buxtehude. Durch die melodische Analyse des Werkes kann man auch zahlreiche Figurationsähnlichkeiten mit anderen Werken finden, die er selbst nicht explizit ausspricht. Die Sätze werden zu dem mit anderen Werken verglichen, die nicht nur kompositorische Ähnlichkeiten haben, sondern auch inhaltliche Parallelen, Themen oder Aussagen, die Ebens kompositorische Vorgehensweise beeinflußt haben könnten. 35 Katerina VONDROVICOVÁ: Vorwort. in: Katerina VONDROVICOKÁ: Petr Eben. Leben und Werk. Schott, Mainz 2000. 36 Artikel: "Eben, Petr" in Munzinger Online/KDG - Komponisten URL: http://www.munzinger.de/document/17000000762 (abgerufen am 21. 10. 2012) der Gegenwart, Hiob 19 3 Hiob „Warum kann guten Menschen Böses widerfahren?“ Diese Frage stellt der tschechische Komponist Petr Eben in seinem Vorwort, das er zu dem achtsätzigen, die biblische Geschichte Hiob verarbeitenden Orgelzyklus, geschrieben hat. 37 Die Geschichte handelt von einem Mann aus dem Lande Uz, der vor 3500 – 3600 Jahren gelebt hat und der von Gott alles bekommen hat: Reichtum, Anerkennung, Familie – noch dazu das größte Geschenk: wahren Glauben. Selbst der Gott der Welt äußert sich über ihn: „denn ihm gleicht keiner im Lande“ (Hb 1, 8). Innerhalb eines Tages verliert er jedoch alles. Alles, was ihm wichtig und wertvoll war: seine sieben Söhne, seine drei Töchter; er verliert sein Vermögen, seine Knechte und Mägde und nach all den Katastrophen befallen ihn schreckliche Krankheiten. Gott gibt sein Leben in die Hände Satans, wodurch Hiobs Glaube und Gottvertrauen auf die Probe gestellt werden sollen. Der Komponist hat auf diese große Frage in dem alttestamentlichen Buch, welches eines der biblischen „Lehrbücher“ ist, die Antwort gefunden. Eben betont im Vorwort die Aktualität des Buches Hiob, weil nicht nur die Schicksalsschläge Hiobs (der Raub, der Krieg, die Naturkatastrophen) bis heute solche Gefahren sind, die die menschliche Seele in Furcht, in Beklemmung, manchmal sogar in Angstzuständen halten, sondern die Antwort auf die Frage hochaktuell ist. Eben äußert sich über das Buch Hiob wie folgt: „Das Buch Hiob fesselte mich aus drei Gründen: einerseits wegen seiner sozialen und theologischen Revolution, die es damals bedeutete; denn bis dahin galt jeder Arme und Kranke, jeder Leidgeprüfte als der von Gott Verlassene und von Gott Gestrafte; andererseits war ich tief beeindruckt von der tiefen Dramatik dieses Buches, das ein für allemal den Schlüssel zum Überstehen einer Glaubensprobe gibt, und schließlich finde ich dieses Buch höchst aktuell, weil es die Antwort auf eine der schwierigsten Lebensfragen bis zu unserer Zeit gibt: Warum kann guten Menschen Böses widerfahren? Das Buch zeigt nicht nur die Geringfügigkeit des persönlichen Leidens im Zusammenhang des Weltgeschehens, sondern vor allem Gott, der auf der Seite des Leidenden steht; der von Hiob nicht verlangt, das Leiden gutzuheißen, sondern 37 Petr EBEN: Vorwort. in: Job for Organ. United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. Job for Organ, London 1987. Hiob 20 nur es zu ertragen, und der sich als derjenige offenbart, der mit – leidet, mit – trägt und hilft, das Leiden zu überstehen.“ 38 Der Komponist teilt diesen „kontrastreichen Stoff“ (so Eben im Vorwort) auf acht Sätze, jeweils mit einem Zitat aus dem Buch Hiob als Motto. Das Werk Hiob für Orgel wurde für zwei Personen komponiert: für einen Sprecher, der vor den Sätzen, den Inhalt des Satzes mit den Worten der Bibel darbringt und für einen Organisten, der den Text musikalisch ausdrückt. Der Text des Sprechers ist also nichts anderes als die Zitate des Bibeltextes aus dem Buch Hiob aus dem Alten Testament. Die folgende Tabelle veranschaulicht einen Durchlauf des Stückes „im Dialog“ Sprecher und Spieler: Sprecher Satz Motto des Satzes I. Schicksal „Und Satan sprach zum Herrn: Führe einmal einen Schlag und triff Hiob und all sein Hab und Gut, und er wird Dir ins Gesicht fluchen.“ (Hb, 1, 11) Kapitel 1 II. Gesinnungstreue „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es ge- Vers 1- 3, 6- nommen. Gepriesen sei der Name des Herrn.“ 21 (Hb. 1, 21) Kapitel 2 III. Annahme des Leides Vers 1 - 10 Kapitel 3 „Sollen wir allein das Gute von Gott annehmen, dagegen nicht das Schlimme?“ (Hb. 2, 10) IV. Sehnsucht nach dem „Warum bin ich nicht im Mutterschoß gestorben! Vers 1 – 2, Tode Warum schenkt man das Tageslicht dem Manne 11 – 13, 20 - vor dem sich Gott verborgen hält?“ (Hb. 2, 11) 23 Kapitel 7 V. Verzweiflung Vers 16 - 21 Resignation Kapitel 38 VI. Geheimnis und „Dann läge ich gar bald im Staube, und suchtest Du mich auf, ich wäre nimmermehr.“ (Hb. 7, 21) der „Darauf antwortete der Herr dem Hiob: Wer ist Vers 1 – 12, Schöpfung der, der mit einsichtslosen Worten so dunkel 33, 35 findet meine Pläne?“ (Hb. 38, 2) 38 Petr EBEN: Vorwort. in: Job for Organ. United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. London 1987. Hiob 21 Kapitel 42 VII. Buße und Erkenntnis „Ich habe gesprochen von Dingen, die ich nicht Vers 1 - 6 begreife. Darum widerrufe und bereue ich, auf Staub und Asche.“ (Hb. 42, 5 – 6) Kapitel 42 VIII. Gottes Lohn „Der Herr erhob alsdann Hiobs Angesicht und Vers 10, 12 – gab Hiob noch mehr Glück, als er zuvor beses- 13, 15 - 17 sen.“ (Hb. 42, 10.) 3.1 Über die biblische Geschichte Im biblischen Buch Hiob, welches 42 Kapitel umfasst, sind zwei Formen zu unterscheiden: Der Hauptteil des Buches – Hiobs Klage, die drei Redekreise mit den Freunden, Hiobs Reden mit Gott, Elihus Reden und das Gespräch Gottes mit Hiob – wurde in Versform gedichtet und ist auch so überliefert. 39 Den Rahmen der Geschichte bilden die Kap. 1 und 2 und das Kap. 42, 7 – 17. Sie werden auch als die „Rahmenerzählung“ des Buches Hiob bezeichnet. 40 In den ersten beiden Kapiteln kann man die Vorgeschichte des Kampfes Hiobs lesen. Sein Charakter, sein Leben, seine Lebensumstände werden beschrieben. Den Namen Hiob, der aus dem Akkadischen stammt und bedeutet „Wo ist der (mein) Vater?“, findet man in drei verschiedenen Formen: nämlich als Job (Vulgata), als Hiob (in der Bibelübersetzung von M. Luther) und als Ijob (in der Einheitsübersetzung der Bibel). Seine Heimat Uz ist heute schwierig zu identifizieren, höchstwahrscheinlich befand sich dieser Ort östlich von Israel. 41 Hiob ist untadelig und rechtschaffen (Vers 1), denn „Seines gleichen gibt es nicht auf der Erde“ (Vers 8) und „An Ansehen übertraf dieser Mann alle Bewohner des Ostens“ (Vers 3). Der Frömmigkeit Hiobs entspricht auch der Kinderreichtum (sieben Söhne und drei Töchter), der im Alten Testament das göttliche Wohlwollen, den Segen Gottes ausdrückt. Der materielle Wohlstand lässt sich durch die vielen Viehherden ermessen. Nach diesen Zeichen sieht man Hiob als „ungekrönten König, als Zeitgenossen der nomadisierenden Patriarchen“ 42. 39 Vgl. Hans BRANDENBURG: Das Buch Hiob . Der Mensch in der Anfechtung. Brunnen Verlag, Gießen 1982. S. 3. 40 Vgl. Hans BRANDENBURG: Das Buch Hiob . Der Mensch in der Anfechtung. Brunnen Verlag, Gießen 1982. S.4. 41 Vgl. Ludger SCHWIENHORST – SCHÖNBERGER: Ein Weg durch das Leid. Das Buch Ijob. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2007. S. 13. 42 Vgl. Hans BRANDENBURG: Das Buch Hiob . Der Mensch in der Anfechtung. Brunnen Verlag, Gießen 1982. S.5. Hiob 22 Die ersten zwei Kapitel des Buches Hiob (von Hiob 1 – bis Hiob 2, 10) bezeichnet man auch als Prolog des Buches, der in fünf Abschnitte geteilt ist: Es gibt zwei Handlungsebenen: Himmel und Erde, wo Hiobs Schicksal bestimmt wird. Der erste Teil des Prologs (Hb. 1, 1 – 5) findet auf der Handlungsebene der Erde statt und beschreibt das Leben Hiobs. Man liest über seine Kinder und seine persönliche Umgebung. Der zweite Teil (Hb. 1, 6 -12) ist, wie der Name „Eine Ratsversammlung im Himmel“ schon sagt, im Himmel. Die Söhne Gottes versammeln sich und der Satan gesellt sich zu ihnen. Zwischen Gott und dem Satan kommt ein Dialog zustande. Satan erzählt, dass seine Wege ihn auf Erden zwischen die Menschen führe. Danach richtet Gott Satans Aufmerksamkeit auf Hiob. „Denn ihm gleicht keiner im Lande, ein frommer und redlicher Mann. Gott fürchtend und das Böse meidend. Da antwortete der Satan Jahve und sprach: „Fürchtet Hiob Gott etwa umsonst?“ (Hb 1, 8,9) Mit dieser Frage will der Satan beweisen, dass alle Frömmigkeit Hiobs nur aus Berechnung und Besitzstreben resultiert. Hiob, der von Gott gesegnete Mann, ist „natürlich“ weise, fromm und gottesfürchtend. Gottes Gaben sind so reichhaltig, dass er Gott „leicht“ lieben kann. So der Satan: „Strecke aber einmal deine Hand aus und taste seinen Besitz an – ob er dir nicht (dann) ins Angesicht absagen wird?“ (Hb 1, 12) Nach diesen Sätzen gibt Gott dem Satan die Erlaubnis Hiob alles wegzunehmen, was er besitzt, alles was ihm als Segen gewährt wurde. Die dritte Teil des Prologs (Hb 1, 13 – 22) stellt die erste Glaubensprobe Hiobs dar. Diese Szene findet wieder auf der Erde statt: Hiob trifft völlig unerwartet die Nachricht, dass ein wesentlicher Teil seines Viehreichtums geraubt wurde und seine Knechte getötet wurden. Der nächste Bote berichtet über eine Wetterkatastrophe, die hereingebrochen ist. Schreckliche Blitze haben die Hirten und Schafherden Hiobs niedergemacht. Doch dem nicht genug, kommt schon der nächste Bote und meldet, dass ein Krieg ausgebrochen sei und die chaldäischen Truppen Hiobs wertvollsten Teil seines Landes überfallen und zerstört haben. Zuletzt folgt jedoch die schwerwiegendste Nachricht: Ein Wirbelsturm zerstörte das Haus, in dem Hiobs Kinder versammelt waren und keines seiner Kinder hat überlebt. Es folgen die alttestamentlichen Zeichen der Trauer: Hiob zerreißt sein Oberkleid und schert seine Haupthaare. 43 Trotz aller seelischen Schmerzen spricht er kein Wort gegen Gott. Am Ende des ersten Kapitels liest man Hiobs Worte: „... gelobt sei der Name des Herrn.“ ( Hb. 1. 21) Hiob 23 Petr Eben lässt den Sprecher fast die ganzen ersten drei Teile des Prologs (außer Verse 4, 5 und 22) zitieren und zwar zwischen dem ersten und zweiten Satz des Orgelzyklus, weil der erste Satz als Ouverture oder Präludium zu seiner Komposition gedacht ist. Der vierte Teil des Prologs obliegt ganz dem Sprecher und erfolgt vor dem dritten Satz Annahme des Leides. Dieser Teil des Prologs findet wieder im Himmel statt und heißt auch Zweite Ratsversammlung im Himmel. Es wiederholt sich hier die Szene mit den Gottessöhnen. Gott spricht mit dem Satan über seinen Knecht Hiob, der trotz der ihm auferlegten Schicksalsschläge an Gott glaubt. Der Satan aber gibt nicht auf und will Hiob abermals auf die Probe stellen. Er soll das Leid am eigenen Körper erfahren. Gott gibt dem Satan wiederum seine Erlaubnis, allerdings mit der Einschränkung, dass Hiob am Leben bleiben muss. Der fünfte und letzte Teil des Prologs passiert auf der Erde, wo Hiob mit seinen Krankheiten geschlagen wird. Jetzt sieht man Hiob als armen kranken Menschen vollkommen besitzlos und unter seinen Schicksalsschlägen leidend. Seine Frau hinterfragt Hiobs Frömmigkeit und suggeriert ihm sich von Gott loszusagen. „Sage Gott ab und stirb!“ (Hb. 2, 9) Für den letzten Satz dient dem Komponisten als Grundlage folgendes Motto: „Sollen wir allein das Gute von Gott annehmen, dagegen nicht das Schlimme?“ (Hb.2, 10) Im letzten Teil (Vers 11 – 13) des zweiten Kapitels spricht das biblische Buch Hiob über drei Freunde, Elifas, Bildad und Zofar, die von den schrecklichen Schicksalsschlägen, die Hiob getroffen haben, gehört haben. Sie gehen zu Hiob, um ihn zu trösten. Petr Eben erwähnt sie in seinem Werk interessanterweise gar nicht und es findet sich bei ihm auch kein Zitat oder Hinweis auf diese drei Freunde der Hauptfigur. Das biblische Buch Hiob umfasst im dritten Kapitel 26 Verse, die in drei Abschnitte gegliedert sind: Hiobs Klage (3, 1 – 10), Hiobs Todessehnsucht (3, 11 – 19) und den Abschnitt „Warum schenkt er dem Elenden Licht“ (3, 20 – 26). Mit dem Kapitel 3 beginnt der Dialogteil des Buches Hiob, wo Hiobs Bitte um ein Ende der Not und sein gleichzeitiges Gefühl des Gottvertrauens schon in den ersten 10 Versen nachvollziehbar sind. 44 Er verflucht sein Leben und zwar in dreierlei Hinsicht: erstens den Tag seiner Empfängnis (Verse 3 - 10), zweitens den Tag seiner Geburt (Verse 11 – 19) und drittens sein momentanes Leben, das von Leid gezeichnet ist und in dem er keine Ruhe, keinen Frieden findet (Verse 20 – 26). 45 Der Kom- 43 Vgl. Rüdiger LUX: HIOB. Im Räderwerk des Bösen. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012. S. 103 44 Vgl. Ludger SCHWIENHORST – SCHÖNBERGER: Ein Weg durch das Leid. Das Buch Ijob. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2007. S. 25. 45 Vgl. Ludger SCHWIENHORST – SCHÖNBERGER : Ein Weg durch das Leid. Das Buch Ijob. Verlag Her- der, Freiburg im Breisgau 2007. S. 25 - 27. Hiob 24 ponist zitiert von jedem Abschnitt die ersten zwei oder drei Verse (3, 1 – 2, 11 – 13, 20 – 23). Im zweiten Abschnitt ist die Frage „Warum“ dominant, im dritten setzt Hiob seine Hoffnung auf Gott, aber er hinterfragt den Sinn eines leidenden Menschenlebens. 46 „Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich? Weshalb nur kamen Knie mir entgegen und wozu Brüste, dass ich daran trank?“ (Hb 3, 11 – 12) Nach diesem Zitat erklingt der Satz Sehnsucht nach dem Tode. Im Buch Hiob folgen nun die drei Gänge des Redestreites zwischen Hiob und seinen drei Freunden (Kapitel 4 – Kapitel 27), die Eben in seinem Orgelzyklus nicht erwähnt. Im Kapitel 4 - 7 spricht Elifas mit Hiob über dessen Leben, dass er vielen Menschen geholfen hat, viele Schwache gestärkt und ihnen Mut zugesprochen hat. Für Elifas liegt der Grund des Leidens im Menschen selbst, und er ist überzeugt, dass niemand unschuldig solch schwere Krankheiten bekomme. „Bedenke noch, wer ging jemals unschuldig zugrunde, und wo wurden Aufrichtige vernichtet?“ (Hb 4,7) Nach Elifas Denkweise funktioniert die Welt so, dass letzten Endes immer der Mensch selbst die Verantwortung dafür trägt, wenn Böses und Unheil in sein Leben kommen. Er berücksichtigt dabei nicht, dass auch der Gerechte in tiefes Unglück stürzen kann. Elifas gibt Hiob einen Ratschlag, den Hiob in der Folge in seinen Antwortreden immer wieder erwähnt. 47 „Ich würde jedoch bei Gott nachsuchen und meine Sache Gott vorlegen“. (Hb 5,8) Auf diesen Vorschlag antwortet Hiob zwar mit Gottvertrauen, wirft aber gleichzeitig seinem Freund auch Unverständnis vor und drückt aus, dass er nicht treu zu ihm stehe. Dann wendet Hiob sich an Gott mit den Worten des Kapitels 7, 16 – 21, die auch Eben zitiert. In diesen Reden zu Gott fragt Hiob, ob der einzelne Mensch wirklich von so großer Bedeutung ist, dass Gott ihm seine Aufmerksamkeit schenkt, ihm keinen Moment der Ruhe gönnt und ihn immerfort auf die Probe stellt. Der Satz Ebens Verzweiflung und Resignation drückt diesen Zustand Hiobs aus. Elifas vertritt die These, dass der Mensch selbst die Ursache für das Böse sei, das ihn letztendlich treffe und betont diese Überzeugung in den weiteren Redekreisen, in Kapitel 15 – 17 und Kapitel 22 – 24. 46 Vgl. Ludger SCHWIENHORST – SCHÖNBERGER: Ein Weg durch das Leid, Das Buch Ijob. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2007. S. 27. 47 Rüdiger LUX: HIOB. Im Räderwerk des Bösen. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012. S. 162. Hiob 25 Der zweite Freund Bildad setzt an der These von Elifas an und hebt die Gerechtigkeit Gottes hervor, er kritisiert die Starrköpfigkeit und Selbstgerechtigkeit Hiobs. Bildad betrachtet das Verhältnis Gott – Mensch als Rechtsbeziehung, während der Mensch das Recht immer wieder verletze, ist die Rechtsbeugung von Gott ausgeschlossen. Nach Bildads Gottesbild ist Gott übermächtig und verborgen und grundsätzlich gibt es keine Gerechtigkeit vor ihm; er kann alles zerstören, aber auch wiederherstellen. Bildad fordert Hiob auf, sich die Erfahrungen der älteren Generationen anzuhören. Bildad und Elifas vertreten denselben Standpunkt auch in den nächsten Redekreisen (Kapitel 18 – 19 und 25 – 27), in denen es um die Sünde, deren Einsicht, die Strafe und die Gerechtigkeit Gottes sowie der Verbeugung vor Gottes Übermacht geht. „Gewiss, ich weiß (auch), dass es so ist. Wie kann ein Mensch vor Gott gerecht sein.“ (Hb. 9,2) Im Gegensatz zu den beiden anderen Freunden wird Hiob von seinem dritten Freund Zofar vollkommen respektlos und ohne jedes Mitleid behandelt. Zofars Rede ist hart und es geht ihm nicht darum, Hiob zu trösten, sondern ihn zurechtzuweisen und zu beschämen. 48 Seine These ist, dass Gott keine Schuld an den Katastrophen trägt, sondern nur Hiob selbst. Für Zofar ist Hiob auch nur ein sündiges menschliches Wesen und zudem ein Hohlkopf und Lügner: „Ja, er kennt die Leute des Nichtigen und sieht die Lüge, und sollte nicht darauf achten? Kann etwa ein Hohlkopf zur Einsicht kommen, und ein Wildeselhengst als Mensch geboren werden?“ (Hb 11,11) Solange Hiob an seiner Unschuld festhält, die er immer wieder beteuert und an die seine Freunde nicht glauben, wird er von diesen auch nicht mehr als Freund gesehen. Es kann nicht sein, dass ein Mensch so bestraft wird, der ohne Sünde ist. Diese These wird im Redestreit immer wieder vertreten, wobei der Dichter aber dem dritten Freund Zofar nur noch einmal (Kapitel 20 – 21) das Wort gibt. Mit Kapitel 28 beginnt das Lied von der Weisheit und endet gleichzeitig der Redestreit Hiobs mit den Freunden. Hiob forscht danach, woher die Weisheit kommt, wo deren Ort ist. In seinen Überlegungen kommt er zu dem Ergebnis, dass der Mensch selbst keine Weisheit besitzt, nur Gott allein weiß alles. Es gibt aber zwei Wege, wie man sich der Weisheit nähern kann: die Gottesfurcht und das Meiden des Bösen. „Zum Menschen aber sprach er: Siehe, die Furcht des Herrn, sie ist Weisheit. Hiob 26 Und das Meiden des Bösen ist Einsicht.“ (Hb 28, 28) Diese Erkenntnisse sind für Hiob eine Wegweisung um über sein Leben und sein Unglück nachzudenken. So folgt das Lied von der Weisheit – die Reinigungsreden Hiobs, die zwei Kapitel des Buches (Kapitel 29 – 31) umfassen. Hiob spricht schmerzvoll über sein früheres Glück, über das, was er vor dem Tag des Zornes alles gehabt hat. Danach analysiert er sein Unglück und schließt im Kapitel 31 seine Reden mit dem Reinigungseid ab. Hiob nimmt an, dass Gott ihn aus den Augen verloren hat und sucht nach seinen bösen Taten, welche dieses Unheil verursacht haben könnten. In diesem Kapitel schöpft Hiob alle Mittel der Sprache aus, um eine Antwort zu finden. Er meditiert, argumentiert und streitet mit Gott. Das Kapitel endet mit dem Satz: „Zu Ende sind die Worte Hiobs“. (Hb 31,40) Der vierte Freund Elihu, der nach den drei Freunden Elifas, Bildad und Zofar zu Hiob kommt, ist der jüngste von allen und spricht in den nächsten Kapiteln (32 - 37,4) mit Hiob. Die sogenannten Elihu Reden sind in vier Abschnitte geteilt: „Da entbrannte der Zorn“, „Gott ist größer als der Mensch“, „Blicke zum Himmel auf“, „Wer ist ein Lehrer wie er?“. 49 Im ersten Teil der Elihu Reden wird sehr deutlich, dass Elihu voll Zorn gegen die anderen Freunde ist, weil sie aufgaben mit Hiob zu sprechen und diesem nichts mehr entgegensetzen konnten, sie sind mit ihrer Klugheit am Ende. Elihu will seine Meinung auch äußern, weil er davon überzeugt ist, dass die Weisheit keine Sache des Alters, sondern eine Gabe Gottes sei. Nach Elihu ist es unmöglich, dass Gott gegen Hiob unrechtmäßig vorgegangen sei, denn Gott ist unvergleichbar und größer als der Mensch. Er wirft Hiob vor, eine Antwort Gottes zu fordern und trotzdem nicht auf die Stimme Gottes zu hören. Krankheit und Schmerz sind Warnungen vor dem Verderben. Der Mensch muss an Gottes Gerechtigkeit glauben. Elihu sagt, dass Gott das Geschick der Menschen bestimme, ob ihnen Gutes oder Böses widerfahre. Er führt Hiob die Schöpfung Gottes vor Augen, in der alles seine Ordnung habe. Gottes Macht und Recht erscheine über allen seinen Werken. Der Gerechte müsse sich dieser Macht unterwerfen und Gott preisen. Elihus Reden waren aber keine Antwort für den an seinen Krankheiten leidenden Hiob. In den nächsten Kapiteln antwortet endlich Gott auf Hiobs Klagen. Die Reden Gottes sind in zwei große Abschnitte gegliedert, jeweils mit Einleitung, Ausführung und Antwort 48 Rüdiger LUX: HIOB. Im Räderwerk des Bösen. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012. S. 181. 49 Rüdiger LUX: HIOB. Im Räderwerk des Bösen. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012. S. 213. Hiob 27 Hiobs. 50 Petr Ebens zitiert in seiner nächsten Stelle den ersten Dialog des Abschnitts (Kapitel 38, 1 – 12, 33, 35) des alttestamentlichen Buches Hiob. Im ersten Abschnitt antwortet der Herr Israels Hiob in Form einer Gegenfrage. Es sind viele rhetorische Fragen, die er an Hiob stellt und zwar Gottes Wirken, Gottes Schöpfung betreffend: „Wo bist du gewesen, als ich die Erde gründete? Erzähle, wenn du Einsicht hast! Wer hat ihre Maße festgesetzt? Weißt du das?“ (Hb. 38, 4) Hiob kann keine der Fragen beantworten. Er ist überfragt und bleibt stumm. Der Weg durch die Schöpfung, der ihm von Gott gezeigt wurde, führt ihn in Dimensionen, die jenseits von Ursache und Wirkung liegen. Hiob wird sich seiner Grenzen bewusst. In der zweiten Rede Gottes wird Hiob vorgeworfen, sich Gott gegenüber erhoben zu haben. Gott spricht zu ihm über die Natur, die er beherrscht und über die bösen Mächte, die vom Menschen Besitz ergreifen wollen. Der Leser des Buches Hiob kommt zum Ergebnis, dass Gott allmächtig ist, er hat alle Frevler im Griff, schaltet sie jedoch nicht aus. Gottes Wissen reicht weit über das menschliche Wissen hinaus. Hiobs Antwort auf die Reden Gottes im Kapitel 42 beginnt so: „Ich weiß, dass dir alles möglich ist.“ (Hb 42,2) Die ersten Verse des Kapitels 42 werden vor dem siebten Satz des Orgelzyklus zitiert. Hiobs Erkenntnis spiegelt sich in seiner Antwort an Gott wider: Er weiß jetzt, dass Gott nicht durch die Freunde oder vom Hören von anderen Menschen erfahrbar ist, sondern er hat ihn mit seinen eigenen Augen gesehen. Diese neue Erkenntnis über Gott beeindruckt ihn sehr und er bekennt reumütig seinen Fehler. Für ihn hat sein Leben nun eine neue Bedeutung. Im Epilog beziehungsweise dem Schlussteil der Rahmenerzählung des Buches Hiob wird klar ausgesagt, dass die Freunde Hiobs nicht recht über den Gott Israels gesprochen haben. Hiobs Leben aber wird wieder glücklich, weil er durch Erkenntnis die Glaubensprobe bestanden hat. Der Sprecher zitiert den Prolog vor dem Satz Gottes Lohn: „Der Herr aber segnete die spätere Lebenszeit Hiobs mehr als seine frühere.“ (Hb. 42, 13) 50 Rüdiger LUX: HIOB. Im Räderwerk des Bösen. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012. S. 232. Hiob 28 3.2 Die Figur Hiobs „Die Figur des Hiob ist die personifizierte Frage nach Gerechtigkeit und der Gegenwart Gottes in der Welt.“ 51 So definiert Thomas Schipperges die Figur Hiobs in seinem Buch und stellt Parallelen zwischen Hiob und Faust her. Der tschechische Komponist Petr Eben hat sein Werk über Faust in der gleichen Form wie Hiob komponiert, nämlich für Orgel und Sprecher. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Werken und der Komponist äußert sich wie folgt darüber: „Nach dem Orgelzyklus Faust war es mir ein Bedürfnis, mich mit derselben Thematik – einer Wette Satans mit Gott um das Los eines Menschen – noch einmal auseinanderzusetzen und dies mit seinem alttestamentlichen Vorbild. Faust verließ sich auf seine eigenen menschlichen Kräfte und scheiterte, Hiob nahm das Leid demütig an und war siegreich.“ 52 Goethes Werk greift auch in der Szene Prolog im Himmel auf die alttestamentliche Geschichte zurück, wo die Wette zwischen Gott und Satan stattfand. Bei Goethe geht es um Faust, in der Bibel um Hiob. Nach Martin Luthers Gedanken um dieses Geschehen kann so ein Wettstreit mit allen Personen passieren: „Der Mensch ist ein Wesen, um das sich Gott und der Teufel streiten.“ Mit der Frage, warum einem guten Menschen Böses widerfahren kann, haben sich neben Eben auch andere Komponisten auseinandergesetzt und sie in ihren Werken bearbeitet. So findet man Hiob beispielweise in folgenden Kompositionen: Giacomo Carissimi: Historia di Job (1660), Carl Loewe: Hiob (1848), Heinrich Gattermeyer: Gesänge Hiobs (1980), Peter Maxwell Davies: Job (1997), Fanny Hensel: Hiob (1831), Luigi Dallapiccola: Sacra reppresentazione Job (1950), Wilfried Hiller: Ijov (1979). Zitate des Buches findet man ebenfalls im Werk von Leonhard Lechner: Newen Teutschen Liedern (1577), oder bei Heinrich Schütz: Musikalische Exequien (1636). Johannes Brahms komponierte die Motette Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und zu Textstellen griff Orlando di Lasso in seinem Werk: Sacrae lectiones novem ex Propheta Job (1560) und Rudolf Mauersberger in seinem Dresdner Requiem (1948). 53 51 Thomas SCHIPPERGES: Musik und Bibel. Band 1: Altes Testament. 111 Figuren und Motive, Themen und Texte. Bärenreiter, Kassel, Basel, London 2002. S. 92. 52 Petr EBEN: Vorwort. in: Job for Organ. United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. London 1987. 53 Thomas SCHIPPERGES: Musik und Bibel. Band I. Altes Testament. 111 Figuren und Motive, Themen und Texte. Bärenreiter, Kassel, Basel, London 2002. S. 93. Erster Satz: Schicksal 29 4 Erster Satz: Schicksal Motto des Satzes: „Und Satan sprach zum Herrn: Führe einmal einen Schlag und triff Hiob und all sein Hab und Gut, und er wird Dir ins Gesicht fluchen“. (Hb 1, 10) Zitat von Petr Eben zu dem Satz: „Der Satz beginnt mit dem Schicksalmotiv Hiobs in einem rauhen Zungenregister des Pedals und endet nach einem bewegteren Mittelteil mit demselben Motiv, das nun über die ganze Klangfläche der Orgel verteilt ist.“ 54 Der Satz „Schicksal“ ist der erste Satz des achtsätzigen Orgelzyklus Ebens, unter dessen Motto die Schicksalsschläge, die Hiob treffen sollen, stehen. In diesem Satz gibt Gott dem Satan die Erlaubnis, Hiob alles wegzunehmen, was er besitzt. Der Zyklus beginnt mit der Orgel, ohne Sprecher, mit dem Schicksalmotiv in der Pedalstimme. Der Satz steht als „Ouverture“ im Zyklus Ebens. 