Asymmetrische Synthese mit Enzymen Vorteile: • breite Anwendbarkeit • milde Reaktionsbedingungen, daher kaum Racemisierungen, Epimerisierungen, Isomerisierungen und Umlagerungen als Nebenreaktionen • hocheffektive Katalysatoren. die enzymkatalysierten Reaktionen sind bis zu 1012 mal schneller als die unkatalysierten Reaktionen • hohe Stereoselektivität Nachteile: • hoher Preis der Enzyme • Empfindlichkeit gegen Katalysatorgifte • Anwendung meist in Wasser (Löslichkeitsprobleme des Substrats) • Enzyme sind eigentlich für natürliche Substrate optimiert E. Urban 133 Enzyme: Enzyme sind Biokatalysatoren, die nach der klassischen Definition Umsetzungen von Substraten beschleunigen und in eine bestimmte Richtung lenken ohne im Endprodukt der Reaktionen zu erscheinen. Dabei genügen kleinste Mengen um unbestimmt große Mengen an Edukt umzusetzen. Struktur der Enzyme: - Polymere aus Aminosäuren (= Polypeptide, Proteine) - die dreidimensionale Faltung wird von der Sequenz der Aminosäuren bestimmt - Enzyme besitzen zumindest ein katalytisches Zentrum (= Substratbindungsstelle) Coenzyme: Manche Enzyme benötigen Coenzyme um katalytisch aktiv werden zu können. Coenzyme sind häufig sehr teure niedermolekulare Verbindungen, sodaß ihre Verfügbarkeit einen wichtigen Faktor für die Entwicklung eines Prozesses mit isolierten Enzymen darstellt. Die Regeneration des Coenzyms erfordert meist ein weiteres Enzym. E. Urban 134 Coenzyme (Beispiele): E. Urban 135 Ribozyme: Katalytisch wirksame Ribonukleinsäuren bezeichnet man in Anlehnung an Enzyme als Ribozyme. Offensichtlich bilden Ribonukleinsäuren analog zu der Tertiärstruktur von Proteinen dreidimensional geordnete Strukturen aus, wobei bestimmte Basensequenzen für eine spezifische Bindung von Substraten verantwortlich sind. Biologische Relevanz besitzen die Ribozyme als sogenannte "Genscheren", da sie definierte Abschnitte der DNA ohne Beteiligung von Enzymen herausschneiden können. Eine Untersuchung des Mechanismus zeigte, daß es sich beim Reaktionsmechanismus um ein Reihe von Umesterungen handelt. Katalysegeschwindigkeit: Die Katalysegeschwindigkeit eines Prozesses wird durch die Enzymkonzentration und die Enzymaktivität bestimmt. Die Enzymaktivität kann durch niedermolekulare Effektoren reguliert werden. Eine Enzymhemmung kann kompetitiv oder nicht kompetitiv erfolgen und nach Entfernung des Hemmstoffes reversibel oder irreversibel sein. Eine Enzymaktivierung ist nur über nicht kompetitive Mechanismen denkbar. E. Urban 136 kompetitive Regulation: Bei der kompetitiven Regulation konkurrieren verschiedene, strukturell ähnliche Substanzen um die Bindung an das katalytische Zentrum. Bezogen auf die Umsetzung des gewünschten Substrats resultiert eine Katalysehemmung. Grundsätzlich kann aber durch eine Erhöhung der Substratkonzentration eine kompetitive Hemmung vollständig kompensiert werden. nicht kompetitive Regulation: Bei der nicht kompetitiven Regulation sind Substrat und Effektor gleichzeitig am Enzym gebunden, aber an verschiedenen Bindungszentren. Liegen die Substratbindungsstelle und die Bindungsstelle eines Enzyminhibitors in unmittelbarer Nachbarschaft kann eine Hemmung der Substratbindung direkt durch die Raumerfüllung des Inhibitors ausgelöst werden. Ist die Substratbindungsstelle von der Effektorbindungsstelle weit entfernt, erfolgt durch die Bindung des Effektors an das Enzym eine Konformationsänderung, welche die Faltung der Proteinkette verändert, sodaß auch eine räumlich weit entfernte Substratbindungsstelle beeinflußt wird; sowohl eine Inhibition als auch eine Aktivierung der Katalyseaktivität des Enzyms kann resultuieren (= allosterische Enzymregulation) E. Urban 137 Gewinnung der Enzyme: Enzyme können durch die Anwendung der verschiedenen Techniken der Proteinreinigung gewonnen werden. Dabei ist darauf zu achten, daß die während der gewählten Reinigungsschritte die katalytische Aktivität der Enzyme erhalten bleibt. Nicht alle Methoden der Enzymreinigung sind geeignet, aktives Enzym in guten Ausbeuten und mit vertretbarem Aufwand zu gewinnen. Meist genügt für ein enzymatisches Produktionsverfahren eine enzymangereicherte Proteinfraktion oder ein teilgereinigtes Enzym. Hochgereinigte Enzyme sind mit den klassischen Methoden der Enzymreinigung kaum im technischen Maßstab ökonomisch herstellbar. Dies ist mittlerweile jedoch durch den Einsatz gentechnischer Verfahren möglich. E. Urban 138 Enzymnomenklatur: Abhängig von Reaktionstyp werden die Enzyme in sechs Klassen eingeteilt: Klasse 1: Oxidoreduktasen Das Substrat, das oxidiert wird fungiert als Wasserstoffdonor. Oxidoreduktasen benötigen in der Regel Coenzyme um katalytisch aktiv werden zu können. Klasse 2: Transferasenasen Transferasenasen übertragen eine Gruppe (z.B. Methyl-, Acyl- oder Glycosylreste) von einem Donor auf einen Acceptor. Häufig ist der Donor ein Coenzym. Klasse 3: Hydrolasen Hydrolasen spalten C-C, C-O oder C-N Bindungen durch Hydrolyse - Esterhydrolasen (= Esterasen) - Peptidhydrolasen (= Peptidasen) - Glycosidhydrolasen (= Glycosidasen) Obwohl die Hauptfunktion dieser Enzyme die Hydrolyse ist, katalysieren viel Hydrolasen unter geeigneten Bedingungen auch den Gruppentransfer. E. Urban 139 Klasse 4: Lyasen Lyasen spalten C-C, C-O oder C-N Bindungen unter Eliminierung einer Gruppe - (De)carboxylasen: spaltet aus Carbonsäuren CO2 ab - Aminosäure-Ammoniak-Lyasen: nicht oxidative Desaminierung von Aminosäuren es entsteht Ammoniak und eine ungesättigte Carbonsäure - Katalase: spaltet Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff Klasse 5: Isomerasen Isomerasen bewirken intramolekolare Umlagerungen und je nach Typ der Umlagerung als Mutasen, Epimerasen, Isomerasen oder Racemasen bezeichnet Klasse 6: Ligase Ligasen verknüpfen zwei Moleküle miteinander, wobei gleichzeitig eine energiereiche Phosphatbindung (z.B. aus ATP) hydrolysiert wird. E. Urban 140 Enantioselektive Reduktion: R O CH2COOEt R R' R' CH3 CH2COOH CF3 Aryl Alkoholdehydrogenase CH3 N O S CMe S HO H R R' Me CH2OH Et CH2OH Cofaktoren werden in äquimolaren Mengen gebraucht Für teure Cofaktoren sind billige recycling-Systeme nötig ! Ausweg: Reduktion mit Mikroorganismen (z.B. Hefe) Regeneration des Coenzyms erfolgt durch den Stoffwechsel des Mikroorganismus E. Urban 141 Enzyme mit inverser Stereoselektivität: O O R O O R' O R O R' O Cl L-Hefe Oxidoreduktase HO H O O R D-Hefe Oxidoreduktase H OH O R O R' O L-LDH OH R' Cl O OH Cl OH O O D-LDH Cl HO H O Base OH OH O H OH O O Base O OH aber: Sterische Ansprüche der „enantiotopen Enzyme“ nicht gleich E. Urban 142 Stereoselektive Synthese von Steroiden: O HO Saccharomyces uvarium O O 11 MeO 12 MeO HO O Saccharomyces uvarium O O MeO E. Urban 21 MeO 22 143 HO OH OH O H H+ H MeO HO MeO 12 H Ethinylestranol (14) 13 HO OH OH O H H+ H O MeO MeO 22 E. Urban H 23 Levorgestrel (24) 144 Enantioselektive Oxidation: O HLADH R OH NAD + FMN H R NADH FMN H NAD+: 5g 350€ FMN: 100g 100€ N HN O O N N H H H OH H OH H OH H OPO32H FMN Cofaktoren werden in äquimolaren Mengen gebraucht Für teure Cofaktoren sind billige recycling-Systeme nötig ! E. Urban 145 Synthese von Lactonen aus meso-Glycolen (1): HLADH HLADH HO OH HO NAD O HO H NADH2 NAD O OH O OH O O NADH2 Enantiotope Diskriminierung (= meso-Trick) E. Urban 146 Synthese von Lactonen aus meso-Glycolen (2): H H OH HLAD O OH H H H H OH HLAD H H H H HLAD E. Urban O 90% O OH H 79% O OH OH O H O 71% 147 Synthese von Lactonen aus meso-Glycolen (3): H H OH HLAD O OH H H H H OH O OH H E. Urban HLAD O 86% O O H O 37% ! 