Künstlerischer Wettbewerb zur Illumination des

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AUSLOBUNG
Künstlerischer Wettbewerb
zur Illumination des
Reichstagsgebäudes Berlin
Kulturprojekte
Illumination im öffentlichen Raum
1
A
Allgemeine Wettbewerbsbedingungen
1.
Anlass und Ziel des Wettbewerbs
Das Reichstagsgebäude in Berlin verkörpert wie kaum ein anderes Gebäude die bewegte deutsche Demokratiegeschichte von den Ansätzen im
Kaiserreich, dem Scheitern in der Zeit der Weimarer Republik, der Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur wieder gewonnenen
Einheit Deutschlands in einem zusammenwachsenden Europa.
Im übertragenen Sinne seines Erbauers Paul Wallots für „Staat und Stadt“
ist das zum Sitz des Deutschen Bundestages umgestaltete Reichstagsgebäude auch Ausdruck des politisch-kulturellen Selbstverständnisses der
Bundesrepublik Deutschland. Als markantes Bauwerk des Parlamentsviertels ist der Reichstag im täglichen Strom tausender Besucher ein
Wahrzeichen der innovativen, weltoffenen Bundeshauptstadt Berlin.
Anlässlich des 60. Gründungsjubiläums der Bundesrepublik Deutschland
am 23. Mai 2009 soll der Reichstag in Berlin in einer ästhetischen LichtInszenierung dauerhaft erstrahlen.
Die Stiftung „Lebendige Stadt“ lobt darum einen nationalen, unbeschränkten künstlerischen Wettbewerb aus. Ziel des Wettbewerbs ist es,
dem Reichstagsgebäude ein Nachtbild zu verleihen, das der Würde, der
Bedeutung und der Architektur des Charakterbaus gerecht wird. Dabei
sollen die Erfordernisse eines nachhaltigen Klimaschutzes vorrangig berücksichtigt werden.
Die Idee einer dauerhaften Illumination beruht auf der international
vielfach beachteten, temporären Licht-Inszenierung, welche die Stiftung
„Lebendige Stadt“ zur Fußball-WM 2006 angeregt und verwirklicht hatte. Unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert erstrahlte der Reichstag erstmals vom 1. Juni 2006 bis zum
10. Juli 2006 als Licht-Kunstwerk, dem der Wunsch vieler Berliner Bürger
wie Besucher nach einer adäquaten dauerhaften Beleuchtung folgte.
1
Das Projekt ist eine Gemeinschafts-Initiative der Stiftung „Lebendige
Stadt“, der Stiftung „Zukunft Berlin“ und der „Sparkassen-Finanzgruppe“, die der Bundesrepublik Deutschland die dauerhafte Illumination des
Reichstagsgebäudes zum Geschenk machen.
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2.
Auslober
Ausloberin des Wettbewerbs ist die
Stiftung „Lebendige Stadt“
Saseler Damm 39
22395 Hamburg
3.
Gegenstand des Wettbewerbs
Die Aufgabe des Wettbewerbs ist in Teil B der Auslobung im Einzelnen
beschrieben.
Gegenstand des Wettbewerbs ist die dauerhafte künstlerische Licht-Gestaltung des Reichstagsgebäudes, Platz der Republik, Berlin.
4.
Wettbewerbsart, Verfahrensform
Der Wettbewerb ist ein nationaler, freier, künstlerischer Ideenwettbewerb in Form eines offenen Verfahrens. Das Verfahren ist anonym. Von
den Bewerbern werden gem. Punkt 8) fünf Teilnehmer vorab ausgewählt,
welche die Gelegenheit erhalten, der Jury ihr Konzept persönlich zu präsentieren.
5.
Zulassungsbereich
Der Zulassungsbereich umfasst die Bundesrepublik Deutschland.
6.
Wettbewerbsteilnehmer
Teilnahmeberechtigt sind natürliche und juristische Personen, die die
fachlichen Leistungen der Wettbewerbsaufgabe erfüllen und bereits vergleichbare Lichtplanungsprojekte realisiert haben. Entsprechende Referenzunterlagen sind den Bewerbungsunterlagen beizufügen.
Mehrfachbewerbungen oder Mehrfachteilnahmen natürlicher oder juristischer Personen führen zum Ausschluss aller betroffenen Beteiligten.
7.
Bewerbung
Eine Bewerbung ist nur nach den von der Ausloberin in diesen Wettbewerbsunterlagen vorgegebenen Bedingungen möglich. Die Bewerbungsunterlagen sind ab dem 14.05.2008 unter www.lebendige-stadt.de und
www.reichstagsillumination.de im Internet als Download verfügbar. Die
Wettbewerbsunterlagen sind auch auf relevanten Fach-Plattformen im
Internet zu beziehen (www.highlight-verlag.de, www.lichtnet.de)
Die Ausführungen des Bewerbers sollen seine künstlerisch-gestalterische
Befähigung auf dem Gebiet der Lichtplanung, seine Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit belegen. Auch soll darin
seine Arbeitsweise bei der Konzeptumsetzung deutlich werden.
3
Die Bewerbungen sind bis zum 14.06.2008 bei der Stiftung „Lebendige
Stadt“ einzureichen.
Als Zeitpunkt der Einlieferung gilt der Poststempel oder bei einem anderen Transportunternehmen das auf dem Einlieferungsschein angegebene
Datum.
8.
Evaluierungs-Gremium
Ein Fach-Gremium prüft die eingereichten Bewerbungen und wählt fünf
Entwürfe aus, die von den Bewerbern der Jury persönlich präsentiert
werden können.
Es setzt sich wie folgt zusammen:
• Gerhard Fuchs, Staatsrat a.D.
(ehem. Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Freie und
Hansestadt Hamburg)
• Robert J. Pfarrwaller
Geschäftsführer Philips GmbH; Leiter Unternehmensbereich
Lighting; ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., Vorsitzender im Fachverband Elektrische Lampen;
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.
Mitglied; Vorstand und Beirat Fachverband Elektroleuchten;
Aufsichtsrat der Fördergemeinschaft Gutes Licht (FGL)
• Hans Stimmann, Architekt und Städteplaner, Berlin
Neben formalen Kriterien (z.B. fristgerechter Eingang) werden qualitative Kriterien (z.B. innovativer Ansatz, Nachweis von Referenzprojekten,
technische Realisierbarkeit, finanzielle Realisierbarkeit und Erfüllung der
ökologischen Bedingungen, siehe Punkt 10.) zugrunde gelegt.
9.
Jury
Die Jury wählt den Siegerentwurf aus und setzt sich wie folgt
zusammen:
• Prof. Peter Andres, Peter Behrens School of Architecture
• Jean-Michel Daclin; Deputy Mayor der „Lichtstadt” Lyon; Präsident
LUCI (Lighting Urban Community International Association)
• Dr. Heike Kramer, Direktorin Gesellschaftliches Engagement und
Veranstaltungsmanagement, Sparkassen-Finanzgruppe, Deutscher
Sparkassen- und Giroverband
• Dr. Christian Hanke, Bürgermeister Berlin Mitte
• Prof. Jörg Haspel, Landeskonservator, Landesdenkmalamt Berlin
• Dr. Volker Hassemer, Senator a.D., Vorstandsvorsitzender der Stiftung
Zukunft Berlin (Vorsitzender der Jury)
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• Kaspar Kraemer, Kaspar Kraemer Architekten BDA
• Dr. Andreas Mattner, Vorstandsvorsitzender der Stiftung
„Lebendige Stadt“; Vertreter Hamburgs in der LUCI
(Lighting Urban Community International Association)
• Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung
„Lebendige Stadt“
• Dr. Sören Roos, Leiter des Präsidialbüros des Bundestagspräsidenten
Prof. Dr. Norbert Lammert
• N.N., Vertretung des Staatssekretärs für Kultur Berlin
Nicht stimmberechtigte Mitglieder als Sachverständige der Jury sind die
unter Punkt 8) angeführten Personen.
10 . Beurteilungskriterien
Die Jury wird bei Bewertung und Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten
die folgenden Kriterien anwenden:
• künstlerisch-gestalterische Idee des Konzeptes
• Realisierbarkeit, Innovationsgrad des technischen Konzeptes
• Einbindung in den stadträumlichen Kontext
• Erfüllung der Belange des Denkmalschutzes
• Erfüllung der Belange des Klima- und Umweltschutzes
• Kosten der Maßnahmen (Installation, Folgekosten, Energiekosten,
Kostenkalkulation)
Es werden jedoch im Einzelnen keine Erwägungen mitgeteilt, die zur
getroffenen Entscheidung geführt haben.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
11. Preisgeld
Der von der Jury ausgewählte Siegerentwurf erhält ein Preisgeld in
Höhe von
1. Preis: 10.000 Euro
Weitere Preisgelder werden wie folgt vergeben:
2. und 3. Preis: 5.000 Euro
4. und 5. Preis: 3.000 Euro
Es ist beabsichtigt, dem Gewinner des Wettbewerbs den Auftrag für die
weitere Entwurfs- und Ausführungsplanung zu erteilen.
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12. Geforderte Wettbewerbsleistungen
Zur Bewertung der künstlerisch-gestalterischen Qualität und zur Erfassung der anfallenden Kosten sollen die Bewerbungsunterlagen neben der
Präsentation des künstlerischen Leitgedankens ebenso eine Kostenschätzung und ein Honorarangebot bezüglich der weiteren Bearbeitung und
Umsetzung enthalten.
Im Einzelnen werden vom Teilnehmer folgende Leistungen in digitaler
und analoger Form gefordert:
• Schriftliche Darstellung des Illuminations-Konzeptes für das Reichstagsgebäude in Zusammenhang mit den Wettbewerbsvorgaben
(gestalterische Leitidee, ökologische und Denkmalsschutz-Aspekte,
Aussagen und Fakten zur Technik, Montage, Wartung) einschließlich
Erläuterungen zur Wirkung im städteräumlichen Kontext (maximal
10 Seiten)
• Konzeptskizzen zur Ideenvermittlung bis max. 5 DIN-A2-Seiten
• Räumliche Darstellung des Gestaltungskonzeptes anhand je einer
Einzelansicht der vier Gebäudeseiten
• differenzierte Aufstellung der Kostenschätzung unter Ausweisung
der Material- und Installationskosten für die permanente Installation
• Darstellung der Energiekosten und Auflistung des CO²-Ausstoßes
und möglicher Einsparpotenziale
• Honorarangebot bzgl. der weiteren Bearbeitung und Konzeptumsetzung
• Nachweis der Referenzprojekte (in einem getrennten Umschlag,
nummeriert – Kennzeichnung wie nachfolgend beschrieben)
• Verfassererklärung (in einem getrennten Umschlag, nummeriert –
Kennzeichnung wie nachfolgend beschrieben)
Das Honorarangebot soll Aufschluss über Leistung und Kosten in der
Ausführungsplanung geben.
Die einzureichende Wettbewerbsarbeit ist in allen Teilen nur durch eine
Kennzahl aus sechs arabischen Ziffern zu kennzeichnen. Beizufügen ist
jeweils ein geschlossener Umschlag mit inliegender Adresse, Telefonnummer sowie der schriftlichen Erklärung der Urheberschaft und der
Erklärung, dass der Urheber in der Lage ist, den Auftrag zur Illumination
auszuführen. Kennzeichnungen, die Hinweise auf die Herkunft der Arbeit
geben könnten, sind nicht zulässig.
Alle Unterlagen sind parallel als Ausdruck (2-fach) und digital auf CD
einzureichen.
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13. Urheberrecht
Die Ausloberin erwirbt am eingereichten Entwurf das sachliche Eigentumsrecht. Das geistige Eigentumsrecht bleibt dem/der Verfasser/in
gewährt. Der/die Einsender/in erklärt ausdrücklich, dass dritten Personen an den eingereichten Werken keine Rechte welcher Art auch immer zustehen, er/sie daher alle urheberrechtlichen Rechte am Konzept
besitzt und somit auch berechtigt ist, über das Konzept zu verfügen.
Der/Die Wettbewerbsgewinner/in überträgt der Ausloberin alle Rechte
zur Nutzung des Konzepts sowie alle Veröffentlichungsrechte.
14. Anonymität
Die Verfasser der Wettbewerbsarbeiten bleiben mit Ausnahme der Präsentationen gemäß der Punkte 4) und 8) bis zum Abschluss der Preisgerichtsarbeiten anonym.
15. Unterlagen
Anlage 1: Historische Fassadenansichten der jeweiligen
Gebäudeseiten aus dem Wallot’schen Original-Atlas, 1897
Anlage 2: 2 Luftbilder
Anlage 3: 4 Fassaden-Fotos zur räumlichen Darstellung,
Deutscher Bundestag, Bildarchiv
Anlage 4: Fotosammlung mit Detail-Ansichten,
Deutscher Bundestag, Bildarchiv
Anlage 5: 3D-Übersicht des Spreebogen-Areals
Diese Unterlagen stehen ebenfalls digital zur Verfügung.
16. Termine
• Tag der Bekanntmachung
(Download der Unterlagen möglich ab)
14.05.2008
• Abgabe der Entwürfe bis zum
14.06.2008
• