SDchAZtg V9 - Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen

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Organ des BDS
Bund Deutscher Schiedsmänner und
Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 ♦ 44704 Bochum
www.schiedsamt.de ♦ [email protected]
86. Jahrgang 2012, Heft 11
Seite 241-251
Die Hausordnung im Mietrecht
von Rechtsanwältin Kerstin Seidl, Herne
I. Begriff
Häufig bedienen sich die Vermieter hier vorgeWo mehrere Menschen auf engstem Raum zu- fertigter Hausordnungstexte, die als Anlage zum
sammenleben bedarf es Verhaltensregelungen zur Mietvertrag übergeben werden.
Steuerung des menschlichen Verhaltens. Instrumentarium ist hier regelmäßig die Hausordnung. Gesetzlich werden vorgefertigte Hausordnungstexte als einseitige Mietvertragsbedingungen anDie Hausordnung wird rechtlich auf der Grund- gesehen. Da diese Hausordnungen einseitig vom
lage ihres Zweckes definiert. Daher versteht man Vermieter verwendet werden, sind für deren Wirkunter dem Begriff der Hausordnung die Summe samkeit zum Schutz der Mieter die Regelungen
aller Regelungen, die zum reibungslosen Zusam- der §§ 305 ff. BGB zu beachten.
menleben erforderlich sind, den Hausfrieden wahren und die Anlage und die Einrichtungen schüt- 2. Hausordnung als Vereinbarung
zen sollen.
Neben der Möglichkeit der einseitigen Einführung
Gesetzlich ist die Hausordnung in den mietrecht- der Hausordnung durch den Vermieter besteht
lichen Regelungen der §§ 535 ff BGB nicht ver- die Möglichkeit der Einführung durch individuelle
ankert. Lediglich andeutungsweise wird in § 569 Vereinbarung der Mietvertragsparteien. Derartige
BGB die rechtliche Folge der Kündigungsmög- Absprachen über die Hausordnung erfolgen sellichkeit bei einer Störung des Hausfriedens an- ten. Denn dies ist bei größeren Mietobjekten nicht
gesprochen. Daher ist es immer wieder Aufgabe praktikabel. Denn der Inhalt der Hausordnung
der Gerichte, sich mit Bestimmungen oder deren muss bei allen Mietern gleich gestaltet sein. Nur
dann kann das Verhalten der Mieter einheitlich
Auslegung zu befassen.
In Anbetracht dieser Rechtslage ist alleine der gesteuert und der Hausfrieden gewahrt werden.
Mietvertrag selber rechtliche Grundlage für den In Einzelfällen kann die Hausordnung einmal zwischen den Mietparteien verhandelt werden. Dies
Erlass einer Hausordnung.
zum Beispiel bei Einzelvermietungen (Einliegerwohnungen) oder bei Gewerberaum.
II. Arten
Auf der Grundlage des Mietvertrages bestehen III. Wirksamkeit
zwei Möglichkeiten, eine Hausordnung einzufühDamit aus der Hausordnung Rechte und Pflichten
ren.
hergeleitet werden können, ist es erforderlich,
1. Hausordnung als allgemeine Mietbedingung
dass die Hausordnung wirksam zum Gegenstand
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind
vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur
Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung des Carl Heymanns Verlages.
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des Vertragsverhältnisses geworden ist. Die Wirksamkeit hängt von der Form der Hausordnung
ab.
1. Hausordnung als allgemeine Mietbedingung
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die einseitig auferlegte Hausordnung des Vermieters nur, wenn ihm das Regelwerk ausgehändigt
wurde. Im Übrigen ist anzuführen, dass dem Mieter vor Vertragsabschluss die konkrete Kenntnisnahmemöglichkeit eingeräumt werden muss. Dies
ist alleine durch den entsprechenden Verweis
nicht umsetzbar.
Die Hausordnung als allgemeine Mietbedingung
hat zum Schutz des Mieters besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen. Rechtliche Grundlage sind b) Im Einzelfall kann es Schwierigkeiten bereiten,
hier die §§ 305 ff. BGB, wonach diese Mietbe- festzustellen, ob die Hausordnung einseitig vom
dingungen wirksam in das Vertragsverhältnis ein- Vermieter durch einen vorgefertigten Vertragstext
bezogen sein müssen.
auferlegt wurde oder ob der Inhalt der Hausordnung ausgehandelt wurde. Denn auch ausgehana) Grundlage für die wirksame Einbeziehung ist delte Mietbedingungen können optisch wie ein
§ 305 Abs. 2 BGB. Dies ist dann gegeben, wenn vorgefertigter Text aussehen.
