ein Fallbeispiel

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Krebsforschung durch die schnelle Herstellung
rekombinanter Antikörper beschleunigt –
ein Fallbeispiel
Hartmut Merz1, Achim Knappik2
1Medizinische
Universität Schleswig Holstein, Campus Lübeck, 2Morphosys AG, Martinsried
Monoklonale
Antikörper
(mAks) sind seit Jahrzehnten ein
unverzichtbares Werkzeug für
das forschende Labor. Dies gilt
umso mehr im Zeitalter von Proteomics, in dem spezifische und
sensitive Nachweisreagenzien
auf Proteinebene unerlässlich
sind. Bisher war die Herstellung
neuartiger mAks aber sehr personal- und zeitaufwändig und
daher auch teuer: Das Antigen
muss zunächst in ausreichender
Menge hergestellt und in ein
Tier injiziert werden; die Immunantwort wird abgewartet,
die B-Zellen isoliert und immortalisiert, und schließlich vereinzelt sowie auf Produktion von
spezifischen mAks hin durchgemustert.
Typischerweise verschlingt
dieser Prozess sechs bis neun
Monate, in denen der Forscher
warten muss, bis er das Reagenz
in Händen halten kann. In dieser Zeit ruhen gezwungenermaßen wichtige Projekte und es ist
auch dann keineswegs sicher,
dass der mAk überhaupt in den
notwendigen Assays funktio-
niert. Die Herstellung solcher
mAks kann so zum Flaschenhals
für das Forschungsvorhaben
werden.
Unnötige Wartezeit verkürzen
Der Einsatz von in vitro-Selektionstechnologien wie der Phage Display-Technik (Abb. 1) im
Zusammenhang mit riesigen
synthetischen Antikörperbibliotheken ist inzwischen eine bei
Pharmaunternehmen etablierte
Methode, um humane Antikörper
zu generieren, die für die Medikamentenentwicklung essenziell sind[1]. Ein halbes Dutzend
Biotech-Firmen haben diese
rekombinanten Technologien in
den letzten Jahren zur Marktreife gebracht und bieten sie für die
Entwicklung therapeutischer
Antikörper an. Neben der Tatsache, dass diese rekombinanten
Antikörper aus humanen Sequenzen bestehen, bringt diese
Technologie weitere Vorteile.
Sie ist zum einen deutlich
schneller. Nach 4 bis 6 Wochen
sind die Antikörper isoliert, nach
weiteren 2 bis 4 Wochen stehen
mg-Mengen gereinigt und für
Tests zur Verfügung (www.A-byD.com). Zum zweiten liegen
nach der Selektion die Antikörpergene auf E. coli-Expressionsplasmiden vor, die dann einfach
und schnell modifiziert werden
können, um etwa die Valenz zu
verändern oder die Antikörper
mit Peptid-Tags oder Enzymen
zu fusionieren. Schließlich ist
diese in vitro-Methode automatisierbar und erlaubt die Herstellung von Antikörpern gleichzeitig gegen viele Antigene.
Dringend benötigt: anti-CD33
Antikörper
Am Beispiel des Oberflächenantigens CD33 soll ein typisches
Projekt zur Antikörpergenerierung mittels Phage Display skizziert werden. Bei CD33 handelt
es sich um ein Leukozyten-Differenzierungsantigen, das in hämatopoietischen Zellen verstärkt exprimiert wird und eine
prominente Expression auf frühen granulozytopoitischen Vor-
Expression in E.Coli
Fab fragment
Antigen X
IgG
Mini Antibody
Fab
scFv
Abb. 1: Bakteriophagen, die ein passendes Antikörperfragment auf ihrer Oberfläche tragen, werden in
mehreren aufeinander folgenden Screening-Runden isoliert. Die Expression des Phagengenoms in E.coli
ermöglicht die Produktion der Antikörper.
stufen zeigt. Die Expression von
CD33 erlaubt ferner die Unterscheidung zwischen myeloischen und lymphatischen Leukämie-Formen, was dieses Antigen für eine gewebebasierte Tumordiagnostik äußerst interessant macht. Obwohl das CD33Gen kloniert ist, ist dessen
Funktion bislang nahezu unbekannt. CD33 gehört zu der Familie der Sialoadhäsine und zeigt
daher Kohlehydrat-bindende Eigenschaften. Das Protein mit einer Gesamtlänge von 363 Aminosäuren (AS) weist eine extrazelluläre Ig-ähnliche Domäne
mit 241 AS Länge auf und liegt
als Homodimer vor. Da CD33
auf sehr vielen myeloischen
Leukämien exprimiert wird, ist
es nahe liegend, dass Antikörper
gegen CD33 derzeit in klinischen Studien auf ihre Einsatzmöglichkeit in der Therapie
überprüft werden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der humanisierte Antikörper Mylotarg,
der mit dem cytotoxischen
Agens Calicheamicin konjugiert
ist[2].
Bislang gelang es allerdings
mit konventionellen Methoden
nicht, CD33 auf humanem Formalin-fixiertem Gewebe spezifisch nachzuweisen, da es keine
verfügbaren mAk’s gibt, die
CD33 in diesem diagnostischen
Verfahren effektiv erkennen.
Die als Therapeutikum entwickelten Antikörper erwiesen sich
hierfür als nicht geeignet. Als
möglicher Grund kommen posttranslationale Modifikationen
mit zahlreichen Zuckerseitenketten in Frage, die potenzielle
Epitope maskieren könnten. Mit
Hilfe eines Phage Display-Ansatzes sollte jetzt versucht werden, einen solchen Antikörper
zu gewinnen und so einen
Grundstein für eine moderne
Diagnostik der Leukämieformen zu legen.