4.1 Schicksal Der Begriff Schicksal ist häufig mit Tragödien wie Krankheit, Leid, Elend und Not zu verbinden. Diese „Schicksalsschläge“ stehen im Zusammenhang mit einer nicht vom Menschen ausgehenden Kraft und Macht. Das Schicksal ist vom Menschen unbeeinflussbar und es kann auch als Anfang und Form des Todes gedeutet werden. 55 In der Weltliteratur findet man den Begriff Schicksal zum ersten Mal im Gilgameschepos, in dem Gilgamesch erfährt, dass es das Schicksal des Menschen ist, dass das Leben mit dem Tod endet und dessen Zeitpunkt dem Menschen nicht mitgeteilt wird. 56 Im Buch Hiob wird die Bestimmung des Schicksals Hiobs 54 Petr EBEN: Vorwort. in: Job for Organ. United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. London 1987. 55 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 18 – 19. 56 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 20 - 21. Erster Satz: Schicksal 30 nicht nur von Satan (vom Bösen) oder von Gott (vom Guten) bestimmt. Im alttestamentarischen Weisheitsbuch sind diese beiden aber keine gleichrangigen Mächte nebeneinander. Die Gestalt des Schicksals prägte auch den jung verstorbenen Wolfgang Amadeus Mozart, der nach dem frühen Tod seiner Mutter und dem gleich danach folgenden frühen Tod eines Freundes und einer schweren Erkrankung seines Vater entschieden hat, jeden Tag als Gottes Geschenk zu genießen. 57 Ludwig van Beethoven schrieb schon vor seiner 5. Symphonie (1807) in seinem Heiligenstädter Testament (1802), in dem er den Verlust seines Gehörs beklagte, über sein Schicksal. Im Tagebuch bittet er Gott um Kräfte und um Geduld, sein Schicksal zu ertragen. 58 Die frühchristlichen Autoren stellen den Glauben als ein unpersönliches, unerbittliches Schicksal dar. In den Katastrophen erscheint Gottes „Zorn“, aber auch seine Weisheit. 59 In späteren Betrachtungen steht Christus im Mittelpunkt, der durch sein Schicksal (Kreuzigung, Auferstehung) den Heilsplan Gottes personifiziert. Dadurch wird das böse Schicksal als heilende, neuerschaffende Kraft gedeutet, welche die Menschheit weiterführt. 4.2 Analyse des Satzes Den Satz Schicksal kann man nach den Tempobezeichnungen in drei große Abschnitte einteilen. Es gibt zwei Hauptmotive, Schicksal und Fanfare, die den ganzen Satz hindurch hörbar sind. Im ersten Teil (bis Takt 30) werden die zwei Themen vorgestellt und auch variiert. Der Satz beginnt mit dem Schicksalmotiv im Pedal (siehe obiges Zitat des Komponisten) und ein Fanfarenmotiv antwortet darauf auf dem ersten Manual mit dem Trompetenregister. Die von Eben vorgeschriebene Tempobezeichnung „Andante“ (Gehend) könnte man mit dem Ankommen, dem Nahen des Satans assoziieren. Bis Takt 16 bleibt dieser Andante - Charakter bestehen. Ab den letzten Vierteln des Taktes findet sich die Bezeichnung „poco stringendo“. Die ersten 16 Takte kann man in 7 + 9 Takte einteilen, wobei beide Themen (Fanfare und Schicksal) zweimal vorkommen. Ab Takt 16 beginnt das Schicksalmotiv einen Ton höher, 57 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 90. 58 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 92. 59 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 335. Erster Satz: Schicksal 31 und zwar mit D. Bis „Tempo I“ wird das Thema von c bis g in großen Sekundenschritten vorgestellt, ab Takt 25 beginnt es um einen Halbton höher mit cis. In diesem Teil kann der Zuhörer eine melodisch aufsteigende Tendenz erkennen. Eine detaillierte tabellarische Analyse zu dem ersten Teil: Takt Anmerkung 1–4 Vorstellung des Schicksalmotives Hiobs in der Pedalstimme (solo) mit dem Zungenregister „Posaune 16’“ mit c beginnend. Andante, ff 5–7 Einsatz des Manuals mit einem Fanfarenmotiv auf dem Orgelpunkt Des. Register: Trompete 8’ 8 – 12 Wiederholung des Schicksalmotivs im Pedal. Das Thema wird erweitert und bleibt auf einem e Orgelpunkt stehen. 13 - 16 Wiederholung des Fanfarenmotivs – auch mit erweiterter Variation. 16 - 18 Schicksalmotiv von d beginnend im Pedal, das Fanfarenmotiv setzt um ein Viertel früher ein als am Anfang des Satzes. Hier findet sich die Bezeichnung: “poco stringendo“. 19 - 20 Das Schicksalmotiv beginnt von e im Pedal in einer Viertelbewegung. Das Fanfarenmotiv setzt um zwei Schläge früher ein als in Takt 5. 20 - 24 Das Fanfarenmotiv befindet sich auf dem Manual in einer Art Variation. Im Pedal wiederholt sich das Schicksalmotiv in Intervallen in einer Viertelbewegung. Beide Themen enden einen ganztaktigen Akkord. 25 - 29 Der gleiche Effekt des Schicksalmotivs, wie am Anfang zeigt sich ab dem Takt 25 mit der Bezeichnung „Tempo I“. Das Schicksalmotiv beginnt mit Cis. Das Thema wird erweitert: der dritte Takt des Themas ist im 6/4 Takt. (Takt 27). Der zweite Teil des Satzes hat einen ganz anderen Charakter als der erste Teil. Er ist als „Toccata“ komponiert und Eben schreibt eine schnellere Tempobezeichnung, nämlich „piu mosso“, vor. Dieser Abschnitt, den man als perkussiv bezeichnen kann, umfasst 32 Takte, wobei der Dialog zwischen dem Fanfarenmotiv und dem Schicksalmotiv (zwischen Manual und Pedal) sehr dominant ist. Die Begleitung (quasi das „Toccata“ Thema) beginnt ab Takt 36 von g und bewegt sich immer weiter abwärts und zwar folgendermaßen: ab Takt 42 von a, ab Takt 46 von c, ab Takt 49 von cis, ab Takt 52 von d, ab Takt 53 von des. Ab Takt 55 beginnt das Thema mit g’ und ab Takt 57 mit a’’. Man kann feststellen, dass in dem „Toccata“ Teil, Erster Satz: Schicksal 32 wie im ersten „Andante“ Teil ein aufsteigender Effekt zu finden ist. Typisch in diesem Abschnitt sind die Dreier – Teilungen und die f Dynamik. Eine detaillierte Analyse des zweiten Abschnitts: Takt Anmerkung 30 - 32 Einsatz mit toccatenartigem Charakter auf dem zweiten Manual in mf Tempobezeichnung : „Piu mosso“ Dann perkussiver Charakter, der mit e’’ beginnt und mit fis’’ endet. Immer wechselnde Taktarten (4/4, 3/8, 2/4). 33 - 35 Quasi Variation der vorigen drei Takte, durchgehend 4/4 Takt. Absteigende Melodie, die zu einer Art Begleitung wird. 36 - 39 Sechzehntelbewegung in der linken Hand als Begleitung – im 4/4 Takt. In der rechten Hand solo Melodie, ähnlich wie das Schicksalmotiv. 39 Schicksalmotiv im Pedal mit dem Register: Trompete 8’ 40 - 41 Solo auf dem ersten Manual mit toccataartiger Begleitung. Quasi Dialogspiel zwischen dem Pedal und der Sopranstimme. 42 Schicksalmotiv im Pedal in Sechzehnteln. Toccata – Begleitung beginnt von a 43 - 46 Solo Melodie mit der Begleitung. 46 - 48 Toccata beginnt von c – Schicksalmotiv in den Zwischenstimmen. Im Pedal – Schicksalmotiv-ähnliche Figuren – deutlich mit f. 49 - 51 Toccata beginnt von cis – das Schicksalmotiv im Pedal wird mit Sechzehntel und Achtel dargestellt. 52 - 53 Die Toccata – Begleitung beginnt von d. In der Sopran Stimme ist das Schicksalmotiv zu hören. 54 Beide Stimmen befinden sich auf dem ersten Manual. Ähnliche Stelle wie in Takt 33. 55 - 56 Wieder Manualteilung. In der Sopranstimme ein liegendes as’’. In den Mittelstimmen das Schicksalmotiv. 57 - 61 Deutliche Taktart- und Charakteränderung – noch dichtere Toccata ohne Pedal, f Im ersten Manual Toccata - Charakter, viertaktig. Die Töne des Schicksalmotivs sind exakt auf „Schlag 1“ notiert. Der dritte Teil des Satzes beginnt mit dem Takt 62 und schreibt die Tempobezeichnung „Andante“ (Tempo I) vor. In diesem letzten großen Abschnitt des „Schicksal“ - Satzes sind zwei Erster Satz: Schicksal 33 verschiedene Charaktere zu unterscheiden. Der eine ist durch eine lineare Bewegung (Triolen, Sechstolen – Läufe) gekennzeichnet, der andere hingegen kann als ein in Akkorden fortschreitender, dynamisch gesteigerter Charakter bezeichnet werden. Von Takt 62 bis 69 dominieren deutlich die Triolen und Sechstolen, die die Dreiteiligkeit auch in den schnelleren Läufen zeigen. Obwohl der Anfang mit Tempo I bezeichnet ist, findet man die Bezeichnung „poco stringendo“ im zweiten Takt des Abschnittes. Ab Takt 70 sind die Akkordblöcke dominant, die die zwei Themen, hauptsächlich das erste, das Schicksalmotiv als Pedalthema, verarbeiten. Der Satz endet mit dem Schicksalmotiv, dessen vorletzter Einsatz in der Pedalstimme mit dem Ton e um eine große Terz höher als am Anfang ist. Der letzte Einsatz des Motivs hört auf dem Orgelpunkt F akkordisch auf. Der Schluss des Satzes wirkt auf die Zuhörer offen, nicht abgeschlossen. Eine detaillierte Analyse des letzten Abschnittes. Takt Anmerkung 62 - 69 Triolischer Charakter – portamento – poco stringendo – trotzdem „Tempo I“ als Tempobezeichnung. Manualteilung: beide Hände befinden sich in einer tiefen Lage. Die Stimme des Pedals ist dominant. Das Schicksalmotiv ist in der Stimme der rechten Hand zu finden. 70 - 72 Das Schicksalmotiv befindet sich in der akkordischen Bewegung in ff. Das Thema beginnt von g’’. 73 Zwischenspiel mit Manualteilung. Ähnliche Stelle wie Takt 67. 74 - 77 Das erweiterte Thema beginnt wieder wie in Takt 70, aber um einen Ton höher von a’’ und endet auf cis’. 78 Zwischenspiel wie Takt 73. 79 - 82 Hier ist zweimal das Schicksalmotiv hintereinander hörbar. Das erste Mal beginnt es mit d und endet auf Es, das zweite Mal beginnt es mit a und endet mit B, gemeinsam mit dem Pedal. 83 - 89 Mehrmals kommt das Thema hintereinander in akkordischer Bewegung. Es schließt mit einem ganztaktigen Akkord (beinahe H – Dur). 90 – 96 Letzter Einsatz des Themas ff wie zu Beginn des Satzes - zuerst das Schicksalmotiv, danach das Fanfarenmotiv. Erster Satz: Schicksal 34 4.3 Mögliche kompositorische Vorbilder Bei der Suche nach kompositorischen Vorbildern dient das Zitat des Komponisten über den Satz als Vorlage. Petr Eben nennt seinen ersten Satz „Schicksal“ und äußert sich über ein Schicksalmotiv im Vorwort zu seinem Orgelzyklus. Diese Bezeichnung ist bei Beethovens V. Symphonie und auch in der V. Symphonie von Tschaikowsky zu finden. Auf den nächsten Seiten wird versucht, Parallelen aufzuzeigen, die zwischen Ebens Satz „Schicksal“ und den Schicksal-Motiven anderer Komponisten aus früheren Epochen bestehen. Das berühmteste Schicksal-Motiv, welches aus dem ersten Satz Beethovens 5. Symphonie Op. 67. stammt, ist in der Tonart c – Moll komponiert. Dieses kurze und prägnante Thema wurde von Beethoven mit dem nicht verbürgten Wort „So klopft das Schicksal an die Pforte“ bezeichnet. 60 Ebens Schicksalmotiv beginnt mit einem ganztaktigen c im Pedal im ¾ Takt, welches auf Beethovens Tonart hindeutet. Die dynamische Anweisung „ff“ am Anfang findet man auch in Beethovens Symphonie. Abbildung 1: Petr Eben: „Schicksal“ Takt 1 - 7 Das Tempo der 5. Symphonie ist mit „Allegro con brio“ bezeichnet und das Thema beginnt mit g’. Der Satz ist in der klassischen Sonatenhauptsatzform (Exposition, Durchführung, Reprise, Coda) geschrieben und die Themen haben eine aufsteigende Tendenz, die auch in Ebens ersten Satz zu hören ist. Formal findet man allerdings keine Ähnlichkeiten zwischen den beiden Sätzen. Der Charakter des ersten Satzes ist bei Beethoven sehr spannungsvoll, sehr „beweglich“ und beginnt auftaktig. In Ebens Thema (mit dem charakteristischen rauhen Register „Posaune“) wird die Spannung mit einem stehenden Pedalton erzeugt, wobei die Intervalle, wie übermäßige Quart und übermäßige None dominant sind. Diese Intervalle wurden in der Barockzeit als die Intervalle des Teufels bezeichnet. 60 Klaus P. FISCHER: Schicksal in Theologie und Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. S. 90. Erster Satz: Schicksal 35 Der zweite Satz von Beethovens Schicksalssymphonie ist in As-Dur im 3/8 Takt komponiert und hat fast die gleichen Tempobezeichnungen („Andante con moto“ Achtel = 92) wie Ebens erster Satz „Schicksal“ („Andante“ Viertel= 80“). Bei beiden Komponisten sind in den Sätzen auch die gleichen Tempoanweisungen zu finden. Tabellarische Analyse der Tempoanweisungen in den Sätzen: Takt bei Takt bei Tempobezeichnung Tempobezeichnung Eben Beethoven bei Eben Anfang Anfang Andante in ¾ Takt Andante con moto Viertel = 80 bei Beethoven in 3/8 Takt Achtel = 92 30 62 205 218 Piu mosso Piu moto Viertel = 100 Achtel = 116 Tempo I 61 Tempo I Der zweite Satz der Schicksals-Symphonie ist formmäßig schwierig einzuordnen: Er ist nicht nach dem Sonatenschema oder nach dem Rondotypus komponiert. 62 Man kann beim Vergleich nach der Dreiteilung hinsichtlich der Tempobezeichnungen und nach der Doppel variationsform der beiden beherrschenden Themen vorgehen. Ebens erster Satz hat formal ähnliche Eigenschaften wie der zweite Satz Beethovens: dreiteilig, und die Themen laufen Hand in Hand variiert durch den Satz. Es sind somit beim thematischen Vergleich von Eben mit Beethoven etliche Gemeinsamkeiten erkennbar. Zum Beispiel haben beide Sätze zwei Themen. Das erste Thema bei Beethoven beginnt in der tiefen Lage mit Bratschen und Violoncello unisono und mit wenigen Begleittönen des Kontrabasses. 61 Anmerkung: Die Bezeichnung Tempo I findet man bei Ebens Satz Schicksal auch im Takt 25. 62 Kurt Pahlen: Sinfonie der Welt. Gondrom Verlag, Bildlach 1992. S. 58. Erster Satz: Schicksal Abbildung 2: 36 Beethoven: Symphonie in c, II. Satz 63 Eben beginnt sein Thema solo im Pedal mit dem Register „Posaune“. Das zweite Thema bei Beethovens II. Satz ist ein fanfarenartiges Thema, wie auch das zweite Thema von Ebens Schicksal ein solches ist. So wie sich das Anfangsmotiv bei Beethoven am Ende des Satzes in einem ähnlich „rauhen“ Register durch das Zusammenspiel von Fagott und Klarinette wiederholt, endet auch der Satz Schicksal bei Eben mit dem Fanfarenmotiv mit der Dynamik ff. Abbildung 3: 63 Beethoven: Fanfarenmotiv: letzte 6 Takte des Satzes (Partiturausschnitt) 64 Ludwig van BEETHOVEN: Symphonie Nr.5. in c – moll Op.67. Bärenreiter, Kassel, Basel, London, 2001. S. 25. 64 Ludwig van BEETHOVEN: Symphonie Nr.5. in c – moll Op.67. Bärenreiter, Kassel, Basel, London, 2001. S. 43. Erster Satz: Schicksal Abbildung 4: 37 Petr Eben: Schicksal - Fanfarenmotiv am Ende des Satzes Die fünfte Symphonie (Op. 64) von Tschaikovsky steht ebenfalls in Verbindung mit dem Thema „Schicksal“. In Tschaikovskys Skizzen und Entwürfen finden sich folgende programmatische Hinweise: „Introduktion. Völlige Ergebung in das Schicksal oder, was dasselbe ist, in den unergründlichen Ratschluß der Vorsehung. Allegro I. Murren, Zweifel, Klagen Vorwürfe gegenüber + + +. II. Soll ich mich dem Glauben in die Arme werfen?“ Bei einer anderen Stelle findet man „II. Ein wundervolles Programm, wenn ich es nur ausführen könnte.“ 65 Bei der Suche nach den Parallelen zwischen Eben und Tschaikovsky findet man zuerst Gemeinsamkeiten bei den Tempobezeichnungen. Der erste Satz von Tschaikovskys 5. Symphonie beginnt „Andante“ (Viertel = 80). Auch Eben schreibt dieses „Andante“ Tempo in seinem ersten Satz vor. Ähnliche Tempobezeichnungen finden sich sowohl bei Beethovens zweitem Satz, Tschaikovskys erstem Satz als auch in Ebens erstem Satz, lediglich mit dem Unterschied, dass in Tschaikovskys Symphonie dreimal (in Takt 170, 427, 445) charaktermäßig langsamere Teile (tranquillo) eingefügt wurden. Tabellarische Analyse der Tempobezeichnungen in den Sätzen: Takt bei Schicksal Satz Anfang Ebens Takt bei Tschai- Tempobezeichnung kovskys erstem Satz Anfang bei Ebens bei Tschaikovskys Schicksal Satz erstem Satz Andante in ¾ Takt Andante in 4/4 Takt Viertel = 80 65 Tempobezeichnung Viertel = 80 Thomas KOHLHASE: Einführung in ausgewählte Werke Petr Il’ic Cajkovskijsa. Schott Mainz, 1996. S. 64. Erster Satz: Schicksal 30 38 38, (409) Piu mosso Allegro con anima Viertel = 100 Viertel punktiert= 104, (Un pochettino piu mosso) 17, 63 122, 385 Poco stringendo Poco meno animato (string.) 62 132, 194, 389, 451 Tempo I. 152 Un pochettino piú animato 170, 427, 445 Molto piu tranquillo Das achttaktige Thema des Satzes beginnt bei Tschaikovsky mit dem rauhen Klang der Klarinette und wird von den tiefen Streichern begleitet. Abbildung 5: Tschaikovsky: V. Symphonie e – Moll op. 64 Takt 1 - 8 66 Ab Takt 20 setzt das Fagott ein, zuerst als Begleitstimme, dann im anschließenden Teil „Allegro con anima“ spielen Fagott und Klarinette das Thema gemeinsam. In den folgenden Teilen gesellen sich immer mehr „rauhe“ Instrumente dazu (Oboe), und die Stimmen des Fagotts werden verdoppelt, so dass der ganze Satz durch deren Klang dominiert wird. Der Charakter des Themas ähnelt einer leise beginnenden Fanfare, die den ganzen Satz hindurch immer wieder vorkommt. 4.4 Fazit Der erste Satz Schicksal dient als Präludium oder Ouvertüre des achtsätzigen Orgelzyklus. Der Satz beginnt ohne den Sprecher und die allerersten Takte des Werkes sind die „Schicksalmotive“ im Pedal mit dem „rauhen“ Register „Posaune“. Auf dieses Thema antwortet das Fanfarenmotiv mit dem Trompetenregister. Durch die Analyse des Satzes kommt man zum 66 P. Tschaikowsky: Symponie Nr. 5. E – Moll Op. 64. Breitkopf&Härtel, Leipzig. Erster Satz: Schicksal 39 Ergebnis, dass der Satz formal schwer einzuordnen ist, aber eine aufsteigende Tendenz besitzt. Es gibt in der Musikgeschichte zwei berühmte Schicksalsthemen. Das eine findet man in Beethovens fünfter Symphonie und das andere in Tschaikowskys fünfter Symphonie. Das Thema von Beethovens erstem Satz hat einen anderen Charakter als Ebens Thema. Formal ähnelt Ebens Kopfsatz eher dem zweiten Satz von Beethovens Schicksalssymphonie, in dem es neben dem Anfangsthema der Streicher ein Fanfarenthema gibt. Derartige zwei Themen findet man auch in Tschaikovskys e-Moll Symphonie, die mit einem tiefen Klarinettenmotiv beginnt und eine Schicksalsprogrammatik besitzt. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 40 5 Zweiter Satz: Gesinnungstreue Sprecher: Kapitel 1 Vers 1- 3, 6- 21 „Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Hiob. Dieser Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse. Sieben Söhne und drei Töchter wurden ihm geboren. Er besaß 7.000 Kleinvieh, 3.000 Kamele, 500 Joch Rinder und 500 Esel, dazu zahlreiche Gesinde. An Ansehen übertraf dieser Mann alle Bewohner des Ostens. Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan. Der Herr sprach zum Satan: ‚Hast du auf meinem Knecht Hiob geachtet? Seines gleichen gibt es nicht auf der Erde, so untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und meidet das Böse‘. Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: ‚Geschieht es ohne Grund, dass Hiob Gott fürchtet? Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Gesicht fluchen‘. Der Herr sprach zum Satan: ‚Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand nicht aus!‘ Darauf ging der Satan weg vom Angesicht des Herrn. Nun geschah es eines Tages... Da kam ein Bote zu Hiob und meldete: ‚Feuer Gottes fiel vom Himmel, schlug brennend ein in die Schafe und Knechte und verzehrte sie. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten‘. Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: ‚Die Chaldäer stellten drei Rotten auf, fielen über die Kamele her, nahmen sie weg und erschlugen sie und die Knechte mit scharfem Schwert. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten‘. Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: ‚Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein. Da kam ein gewaltiger Wind über die Wüste und packte das Haus an allen vier Ecken; es stürzte über die jungen Leute, und sie starben. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.‘ Nun stand Hiob auf, zerriß sein Gewand, schor sich das Haupt, fiel auf die Erde und betete an. Dann sagte er: ‚Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter, nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; gelobet sei der Name des Herrn.‘“ Zweiter Satz: Gesinnungstreue 41 Motto des Satzes: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Gepriesen sei der Name des Herrn“ (Hb 1, 21) Petr Eben äußert sich über den Satz wie folgt: „Hiob stimmt in leiser Demut den Lobpreis an; er erklingt als Zitat des gregorianischen österlichen Exsultet im hohen Flötenregister. Das Zitat wird immer wieder von tösenden Schicksalsschlägen, die sein Haus und seine Familie befallen, unterbrochen. In das fortschreitende Geschehen ertönt von neuem in der Trompete das Hiob – Thema und den Satz beendet – wieder in stillem Beharren – das gregorianische Motiv des Gloria in Excelsis.“ 5.1 Exsultet Eben erwähnt die zwei gregorianischen Zitate, die er als Rahmen des Satzes verwendet. Zu Beginn hört man leise das österliche Exsultet und am Schluss das berühmte Gloria in Excelsis Deo. Der Lobgesang Exsultet wurde von dem ersten Wort seines Textes genannt, welches vom lateinischen kommt und bedeutet „Es jauchze“. 67 „Das Exsultet ist ein Hochgebet, das wie jedes andere Hochgebet, welches das Paschamysterium der Osternacht (ecclesiae sacramenta – tempus Paschae) verkündet.“ 68 Der Text des Exsultet umfasst und verknüpft bekannte Motive der christlichen und jüdischen Kultur. Das Exsultet erklingt nur einmal im Kirchenjahr, nämlich in der Osternacht. Die Nacht der Nächte, die Nacht zwischen Karsamstag und Ostersonntag, ist bis heute eine „Nacht der Wache für den Herrn“ (vgl. Ex 12, 42) 69 auf die Auferstehung Christi. Diese Feier betont den Übergang vom Tod zum Leben, vom Dunkel zum Licht und wird in alttestamentliche Verbindung gestellt. In der Osternacht findet eine Lichtfeier, als erster Teil der Zeremonie statt, in der die Osterkerze mit den Zeichen Alpha und Omega, entzündet wird und der Diakon oder Priester vom Ambo das Exsultet 70 singt. Darauf folgen der Wortgottesdienst, die Tauffeier und die Eucharistiefeier. 71 67 Vgl. Guido FUCHS/ Martin WEIKMANN: Das Exsultet: Geschichte und Gestaltung der österlichen Licht- danksagung. Regensburg, Pustet 1992. S. 16. 68 Vgl. Yohanes Hans MONTEIRO: Die Osternachtfeier in der römischen Liturgie. Geschichtliche Darstellung und theologische Bedeutung. Diplomarbeit, Universität Wien, 2010 S. 58 - 59 69 Vgl. Guido FUCHS: Einen sah ich sterbend in das Leben gehn – Die Liturgie der Kar – und Ostertage, Verlag F. Pustet, Regensburg 2011. S. 75. 70 Vgl. Guido FUCHS: Einen sah ich sterbend in das Leben gehn – Die Liturgie der Kar – und Ostertage, Verlag F. Pustet, Regensburg 2011. S. 79. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 42 Der Text des Exsultet, ist preisend, feierlich und beinhaltet Andeutungen an die Geschichten des alten Testaments. Das ist gleichzeitig ein Hinweis auf die dualistischen Eigenschaften der Feier: Ostern ist die Feier der Auferstehung Jesu Christi, welche aus dem neuen Testament stammt und mit den Geschichten des Volkes Israel aus dem alten Testament in Verbindung gebracht wird. Diese Erzählungen zeigen einen Heilsprozess auf, welcher durch die Propheten schon im alten Testament prophezeit wird.72 Der Text des Exsultets ist in zwei große Abschnitte (Prolog und Danksagung), wie alle Hochgebete, geteilt, dessen Verlauf, wie folgt, dargestellt wird 73: Folgende Aufzählung zeigt drei inhaltliche Aussagen betreffende Merkmale des Exultet Textes: 1. Die anamnetischen Elemente weisen auf die Heilstaten Gottes hin. In diesem Text ist die Geschichte von Adams Schuld aus dem Buch Genesis angedeutet und die Vergebung der Sünden betont. Die Andeutung an die Geschichte Moses aus dem Buch Exodus wird zu dieser Elementengruppe gezählt. 2. Die epikletischen Elemente sind in den Zeilen 58 – 62 zu finden, wo die Herabrufung des Namens Gottes passiert. 3. Die interzessionalen Elemente sind Lob, Dank und Bitte, die aufeinander folgen. Sie befinden sich am Ende des Textes, der mit der gemeinsamen Akklamation schließt. 74 Durch das Exsultet kann man mehrere zweitestamentliche Dualismen bemerken, welche die Denkweise Ebens im zweiten Satz seines Orgelzyklus stark beeinflussen. Erstens: der Komponist nimmt Hiob als Lehrbuch des alten Testaments als Grundlage seines Stückes. Zweitens: Er verwendet das Zitat des Exsultet, welches bei einem christlichen Hochfest gesungen wird, nämlich bei der Feier der Auferstehung Jesu Christi, und in diesem Exsultet gibt es mehrere alttestamentliche Textmotive. Der erste Teil der Osternacht ist die Lichtfeier, welche eine deutliche jüdische Wurzel in der „Pessachfeier“ hat, wie man in dem Artikel Osternacht von der Schweizer LiturgieKommission lesen kann. Die Lichtfeier ist erstens eine Gedächtnisfeier, zweitens ein rituell 71 Vgl. Guido FUCHS: Einen sah ich sterbend in das Leben gehn – Die Liturgie der Kar – und Ostertage, Verlag F. Pustet, Regensburg 2011. S. 78 – 90. 72 http://www.liturgiekommission.ch/Orientierung/II_D_09_Osternacht.pdf, 12. 11. 2012 73 Vgl. Guido FUCHS/ Martin WEIKMANN: Das Exsultet: Geschichte und Gestaltung der österlichen Licht- danksagung. Pustet, Regensburg 1992. S. 19 – 20. 74 Vgl. Guido FUCHS/ Martin WEIKMANN: Das Exsultet: Geschichte und Gestaltung der österlichen Licht- danksagung. Pustet, Regensburg 1992. S. 24. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 43 symbolischer Nachvollzug vom Tod zum Leben, und sie betont drittens die gemeinschaftliche Eucharistie. „Neuere Handschriftfunde aus der Ben-Ezra-Synagoge in Kairo haben die Wahrscheinlichkeit erhärtet, wonach die bereits vorchristliche jüdische Pessach-Haggadah zur Zeit Jesu und der frühen Christen vorausgesetzt werden kann; damit hätten die Juden und die Jesusbewegung eine gemeinsame Pessachgrundlage. Sie wäre dann eine Wurzel des frühchristlichen Osterfestes.“ 75 Mit dieser Pessachfeier feiern die Juden die Befreiung aus Ägypten. In dem biblischen Buch Exodus liest man über den Kampf zwischen Pharao und Moses um die Befreiung. Der Pharao weigerte sich und verstärkte den Druck auf die Juden. Zur Strafe sandte Gott eine Plage nach der anderen: Das Wasser des Nils wurde zu Blut, Frösche suchten das Land heim, dann Mücken, dann Bremsen, die Herden starben, die Menschen bekamen Furunkel, Hagel zerstörte die Ernte, Heuschrecken fraßen alles kahl, drei Tage lang herrschte tiefe Dunkelheit. 76 Das Motiv der „Pessach“ Feier trägt auch das Motiv „Schicksalsschlag“, wie das Buch Hiob. Diese Schicksalsschläge der Ägypter kennt man auch unter dem Namen 10 Plagen Gottes. Der letzte Schlag Gottes ist es, dass jeder Erstgeborene von Mensch und Tier stirbt, mit Ausnahme jener Menschen, die die Tür mit dem Blut des Lammes bestreichen. Das ist die Nacht, in der das Volk Moses seinen Weg nach Kanaan beginnt. Hier kommt auch die Symbolik des Lammes vor, die Symbolik Jesu Christi, welche auch im „Agnus Dei“ vorkommt. In der Beziehung mit dem neuen Testament verlangt also die Pessachfeier eine inhaltliche Modifizierung 77: der Apostel Paulus schreibt (1Kor 5, 7 – 8): „…denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden. Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit.“ 75 Vgl. http://www.liturgiekommission.ch/Orientierung/II_D_09_Osternacht.pdf 76 Vgl. Elizabeth BREUILLY, Joanne O’BRIEN, Martin PALMER: Die religiöse Feste der Welt, TOSA – Ver- lag , Oxford, 2002. S. 34. 77 Br. Benedikt Markus SPERL: Die Osternacht und ihr typologischer Inhalt in liturgischer Musik und bildender Kunst. Diplomarbeit. Graz, 2010 S. 47 Zweiter Satz: Gesinnungstreue 44 5.2 Gloria in Excelsis Deo Das zweite gregorianische Zitat Ebens Gloria in excelsis Deo, welches auch Hymnus Angelikus genannt ist, ist Teil de Ordinarium Missae. Es ist mit dem Teil Kyrie verbunden, aber in seiner ursprünglichen Funktion ist es kein Einzugsgesang, sondern ein Dank- und Festgesang. 78 Das Gloria drückt auch die Herrlichkeit Gottes aus und in der Fastenzeit und in der Adventzeit fällt es aus. In der Osterfestzeit erklingt das Gloria am Gründonnerstag, in Erinnerung an das letzte Abendmahl Christi und beim Osternachtsfest. 79 Der Text beginnt mit den Worten des neutestamentlichen Lk. 2, 14, worauf ein mit Akklamationsreihen verbundener hymnischer Text folgt. Inhaltlich kann man das Gloria in drei deutliche Abschnitte einteilen: der erste ist der Gesang der Engel in der heiligen Nacht, woher der Begriff Hymnus Angelikus kommt. Der zweite betont die Lobreisung Gottes und der dritte Abschnitt beinhaltet die Rufe zu Christus. 80 Der Text des Gloria in excelsis Deo: Latein Deutsch Gloria in excelsis Deo Ehre sei Gott in der Höhe et in terra pax hominibus bonae voluntatis. und Friede auf Erden den Menschen seiner Laudamus te, Gnade. benedicimus te, Wir loben Dich, adoramus te, wir preisen Dich, glorificamus te, wir beten Dich an, gratias agimus tibi propter magnam gloriam wir rühmen Dich und danken Dir, tuam, denn groß ist Deine Herrlichkeit: Domine Deus, Rex caelestis, Herr und Gott, König des Himmels, Deus Pater omnipotens, Gott und Vater, Herrscher über das All, Domine Fili unigenite, Jesu Christe, Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus. Domine Deus, Agnus Dei, Herr und Gott, Lamm Gottes, 78 Vgl. Karl – Heinz BIERITZ: Liturgik. Walter de Gruyter GmbH & Co. Berlin 2004. S. 388. 79 Vgl. Wilhelm STAPELMANN: Der Hymnus Angelikus. Geschichte und Erklärung des Gloria. F. H. Kerle Verlag, Heidelberg 1948. S. 10. 80 Vgl. Karl – Heinz BIERITZ: Liturgik. Walter de Gruyter GmbH & Co. Berlin 2004. S. 389. 81 Anselm SCHOTT O.S.B.: Das vollständige Römische Messbuch. Lateinisch und deutsch. Hg. Benediktinern der Erzabtei Beuron. Verlag Herder, Freiburg 1953. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 45 Filius Patris, Sohn des Vaters, qui tollis peccata mundi, miserere nobis; Du nimmst hinweg die Sünde der Welt: qui tollis peccata mundi, suscipe depreca- erbarme Dich unser. tionem nostram. Du nimmst hinweg die Sünde der Welt: Qui sedes ad dexteram Patris, miserere nobis. nimm an unser Gebet. Quoniam tu solus Sanctus, Du sitzest zur Rechten des Vaters: erbarme tu solus Dominus, Dich unser. tu solus Altissimus, Jesu Christe, Denn Du allein bist der Heilige, cum Sancto Spiritu: du allein der Herr, in gloria Dei Patris. Amen. 81 du allein der Höchste, Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist, zur Ehre Gottes des Vaters. Amen. 82 5.3 Über das Lied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ Wenn man den Satz inhaltlich analysiert, sieht man, dass das Exsultet und das Gloria den Rahmen des Stückes bilden. Eben benutzt zwischen den zwei Zitaten, neben dem Hiob Thema, ein neues Motiv, welches das Lied Erhalt uns Herr in deinem Wort zitiert. 83 Die Fassung, welche man im evangelischen Gesangsbuch findet, ist in e-Moll. 84 Eben beginnt mit diesem Motiv von g’’ und von d’. Der Verfasser des Liedes ist Luther und die Erstversion des Liedes war ursprünglich ein Kinderlied, welches gegen den Papst und die Türken spricht. 85 Melodie und Text sind 1542 entstanden, in den Zeiten der Türkengefahr. 82 Anselm SCHOTT O.S.B.: Das vollständige Römische Messbuch. Lateinisch und deutsch. Hg. Benediktinern der Erzabtei Beuron. Verlag Herder, Freiburg 1953. 83 Lawrence M. VINYARD: Job for Organ: Programmatic implications drawn from Petr Eben’s musical language. A Document Submitted to the Faculty of the School of Music In Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree of Doctor Musical Arts, The University of Arizona, 2010. S. 50. 84 Hg: Brigitte und Hans Peter WILLBERG: Evangelisches Gesangsbuch – Ausgabe der Evangelischen Kirche in Österreich, Evangelischer Presseverband in Österreich. Wien 1994 No. 193. 85 Edited by John JULIAN D.D.: A Dictionary of Hymnology, Settings for the Origin and History of Christian Hymns of all Ages and Nations, Volume I. Page 352 Zweiter Satz: Gesinnungstreue Abbildung 6: 46 Das Lied von Luther mit dem Originaltext und Melodie in e - Moll 86 Johann Sebastian Bach benützt dieses Lied in seiner sechsten Kantate Bleib’ Bei Uns, Denn Es Will Abend Werden (BWV 6), welche er für den Ostermontag 1736 komponiert hat. Das folgende Zitat analysiert die Melodie des Liedes: „The melody, “Erhalt’ uns, Herr, bei deinem Wort,” which Bach uses in the concluding Choral of the Cantata, was first published in Joseph Klug’s Geistliche Lieder zu Wittenberg (Wittenberg, 1543). It bears a close resemblance to the melody of Luther’s Hymn,“Verleih’ uns Frieden gnädiglich” (see Cantata 42), both being derived from the tune of the Antiphon, “Da pacem, Domine,” of which Luther’s “Verleih’ uns Frieden” is a translation. The similarity between the melodies is matched by the intimate association of the two Hymns. In many districts of Germany Luther’s stanza was sung immediately after the sermon, either by itself or with the Hymn “Erhalt’ uns, Herr.” 87 86 Hg: Brigitte und Hans Peter WILLBERG: Evangelisches Gesangsnuch - Ausgabe der Evangelischen Kirche in Österreich, Evangelischer Presseverband in Österreich. Wien 1994 No. 193. 87 http://oll.libertyfund.org/?option=com_staticxt&staticfile=show.php%3Ftitle=2056&chapter=196901&layout= html&Itemid=27 (12.11. 2012) Zweiter Satz: Gesinnungstreue 47 Abbildung 7: greg. Antiphon: „Da pacem Domine” Durch diese Beschreibung kommt man zu dem Ergebnis, dass zu der Melodie, welche Eben in seinem Satz zitiert, zwei Textversionen gehören. Beide sind noch heute bekannt und werden in der liturgischen Praxis benützt: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort Verleih’ uns Frieden gnädiglich Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort Verleih uns Frieden gnädiglich, und steure deiner Feinde Mord, Herr Gott, zu unsern Zeiten. die Jesus Christus, deinen Sohn, Es ist doch ja kein andrer nicht, wollen stürzen von deinem Thron der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine. Beweis dein Macht, Herr Jesu Christ, der du Herr aller Herren bist beschirm dein arme Christenheit, daß sie dich lob in Ewigkeit. Gott Heilger Geist, du Tröster wert, gib deim Volk einerlei Sinn auf Erd, steh bei uns in der letzten Not, g’leit uns ins Leben aus dem Tod. (EG No. 193.) (EG No. 421) Zweiter Satz: Gesinnungstreue 48 In der ersten Version, aus der das heutige dreistrophige Kirchenlied entstanden ist, betont Luther den Gedanken: „Ausschließlich das göttliche Wort erhält die Christenheit, das Wort allein rettet sie vor dem Antichristen, der die wahre Kirche ausrotten will.“ 88 Die heutige Fassung des Liedes, in der die erste Strophe des Liedes geändert wurde (statt: „Erhalt uns, Herr. bei deinem Wort und steur des Papsts und Türken Mord“, heißt es: „Erhalt uns Herr bei deinem Wort und steuere deiner Feinde Mord“), ist nach dem trinitatischen Aufbau strukturiert: Die Hauptbitte, die an die erste trinitatische Person (Gott Vater), gerichtet ist, dient der Erhaltung des Wortes Gottes. Die zweite Bitte, in der zweiten Strophe, ist an die zweite trinitatische Person (Gott Sohn) gerichtet, wo in der glaubenden Gewissheit der Macht Christi um den Schutz der Gemeinde gebeten wird. Die letzte Bitte (Heiliger Geist) hat den Beistand in der letzten Stunde zum Inhalt. 89 Dieses Lied betont die Dreifaltigkeit, die Wichtigkeit der biblischen Worte Gottes, die Gemeinde und den Beistand auf dem Weg zwischen Leben und Tod. Die zweite Textversion ist – im Gegensatz zur ersten – fünfzeilig und einstrophig, inhaltlich betont sie den Frieden, wie auch der Text der lateinischen gregorianischen Antiphone (Da pacem...). Hier beschwört die Bitte ebenso eine Art von Beistand und der Text ist auch in der Pluralform geschrieben wie in der anderen Fassung des Liedes. Beide Textfassungen könnten bei Eben bei der Wahl des Liedes eine Rolle spielen. Hiob kämpft mit den Schicksalsschlägen und könnte darum bitten, Frieden zu bekommen. 5.4 Ablauf der Osternacht Im nächsten Abschnitt wird der liturgische Ablauf der Osternacht analysiert, und zwar aus jenem Grund, dass die beiden Zitate „Exsultet“ und „Gloria in excelsis Deo“ nur in dieser einzigen Nacht des Kirchenjahres gemeinsam erklingen. Es wird auch untersucht, warum der Komponist genau das Lied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort zitiert und es werden Zusammenhänge zwischen dem Motto und dem Inhalt des Stückes gesucht. Die Feier der Osternacht hat vier Teile: Der erste ist die Lichtfeier, in der die Entzündung der Osterkerze im Mittelpunkt steht. Dieses Licht symbolisiert das Licht Jesu Christi, welches durch seine Auferstehung in die Welt kam. Nach der Segnung des Osterfeuers be- 88 Matthias BIERMANN: „Das Wort sie sollen lassen stahn…”. Das Kirchenlied im „Kirchenkampf” der evan- gelischen Kirche 1933 – 1945, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011 S. 91. 89 Johannes EHMANN: Luther, Türken und Islam, Eine Untersuchung zum Türken – und Islambild Martin Lu- thers (1515 – 1546), Gütersloher Verlaghaus, Heidelberg 2008. S. 416. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 49 ginnt die Lichtfeier mit einem stillen Einzug der Zelebranten in die noch dunkle Kirche. Nach dem Dialog zwischen dem Priester und der Gemeinde („Lumen Christi“ – „Deo Gratias“) erklingt das Exsultet und mit dessen Ende schließt der erste Teil des Osterfests. 90 Der zweite Teil ist der Wortgottesdienst, wo unabhängig vom Lesejahr (A, B oder C) sechs bis sieben Lesungen gelesen werden. Zwischen den Lesungen wird ein Psalm (Antiphone) gesungen. Jedes einzelne Paar (Lesung mit Psalm) schließt mit einer dazugehörenden Oration. Nach der letzten Lesung der Nacht erklingt das feierliche Gloria. Nach dem Teil Gloria in excelsis Deo folgen noch die zwei, oben noch nicht genannten Teile der Feier: die Tauffeier und die Eucharistiefeier.91 Ablauf 1. Segnung des Osterfeuers, Bereitung und Entzündung der Osterkerze. 2. Einzug mit der Osterkerze unter dem dreimaligem Ruf „Lumen Christi“ 3. Exsultet („Osterlob“) 4. Alttestamentarische Lesungen, jeweils mit Antwortpsalm und abschließender Oration. 5. Gloria – die Orgel erklingt wieder Anhand dieses Ablaufes erkennt man, dass sich zwischen dem Exsultet – mit dem Petr Eben seinen Satz beginnt – und dem „Gloria in excelsis Deo“ – womit er seinen Satz beendet – die Lesungen mit Psalm und Oration befinden. Der Titel des Liedes „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ betont eindeutig Gottes Wort (die Bibel), das auch durch die Lesungen, die in der Osternacht (im Verhältnis zu anderen Festtagen) äußerst zahlreich sind, verkündigt wird. Dadurch kann der Satz so analysiert werden, dass der Anfang des Satzes, das „Exsultet“, die Entzündung der Osterkerze symbolisiert, also den ersten Teil der Zeremonie (Lichtfeier), der zweite (mittlere Teil) des Satzes mit den Zitaten von Luthers Lied „Erhalt uns, Herr, in deinem Wort“ drückt die Wichtigkeit der Lesungen (Gottes Wort, Wortgottesdienst) aus und dieser Teil schließt mit dem „Gloria in excelsis Deo“, wo wieder die Orgel mit den Glocken erklingt. 90 Anselm SCHOTT O.S.B.: Das vollständige Römische Messbuch. Lateinisch und deutsch .Hg. Benediktiner der Erzabtei Beuron. Verlag Herder, Freiburg 1953. S. 403 – 439. 91 Reinhard MEßNER: Einführung in die Liturgiewissenschaft. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2001. S. 356 – 364. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 50 Nach einer anderen Art von Analyse, der Bamberger Anthologie, gewinnt man einen anderen Blick auf das Lied: „Die drei Strophen sprechen die Dreifaltigkeit an, und schon Luthers Zeitgenossen erkannten, dass auch die Bitten systematisch angeordnet sind: Sie entsprechen den drei ersten Bitten des Vaterunsers. Die erste Strophe umschreibt also, an Gott den Vater gerichtet, die Bitte „Geheiligt werde dein Name“. Die zweite Strophe wendet sich an Gott den Sohn und bittet, „Dein Reich komme“. Sie beschreibt, wie dieses Reich auf der Erde aussehen soll: Christus regiert als Herr aller Herren und schützt seine Kirche. Nur so kann sie überleben. An den Heiligen Geist ist die dritte Bitte gerichtet: „Dein Wille geschehe“. Was der Wille Gottes ist, das konkretisiert die dritte Strophe. Einheit der Kirche und Einigkeit der Glaubenden.” 92 Nach dieser Analyse kann man das Lutherlied mit einer Oration vergleichen, mit der man viele Gemeinsamkeiten findet: Eine Oration (Gebet) beginnt mit dem Ruf „Lasset uns beten“ und richtet sich immer an den Vater, an die erste trinitatische Person, und spricht danach über eine Heilstat Gottes. Es folgt danach immer die zweite trinitatische Person: Christus. Häufig wird der Heilige Geist auch erwähnt, und sie schließt mit der gemeinsamen Akklamation Amen. 93 Oration Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort Richtet sich an Gott, den Vater Die erste Strophe umschreibt also, an Gott, den Vater gerichtet, die Bitte „Geheiligt wer- Erwähnung der Heilstat Gottes de dein Name“. 1. Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort und steure deiner Feinde Mord, die Jesus Christus, deinen Sohn, wollen stürzen von deinem Thron Spricht über Jesus Christus Die zweite Strophe wendet sich an Gott, den Sohn und bittet, „Dein Reich komme“. Sie beschreibt, wie dieses Reich auf der Erde aussehen soll: Christus regiert als Herr aller 92 Andreas WITTENBERG: Erhalt uns, Herr in deinem Wort, in: Bamberger Anthologie. http://deutschelieder.wordpress.com/?s=Erhalt+uns+Herr 93 Albert GERHARDS und Benedikt KRANEMANN: Einführung in die Liturgiewissenschaft. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006. Kapitel 5.2.5. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 51 Herren und schützt seine Kirche. Nur so kann sie überleben. 2. Beweis dein Macht, Herr Jesu Christ, der du Herr aller Herren bist beschirm dein arme Christenheit, daß sie dich lob in Ewigkeit. Am Ende ist häufig der Heilige Geist er- An den Heiligen Geist ist die dritte Bitte gewähnt. (in der Einheit des heiligen Geistes. richtet: „Dein Wille geschehe“. Was der Wil- Amen) le Gottes ist, das konkretisiert die dritte Strophe. Einheit der Kirche und Einigkeit der Glaubenden.” 3. Gott Heilger Geist, du Tröster wert, gib deim Volk einerlei Sinn auf Erd, steh bei uns in der letzten Not, g’leit uns ins Leben aus dem Tod. 5.5 Fazit Petr Eben erwähnt in seinem Zitat zu dem zweiten Satz „Gesinnungstreue“ zwei Zitate: „Exsultet“ und „Gloria in excelsis Deo“, welche den Rahmen des Satzes bilden. Das Exsultet, dessen erste vier Zeilen zitiert werden, erklingt nur einmal im Kirchenjahr, nämlich im ersten Teil des Osternachtfestes, bei der Lichtfeier. Das Gloria in excelsis Deo, das man in den letzten beiden Takten des Satzes finden kann, ist Teil des Ordinarium Missae. Das bedeutet, dass es bei jeder Messe gesungen wird, außer im Advent und in der Fastenzeit. Die beiden Zitate des Satzes erklingen also zusammen nur in der Osternachtsfeier, also einmal im Kirchenjahr. Der Text des Exsultet ist preisend. Es ist ein Lobgesang, welcher Andeutungen an das alttestamentliche Geschehen und Texte beinhaltet, wie die Geschichte Adams aus dem Buch Genesis und die Geschichte Moses aus dem Buch Exodus. Die Geschichte Moses ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, weil die Lichtfeier jüdische Wurzeln hat. Mit diesem Fest feiern die Israeliten die Befreiung des Volkes aus Ägypten. Dabei sind die zweitestamentlichen Eigenschaften des Textes und dadurch auch des Satzes bemerkenswert: Der Komponist verwendet das alttestamentliche Buch Hiob als Grundlage seines Orgelzyklus und Zweiter Satz: Gesinnungstreue 52 zitiert das Exsultet, welches an einem neutestamentlichen Hochfest (Fest der Auferstehung Jesu Christi) gesungen wird und im Text selbst kommen alttestamentliche Andeutungen vor. Das zweite Zitat „Gloria“, welches auch Hymnus Angelikus genannt wird, ist auch preisend und lobend wie das Exsultet. Es ist ein Dankgesang, welcher die Festlichkeit des Tages unterstreicht. Das dritte Zitat Ebens, welches er nicht erwähnt hat, ist das Motivzitat des Lutherliedes Erhalt uns, Herr, in deinem Wort. Dieses Lied betont die Wichtigkeit des Wortes Gottes, die Dreifaltigkeit und die Gemeinde. Es gibt unterschiedliche „Auslegungen“ des Liedes, welche zu verschiedenen Ergebnissen geführt haben. Das erste Ergebnis war, das man durch die Analyse des Ablaufes des Osternachtfestes, festlegen kann, dass sich das Lied zwischen „Exsultet“ und „Gloria“ befindet, am Ort der Lesungen. Die Lesungen werden aus der Bibel zitiert, sie verkünden Gottes Wort, welches durch das Lied zusätzlich unterstrichen wird. Das zweite Ergebnis könnte sein, dass das Lied nach den ersten drei Bitten des Vater unser strukturiert ist, sich an Gott richtet, über den Sohn spricht und in der dritten Strophe den Heiligen Geist erwähnt. Dadurch ist es eine Art von Gebet (Oration) und könnte auch auf den Platz der Oration in der Liturgie der Osternacht fallen. 5.6 Analyse des Satzes Im ersten Teil des Satzes, welchen er mit „Tempo di corale gregoriano“ bezeichnet, zitiert Eben die ersten vier Zeilen des österlichen Exsultet (Takt 1, 4, 7 und 9) dessen Text inhaltlich „Gloria – Charakter“ besitzt und mit dem Motto des Satzes übereinstimmt. Motto (Hb 1, 21) Exsultet (latein) Exsultet (deutsch) „Der Herr hat gegeben, der „Exsultet iam angelica turba „Frohlocket, ihr Chöre der Herr hat genommen; gelobt caelorum sei der Name des Herrn.“ exsultent Engel, divina mysteria frohlocket, ihr himmlischen et pro tanti regis victoria Scharen, tuba insonet salutaris.” lasset die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König!“ Zweiter Satz: Gesinnungstreue 53 Die Schicksalsschläge, durch die das leise Exsultet „zerstört“ wird, kommen durch massive Sextolen zu Stande. Diesen besonderen Sextolen-Charakter komponiert Petr Eben dreimal. Analog zum Bibeltext kommen genau drei Boten mit den schlechten Nachrichten zu Hiob. Die ersten zwei Schicksalklänge sind sehr ähnlich: die Rhythmik bleibt fast gleich und sie erklingen mit der gleichen Registrierung. (Zuerst auf dem ersten Manual und dann auf dem zweiten Manual.) Beide sind im ¾ Takt. Die dritte Schicksalsschlaggruppe ist in einer 5/4 Taktart komponiert (zwei Schläge länger als die ersten zwei Schicksalsschlaggruppen) und beginnt sofort auf dem ersten Manual (welches deutlich lauter ist als das zweite). Der dritte Bote bringt die Nachricht, dass die Söhne und Töchter gestorben sind. Dies trifft Hiob gewiß am schmerzvollsten und der Komponist schreibt die dritte Schicksalsschlaggruppe auch am dissonantesten. Nach dem letzten einstimmigen Zitat des Exsultets beginnt der zweite Teil des Satzes (Allegro). Tabellarische Analyse des ersten Teiles des zweiten Satzes: Takt Kommentar 1 Einstimmiges Zitat des Exsultets in pp mit dem Register Flöte 8’ 2–3 Unter einem von dem ersten Takt übergebundenen a’’ in Sextolenbewegung erklingen die Schicksalsschläge symbolisierenden Klänge. Im Takt 2 sind die „Schicksalsschläge“ auf dem II. Manual und im Takt 3 auf dem I. Manual. 4 Zitat des Exsultet wieder einstimmig 5–6 Unter einem, vom vierten Takt übergebundenen a’’ sind in Sextolenbewegung die Schicksalschläge symbolisierenden Klänge komponiert. In Takt 4 beginnen sie eine Terz höher als jene im Takt 2. Im Takt 5 sind die Sextolen zuerst auf dem II. Manual und im Takt 6 auf dem I. Manual. 7 Einstimmiges Zitat des Exsultets. 8 Im Takt 8 kommen wieder unter dem gehaltenen a’’ die Schicksalschläge symbolisierenden Klänge, diesmal sofort auf dem ersten Manual und dann auf dem zweiten Manual. Der Komponist schreibt hier einen 5/4 Takt. 9 Letztes einstimmiges Zitat des Exsultet. Am Ende des Zitates beginnt ohne Taktstrich der zweite Teil des Satzes. Der zweite Teil des zweiten Satzes: Der zweite Teil des Satzes kann in zwei größere Einheiten (ab Takt 9 – 21 und ab Takt 21 – 34) und in eine Schlussgruppe (Takt 34 – 39) eingeteilt werden. Die zwei größeren Ab- Zweiter Satz: Gesinnungstreue 54 schnitte sind sehr ähnlich: viele Motive des Liedes „Erhalt uns, Herr, in deinem Wort“ werden wiederholt, die auftaktigen 32tel Läufe kommen auch in beiden Abschnitten gleich häufig vor. Die dritte Einheit des zweiten Teiles ähnelt ebenfallsdem ersten Teil mit dem langen gehaltenen a’’ und den Motiven des zweiten Abschnittes. Detaillierte tabellarische Analyse des zweiten Abschnittes: 9 Nach dem vierten Zitat des Exsultet beginnt der zweite Teil des Satzes mit der Bezeichnung ff und Allegro auf dem ersten Manual. Der aufsteigende 32tel Lauf wirkt in dem Tempo Viertel = 132 als Auftakt zu dem ersten Schlag von Takt 10. 10 Takt 10 ist die Wiederholung von Takt 1, ohne das Zitat des Exsultet. 11 Beginnt mit dem gleichen Akkord von Takt 10 und endet Unisono, ohne die Pedalstimme, wieder auftaktig. 12 - 16 Beginnt des Zitates des Erhalt uns Herr in deinem Wort. Die Melodie, welche sich in der obersten Stimme befindet, kommt zweimal vor. 17 - 19 Der 32tel Lauf mit auftaktigem Charakter von Takt 9 und 10 kommt von c’ beginnend nochmals vor. 19 Beginnt mit einer halben Note und endet auftaktig auf dem III. Manual, mit deutlich leiseren Registern. 19 - 21 Variiertes Zitat des Liedes (Erhalt und Herr in deinem Wort). 22 – 34 Dieser Abschnitt ist fast gleich wie der Abschnitt von Takt 9 – 22. Mit dem Unterschied, dass ab Takt 29 der auftaktige 32tel Lauf von d’ beginnt und die variierte Melodie des Liedes wieder von d’ Unisono. 34 - 35 Der Charakter dieser zwei Takte ist gleich wie in den Takten 22 – 23. Im Takt 35 beginnt ein langes a’’ wie im ersten Teil des Satzes. 36 -39 Durch diese drei Takte hindurch erklingt das lange a’’ wie im ersten Teil, mit einer Viertelbewegung in der linken Hand. Im Takt 37 beginnt die gleiche Viertelbewegung in der rechten Hand. Schon im Takt 38 kommt der letzte dissonante Klang zu Stande, welcher übergebunden wird in den Takt 39 (g’’, a’’, gis’, a’). Dieser dissonante Klang dauert vier Schläge lang. Der dritte Teil des Satzes: Im dritten Teil des Stückes, welcher sich zwischen dem Takt 39 und Takt 107 befindet, ist das Anfangsmotiv des Lutherliedes Erhalt und Herr in deinem Wort sehr dominant. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 55 Am Anfang des Teiles existiert es als Anfangsmotiv, wird aber sofort ab dem zweiten Takt des Teiles zur Ostinatobegleitung des Abschnittes. Eben komponiert über diese Begleitstimme abwechselnd drei Themen: zuerst werden die Motive des Liedes als Solostimme verziert, als zweites kommen die Motive des Exsultet vor und als drittes kann man das Schicksalsthema des ersten Satzes in mehreren Gestalten finden. Am Ende des Abschnittes wird das Hiob Thema immer markanter, welches über die Motive des Liedes (das hier als Ostinatobegleitung fungiert), komponiert wird. So werden auch musikalisch die Aussagen des Liedes Erhalt und Herr in deinem Wort und das Hiobs Schicksal symbolisierende Thema des ersten Satzes verknüpft. Am Ende des Satzes, wo die Bezeichnung Tempo I wiederkehrt, kommen Motive des Satzanfangs vor, danach erklingt (in den letzten zwei Takten) das Zitat des Gloria in excelsis Deo. Takt Kommentar 39 - 47 Die Motive des Liedes Erhalt uns Herr in deinem Wort werden in einer Viertelbewegung verarbeitet. Hier ist die Gestaltung zweistimmig, welche die ersten Motive des Liedes als Ostinatobaßbegleitung verwendet, allerdings ohne die Pedalstimme. 47 - 53 Die Ostinatobegleitung in der Stimme der linken Hand wird zweistimmig. Die dominierenden Intervalle sind Terz und Quart. Die Stimme der rechten Hand wird mit Sechstolen und Triolen gestaltet. Mit ihr werden die melodischen Motive des Liedes Luthers verziert. 54 - 57 Die Gestaltung ist wieder zweistimmig. Beide Stimmen bewegen sich in Vierteltriolen. Statt der Osinatobegleitung ist die Stimme der linken Hand ansteigend. 58 - 65 Die Ostinatobegleitung kehrt wieder zurück. Die Pedalstimme setzt ein und imitiert die Ostinatobegleitung. Die sechstolische und vierteltriolische, in dieser Stelle sehr dominante Stimme, verziert die Melodie des Liedes. Die Gestaltung der Stimmen ab Takt 60 ist dreistimmig. 65 - 71 Über der Ostinatobegleitung der Motive des Liedes „Erhalt uns Herr in deinem Wort“ erklingt das Schicksalthema des ersten Satzes. 72 - 75 Über der Ostinatobegleitung erklingt das Motiv des Ostinato auf dem III. Manual. 76 - 78 Über dem Ostinato erklingt das Thema des Exsultet. 79 - 84 Über der Ostinatobegleitung erklingt das Schicksalthema des ersten Satzes. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 85 - 87 56 Über der Ostinatobegleitung erklingt ein ähnliches Motiv wie das Thema von Takt 60 und Takt 49. 88 - 92 Über der Ostinatobegleitung erklingt das Schicksalthema des ersten Satzes zweimal hintereinander. 93 - 94 Plötzlicher Abbruch der Ostinatobegleitung. Ein dominanter zweistimmiger Unisonoklang entsteht über dem dissonanten (Des mit dem es) zweistimmigen Pedalorgelpunkt. 95 - 98 Über der massiven dreistimmigen Ostinatobegleitung erklingt das Schicksalthema des ersten Satzes. 98 - 103 Das Hiobthema steht im Vordergrund. Dieses wird zuerst mit 5 – 6 stimmigen Akkorden über der Ostinatobegleitung des Pedals von Takt 95 gestaltet. Im Takt 101 erklingt das Thema im ff in einer zweistimmigen Stimmführung, dann endet es im Takt 103 sechsstimmig. 104 - 105 Die Bezeichnung Tempo I und die Position der Stimmen (unter einem liegenden unisono Ton massive Akkorde) ähnelt dem Anfang des Stückes. 