148 Enantioselektive Hydrolyse: R R R' OH Me H NHZ H Me O R' O O O CT oder PLE R O R' O O OH LiBH4 BH3 H+ R R' O E. Urban H+ R O O R' O 149 Enzyme mit inverser Stereoselektivität: O O O O pig pankreas lipase pig liver esterase (PPL) (PLE) O HO O 90% ee E. Urban O O OH 92% ee 150 Enantioselektive Hydrolyse: meso-Trick COOMe PLE COOH 98% COOMe COOMe COOMe PLE COOH 98% (aber nur 17%ee !) COOMe COOMe COOMe PLE COOMe 98% COOMe COOMe COOH PLE COOMe 90% COOMe E. Urban COOH 151 Regioselektive Hydrolyse: H H H O S N H N Penicillin-Acylase O O OH Penicillin G S O H N H O O OH OH 6-Amino-penicillinansäure NH2 OH N H O O NH2 N O O H S O S Esterase HO H N H O OH N H O O NH2 O OH Cefalosporin C E. Urban 152 Enzymatische Racematspaltung (1): (R)- (R)O OH O Abtrennbar durch Extraktion O Pferdeleberesterase H2O / pH=7,2 / 20 °C + (S)- + (S)- O O O O "chemische" Hyrolyse zu (S)-Ibuprofen Ibupropfen E. Urban 153 Enzymatische Racematspaltung (2): (L)-Reihe O H2N OH OH OH R O H N O O R R O (D)-Reihe Acylase OH H N Enolform E. Urban O H N Acylase OH R 154 Enzymatische Racematspaltung (3): Trypsin, Chymotrypsin oder PLE O (L)-Reihe H2N OMe O H2N OH R R O (D)-Reihe H2N OMe R Nachteile: • racemische Vorstufen nötig • Antipode bleibt als Abfall übrig E. Urban 155 Asymmetrische Addition an eine C-C-Doppelbindung: O HO Aspartase OH Fumarsäure HO Fumarase OH O Fumarsäure O OH O NH2 L-Asparaginsäure O E. Urban HO NH3 O H H2O H HO O OH O OH L-Äpfelsäure 156 Stereoselektive Synthese von Ephedrin: O OH H H + Hefe O NADH2+ der Hefe OH 1 Methylamin O 1-Hydroxyphenylaceton 2 H N (-)-Ephedrin (1R,2S) Neuberg 1921: Gärende Hefe + Glucose-Lösung + Benzaldehyd + Methylamin E. Urban 157 Selektive Addition von Blausäure an prochirale Aldehyde: HO O R Oxynitrilase H + H C N C H O OR1 HO HO R R H N R H O OH HO R H NH2 Die enzymkatalysierte Addition von HCN erfolgt selektiv von der Si-Seite. Oxinitrilasen werden in immobilisierter Form eingesetzt. E. Urban 158 Immobilisierte Enzyme: In einem Verfahren das gelöste oder suspendierte Enzympräparationen nutzt, ist der Biokatalysator am Ende des Produktionsprozesses vom Produkt kaum abtrennbar. Meistens kann der Biokatalysator nicht in aktiver Form rückgewonnen werden. Im Gegensatz dazu können immobilisierte Enzyme durch einfache Trennverfahren (z.B. Filtration) aus der produkthaltige Fermentationsbrühe rückgewonnen werden. Dadurch wird ein kontinuierlicher Einsatz der wertvollen Katalysatoren in einem entsprechend ausgestattetem Bioreaktor möglich und es kann eine vergleichsweise hohe volumetrische Produktivität erreicht werden. Die Immobilisierung von Enzymen wird durch die Anwendung geeigneter chemischer oder physikalischer Methoden erreicht. Enzyme werden durch Adsorption oder kovalente Bindung an polymere Träger fixiert. Auch eine Polymerisierung der Enzyme zu unlöslichen Komplexen ist denkbar. E. Urban 159 Da Enzyme verhältnismäßig große Moleküle sind, können diese in einer feinmaschigen Polymermatrix oder in einem membranumschlossenen Kompartiment an der freien Diffusion gehindert und damit fixiert werden. Die immobilisierten Enzyme müssen aber für die Substrate und für die Cofaktoren zugänglich bleiben ! Dies ist für Enzyme mit fest gebundener prosthetischer Gruppe einfacher als für Enzyme, die eine ständige Regeneration des reaktiven Zentrums durch Coenzyme benötigen. E. Urban 160 Immobilisierungsmethoden: Immobilisierung durch Adsorption: Die Immobilisierung erfolgt durch Adsorption an einen unlöslichen Träger. - das Enzym wird durch die van-derWaals-Kräfte festgehalten - das Enzym wird durch Wasserstoffbrücken festgehalten - das Enzym wird durch ionische Kräfte festgehalten (z.B. an Anionenaustauscher) Vorteile: einfach herzustellen, Matrixbindung reversibel Nachteile: Bindung nur schwach und labil (abhängig von pH, Temperatur,...) Immobilisierung durch kovalente Bindung: Reaktive Gruppen des Enzyms (SH-Gruppen, ω-Aminogruppen, ...) können direkt mit geeigneten Gruppen des Trägermaterials reagieren. Weniger reaktive Stellen des Enzyms (OH-Gruppen an Serin oder Threonin) müssen für eine chemische Reraktion erst aktiviert werden. Aus räumlichen Gründen ist es meistens nötig ein Spacermolekül (=Abstandshalter) zwischen Enzym und polymerem Träger zu plazieren. Die Bindungsstellen im katalytischen Zentrum des Enzyms dürfen nicht betroffen sein ! Auch eine sterische Behinderung durch das Trägermaterial führt zum Aktivitätsverlust ! E. Urban 161 Immobilisierung von Enzymen durch kovalente Bindung (1) E. Urban 162 Immobilisierung von Enzymen durch kovalente Bindung (2) E. Urban 163 Immobilisierung von Enzymen durch kovalente Bindung (3) Trägermaterialien: - Aluminiumoxid, aktiviertes poröses Glas - Stärke, Zellulose, Agarose - synthetische Träger E. Urban 164 Einschlußimmobilisierung: - Biokatalysatoren können in eine Polymermatrix eingeschlossen werden. Bei der Polymerisierungsreaktion darf das reaktive Zentrum des Enzyms nicht betroffen sein, da sonst die katalytische Aktivität verloren geht. Die Polymerketten müssen jedenfalls weitmaschig genug sein, damit der Zugang für Substrate und für die Cofaktoren unbehindert bleibt. - Der Einschluß des Enzyms kann auch in Mikrokapseln oder Liposomen erfolgen. Vorteil: Bei der Mikroverkapselung sind die Größe und die Wandstärke der Kapseln durch das Herstellungsverfahren steuerbar. Nachteile: geringe Stabilität der Immobilisate und schlechte Rückgewinnbarkeit der Enzyme E. Urban 165 Enzymreaktoren: Die effektivste Form der Nutzung eines technischen Enzyms ist seine kontinuierlicher Einsatz in einem Bioreaktor. Membranreaktor: Das katalytisch aktive Makromolekül wird durch eine semipermeable Membran zurückgehalten, während das niedermolekulare Substrat und das Produkte durch die Membran durchtreten können. Die Enzyme können - entsprechende Stabilität des Katalysators vorausgesetzt mehrfach und kontinuierlich verwendet werden. Im technischen Betrieb haben sich Ultrafiltrationsmembranen auf der Basis organischer Polymere wie Polyamid bewährt. Künstliche Membranen sind zwar nicht so selektiv wie die biologischen Vorbilder, sie können dafür aber mit definierter Stabilität, Porenform und Porengröße hergestellt werden. Einfache Membranreaktoren kann man mithilfe eines mit Enzymlösung gefüllten Dialyseschlauches konstruieren. E. Urban 166 Einsatz immobilisieter Enzymen: Der Biokatalysator ist an einen geeigneten Träger gebunden und das Edukt wird in einem kontinuierliche Strom daran vorbeigeleitet, sodaß eine hohe volumetrische Produktivität resultiert. Beispiele: - Herstellung von 6-Aminopenicillansäure mit immobilisierter Penicillinacylase H H O H S N N H N O O H S OH Penicillin G E. Urban NH2 O O OH 6-Amino-penicillinansäure 167 - Isomerisierung von Glucose mit immobilisierter Glucoseisomerase OH CHO H HO CH2OH OH OH H H HO O H HO H H OH H OH H OH H OH H OH H OH CH2OH D-Glucose CH2OH Endiol-Form CH2OH D-Fructose D-Fructose ist ein wichtiger Zuckerersatzstoff für Diabetiker E. Urban 168 Membranverfahren zur enzymatischen Hydrolyse von Lactose: Weltweit ist eine Zunahme der Zahl an Konsumenten mit mehr oder weniger ausgeprägter Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit) zu konstatieren. Betroffen sind zirka 70 % der Weltbevölkerung, insbesondere bestimmte ethnische Gruppen (in Finnland bis zu 15 %), sowie Kinder und durch die steigende Lebenserwartung immer mehr ältere Menschen. HO HO OH HO O O HO OH O OH HO Lactose Ο(β-D-Galactopyranosyl)-D-Glucopyranose β-Galactosidase HO HO H OH O OH HO D-Glucose E. Urban HO + HO OH O HO OH D-Galactose 169 Verursacht wird diese Lactoseintoleranz durch den Mangel an dem Lactose spaltenden Enzym β-Galactosidase, der dazu führt, dass die in herkömmlichen Milch- und Milchprodukten enthaltene Lactose vom Körper nicht verwertet werden kann. Es kommt zu Blähungen und osmotischen Effekten (Durchfall). Neben der Zugänglichkeit von Milch- und Milchprodukten für Menschen, die an Lactoseintoleranz leiden, treten einige technologische Vorteile in den Vordergrund. Es kommt durch die Lactosespaltung in Glucose und Galactose zu massiven Steigerungen der Löslichkeit und der Süsskraft (bei gleichem Kaloriengehalt). Weiters wird durch die Verdopplung der reduzierenden Enden die energetische Nutzung beschleunigt und die Bräunungskraft für die Maillardreaktion verstärkt. Das hier vorgestellte, neuartige Verfahren zur enzymatischen Lactosehydrolyse wurde von der Universität für Bodenkultur Wien (Institut für Lebensmitteltechnologie) und der Firma Lactoprot Alpenländische Milchindustrie und Handels AG entwickelt und in Betrieb genommen. Es stellt eine Kombination aus der Enzym,- Membran,- und Milchtechnologie dar. Aus diesen Gebieten ergeben sich die Problemstellungen der Enzymstabilisierung, des unmittelbaren Enzymverlustes und der Umsetzungsoptimierung. E. Urban 170 Mittels Ultrafiltration werden Substrat (Milch, Molke) und Enzym räumlich getrennt, was bewerkstelligt, dass kein Enzym im Produkt zu finden ist. Dies ist ein wichtiges Argument zur Konsumentenüberzeugung. Das Membransystem ermöglicht weiters, dass die Aktivität des Enzyms solange wie möglich ausgenützt wird. Lactose, niedermolekulare Proteine und Salze treten durch diffusiven Stoffübergang von der Milch über die Membran in den Enzymraum. Dort wird die Lactose durch das Enzym in Glucose und Galactose gespalten. Die Reaktionsprodukte diffundieren ihrerseits in das Substrat (Milch, Molke) zurück. E. Urban 171 Reaktionsablauf im Kapillarrohr: E. Urban 172 Zur Stabilisierung der Enzymlösung werden Mikrofiltration und UV-Bestrahlung eingesetzt, wobei die UV-Technologie im Zusammenhang mit Enzymen eine weitere Neuheit darstellt. Im Zusammenhang mit der Membrantechnologie tritt das Problem des Fouling (Ablagerungen an den Membranoberflächen hauptsächlich durch Adsorption) auf. Dieses wird durch Spülungsvorgänge während der Produktion gelöst. Ein entscheidender Parameter für dieses Verfahren ist die Temperatur, die sowohl die Enzymaktivität und das Mikroorganismenwachstum als auch den diffusiven Stoffübergang beeinflusst. Die Lactosekonzentration und die Durchflussraten des Substrates (Milch, Molke) sind für die Diffusion und somit für den Hydrolysegrad mitentscheidend. Dieses neuartige Verfahren ermöglicht je nach Kundenwunsch Produkte mit unterschiedlichen Hydrolysegrad herzustellen, wie zum Beispiel lactosereduziertes sprühgetrocknetes Magermilchpulver, Molkepulver oder auch Molkekonzentrate (auch teilentmineralisiert). Aufgrund seiner positiven Eigenschaften als Nahrungsergänzungsstoff kann das lactosereduzierte Magermilchpulver zum Beispiel in Eiscreme, Süsswaren, Desserts, Backwaren, Kindernahrung, Sportlernahrung, etc. eingesetzt werden. E. Urban 173