der Vermieter vor Vertragsabschluss auf die Hausordnung konkret hinweist und dem Mieter die Bei der Feststellung, ob es sich um einen vorgeMöglichkeit gibt, den Inhalt der Hausordnung zur fertigten Text oder um eine ausgehandelte HausKenntnis zu nehmen.
ordnung handelt, kommt es nicht darauf an, wie
häufig der Vermieter diese Hausordnung zuvor
Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner Ent- bereits verwendet hat. Maßgeblich ist alleine, dass
scheidung im Jahre 1991 (WuM 1991, 381, 384) das Regelwerk grundsätzlich geeignet ist, mehrentschieden, dass es für die Kenntnisnahmemög- fach verwendet zu werden.
lichkeit des Mieters nicht ausreicht, wenn der
Vermieter in seinem Mietvertrag auf die Geltung Die weitere Beurteilung hängt von einer Einzelder Hausordnung verweist, die im Hausflur aus- fallbetrachtung ab. So spricht der Umstand, dass
gehängt ist.
in dem Regelwerk handschriftliche Vermerke enthalten sind, dafür, dass die Hausordnung ausgeBegründet wurde dies seinerzeit damit, dass sich handelt wurde. Des Weiteren kann bei der Beurder Vermieter als Verwender in diesem Fall zu teilung der konkrete Inhalt des Vertragstextes
einfach seiner Beweispflicht entziehen könnte. herangezogen werden. So kann sich bereits aus
Denn für den Umstand, dass die Hausordnung diesem ergeben, dass die Hausordnung nur in
tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde, ist diesem konkreten Fall gelten soll, was ebenfalls
der Vermieter rechtlich beweispflichtig. Würde für eine individuelle Vereinbarung spricht. Lässt
diese Floskel im Mietvertrag als ausreichend er- sich aus der Darstellung, dem Inhalt oder sonstiachtet werden, hätte der Vermieter die Beweislast gen Aspekten kein Rückschluss auf die Art der
durch einen einfachen Verweis im Mietvertrag Hausordnung herleiten, ist im Zweifel davon ausauf den Mieter abgewälzt. Dies ist nicht vereinbar zugehen, dass es sich um einen vorgefertigten
mit der besonderen Schutzbedürftigkeit des Mie- Hausordnungstext handelt und damit die Regeters. Zur Kenntnis nehmen kann ein Mieter daher lungen der §§ 305 ff. BGB zum Tragen kommen.
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind
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Prozessual gehen derartige Zweifel zu Lasten des
Vermieters als Verwender. Denn grundsätzlich
muss dieser darlegen und beweisen, dass die
Hausordnung individuell ausgehandelt wurde.
Kann er diesen Beweis nicht erbringen, sind unabhängig von dem Vortrag des Vermieters die
§§ 305 ff. BGB heranzuziehen.
2. Hausordnung als Vereinbarung
Wird die Hausordnung indes individuell vereinbart,
so orientiert sich die Wirksamkeit alleine an den
allgemeinen Grundsätzen des BGB. Hier gibt es
im Wesentlichen zwei rechtliche Aspekte zu beachten. Zum einen muss es sich um eine zulässige
Regelung handeln. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn die konkrete Regelung ausgestaltenden Inhalt hat und keine neue Pflicht begründet. Zum anderen dürfen die einzelnen
Regelungen nicht gegen die Guten Sitten (§ 138
BGB) verstoßen. Hält die rechtliche Prüfung beiden Aspekten stand, ist die Hausordnung bzw.
die konkrete Regelung als wirksam anzusehen.
3.
Kombination von Individualvereinbarungen
und allgemeinen Mietbedingungen
Auch denkbar sind Kombinationen von Hausordnungen, die teilweise vorgefertigt, teilweise individuell vereinbart werden. Vorgefertigte Vertragstexte geben diese Möglichkeit dadurch, dass am
Ende häufig unter der Überschrift »Sonstige« individuelle Regelungen aufgenommen werden
können.
Die Wirksamkeit ist in diesen Fällen getrennt zu
beurteilen. Der vorgefertigte Text richtet sich nach
den §§ 305 ff BGB. Der individuelle Teil der
Hausordnung orientiert sich demgegenüber anhand der Zulässigkeit der Regelung und des SitNachdruck und Vervielfältigung
tenwidrigkeitsaspektes.
Eine Besonderheit ist bei Kombinationen von vorgefertigten Hausordnungstexten und individuellen Regelungen zu beachten. Kollidiert der Inhalt
des vorgefertigten Vertragstextes mit der individuell getroffenen Regelung, so bestimmt § 305 b
BGB, dass die individuelle Regelung den Vorrang
genießt und der vorgefertigte Vertragstext, soweit
er kollidiert, unwirksam ist.
IV. Nachträgliche Einführung bzw. Änderungsmöglichkeiten
1.