106 - 107 Das Zitat „Gloria in excelsis Deo“ erklingt im pp. Der zweite Satz endet mit einem ganzwertigen e – Moll Akkord (fünfstimmig) unter einer Fermate. 5.7 Mögliche kompositorische Vorbilder Im folgenden Abschnitt werden Kompositionen in der Verbindung zum zweiten Satz von Ebens Orgelzyklus untersucht, die in irgendeiner Beziehung (inhaltlich oder kompositorisch) zu diesem stehen könnten. Heinrich Schütz verwendet den Bibelspruch, welcher das Motto des Satzes bildet (Hb 1, 21), in seiner Komposition Musikalische Exequien (SWV 279 – 281, 1636), in der ein Solosänger gleich zu Beginn des Werkes mit der Intonation dieses Textes beginnt und worauf der Chor mit der Fortsetzung des biblischen Spruches antwortet. Das Werk wurde in Form einer Begräbnismesse komponiert, wobei die Soli mit der Capella abwechselnd singen. Schütz schrieb zwischen den zwei Intonationen (1. Intonation: „Nackend bin ich von Mutterleibe kommen“ und 2. Intonation: „Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eingebornen Sohn gab“) des ersten Teiles eine „auskomponierte“ Oration. 94 In diesem Zusammenhang ist 94 Vgl, Satzfolge der Notenausgabe Zweiter Satz: Gesinnungstreue 57 nicht der Platz der Oration in der Komposition das Besondere, weil es ja der Form der Begräbnismesse entspricht, sondern die Aufeinanderfolge von Bibelspruch und Oration. Abbildung 8: Heinrich Schütz: Musikalische Exequien I. 95 Takt 1 - 4 Beim Renaissancekomponisten Leonhard Lechner (1553 – 1606) findet man denselben Bibelspruch als Titel für eine fünfstimmige Motette in zwei Teilen, wobei der zweite Teil auch mit dem trinitatischen Schluss endet. Das österliche Exsultet erklingt in der Lichtfeier des Osternachtsfestes, in der die Stille vorherrschend ist. Nach der Tradition wirken in diesem Teil keine Instrumente bis zum Erklingens des Gloria in excelsis Deomit. Aus diesem Grund kann man keine Kompositionen finden, die das Exsultet wiedergeben oder in der es als bearbeitete Melodie existieren könnte. Bei der Stelle in Ebens Komposition kann man feststellen, dass er keine Begleitung zur Melodie verwendet und er sie auch nicht variiert. Die Schicksalsschläge symbolisierenden Akkorde kommen unter einem lange gehaltenen Ton vor. Die Melodie bleibt gleich, wie man sie vom Messritus her kennt: 95 Heinrich SCHÜTZ: Musikalische Exequien SWV 279 – 281. in: Neue Ausgabe sämtlicher Werke Band. 4. Bärenreiter, Kassel 1956. Zweiter Satz: Gesinnungstreue Abbildung 9: Exsultet 96 Abbildung 10: Petr Eben: Gesinnungstreue Takt 1- 6 58 Den Text des Hymnus Angelicus findet man in vielen Messkompositionen und auch in einzelnen Vertonungen wie zum Beispiel: G. F. Händel: Gloria in excelsis Deo für Sopran, zwei Violinen und Basso continuo oder in der Kantate Wachet auf, ruft uns die Stimme von Johann Sebastian Bach (BWV 140). Bach schrieb auch eine komplette Kantate mit dem Titel Gloria in excelsis (BWV 191) und Dietrich Buxtehude vertonte den Text in seiner Komposition Missa Brevis (BuxWV 114). 96 Hg. Erwin BÜCKEN SJ: Das Osterlob. Exsultet. Deutsch – lateinisch in der römischen Originalmelodie. Herder – Verlag, Freiburg im Breisgau 1979. S. 6. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 59 Die Melodie des Gloria in excelsis Deo findet man sowohl bei Max Reger als auch bei Sigfrid Karg – Elert in der Sammlung Choralimprovisationen für Orgel (Heft III, Neujahr, Ostern und andere Festtage...). In den folgenden Abbildungen sind zum Vergleich die Stelle bei Eben, die „originale“ gregorianische Melodie, sowie die Stelle bei Max Reger dargestellt: Abbildung 11: Petr Eben: Gesinnungstreue Takt 106 – 107, Gloria Abbildung 12: Gloria in excelsis Deo 97 Abbildung 13: Max Reger: Zwölf Stücke für die Orgel, Op. 59 Heft 2 No. 8. Gloria in excelsis 98 97 Hg. Benedictine Monastery of Solesmes: Graduale Romanum. Desclee, Tournai 1962. S. 15. 98 Max REGER: Zwölf Stücke für die Orgel, Op. 59 Heft 2 , C. F. Peters, Leipzig 1901. No. 8. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 60 Das Lied Erhalt uns, Herr, in deinem Wort wurde von mehreren Komponisten bearbeitet, als Choralvorspiel sowie als Kantate. Johann Sebastian Bach schrieb seine Kantate, die den Titel des Liedes trägt (BWV 126), für den Sonntag Sexagesimae. In diesem Werk findet man die erste Fassung des Liedtextes und im letzten Choral der Kantate kommt die andere Version des Textes („Verleih uns Frieden gnädiglich“) vor 99. Dietrich Buxtehude komponierte ebenfalls eine Kantate (BuxWV 27) und er verwendete, gleich wie Bach, beide Fassungen der Texte. 100 Von beiden großen barocken Komponisten findet man auch Choralvorspiele für dieses Lied (BWV 1103 und BuxWV 185). Beide Meister verarbeiten das Lied mit Manualteilung. Johann Pachelbel komponierte eine Fuge über das Lied. 101 Bei der Analyse des Stückes kann man bemerken, dass die Motive des Liedes Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort den Großteil des Satzes bilden, wobei sich die Motive am Anfang des Mittelteiles in der Sopranstimme befinden und später als Begleitung verwendet werden. Es gibt eine gewisse Monotonie des Satzes Gesinnungstreue. Bei der weiteren Suche nach kompositorischen Vorbildern wurden noch zwei weitere Stücke gefunden: Jehan Alain: Litanies und Jean Langlais: Incantation pour un jour Saint. Die kompositorischen Einflüsse Alains erwähnte Eben auch selbst, und beeindruckend sind die Verhältnisse der Entstehung des Werkes. Alain komponierte die Litanies 1937 in einer tiefen Krise seines Lebens, weil er mit seiner Frau eine schreckliche Fehlgeburt erlebt hatte und seine Schwester bei einem Umfall gestorben war. 102 Die Aussagen Alains passen sehr gut zu dem seelischen Zustand Hiobs und auch zu dem Satz Gesinnungstreue. Alain selbst schrieb zu seinem Stück: „Wenn die christliche Seele in ihrer Verzweiflung keine Worte mehr findet, um die Barmherzigkeit Gottes zu erflehen, so wiederholt sie in ungestümem Glauben unaufhörlich das gleiche Bittgebet. Die Vernunft erreicht ihre Grenze. Der Glaube, ganz allein, setzt seinen Aufstieg weiter fort“. 103 99 J. S. BACH: Sämtliche Kantaten, Motetten, Choräle und Geistliche Lieder.Kantaten 3. Hg. Johann – Sebastian – Bach – Institut Göttingen und Bach – Archiv Leipzig:Bärenreiter, Kassel, Basel, London 2007. S. 359 – 379. 100 Vgl. Dietrich BUXTEHUDE: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort, Hg. Thomas SCHLAGE, Stuttgarter Buxtehude – Ausgaben Carus 36. 015, Stuttgart 2007. Vorwort. 101 Vgl. Johann PACHELBEL: Choral Preludes. Part II. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1903, Reprint 1994. No. 25. 102 Helga SCHAUERTE: Jehan Alain (1911 – 1940). Das Orgelwerk. Gustav Bosse - Verlag, Regensburg 1983. S. 61 – 62. 103 Viktor LUKAS: Artikel Jehan ALAIN in: Reclams Orgelmusikführer. Philipp Reclam Jun. Stuttgart 1979. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 61 In einem Brief schrieb der Komponist über das Stück: „Ein Gebet ist keine Klage, sondern ein Tornado, der alles, was sich ihm in den Weg stellt, hinwegfegt…Wenn man am Ende nicht völlig erschöpft ist, hat man das Stück weder richtig verstanden, noch so gespielt, wie ich es mir vorstelle“. 104 Alain beginnt mit der Vorstellung seines Themas, wie Eben: Abbildung 14: Jehan Alain: Litanies 105 Takt 1 Der Charakter der Monotonie, das Thema, das nie aufzuhören scheint, sind in beiden Stücken sehr dominant, wodurch Klang und Wirkung auf den Zuhörer sehr ähnlich sind. Die folgende Abbildung stellt die Begleitung und die Wandlung der Melodie in einer leisen Stelle von Litanies dar. Sie ähnelt im Gestus der letzten Stelle des Gloria. Abbildung 15: Jehan Alain: Litanies Takt 28 - 29 Das Stück von Jean Langlais hat inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem Satz Gesinnungstreue: Langlais verwendet den Dialog zwischen dem Diakon und der Gemeinde beim Osternachtsruf „Lumen Christi“ und „Deo Gratias“ als Anfangsmotiv des Stückes, welches noch mehrmals vorkommt. Dabei ist es interessant, dass der Komponist nach den „Rufen“ nicht das Exsultet als zweites Thema verwendet, sondern Anstatt dessen die Allerheiligenlitanei des S. 276. 104 Helga SCHAUERTE: Jehan Alain (1911 – 1940). Das Orgelwerk. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1983. S. 65. 105 Jehan ALAIN: L’ Euvre D’ Orgue, nouvelle édition reveu par Marie – Claire Alain. Musique pour Grand Orgie, Editions Alphonse Leduc – 175, Paris 2002. Zweiter Satz: Gesinnungstreue 62 Osternachtfestes 106, die im Teil der Tauffeier vorkommt. Er baut das Stück so auf, dass die Themen abwechselnd vorkommen. Der Charakter des Stückes ist gleich wie bei Alain und Eben: monoton, mit dem Unterschied, dass Langlais Werk größtenteils von kraftvoller Dynamik geprägt ist. Die folgenden Abbildungen stellen die Anfangsmotive der beiden Themen des Stückes dar: Abbildung 16: Jean Langlais: Incantation pour un jour Saint Takt 1 - 4 107 Abbildung 17: Jean Langlais: Anfang der Allerheiligenlitanei Takt 7- 9 106 Hg. Rudolf FABER und Philip HARTMANN: Hnadbuch Orgelmusik.Komponisten, Werke, Interpreten. Bärenreiter, Metzler, Kassel 2002. S. 435. 107 Jean LANGLAIS: Incantation pour un jour Saint. Dominica in palmis. Pour Grand Orgue. Editions Musi- cales de La Schola Cantorum et de La Procure Générale de Musique 2a, Rue Du Sapin – 2114 Fleurier – Suisse 1990. Dritter Satz: Annahme des Leides 63 6 Dritter Satz: Annahme des Leides Sprecher: Kapitel 2 Vers 1 – 10 „Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan, um vor den Herrn hinzutreten. Der Herr sprach zum Satan: ‚Hast du auf meinen Knecht Hiob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde, so untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und mied das Böse. Noch immer hält er fest an seiner Frömmigkeit, obwohl du mich gegen ihn aufgereizt hast, ihn ohne Grund zu verderben.’ Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: ‚Haut um Haut! Alles, was der Mensch besitzt gibt er hin für sein Leben. Doch streck deine Hand aus und rühr an sein Gebein und Fleisch; wahrhaftig, er wird dir ins Gesicht fluchen.’ Da sprach der Herr zum Satan: ‚Gut, er ist in deiner Hand. Nur schone sein Leben!’ Der Satan ging weg vom Angesicht Gottes und schlug Hiob mit bösartigem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel. Hiob setzte sich mitten in die Asche und nahm eine Scherbe, um sich damit zu schaben. Da sagte seine Frau zu ihm: ‚Hältst du immer noch fest an deiner Frömmigkeit? Lästere Gott und stirb!’ Er aber sprach zu ihr: ‚Wie eine Törin redet, so redest du. Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?’ Bei all dem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.“ Motto des Satzes: „Sollen wir allein das Gute von Gott annehmen, dagegen nicht das Schlimme?“ (Hb. 2, 10) Petr Eben äußert sich über den Satz wie folgt: „Selbst dann, wenn sich Satans furchtbare Anschläge gegen Hiobs eigene Person und Gesundheit richten, bleibt Hiob in seinem Glauben treu. Nach einem Aufschrei der Orgel zu Beginn des Satzes wird Zuversicht durch das Zitat des – auch von Bach bearbeiteten – Chorals „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ ausgedrückt, dessen Melodie den Großteil des ganzen Satzes einnimmt.“ Dritter Satz: Annahme des Leides 64 6.1 Über das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ Das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ ist eines der weltweit berühmtesten deutschen Lieder 108, welches man im Evangelischen Gesangsbuch 109 (Nr. 369) und auch im Gotteslob 110 finden kann. Im Evangelischen Gesangsbuch ist das Lied dem Kapitel Angst und Vertrauen, im Gotteslob dem Kapitel Vertrauen und Bitte zugeordnet, wobei sich zwei Fassungen der Melodie finden lassen: die erste Melodie (Nr. 295) ist die Fassung von Johann Sebastian Bach, mit dem Unterschied, dass sie einen Ton tiefer (d’ statt e’) beginnt. Bachs Version der Melodie verwendet auch Petr Eben in dem Satz Annahme des Leidens. Die zweite Fassung des Liedes ist die ökumenische. Diese steht im 6/4 Takt und unterscheidet sich in ihren rhythmischen Eigenschaften deutlich von der vorigen Fassung, die im 4/4 Takt steht. Beide Fassungen im Gotteslob haben drei Strophen (1., 2. und 7. Strophe) des originalen Liedes von Georg Neumark, welches er 1657 komponiert und gedichtet hat. 111 Im Evangelischen Gesangsbuch hingegen kommen alle sieben Strophen des Liedes vor. In der ersten Strophe wird von einem lieben Gott, der der allerhöchste ist, gesprochen, wobei das Vertrauen als erhaltende Kraft in aller Not und Traurigkeit dargestellt wird. Die letzte Zeile dieser ersten Strophe verwendet das Gleichnis aus der Bergpredigt, wo der kluge Mann sein Haus auf Fels statt auf Sand gebaut hat (Mt. 7, 24 – 27). Die zweite Strophe unterstreicht die Frage „Was hilft?“ und kommt zu dem Ergebnis, dass nur das Gottesvertrauen den Menschen von der Traurigkeit befreien kann. Die dritte Strophe fordert dazu auf, Stille und Geduld zu halten. Hier beschreibt der Dichter, dass Gott selber weiß (seine Allwissenheit, Zeile 4), was wir brauchen. Die vierte Strophe handelt von der göttlichen Vorsehung. Gott weiß besser als der Mensch, was dieser wirklich braucht und er tut den Menschen nur Gutes. 108 Vgl. Jürgen HANKYS: Wer nur den lieben Gott lässt walten. in: Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. Verlag C. H. Beck München 2001.S. 237. 109 Hier ist gemeint: Evangelisches Gesangsbuch, Ausgabe der Evangelischen Kirche in Österreich. Evangeli- scher Presseverband in Österreich, Wien 1994. 110 Hier ist gemeint: Gotteslob. Katholisches Gebet – und Gesangsbuch (Diözese Graz – Seckau). Hg: Bischöfe Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen – Brixen, Lüttich und Luxemburg 1975. 111 Vgl. Jürgen HANKYS: Wer nur den lieben Gott lässt walten in: Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. Verlag C. H. Beck München 2001. S. 231 - 232. Dritter Satz: Annahme des Leides 65 In der fünften Strophe des Liedes kommt als Anrede die „Du“ Form (S. 2.) vor. Durch diese persönliche Ansprache soll der innere Kampf, Gott vertrauen zu können, ausdrückt werden. Vorlage für diese Strophe ist der Psalm 37, 10 – 12. In der sechsten Strophe wird Gott als Wundertäter dargestellt und der Dichter nimmt zwei Texte - einen aus dem Alten Testament und den zweiten aus dem Neuen Testament - als Grundlage. Der erste ist dem Buch Samuel (I. Sam. 2, 6) entnommen: „Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.“ Der zweite Text aus Lk. 1, 52: „Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer.“ 112 Die siebte Strophe spricht über die eigene Verantwortung im Leben und stellt das Singen und Beten in den Mittelpunkt. Die Strophen sind mit sechs Zeilen so aufgeteilt, dass nach der zweiten Zeile eine melodische Wiederholung folgt. Text des Liedes 113: 1. Wer nur den lieben Gott lässt walten 2. Was helfen uns die schweren Sorgen, und hoffet auf ihn allezeit, was hilft uns unser Weh und Ach? den wird er wunderbar erhalten Was hilft es, dass wir alle Morgen in aller Not und Traurigkeit. beseufzen unser Ungemach? Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, Wir machen unser Kreuz und Leid der hat auf keinen Sand gebaut. Nur größer durch die Traurigkeit. 3. Man halte nur ein wenig stille 4. Er kennt die rechten Freudenstunden, Und sei doch in sich selbst vergnügt, er weiß wohl, wann es nützlich sei; wie unsers Gottes Gnadenwille, wenn er uns nur hat treu erfunden wie sein’ Allwissenheit es fügt; und merket keine Heuchelei, Gott, der uns sich hat auserwählt, so kommt Gott, eh wir’s uns versehn, der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt. und lässet uns viel Guts geschehn. 5. Denk nicht in deiner Drangsalshitze, 6. Es sind ja Gott sehr leichte Sachen dass du von Gott verlassen seist und ist dem Höchsten alles gleich: und dass ihm der im Schoße sitze, den Reichen klein und arm zu machen, der sich mit stetem Glücke speist. den Armen aber groß und reich. Die Folgezeit verändert viel Gott ist der rechte Wundermann, Und setzet jeglichem sein Ziel. der bald erhöhn, bald stürzen kann. 112 Vgl. Jürgen HANKYS: Wer nur den lieben Gott lässt walten in: Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. Verlag C. H. Beck, München 2001. S. 237. 113 Evangelisches Gesangsbuch, Ausgabe der Evangelischen Kirche in Österreich. Evangelischer Presseverband in Österreich, Wien 1993. No. 369. Dritter Satz: Annahme des Leides 66 7. Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht. 6.2 Analyse des Satzes Der dritte Satz des Orgelzyklus Hiob beginnt mit einer Art „Einleitung“, welche 11 Takte umfasst. In dieser Einleitung kommen zwei Charaktere vor: Der erste ist eine auf einem langen Orgelpunkt komponierte Moderato - Akkordbewegung, der zweite ist eine schnelle akkordische massive Klangbewegung, welche den ganzen Tonumfang der Orgel ausschöpft. Takt Kommentar 1–2 Beginnt mit einem A Orgelpunkt in ff. Danach folgt eine Viertelpause, die Manualstimmen auch im ff, in der obersten Stimme mit chromatischer Stimmführung. 3 Ganztaktige Pause 4–5 Das Anfangsmotiv kommt wieder, rhythmisch variiert, vor. 6 Pedalstimme pausiert. In den Manualstimmen ein „toccata“-artiger Abschnitt mit der Bezeichnung „approssimativo“. 7–8 Die ersten zwei Takte des Satzes werden wiederholt. 9 – 10 Variierte Wiederholung von Takt 7 - 8. 11 Der „toccata“ – Abschnitt kehrt hier zurück, aber auf dem III. Manual in mp. Im Hauptteil des Satzes wird das Lied Wer nur den lieben Gott lässt walten zitiert. Jede Zeile des Liedes wird durch Zwischenspiele unterbrochen. Im Takt 52 endet der erste Durchgang des Liedes, dann folgt ein Variationsteil auf die Motive der dritten und vierten Zeile des Liedes. Dabei ist bemerkenswert, dass die vierte Zeile des Liedes immer ohne den Schlusston zitiert wird. Der Abschnitt danach (Takt 82), wo Eben Allegro vorschreibt, bleibt in der Form der Variation, aber die Melodie wird durch Pausen unterbrochen. Hier werden die Motive aller vier Zeilen des Liedes imitiert. Durch die Variationen wird die Dynamik immer intensiver und die Akkorde werden immer vielstimmiger. Der Abschnitt endet mit einem ganztakti- Dritter Satz: Annahme des Leides 67 gen siebenstimmigen Akkord und erweckt das Gefühl der Offenheit. Es folgt eine Wiederholung des Hauptteiles des Satzes mit wenigen Unterschieden. Es kehrt der „approssimativo“ Abschnitt wieder und im Tempo I (Moderato) werden alle vier Zeilen des Liedes zitiert. Es folgt ein Durchlauf mit Zwischenspielen, wobei die vierte Zeile mit dem Schlusston endet (Takt 134). Petr Eben schließt den Satz mit einer fünftaktigen Coda in pp auf dem III. Manual. Takt Kommentar 12 - 14 Nach dem akkordischen „geschlagenen“ Abschnitt auf dem III. Manual bleibt ein Akkord in der zweigestrichenen Oktave als Achtelnote liegen. Die oberste Stimme wird überbunden und es folgt eine einstimmige lineare Bewegung, welche mit legato und pp bezeichnet ist. 14 - 19 Einsatz des Chorals auf dem II. Manual. Die lineare Bewegung ab Takt 12 wird zur durchgehenden Begleitfigur. Die erste Zeile des Liedes wird zitiert. 19 - 23 Zweistimmiges Zwischenspiel auf dem III. Manual. 23 - 27 Die Gestaltung von Takt 14 – 19 kommt wieder, mit der zweiten Zeile des Liedes. 27 - 29 Zweistimmiges Zwischenspiel auf dem III. Manual, wobei die erste Zeile des Liedes diminuiert imitiert wird. 29 - 34 Wiederholung der ersten Zeile des Liedes von Takt 14 – 19. 34 - 38 Einsatz des Pedals, welches die erste Zeile des Liedes imitiert. Die Manualstimmen sind als zweistimmige Begleitung komponiert. 38 - 42 Wiederholung der zweiten Zeile des Liedes von Takt 14 – 19. 42 - 44 Imitation in der Pedalstimme mit zweistimmiger Begleitung. 44 - 48 Wieder kommen nur die Manualstimmen vor. Die dritte Zeile des Liedes wird in der Begleitstimme zitiert. 48 - 49 Zweistimmiges Zwischenspiel auf dem III. Manual. 49 - 53 Die vierte Zeile des Liedes wird mit der Begleitstimme zitiert. Hier ist das Ende des ersten Durchlaufs des Liedes. 53 - 56 Imitation in der Pedalstimme mit zweistimmiger Begleitung auf dem III. Manual. 56 - 60 Die Melodie des Liedes wird mit dreistimmigen Akkorden gestaltet (poco f). Die vierte Zeile des Liedes wird ohne den Schlusston zitiert mit der Begleitfigur, die mit obertonreichen Registern verstärkt wird. 60 - 64 Variierte Wiederholung von Takt 56 – 60. Dritter Satz: Annahme des Leides 64 - 68 68 Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie ab Takt 56, allerdings werden hier die Motive der dritten Zeile des Liedes zweimal sequenziert zitiert. 69 - 73 Die vierte Zeile des Liedes wird ohne Schlusston zitiert. 73 - 77 Die Gestaltung der Stimmen ändert sich: die Pedalstimme pausiert und die akkordischen Zitate der Liedzeilen wandern in höhere Register der Orgel. Die Motive der vierten Zeile kommen variiert vor. 77 - 81 Die Gestaltung ist wie im Takt 73 – 77. Die Motive der dritten Zeile werden zitiert. 82 - 89 Deutlicher Charakter- und Registrierungswechsel. Die Bezeichnungen Allegro und piu f kommen vor. Die Begleitfigur erklingt in der zweigestrichenen Oktave. Die Melodie des Liedes wird durch dreistimmige Akkorde zitiert. Hierbei wird die erste Zeile komponiert. Die Melodie ist nicht durchgehend, auch nicht legato. Sie wird mit Viertelpausen unterbrochen. 89 - 98 Die Dynamik wird immer stärker und lauter. Beide Stimmen befinden sich im lautesten Manual der Orgel (hier I. Manual). Die Begleitfigur ist wieder in dem tiefen Register zweistimmig gestaltet: auf jedes Viertel komponiert Eben einen Terzintervall. Die Melodie der vierten Zeile des Liedes wird durch dreistimmige Akkorde ohne den Schlusston zitiert. Im Takt 97 – 98 ist die Melodie statt Akkorden mit Oktaven gestaltet. 99 - 104 Der massive Klang wird durch ein zweitaktiges Unisono unterbrochen, aber die Registrierung wird stärker. Danach sind die Motive der vierten Zeile des Liedes mit punktierten Rhythmen und massiven Akkorden gestaltet. Die Passage endet mit einem siebenstimmigen Akkord ohne das Gefühl der Geschlossenheit. 105 Der approssimativo Abschnitt kehrt zurück. Er ist fff und „geschlagen“. Es ist eine Wiederholung von Takt 6. 106 Approssimativo in mp. Gleich wie Takt 11. 107 - 109 Der Teil nach der Einleitung des Satzes kehrt zurück. „Wortwörtliche“ Wiederholung von Takt 12 - 14. 109 - 124 Wortwörtliche Wiederholung von Takt 29 – 44. 124 - 128 Die dritte Zeile des Liedes wird mit der gleichen Stimmengestaltung wie in den vorigen Takten zitiert. Die Begleitung ist in Achteln, dann in Vierteltriolen komponiert. Dritter Satz: Annahme des Leides 128 - 130 69 Es folgt ein durch Vierteltriolen gestaltetes Zwischenspiel. Die Stimmen der Hände sind polymetrisch, die Stimme des Pedals imitiert Motive des Liedes. 130 - 134 Die vierte Zeile des Liedes wird mit dem Schlusston zitiert. Die Begleitstimme ist in Vierteltriolen komponiert. Das Pedal pausiert. 135 - 139 Fünftaktige Coda auf dem dritten Manual. Die vierte Zeile des Liedes wird durch die Pedalstimme imitiert. Die Coda endet mit einem langen Schlusston (A – Dur) mit Fermate in pp. 6.3 Mögliche kompositorische Vorbilder Petr Eben zitiert die Melodie des Liedes Wer nur den lieben Gott lässt walten in diesem Satz des Orgelzyklus, dessen Melodie in den Gesangsbüchern (EG und GL) in vier Zeilen gegliedert ist, wobei sich die ersten zwei Zeilen wiederholen. In den folgenden Abschnitten werden die Choralvorspiele früherer Epochen erforscht, die für dieses Lied komponiert wurden. In erster Linie sollen die Choralvorspiele Bachs analysiert werden, weil Eben sie in seinem oben angeführten Zitat nennt. Die Melodie des Liedes: Abbildung 18: Melodie des Liedes in der ökumenischen Fassung in a - Moll 114 Das Lied wurde von vielen Komponisten aller Epochen bearbeitet. Man findet Choralvorspiele zu diesem Lied zum Beispiel von Georg Böhm (1661 – 1733), von Johann Philipp Kirnberger (1721 – 1783), von Friedrich Wilhelm Marpurg (1718 – 1795), von Franz Liszt (1811 – 1886) und auch von Max Reger (1873 – 1916). Der große Komponist Johann Sebastian Bach 114 Alexander Wilhelm GOTTSCHLAGS: Repertorium für Orgel, Harmonium und Pedalflügel. Hg. von Franz LISZT. J. Schuberth & Co. Leipzig 1875. Band III. Heft XXVIII. S.42. Dritter Satz: Annahme des Leides 70 hat drei Choralvorspiele zu diesem Lied komponiert: Eines befindet sich in der Sammlung Orgelbüchlein (BWV 642), eines ist das dritte Stück der „Schübler – Choräle“ (BWV 647) und eines steht als elfte Komposition im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach (BWV 691). Außerdem hat er eine komplette Kantate (BWV 93) mit ebendiesem Titel für den fünften Sonntag nach Trinitatis, der den Namen Der rettende Ruf trägt, geschaffen. 115 Unter dem Titel dieses Liedes hat auch Felix Mendelssohn Bartholdy im Laufe des Jahres 1829 eine viersätzige Kantate komponiert. Damals hat das Wer nur den lieben Gott lässt walten als „das beliebteste Gottesdienstlied überhaupt“ 116 gegolten. Bachs Kantate verwendet das originale siebenstrophige Lied von Neumark und dementsprechend hat die Kantate sieben Sätze mit den Texten des Liedes. In Mendelssohns Kantate findet man nur drei Strophen, nämlich die erste, die vierte und die siebte Strophe. Das Lied kommt in den folgenden Tonarten vor: g – Moll (z. B. in EG, in GL und in BWV 93), in c – Moll (BWV 647), in a – Moll (BWV 647); ein von Bach harmonisierter h – Moll Choralsatz befindet sich in der Sammlung von Carl Philipp Emanuel Bach. 117 Im dritten Satz von Eben steht der Choral in a – Moll, was der Fassung des OrgelbüchleinChoralvorspiels Bachs und der Fassung im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach nicht nur im Hinblick auf die Wahl der Tonart, sondern auch in der Melodie ähnelt. Das Choralvorspiel des Notenbüchleins ist manualiter und es ist auf zwei verschiedenen Manualen zu spielen, um die verzierte Melodiestimme der rechten Hand zur Geltung zu bringen. Das Werk besteht nur aus einem einzigen Durchlauf des Liedes mit der Wiederholung am Anfang ohne die Zwischenspiele zwischen den Choralmelodiephrasen. Diese manualiter Gestaltung verwendet Eben auch häufig in seinem Satz. Die Pedalstimme hat viele Pausen und ihre Einsätze dauern nicht lang (3 – 4 Takte) und sie gibt den anderen Stimmen mit einem langen Orgelpunkt ein gutes Fundament. 