Gentechnik - Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

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3.2
3.3.2
Andere Modifikationen
Einige Proteine müssen posttranslational durch
proteolytische Spaltung aktiviert werden. Typische Beispiele sind die Proteine der Blutgerinnungskaskade. Sollen solche Proteine als Wirkstoffe entwickelt werden, muss man entscheiden, ob der rekombinante Wirkstoff zunächst
einmal in der inaktiven Form hergestellt werden soll oder ob direkt das aktive Protein produziert werden kann. Gegebenenfalls muss
man eine Protease, die den Wirkstoff durch
Spaltung aktivieren kann, ebenfalls rekombinant herstellen. Ein Beispiel hierfür ist die CoExpression des Blutgerinnungsfaktors IX mit
der Serin-Protease PACE-SOL (siehe Kapitel
II.9).
Manche Proteine sind auch unter physiologischen Bedingungen labil und müssen durch
Bindung an andere Proteine permanent stabilisiert werden. Ein Beispiel hierfür ist der Blutgerinnungsfaktor VIII, der im Blutplasma durch
die Bindung an von-Willebrand-Faktor stabilisiert wird. Deshalb wird bei der biotechnologischen Herstellung von Faktor VIII zum Teil
eine cDNA für von-Willebrand-Faktor in den
Produktionszellen eingebracht, damit Faktor
VIII während des Herstellungsprozesses in der
aktiven Form gewonnen werden kann (siehe
Kapitel II.9).
Manche Proteine müssen posttranslational
acyliert werden, um biologisch aktiv zu sein.
Bei der Acylierung werden Fettsäuren an bestimmte Aminosäuren eines Proteins geheftet.
Je nach Fettsäure unterscheiden wir distinkte
Klassen acylierter Proteine. Die C16-Fettsäure
Palmitinsäure wird in der Regel über einen
Thioester an einen Cystein-Rest gebunden. Die
C14-Fettsäure Myristinsäure wird dagegen exklusiv über eine Amid-Bindung an N-terminale
Glycin-Reste gekoppelt. Durch Acylierung erwerben die Proteine meist die Fähigkeit, mit
Membranen zu interagieren. Oft ist diese Fähigkeit essentiell für die Funktionsfähigkeit des
entsprechenden Proteins.
Hieraus ergeben sich auch attraktive Ansätze für eine Pharmakotherapie. Durch Hem-
Herstellung rekombinanter Expressionseinheiten
mung der Acylierung lassen sich fehlregulierte
Varianten derartiger Proteine in ihrer Funktion
inhibieren. Interessante Beispiele für einen solchen Therapieansatz sind die Proteine p60src
und p21ras. In beiden Fällen handelt es sich um
Onkogen-Produkte, d. h. um Proteine, die an
der Krebsentstehung beteiligt sind. Sie fungieren normalerweise als Teilstationen innerhalb
komplexer Signalkaskaden, an deren Enden Signale zur Zellteilung in den Kern gelangen.
Sind die p60src- bzw. p21ras-codierenden Gene
mutiert, lassen sich die Proteine nicht mehr inaktivieren und senden ständig Proliferationssignale aus. Beide Proteine sind in ihrer aktiven Form obligat acyliert. Es wird daher
versucht Inhibitoren zu entwickeln, die die
Acylierung dieser Proteine verhindern, um damit die gestörte Funktion der Proteine zu neutralisieren. Damit wäre der unphysiologische
Teilungsreiz der betroffenen Zelle abgestellt.
Die Zelle würde wieder einer geregelten
Wachstumskontrolle unterliegen und sich nicht
permanent teilen. Dies ist eines von vielen attraktiven neuen Konzepten, Tumore kausal zu
behandeln.
Sulfatierungen oder γ-Carboxylierungen
von Aminosäuren in Proteinen ermöglichen
eine Bindung von Calcium und können sich
auf die biologische Aktivität der entsprechenden Proteine auswirken. Innerhalb der Blutgerinnungskaskade beispielsweise gibt es verschiedene Proteine, wie die Faktoren II, VIII, IX
und das Protein C, die umfassend posttranslational modifiziert werden. Generell verlieren
diese Proteine ihre biologische Aktivität, wenn
typische Modifikationen ausbleiben. Dazu
zählt beispielsweise die γ-Carboxylierung an
Glutamat-Resten durch eine Vitamin-K-abhängige mikrosomale Carboxylase (Abb. I.3.31). Da
die entsprechenden Enzyme nur in ganz bestimmten Zellen vorkommen, müssen unter
Umständen Produktionszellen mit den entsprechenden Enzymen gentechnisch ausgestattet
werden, um korrekt modifizierte, heterolog exprimierte Proteine für die Wirkstoffentwicklung zu erhalten.
113
I
114
3 Genexpression
H
N
O
H
N
H
Zusammenfassung
O
COOH
COOH
COOH
CO2
Carboxylase
O2
OH
O
CH3
CH3
O
R
R
OH
O
Vitamin-K-Hydrochinon
NAD
Vitamin-K-Epoxid
CinonReduktase
O
EpoxidReduktase
CH3
NADH
+ H+
R
O
Vitamin K
Abb. I.3.31: Vitamin-K-abhängige γ-Carboxylierung. Bei der γ-
Carboxylierung werden Glutaminsäure-Seitenketten von Proteinen
in einem Vitamin-K-abhängigen Schritt durch das Enzym Carboxylase am γ-C-Atom carboxyliert. Dadurch sind an das γ-C-Atom
gleichzeitig zwei COOH-Gruppen gebunden, die im deprotonierten
Zustand Ca2+-Ionen komplexieren können. Bei der γ-Carboxylierung wird das Vitamin-K-Hydrochinon zum Epoxid oxidiert. Dieses
wird in zwei Schritten wieder zum Hydrochinon reduziert.
Glycosylierungen von Proteinen gehören zu den wichtigsten posttranslationalen Modifikationen. Das Anheften von
zum Teil sehr komplexen Zuckerketten an Asparagin- oder
Serin-/Threonin-Seitenketten (N-Glycosylierung bzw. OGlycosylierung) der Proteine beeinflusst die Stabilität von
Proteinen ebenso wie ihre Funktionalität. Die N-Glycosylierung von Proteinen erfolgt auf dem „sekretorischen Weg“.
Gemeint ist die Synthese von Proteinen in das Lumen des
Endoplasmatischen Retikulums, von wo aus die Proteine
über vesikulären Transport zum Golgi-Apparat und von dort
aus in die Zytoplasmamembran oder den Extrazellularraum
gebracht werden. Im Endoplasmatischen Retikulum und
dem Golgi-Appart werden die Proteine umfangreich glycosyliert. Dabei wird zunächst ein in allen Eukaryonten gleiches Zucker-Polymer (Glc3Man9GlcNAc2) übertragen, das
allerdings durch Trimming und Anfügen weiterer Kohlenhydrate so stark verändert wird, dass für jeden Organismus
typische Glycosylierungsmuster generiert werden.
Bei der Wahl der Strategie zur Herstellung rekombinanter
Proteinwirkstoffe muss auf eine eventuell notwendige Glycosylierung der rekombinanten Proteine besondere Rücksicht genommen werden. Falsche Glycosylierungsmuster
können sich auf die Löslichkeit, die Aktivität, die Clearance
aus dem Blutstrom und auf die antigenen Eigenschaften eines Proteinwirkstoffs auswirken. Bakterien kennen die NGlycosylierung von Proteinen gar nicht, so dass in Bakterien
hergestellte Proteine grundsätzlich unglycosyliert gebildet
werden. Auch heterolog in tierischen Zellen exprimierte
menschliche Proteine entsprechen in der Regel nicht genau
dem für diese Proteine authentischen Glycosylierungsmuster.
4
Expressionssysteme zur Proteinherstellung
Zu den Hauptzielen der Gentechnik im Bereich
biotechnologischer Anwendungen gehört die
Expression fremder genetischer Information
durch prokaryontische und eukaryontische Mikroorganismen sowie höhere Zellen aus Pflanzen oder Tieren. Für den medizinisch/pharmazeutischen Bereich handelt es sich dabei
meistens – aber längst nicht immer – um Information aus dem menschlichen Genom, die zu
Proteinwirkstoffen entwickelt werden sollen.
Generell sprechen wir von „heterologer Genexpression“, wenn fremdes genetisches Material
in egal welchem Organismus exprimiert wird.
Leider gibt es keine einheitliche Strategie,
nach der wir vorgehen können, um ein Protein
in einem industriellen Prozess mit hoher Effizienz in einem Fremdorganismus herstellen zu
lassen. Vielmehr muss für jeden Einzelfall die
beste Strategie empirisch erarbeitet werden. Ein
ideales, industriell nutzbares Expressionssystem sollte folgende Eigenschaften in sich vereinen:
es beinhaltet ein Fermentationssystem mit
hoher Ausbeute an rekombinantem Protein,
Insekten- Säugetier
(1)
zellen
(1)
Hefe
(26)
Säugetierzellen
(60)
Bakterien
(39)
Abb. I.4.1: Nutzung von Expressionssystemen für die in Deutschland zugelassenen Biologika. Angegeben ist die Anzahl am Markt
befindlicher Arzneimittel. (Quelle: Verband Forschender Arzneimittelhersteller)
es liefert ein dem authentischen Vorbild
möglichst nahe kommendes Produkt (z. B.
wenn möglich naturidentische Aminosäuresequenz und notwendige posttranslationale
Modifikationen),
es bewerkstelligt die Faltung des hergestellten Proteins in die korrekte Tertiärstruktur,
es erlaubt eine steuerbare Expression des rekombinanten Proteins,
das Verfahren ermöglicht eine einfache Reinigung des Produktes (z. B. Sekretion in das
Kulturmedium),
es sichert die Abwesenheit von Pathogenen
(z. B. humanpathogene Viren),
es sichert die Abwesenheit von Pyrogenen,
es verursacht möglichst geringe Produktionskosten (möglichst kurze Fermentationszeiten, geringe Fermentationskosten, kostengünstige Medien),
es bietet die Möglichkeit zum „Upscaling“.
Im Folgenden wird auf die Expressionssysteme
besonders eingegangen, für die von der pharmazeutischen Industrie bereits Produkte bis zur
Markreife entwickelt wurden. Eine Übersicht
über die Häufigkeit der Anwendung der verschiedenen Expressionswirte in den derzeit in
Deutschland zugelassenen Protein-Arzneimitteln gibt Abbildung I.4.1.
4.1
Bakterien
4.1.1
Regulierbare Operons
Die effiziente Expression fremder genetischer
Information interferiert oft stark mit dem normalen Wachstum der Wirtszelle. Deshalb ist es
meist nicht wünschenswert, dass das FremdProtein in allen Wachstumsphasen synthetisiert
wird. Dieses Problem lässt sich durch den Einsatz eines regulierbaren Promotors lösen. Viele
Promotoren werden immer mit vergleichbarer
I
116
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
Bakteriendichte
Produktmenge
lag-Phase
logarithmische
Phase
Repression
stationäre
Phase
Zeit
Induktion
Abb. I.4.2: Gezielte Proteinproduktion durch regulierbare Promotoren. Regulierbare Promotoren gestatten eine gezielte Produktbildung unabhängig vom Wachstum der Kultur. Um das
Wachstum so wenig wie möglich durch ein Fremdprodukt zu beeinflussen, wird der Promotor, der die Expression des Fremdproduktes
kontrolliert, möglichst in einem reprimierten Zustand gehalten. Erst
wenn die Kultur nahezu die stationäre Wachstumsphase erreicht
hat, wird die Promotoraktivität induziert. Von diesem Zeitpunkt an
steigt die Produktmenge stetig, wohingegen die Bakteriendichte
praktisch konstant bleibt.
Rate abgelesen, sie sind „konstitutiv aktiv“. Auf
der anderen Seite werden regulierbare Promotoren nur unter bestimmten Bedingungen aktiviert (induziert) bzw. inaktiviert (reprimiert).
Für die Herstellung von Proteinwirkstoffen
wird häufig auf regulierbare Promotoren zurückgegriffen, damit zunächst unter optimalen
Wachstumsbedingungen Biomasse akkumuliert
werden kann. Spät in der logarithmischen
Wachstumsphase der Zellen wird dann die Expression des Fremd-Proteins induziert (Abb.
I.4.2). Dies geschieht dadurch, dass wir entweder einen Repressor aus dem Kulturmedium
entfernen oder dem Medium einen geeigneten
Induktor hinzufügen.
Einer der bekanntesten regulierbaren Promotoren steuert das Lactose-Operon (lacOperon) aus E. coli (Abb. I.4.3 A). Das lacOperon ist ein polycistronisches Operon, das
für drei Proteine codiert, die E. coli für die Ver-
wertung von Lactose benötigt. Eines dieser Enzyme ist die β-Galactosidase, die in der Gentechnik eine ganz große Rolle spielt, wie wir
bereits in Abschnitt I.2.4 gesehen haben. Das
lac-Operon wird sowohl negativ als auch positiv reguliert. Wir schauen uns zunächst die negative Regulation an.
Das Regulationselement auf DNA-Ebene ist
der lac-Operator (Abb. I.4.4), ein palindromisches Sequenzmotiv aus 35 Basenpaaren, das
teilweise mit dem Promotor des lac-Operons
überlappt. An dieses Motiv binden als Tetramer
vier Moleküle des so genannten lac-Repressors.
Die Synthese des lac-Repressors wird nicht reguliert, d. h. der lac-Repressor wird bei jeder
Stoffwechsellage mit gleicher Rate (konstitutiv)
exprimiert. Durch die Bindung des lac-Repressors an den lac-Operator wird die Transkription
des lac-Operons verhindert, so dass unter „normalen“ Bedingungen in E. coli das lac-Operon
nicht exprimiert wird, sondern inaktiv ist (Abb.
I.4.3 B).
Was verstehen wir unter „normalen“ Bedingungen? E. coli bevorzugt als Kohlenstoffquelle ganz ausgeprägt Glucose. Diese Vorliebe
ist so groß, dass das Bakterium Enzyme, die
andere Zucker abbauen könnten, erst gar nicht
synthetisiert, solange Glucose als C-Quelle verfügbar ist. Das lac-Operon ist eine genetische
Informationseinheit, die zuckerverwertende
Enzyme – nämlich u. a. die β-Galactosidase
zum Abbau von Lactose – codiert. Erst wenn
keine Glucose mehr verfügbar ist, greift E. coli
auf alternative C-Quellen wie Lactose zurück.
Ein Induktor ist ein niedermolekulares Molekül, das der Zelle signalisiert, dass eine Stoffwechsellage eingetreten ist, die die Aktivierung
eines reprimierten Operons erfordert. Als Induktoren für das lac-Operon fungieren Galactose(β1–4)glucose (Lactose) bzw. Galactose(β1–6)glucose (Allolactose) und auch andere
β-Galactoside. Der Induktor ist ein Ligand an
einem Repressorprotein, hier dem lac-Repressor. Der Repressor ändert durch die Bindung
des Induktors seine Konformation und verliert
dadurch seine Affinität zum Operator. Er dissoziiert also von seiner Bindungsstelle und gibt
das lac-Operon zur Transkription frei (Abb.
I.4.3 C).
4.1
A
lac I
Promotor
ATG
lac Z
lac Y
ATG
Bakterien
117
Termilac A nator
ATG
DNA
Operator
Operator
„verschlossen“
lac Z
B
lac I
I
lac Y
lac A
DNA
keine Transkription
mRNA
Repressor
tetramer
monomer
C
Operator
Promotor „offen“ lac Z
lac I
lac Y
lac A
DNA
Transkription
mRNA
Repressor
(Protein)
Transaceβ-Galactotylase
Permease
sidase
Induktor
OH
Lactose
4
OH
O
HO
β
OH
Galactose
1
OH 1
HO
O
OH
O
4
OH
Glucose
β-galactosidische Bindung
Abb. I.4.3: Regulation des lac-Operons.
A. Das Lactose-Operon aus E. coli ist ein polycistronisches Operon, dessen regulierbarer Promotor die Expression dreier Gene (Cistrons) kontrolliert. Die Gene codieren die Proteine β-Galactosidase (lacZ), Permease (lacY) und Transacylase (lacA). Der für die Regulation verantwortliche Bereich ist eine kurze Sequenz zwischen Promotor und dem β-Galactosidase-Gen, den wir als lac-Operator bezeichnen.
B. Der lac-Operator fungiert als spezifische Bindestelle für den lac-Repressor (LacI), einem Protein, das als Tetramer an den lac-Operator
bindet und damit die Transkription des lac-Operons verhindert, d. h. das lac-Operon befindet sich in einem reprimierten Zustand. Dies ist natürlicherweise immer dann der Fall, wenn die Zellen auf Glucose als C-Quelle zugreifen können.
C. Ist keine Glucose vorhanden, statt dessen aber Lactose, Allolactose oder artifizielle Galactoside wie beispielsweise Isopropyl-β-D-thiogalactosid (siehe Abb. I.4.5), so binden diese Induktoren an den lac-Repressor, der dadurch seine Affinität zum lac-Operator verliert. Nun kann
das Operon transkribiert werden, und unter diesen Induktionsbedingungen werden die drei von dem Operon codierten Proteine synthetisiert.
Es gibt auch artifizielle Induktoren für das lacOperon wie z. B. Isopropyl-β-D-thiogalactosid
(IPTG) (Abb. I.4.5). IPTG besitzt eine hohe Affinität zum lac-Repressor, ist allerdings kein
Substrat für die β-Galactosidase, die thioglycosidischen Bindungen nicht spalten kann. Das
ist wichtig, weil normale Produktionsstämme
in der Regel neben dem vom lac-Promotor
kontrollierten Transgen auch ihr endogenes
Lactose-Operon enthalten. Würden wir einen
solchen Produktionsstamm mit Lactose zur Bildung des rekombinanten Proteins anregen,
würde die Produktion sehr schnell wieder abnehmen, weil die β-Galactosidase den Induktor
spalten würde.
Wollen wir ein Fremdgen in E. coli reguliert
exprimieren, können wir uns eines modifizierten lac-Operons bedienen (Abb. I.4.5). Im Prinzip tauschen wir dazu die lac-Gene des lacOperons durch die zu exprimierende cDNA aus.
118
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
5'-…
3'-…
TGTGTGGAATTGTGAGCGGATAACAATTTCACACA
ACACACCTTAACACTCGCCTATTGTTAAAGTGTGT
…-3'
…-5'
Palindrom
5'-…
3'-…
C GG
G
A
A
T
G A
T–A
G–C
T–A
T–A
A–T
A–T
G T
G–C
T–A
G–C
T–A
G–C
T–A
A–T
C–G
A–T
C–G
A–T
C–G
C A
T–A
T–A
A–T
A–T
C–G
A–T
C T
T
A
C
T
GCC
…-3'
…-5'
Abb. I.4.4: Der palindromisch organisierte lac-Operator.
Allerdings wird nicht das bakterielle lacOperon selbst modifiziert. Vielmehr werden auf
einem Expressionsplasmid alle benötigten
Komponenten kloniert: der lac-Promotor nebst
Operatorsequenz, ein Transkriptions-Terminator, sowie das Gen für den lac-Repressor. Obwohl ja das E.-coli-Genom den lac-Repressor
bereits enthält, ist es oft vorteilhaft, eine weitere
Kopie des lac-Repressors auf das Expressionsplasmid zu klonieren. Dadurch wird die Konzentration des lac-Repressors in der Bakterienzelle ausreichend erhöht, um die lac-Promotoren auf allen Plasmidkopien zu reprimieren.
Neben der negativen Regulation des lacOperons durch den lac-Repressor gibt es noch
eine positive Regulation. Diese Regulation bezeichnen wir als Katabolit-Aktivierung. Sie beruht darauf, dass in Abwesenheit von Glucose
die intrazelluläre Konzentration von cyclischem Adenosin-3',5'-Monophosphat (cAMP)
ansteigt. Das ist übrigens nicht nur in E. coli
so. Ein Hungerzustand ist auch in tierischen
Zellen unter anderem dadurch charakterisiert,
dass die intrazelluläre cAMP-Konzentration
ansteigt. Daher kann man cAMP auch als ubiquitäres Hungersignal bezeichnen. In Bakterien
bindet ein Teil dieses cAMPs an ein Protein mit
210 Aminosäuren, das wir als CRP (cAMP-Rezeptorprotein) bezeichnen. Zwei dieser mit
cAMP beladenen Proteinkopien binden oberhalb des lac-Promotors (Abb. I.4.6). Dadurch
erhöhen sie die Affinität der RNA-Polymerase
zum lac-Promotor, was seinerseits die Effizienz
der Transkription steigert.
Praktisch wirkt sich die Regulation des lacPromotors so aus:
Wachsen die Zellen in Gegenwart von Glu-
cose, ist der lac-Promotor inaktiv. Das in E.
coli konstitutiv synthetisierte lac-Repressor-
4.1
A
lac I
119
Terminator
Transgen
Promotor
Bakterien
DNA
keine Transkription
I
B
lac I
Operator
Transgen
DNA
Transkription
mRNA
OH
IPTG
OH
O
HO
CH3
β
1
S CH
OH
CH3
Isopropyl-β-D-thiogalactosid
Induktor
Abb. I.4.5: Regulation eines rekombinanten Operons. Die induzierte Transkription des lac-Operons (vgl. Abb. I.4.3) kann man nutzen, um
die Expression von Transgenen zu regulieren. Dazu werden die Gene des lac-Operons entfernt und durch die cDNA für das Transgen ersetzt.
Die Expression des Transgens wird durch den lac-Repressor (LacI) reprimiert. Induziert wird die Expression des Transgens durch Zugabe des
Induktors Isopropyl-β-D-thiogalactosid (IPTG).
Protein bindet in dieser Stoffwechsellage an
den lac-Operator und blockiert die Transkription.
Geben wir zu der Kultur den nicht metabolisierbaren Induktor IPTG, bindet dieses nicht
verstoffwechselbare Galactosid an den Repressor. Dadurch ändert sich die Konformation des Repressors derart, dass er seine Affinität zum Operator verliert, abdissoziiert
und den Promotor für die Bindung der
RNA-Polymerase frei gibt.
Wollen wir die volle Promotorstärke erreichen, darf keine Glucose mehr im Medium
vorhanden sein. Erst dann bindet der CRPcAMP-Komplex oberhalb des lac-Promotors
und gewährleistet eine maximale Affinität
der RNA-Polymerase an den lac-Promotor
(Abb. I.4.6).
CRP
cAMP
Operator
Promotor
lac Z
lac I
lac Y
lac A
Terminator
DNA
Transkription
mRNA
Repressor
Transaceβ-GalactoPermease tylase
sidase
Induktor
Abb. I.4.6: Katabolit-Aktivierung des lac-Operons. Entzieht man einer E.-coli-Zelle Glucose, so steigt die intrazelluläre cAMP-Konzentra-
tion an. Ein Teil dieses cAMPs bindet an ein Protein, das wir als CRP (cAMP-Rezeptorprotein) bezeichnen. Dieser CRP-cAMP-Komplex bindet
an eine Sequenz innerhalb des Kontrollbereiches des lac-Operons und erhöht dadurch die Effizienz der Transkription. Somit wird das lacOperon durch den CRP-cAMP-Komplex positiv und durch den lac-Repressor (LacI) negativ reguliert.
120
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
In der Praxis lassen wir die Kultur in Gegenwart einer limitierenden Konzentration von
Glucose wachsen. Die Glucose-Menge ist so
berechnet, dass sie kurz vor dem Eintreten der
Kultur in die stationäre Phase verbraucht ist.
Zu diesem Zeitpunkt mischen wir der Kultur
IPTG bei, worauf sehr bald die Expression des
Fremd-Gens maximal induziert wird.
Der regulierbare trp-Promotor steuert das
Tryptophan-Operon. Auch dieser Promotor
wird negativ durch ein entsprechendes Repressorprotein, dem trp-Repressor, kontrolliert. Der
Interaktionspartner des trp-Repressors ist die
Aminosäure Tryptophan. Anders als beim lacRepressor, der durch die Bindung des Induktors
seine Affinität zum lac-Operator verliert, bindet der trp-Repressor dann an den Operator,
wenn er mit Tryptophan assoziiert ist. Physiologisch wird dadurch sichergestellt, dass die
Enzyme für die Tryptophan-Biosynthese nur
dann synthetisiert werden, wenn in der Zelle
ein Tryptophan-Mangel herrscht. Liegt Tryptophan hingegen im Überschuss vor, wird das
trp-Operon durch den Tryptophan/trp-Repressor-Komplex abgeschaltet. Wollen wir nun den
trp-Promotor induzieren, müssen wir dafür
sorgen, dass sich kein Komplex zwischen dem
trp-Repressor und der Aminosäure Tryptophan
bilden kann. Dies können wir dadurch erreichen, dass wir dem Medium 3-Indolacrylsäure
oder 3-Indolpropionsäure zusetzen.
Einer der am häufigsten verwendeten starken Promotoren für E. coli ist der so genannte
tac-Promotor. Hierbei handelt es sich nicht um
einen natürlichen Promotor, sondern um einen
artifiziellen Hybrid-Promotor aus den Promotoren des lac-Operons (lac-Promotor) und des
Tryptophan-Operons (trp-Promotor). Zur Konstruktion des tac-Promotors wurde die –10-Region dem lac-Promotor und die –35-Region
dem trp-Promotor entliehen. Der tac-Promotor
ist wegen der besseren –35-Region stärker als
der lac-Promotor, wird aber ähnlich reguliert
wie der lac-Promotor.
Ein weiterer, starker, regulierbarer Promotor
ist der pL-Promotor des Bakteriophagen
Lambda. Dieser Promotor wird durch das cIRepressorprotein negativ kontrolliert. In der
Praxis wird häufig eine Temperatur-sensitive
Mutante des cI-Repressors verwendet, der
cI857-Repressor. Die Zellen, die diesen temperatursensitiven cI857-Repressor enthalten, werden
zunächst bei 28 °C bis 30 °C gezüchtet. Bei dieser „permissiven“ Temperatur liegt der cI857Repressor in seiner aktiven Form vor und blockiert den pL-Promotor. Haben die Zellen die
gewünschte Kulturdichte erreicht, wird die
Wachstumstemperatur auf die nicht-permissive
Temperatur von 42 °C erhöht. Bei dieser Temperatur kann der cI857-Repressor nicht mehr an
den pL-Promotor binden. Er wird inaktiviert
und gibt den Promotor für die Bindung der
RNA-Polymerase frei.
Wir sprachen von der Repression der drei
Promotoren lac, tac und pL. Lassen sie sich
wirklich vollständig abschalten? Weder der
lac-Promotor noch der tac-Promotor noch der
pL-Promotor lassen sich zu 100 % reprimieren.
So wird selbst unter reprimierten Bedingungen
eine geringe Menge an Fremd-Protein synthetisiert. Handelt es sich bei dem Fremd-Protein
um ein Molekül, das für die Bakterienzellen toxisch ist und sehr effizient das Wachstum der
E.-coli-Zelle verhindert, so ist es fast nicht
möglich, das gewünschte Plasmid herzustellen.
Wir sprechen in diesem Fall von „natürlicher
Gegenregulation“, eine gefürchtete Komplikation bei der Realisierung eines gentechnischen
Vorhabens.
In diesem Fall helfen wir uns dadurch, dass
wir die Fremd-DNA in einem Zweikomponentensystem klonieren: Die erste Komponente erlaubt die Klonierung des Plasmides in absoluter
Abwesenheit der Expression des rekombinanten Proteins, die zweite Komponente erlaubt
die Expression des Transgens unter definierten
Bedingungen. Der Bakteriophage T7 enthält
zwei Promotoren: einen „frühen“ und einem
„späten“ Promotor. Wenn der T7-Phage seine
DNA in die infizierte Zelle transferiert hat, erkennt die E.-coli-RNA-Polymerase den frühen
Promotor. Eines der Genprodukte, die dann
hergestellt werden, ist die T7-RNA-Polymerase.
Die T7-RNA-Polymerase bindet an den „späten“ T7-Promotor und transkribiert die später
im Infektionszyklus erforderlichen Gene.
Der „späte“ T7-Promotor wird in speziellen
bakteriellen Expressionsplasmiden verwendet.
4.1
colE1-ori
T7-Terminator
MCS
T7-Promotor
pET-16b
ampR
lacI
Abb. I.4.7: pET-Vektor. Die Abkürzung pET steht für „plasmid for
expression by T7 RNA polymerase“. In pET-Plasmiden wird der T7Promotor zur Expression eines Transgens benutzt. Die RNA-Polymerase normaler E.-coli-Zellen kann den T7-Promotor nicht erkennen,
so dass das Transgen zunächst nicht exprimiert werden kann. Dies
ermöglicht die Herstellung rekombinanter Vektoren bei absoluter
Abwesenheit des von der einklonierten cDNA codierten Proteins.
Die Expression des rekombinanten Proteins wird erst dann ermöglicht, wenn das fertig gestellte Plasmid in einen speziellen Expressionsstamm transformiert wird, der den Lambda-Phagen DE3 lysogen enthält. Im DE3-Genom ist das Gen für die T7-RNA-Polymerase
enthalten. Die Bildung der T7-RNA-Polymerase steht unter der
Kontrolle des mit IPTG induzierbaren lacUV5-Promotors. In einem
solchen Expressionsstamm wird zunächst die Bildung der T7-RNAPolymerase induziert, welche dann wiederum die Expression der
transgenen cDNA bewirkt.
Dieser Promotor ist in normalen, nicht mit T7
infizierten Zellen absolut inaktiv, da die T7RNA-Polymerase fehlt. Wir klonieren also die
zu exprimierende cDNA in ein solches Expressionsplasmid (z. B. pET-Vektoren; Abb. I.4.7)
und erst danach wird die Expression des Transgens induziert. Dies kann auf zwei Arten geschehen:
Bakterien
gebildete T7-RNA-Polymerase wiederum
bindet an den T7-Promotor oberhalb des
Transgens und sorgt so für dessen Expression. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die
T7-RNA-Polymerase ein sehr aktives Enzym
ist und große Mengen RNA produziert, so
dass wir viel rekombinantes Protein bekommen. Allerdings ist – wie schon erwähnt –
der lac-Promotor auch im reprimierten Zustand etwas aktiv, so dass das Transgen in
den BL21(DE3)-Zellen auch im nicht-induzierten Zustand in geringen Mengen vorhanden sein könnte. Ist das rekombinante
Protein extrem toxisch für die Zellen des
Produktionsstamms, wird das Wachstum der
Bakterien und damit die Akkumulation von
Biomasse möglicherweise auch in diesem
System beeinträchtigt.
Die Alternative ist deshalb, das rekombinante pET-Plasmid in einem Klonierstamm
zu belassen, der keine T7-RNA-Polymerase
besitzt. Die Bakterien werden zunächst vermehrt, bis ausreichend Biomasse gewonnen
wurde. Nun werden die Bakterien mit dem
λ-Phagen CE6 infiziert. Dieser Phage trägt
das Gen für die T7-RNA-Polymerase unter
der Kontrolle des pL-Promotors. Da bei dieser Methode das Wachstum der Bakterienzellen in Abwesenheit des rekombinanten
Proteins erfolgt, kann man mit dieser Methode auch solche Proteine exprimieren, die
zu toxisch für eine Produktion in DE3-lysogenen BL21-Zellen sind.
4.1.2
Optimierung der Translationseffizienz
Das rekombinante pET-Plasmid wird in ei-
nen speziellen Expressionsstamm transformiert (BL21). Dieser Expressionsstamm
wurde zuvor mit dem λ-Phagen DE3 infiziert, der die T7-RNA-Polymerase unter der
Kontrolle des oben erwähnten lac-Promotors enthält. Der DE3-Phage liegt im lysogenen Zustand (vgl. Kapitel I.2.4.3) in den
BL21-Zellen vor. Nachdem das pET-Plasmid
in den BL21(DE3)-Stamm transformiert
wurde, wird die Expression der T7-RNA-Polymerase mit IPTG induziert. Die daraufhin
Bakterielle Expressionssysteme benötigen im
Gegensatz zu eukaryontischen Expressionssystemen eine Kontrollregion, die die Translation
optimiert. Wir haben diese Kontrollregion bereits als Shine-Dalgarno-Sequenz kennengelernt (siehe Abschnitt I.3.1.2). Ohne eine solche
Kontrollregion wäre die Translation sehr ineffizient. Somit könnte auch keine Bemühung zur
Optimierung der Transkriptions-Effizienz greifen, da die effizient synthetisierte mRNA nur
sehr ineffizient in Protein übersetzt würde.
121
I
122
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
Um die Translation möglichst optimal starten zu lassen, sind einige Punkte zu beachten:
Mindestens vier Nukleotide der Shine-Dal-
garno-Konsensus-Sequenz 5'-AGGAGG-3'
sollten vorhanden sein.
Diese Shine-Dalgarno-Sequenz sollte möglichst exakt acht Nukleotide vor dem AUGStart-Codon liegen.
Ferner sollte die Sequenz zwischen der
Shine-Dalgarno-Region und dem AUG möglichst ausschließlich aus A- und U-Nukleotiden bestehen.
Schließlich sollten sich in diesem Bereich
keine Sekundärstrukturen ausbilden können, die ebenfalls die Translations-Effizienz
negativ beeinflussen würden.
Neben dem Methionin-Codon AUG können
auch die Codons GUG für Valin oder UUG für
Leucin als Initiations-Codons fungieren. Bei
der Optimierung eines Expressions-Plasmids
sollte daher zwischen dem Promotor und dem
eigentlichen
Translations-Initiations-Codon
kein weiteres AUG oder eines der alternativen
Start-Codons vorkommen.
Ferner ist es ratsam, unmittelbar vor der
Shine-Dalgarno-Sequenz eine Reihe von
Translations-Terminations-Signalen zu positionieren, wobei möglichst alle drei Leserahmen durch mindestens ein Stopp-Codon abgedeckt werden sollten.
4.1.3
Sekretionssysteme
E. coli bietet nur relativ wenig Möglichkeiten,
heterolog exprimierte Proteine in das Kulturmedium zu sezernieren. Dennoch ist es sehr
häufig wünschenswert, durch geeignete Signalsequenzen sicherzustellen, dass das Produkt
sezerniert wird. Warum?
Zum Beispiel lassen sich sezernierte Pro-
teine in der Regel besser aufarbeiten als solche, die in der Zelle verbleiben. Es würde
sich erübrigen, die Bakterien-Zellen aufzuschließen und das Produkt würde nicht unnötig mit zellulären Komponenten des Bak-
teriums kontaminiert werden (Abb. I.4.8).
Eine besonders relevante Kontamination ist
bakterielle DNA, die zuverlässig entfernt
werden muss, wenn das Produkt als Therapeutikum verwendet werden soll.
Wird ein Protein sezerniert, wird meist während des Sekretions-Prozesses ein Teil vom
N-Terminus, dem Beginn des Proteins, abgeschnitten. Nur so ist es möglich, Proteine
zu gewinnen, die an ihrem N-Terminus kein
Methionin tragen. Warum dies wichtig ist,
wollen wir uns an folgendem Beispiel verdeutlichen. Die erste verfügbare rekombinante Variante des humanen Wachstumshormons (hGH = human growth hormone),
das in den USA unter dem Namen Somatrem im Handel war, enthielt das so genannte Met-hGH (Methionyl-hGH). Dieses
Wachstumshormon beginnt mit einem Methionin, das allerdings in authentischem humanem Wachstumshormon nicht vorhanden ist. Durch Variation der ExpressionsKassette gelang es, eine Variante zu konstruieren, die von E.-coli-Zellen sezerniert
wird. Dabei verliert das rekombinante Protein einen Teil seines N-Terminus. So erhält
man ein rekombinantes hGH, das ebenso
wie das authentische humane Wachstumshormon mit der Aminosäure Phenylalanin
beginnt. Obwohl beide Varianten des humanen Wachstumsfaktors physiologisch aktiv
sind, wird doch angestrebt, ein möglichst
authentisches Produkt herzustellen. So lassen sich Risiken, wie die ungewollte Induktion von Antikörpern durch ein verfremdetes Protein, weitestgehend ausschließen. In
Deutschland sind heute Präparate mit MethGH als Wirkstoff nicht mehr im Handel.
Für die physiologische Wirkung nahezu aller Proteine ist eine korrekte Faltung, d. h.
die Ausbildung einer nativen Sekundärund Tertiärstruktur sehr wichtig. Eine solche
korrekte Proteinfaltung scheint sich oft im
periplasmatischen Raum – das ist der Spalt
zwischen der Zytoplasmamembran und der
bakteriellen Zellwand – besser ausbilden zu
können. Auch Disulfid-Brücken, die in vielen Proteinen die Tertiärstruktur stabilisieren, werden generell wesentlich besser im
4.1
Bakterien
123
Transgenes Bakterium
I
Expression
des Gens
rekombinantes Protein
im Periplasma
rekombinantes Protein
in Einschlusskörpern
Isolierung des rekombinanten Proteins
Zelllyse und Isolierung
der Einschlusskörper
mit dem denaturierten Protein
“Osmotische” Zerstörung der
äußeren Membran und
Isolierung des nativen Proteins
Abb. I.4.8: Intrazelluläre Produkt-Akkumulation vs. Proteinsekretion. Prinzipiell sind zwei Möglichkeiten bei der heterologen Expression
von Transgenen in Bakterien denkbar: Entweder akkumuliert das Genprodukt intrazellulär (linke Bildhälfte) oder es wird in das Periplasma
sezerniert (rechte Bildhälfte). Bei der Bildung von Proteinen im Zytoplasma der Bakterienzelle bilden sich häufig Einschlusskörper (inclusion
bodies). Im Periplasma liegen die rekombinanten Proteine meist im nativen Zustand vor.
Bei intrazellulärer Ablagerung des rekombinanten Proteins muss die gesamte Bakterienzelle lysiert werden, wenn das Protein gereinigt werden soll. Demgegenüber kann man den Großteil zellulärer Proteine abtrennen, wenn man das rekombinante Protein aus dem Periplasma isoliert. Dazu wird die äußere Membran der Bakterien durch Inkubation in 20-%iger Saccharose und EDTA destabilisiert und dann durch Transfer in einem Mg2+-haltigen Puffer durch osmotischen Schock abgelöst und so das Periplasma freigesetzt.
Periplasma ausgebildet als im Inneren der
bakteriellen Zelle. Im Periplasma herrscht
nämlich ein Milieu vor, das die Reduktion
zweier Cysteine zu einer Disulfidbrücke
deutlich erleichtert.
Das wohl am häufigsten verwendete Sekretions-System für E. coli basiert auf der Signalsequenz der Alkalischen Phosphatase, die durch
das phoA-Gen codiert wird. Dieses Gen beginnt
mit einer Sequenz, die für einen relativ hydrophoben Proteinteil codiert. Dieser Bereich wird
noch während der Synthese des Restproteins
von Zellkomponenten erkannt, die dafür sorgen, dass das Protein durch die Membran ins
Periplasma transportiert wird. Fusionieren wir
die DNA-Sequenz für dieses N-terminale Sig-
nalpeptid des phoA-Gens mit dem Beginn unseres heterolog zu exprimierenden Gens, so dirigiert diese Sequenz unser Protein zur Zellmembran und schiebt es durch die Membran.
Noch während dieses Translokationsprozesses
ins Periplasma wird das Signalpeptid durch
membranständige Proteasen entfernt. Nun verstehen wir auch, wie es möglich ist, Proteine zu
erhalten, die – wie im Falle des hGH – nicht
mit einem Methionin beginnen. Wir integrieren
die Sequenz für das Signalpeptid so vor das
Gen, dessen Produkt die E.-coli-Zelle sezernieren soll, dass nach Hydrolyse durch die membranständige Protease das rekombinante Protein mit der korrekten Aminosäure beginnt.
Eine andere Möglichkeit, heterolog exprimierte Proteine aus der E.-coli-Zelle auszu-
124
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
schleusen, bietet eine Signalsequenz des Hämolysins. Hämolysin akkumuliert nicht im
Periplasma, sondern wird durch die Zytoplasmamembran, durch die Zellwand und durch
die äußere Membran der gramnegativen Bakterien ins Medium sezerniert. Die Signalsequenz
befindet sich in diesem Fall nicht am N-Terminus des Proteins, sondern an seinem C-Terminus. Dieses System lässt sich nutzen, indem die
codierende DNA für das Signalpeptid an das
Ende des Gens für das heterolog zu exprimierende Protein gehängt wird. Damit erreichen
wir, dass auch unser Protein – ähnlich wie Hämolysin – direkt ins Kulturmedium abgegeben
wird.
4.1.4
Fusionssysteme zur effizienten
Produktreinigung
Nicht alle heterolog gewonnenen Proteine können, wie beschrieben, von den Zellen sezerniert
werden. In solchen Fällen brauchen wir Möglichkeiten, um die synthetisierten und in der
Zelle akkumulierten Proteine effizient von
Zellproteinen trennen zu können. Eine Möglichkeit ist, sie als Fusionsproteine zu exprimieren, wobei der Fusionsanteil die rekombinanten Proteine mit Eigenschaften versieht, die
die Aufreinigung der Proteine erleichtern. Nach
der Aufreinigung werden die Fusionsteile – im
englischen Sprachgebrauch auch Tags genannt
– z. B. durch spezifische Proteasen wieder entfernt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, das
zu exprimierende Gen mit dem β-Galactosidase-Gen aus E. coli zu fusionieren. Für die
bakterielle β-Galactosidase steht eine Vielzahl
spezifischer Antikörper zur Verfügung, die sich
an eine Matrix, beispielsweise aus Sepharose,
kovalent binden lassen. Diese modifizierte Matrix kann nun in eine Chromatographiesäule
gefüllt werden, wodurch ein Affinitätsmedium
entsteht, das den β-Galactosidase-Anteil des
Fusionsproteins effektiv bindet. Alternativ zur
β-Galactosidase kann auch das Gen für die
Chloramphenicol-Acetyltransferase als Fusionsanteil verwendet werden, der ebenfalls über
ein Affinitätsmedium mit Antikörper aufgerei-
nigt werden kann. Demgegenüber lassen sich
Fusionen mit dem Enzym Glutathion-S-Transferase über Säulen reinigen, an die Glutathion
kovalent gebunden wurde.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer
Protein-Tags, die speziell für eine effiziente
Reinigung der rekombinanten Fusionsproteine
entwickelt wurden. Ein solcher Ansatz beruht
darauf, das rekombinante Protein über Metallchelat-Komplexe zu reinigen. Dazu wird das zu
exprimierende Protein um einen Fusionsteil
verlängert, der an Metallionen auf der Säulenmatrix bindet und mit dessen Hilfe eine Aufreinigung möglich ist. Dieser Ansatz wird derzeit
durch die „His-Tags“ häufig angewendet. Ein
His-Tag ist ein aus 6–8 Aminosäuren bestehendes Peptid, das ausschließlich aus Histidin-Resten besteht. Ein solcher His6-Tag kann N- oder
C-terminal an das rekombinante Protein fusioniert werden (Abb. I.4.9). Die Histidine binden
über die Ausbildung eines Metallchelat-Komplexes an kommerziell verfügbare Säulen, die
mit Zn2+- oder Ni2+-Ionen beladen sind (Abb.
I.4.9). Von diesen Chelatsäulen lassen sich die
Fusionsproteine durch einen Imidazolgradienten eluieren. Abbildung I.4.9 zeigt beispielhaft
einen häufig gebrauchten Expressionsvektor
aus der pGEX-Reihe, der es erlaubt, ein Fusionsprotein gleich mit zwei Tags zu versehen:
einem Peptid aus sechs Histidinen und der Glutathion-S-Transferase. Damit kann das rekombinante Protein über eine mit Ni2+ beladene
Metallchelat-Affinitätschromatographie und/
oder über die Affinitätschromatographie an
Glutathion gereinigt werden.
Der Fusionsanteil ist zwar für die Reinigung
des gewonnenen Proteins nützlich, aber er
muss sich nach der Reinigung wieder möglichst einfach entfernen lassen, um einerseits
die Funktionalität und andererseits die Authentizität des Proteins zu gewährleisten. Dazu
muss an der Fusionsstelle eine Sequenz eingebaut werden, die eine möglichst spezifische
Abspaltung erlaubt.
Zum Abspalten des Fusionsanteils können
entweder chemische oder enzymatische Methoden angewendet werden.
4.1
A
Bakterien
125
B
tac-Promotor
his6
ATG¬CAT¬CAC¬CAT¬CAC¬CAT¬CAC¬...¬... ... ... ... ... ...
Met¬His¬His¬His¬His¬His¬His¬Rek¬omb¬ina¬nte¬s_P rot¬ein
lacI
I
GST
C
R
pGEM-5T
HN
O
O
CH2
N
–
O
N
MCS
ampR
O
CH2
HN
colE1-ori
N
N
N
H
N
Ni2+
–
O
OH
O
O
O
O
R
Abb. I.4.9: Affinitätsreinigung von Fusionsproteinen über „Tags“.
A. Der Vektor pGEX-5T enthält einen tac-Promotor, der die Expression eines Transgens kontrolliert. Außerdem befinden sich auf dem Plasmid ein Gen für den lac-Repressor (LacI) und ein Ampicillin-Resistenzgen.
B. Der Vektor enthält hinter dem Translationsstart-Codon ATG sechs Basen-Tripletts, die jeweils für Histidin codieren. Hinter diesen His6-Tag
kann man im fortlaufenden Leserahmen ein Gen für ein rekombinantes Protein klonieren. Das Produkt wäre dann ein His6-markiertes rekombinantes Protein. Im Fall des Vektors pGEX-5T folgt auf den His6-Tag zunächst die codierende Region für eine Glutathion-S-Transferase
(GST) und dann eine Multiple cloning site (MCS), in die ein Transgen einkloniert werden kann. Das Produkt des Vektors ist also ein His6-GSTmarkiertes Protein, das sowohl an Ni2+/NTA- (Nitriloessigsäure) als auch an Glutathion-Säulen gereinigt werden kann.
C. His6-markierte Proteine lassen sich an Metallchelat-Säulen wie Ni2+/NTA aufreinigen. Histidinreste können über ihre Imidazolringe zwei
Koordinierungsstellen des Ni2+ einnehmen.
Chemische Methoden sind u. a.
Cyanbromid oder Cyanchlorid, wobei die
Spaltung in saurem Milieu ausschließlich
nach einem Methionin erfolgt.
Ameisensäure spaltet zwischen einem Asparagin und einem Prolin.
Hydroxylamin hingegen hydrolysiert bei
pH 9 die Peptidbindungen zwischen einem
Asparagin- und einem Glycin-Rest.
2-Nitro-5-thiocyanobenzoesäure spaltet
Proteine vor Cysteinen.
Enzymatische Methoden beinhalten den Einsatz von
Exopeptidasen, wie Carboxypeptidase A, die
alle C-terminalen Aminosäuren mit Ausnahme der Aminosäuren Arginin oder Lysin
entfernt, oder Carboxypeptidase B, die Cterminale Arginin- oder Lysin-Reste entfernt.
Als sequenzspezifische Endopeptidasen lassen sich z. B. Faktor Xa oder Thrombin verwenden.
4.1.5
Plasmidstabilisierung
Die Plasmide, die wir für die Proteingewinnung
in die Zellen einschleusen, sind für die transformierten Zellen immer eine Bürde. Das trifft
vor allem dann zu, wenn diese Plasmide für
Produkte codieren, die die Zellphysiologie beeinträchtigen. Somit beobachten wir häufig die
Tendenz, dass Plasmide von der Wirtszelle „abgestoßen“ werden. Dieses Gleichgewicht zwischen Zellen mit und ohne Plasmid muss möglichst zugunsten von Zellen eingestellt werden,
die das Plasmid enthalten. Dies gilt um so
mehr, wenn ein Produktionsstamm über längere Zeit ausreichende Mengen eines rekombinanten Produktes liefern soll.
Warum Plasmide verloren gehen, bzw. warum Produktionsstämme instabil werden, kann
verschiedene Ursachen haben. Die Verteilung
von Plasmiden bei der Zellteilung ist häufig ein
Zufallsprozess. Wenn sich eine Zelle teilt, die Plasmidmoleküle enthält, kann jede Tochterzelle theoretisch 0 bis Plasmidmoleküle er-
126
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
halten („segregationale Instabilität“). Für Plasmide, die zufällig auf die Tochterzellen verteilt
werden, ist die Wahrscheinlichkeit P(0), dass
plasmidfreie Zellen entstehen, durch die Binominalverteilung P(0) = 2(n–x) gegeben. Dabei ist
die Anzahl der Plasmide pro Zelle. Zudem
verbrauchen Plasmid-tragende Zellen deutlich
mehr Energie als Plasmid-freie Zellen, da die
zusätzliche genetische Information repliziert,
transkribiert und translatiert werden muss. Ein
weiterer Aspekt ist, dass man umso häufiger
Segreganden erhält, je höher die Genexpressionsrate eines Plasmids ist. Zusätzlich werden
rekombinante Plasmide dann besonders instabil, wenn das Produkt des klonierten Gens inhibierend auf das Wachstum der Wirtszelle
wirkt. Nicht immer muss das komplette Plasmid verlorengehen, um Veränderungen der
Produktionszelle hervorzurufen. Auch Punktmutationen oder Rekombinationen auf dem
Plasmid können die Ursache für Produktionseinbußen sein. Man bezeichnet dies als „strukturelle Instabilität“. Zudem können mobile genetische Elemente, wie Transposons oder Insertionssequenzen, die Deletion von DNA-Bereichen aus rekombinanten Plasmiden fördern
und sollten daher auf Plasmiden möglichst
nicht vorhanden sein.
Generell können wir festhalten, dass Plasmid-freie Zellen oft schneller wachsen als Plasmid-tragende Zellen, so dass in einer Mischpopulation – auch bereits während eines einzelnen Fermentationsprozesses – plasmidfreie
Zellen sehr schnell akkumulieren und die Plasmid-haltigen Zellen überwachsen können.
4.1.6
Möglichkeiten, rekombinante
Stämme zu stabilisieren
Obwohl der Verlust eines Plasmids nicht ausgeschlossen werden kann, sind doch Maßnahmen
denkbar, die das Risiko eines Plasmidverlustes
minimieren. Im Folgenden wollen wir auf einige Möglichkeiten dazu kurz eingehen.
Plasmide können dadurch stabilisiert werden, dass auf dem Plasmid Funktionen implementiert werden, die für das Zellwachstum in
einer bestimmten Umgebung erforderlich sind.
Resistenz-Marker sorgen dafür, dass nur Zellen
mit einem entsprechenden Plasmid in Gegenwart eines korrespondierenden Antibiotikums
überleben können. Beispielweise können Zellen
in Gegenwart von Ampicillin nur wachsen,
wenn sie ein entsprechendes Resistenzgen tragen. Dieses Resistenzgen positionieren wir auf
dem Expressions-Plasmid, so dass nur Zellen in
einem ampicillinhaltigen Medium wachsen
können, die auch ein Plasmid tragen (Abb.
I.4.10). Geht das Plasmid verloren, sterben die
Zellen. Ein Überwachsen des Produktionsstammes durch plasmidlose Zellen ist somit nicht
möglich.
Ebenso können wir auch Auxotrophie-Marker auf Plasmiden verwenden, um ein WirtVektor-System zu stabilisieren. AuxotrophieMarker sind Gene, die eine Mutation im Wirtsgenom korrigieren. Ohne diese Korrektur würden die Zellen einen bestimmten Nährstoffzusatz, beispielsweise eine Aminosäure oder ein
Vitamin, benötigen, um wachsen zu können.
Auch durch diese Strategie selektionieren wir
gezielt auf Zellen mit einem Plasmid. Ein Überwachsen der Kultur durch plasmidfreie Zellen
ist auch hier unwahrscheinlich.
Rekombinante Stämme sind auch dann wesentlich stabiler, wenn die zu exprimierende
genetische Information auf dem Plasmid über
weite Phasen des Wachstums in einem reprimierten Zustand gehalten wird. Daher werden
in Produktionsstämmen möglichst nur solche
Plasmide eingesetzt, die eine kontrollierte Expression der fremden genetischen Information
erlauben.
Eine weitere Möglichkeit, Plasmide zu stabilisieren, besteht darin, dass sie ein DNA-Fragment oder ein Gen enthalten, das die Wachstumsrate der Wirtszellen positiv beeinflusst.
Wie bereits erwähnt, sollten Elemente aus
Transposons oder Insertionselementen unter
allen Umständen gemieden werden. Derartige
Elemente neigen naturgemäß stark zur Rekombination und gehen leicht verloren. Auch ist es
ratsam, unnötige DNA von Plasmiden zu eliminieren. Je kleiner die Plasmide sind, um so stabiler sind sie. Auch sollte keine redundante
DNA auf dem Plasmid vorhanden sein, denn
dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit von Re-
4.1
Bakterien
127
I
+ Selektion
– Selektion
Bakteriendichte
Bakteriendichte
Zeit
Zeit
Abb. I.4.10: Stabilisierung von plasmidhaltigen Zellen durch Resistenz- oder Auxotrophiemarker auf dem Plasmid. Unter Selektions-
bedingungen können nur Zellen wachsen, die ein Plasmid mit einem entsprechenden Selektionsmarker tragen. Zellen, die das Plasmid verloren haben, werden unter diesen Selektionsbedingungen sterben.
kombinationen und folglich von Verlust von
DNA-Segmenten. Sequenz-Redundanz sollte
dabei nicht nur innerhalb eines Plasmids vermieden werden, sondern auch zwischen Plasmid und chromosomaler DNA. So können auch
Plasmidbereiche mit chromosomaler DNA über
homologe Bereiche rekombinieren und DNA
verlieren. Um die Möglichkeit einer ungewollten Rekombination weiter zu minimieren, sollten möglichst Wirtsstämme verwendet werden,
deren enzymatisches Rekombinationssystem
durch Mutationen inaktiviert oder zumindest
geschwächt ist.
Zur Plasmid-Stabilisierung kann auch eine
so genannte par-Region in das Plasmid eingebracht werden (Abb. I.4.11). Diese codiert für
einen Mechanismus, durch den replizierte Plasmide auf Tochterzellen nicht zufällig, sondern
aktiv verteilt werden (partition). Ähnlich fördert eine cer-Region das Auflösen (colE1-resolution) von Plasmid-Ketten (Concatemeren) in
Plasmid-Monomere und trägt damit zur Plasmid-Stabilität bei. Daher zeigen Plasmide, die
die par-Region und die cer-Region enthalten,
eine beträchtlich höhere Stabilität.
Weiterhin sollten Stämme selektioniert werden, die eine in Bezug auf Plasmid-Stabilität
optimierte Plasmidkopienzahl enthalten. Diese
lässt sich nur bedingt vorhersagen und muss
daher von Fall zu Fall ausgetestet werden.
par-Region
Zellteilung
Segregand
gleichmäßige Verteilung
der Plasmide
Abb. I.4.11: Plasmidstabilisierung durch par-Region. Die par-Region sorgt für eine aktive Verteilung von Plasmiden auf die beiden
Tochterzellen. Dadurch wird das Risiko minimiert, dass eine der
Tochterzellen kein Plasmid bekommt.
128
4 Expressionssysteme zur Proteinherstellung
Zusammenfassung
Die Umsetzung einer fremden genetischen Information in
einem Organismus nennen wir heterologe Expression. Eine
Informationseinheit für die heterologe Expression eines
Proteins besteht aus der genetischen Information für das
Protein selbst und den Kontrolleinheiten (Promotor und
Transkriptions-Terminator) aus dem jeweiligen Wirtsorganismus, der das Protein herstellen soll. Das „ideale“ WirtVektor-System gibt es nicht, vielmehr muss für jedes heterolog zu exprimierende Protein der richtige Wirtsorganismus experimentell gefunden werden. Die Vor- und Nachteile eines Expressionssystems lassen sich am Beispiel des
meistverwendeten Wirtssystems für die Herstellung rekombinanter Proteinwirkstoffe, dem Bakterium Escherichia coli,
besonders gut zeigen. E. coli hat als Expressionssystem viele
Vorteile, aber auch gravierende Nachteile (Tab. I.4.1).
Der größte Nutzen von Bakterien ist ihr schnelles Wachstum in einem relativ einfachen und kostengünstigen Fermentationsprozess. E.-coli-Zellen produzieren große Mengen des rekombinanten Wirkstoffs. Man kann die Expression des rekombinanten Proteins steuern, indem man die
natürliche Genregulation bakterieller Operons nachahmt. Es
gibt große Erfahrungen darin, die Expressionsplasmide in
den Bakterienzellen zu stabilisieren, die Translationseffizienz fremder Gene in Bakterien zu optimieren und Proteine
mit genetischen Fusionen auszustatten, die eine effiziente
Reinigung durch Affinitätschromatographie erlauben. Die
größten Nachteile von Bakterien sind aber nach wie vor die
mangelnde Sekretion der produzierten Proteine und die intrazelluläre Ablagerung der Proteine in denaturierter Form
in so genannten Einschlusskörpern. Grundsätzlich müssen
wir beachten, dass Bakterien posttranslationale Modifikationen wie N-Glycosylierungen nicht kennen, so dass heterolog exprimierte Proteine, die von korrekten N-Glycanen
für ihre Funktionalität abhängen, in Bakterien nicht hergestellt werden können.
4.2
Pilze
4.2.1
Hefen
Hefen sind einzellig wachsende Pilze. Die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae wird bereits
seit langem für biochemische und genetische
Studien genutzt. Eine Fülle fundamentaler biologischer Erkenntnisse wurden in S. cerevisiae
erarbeitet und bildeten dann die Basis für das
Studium analoger Prozesse in höheren Organismen. Die Hefe ist somit – ähnlich wie E. coli
– ein echter Modellorganismus, wobei allerdings E. coli ein Prokaryont, die Hefe hingegen
ein Eukaryont ist. Welches Gewicht S. cerevi-
Tab. I.4.1: Vorteile und Nachteile von E. coli als Expressionssystem
Vorteile
nicht pathogen
Genom komplett bekannt
umfangreiche Erfahrung der Genetik
nimmt leicht DNA auf
schnelles Wachstum
einfache Handhabung
kostengünstige Medien
zum Teil extrem hohe Proteinausbeuten
Nachteile
keine Prozessierung von RNA
keine posttranslationalen Modifikationen
Proteine oft nicht in der korrekten Tertiärstruktur
Proteine oft denaturiert („Inclusion bodies“)
Freisetzung von Endotoxinen (Pyrogene)
siae als biologischer Modellorganismus hat, erkennt man auch daran, dass man sich bereits
früh in der Entwicklung der ersten Genomprojekte dazu entschlossen hatte, das gesamte Genom von S. cerevisiae zu sequenzieren. Somit
war die Bäckerhefe der erste eukaryontische
Organismus, dessen Genom komplett entschlüsselt wurde, was übrigens etwa zur gleichen Zeit geschah wie die Veröffentlichung des
Genoms von E. coli im Jahr 1997.
Eine der Stärken des biologischen Systems
S. cerevisiae war und ist die ausgefeilte Genetik. Einen ganz kleinen Teil dieser Genetik werden wir im Rahmen dieses Kapitels kennenlernen. Die Hefe wächst vegetativ als haploider
Organismus. Sie trägt also nur einen einfachen
Chromosomensatz. Wie wir noch sehen werden, lassen sich Gene in der Hefe gezielt ansteuern und inaktivieren, wodurch definierte
Mutanten erzeugt werden können, an denen
sich dann die Funktionen der entsprechenden
Proteine studieren lassen. In haploiden Zellen
können wir sehr leicht rezessive Mutationen
studieren. Diese Mutationen sind in diploiden
Zellen oft nicht erkennbar, da sie durch die
Funktion des intakten Allels überdeckt werden.
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