Nachträgliche Einführung
Keine Schwierigkeiten gibt es, sofern beabsichtigt
ist, die Hausordnung durch Individualvereinbarung nachträglich zu regeln. Grundsätzlich gilt
Vertragsfreiheit, so dass die Parteien einvernehmlich jederzeit neue Vertragsregelungen einführen
können.
Anders ist die rechtliche Situation zu beurteilen,
wenn der Vermieter einseitig eine Hausordnung
durch einen vorgefertigten Hausordnungstext
einführen möchte.
a) Teilweise wird vertreten, dass der Vermieter
einseitig im Nachhinein eine Hausordnung nicht
einführen kann. Begründet wird dies mit dem Argument, dass es sich hierbei um eine Änderung
vertraglicher Bedingungen handelt, die im Nachhinein einseitig nicht mehr geändert werden können.
b) Die überwiegende Auffassung geht demgegenüber davon aus, dass eine einseitige Einführung einer Hausordnung durch den Vermieter
grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen
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zulässig ist. Dies mit der rechtlichen Begründung,
dass die eigentlichen Pflichten durch die nachträgliche Einführung der Hausordnung nicht verändert werden können. Denn nur gestaltende
Regelungen sind in der Hausordnung zugelassen,
so dass durch die Einführung einer Hausordnung
keine wesentlichen vertraglichen Regelungen geändert werden können. Rechtsgrundlage für die
nachträgliche Einführung der Hausordnung ist
§ 242 BGB. Voraussetzung ist, dass sich der Vermieter im Mietvertrag die nachträgliche Einführung einer Hausordnung vorbehalten hat und die
Einführung einer Hausordnung sachlich erforderlich ist (LG Darmstadt, MDR 1973, 53; AG Hamburg, WuM 1981,183).
2.
Nachträgliche Änderungsmöglichkeiten
Die rechtliche Wertung ist insoweit dieselbe, wie
bei der Einführung einer Hausordnung durch den
Vermieter. Mit der überwiegenden Rechtsauffassung ist die nachträgliche Änderung der Hausordnung durch den Vermieter zulässig, wenn Veränderungen der Hausordnung im Mietvertrag
vorbehalten wurden und die Änderung erforderlich ist, um den Hausfrieden in der Zukunft wahren zu können. Auch hier ist rechtliche Grundlage
§ 242 BGB.
3.
V. Bindungswirkung
Ist die Hausordnung rechtlich wirksam, so ist der
jeweilige Mieter als auch der Vermieter an den
Inhalt der Hausordnung gebunden.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die
Hausordnung nicht nur unmittelbar zwischen
Vermieter und Mieter Wirkung entfaltet, sondern
auch unter den Mietern. Denn der Mietvertrag in
Verbindung mit der Hausordnung stellt einen Vertrag zugunsten der anderen Mieter dar (OLG München, WuM 1992, 238; BGH, WuM 2004, 215).
Das bedeutet, dass die Mieter untereinander auf
der Grundlage des Mietvertrages in Verbindung
mit der Hausordnung eigene Rechte herleiten
können. Rechtliche Grundlage ist der Mietvertrag
in Verbindung mit der Hausordnung unter gleichzeitiger Heranziehung der Regelung des § 328
BGB.
Begründet wird diese weitgehend einheitlich vertretene Rechtsauffassung damit, dass die Hausordnung den Zweck hat, das gemeinsame Miteinander in einer Hausgemeinschaft zu regeln.
Damit regelt die Hausordnung das Verhältnis zwischen den Mietern. Wenn dies der Fall ist, muss
ein sich gestört fühlender Mieter auch gegen den
störenden Mieter unmittelbar vorgehen können.
Einflussmöglichkeit durch den Mieter
VI. Inhalt der Hausordnung
Die Einführung der Hausordnung als auch Änderungen in Bezug auf den Inhalt der Hausordnung
kann lediglich einseitig durch den Vermieter erfolgen. Die Mieter haben einseitig keinen Einfluss
auf die Hausordnung, da es den Mietern an der
Rechtssetzungsbefugnis fehlt. Die Mieter können
gegenüber dem Vermieter lediglich die Einführung
oder Änderung einer Hausordnung anregen.
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1.
Allgemeines
Gegenstand der Hausordnung können nur Regelungen mit gestaltender Wirkung sein. Neue mietvertragliche Pflichten dürfen durch die Hausordnung nicht festgelegt werden. Dies wäre
unzulässig. Bei vorgefertigten Hausordnungen ergibt sich die Unzulässigkeit aus § 305 c BGB.
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Bei individuell vereinbarten Hausordnungen wird
ein Verstoß gegen Treue und Glauben (§ 242
BGB) angenommen.