Woche -2 bis 0:
Herstellung des Antigens
Ausgehend von der cDNA wurde der Abschnitt, der für die
Aminosäure 154 bis 259 des humanen CD33 Precursors kodiert
(SWISSPROT P20138) mittels
PCR amplifiziert, in ein E.coli
BIOspektrum · Sonderausgabe · 10. Jahrgang
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Expressionsplasmid überführt
und nach Expression gereinigt
(zur Methodik siehe[3]). Aus
250 ml E. coli Kultur konnten so
6 mg gereinigtes Protein gewonnen werden.
Literatur
[1] Kretzschmar, T., & von Rüden, T.
(2002): Antibody discovery: phage display. Current Opinion in Biotechnology
13, 598-602.
[2] Bernstein, I.D. (2000): Monoclonal
antibodies to the myeloid stem cells: therapeutic implications of CMA-676, a humanized anti-CD 33 antibody calicheamicin conjugate. leukemia 14(3): 474-475.
Woche 1 bis 4:
Isolierung der Antikörper
Das auf einer Mikrotiterplatte
immobilisierte Antigen wurde
gegen die HuCAL GOLD® Bibliothek getestet (HuCAL, Human Combinatorial Antibody Library, siehe[4]). Hierbei handelt
es sich um eine Sammlung von
mehr als 15 Milliarden humanen
Antikörpern, deren genetische
Information an das jeweilige
Antikörperprotein gekoppelt
vorliegt. Nicht-bindende Antikörper wurden durch Waschen
entfernt, die bindenden Antikörper eluiert und die im Phagen
vorliegende genetische Information in E.coli überführt. Anschließend wurden die Bakterienzellen vereinzelt, einige
hundert Kolonien in eine Mikrotiterplatte überführt und die
Antikörperexpression induziert.
Nach Lyse der Zellen wurden
die Extrakte mittels ELISA auf
Bindung an CD33 untersucht.
Etwa 20 Kulturen produzierten
einen Antikörper mit ELISASignalen, die deutlich (mehr als
10-fach) über der Kontrolle (kein
Antigen) lagen.
[3] Frisch, C., Brocks, B., Ostendorp,
R., Hoess, A., von Rüden, T., &
Kretzschmar, T. (2003): From EST to
IHC: human antibody pipeline for target
research. Journal of Immunological
Methods 275, 205-214.
Abb. 2: Jamshidi-Trepanat mit representativem Knochenmark aller drei
Reifungslinien: Immunhistochemische Detektion des CD33 Antigens mit #97,
1:500. Starke positive Reaktion auf myeloischen Vorläufer-Zellen und monohistiozyäre Zellen; Promyelozyten lassen sich dabei am stärksten
markieren, die reiferen Zellen der Granulopoise zeigen eine zunehmend
niedrigere Expression von CD33. Zusätzlich wurden einzelne jugendliche
Megakaryozyten markiert, die Erythropoiese wird nicht angefärbt.
Resultat:
Der Antikörper wurde nun auf
verschiedenen formalin-fixierBIOspektrum · Sonderausgabe · 10. Jahrgang
Human Combinatorial Antibody Libraries
(HuCAL®) Based on Modular Consensus
Frameworks and CDRs Randomized with
Trinucleotides. The Journal of Molecular
Biology 296, 57-86.
Korrespondenzadressen:
Prof. Dr. Hartmut Merz
Medizinische Universität Schleswig
Holstein
Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160
D-Lübeck 23538
Tel.: 0451-5002714
[email protected]
Dr. Achim Knappik
MorphoSys AG
Lena-Christ-Straße 48
D-82152 Martinsried/Planegg
Tel.: 089-89927-304
[email protected]
www.A-by-D.com
Woche 5 bis 8:
Produktion und QC
Nach Sequenzierung eines Teiles der positiven Antikörper wurden drei Kandidaten, #97, #98
und #99 – jeweils formatiert als
bivalente Fab-Moleküle mit
Myc- und His-tag am C-Terminus der schweren Kette – im
Schüttelkolben exprimiert und
mittels NiNTA-Chromatographie gereinigt. Aus 250 ml Kultur konnten 1,7 mg (#97), 0,6 mg
(#98) und 2,2 mg (#99) gereinigter Antikörper gewonnen werden. Die Spezifität wurde im
ELISA überprüft und bestätigt.
[4] Knappik, A., Ge, L., Honegger, A.,
Pack, P., Fischer, M., Wellnhofer, G.,
Hoess, A., Wölle, J., Plückthun, A.,
& Virnekäs, B. (2000): Fully Synthetic
Abb. 3: Gewebeschnitt einer humanen Tonsille: Immunhistochemischer
Nachweis von CD33 mit #97, 1:500. Einzelne Histiozyten, so genannte Sternhimmelmakrophagen, zeigen eine distinkte zytoplasmatische granuläre
Reaktion. Selten werden Granulozyten in kleinen Gefäßen oder im Gewebe
schwach positiv markiert. Alle anderen Gewebekomponenten sind negativ
für CD33.
ten Gewebeschnitten untersucht. Einer der drei getesteten
Antikörper (#97) lieferte dabei
sehr gute Ergebnisse (Abb. 2 und
3). Mittels rekombinanter Antikörper Technologie konnte also
in kurzer Zeit ein IHC-gängiger
mAk entwickelt werden. Dieser
CD33 Phagen-Antikörper kann
nun eingesetzt werden, um myeloische Zellen im formalin-fixiertem Gewebe zuverlässig
nachzuweisen.
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