Willkommen im PZM zum 15. Erfahrungsaustausch KogB 15.06.2017! Selbstbestimmung! Selbstverständlich? Kurzreferate: Mario Renz Einführung zum Thema Eileen Siemes, Tamara Ciancia Erfahrungen im KRIAS & Ambulatorium Zoran Soldatovic Aus ärztlicher Sicht Tamara Ciancia Warum so schwierig? Regula Lochschmidt, Siriana Klinke Hilfe zur Umsetzung Pause Diskussion Offener Meinungsaustausch Selbstbestimmung! Selbstverständlich? Erfahrungen im KRIAS & Ambulatorium Referentinnen: Eileen Siemes Stv. Stationsleiterin Tamara Ciancia-Inniger Lic. Phil. Fachpsychologin für Psychotherapie FSP Selbstbestimmung im stationären Alltag - Möglichkeiten und Grenzen - Fallvorstellung Patient X (28J.) Patient Y (47 J) • Fremdaggressiver Erregungszustand bei chronischem hirnorganischem Syndrom durch Schädel – Hirn – Trauma mit massiver Impulskontrollstörung • Intelligenzminderung • Ausgeprägte dementielle Entwicklung bei leichter Intelligenzminderung mit massiver Verhaltensstörung • Bipolar affektive Störung • Rezidivierender Alkoholmissbrauch (90iger Jahre bis 2005) Aufstehen – Der Beginn des Tages Körperpflege Ausgang Rauchen Arbeit / Atelier – Ein fester Bestandteil Gruppenfähigkeit Essensbestellung Beispiele aus dem ambulanten Setting - Übergewicht - Handy - Heirat und Kinderwunsch Spezifische Fragen aus ärztlich-psychiatrischer Sicht Referent: Dr. med. Soldatovic Zoran Oberarzt KRIAS Historisches • Die Wurzeln des Begriffs der Autonomie sind bereits vor zweieinhalb Jahrtausenden zu finden. Bereits in der römischen und griechischen Antike gibt es Verwendungsweisen des Begriffs, die auf eine innere Haltung oder eine Form persönlicher Selbstbestimmung abzielen • Der Autonomiegebegriff Kants wurzelt in den Ausarbeitungen Rousseaus, denen zufolge die Verbindung von Selbstbewusstsein, Aktivität, Freiheit und Lebenswelt im Autonomiegedanken mündet • Später findet man vielerlei Erläuterungen zur Autonomie – sie wird zum Beispiel bezeichnet als Eigengesetzlichkeit, Selbstgesetzgebung und Selbstbestimmung 01.01.2013 – Inkrafttreten des neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrechts • Ethische Prinzipien des Respekts vor der Selbstbestimmung des Patienten Beurteilung der Urteilsfähigkeit • Ärztliche Fürsorge Art. 16 ZGB - Urteilsfähigkeit • Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln Prinzipien der Urteilsfähigkeit • Relativität der Urteilsfähigkeit Situative Relativität der UF Zeitliche Relativität der UF Risikorelativität der UF • Vermutung der Urteilsfähigkeit Kriterien der SAMW für die UF • Die Fähigkeit, Informationen in Bezug auf die zu fällende Entscheidung zu verstehen • Die Fähigkeit, die Situation und die Konsequenzen, die sich aus alternativen Möglichkeiten ergeben, richtig abzuwägen • Die Fähigkeit, die erhaltenen Informationen im Kontext eines kohärenten Wertesystems rational zu gewichten • Die Fähigkeit, die eigene Wahl zu äussern Einflüsse aus dem Umfeld Selbstbestimmungsunterstützung oder Fremdbestimmung?! • Familie / Eltern • Institution • Gesetzliche Vertretung Fragen aus dem Klinikalltag • Medikation • Bewegungseinschränkende Massnahmen • Patientenverfügung Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit Warum so schwierig? Referentin: Tamara Ciancia-Inniger Lic. Phil. Fachpsychologin für Psychotherapie FSP Warum so schwierig? Strukturelle und institutionelle Faktoren (z.B. personelle und finanzielle Ressourcen, Regeln, Infrastruktur, Therapieangebote) Individuum (z.B. Kognition, Sprache, Emotionen) Umfeld (z.B. Fachpersonen, Familie; Haltung, Ängste) Vorgaben Kanton und Sparmassnahmen Ethik - Autonomie - Gutes tun - Nicht schaden - Gerechtigkeit Recht z.B. ZGB, SAMW, Abläufe Institution Kultur z.B. soziale implizite Regeln, «Standards», Selbst/Fremdbestimmung Take-Home-Message Das Wissen um Schwierigkeiten ist hilfreich, um Überforderung zu vermeiden und individuelle Ziele mit den Klienten zu erarbeiten, wodurch Entwicklung möglich wird. Hilfe zur Umsetzung! Referentinnen: Siriana Klinke Assistenzärztin Regula Lochschmidt Dipl. Heilpädagogin Thema Selbstbestimmung! Selbstverständlich? Orientierungsgrundlagen • Behindertenrechtskonvention • Lebensqualität • Entwicklung von Selbständigkeit und Selbstbestimmung • Individuelle Lebenspläne Voraussetzungen für Selbstbestimmung • Selbstbestimmung braucht Freiraum • Freiräume werden durch Rahmen begrenzt • Der Rahmen soll Sicherheit geben und möglichst wenig einengen • Rahmen wie auch Spielraum sind an kognitive Fähigkeiten gebunden Beispiel «K» 30-jähriger Patient, hospitalisiert, erscheint täglich 15-20 Min. zu spät in der Werktherapie. • Versuche ihn früher zu wecken, Motivation für Pünktlichkeit, Konsequenzen erklären, usw. hat nichts gebracht. • Völlig «unmotiviert wirkend» trinkt er vor Arbeitsbeginn Kaffee am Automaten und verliert Zeit. Beispiel K: Lösung • Was ist der Person in ihrer Lebenswelt wichtig? • Unumgänglich war der Automatenkaffee. • Zeitplan: Wecker 7:00 Uhr, Frühstück 07:30 Uhr, Verlassen der Station um 07.45, Arbeitsbeginn 08:00 Uhr • Lösung: Nach Ankunft des Esswagens sofort mit zwei Butterbroten unter dem Arm zum Automatenkaffe! Wie wird mehr Selbstbestimmung erreicht? • Ansatz des «Empowerments» • Alle Menschen verfügen über individuelle Ressourcen, diese gilt es zu finden und zu entwickeln. • Je mehr Ressourcen vorhanden sind, desto mehr Selbstbestimmung ist möglich Mitteilen können, was man möchte? • Selbstbestimmung braucht immer Dialog mit anderen • Möglichkeit zur Kommunikation durch Methoden der «Unterstützten Kommunikation», «Leichte Sprache», Visualisierung etc. unabdingbar • Veranschaulichung der Wahlmöglichkeiten und deren Auswirkungen • Mit allen Sinnen zuhören, zutrauen, ermutigen sich zu äussern, Neugier, Selbstverantwortung lernen • Bevormundung vermeiden • Evt. erklären warum nicht selbstbestimmbar Hilfsmittel Unterstützte Kommunikation Reflexion der täglichen Denk- und Handlungsweisen? • Eigene vorurteilsbewusste Veränderungen • Anti-Bias-Ansatz (bias (engl.) = Vorurteil oder Einseitigkeit) Menschen können sich ändern, anderes wünschen • Handlungsroutinen überprüfen aus der Perspektive der Klientel • Selbstwirksamkeit • Entscheidungsräume oft noch ausbaubar, so dass es für alle stimmt. Zukunftsplanung und Unterstützung der Selbstbestimmung? • Unterstützung, nicht Meinung einreden • Die geistig beeinträchtige Person ist der Experte • Der professionelle Helfer unterstützt dort, wo Hilfe gewünscht oder zwingend erforderlich scheint • Rollenverteilung klar machen Erfahrungen ermöglichen • Raum zum Experimentieren lassen • Fehlentscheidungen zulassen, wenn sie als Erfahrung hilfreich sein können (= aus Fehlern lernen) • Konsequenzen erklären, erkennen • Verständnis für «fehlerhaftes Verhalten» zeigen Take home message • Im Dialog Bedürfnisse erkunden, Hilfsmittel benutzen • Vorurteile vermeiden • Schrittweise Hinführen zu Selbstbestimmung und Selbstverantwortung • Ressourcenorientiert arbeiten, der Bewohner/Patient ist der Experte Thema Selbstbestimmung! Selbstverständlich?