So ist es zum Beispiel zulässig zu regeln, wie
Haustiere innerhalb des Wohnhauses zu halten
sind. Nicht geregelt werden darf ein allgemeines
Haustierhaltungsverbot. Eine solche Regelung in
der Hausordnung wäre unzulässig. Dies vor dem
Hintergrund, dass hierdurch das Verbot der Haustierhaltung begründet werden würde. Dies wäre
nur innerhalb des Mietvertrages selber wirksam
regelbar.
2.
Einzelne Regelungen
a) Gebot der Rücksichtnahme
Grundsätzlich beginnt die Hausordnung zumeist
mit dem Gebot der Rücksichtnahme. Hierbei handelt es sich um einen wesentlichen Grundsatz.
Bei dem Gebot der Rücksichtnahme handelt es
sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der
es möglich macht, unterschiedliche Verhaltensweisen an diesem Grundsatz zu messen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Inhalt dieser
Regelung lediglich regelt, dass die Mieter bei ihrem
Wohnverhalten aufeinander Rücksicht zu nehmen
haben, können in diesem Zusammenhang unterschiedlichste Probleme zwischen Mietern unter
dem Gebot der Rücksichtnahme thematisiert werden. Hierzu zählen insbesondere
(1) Geruchsbeeinträchtigungen
Grundsätzlich darf ein Mieter sich nicht dergestalt
verhalten, dass andere Mieter durch Zuführung
von Gasen, Dämpfen, Gerüchen oder Rauch wesentlich beeinträchtigt werden. Beurteilungsmaßstab hier ist das Kriterium der Wesentlichkeit. Zu
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klären ist im Einzelfall, ob Gerüche zumutbar
durch die Mieter hinzunehmen sind. In diesem
Zusammenhang werden insbesondere folgende
Störungen immer wieder diskutiert:
(a) Bereits mehrfach haben sich die Gerichte mit
der Frage des Tabakkonsums befasst. Dabei besteht Einigkeit dahingehend, dass ein Mieter in
seiner Wohnung uneingeschränkt Tabak konsumieren darf. Dies stellt eine vertragsgemäße Nutzung der Wohnung dar. Demgegenüber ist der
Tabakkonsum in Gemeinschaftsräumen wie zum
Beispiel im Hausflur oder in der Waschküche nicht
mehr als vertragsgemäß angesehen worden. Da
der Balkon der Wohnung selber zugeordnet ist,
kann einem Mieter das Rauchen auf seinem eigenen Balkon nicht untersagt werden. Insoweit
haben bereits mehrere Gerichte festgehalten, dass
eine Geruchsbeeinträchtigung der Nachbarschaft
schon deshalb ausscheidet, weil der Tabakgeruch
derart gering ist, dass er an der frischen Luft innerhalb kürzester Zeit abgezogen ist.
(b) Ebenfalls in diesem Zusammenhang diskutiert
wird das Grillen auf dem Balkon/ auf der Terrasse.
Auch mit diesem Aspekt haben sich mehrfach
bereits Gerichte befassen müssen.
Die Gerichte vertreten hier unterschiedliche Auffassung. Teilweise wird angenommen, dass wegen
des erhöhten Geruchsaufkommens das Grillen auf
dem Balkon bzw. der Terrasse stets unzulässig ist.
So etwa das Amtsgericht Hamburg in seinem Urteil
vom 07.07.1972 (Aktzeichen 40 C 229/72) oder
Landgericht Essen in seiner Entscheidung vom
07.02.2002 (Aktenzeichen 10 S 438/01).
Demgegenüber wird andererseits vertreten, dass
das Grillen auf dem Balkon in engen Grenzen zulässig sein soll. Dies einmal im Monat, wenn dies
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vorher rechtzeitig angekündigt wurde (Urteil des
Amtsgerichtes Bonn vom 29.04.1997, Aktenzeichen 6 C 545/96).
das Amtsgericht eine wesentliche Beeinträchtigung (AG Steinfurt, Urteil vom 10.03. 2009, Aktenzeichen 4 C171/08) bejaht hat.
Dabei wird eine eingeschränkte Berechtigung zum
Grillen auf dem Balkon/der Terrasse von den Gerichten immer häufiger angenommen. Dabei wird
als Begründung herangezogen, dass eine eingeschränkte Berechtigung zum Grillen auf dem Balkon/ der Terrasse den Interessen aller Parteien
Rechnung trägt. Diese sich immer mehr durchsetzende Rechtsauffassung der Gerichte basiert
auf der Grundlage einer berechtigter Weise durchzuführenden Interessenabwägung.
(2) Optische Beeinträchtigungen
(c) Auch Essensgerüche aus der Wohnung eines
Mieters wurden im Zusammenhang mit dem Gebot
der Rücksichtnahme diskutiert.
Die Gerichte vertreten hier weitestgehend die Auffassung, dass wesentliche Beeinträchtigungen nur
ausnahmsweise angenommen werden können,
wenn diese Essensgerüche dauerhaft und mit einer
entsprechenden Intensität auf die anderen Mieter
einwirken. In der Regel ist dies nicht anzunehmen.
Die unterschiedlichen Essensgerüche selber sind
nicht Gegenstand einer Störung, sondern sind
durch die anderen Mieter zu dulden (LG Essen,
ZMR 2000, 302)
(d) Auch im Zusammenhang mit Störungen durch
Gerüche wird die Frage von Hundekot auf der Gemeinschaftswiese diskutiert. Auch die Gerichte haben sich damit bereits befasst. Dabei hat das Amtsgericht Steinfurt festgehalten, dass Hundekot auf
der Gemeinschaftswiese unter anderem eine wesentliche Geruchsbeeinträchtigung darstellt. Zusätzlich stellt Hundekot auf einer Gemeinschaftswiese einen unansehnlichen und unhygienischen
Umstand dar. Insgesamt ist es jedenfalls so, dass
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(a) So haben sich bereits das Amtsgericht Merzig
und das Amtsgericht Bonn mit der Frage zu befassen gehabt, ob das Nacktsonnen auf dem Balkon
eine Störung des Hausfriedens darstellt. Beide Gerichte haben entschieden, wenn die Nähe zur
Nachbarwohnung nicht zu intensiv ist, kann ein
Vermieter einem Nachbarn das Nacktsonnen nicht
verbieten (AG Merzig, Az. 23 C 1282/04; AG Bonn
Az. U 8 C 209/05). Vielmehr handelt es sich um
ein zu duldendes Verhalten.
(b) Ebenfalls als optische Beeinträchtigung hat
das Amtsgericht Essen in einer Entscheidung aus
dem Jahre 1999 einen nackten Gartenzwerg angesehen, der eine Größe von ca. einem Meter
aufwies und auf der Garage deponiert war.
b) Regelung der Ruhezeiten
Häufigste Streitigkeit zwischen Mietern ist die
Einhaltung von Ruhezeiten und Lärmbeeinträchtigungen. Diese Thematik erfassen die meisten
Hausordnungen durch die konkrete Regelung der
Ruhezeiten.
Nicht alle Städte sehen eine gesetzlich verankerte
Mittags– oder Nachtruhe vor. Um Störungen unter den Mietern zu vereinbaren, bedarf es daher
häufig einer konkreten Regelung.
(1) Ruhezeitregelungen im Einzelnen
Daher sehen viele Hausordnungen Ruhezeiten
vor. Diese liegen in der Regel zwischen 13.00 Uhr
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und 15.00 Uhr (Mittagsruhe) und in der Zeit von
22.00 Uhr und 7.00 Uhr (Nachtruhe).
In dieser Zeit ist in besonderem Maße Ruhe zu
halten. Rechtlich bedeutet dies, dass in diesen Zeiten Zimmerlautstärke einzuhalten ist. Auch der
Begriff der Zimmerlautstärke stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der auszulegen ist. Der
Bundesgerichtshof hat sich bereits 1982 zu dem
Begriff Zimmerlautstärke geäußert. Zimmerlautstärke ist danach immer eingehalten, wenn Geräusche in der Nachbarwohnung gar nicht oder
nur noch sehr vage vernommen werden können
(BGH NJW 1982, 441). Dieser Auffassung haben
sich in der Folgezeit auch andere Gerichte angeschlossen (LG Berlin, DWW 1988, 83; AG Düsseldorf
1988, 357; LG Hamburg, MDR 1996, 312).
Häufig werden im Rahmen der Störung durch
Lärm als Maßstand die Technischen Ausführungen
zum Lärm (TA Lärm) herangezogen. Diese TA Lärm
versucht Geräusche durch Werte zu ermitteln. Im
Rahmen dieser TA Lärm wird auch die Zimmerlautstärke konkretisiert. Hier wird von einer Lautstärke von 35 Dezibel ausgegangen. Dies entspricht einer Lautstärke eines langsam
vorbeifahrenden PKW.
Außerhalb der Ruhezeiten ist unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebotes eine Lautstärke von bis zu 50 Dezibel zulässig. Dies entspricht einer Lautstärke normal miteinander
sprechender Menschen. Dabei ist als Maßstand der
allgemeine Durchschnittsmieter zugrunde zu legen.
einer Lautstärke von sich miteinander unterhaltenden Menschen in durchschnittlicher Lautstärke
(BGH, Urteil vom 05.02. 1993, NJW 1993, 1656,
LG Hamburg, MDR 1996, 312). Auf den empfindlichen Einzelmieter kommt es indes nicht an. Dabei ist bei den wertmäßigen Angaben zu beachten,
dass es hier auf den Einzelfall ankommt. Hier sind
Einzelaspekte, wie Hellhörigkeit der Wohnung,
Wohngebiet, soziales Milieu und ähnliche Kriterien
zu beachten. Daher können die Dezibelangaben
auch nur als Richtschnur dienen.