115 J. S. BACH: Sämtliche Kantaten, Motetten, Choräle und Geistliche Lieder. Hg: Johann – Sebastian – Bach – Institut Göttingen, Bach – Archiv Leipzig Band 7, Bärenreiter Kassel, Basel, London 1993. S. 25. 116 Felix MENDELSSOHN - BARTHOLDY: Wer nur den lieben Gott lässt walten. Stuttgarter Mendelssohn – Ausgabe Urtext. Carus 40. 132, Heidelberg 1996. S. 50. 117 Hg: Carl Philipp Emanuel BACH und Johann Philipp KIMBERGER: Chorale Harmonisations von Johann Sebastian Bach BWV 1 – 438. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1878. Dritter Satz: Annahme des Leides 71 Abbildung 19: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 691 aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach 118 Die Melodie des Choralvorspieles aus dem Orgelbüchlein BWV 642 ist fast gleich wie jene, welche Eben verwendet. Die Melodie steht bei Bach in der Sopranstimme aber ihre Begleitung steht auf einem, von ihr nicht getrennten Manual (beide Hände des Spielers befinden sich auf einem Manual), wodurch in diesem Stück eine homogene Klangfarbe entsteht. Das Stück ist dreistimmig gestaltet, im Gegensatz zu dem oben genannten Vorspiel, und es ist mit Pedal notiert. Abbildung 20: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 642 Takt 1 und 2 119 Petr Eben hat höchstwahrscheinlich diese Melodie als Vorlage seiner Bearbeitung verwendet, aber Eben benützt Zwischenspiele zwischen den Choralphrasen, was in den oben genannten Choralvorspielen Bachs nicht der Fall sind. Das dritte Choralvorspiel (BWV 647) zu diesem Lied von Johann Sebastian Bach findet sich in der Sammlung der Schübler – Choräle, wo man auch nur einen Durchlauf des Liedes finden kann, der mit Zwischenspielen zwischen den Choralzeilen gestaltet. Sie sind meistens genau so lang, wie bei dem zweiten Durchlauf des Liedes in Ebens Satz: Im Schübler Choralvorspiel beginnt der erste Einsatz des Themas nach einem fünftaktigen Vorspiel, und nach 118 Johann Sebastian BACH: Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach. G. Henle Verlag Urtext Ausgabe, Mün- chen 1983. 119 Johann Sebastian BACH: Orgelwerke. Band I. Orgelbüchlein, Sechs Choräle von verschiedener Art (Schüb- ler Choräle), Choralpartiten. Urtext der Neuen Bach – Ausgabe. Bärenreiter Kassel, Basel, London 1992. Dritter Satz: Annahme des Leides 72 dem letzten Zitat des Chorals gibt es ein ebenfalls fünftaktiges Nachspiel. Der dritte Satz Ebens endet nach der letzten Liedzeile mit einer fünftaktigen Coda und der zweite Teil des Stückes beginnt mit einem fünftaktigen Vorspiel. Auffällig ist zunächst, dass Eben das Tempo genau bestimmt (Halbe = 52), was dem Tempo des Bachschen Choralvorspieles ähnelt. Als Begleitung zum Choralthema, das sich in BWV 647 im Pedal befindet, verwendet Bach ein Rhythmusmuster bestehend aus Achteln und Sechzehnteln, die durch die ganze Komposition „wandern“, und zwar wie folgt: Abbildung 21: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 647, Beachte die Begleitung der linken Hand 120 Die gleiche rhythmische Begleitstimme hat der Komponist Theophil Forchhammer in seiner Trio – Komposition Wer nur den lieben Gott lässt walten 121 verwendet und er gestaltet Zwischenspiele in gleicher Weise wie Bach. Das Thema steht aber in g – Moll im Pedal: Abbildung 22: Theophil Forchhammer: Wer nur den lieben Gott lässt walten Takt 3- 4 Die sich immer wiederholende Begleitfiguration findet man auch bei Gottfried August Homilius (1714 – 1785): 120 Johann Sebastian BACH: Orgelwerke. Band I. Orgelbüchlein, Sechs Choräle von verschiedener Art (Schüb- ler Choräle), Choralpartiten. Urtext der Neuen Bach – Ausgabe. Bärenreiter Kassel, Basel, London 1992. S. 72 – 73. 121 Theophil FORCHHAMMER: Wer nur den lieben Gott lässt walten. in: Ritter – Album für die Orgel. Hg. von Rudolph Palme. R. Sulzer, Magdeburg 1880. S.218. Dritter Satz: Annahme des Leides Abbildung 23: G. A. Homilius: Wer nur den lieben Gott lässt walten 73 122 Petr Eben verwendet ebenfalls nur eine Art von Begleitung, nämlich bewegliche Achtelläufe, die, wie bei Bach, durch den ganzen Satz wandern. Diese Figuration ist dem Choralvorspiel Wer nur den lieben Gott lässt walten des Komponisten J. P. Kirnberger (1721 – 1783) sehr ähnlich: Abbildung 24: 122 Wer nur den lieben Gott lässt walten von J. P. Kirnberger, Achtelbegleitung 123 Gottfried August HOMILIUS: Wer nur den lieben Gott läßt walten., Hg. Patrick ROOSE Edition http://imslp.org/wiki/Wer_nur_den_lieben_Gott_l%C3%A4%C3%9Ft_walten_%28Homilius,_Gottfried_August %29 (10.3.2013) 123 Johann Philipp KIMBERGER: Wer nur den lieben Gott lässt walten Hg. von Pierre GOUIN, Les Éditions Outremontaises, Montréal 2010. Dritter Satz: Annahme des Leides 74 Dazu zum Vergleich die Stelle in Ebens Satz Annahme des Leides: Abbildung 25: Petr Eben: Annahme des Leides. Melodie mit Achtelbegleitung wie bei Kirnberger Christian Reichard (1685 – 1775) verwendet in seinem Choral auch die gleiche lineare Begleitstimme, allerdings in g – Moll: Abbildung 26: Christian Reichard: Wer nur den lieben Gott lässt walten Takt 1 - 3 124 In diesem Choral kommt nicht nur die fließende bewegliche Begleitstimme in mehreren Kompositionen vor, sondern auch die manualiter Form. Sigfrid Karg – Elert teilt in dem 6 Heften der Sammlung Op. 65 seine Choralimprovisation zu dem Lied Wer nur den lieben Gott lässt walten dem Heft Konfirmation, Trauung, Taufe, Erntefest zu. Er bearbeitet den Choral in zwei Fassungen, nämlich in Moll (a) und auch in Dur (A). Die Melodie des Liedes befindet sich beide Male in der Sopranstimme. Abbildung 27: Sigfrid Karg – Elert: Choralimprovisation Wer nur den lieben Gott lässt walten 125 (Fassung a – Moll) 124 Christian REICHARD: Wer nur den lieben Gott lässt walten. Werner Icking Music Archiv, 2008. http://javanese.imslp.info/files/imglnks/usimg/5/5e/IMSLP194654-WIMA.bfe7-Reichardt-WerNur.pdf (12.10.2012) 125 Sigfrid KARG – ELERT: Choral – Improvisationen für Orgel Op. 65. Carl Simon Musikverlag, Berlin 1909. Heft 6. No. 63. Dritter Satz: Annahme des Leides 75 In der Dur Fassung sieht man wieder die Achtelläufe unter der Melodie: Abbildung 28: Dur) Sigfrid Karg – Elert: Choralvorspiel Wer nur den lieben Gott lässt walten (Fassung in A – 126 Ebens Satz beginnt mit einer Einleitung, welcher der Choralvorspielteil folgt. Danach kommt eine Art von Variation: ab Takt 57 – 81 wird die Melodie (hauptsächlich die dritte und vierte Zeile des Chorals) mit Dreiklängen gestaltet. Ab Takt 82 – 88 wird die Melodie durch Pausen unterbrochen und ab Takt 89 – 98 wird wieder die letzte und vorletzte Zeile variiert gestaltet. Danach kehren die Motive der Einleitung wieder und der zweite Durchlauf des Choralvorspieles. Das deutet eine Gestaltung wie eine Choralfantasia oder Choralvariation an, welche man bei mehreren großen Komponisten finden kann: Felix Mendelssohn Bartholdy komponiert den ersten Satz seiner Orgelsonate in d in dieser Form. Diese Sonate hat als Vorlage den Choral „Vater unser im Himmelreich“ (Op. 65 No. 6.). Zwischen dem Werk Ebens und jenem Mendelssohns sind mehrere Figurationsähnlichkeiten erkennbar: Die erste Variation verwendet ebenfalls bewegliche lineare Begleitmotive mit den gleichen Einleitungsmotiven und Überbindung: Abbildung 29: 126 Mendelssohn: Sonate in d („Vater unser”) Beginn der ersten Variation 127, Takt 26 und 27 Sigfrid KARG – ELERT: Choral – Improvisationen für Orgel Op. 65. Carl Simon Musikverlag, Berlin 1909. Heft 6. No. 62. 127 Felix MENDELSSOHN –BARTHOLDY: Neue Ausgabe sämtlicher Orgelwerke. II. Hg. von Christoph AL- BRECHT, Bärenreiter Kassel 2008. S. 64 Dritter Satz: Annahme des Leides Abbildung 30: 76 Eben: Annahme des Leides, Anfang Die Gestaltung der Choralmelodie mit Dreiklängen, die von Achteln begleitet werden, ist für beide Kompositionen typisch: Abbildung 31: Mendelssohn: Sonate No. 6. Variation 2 Dazu zum Vergleich von Eben: Abbildung 32: Eben: III. Satz Takt 73 - 75 6.4 Fazit Der dritte Satz „Annahme des Leides“ hat das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ zur Vorlage, welches eines der berühmtesten deutschen Kirchenlieder ist. Zu diesem Lied wurden viele Choralvorspiele, Choralvariationen etc. von etlichen Komponisten geschrieben. Dritter Satz: Annahme des Leides 77 Beim Großteil der Komponisten kann man feststellen, dass die Manualiterform dominant ist, so wie in Ebens drittem Satz. Johann Sebastian Bach komponierte drei unterschiedliche Choralvorspiele, deren Fassung der Melodie von Petr Eben übernommen wurden. Man findet Figurationsähnlichkeiten in erster Linie bei den sich immer wiederholenden Begleitmotiven. Am ähnlichsten ist dabei jene Figuration, die von Kirnberger komponiert wurde. Die Zwischenspiele zwischen den Zeilen des Kirchenliedes findet man bei Bach, bei der Fassung von BWV 647. Auffällige Figurationsähnlichkeiten sind in der Sonate in d von Felix Mendelssohn-Bartholdy erkennbar, der ebenfalls ein Lied, „Vater unser im Himmelreich“, zugrunde liegt und die in Variationsform komponiert wurde. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 78 7 Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode Sprecher: Kapitel 3 Vers 1 – 2, 11 - 13, 20 – 23 „Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Hiob ergriff das Wort und sprach: ‚Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich? Weshalb nur kamen Knie mir entgegen, wozu Brüste, daß ich daran trank? Still läge ich jetzt und könnte rasten, entschlafen wäre ich und hätte Ruhe... Warum schenkt er dem Elenden Licht und Leben denen, die verbittert sind? Sie warten auf den Tod, der nicht kommt, sie suchen ihn mehr als verborgene Schätze. Sie würden sich freuen über einen Hügel; fänden sie ein Grab, sie würden frohlocken. Wozu Licht für den Mann auf verborgenem Weg, den Gott von allen Seiten einschließt?‘“ Motto des Satzes: „Warum bin ich nicht im Mutterschoß gestorben! Warum schenkt man Tageslicht dem Manne, vor dem sich Gott verborgen hält?“ (Hb 3, 11) Petr Eben äußert sich über den Satz wie folgt: „Das Leid, das in immer größerem Ausmaße auf Hiobs Schultern lastet, ist musikalisch in diesem Satze als eine einzige Passacaglia ausgedrückt, die sich zu einem Gipfel steigert, nach dem Hiob zerschmettert am Boden liegen bleibt (letzte Variation im Pianissimo).“ 128 Mit dem Ende des zweiten Kapitels des Buches Hiob erreicht man auch den Schluss des ersten Teils der Rahmenerzählung und man sieht Hiob in seiner Katastrophe, nach seinen Schicksalsschlägen, unter seinen Krankheiten leidend. Dieser Teil des Buches setzt sich mit der Frage auseinander: „Wie hat sich der Mensch im Leid zu verhalten?“129 Dieser poetische Teil der Hiob-Dichtung zeigt den Ausbruch der Klage Hiobs, der sich an Gott wendet und den Sinn seiner Geburt und seines Lebens in Frage stellt. In den Versen 3, 11 – 13 formuliert Hiob den eindeutigen Wunsch, seine Existenz aufzugeben, sein höchstes Begehr richtet er nach dem Tode. In der letzten zitierten Stelle (Hb 20 – 23) ist der Ausdruck „Licht“ mit dem Leben 128 Petr EBEN: Vorwort zur Ausgabe in: Job for Organ, United Music Publishers – Organ Repertoires Series No. 10. London 1989. 129 Hans BRANDENBURG: Das Buch Hiob, Brunnen Verlag, Gießen/ Basel 1982, S.16. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 79 identisch. Hiob sucht mit letzter Kraft die Wirklichkeit und die Wahrheit. Nach dieser Frage („Wozu Licht dem Mann auf verborgenem Weg...“), welche Hiobs tiefste Traurigkeit ausdrückt, erklingt der Satz Sehnsucht nach dem Tode. 7.1 Passacaglia Petr Eben bezeichnet in seinem Zitat die Form des Satzes als „Passacaglia“ (it.; von span. Pasacalle, aus pasar = gehen und calle = straße). Der Begriff „Passacaglia“ bezeichnet ein Prinzip einer variierenden Reihung gleichartiger Abschnitte, welches aus der spanischen Gitarrenmusik des 16. – 17. Jahrhundert stammt (G. Montesardo – „Nuove inventione d’ intavolatura“ – 1606). 130 In Italien (17. Jahrhundert) wurde die Passacaglia als Einzelsatz oder Teil zyklischer Kompositionen in der Tasteninstrumentenmusik (G. Frescobaldi, B. Pasquini) verwendet, wobei der Variationstypus vorherrschend war. In Frankreich wurde sie als Tanzform gesehen, wobei die Anwendung des Rondoprinzips mit Refrain und Coupelets (Fr. Couperin) eine wesentliche Rolle spielte. In Deutschland war der Terminus mit dem Prinzip des „Basso Ostinato“ (ostinatus; lat. „hartnäckig“) verknüpft. Hinter diesem Begriff steckt eine Bassfiguration, in welcher sich eine bestimmte Ton- und Klangfolge ständig wiederholt. 131 Solch ein musikalischer Aufbau ist bei Komponisten wie J. K. Kerll, J. Ph. Krieger, D. Buxtehude, J. S. Bach zu finden, wobei typischerweise Molltonarten wie d – Moll, e – Moll, g - Moll und c - Moll mit der musikalischen Form „Passacaglia“ verknüpft sind. Typisch für die Passacaglia ist die Dreiertaktigkeit, (3/4, 3/2 Taktart), das Vorkommen gleichlanger, geradetaktiger Perioden (4, 8, 16 Takte) und das Bassmodell als Basis des Stückes. Diese Eigenschaften gelten auch für die Form der Chaconne. Die beiden Gattungen werden auch als Synonyme verwendet. 132 Der Satz befindet sich genau in der Mitte des Orgelzyklus und er ist mit den Bezeichnungen „Moderato“ (gemäßigtes Tempo) und „pesante“ (schwer, wuchtig) bezeichnet, die Anfangsdynamik ist „mf“ und die Artikulation „portato“, wodurch die ersten beiden Viertel in dem der Passacaglia – Form entsprechenden ¾ Takt, betont werden. Das achttaktige Thema, des- 130 Michael von TROSCHKE: Artikel Passacaglia, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite neube- arbeitete Ausgabe. Hg. von Ludwig Finscher, Sachteil 7. Bärenreiter Kassel, Basel, London 1997. Spalte. 1439. 131 Hans Heinrich EGGEBRECHT: Artikel Ostinato, in: Riemann Musik Lexikon. Aktualisierte Neuauflage in fünf Bänden. Band 4. Schott, Mainz 2012. S. 89. 132 Markus GRASSL: Artikel Passacaglia in: Österreichisches Musiklexikon http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames=yes Online Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 80 sen Charakter durch seine chromatische Melodie eine gewisse Monotonalität besitzt, ist auf acht verschiedenen Tonhöhenklassen aufgebaut. Es beginnt mit einem c – Moll Akkord in der kleinen Oktav ohne Pedal und endet mit dem gleichen Klang, diesmal in der großen Oktav ohne Terz. Das Thema suggeriert durch die Viertelpausen eine 4 x 2 taktige Teilung, wobei die zweite Hälfte mit der parallelen Durtonart (Es – Dur) nach einer Eröffnung wieder anfängt. Im Takt 9 beginnt die erste Variation der Passacaglia mit ganztaktigen Pedaltönen, die ein Kontrapunktverhältnis zwischen den Manualstimmen und dem Pedal aufbauen. In der dritten Variation schreibt der Komponist die Manualteilung vor (rechte Hand I. Manual, linke Hand II. Manual). Auf einem Orgelpunkt kommt im zweiten Manual eine bewegliche Achtelbewegung vor, aber das chromatische Thema auf dem ersten Manual ist dominant. Diese Figur wird durch die Häufung von Achtelnoten und durch den allmählichen Übergang über Achteltriolen zu Sechzehntel immer bewegter und lebendiger („poco a poco stringendo“). In der 5. Variation erklingt das Thema im Forte mit Sechzehntelpassagen und Kontrapunkt. Ab Takt 54 – 69 befindet sich das Thema im Diskant. Mit der Bezeichnung „Allegro“ ab Takt 69 wird das Stück klanglich stark intensiviert. Hier schreibt Petr Eben die 2. Registrierung vor, bei der Mixturen und obertonreiche Register verwendet werden sollen. In den nächsten Variationen (bis Var. 10.) sind „dichte“ Akkorde, statt der „linearen“ Läufe komponiert und ab Takt 86 ist eine Tendenz zur Diminution des Themas zu bemerken. Nach Takt 107 gibt es einen rhythmischen Bruch, nämlich den Wechsel von 8/8 und 6/8 Taktarten. Bis Takt 134 ist das Thema im Diskant, danach befindet es sich mit dem markanten Register „Posaune 16’“ in Oktavintervallen im Pedal. Die Orgel erklingt im „Tutti“ mit vielstimmigen Akkorden bis zu den letzten beiden Variationen, wo es einen extremen dynamischen Bruch gibt, nämlich von der „Tutti“ Registrierung zum pianissimo im dritten Manual, was den physischen und psychischen Zustand Hiobs klanglich veranschaulichen soll. 7.2 Analyse des Satzes: Takt 1–8 Vorstellung Alle Stimmen befinden sich auf einem Manual des Passacaglia Themas ohne Pedal mit der ersten vorgeschriebenen Re- „Moderato“ gistrierung. Artikulation: Portato Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 9 – 16 17 - 24 81 1.Variation des Themas Einsatz des Pedals, quasi Kontrapunkt, mit ganz- mit Pedal Kontrapunkt taktigen mf Tönen. 2. Variation des Themas Vorgeschriebene Manualteilung zwischen den Stimmen. Achtelbewegung in der rechten Hand, Orgelpunkt mit dem tiefen C im Pedal , ohne 16’ Register. Klanglich ist trotzdem das Thema („poco f“) dominant. 25 - 32 3. Variation des Themas Sehr ähnlich wie Variation 2. Die chromatischen Schritte werden häufiger. Der Orgelpunkt im Pedal bleibt durchgehend. 32 - 33 Eine Art von Überleitung zwi- Chromatik auf einem Manual (II) im 4/4 Takt. schen den Variationen 3 und 4 34 - 41 4. Variation des Themas Triolische Bewegung auf dem II. Manual. Thema bleibt wieder auf dem I. Man. mit der „simile“ „portato“ Artikulation wie am Anfang. Pedalorgelpunkt ist piano. 41 -42 Eine Art von Überleitung zwi- Zweistimmige Triolen auf dem zweiten Manual schen ohne die Pedalstimme, wieder im 4/4 Takt. den Variationen 4 und 5 43 - 50 5. Variation des Themas Manualteilung: I. und II. Manual. Sechzehntelbewegung in f mit „Quint 1 1/3’“ auf dem zweiten Manual. Das Thema wird mit dem Prinzipal 4’ Register und der Pedal Kontrapunkt – Stimme mit Prinzipal 16’ und Oktav 8’ verstärkt. 50 - 53 54 - 61 Überleitung zwischen den Va- Zweistimmige Sechzehntelbewegung auf dem II. riationen 5 und 6 Manual in ¾ Takt. 6. Variation des Themas Das Thema befindet sich im Diskant, auf einem Manual mit der Tempobezeichnung „Allegro“ piu f und Mixturenklang. 61 - 69 7. Variation des Themas Triolischer Charakter mit Repetition (auf h’’, as’’, g’’, f ’’). Im dritten Takt der Variation Manualteilung Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 70 - 78 8. Variation des Themas 82 Großtriolische Akkordbewegungen mit markanten Pedaltönen im ff. Das Thema ist im Diskant. Ab Takt 69 schreibt Eben die 2. Registrierung vor. Dadurch klingt diese Variation deutlich lauter als die vorherigen. 78 - 87 9. Variation des Themas Durchgehende triolische Bewegung in der Pedalstimme mit dem Posaune 16’ Register. Das Thema beginnt von e’’ im Diskant mit der Koppel II/I. 86 - 87 10. Variation des Themas Die Registrierung wird stärker („molto f“) und das Thema wird über einem D Orgelpunkt diminuiert. In diesen beiden Takten kommen trotzdem alle acht verschiedenen Tonhöhen des Themas im 4/4 Takt vor. 88 - 89 11. Variation des Themas Die Sopran- und die Pedalstimme bleiben gleich wie in der vorherigen Variation. Die Stimme der linken Hand beginnt einen Ton höher als in Variation 10. 90 12. Variation des Themas In dieser Variation kommen nur sechs verschiedene Tonhöhen vor. Diese Variation hat einen zweistimmigen Charakter (quasi „Duett“) zwischen den oberen Stimmen mit der Pedalbegleitung im 4/4 Takt. Gleiche Artikulation in den beiden Händen. 91 13. Variation des Themas Quasi Wiederholung der Variation 12. 92 -93 14. Variation des Themas Das ganze Thema wird wieder zitiert auf einem D Orgelpunkt. 94 - 95 15. Variation des Themas Hierbei ist der große Abstand (drei Oktaven) zwischen der linken und rechten Hand auffällig. Die Rhythmen und Artikulationen zwischen dem Pedal und der linken Hand sind gleich, die Sopranstimme bringt das Thema von d’’ beginnend, wobei die Registrierung um ein 8’ und ein 4’ Register weniger wird. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 96 - 97 16. Variation des Themas 83 Das Thema beginnt wieder von d’’ in der Sopranstimme, diesmal mit anderer Begleitstimme und wenig Pedal. 97 - 98 17. Variation des Themas Das Thema bleibt gleich wie in den vorherigen Variationen ohne die Pedalstimme, mit Staccato Akkordbegleitung in der linken Hand. 99 100 Quasi Überleitung - 18. Variation des Themas 101 Solosopran Stimme in 5/4 Takt Zunehmende Registrierung auf dem ersten Manual. Das Thema kommt „unisono“ mit einer Oktave Abstand auf einem Asorgelpunkt. 102 - 19. Variation des Themas 103 Im Verhältnis zur Variation 18 beginnt die Sopranstimme eine Oktav höher, und die Stimme der linken Hand einen Ton höher. Im Pedal liegt eine große Sekund als Orgelpunkt. 104 - 20. Variation des Themas 105 Hier wiederholt sich das Thema in der Anfangsgestalt von g, aber eine Oktav höher mit einer gleich artikulierten Begleitung zwischen Pedal und Begleitstimme. 107 - 21. Variation des Themas 114 Toccaten-, schlagzeugartiger Charakter abwechselnd in 9/8 und 6/8 Takt. Keine Pedalstimme, das Thema befindet sich im Diskant. 115 - 22. Variation des Themas 122 Die Variation beginnt eine Oktav tiefer als Variation 21. Harmonisch ähnelt diese Variation der vorherigen. 123 - 23. Variation des Themas 131 Triolische, häufig Unisonostimmführung mit dem Zungenregister Trompete 8’. Das Pedal wird ans II. Manual gekoppelt. Wechselspiel zwischen dem I. und II. Manual. 132 - 24. Variation des Themas 133 Das Thema kommt in Oktaven abwechselnd zwischen der linken und rechten Hand auf einem Manual „piu ff“. 133 134 - 24. Variation des Themas Gleich wie die Variation davor. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 134 - 25. Variation des Themas 141 84 Triolische Akkordbewegung in den Manualstimmen. Das Thema befindet sich im Pedal „marcato ff“, in Oktaven mit dem Register Posaune 8’. 142 - 26. Variation des Themas 143 Die Orgel erklingt in fff mit „tutti“ Registrierung, in allen Stimmen gleich rhythmisiert und gleich artikuliert. 143 - 27. Variation des Themas 145 145 Die Harmonien sind gleich wie in der Variation 26, aber anders artikuliert und rhythmisiert. - 28. Variation des Themas 146 Die Harmonien sind zum dritten Mal gleich. Die Rhythmen werden immer „langsamer“. Das Thema beginnt mit Viertelnoten. 147 - 29. Variation des Themas 148 149 lation. Das Thema beginnt mit c’’’. - 30. Variation des Themas 150 151 In allen Stimmen gleiche Rhythmik und ArtikuDas Thema wird jetzt triolisch dargestellt, das letzte Mal im „tutti“. - Quasi Überleitung 152 Dreistimmiges unisono G, welches laut beginnt und durch das Schließen des Schwellers immer leiser wird. Darauf folgt eine Viertel Pause. 153 - 31. Variation des Themas 160 Diese Variation, die vorletzte des Satzes, beginnt wieder wie am Anfang mit „Moderato“ pp auf dem dritten Manual. Das einstimmige g’’’’ symbolisiert den Beginn von Hiobs Zusammenbruch. Die Begleitung als Gegenstimme ist „staccato“. 161 - 32. Variation des Themas 168 In der letzten Variation des Satzes sind viele Pausen und eigentlich nur eine Stimme zu finden. Das Thema ist im Diskant, beginnend auf g’’. Am Ende der Variation ist die Artikulation „staccato“. 169 170 - Schluss Der Satz endet mit dem tiefsten Ton der Orgel, C, welches fünf Viertel lang notiert und mit einer Fermate versehen ist, im pp mit dem leisen Register Bourdon 16’. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 85 7.3 Mögliche kompositorische Vorbilder Der Höhepunkt der Gattung Passacaglia in der (Orgel-)Musik ist mit Johann Sebastian Bachs Passacaglia in c (BWV 582) zu verbinden. Der größte Komponist der Barockzeit verwendet sie auch als Form des Satzes Crucifixus in der h – Moll Messe. Ein anderes großes „Passacaglia“ Stück Bachs ist die Ciaccona aus der zweiten Partita (in d) für Violine. Außerdem sind in der Orgelliteratur noch die Passacaglia in d von J. K. Kerll und Passacaglia in d von D. Buxtehude berühmt. In der Romantik begegnet uns die Form der „Passacaglia“ in den Variationen über Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen von F. Liszt und auch Max Reger verwendet diese Form in drei Orgelwerken (Introduktion und Passacaglia in d, Introduktion, Passacaglia und Fuge Op. 96 und Introduktion, Passacaglia und Fuge Op. 127). Auch bei den Komponisten S. Karg – Elert (Passacaglia für Harmonium) und Anton Webern (Passacaglia Op. 1) ist sie zu finden. Die Komposition Passacaglia BWV 582 ist in der Tonart c-Moll komponiert und sie ist eines der fundamentalen Werke der Orgelliteratur. Das Stück umfasst ein achttaktiges Ostinatothema mit zwanzig Variationen und eine vierstimmige Fuge, welche im Takt 169 einsetzt. 133 Dieses Werk Bachs orientiert sich noch eher an Vorbildern wie D. Buxtehude und auch J. Pachelbel, der diese Form häufig in Ostinatokomposition verwendet und dessen musikalische Sprache auch dem Orgelbüchlein (1713 – 1715) nahe steht. 134 Bemerkenswert ist, dass dieser Satz der Komposition „Hiob für Orgel“ und die Passacaglia von Bach formale und auch figurative Gemeinsamkeiten haben. Auffällig ist zunächst, dass das Thema der Komposition mit einem c-Moll Akkord beginnt und häufig zu dieser Tonart zurückkehrt. Abbildung 33: 133 Petr Eben : Sehnsucht nach dem Tode - Thema Vgl. Hg. Siegbert RAMPE: Bachs Klavier – und Orgelwerke. Das Handbuch. Teilband 1. Laaber – Verlag, Laaber 2007, S. 192 134 Vgl. Hg. Siegbert RAMPE: Bachs Klavier – und Orgelwerke. Das Handbuch. Teilband 1. Laaber – Verlag. Laaber 2007, S. 193. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 86 Das Passacagliathema ist auch aus 8 Takten aufgebaut und steht im 3/4 Takt. Abbildung 34: Johann Sebastian Bach: Passacaglia c – Moll BWV 582 135 – Achttaktiges Thema im Pedal Die Passacaglia BWV 582 besteht bis zum Einsatz der Fuge aus 169 Takten, während die Komposition von Petr Eben aus 170 Takten besteht, wobei jedoch im letzten Takt nur ein einziger Ton, ein von dem vorherigen Takt übergebundenes tiefes C, geschrieben steht (im Takt 170 wird kein Ton mehr neu angeschlagen) (Abbildung 8). Figurationsgemeinsamkeiten findet man zwischen den Takten 24 – 27 der Passacaglia und der 3. Variation von Petr Ebens Stück. Beide Komponisten figurieren mit bewegten Achteln. Abbildung 35: J. S. Bach: Passacaglia c – Moll , Takt 24 – 25, Achtelbewegungen und Petr Eben: IV. Satz Var. 3. Gemeinsamkeiten sind auch bei den Sechzehntelvariationen zu finden. In der Passacaglia in c gibt es in den Takten 80 – 87 eine Stelle mit Sechzehnteln und bei Hiob sieht man die gleiche Bewegung in der 5. Variation. 135 Johann Sebastian BACH: Orgelwerke. Band. 7. Sechs Sonaten und verschiedene Einzelwerke Hg. Dietrich KILIAN, Urtext der Neuen Bach - Ausgabe. Bärenreiter, Kassel, Basel, London, 2009. S. 98. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode Abbildung 36: J. S. Bach: Passacaglia c- Moll, Takt 80 -87 Abbildung 37: Petr Eben: Sehnsucht nach dem Tode. Variation 5 mit Sechzehnteln 87 Bis zum Ende des ersten großen Abschnittes des Satzes Sehnsucht nach dem Tode (Takt 107) sind genau 20 Variationen des Passacagliathemas zu finden, während der Komponist auch andere Taktarten (wie 8/8 und 6/6) verwendet und in einem toccataartigen Charakter komponiert. Der Satz Sehnsucht nach dem Tode befindet sich als 4. Satz in der Mitte des Orgelzyklus. Das Crucifixus aus Bachs h-Moll Messe, das auch in der Form der Passacaglia komponiert wurde, befindet sich in der Mitte des zweiten Teils als fünfter Satz des Teiles Symbolum Niceum. Es Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 88 steht im 3/2 Takt und hat ein viertaktiges Thema, welches aus chromatischen Schritten, genauso wie der 4. Satz von Petr Eben, aufgebaut ist. Abbildung 38: J. S. Bach: Messe in h 136 - Crucifixus Thema Außerdem endet der Satz Crucifixus ebenfalls im piano mit einem langen ganztaktigen, unter eine Fermate gestellten Akkord. 136 Johann Sebastian BACH: Messe in h, BWV 232. Hg. Uwe WOLF, Urtext der Neuen Bach – Ausgabe – Revi- dierte Edition, Bärenreiter, Kassel, Basel London 2010. S. 159 – 163. Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode Abbildung 39: J. S. Bach: Messe in h – Crucifixus – letzte Variation des Satzes Abbildung 40: Petr Eben: Sehnsucht nach dem Tode – die letzten 4 Takte 89 7.4 Fazit Der Satz Sehnsucht nach dem Tode wurde in Form einer Passacaglia geschrieben. Kompositorische Figurationsähnlichkeiten findet man in zwei Werken von Johann Sebastian Bach: in der Passacaglia in c BWV 582 und in dem Satz Crucifixus der Messe in h. Der Satz umfasst 170 Takte und das Werk Passacaglia BWV 582 bis zum Einsatz der Fuge 169 Takte. Die Orgelkomposition von Bach hat (bis zum Einsatz der Fuge) 20 Variationen. Nach der 20. Va- Vierter Satz: Sehnsucht nach dem Tode 90 riation gibt es in Ebens Satz eine Bruchstelle, und danach folgen noch 12 Variationen, genauso viele, wie man in Bachs Crucifixus finden kann. Die letzte Variation des Satzes Crucifixus im piano, gehalten, so wie auch Ebens letzte Variation. Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 91 8 Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation Sprecher: Kapitel 7 Vers 16 – 21 „Ich mag nicht mehr. Ich will nicht ewig leben. Laß ab von mir; denn nur ein Hauch sind meine Tage. Was ist der Mensch, dass du groß ihn achtest und deinen Sinn auf ihn richtest dass du ihn musterst jeden Morgen und jeden Augenblick ihn prüfst? Wie lange schon schaust du nicht weg von mir, lässt mich nicht los, so dass ich den Speichel schlucke? Hab’ ich gefehlt? Was tat ich dir, du Menschenwächter? Warum stellst du mich vor dich als Zielscheibe hin? Bin ich dir denn zur Last geworden? Warum nimmst du mein Vergehen nicht weg, läßt du meine Schuld nicht nach? Dann könnte ich im Staub mich betten; suchtest du mich, wäre ich nicht mehr da.“ Motto des Satzes: „Dann läge ich gar bald im Staube, und suchtest Du mich auf, ich wäre nimmermehr.“ (Hb 7, 21) Zitat von Petr Eben: „Der Satz ist im Grunde zweiteilig; aus dem Tiefpunkt der Verlassenheit steigen Vorwürfe gegen Gott auf („Weswegen diene ich Dir zum Ziele?“), die aber im zweiten Teil einem ergebenen Klagelied Platz machen.“ 8.1 Analyse des Satzes Im ersten großen Teil des Satzes, der 58 Takte umfasst, sind drei unterschiedliche Charaktere zu bemerken. Der erste, welcher durch den Wechsel zwischen zwei Tempobezeichnungen (Tempo I: Larghetto und Tempo II: Allegretto) zu Stande kommt, bewegt sich im p Bereich und besitzt Orgelpunkte sowohl im tiefen als auch im hohen Registerbereich. Der Charakter kommt in diesem Abschnitt zweimal vor, allerdings (im Verhältnis zur ersten Erscheinung des Charakters) mit Stimmtausch. Es folgt eine Passage, wo lineare Sechzehntelläufe vorherrschend sind und durch die Manualteilung kommt die Hierarchie der Stimmen zum Ausdruck. Der dritte Charakter ist toccaten- und schlagwerkartig, mit extremen dynamischen Änderungen, die durch Manualwechsel erzeugt werden. Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 92 Takt Kommentar 1 – 17 Es gibt zwei Tempobezeichnungen, die in der ersten Passage des Satzes abwechselnd vorkommen: Tempo I (Larghetto) und Tempo II (Allegretto). Im Tempo I sind Stellen typisch, wo unter einem gehaltenen Akkord in den höheren Registern, tiefe, kurze Pedaltönen vorkommen und diese enden in einem Orgelpunkt. In den Tempo II Passagen bleiben die hohen Akkorde und der Pedalorgelpunkt liegen, aber in den Mittelstimmen kommen schnelle Sechszehntelpassagen vor. Beide Charaktere sind im piano – Bereich. 18 - 19 Die Registrierung wird geändert und laute (f) Sechszehntelbewegungen herrschen in dieser Stelle vor. In der Pedalstimme kommen ähnliche Motive wie die Pedalmotive des Anfangs vor. 20 Zweistimmige Sechszehntelpassage im p. 21- 23 Der Charakter der Stelle ist gleich wie im Takt 18 – 19, hier aber einen Takt länger. 24 - 30 Die Stimmen befinden sich auf unterschiedlichen Manualen. Hier sind die Sechzehntelläufe vorherrschend, akkordische Stellen kommen selten vor. Durch die Manualtrennung wird die Gestaltung der Stimmen polyphon. 31 Die Passage ist eine Wiederholung von Takt 3. 32 - 42 Hier kommt wieder der Wechsel zwischen den beiden Tempobezeichnungen (Tempo I und Tempo II). Sehr ähnliche Stelle wie Takt 1 – 17. Der Unterschied ist aber, dass sich der Orgelpunkt in der Mittelstimme befindet. Die Sechszehntelpassagen sind im Pedal und die kurzen Töne erklingen in dem oberen Register des Manuals. 43 - 58 Hier gibt es perkussive, akkordische Sechszehntelbewegungen. Es ist eine Art Toccata, wo der Komponist extreme dynamische Wechsel durch plötzliche Manualwechsel erreicht. 58 Die Stelle ist eine Wiederholung von Takt 3 (und Takt 31). Im zweiten großen Teil des Satzes kommt das vom Komponisten definierte Bußlied vor, welches im ganzen Abschnitt dominant bleibt. Eben schreibt mit der Teilung der Manuale zwei unterschiedliche Klangfarben vor, wodurch dem Zuhörer der Unterschied zwischen Melodie und Begleitung klargemacht wird. Das Anfangsmotiv, welches zwei Takte umfasst, ist das bemerkenswerteste Motiv dieses Teiles. Es kommt am Ende des Satzes immer häufiger vor und der Satz endet auch damit. Die Begleitfigur baut sich aus Achteln auf, die mit einem klei- Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 93 nen legato - Bogen versehen sind (Zweierbindung). Der Charakter des Abschnittes ist sehr traurig, wirklich „büßend“. Diese Stimmung wird durch die Registerwahl des Komponisten und durch die leise Dynamik unterstützt. Takt Kommentar 60 - 75 Die Melodie des Klageliedes kommt in der obersten Stimme vor. Die Begleitung besteht aus Achteln mit Zweierbindungen. Die Stimme des Pedals bewegt sich in Vierteln. Innerhalb der 15 Takte kommen nur fünf Töne im Pedal vor: D, Des, c, Ges und F. 76 -79 Einstimmige Figuration (Solo) auf dem III. Manual. Es werden Motive des Klageliedes verwendet. 80 - 87 Variation über das Lied. Im Pedal ist das Pedalmotiv vom Anfang des Satzes. Eben stellt in diesen Takten die kurzen Akkorde zweistimmigen linearen Bewegungen entgegen. 87 - 92 Beginn des zweiten Durchlauf des Liedes. Es ist die „wortwörtliche“ Wiederholung von Takt 60 – 65. 93 - 98 Quasi Coda: Achtelfigurationen des Motivs des Klageliedes. Das Anfangsmotiv des Liedes setzt immer häufiger an. Die Viertel im Pedal werden immer seltener. 99 - 105 Letzter Einsatz des Motives mit den begleitenden Achteln. Der letzte Ton der Melodie bleibt vier Takte lang liegen. Im letzten Takt liegt ein einziger Ton (f) ohne die Begleitung. 8.2 Das Klagelied Petr Eben erwähnt in seinem Zitat zu dem Satz Verzweiflung und Resignation die Gattung Klagelied, welche in der Musikgeschichte eher unter dem Begriff Lamento bekannt ist. Die früheste Komposition mit dem Titel Lamento (- di Tristano) stammt aus dem 13. Jahrhundert, aber als Gattung mit wiederkehrenden Merkmalen ist es erst ab dem 17. Jahrhundert feststellbar. Es gibt mehrere Typen des Lamento, wie literarische, vokale, rezitativische, strophische und instrumentale Lamenti. 137 Die Texte aller Formen sind trauervoll, klagend und sprechen über persönliches Leid, welches häufig mit irgendeinem Verlust zu verbinden ist. Ein be137 Massimo, OSSI: Artikel Lamento. in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite neubearbeitete Aus- gabe herausgegeben von Ludwig Finscher. Bärenreiter Kassel, Metzler Stuttgart 1996. Sachteil 5. Spalte 904. Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 94 rühmtes Beispiel für ein vokales Lamento ist Monteverdis Lamento d’Arianna, welches als ein polyphoner Zyklus für fünf Singstimmen komponiert wurde und 1614 im 6. Madrigalbuch erschienen ist.138 Rezitativische Lamenti findet man bei den Euridice-Vertonungen Caccinis oder Peris, in denen Orfeo über den Verlust von Euridice singt. Die Zeit der strophischen Lamenti begann im 17. Jahrhundert, wo der offene rezitativische Stil mit geschlossenen musikalisch-literarischen Strukturen ersetzt wurde. Monteverdi benützt in seiner Komposition Amor dicea eine Formel, in der eine wiederkehrende Baßfiguration (Passacaglia) unverändert bleibt und die Singstimme sich darüber frei entwickelt. Ein späteres berühmtes Beispiel in der Operngeschichte ist Didos Lamento aus Purcells Dido und Aeneas. Für instrumentale Lamenti ist auch die gleichbleibende Baßfiguration mit absteigenden Quartfiguren typisch, woran Komponisten wie Kuhnau (Biblische Historien) oder Froberger anknüpften. Bei ihm und bei John Dowland ist aber der Begriff schwierig unterscheidbar von anderen Begriffen, wie Tombeau und Plainte. Im zwanzigsten Jahrhundert verstand sich das instrumentale Lamento in Bezug auf die Tradition des vokalen Lamento bzw. der klassischen Bedeutung als eine Art von Klagegesang.139 Im New Grove Musik Online – Lexikon findet man folgende charakteristische Merkmale der Gattung des Klageliedes, dessen Entwicklung in der venezianischen Oper begonnen hat: “Characterized by a slow tempo, highly accented triple metre and usually accompanied by strings, they use the tetrachord in a variety of ways, ranging from strict ostinato treatment of the simple pattern to freer treatment of one of its variants, such as a chromatic or inverted version. All these lamenti exploit the tetrachord as a source of harmonic, melodic and rhythmic dissonance created by suspensions, syncopation and overlapping phrases between the voice and the bass.”140 8.3 Mögliche kompositorische Vorbilder Im folgenden Kapitel wird untersucht, wie Eben der Tradition des Lamentos im zweiten Abschnitt des fünften Satzes folgt, welchen Teil er als Klagelied bezeichnet hat. Es werden auch 138 Massimo, OSSI: Artikel Lamento. in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart .Zweite neubearbeitete Aus- gabe herausgegeben von Ludwig Finscher. Bärenreiter Kassel, Metzler Stuttgart 1996. Sachteil 5. Spalte 906. 139 Massimo, OSSI: Artikel Lamento. in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweites neubeabeitete Aus- gabe herausgegeben von Ludwig Finscher. Bärenreiter Kassel, Metzler Stuttgart 1996. Sachteil 5. Spalte 910. 140 Ellen, ROSAND: Artikel Lamento in: Grove Musik Online. http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music /15904?q=Lamento&search=quick&source=omo_gmo&pos=1&_start=1#firsthit Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 95 Lamenti aus der Orgelliteratur genannt, welche ihn bei seinem kompositorischen Verfahren beeinflusst haben könnten. Abbildung 41: Petr Eben: Der Abschnitt Klagelied im Satz Verzweiflung und Resignation Eben bezeichnet den Abschnitt mit Molto Moderato und der Abschnitt des Liedes ist in einem regelmäßigen 6/8 Takt komponiert, wobei die Dreiteilung des Taktes akzentuiert wird. Der Abschnitt besitzt zwei Durchläufe des Liedes mit einer Variationsstelle in der Mitte (siehe auch Analyse in der Tabelle). Die beiden Durchläufe des Liedes unterscheiden sich voneinander nur sehr wenig. Diesen Abschnitt kann man als strophisches instrumentales Lamento bezeichnen. In der Gestaltung der Stimmen kommt die Melodie des Klageliedes deutlich in der obersten Stimme vor und wird von einer Ostinato-Figuration, entsprechend der Form des Lamento, begleitet. In den ersten 15 Takten des Liedabschnittes (es ist gleich mit dem ersten Durchlauf des Liedes) kommen nur fünf verschiedene Tonhöhen im Pedal vor. Es ist also kein Tetrachord, trotzdem liegen die Tonhöhen sehr nahe zueinander (C, Des, D, F, Ges). Im zweiten Durchlauf kommen nur vier Tonhöhen in der Pedalstimme vor (Des, D, F, A), sie bilden aber auch keinen Tetrachord. Die Ostinatobegleitung wird zusätzlich durch die Stimme der linken Hand unterstrichen, wo die Zweierbindungen (Seufzerfiguren) durch beide Durchläufe des Liedes hindurch dominant sind. In der Stimme des Klageliedes kann man eine Zweierteilung bemerken, in der immer die kleine Sekund das vorherrschende Intervall ist, welche den Schmerzcharakter des Liedes sehr verstärkt. Die Komposition Wie bist du denn, o Gott, in Zorn aus mich entbrannt von Johann Christoph Bach wurde auf Basis des Lamento (Lamento für Baß, Violine, drei Gamben und Generalbaß) geschrieben. Der Text ist nach dem Vorwort der Ausgabe eine Paraphrase der Bußpsalmen, deren Dichter unbekannt ist.141 Die Strophen sind aber dem Zitat des Textes des Hiob sehr 141 Johann Christoph, BACH: Wie bist du denn, o Gott, in Zorn aus mich entbrannt. Lamento für Baß, Violine, drei Gamben und Generalbaß. Hg.von Diethard, Hellmann. Hänssler – Verlag, Neuhausen Stuttgart 1966/1974. Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation 96 ähnlich und man kann feststellen, dass die theologischen Aussagen des Textes gleich sind. In der Melodie sind auch die Sekundschritte und die wiederkehrende Baßfiguration dominant. In der französischen Orgelliteratur findet man mehrere Lamenti: Gaston Litaize schrieb in seiner Sammlung Douze Piéces pour Grand Orgue an sechster Stelle ein Stück mit dem Titel Lamento. Marcel Dupré komponierte sein Lamento in Opus 24 und bei Louis Vierne findet man zwei Orgelstücke mit den Titeln Complainte in der Sammlung 24 Piéces en style libre als dritte Komposition und Lamento in der zweiten Suite von 24 Piéces de Fantasie. Alle vier Werke knüpfen an die traurigen, schmerzvollen liedartigen Charaktere der Lamenti an und sind auch formal zueinander sehr ähnlich. Bei allen Kompositionen kann man feststellen, dass sie mit langsamen Tempobezeichnungen beschrieben sind. Außer dem Stück Lamento von Vierne sind alle Werke im ¾ Takt und der häufigste Intervall ist die Sekund. Der Ostinatobaß oder die häufig vorkommenden Orgelpunkte sind in diesen Kompositionen typisch, die tetrachordische Kompositionsweise findet man in Viernes Lamento, während sie in den anderen Stücken nicht zu bemerken ist. Die strophische Gestaltung des Klageliedes ist in allen vier Kompositionen zu finden. 142 Hierbei sei das Lamento von Marcel Dupré zitiert, dessen Ostinato in der Pedalstimme und auch in der linken Hand vorhanden ist und dessen Pausen unter den ersten Vierteln der Melodie dem Stück einen synkopierten Charakter geben. 142 Es wurden folgenden Ausgaben studiert: Marcel, DUPRÉ: Lamento pour Orgel. Alphonse Leduc, Paris 1928. Louis, VIERNE: Twenty – Four Pieces in Free Style. Book I: Nos. 1- 12. Masters Music Publications, Inc. Florida. Louis, VIERNE: Piéces de Fantasie pou Grand Orgue. Editions Henry Lemoine. Paris 1926/1927. Gaston, LITAIZE: Douze Piéces pour Grand Orgue. Alphonse Leduc, Paris, 1939. Fünfter Satz: Verzweiflung und Resignation Abbildung 42: 97 Marcel Dupré: Lamento 143 Takt 1 - 11 8.4 Fazit Petr Eben erklärt, dass in seinem Satz Verzweiflung und Resignation die Gattung des Klageliedes, welches unter dem italienischen Namen Lamento bekannt ist, vorkommt. Besonders bei den französischen Orgelkomponisten war die Gattung Lamento beliebt und man kann mehrere Gemeinsamkeiten feststellen. Den strophischen Charakter mit Variationsabschnitten haben die Komponisten aus der durch die venezianische Oper bekannt gewordenen traditionellen Gattung, aus der auch die Ostinato Figuration und der schmerzvolle Charakter stammt, übernommen. Das langsame Tempo und der Dreiertakt lässt sind bei den meisten Komponisten finden. Eben komponierte das Klagelied in dieser Tradition. Er schrieb zwei Durchläufe des Liedes mit Ostinato Begleitung, in der Melodie mit typischen klagenden Sekundschritten, in der linken Hand mit Zweierbindungen (Seufzer – Figur). In Ebens Gestaltung kann man keinen Tetrachord feststellen, die wiederkehrenden Begleitfigurationen sind aber nicht nur im Pedal, sondern auch in der Stimme der linken Hand. 143 Marcel, DUPRÉ: Lamento pour Orgel. Alphonse Leduc, Paris 1928. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 98 9 Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung Sprecher: Kapitel 38 Vers 1 – 12, 33, 35 „Da antwortete der Herr dem Hiob aus dem Wettersturm und sprach: „Wer ist es, der den Ratschluß verdunkelt mit Gerede ohne Einsicht? Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann: Ich will dich fragen, du belehre mich! Wo, warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt. Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja. Wer hat die Meßschnur über ihr gespannt? Wohin sind ihre Pfeiler eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne? Wer verschloß das Meer mit Toren, als schäumend es dem Mutterschoß entquoll, als Wolken ich zum Kleid ihm machte, ihm zur Windel dunklen Dunst, als ich ihm ausbrach meine Grenze, ihm Tor und Riegel setzte und sprach: ‚Bis hierher darfst du und nicht weiter, hier muß sich legen deiner Wogen Stolz’? Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, dem Frührot seinen Ort bestimmt, ... Führst du heraus des Tierkreises Sterne zur richtigen Zeit, lenkst du die Löwin samt ihren Jungen? Entsendest du die Blitze, dass sie eilen und dir sagen: „Wir sind da?“ Kapitel 40 Vers 1 – 2 „Da antwortete der Herr und sprach: ‚Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? Der Gott anklagt, antworte drauf!’“ Motto des Satzes: „Darauf antwortete der Herr dem Hiob: ‚Wer ist der, der mit einsichtslosen Worten so dunkel findet meine Pläne?’“ Zitat von Petr Eben: „Am Anfang des Satzes wechselt eine Akkordfolge im geheimnisvollen Pianissimo mit einer ‚Frage’ im Flötenregister ab. Dann spielt sich in einer mächtigen Steigerung das Bild des Schöpfungsgeschehens ab, das Gott Hiob vor Augen führt, doch der Satz endet wiederum mit der offenen Frage.“ Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 99 9.1 Schöpfungsgeschehen in Hiob Das Bild des Schöpfungsgeschehens spielt nicht nur im Buch Hiob eine entscheidende Rolle, sondern es findet sich auch mehrmals im Alten Testament. Der Heilige Schrift beginnt mit dem ersten Buch im ersten Kapitel schon mit der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1), in der Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Das Buch Genesis betont an allererster Stelle die Person des Schöpfers und es werden die Tage in folgender Reihenfolge beschrieben: 1. Wechsel von Tag und Nacht, 2. Himmelfeste, 3. Scheidung von Meer und Land, Pflanzen 4. Himmelskörper, 5. Wassertiere und Vögel, 6. Landtiere und Menschen, 7. Ruhe. Eben wählt nicht unmittelbar aufeinander folgende alttestamentarische Zitate, entsprechend der Reihenfolge von Genesis, mit Ausnahme der Beschreibung der Schöpfung des Menschen. Das Thema des Schöpfungsgeschehens findet man in dem Buch der Psalmen, unter dem Namen Schöpfungspsalmen (Ps 8, 19, 104) und in anderen Weisheitsbüchern wie Jesaja, Proverbia, Qoohelet. 144 Dieser Abschnitt des Hiobbuches stellt die Frage, welches Recht das Geschöpf (hier Hiob) vor seinem Schöpfer habe und wie viel Einblick er in die Ordnungen der Schöpfung bekommen könne. 145 Gott stellt Hiob zahlreiche rhetorische Fragen, wodurch er ihm das Schöpfungsgeschehen vor Auge führt. Den Charakter der Frage findet man in den triolischen Bewegungen, die immer ungeschlossen wirken, mit dem Solo des Flötenregisters. Durch die Gottesreden des alttestamentarischen Buches (Hb 38 – 42) wird auch ans Licht gebracht, dass Hiobs Welt, welche momentan nicht in Ordnung ist, kleiner ist als die große Welt, welche er trotz allen Geschehens in Ordnung hält. Petr Ebens Äußerung zu dem Buch Hiob wird durch diesen Satz verständlich: „Das Buch zeigt nicht nur die Geringfügigkeit des persönliches Leidens im Zusammenhang des Weltgeschehens, sondern vor allem Gott, der auf der Seite des Leidenden steht; der von Hiob nicht verlangt, das Leiden gutzuheißen, sondern nur es zu ertragen, und der sich als derjenige offenbart, der mit – leidet , mit – trägt und hilft, das Leiden zu überstehen.“ 146 144 Konrad, SCHMID: Schöpfung im Alten Testament. in: Hg. von Konrad SCHMID: Schöpfung. Mohr Siebeck Tübingen 2012. S. 71 – 79. 145 Konrad, SCHMID: Schöpfung im Alten Testament. in: Hg. von Konrad SCHMID: Schöpfung. Mohr Siebeck Tübingen 2012. S. 107. 146 Petr, EBEN: Vorwort zur Ausgabe: Job for Organ. United Publishers Ltd 42. London 1987. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 100 9.2 Analyse des Satzes Der erste Teil des Satzes umfasst 46 Takte, in denen man die von Eben genannten zwei Charaktere feststellen kann. Mit siebenstimmigen misterioso - Akkordfolgen beginnt der Satz, womit man große Mächtigkeit assoziieren kann. Es folgen die schnelleren rubato e recitativoMotive des Satzes, deren Ende häufig das Gefühl der „offenen Frage“ erzeugen. Die zwei Charaktere wechseln einander ab, und zwar so, dass der Komponist ein Accelerando durch die immer schneller werdenden Tempobezeichnungen (Largo, Andante, Allegro) vorschreibt. In der Begleitstimme wird die Spannung durch zunehmende Häufigkeit immer kleinerer Notenwerte erzeugt (Am Anfang mit ruhigen Achteln, dann mit Sechzehnteln und am Ende des Teiles schreibt Eben Tremolo vor). In den letzten zwei Takten des Teiles, welche die lautesten Stellen des Abschnittes sind, bereitet er den zweiten (Risoluto) Teil des Satzes vor. Takt Kommentar 1-3 Massive (7stimmige) Akkordfolge im pp auf dem III. Manual im Largo, misterioso. 4 -5 Die Flötenstimme setzt auf dem I.Manual ein, über einem Orgelpunkt. Rubato e recitativo. 6-8 Es ist die Wiederholung von Takt 1 – 3, mit dem Unterschied, dass die Flötenstimme einen Takt früher einsetzt. 8 - 16 Zweistimmige Gestaltung der Flötenstimme. (Es findet sich Imitation zwischen den Stimmen mit der Bezeichnung Tranquillo.) 16 - 17 Solo - Flötenstimme ohne Begleitung. Die gleiche Figur wie im Takt 4 – 5. 18 - 20 Akkordfolge wie am Anfang des Satzes aber in Andante. 21 - 23 Zweistimmige Gestaltung der Flötenstimme, am Ende des Taktes 23 mit stringendo. 24 - 34 Die Tempobezeichnung ist Allegro. Die Melodie der Stimmen ist sehr ähnlich wie die Melodie im Teil rubato e recitativo. Die Registrierung ist lauter. Ab Takt 32 steht die Bezeichnung poco accelerando und im Takt 34 befinden sich Sechzehntel statt den vorigeren Achtelnotenwerten. 35 - 44 Hier befindet sich die Bezeichnung Agitato, f und marcato. Eine Solostimme tritt auf, mit tremolierter Begleitung. Das häufigste Intervall ist die kleine Sekund. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 45 - 46 101 In diesen Takten wird statt Tremolo die Begleitung von Dreiklängen aufgebaut. Hier befindet sich eine Art von Überleitung zum zweiten großen Abschnitt des Satzes. Der zweite Teil des Satzes hat den Charakter Risoluto. Im ganzen Abschnitt ist eine Ostinatobegleitung dominant, welche durch die immer lauteren Registrierungen und durch die massiven Akkorde gesteigert wirkt. Eine markante Solostimme tritt heraus, in der die Sekundschritte den ganzen Melodieverlauf prägen. Die triolische Gestaltung der Stimmen durch den ganzen Abschnitt ist zu bemerken. Am Ende des Satzes besteht die Tendenz, die Dreiklänge der Begleitung und auch die Ostinati stufenweise zu reduzieren. Die Registrierung wird immer stärker. Im Takt 98 findet man die Bezeichnung Tutti, welchem ein Ritardando und ein plötzlicher Wechsel der Dynamik, nämlich ins pp folgt. Die letzten vier Takte des Satzes sind eine variierte Wiederholung der Motive des Anfangs des Satzes. Der Satz endet mit den Motiven rubato recitativo mit dem „Charakter der Frage“. Takt Kommentar 47 - 48 Massive triolische Dreiklangbewegung befindet sich in der tiefen Lage der Orgel mit der Dynamik piu f. Der Takt 48 ist gleich wie der Takt 47. Im Pedal ist eine Ostinato – Baßfiguration vorherrschend. 49 - 52 Die massive triolische Bewegung von den vorigen Takten wird als Begleitstimme komponiert. Eine Solostimme tritt auf f (ben marcato). Die Takte 51 und Takt 52 sind eine Variation von Takt 49 und Takt 50. 53 - 54 Die Ostinato – Baßfiguration erklingt eine Sekund tiefer. Die Gestaltung der Stimmen bleibt gleich. 55 Die Begleitstimme wird massiver, aber das musikalische Material bleibt gleich. Mit der Solostimme des Flötenregisters erklingt ein recitativo – artiger Charakter. Im Pedal wird das Ostinato anders rhythmisiert als am Anfang. 56 Die „originale“ Ostinato – Baßfiguration kommt zurück mit der Stimmgestaltung von Takt 54. 57 Zweistimmiges Zwischenspiel mit dem Mittelteil: Imitation ohne Pedal Ostinato mit den Motiven der Flötenstimme. 58 Quasi Überleitung zum Muster Ostinato mit Solo - Flötenstimme und Begleitung. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 102 58 - 63 Wortwörtliche Wiederholung von Takt 49 – 53. 64 - 65 Hier befindet sich ein zweitaktiges Zwischenspiel. Die Solostimme wird mit wenig Begleitung variiert dargestellt. 66 - 67 Die Begleitstimme vom Anfang des Teiles Risoluto erklingt ohne die Solostimme. 68 - 72 Über der Ostinato - Figuration beginnt wieder die Solostimme. Man kann eine zweitaktige Teilung bemerken. 73 - 75 Poco a poco stringendo. Die Stimmen sind gleich wie in den vorigen Takten. 76 - 77 Agitato mit Mixturen. Statt des Ostinato erklingt ein einziges G als Orgelpunkt in der Baßstimme. Der „sprechende“ Charakter der Flötenstimme ist dominant. 78 - 79 Wiederholung von Takt 77 – 78. 80 - 83 Der „sprechende“ Charakter ist dominant mit einer rhythmischen Begleitung. (Auf jedem Viertel ist eine Achteltriole.) 84 Zweistimmige Gestaltung der „sprechenden Flötenstimme“ ohne Pedal. 85 - 86 Zweistimmige Gestaltung der „sprechenden Flötenstimme“ mit selten vorkommenden Achteltriolen im Baß (zwei oder eins pro Takt). 87 - 88 Der Charakter und die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie im Takt 79, aber in einer anderen Tonart (B). 89 - 92 Aufsteigende Sequenz in der Flötenstimme mit Ostinato- Begleitung. Die Registrierung nimmt zu: ff. 93 - 95 Hier befindet sich eine Art von Stimmentausch. Der Charakter „sprechende Flöte“ erklingt im Pedal, das akkordische Ostinato auf den Manualen. 96 - 97 Dialog zwischen Pedal und Manual (mit der Flötenstimme). 98 Aufsteigende, zweistimmige schnelle triolische Bewegungen im Manual mit Viertelbegleitung im Pedal. fff und tutti. 99 - 103 Wiederholung von Takt 1 – 5, allerdings mit anderer Dynamik. 9.3 Mögliche kompositorische Vorbilder Bei der Suche nach Kompositionen mit dem Thema der Schöpfung muss man an erster Stelle Die Schöpfung (1796 – 1798) von Joseph Haydn nennen, die basierend auf dem Text von Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 103 John Milton entstanden ist, und von Gottfried van Schwieten übersetzt wurde. 147 Miltons Werk Paradise Lost ist eine der wichtigsten literarischen Bearbeitungen das Buches Genesis und folgt genau so dem Schöpfungsgeschehen wie das Buch Hiob. Deutlich später in der Musikliteratur (1945) entstand eine so genannte Genesis – Suite, in der Komponisten aus Amerika (Schönberg, Shilkret, Tansman, Castelnuovo – Tedesco, Strawinsky) Geschichten aus dem Buch Genesis vertont haben. Die Suite vertont das Schöpfungsgeschehen bis zum dritten Satz. In der Komposition Les élements (1737) von Jean Ferry Rebel wird im ersten Satz Le chaos das Motiv des Chaos vor der Schöpfung vertont. Den berühmten Spruch (Gen 1, 3) „Es werde Licht“ findet man in Johann Sebastian Bachs Kantate Schwingt freudig euch empor BWV 36c. Die Motive der Schöpfung findet man auch in dem Werk Licht – Die sieben Tage der Woche von Karlheinz Stockhausen. 148 Olivier Messiaen vertonte das Schöpfungsthema in seiner siebenteiligen Komposition Visionen de L’Amen (1945) als ersten Satz Amen de la Création. Zuerst sei die größte Komposition in Verbindung mit dem Schöpfungsgeschehen, Haydns Schöpfung, mit dem Thema von Eben parallel gestellt: Eben schreibt zwei Bezeichnungen im ersten Teil des Satzes vor: Largo und rubato e recitativo. Die Bezeichnung Largo schrieb auch Haydn und nach dem Satz folgt das Recitativo des Erzengels Raphael. In Haydns Einleitung ist auch der Wechsel zwischen langen gehaltenen Tönen und triolischen Bewegungen typisch: Abbildung 43: Joseph Haydn: Die Schöpfung. Einleitung. Die Vorstellung des Chaos. Takt 1 - 7 149 147 Joseph HAYDN: Die Schöpfung. Hg. von Anette OPPERMANN, G. Henle Verlag München 2009. Vorwort. 148 Thomas SCHIPPERGES: Musik und Bibel. Band 1: Altes Testament. Bärenreiter Kassel, 2009. S.17. 149 Joseph HAYDN: Die Schöpfung. Hg. von Anette OPPERMANN, G. Henle Verlag, München 2009. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 104 Abbildung 44: Joseph Haydn: Die Schöpfung. Einleitung. Die Vorstellung des Chaos Takt 8 - 14 In der Komposition von Rebel ist bemerkenswert, dass in seiner Einleitung ein einziges Blasinstrument, nämlich die Flöte, vorkommt, welche auch Eben als Soloregister verwendet. Das größte kompositorische Vorbild ist in diesem Satz allerdings Olivier Messiaens „théme de la Création“ aus der Komposition Visionen des Amen für zwei Klaviere: Das Schöpfungsthema bei Messiaen besteht aus vier Perioden, deren jede wie die Zeile eines Chorals mit einem langen Notenwert endet. Das Thema hat einen gewissen „Bauplan“ und in der „vierten Zeile“ des Themas wird das Thema aus sieben Akkorden aufgebaut. Das Schöpfungsthema wird von kurzen Akkordgruppen begleitet, die ein zweitrangiges rhythmisches Ostinato bilden. 150 Abbildung 45: Petr Eben: Die Geheimnis der Schöpfung Takt 1 – 5 150 Siglind BRUHN: Messiaens musikalische Sprache des Glaubens. Theologische Symbolik in den Klavierzyklen Visions de l’Amen und Virgit Regards sur l’Entfant – Jésus. Edition Gorz Fachverlag für Geisteswissenschaften, Waldkirch 2006. S. 87 – 91. Sechster Satz: Geheimnis der Schöpfung 105 Abbildung 46: Olivier Messiaen: Vision de l’ Amen. I. Amen de la Création. Takt 15 - 16 151 9.4 Fazit Im sechsten Satz des Orgelzyklus steht das Schöpfungsgeschehen im Zentrum. Gott führt durch rhetorische Fragen Hiob das Schöpfungsgeschehen vor. Eben wählt die Zitate des Sprechers so, daß die Reihenfolge der Schöpfung gleich ist, wie in dem ersten Buch des Alten Testamens Genesis. Der größte Komposition in der Musikgeschichte mit dem Thema Schöpfung ist mit dem Name von Haydn zu verbinden, wo nach dem langen Akkorden triolische Bewegungen vorkommen, wie beim Ebens Stück. In Haydns Werk spielt eine große Rolle das Wechsel zwischen Recitativi, Chor – Solo und Orchestersätze und Eben bezeichnet den sprechenden Charakter rubato e recitativo. Als kompositorisches Vorbild ist Olivier Messiaen zu nennen. Er komponiert das Schöpfungsthema in seinem Klavierzyklus Vision de l’ Amen, als komplexe siebenstimmige Akkordfolge, welche wie ein Choral aufgebaut ist. Ebens Thema ist genaue almmählich siebenstimmig und die Gruppen des Themas Ebens kommen viermal vor, dadurch man auch einen Choral assoziieren kann. Eben bezeichnet sein Thema mit dem Register Flöte als „Frage“. Diese Frage ist von ersten Linie von Gott zu verstehen, darauf nach dem Buch Hiob, von Hiob keinen Antwort kommt. 151 Olivier MESSIAEN: Visions de l’Amen. Edition Durand. Paris 1950. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 106 10 Siebter Satz: Buße und Erkenntnis Sprecher: Kapitel 42 Vers 1 – 6 „Da antwortete Hiob dem Herrn und sprach: ‚Ich hab’ erkannt, dass du alles vermagst; kein Vorhaben ist dir verwehrt. Wer ist es, der ohne Einsicht den Rat verdunkelt? So habe ich denn im Unverstand geredet über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind. Hör doch, ich will nun reden, ich will dich fragen, du belehre mich! Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche.‘“ Motto des Satzes: „Ich habe gesprochen von Dingen, die ich nicht begreife. Darum widerrufe und bereue ich, auf Staub und Asche.“ (Hb 42,6) Petr Eben äußert sich über den siebten Satz wie folgt: „Auch dieser Satz ist zweiteilig. Der erste Teil bringt ein Bußlied, das alle Zweifel noch einmal aufklingen läßt; erst der leise, langsame zweite Teil bringt die Einsicht Hiobs, charakterisiert durch das Zitat des gregorianischen Veni Creator Spiritus in den Streicherregistern der Orgel, in Zwiesprache mit innigen Flötenmotiven.“ 10.1 Über das Bußlied Ein Bußlied ist ein Lied, das auf die Besinnung auf die eigene Schuld, schlechte Taten oder Schwächen gesungen wird. Der Großteil der Bußlieder richtet sich an die erste trinitatische Person, an den Vater. Die theologischen Hintergründe der Lieder, welche mit ihren Texten ausgedrückt werden, sind, dass der Mensch ein Sünder, ein Missetäter ist und den barmherzigen Gott für seine Sünden um Verzeihung bittet. Eine große Rolle spielt in diesen Liedern nicht nur die Ostergeschichte (Evangelium), sondern auch die Glaubensthese der christlichen Kirche, dass der Vater seinen eingeborenen Sohn, Christus, auf die Erde geschickt habe, um Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 107 die Sünden zu vergeben. In der kirchlichen Praxis sind diese Lieder an Buß- und Bettagen zu singen. Es gibt auch den so genannten Bußgottesdienst, in dem die Gebote verkündet werden und die Christen durch die s.g. Gewissenspiegel in ihr eigenes Leben sehen. 152 In diesem Gottesdienst steht auch das Gebet Vater unser im Zentrum, besonders die Zeilen „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Die Bußlieder sind nie kurz (meist 7-8 Strophen lang). Die berühmtesten Bußlieder wurden von Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude bearbeitet, beispielsweise Aus tiefer Not schrei ich zu dir oder das Lied von Johann Walter Wach auf, wach auf, du deutsches Land! oder der zu Martin Luthers Vater unser komponierten Melodie entstandene Text von Martin Moller Nimm von uns, Herr, du treuer Gott. 153 Man findet auch Kompositionen mit dem Titel Bußlied von Christian Fürchtegott Gellert und ebenso von Ludwig van Beethoven. 10.2 Über den Hymnus Veni creator Spiritus Der lateinische Hymnus Veni creator Spiritus wurde im 9. Jahrhundert komponiert, höchstwahrscheinlich von dem Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz, Hrabanus Maurus. 154 Der Hymnus wird hauptsächlich zum Pfingstfest gesungen. Er wird deshalb als Pfingsthymnus bezeichnet und ist auch Eröffnungsteil der Liturgie. Den Hymnus findet man in den reformierten Kirchen auch mit der Übersetzung von Martin Luther Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist (EG 126). Neben Luthers Übersetzung findet man auch eine andere von Johann Wolfgang von Goethe. 155 In diesem siebenstrophigen Hymnus bittet die Gemeinde den Heiligen Geist um Beistand. Die erste Strophe betont die schaffende Eigenschaft des Heiligen Geistes, die zweite stellt den Heiligen Geist als Tröster dar. In der dritten Strophe erfährt der Leser, dass der Heilige Geist den Christen Kraft gibt um die Wahrheit (das Evangelium) zu verkün- 152 Vgl. Hg. Von den Bischöfen Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen – Brixen, Lüttich und Luxemburg: Gotteslob.Katholisches Gebet – und Gesangsbuch. Diözese Graz – Seckau. Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1975. S. 97 -154. 153 Vgl. Hg.Evangelische Kirche in Österreich: Evangelisches Gesangsbuch. Evangelischer Presseverband in Österreich. 1994. No. 144 – 146. 154 Raniero, CANTALAMESSA: Komm, Schöpfer Geist. Betrachtungen zum Hymnus Veni Creator Spiritus.Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1999. S. 15. 155 Raniero, CANTALAMESSA: Komm, Schöpfer Geist. Betrachtungen zum Hymnus Veni Creator Spiritus.Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1999. S. 20. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 108 den, in der vierten Strophe wird betont, dass alles Gute, welches der Mensch tut, nur durch ihn (dem Heiligen Geist) möglich ist. In der fünften Strophe schreibt Hrabanus über das Böse und über „die falsche Bahn“, wovor sich die Menschen fürchten und um Schutz davor bitten sollen. In den letzten zwei Strophen singt die Gemeinde über das Vertrauen zu Gott und den Lobpreis der Dreifaltigkeit. Petr Eben komponiert zwei Durchläufe des Liedes, die einander sehr ähnlich sind, deswegen seien die ersten zwei Strophen des Liedes zitiert 156: Latein Deutsch Veni creator Spiritus, Komm, Heiliger Geist, der Leben schafft, mentes tuórum vísita: erfülle uns, mit deiner Kraft. imple supérna grátia, Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: quaet tu creátsti péctora. Nun hauch’ uns Gottes Odem ein. Qui díceris Paráclitus, Komm, Tröster, der die Herzen lenkt, donum Die altíssimi, du Beistand, den der Vater schenkt; fons vivus,ignis, cáritas aus dir strömt Leben, Licht und Glut, et spiritélis únctio. du gibst uns Schwachen Kraft und Mut. Abbildung 47: 156 Der Hymnus Veni creator spiritus 157 Hg. von den Bischöfen Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen – Brixen, Lüttich und Luxemburg: Gotteslob.Katholisches Gebet – und Gesangsbuch. Diözese Graz – Seckau. Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1975. No. 241. 157 Hg. von den Bischöfen Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen – Brixen, Lüttich und Luxemburg: Gotteslob.Katholisches Gebet – und Gesangsbuch. Diözese Graz – Seckau. Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1975. S. 301. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis Abbildung 48: Petr Eben: Anfang des Hymnus (1. Strophe) Abbildung 49: Petr Eben: Anfang des Hymnus (2. Strophe) 109 10.3 Veni creator spiritus und das Bußlied Um Ebens Wahl seines Zitates, des Hymnus Veni creator Spiritus verstehen zu können, muss man das Motto des Satzes und auch das biblische Zitat von Kapitel 42 lesen, wo Hiob über das „Erkennen“ und über das „Nicht – Begreifen“ spricht. Der Hymnus spricht über den Heiligen Geist, welcher durch das Pfingstgeschehen den Christen mehrere Gaben gibt. Ambrosius Karl Ruf zählt in dem Buch Die Pfingstpredigt mehrere Gaben des Heiligen Geistes auf: zu allererst steht die Gabe des Verstandes, der die Gabe des Rates, der Weisheit, der Wissenschaft, der Frömmigkeit, der Stärke und der Furcht vor dem Herrn folgen. 158 Beim Pfingstfest, das am fünfzigsten Tag nach dem Osterfest gefeiert wird, wird das festliche Evangelium (Apostelgeschichte 1, 1 – 14; 2, 1 – 18) vorgelesen, das über die Jünger Christi spricht, wie sie den Heiligen Geist erfahren haben und sich durch dieses Ereignis verpflichtet fühlten die 158 Ambrosius Karl, RUF: Die Gaben des Heiligen Geistes .in: Die Pfingstpredigt. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1971. S. 29 – 49. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 110 Passionsgeschichte Jesu weiterzugeben. 159 Das Wort Gottes zu halten wird besonders betont. Dieses Motiv des Pfingstfestes wird auch in den Bachschen Pfingstkantaten ausgedrückt, wie aus dem folgenden Titel zu entnehmen ist: Wer mich liebet, der wird mein Wort halten BWV59 und BWV 74. Mit dem gleichen Text findet man das zweite Recitativo der Kantate Erschallet, ihr Lieder, BWV 172. Da das Pfingstfest, wie das Osterfest, jüdische Wurzeln hat, wird die Aufeinanderfolge der zwei Zitate Ebens verständlich. Der fünfzigste Tag nach dem jüdischen Pessachfest, das zum gleichen Zeitpunkt wie das christliche Osterfest begangen wird, ist der Schawuot. Bei diesem Fest wird die Gabe der Zehn Gebote, welche Moses von Gott am Berge Sinai erhalten hat, gefeiert. Schawout, das auch als Wochenfest bezeichnet wird, ist auch das Fest der Thora, beziehungsweise des Studiums der Thora. In der Thora befinden sich genaue Anweisungen für dieses fünfzig Tage nach Pessach stattfindenden Fest. Eine solche Anweisung ist, dass am zweiten Tag von Pessach, eine Garbe Gerste im Tempel zu opfern und von da an 49 Tage zu zählen seien. Die Zeit zwischen Pessach und Schawout ist die Zeit der Halbtrauer. 160 Johann Sebastian Bach komponierte im dritten Teil des Orgelbüchleins Choralvorspiele zum Pfingstfest (BWV 631 – 644). Der große barocke Komponist bearbeitet die deutsche Fassung von Luthers Hymnus Veni creator und er bearbeitet für das Fest das Lied Dies sind die heil’gen Zehn Gebot (BWV 635), das auf das Motiv des Schawout hindeutet. Ebenfalls zu nennen ist Alle Menschen müssen sterben (BWV 643), das das Motiv der Trauer in sich trägt. Er bearbeitet auch eindeutige Bußlieder in seiner pfingstlichen Choralvorspielsammlung (BWV 631 – 644), wie zum Beispiel: Wenn wir in höchsten Nöthen sein, Ich ruf zu Dir Herr Jesu Christ oder Herr, Jesu Christ dich zu uns wend. 161 Durch die Choräle der Bachschen Sammlung wird der theologische Gedanke verdeutlicht, dass der ankommende Heilige Geist heilende Kraft hat (Es ist das Heil uns kommen her). Verbunden mit der Erlangung eines erneuerten Geistes ist im Christentum insbesondere die Buße zur Vergebung der Sünden. Das Bußlied und der Pfingsthymnus gehören zum Pfingstfest, beide sollen Hiob die heilende Kraft und die Weisheit bringen. Diese zwei Eigenschaften sind im Spiegel des letzten Satzes wichtig, weil im letzten Satz durch die Buße und durch das Bitten um den 159 Vgl. Ives, CONGAR: Nun bitten wird den Heiligen Geist. Zur Pfingstfeier und Firmung. Paulus Verlag Rech- linghausen. 1962. S. 5 – 9. 160 Vgl. Elisabeth BREULLY, Joanne O’BRIEN, Martin PALMER: Schawuot – Das Wochenfest in: Die religösen Feste der Welt. TOSA – Verlag, London 2002, S. 36. 161 Vgl. Johann Sebastian BACH: Orgelwerke.Band I. Orgelbüchlein. Sechs Orgelchoräle von verschiedener Art (Schübler – Choräle), Choralpartiten. Urtext der Neuen Bach – Ausgabe. Bärenreiter, Kassel, London1992. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 111 Heiligen Geist, der die Gabe der Erkenntnis bringt, Gott das Schicksal Hiobs wendet und seine Leiden beendet werden. 10.4 Analyse des Satzes Der siebte Satz Ebens umfasst 87 Takte, wobei der erste Teil – welchen Eben als Bußlied bezeichnet hat – 71 Takte umfasst. Dadurch wird auch das Verhältnis zwischen Buße und Festtagen ausgedrückt. Das Lied, welches man in fünftaktige Einheiten einteilen kann, kommt augmentiert und auch diminuiert vor. Nach der Vorstellung des Liedes findet man einen Abschnitt, der wie eine Improvisation mit Motiven des Liedes anmutet. Der ganze erste Teil des Satzes ist hinsichtlich des Metrums sehr unregelmäßig: Es gibt Takte, die in 4/4 Taktart oder 3/4 Taktart notiert sind, aber man findet auch quasi 12/4 Einheiten. Der Komponist schreibt in diesem Satz keine einzige Taktartbezeichnung. Das Lied wechselt sich mit einem toccataartigen Abschnitt ab, der am Ende des ersten Teiles als Begleitung vorkommt, und zwar so, dass sich das Liedmotiv in der Pedalstimme befindet. Takt Kommentar 1 - 16 Das Bußlied (mf) erklingt einstimmig, in fünftaktigen Einheiten über einer Ostinato – Begleitung (f). Jede Einheit des Liedes endet mit einem gehaltenen langen Ton. Bei der letzten Einheit des Liedes verlängert der gehaltene Ton die letzte Einheit um einen Takt, wo zusätzlich (Takt 15) ein massives seufzerartiges Motiv durch die Manualstimmen entsteht. 17 - 27 Das einstimmige Bußlied erklingt weiter. Die Ostinato – Begleitung kommt auf verschiedenen Tonhöhen vor. (In den ersten 16 Takten kommt sie immer nur in D vor.) 28 - 31 Eben schließt den Abschnitt mit dem seufzerartigen Motiv laut auf dem ersten Manual. Am Ende des Taktes 31 befindet sich ein Sechzehntellauf mit einem kurzen Akkord. 32 - 36 Variation des Liedes mit lauter Registrierung. Eben verwendet hauptsächlich die Anfangsmotive (erste Einheit) des Liedes. 37 - 38 Ein zehnstimmiger Akkord wird in zwei Stimmgruppen aufgebaut und bleibt den ganzen Takt lang liegen. Die Dynamik ist piu forte. 39 - 43 Hier befindet sich ein toccata-artiger Abschnitt, welcher aus Sextolen aufgebaut ist. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 43 112 Der Toccata - Abschnitt hört auf. Es beginnt eine neue Gestaltung der Stimmen auf getrennten Manualen. Sie ist nur zweistimmig: Die Stimme mit der Quintadena spielt den ersten Abschnitt des Liedes (den Abschnitt von Takt 1 – 5) augmentiert vor. Die Stimme auf dem dritten Manual bringt eine bewegliche Begleitstimme mit dem Register Quint. 44 Zweistimmiges Zwischenspiel auf dem dritten Manual. 45 Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie im Takt 43. Die QuintadenaStimme spielt den zweiten Abschnitt des Liedes (Takt 6 - 11). 46 Zwischenspiel wie im Takt 44 47 Dieser Takt ist sehr lang (mehr als 12/4). Hier befindet sich ein Dialog der beiden Hände zwischen stehenden, aus Sekundschritten aufgebauten Akkorden und den Motiven des Liedes. 48 Die Dialogartigkeit bleibt vorherrschend, aber die Stimmen bewegen sich an manchen Stellen auch gleichzeitig. 49 Zweistimmige gleichzeitige Bewegungen. 50 - 51 Es kommt ein ähnlicher zehnstimmiger Akkord wie im Takt 37 vor. 52 - 53 Wieder die toccata-artige Textur mit Sextolen. 54 - 55 Ein ähnlicher zehnstimmiger Akkord wie in Takt 50 – 51 kommt vor. 56 - 61 Der Toccata-artige Abschnitt mit Sextolen kommt wieder. 62 - 63 Die Motive des Taktes 28 -29 kommen wieder vor. 64 Toccata mit Sextolen. 65 - 66 Die Sextolen werden als Begleitung komponiert und die ersten Motive des Bußliedes erklingen in der Pedalstimme. 67 Hier befindet sich ein achtstimmiger, aus Sekunden aufgebauter Akkord als Schlussakkord des ersten Teiles. 68 - 70 Die Sextolen werden als Begleitung dargestellt und die Motive des zweiten Abschnittes des Liedes finden sich in der Pedalstimme. 71 Quasi Schlussgruppe mit Fermaten und der Bezeichnung rit. assai. Der zweite Teil des Satzes ist das Gegenteil des ersten. In seiner Gestaltung ist er viel einfacher. Das Lied Veni Creator Spiritus ist immer deutlich erkennbar. Eben komponiert zwei Durchläufe des Liedes, wobei die Melodie mit Quartintervallen gestaltet wird. Zwischen den Liedzeilen befindet sich kein Zwischenspiel. Die Pedalstimme ist quasi die Begleitung, und die Sopranstimme mit ihrem sprechenden Charakter ist der Kontrapunkt. Im zweiten Durch- Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 113 lauf gibt es einen kurzen Tausch zwischen den Stimmen, dann kommt die Gestaltung des ersten Durchlaufs wieder vor. Der Satz endet mit einer langen Quart in der Melodie und einem langen Ton der Stimme des Kontrapunktes. 72 - 79 Ein Durchlauf des Liedes Veni creator spiritus. Das Lied befindet sich in den mittleren Stimmen in der Quartbewegung. Die Gegenstimme, quasi Kontrapunkt, bewegt sich im Sopran; diese setzt nach Pausen ein und hat immer wieder längere Abschnitte. 80 - 87 Ein zweiter Durchlauf des Liedes Veni creator Spiritus. Das Lied befindet sich hierbei in der Sopranstimme, wieder mit Quarten. Ab der dritten Zeile des Liedes ist das Lied in der mittleren Stimme. Das Stück endet mit langen Tönen und Fermaten. 10.5 Mögliche kompositorische Vorbilder Der Hymnus Veni creator Spiritus wurde von vielen Komponisten bearbeitet. So findet man ihn in dem Chorwerk von G. P. Palestrina: Veni creator Spiritus, bei Johann Nepomuk David: Zwei Hymnen für Orgel, bei Augustinus Franz Kropfreiter: Triplum super Veni creator Spiritus, in dem Werk von Max Reger: Pfingsten, in dem Stück von Jean Langlais: Trois Méditations sur la Sainte Trinité pour Orgel, bei Gaston Litaize: Toccata sur le Veni Creator, bei Maurice Duruflé: Prélude, Adagio et Choral varié sur le théme du Veni Creator. Olivier Messiaen komponierte den Hymnus in seiner Messe de la Pentacote, in dem Teil der Kommunion. Auch Krzysztof Penderecki schrieb ein Doppelchorwerk mit dem Titel Veni creator. Johann Ernst Eberlin bearbeitete den Hymnus in seinem Werk mit dem gleichen Titel als Offertorium für den Pfingstsonntag und man findet eine Vertonung in Gustav Mahlers Achter Symphonie. Petr Eben bearbeitete Veni Creator Spiritus auch für Klavier. Mit dem deutschsprachigen Titel Komm Gott Schöpfer Heil’ger Geist findet man mehrere Choralvorspiele von Johann Pachelbel, Friedrich Wilhelm Zachow, Johann Philipp Kirnberger sowie von Johann Sebastian Bach und mehrere Chorwerke wie zum Beispiel von Baltasar Resinarius, Johannes Eccard und Johann Walter. Bei der kompositorischen Gestaltung des Hymnus schrieb Eben die Melodie mit Quarten und dazu Parallelen im Pedal. Eine Vorgehensweise, die den mittelalterlichen Meistern ähnelt. Diese Art der Gestaltung findet man auch in der Sammlung Buxheimer Orgel- Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 114 buch, welches zwischen 1460 und 1470 entstanden ist und höchstwahrscheinlich haben Komponisten wie Guillaume Du Fay oder John Dunstable 162 die Sammlung zusammengestellt. Dabei kommen Techniken wie Faux bourdon, Organum oder Quartenharmonik zum Einsatz und bilden wichtige Bausteine dieses Werkes. So findet man den Hymnus Veni creator spiritus auch in der Sammlung des alten Meisters Nicolas de Griny Livre d’ orgue in dem Teil Hymns als erstes Stück. Die kompositorische Vorgehensweise der französischen Schule mit Quarten und Quinten wurde im 19. Jahrhundert wieder „erneuert“ und so findet man einen Art „neo – mittelalterlichen“ Stil in den Kompositionen von Jean Langlais oder Jehan Alain. 163 Als Beispiel dazu dient das Stück von Jean Langlais, in welchem er die weihnachtlichen Akklamationen der christlichen Liturgie mit Quarten darstellt: Abbildung 50: Jean LANGLAIS: Suite médiévale en forme de messe basse. V. Acclamations 164 Die Tonsprache und Gestaltung des Bußliedes betreffend soll Olivier Messiaen als Vergleich herangezogen werden. Für Messiaens Stil sind typisch die Eigenschaften des Bußliedes und zwar die Metrumlosigkeit, die fast 11/4 langen Abschnitte und auch die Präzision bei den Artikulationsanweisungen. Zweistimmige Abschnitte zwischen den akkordischen Läufen kommen bei Messiaen ebenfalls häufig vor. In seiner Messe de la Pentecote bearbeitet Messiaen den Hymnus Veni creator im Teil Communion, dessen Eigenschaften gleich wie in Ebens Stück sind: 162 Stefan DREES: Artikel Buxheimer Orgelbuch in: Lexikon der Orgel. Orgelbau – Orgelspiel – Komponisten und ihre Werke – Interpreten. Hg. Hermann J. Busch und Matthias Geuting. Laaber Verlag, Laaber 2007. S.125 163 Helga SCHAUERTE - MAUBONET: Artikel Suite Médiévale Op.56. in: Handbuch der Orgelmusik .Komponisten, Werke, Interpretation. Hg. Rudolf Faber und Philip Hartmann. Bärenreiter, Metzler, Kassel 2002. S. 435. 164 Jean, LANGLAIS: Suite médiévale en forme de messe basse. Éditions SALABERT, Paris 1950. S. 18. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis Abbildung 51: Olivier MESSIAEN: Messe de la Pentecote. IV. Communion 165 Abbildung 52: Petr Eben: Bußlied aus dem 7. Satz 115 10.6 Fazit Der siebte Satz Buße und Erkenntnis ist zweiteilig. Der erste Teil ist ein Bußlied, welches den Großteil des Satzes bildet. Das Lied ist aus fünftaktigen Abschnitten aufgebaut und durch die Diminution und Augmentation des Liedes werden die Takte immer länger, sodass die Gestaltung an Olivier Messiaens kompositorische Vorgehensweise erinnert. Der zweite Teil des 165 Olivier MESSIAEN: Messe de la Pentacote. Alponse Leduc Paris 1951. S. 18. Siebter Satz: Buße und Erkenntnis 116 Satzes zitiert den gregorianischen Hymnus Veni creator Spiritus. Er kommt zweimal vollständig, nacheinander ohne Zwischenspiel vor. Die zwei Durchläufe sind einander auch sehr ähnlich, wodurch eine Assoziation mit den ersten zwei Strophen des Hymnus naheliegend ist. Der Hymnus wurde mehrfach durch die Epochen vertont, man findet ihn als Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach mit dem deutschsprachigen Text, in einem Chorwerk von Palestrina oder in der Achten Symphonie von Gustav Mahler. Als Vorbild beim Komponieren dienten eher die alten Meister, was besonders durch die Verwendung der Quartharmonik in den Kompositionen zum Ausdruck kommt. Durch die französische Schule (Duruflé, Dupré, Langlais) wurden diese kompositorischen Vorgehensweisen wieder eingesetzt, die auch großen Einfluss auf Eben hatten. Der Zusammenhang zwischen einem Bußlied und dem Hymnus Veni creator ist der, dass die Buße mit den Wochen vor Pfingsten (jüdisch: die Wochen der Halbtrauer) zu verbinden ist. Achter Satz: Gottes Lohn 117 11 Achter Satz: Gottes Lohn Sprecher: Kapitel 42 Vers 10, 12 – 13, 15 – 17 „Und der Herr nahm Rücksicht auf Hiob. Der Herr wendete das Geschick Hiobs. Und der Herr mehrte den Besitz Hiobs auf das Doppelte. Der Herr aber segnete die spätere Lebenszeit Hiobs mehr als seine frühere. Er besaß 14.000 Schafe, 6.000 Kamele, 1.000 Joch Rinder und 1.000 Esel. Auch bekam er sieben Söhne und drei Töchter. Man fand im ganzen Land keine schöneren Frauen als die Töchter Hiobs; ihr Vater gab ihnen Erbbesitz unter ihren Brüdern. Hiob lebte danach noch 140 Jahre; er sah seine Kinder und Enkelkinder, vier Geschlechter. Dann starb Hiob, hochbetagt und satt an Lebenstagen.“ Motto des Satzes: „Der Herr erhob alsdann Hiobs Angesicht und gab Hiob noch mehr Glück, als er zuvor besessen.“ Petr Eben äußert sich über den Satz wie folgt: „Dieses Finale des Zyklus sind Choralvariationen auf ein Lied der Böhmischen Brüder, Kristus, priklad pokory („Christus, Beispiel der Demut“), denn Christus ist ja die Personifizierung des unschuldig Leidenden bis zur letzten Konsequenz.“ Achter Satz: Gottes Lohn 118 11.1 Über das Lied Christus, Beispiel der Demut Abbildung 53: Das Lied Christus, Beispiel der Demut Petr Eben verwendet als Grundlage seines Finalsatzes das tschechischsprachige Lied aus dem Kantional der Böhmischen Brüder, Christus, Beispiel der Demut. Dieses Lied, welches man in vier Einheiten (Choralzeilen) teilen kann, ähnelt der Bibelstelle aus dem Philipperbrief 2, 5 – 11, welche auch Christushymnus genannt wird. Der Text handelt nicht nur vom unschuldig leidenden Christus, sondern drückt auch die Demut aus, die ein theologischer Schlüsselbegriff dieser Bibelstelle und zum Verstehen des Mottos wichtig ist. Das Zitat beginnt mit den Worten „Der Herr nahm Rücksicht...“ und das Motto beginnt mit dem Satz „Der Herr erhob alsdann...“. Demut bedeutet eine Art von Unterordnung des Menschen gegenüber Gott, so dass der Mensch seinen Willen in den Hintergrund stellt und den Willen Gottes bevorzugt. Durch den Text des Liedes denkt man auch an die Passionsgeschichte Jesu, anhand der Christus selber seine demütige Haltung gegenüber seinem Vater offenbart: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26.39). In dem Christushymnus wird auch das Motiv „Erniedrigung – Erhöhung“ betont: „... er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht...“ (Philipperbrief 2, 8). So wird auch Jesus das Beispiel der Demut, wobei auch der theologische Gedanke dazu hinführt, dass sein Beispiel ein Vorbild für alle Christen wird. Die Böhmischen Brüder sind eine Gemeinschaft der protestantischen Kirche, in der Luthers Demuts- und Glaubensthesen eine entscheidende Rolle spielen. Martin Luther lässt den Glauben als Bußwerk und die Buße als Glaubenswerk erkennen und er betont, dass die Tugend der Demut in Zusammenhang mit der Übung des Glaubens weiter profiliert Achter Satz: Gottes Lohn 119 wird. 166 Petr Eben schrieb nach dem Jahre 1960 eine Sammlung von Choralbearbeitungen von den Böhmischen Brüdern 167, in der die typische kompositorische Form die Choralvariation ist. 11.2 Vere dignum et iustum est Eben erwähnt es in seinem Vorwort nicht, aber im biographischen Buch von Vondrovicová findet man ein Zitat, in dem der Komponist sein zweites Zitat aus seinem letzten Satz nennt: „Die musikalische und inhaltliche Coda bildet hier das Zitat „Vere dignum et iustum est...“. 168 Vere dignum et iustum est ist von der lateinischen Messe bekannt, wo es den Teil der Präfation (Anaklese I) bildet. Dieser Text ist das Hochgebet vor der Kommunion. Die Melodie sowie der Text werden nach wie vor praktiziert und ausschließlich vom Priester gesungen. Hierbei seien der erste Teil der Anaklese zitiert: In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, immer und überall zu danken durch deinen geliebten Sohn Jesus Christus. Er ist dein Wort, durch ihn hast du alles geschaffen. Ihn hast du gesandt als unseren Erlöser und Heiland: Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist geboren von der Jungfrau Maria. Um deinen Ratschluss zu erfüllen und dir ein heiliges Volk zu erwerben, hat er sterbend die Arme ausgebreitet am Holze des Kreuzes. Er hat die Macht des Todes gebrochen und die Auferstehung kundgetan. Darum preisen wir dich mit den Engeln und Heiligen und singen wir vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit. 169 166 Vgl. Eckhard ZEMMRICH: Demut. Zum Verständnis eines theologischen Schlüsselbegriffs. LIT – Verlag, Berlin 2006. S. 428. 167 Vgl. Petr, EBEN: Evangelische Choräle aus dem Kanzional der Böhmischen Brüder. Universal Orgel Edition, Wien 2002. (Vorwort) 168 Katerina VONDROVICOVÁ: Petr Eben. Leben und Werk. SCHOTT. Mainz 2000. S. 226. 169 Christian RENKEN: Richitig Messe feiern. Verlag Friedrich Pustet, Regesburg 2009. S. 60. Achter Satz: Gottes Lohn Abbildung 54: Petr Eben: Vere dignum et iustum aus dem Satz Gottes Lohn Abbildung 55: Vere dignum et iustum in der lateinischen Messe 170 120 11.3 Analyse des Satzes Der letzte Satz bildet eine große formale Einheit, in der das Lied Christus, Beispiel der Demut und das Zitat Vere dignum et iustum est zitiert wird. Am Anfang des Satzes befindet sich eine Art Einleitung, in der die Motive des Liedes nicht eindeutig erkennbar sind. Es folgen zwei vollständige variierte Durchläufe des Liedes und im dritten Durchlauf werden bis zu drei Ein- 170 Editio Typica Tertia: Missale Romanum.Typis Vaticanis. A.D. MMII (2002) S. 378. Achter Satz: Gottes Lohn 121 heiten des Liedes zitiert. Der Variationsteil danach variiert das Lied so, dass die Motive des Liedes erkennbar sind, aber nicht als Einheit auftreten. Die Variation danach zitiert die Einheiten des Liedes nicht in der „originalen“ Reihenfolge, aber die Einheiten des Liedes sind erkennbar. Erst ab Takt 90 beginnt ein regelmäßiger Durchlauf mit vier Einheiten und ab Takt 99 ebenfalls. Es folgt das lateinische Zitat Vere dignum et iustum est, welchem ein Nachspiel folgt. Bis zum Ende des Satzes werden die Motive des Liedes und die Motive des gregorianischen Zitates auch gleichzeitig oder nacheinander immer wieder zitiert. Mit großem tutti schließt Eben seinen achtsätzigen Orgelzyklus. Takt Kommentar 1 - 15 Am Anfang des Satzes sind die Achtelbewegungen im Quartintervall dominant, die mit dem Mittel der Imitation eine Art von Dialog zwischen den zwei Händen erzeugen. Die durchgehende Artikulation sind die Zweierbindungen. 16 – 20 Die ersten vier Takte des Liedes werden mit massiver Begleitstimme, die aus Dreiklangakkorden aufgebaut ist, zitiert. Die Melodie ist in der Sopranstimme. Der letzte Ton der ersten Einheiten des Liedes wird durch Überbindung verlängert. Der Komponist schreibt poco piu mosso und marcato vor. 21 – 25 Die zweiten vier Takte des Liedes werden zitiert. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen Takten. 26 – 30 Die dritte Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen bleibt gleich. 31 - 35 Die vierte Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen bleibt gleich. Der erste Durchlauf des Liedes endet. 35 - 41 Hier befindet sich ein Quasi Nachspiel nach dem ersten Durchlauf des Liedes mit den Motiven der Begleitstimme. Manche Motive des Liedes sind nebenbei hörbar. 42 - 44 Es beginnt der zweite Durchlauf des Liedes, wobei die Melodie mit Dreiklängen gestaltet ist und sich in der tiefen Lage der Orgel befindet. Die Begleitstimme ist sehr beweglich, aus Achteln aufgebaut und befindet sich in der eingestrichenen Lage. 45 - 47 Die zweite Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung ist gleich wie in den vorigen zwei Takten. 48 - 51 Die dritte Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen zwei Takten. Achter Satz: Gottes Lohn 52 - 55 122 Die vierte Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen zwei Takten und hier endet der zweite Durchlauf des Liedes. 56 - 59 Es beginnt der dritte Durchlauf des Liedes. Die Töne der Melodie befinden sich immer als letzter Ton der Quintolenläufe in der Sopranstimme. Die Begleitstimme ist aus legato Vierteln aufgebaut. Die Töne der ersten vier Takte des Liedes kommen ohne Repetition vor. 60 - 63 Die Töne der zweiten Einheit des Liedes werden zitiert. Die Gestaltung der Stimmen ist wie in den vorigen zwei Takten. 64 - 65 Statt der Quintolenläufe kommen Nonolenläufe vor. Die Melodietöne des Liedes befinden sich am Anfang und am Ende der Nonolen punktiert rhythmisiert. Die letzten Schläge des Taktes sind mit Septolen gestaltet. Hier wird die dritte Einheit zitiert. 66 - 67 Quasi Wiederholung von Takt 64 – 65. Am Anfang des Taktes werden mit die Motive des Liedes moduliert. 68 - 73 Dieser Abschnitt ist ein improvisationsartiger Teil des Satzes, wobei die Motive des Liedes variiert dargestellt werden. Hier sind die Einheiten des Liedes nicht identifizierbar. Die Begleitstimme wird durch Quintolenläufe gestaltet. 75 76 - 78 Quasi Nachspiel mit Quintolenläufen der vorigen Variationseinheiten. Der Abschnitt ist mit Septolen gestaltet, wobei sich die Melodietöne am Anfang jeden Laufes in der tiefen Lage der Orgel mit Tenutozeichen befinden. Hier wird die zweite Einheit des Liedes erkennbar. 78- 81 Hier wird die dritte Einheit des Liedes erkennbar. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen Takten. 82 - 86 Hier wird die vierte Einheit des Liedes erkennbar. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen Takten. 87 - 89 Quasi Überleitung mit Quintolen zum nächsten Ablauf des Liedes ohne die Pedalstimme. 90 - 91 Anfang des nächsten Ablaufs des Liedes mit der ersten Einheit. Die Manualstimmen befinden sich auf einem Manual und sind mit der Stimme des Pedals im Dialog. Das herrschende Intervall ist die Quart. Die Melodie ist in der obersten Stimme der Variation diminuiert dargestellt. Nach jedem Ablauf der bestimmten Einheit findet sich ein halbtaktiges langes Nachspiel auf dem zweiten Manual. Achter Satz: Gottes Lohn 92- 93 123 Die zweite Einheit des Liedes kommt mit der gleichen Gestaltung der Stimmen der vorigen zwei Takte vor. 94 - 96 Die dritte Einheit des Liedes zitiert die vorigen zwei Takte mit der gleichen Gestaltung der Stimmen. Nach diesem Durchlauf gibt es ein zwei Takte langes Nachspiel. 97 - 98 Die vierte Einheit des Liedes wird zitiert mit der gleichen Gestaltung der Stimmen wie in den vorigen zwei Takten. Das Nachspiel ist wieder einen halben Takt lang, welcher quasi die Überleitung zum nächsten Durchlauf bildet. 99 - 101 Beginn des Durchlaufs des Liedes mit der ersten Einheit. In der Stimme des Pedals befinden sich Orgelpunkte. Die Begleitung ist mit Sextolen gestaltet. Die Melodie liegt in der Sopranstimme. 102 - 104 Die zweite Einheit des Liedes wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen ist gleich wie in den vorigen zwei Takten. 105 - 108 Die dritte Einheit des Liedes wird zweimal hintereinander zitiert (Takt 107 – 108 ist die Wiederholung von Takt 105 – 106). Statt der Sextolenläufe werden massive Akkorde verwendet. Beide Hände spielen auf dem ersten Manual. 109 -112 Die vierte Einheit des Liedes wird zitiert. Hier kommt wieder die Stimmgestaltung vom Anfang dieser Variation (Sextolen) vor. 113 - 120 Das bekannte Zitat aus der lateinischen Messe Vere dignum et iusutum est wird zitiert. Die Gestaltung der Stimmen bleibt aber gleich wie in der vorigen Variation des Liedes. 121- 123 Quasi Nachspiel mit den Motiven des Vere dignum et iustum est. 124 – 127 Es wird hier das Lied Christus, Beispiel der Demut und auch Vere dignum est iustum zitiert. Die Manualstimmen sind durch Septolen gestaltet, wobei die Töne des Liedes in der obersten Stimme mit Tenuto Bezeichnung versehen sind. In der Pedalstimme kommen die Töne des Vere dignum et iustum est vor. Von dem Lied Christus, Beispiel der Demut findet sich in diesem Abschnitt die erste Einheit. 127 - 129 Hier findet sich die zweite Einheit des Liedes Christus, Beispiel der Demut und die Melodie des Vere dignum et iustum est. Die Stimmgestaltung ist gleich wie vorher. Achter Satz: Gottes Lohn 130 - 131 124 Hier findet sich die dritte Einheit des Liedes Christus, Beispiel der Demut und die Melodie des Vere dignum et iustum est. Die Stimmgestaltung ist gleich wie vorher. 132 - 133 Quasi Nachspiel mit den Motiven des Vere dignum et iustum est. 134 - 139 Die letzten fünf Takte des Orgelzyklus bringen die Anfangsmotive des Vere dignum et iustum est. Drei Takte lang unisono, dann mit massiven Akkorden begleitet. Der Zyklus endet im tutti. 11.4 Die Choralvariation Die Choralvariation ist eine der ältesten Formen der Choralbearbeitung, in welcher das Thema (Cantus Firmus) ein gregorianischer oder protestantischer Choral ist. Der erste Vertreter der Choralvariation ist J. P. Sweelink, welcher meist drei oder vier vollständige Choraldurchführungen komponiert und diese zyklisch zusammenfasst. Die Form von Sweelinks Variationen ist etwas freier als die seiner Nachfolger S. Scheidt, J. Praetorius, H. Scheidemann, weil die Orgel damals nach calvinistischer Tradition nicht in liturgischem Gebrauch war. So sind die Variationsteile der Sweelink Schüler voneinander isolierbar und reichen sogar bis zu zwölf Durchführungen. Eine weiterentwickelte Form zeigt das Stück von Praetorius Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ, in welchem nur eine Strophe bearbeitet wird, aber jeweils mit verschiedenen Techniken. Das Stück wurde auch als Fantasie bezeichnet. An die Form der Choralfantasie knüpfen auch Buxtehude und die norddeutsche Schule an, später werden Choralfantasien mit der romantischen Musiksprache von Max Reger und auch von Sigfried KargElert komponiert. 171 Um Ebens Satz „richtig“ analysieren zu können, ist der entscheidende Punkt, die Unterschiede zwischen den zueinander ähnlichen Gattungen (Choralvariation, Choralphantasie, Choralpartita) festzulegen. Die Choralvariationen sind bei den oben genannten Komponisten voneinander deutlich unterscheidbar. Sie sind mit einem Doppelstrich und häufig auch mit Nummerierung (zum Beispiel Var. 1.) gekennzeichnet. Die Variationen bilden jeweils eine Einheit und schließen tonal auf der Tonika. In den Choralphantasien in der Barockzeit (zum Beispiel bei Buxtehude) sind die Variationen von einander nicht getrennt, sondern „eine fließt in die andere hinein“. Spätere Komponisten wie Mendelssohn und Reger knüpfen auch an diese 171 Arno, FORCHERT und Rudolf, INNIG: Artikel Choralbearbeitung in: Die Musik Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe.Hg. von Ludwig Finscher. Sachteil 2. Bärenreiter Kassel, Metzler Stittgard 1996. Spalte 841. Achter Satz: Gottes Lohn 125 Tradition an, wobei man häufig zwischen der Zahl der Variationen und der Zahl der Liedstrophen Parallelen bemerken kann und wodurch auch die Liedtexte entsprechend vertont werden. Die dritte Gattung, Choralpartita unterscheidet sich von der Choralvariation dadurch, dass die Komponisten Charaktere (Eigenschaften) aus „weltlichen“ Suitensätzen als Grundlage genommen haben. Diese Elemente sind zum Beispiel Taktartbezeichnungen, Figurationen oder Tempi. Manche Partiten sind auch länger als eine Choralvariation und stellen nicht nur einen Durchlauf des Chorals dar. Den letzten Satz des Orgelzyklus bezeichnet Eben als Choralvariation, obwohl er die Variationen des Satzes mit Doppelstrich oder Nummerierung voneinander nicht trennt und sie nicht als jeweils geschlossene Einheiten wirken. Die Variationen bringen nicht immer das ganze Lied, nicht alle Choralzeilen kommen vor und auch nicht immer „nach der Reihe“. Um den Satz als Choralfantasie zu bezeichnen, ist er zu kurz, wenn man an Regers Choralphantasien denkt. Es gibt trotzdem mehrere Merkmale in diesem Satz, welche mit den barocken (auch vorbarocken) Choralvariationsbearbeitungen identisch sind: Bei barocken und auch bei späteren Variationskompositionen kann man bemerken, dass die Begleitstimme des Chorals während des Stückes mit immer kleineren Notenwerten (z.B. zuerst Achtel, dann Achteltriolen, Sechzehntel, Zweiunddreißigstel) gestaltet wird. Bei Eben erkennt man in diesem Satz diese Tendenz an den Notenwerten, die von Quintolen zu Sextolen, Septolen und Nonolen verkleinert werden. Diese Technik kann man auch bei französischen Komponisten des 20. Jahrhunderts finden, zum Beispiel verwendet Marcel Dupre in seinem Stück Variations Sur un Noel in den Variationen VIII und IX Quintolen und Sextolen in der Begleitung. Abbildung 56: 172 Johann Pachelbel: Christus, der ist mein Leben.(3. Partita) 172 Johann, PACHELBEL: Ausgewählte Orgelwerke. Band IV. Hg. von Karl MATTHAEI, Bärenreiter Kassel Basel, Ausgabe 1016. S. 5 – 10. Achter Satz: Gottes Lohn Abbildung 57: Johann Pachelbel: Christus, der ist mein Leben (letzte, 12. Partita) Abbildung 58: Marcel Dupré: Variations Sur un Noёl Op. 20. Var. VIII. Abbildung 59: Petr Eben: Gottes Lohn Takt 68 126 11.5 Fazit Petr Eben verwendet in dem Satz Gottes Lohn das Lied Christus, der Beispiel der Demut und das lateinische Vere dignum et iustum est, was Teil des Eucharistiefeier (Präfation, Achter Satz: Gottes Lohn 127 Anaklese I). Eben bezeichnet den Satz als Choralvariation. Diese Form ist aus der barocken und auch schon aus der vorbarocken Epoche bekannt. Der klassischen Form folgt er zwar nur teilweise, Gemeinsamkeiten gibt es aber trotzdem: Eben nimmt ebenfalls eine Melodie eines Chorales als Grundlage, welche durch den Satz mit immer schneller werdender Begleitstimme variiert wird. Eben benutzt auch typische barocke Kompositionsformen, wie die Mittel der Imitation und des Stimmtausches. Diese kurze Choralfantasie schliesst den Orgelzyklus, mit dem Zitat der Eucharistiefeier gemeinsam mit dem Lied Christus, Beispiel der Demut. Literaturverzeichnis 128 12 Literaturverzeichnis BISCHÖFEN DEUTSCHLANDS und ÖSTERREICHS und der Bistümer Bozen – Brixen, Lüttich und Luxemburg (Hg): Gotteslob.Katholisches Gebet – und Gesangsbuch. Diözese Graz – Seckau. Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1975. BENEDICTINE MONASTERY OF SOLESMES (Hg.): Graduale Romanum. Desclee, Tournai 1962. BIERITZ, Karl - Heinz: Liturgik. Walter de Gruyter GmbH & Co. Berlin 2004. 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Satz ........................................................... 36 Abbildung 3: Beethoven: Fanfarenmotiv: letzte 6 Takte des Satzes (Partiturausschnitt) .. 36 Abbildung 4: Petr Eben: Schicksal - Fanfarenmotiv am Ende des Satzes ......................... 37 Abbildung 5: Tschaikovsky: V. Symphonie e – Moll op. 64 Takt 1 - 8 ............................ 38 Abbildung 6: Das Lied von Luther mit dem Originaltext und Melodie in e - Moll........... 46 Abbildung 7: greg. Antiphon: „Da pacem Domine” .......................................................... 47 Abbildung 8: Heinrich Schütz: Musikalische Exequien I. Takt 1 - 4 ................................ 57 Abbildung 9: Exsultet ......................................................................................................... 58 Abbildung 10: Petr Eben: Gesinnungstreue Takt 1- 6 ......................................................... 58 Abbildung 11: Petr Eben: Gesinnungstreue Takt 106 – 107, Gloria ................................... 59 Abbildung 12: Gloria in excelsis Deo .................................................................................. 59 Abbildung 13: Max Reger: Zwölf Stücke für die Orgel, Op. 59 Heft 2 No. 8. Gloria in excelsis ......................................................................................................... 59 Abbildung 14: Jehan Alain: Litanies Takt 1......................................................................... 61 Abbildung 15: Jehan Alain: Litanies Takt 28 - 29 ............................................................... 61 Abbildung 16: Jean Langlais: Incantation pour un jour Saint Takt 1 - 4 ............................ 62 Abbildung 17: Jean Langlais: Anfang der Allerheiligenlitanei Takt 7- 9 ............................ 62 Abbildung 18: Melodie des Liedes in der ökumenischen Fassung in a - Moll .................... 69 Abbildung 19: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 691 aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach ................................................................................. 71 Abbildung 20: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 642 Takt 1 und 2 .................... 71 Abbildung 21: Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 647, Beachte die Begleitung der linken Hand .................................................................................................. 72 Abbildung 22: Theophil Forchhammer: Wer nur den lieben Gott lässt walten Takt 3- 4 ... 72 Abbildung 23: G. A. Homilius: Wer nur den lieben Gott lässt walten ............................... 73 Abbildung 24: Wer nur den lieben Gott lässt walten von J. P. Kirnberger, Achtelbegleitung ...................................................................................................................... 73 Abbildung 25: Petr Eben: Annahme des Leides. Melodie mit Achtelbegleitung wie bei Kirnberger .................................................................................................... 74 Abbildung 26: Christian Reichard: Wer nur den lieben Gott lässt walten Takt 1 - 3 .......... 74 Abbildungsverzeichnis Abbildung 27: 136 Sigfrid Karg – Elert: Choralimprovisation Wer nur den lieben Gott lässt walten (Fassung a – Moll)............................................................................ 74 Abbildung 28: Sigfrid Karg – Elert: Choralvorspiel Wer nur den lieben Gott lässt walten (Fassung in A – Dur).................................................................................... 75 Abbildung 29: Mendelssohn: Sonate in d („Vater unser”) Beginn der ersten Variation, Takt 26 und 27...................................................................................................... 75 Abbildung 30: Eben: Annahme des Leides, Anfang............................................................. 76 Abbildung 31: Mendelssohn: Sonate No. 6. Variation 2...................................................... 76 Abbildung 32: Eben: III. Satz Takt 73 - 75 .......................................................................... 76 Abbildung 33: Petr Eben : Sehnsucht nach dem Tode - Thema ........................................... 85 Abbildung 34: Johann Sebastian Bach: Passacaglia c – Moll BWV 582 – Achttaktiges Thema im Pedal............................................................................................ 86 Abbildung 35: J. S. Bach: Passacaglia c – Moll , Takt 24 – 25, Achtelbewegungen und Petr Eben: IV. Satz Var. 3. .................................................................................. 86 Abbildung 36: J. S. Bach: Passacaglia c- Moll, Takt 80 -87................................................ 87 Abbildung 37: Petr Eben: Sehnsucht nach dem Tode. Variation 5 mit Sechzehnteln.......... 87 Abbildung 38: J. S. Bach: Messe in h - Crucifixus Thema ................................................. 88 Abbildung 39: J. S. Bach: Messe in h – Crucifixus – letzte Variation des Satzes................ 89 Abbildung 40: Petr Eben: Sehnsucht nach dem Tode – die letzten 4 Takte......................... 89 Abbildung 41: Petr Eben: Der Abschnitt Klagelied im Satz Verzweiflung und Resignation... ...................................................................................................................... 95 Abbildung 42: Marcel Dupré: Lamento Takt 1 - 11............................................................. 97 Abbildung 43: Joseph Haydn: Die Schöpfung. Einleitung. Die Vorstellung des Chaos. Takt 1 - 7............................................................................................................. 103 Abbildung 44: Joseph Haydn: Die Schöpfung. Einleitung. Die Vorstellung des Chaos Takt 8 - 14........................................................................................................... 104 Abbildung 45: Petr Eben: Die Geheimnis der Schöpfung Takt 1 – 5................................ 104 Abbildung 46: Olivier Messiaen: Vision de l’ Amen. I. Amen de la Création. Takt 15 - 16.... .................................................................................................................... 105 Abbildung 47: Der Hymnus Veni creator spiritus ............................................................. 108 Abbildung 48: Petr Eben: Anfang des Hymnus (1. Strophe) ............................................. 109 Abbildung 49: Petr Eben: Anfang des Hymnus (2. Strophe) ............................................. 109 Abbildung 50: Jean LANGLAIS: Suite médiévale en forme de messe basse. V. Acclamations .............................................................................................. 114 Abbildungsverzeichnis 137 Abbildung 51: Olivier MESSIAEN: Messe de la Pentecote. IV. Communion .................. 115 Abbildung 52: Petr Eben: Bußlied aus dem 7. Satz ........................................................... 115 Abbildung 53: Das Lied Christus, Beispiel der Demut...................................................... 118 Abbildung 54: Petr Eben: Vere dignum et iustum aus dem Satz Gottes Lohn ................... 120 Abbildung 55: Vere dignum et iustum in der lateinischen Messe ...................................... 120 Abbildung 56: Johann Pachelbel: Christus, der ist mein Leben.(3. Partita)....................... 125 Abbildung 57: Johann Pachelbel: Christus, der ist mein Leben (letzte, 12. Partita) .......... 126 Abbildung 58: Marcel Dupré: Variations Sur un Noёl Op. 20. Var. VIII.......................... 126 Abbildung 59: Petr Eben: Gottes Lohn Takt 68 ................................................................. 126