(2) Lärmbeeinträchtigen im Einzelnen
Störungen durch zu lautes Verhalten können vielseitig sein. Jedoch gibt es Ursachen, die regelmäßig Lärmstörungen herbeiführen können:
(a) Kinderverhalten
Häufig ist Mittelpunkt von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Lärmstörungen das Verhalten
von Kindern. Auch Gerichte sind hiermit regelmäßig
befasst. Einheitlich geht die Rechtsprechung der
Gerichte davon aus, dass bei Kindern eine höhere
Toleranz von den Mietern erwartet wird. So muss
regelmäßig altersgemäßes Verhalten von Kindern
von anderen Mietern geduldet werden.
Im Einzelnen haben hier unterschiedliche Gerichte
zu unterschiedlichen Verhaltensweisen von Kindern entschieden. Beispielhaft sollen hier die wesentlichen Entscheidungen angeführt werden:
Hier wird von den Gerichten regelmäßig vertreten,
dass außerhalb der allgemeinen Ruhezeiten die
Lautstärke von bis zu 45 Dezibel durchschnittlich
nicht überschritten werden dürfe. Dies entspricht
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Gerichtsentscheidung
Kinderverhalten
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Inhalt der Entscheidung
LG Bad Kreuznach, WuM 2003, 3289,5
Babygeschrei, Gepolter, Gehopse
Derartige Verhaltsweisen sind von Mitmietern zu dulden, soweit es dem Lebensalter entsprechend zu erwarten
ist. Dies sind Begleiterscheinungen, mit
denen Mitmieter rechnen und leben
müssen.
AG Brandenburg, WuM 2002, 50
Lauf – & Spiel –Geräusche
Derartiges Verhalten von Kindern ist als
sozialadäquat hinzunehmen, selbst
wenn es einmal über das übliche Maß
hinausgeht.
Dabei ist insbesondere die Situation im
Einzelfall zu beachten (Alter des Hauses,
Anzahl der Kinder, Mieterstruktur etc.).
In Anbetracht des Umstandes, dass Altbauten häufig schlechter ausgestattet
sind, ist dort eine höhere Toleranz zu erwarten, als in einem Neubau.
AG Oberhausen, WuM 2001, 464
Lauf – & Spiel – Geräusche, Weinen & Derartiges Verhalten ist bei Kindern von
Ermahnung durch Mutter
ca. 3 Jahren durch Mitmieter hinnehmbar. Auch Diskussionen zwischen Elternteilen und Kindern im Hausflur sind
hinzunehmen.
LG München, NZM 2005, 339
Gepolter, Gerenne, lauter Fernseher
AG Schöneberg, MM 1995, 397
Bollerwagen im Innenhof, Ballspielen Derartige Verhaltensweisen sind sozialgegen die Hauswand etc.
adäquat, solange dies nicht durch
lärmverursachendes Spielzeug hervorgerufen wird.
Anderer Ansicht
LG Lübeck,
WM 1989, 627
LG Berlin, WuM 1999, 329
AG Braunschweig,
WuM 2002, 50
Ist bei Kindern im Alter von 5 bis 8 Jahren als sozialadäquat anzusehen und
daher hinzunehmen.
Die Eltern sind im Rahmen der Erziehung dazu verpflichtet, die Kinder auch
zur Rücksichtnahme zu erziehen.
(2) Haustiere
(a) Im Mittelpunkt hier ist das laute Bellen eines Hundes in der Nachbarwohnung. Hier wird von den
Gerichten ebenfalls davon ausgegangen, dass das Bellen eines Hundes artgemäßes Verhalten eines
Hundes ist. Sofern der Vermieter die Haltung des Hundes gestattet hat, wird von den Gerichten eine Interessenabwägung vorgenommen. Dabei hat das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 07.06.1993, VersR
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1993, 1242) festgehalten, dass das Bellen eines
Hundes als vertragsgemäß anzusehen ist, soweit
der Hund täglich höchstens 30 Minuten und ununterbrochen höchstens 10 Minuten bellt. Diese
Verhaltensweisen eines Hundes sind durch den
Nachbarn zu dulden.
(b) Auch das Verhalten von Papageien und anderen Vögeln hat die Gerichte bereits mehrfach
beschäftigt. Auch hier wird vertreten, dass das
Schreien eines Papageis oder das Zwitschern von
Vögeln in einer Voliere auf dem Balkon artgerecht
ist. Bei Papageirufen hat das Landgericht Darmstadt
entschieden, dass diese zwei – bis dreimal am Tag
für einen Zeitraum von jeweils fünf Minuten angemessen und damit vom Nachbarn zu dulden
sind (LG Darmstadt, Aktenzeichen 21 S 144/01).
Vogelgezwitscher aus einer Voliere ist außerhalb
der Ruhezeiten für einen Zeitraum von maximal
einer Stunde als zulässig angesehen worden (LG
Zwickau, Aktenzeichen 6 S 388/00).
(3) Rundfunkgeräte
Was Rundfunkgeräte anbelangt, so gilt grundsätzlich, dass diese in Zimmerlautstärke eingestellt
sein müssen. Dies sowohl innerhalb der Ruhezeiten als auch in den sonstigen Zeiten. Dies entspricht der herrschenden Rechtsprechung.
(4) Musizieren
Das Musizieren ist grundsätzlich als vertragsgemäßes Verhalten anzusehen. Die Einhaltung der
Zimmerlautstärke ist grundsätzlich, so auch die
Gerichte, nicht einhaltbar. Die Anwendung der
Hausordnung bei der Verwendung von Musikinstrumenten würde einem Verbot gleichkommen.
Um dem Interesse des musizierenden Mieters und
dem Interesse des Nachbarmieters an der EinhalNachdruck und Vervielfältigung
tung der allgemein üblichen Lautstärke gerecht zu
werden, nehmen die Gerichte hier eine Angemessenheitsprüfung im Einzelfall vor.
Dabei sind hinsichtlich einzelner Geräte folgende
Entscheidungen bereits vorgenommen worden:
Gerichtsentscheidung
Musikinstrument
Dauer
LG Kleve, DWW Akkordeon
1992,16
tägl. Üben von
1 ½ Stunden ist
zulässig
LG
Nürnberg, Schlagzeug
WuM 1992, 253
tägl. Üben zwischen 40–90 Minuten ist zulässig
AG Frankfurt/M.Wu Klavier/Flügel
M 1997, 430
tägl. Üben von
1 ½ Stunden ist
zulässig
Grundsätzlich lässt sich als Richtlinie festhalten,
dass Musizieren für einen Zeitraum von ein bis
zwei Stunden außerhalb der Ruhezeiten gestattet
sein dürfte.
(5) Nächtliche Geräusche
Grundsätzlich ist als Maßstab für zulässiges Verhalten die Zimmerlautstärke heranzuziehen. Dies
gilt nach der Entscheidung des Amtsgerichtes
Warendorf (Urteil vom 19.08.1997, Aktenzeichen
5 C 414/97) auch für Sex- und Lustgeräusche in
der Nacht. Auch diese haben in Zimmerlautstärke
stattzufinden.
Hinsichtlich des Duschens zu Nachtzeiten haben
die Gerichte entschieden, dass dies keine Ruhestörung rechtfertigt, sondern vertragsgemäßes
Verhalten innerhalb der Mietwohnung darstellt
(OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.01.1991,
Aktenzeichen WuM 1991, 288; LG Köln, NJW-RR
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl, auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind
vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur
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1997, 1440).
(6) Geräusche von Gewerberäumen (Gaststätten
etc.)
Besonderheiten in Bezug auf das Geräuschaufkommen sind bei gemischten Mietverhältnissen
zu beachten. Hier sind die Anforderungen an das
Geräuschaufkommen niedriger anzulegen. So
müssen die Mieter der Wohnräume höheres Geräuschaufkommen, welches auf den Betrieb des
Gewerbes zurückzuführen ist, hinnehmen. Hierzu
zählt das Kommen und Gehen von Kunden oder
von Maschinen stammende Geräusche. Ob die
Geräusche, ausgehend von Maschinen üblich und
damit bei gemischten Wohnräumen hinzunehmen
sind, richtet sich danach, ob die Richtwerte eingehalten sind, die sich regelmäßig aus der TALärm ergeben.
Ähnlich gestaltet es sich mit sonstigen Beeinträchtigungen. Auch hier sind höhere Anforderungen bei gemischten Mietverhältnissen zugrunde zu legen, um eine Störung gegen die
Hausordnung annehmen zu können.
(7) Besondere Anlässe
Was anderweitige Lärmbeeinträchtigungen etwa
durch Geburtstagsfeiern oder familiäre Streitigkeiten bzw. Großereignisse anbelangt, so ist regelmäßig der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten. Insoweit ist von Seiten
jeden Mieters darauf zu achten, dass andere Mieter nicht gestört werden.
Auch besondere Anlässe wie Jahrmarkt/
Kirmes, aber auch die Karnevalszeit und andere
Großereignisse (Fußballturniere etc.) sind immer
wieder Gegenstand von Lärmstreitigkeiten. Gerade
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zu Zeiten von Großereignissen kommt es immer
wieder dazu, dass sich Mieter durch lautes Gelächter auf der Straße und laute Musik gestört
fühlen. Der Bundesgerichtshof geht zwar davon
aus, dass die Regelungen der Hausordnung und
damit auch die Ruhezeiten zu beachten sind. Allerdings wird von den Gerichten bei besonderen
Anlässen eine höhere Toleranz von den anderen
Mietern verlangt. Regelmäßig wird von der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass hier eine
Überschreitung der allgemeinen Ruhezeiten um
ca. 10 Dezibel bis Mitternacht erlaubt ist. Erlaubt
sind daher aus besonderem Anlass bis zu 45 Dezibel während der Nachtruhe. Dies entspricht einer Lautstärke von sich unterhaltenden Menschen
in durchschnittlicher Lautstärke.
c) Reinigungspflichten/Winterdienst
Weiter wird in den meisten Hausordnungen häufig die Reinigungspflicht und der Winterdiensträumung näher konkretisiert. Hierbei ist zu beachten, dass die eigentliche Verpflichtung zur
Reinigung der Gemeinschaftsräume/Schneeräumpflicht gerade nicht in der Hausordnung geregelt
werden kann. Dies muss im Rahmen des Mietvertrages erfolgen. Grundsätzlich obliegen die
Reinigung von Gemeinschaftseinrichtungen und
die Schneebeseitigung dem Vermieter. Dieser kann
die Reinigungs- und Schneebeseitigungspflicht
auf den Mieter durch entsprechende Regelung
im Mietvertrag abwälzen. In der Hausordnung
kann dann diese Verpflichtung des Mieters näher
ausgestaltet werden.
Zu beachten ist insbesondere für den Vermieter,
dass mit der Übertragung der Reinigungspflicht/Schneeräumpflicht seine Haftung nicht
entfällt. Vielmehr trifft den Vermieter eine Kontrollpflicht (Verkehrssicherungspflicht), die eine
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besondere Schadensersatzhaftung herbeiführen
kann. Den Vermieter trifft bei Verstößen der Mieter hier ein großes Haftungsrisiko.
d) Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen
(1) Dabei werden insbesondere die Nutzung des
Hausflurs und das Abstellen von Gegenständen
(wie Kinderwagen) im Hausflur erörtert. Seitens
der Gerichte wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass das Abstellen von Kinderwagen durch
Mieter nicht verboten werden darf. Argumentiert
wird hier mit der Schutzwürdigkeit der Familie. Es
ist Mietern nicht zumutbar, Kinderwagen täglich
durch den Hausflur zu tragen. Dies schränkt die
Bewegungsfreiheit über das Maß hinaus ein (so
auch das Amtsgericht Winsen, Urteil vom
28.04.1999, Az. 16 C 602/99, AG Köln, Aktenzeichen
207 C 43/95, abgedruckt in WM 1995, 652).
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(3) Ferner haben sich die Gerichte damit befasst,
ob das Abstellen von Schuhen im Hausflur eine
unzulässige Nutzung des Hausflures darstellt. Das
Oberlandesgericht Hamm hat in seiner Entscheidung vom 20.04.1988, Aktenzeichen 15 W 168/88
festgehalten, dass es für ein solches Verbot keine
Rechtsgrundlage gibt. Solange Schuhe daher im
Bereich der Fußmatte abgestellt werden, ist eine
Gefährdung für Dritte in der Regel nicht anzunehmen. Fußmatten befinden sich regelmäßig nicht
im Bereich des Laufweges im Hausflur. Solange
durch das Abstellen der Schuhe keine Unfallgefahr
begründet wird, ist dieses Verhalten als vertragsgemäß anzusehen und daher vom Nachbarn zu
dulden.
(Fortsetzung des Artikels in Heft 12/2012)
Allerdings gilt dies nach den Gerichten nicht uneingeschränkt. Vielmehr haben die Mieter darauf
zu achten, dass die übrigen Mieter bei der Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen nicht behindert werden. Zudem dürfen die Gemeinschaftseinrichtungen nicht als dauerhafte
Abstellplätze genutzt werden. Das bedeutet, dass
Kinderwagen nur vorübergehend in den Gemeinschaftseinrichtungen abgestellt werden können.
Abends, nach der letzten Nutzung, sind Kinderwagen in der Wohnung abzustellen (so unter anderem das OLG Hamm in einer Entscheidung unter dem Aktenzeichen 15 W 444/00).
(2) Mit gleicher Argumentation, das heißt mit Bewegungsfreiheit des betroffenen Mieters wird angenommen, dass Gehhilfen (Rollatoren) im Hausflur abgestellt werden können, sofern dies in
platzsparender Weise erfolgt (LG Hannover, Urteil
vom 17.10.2005, Aktenzeichen 20 S 39/05).
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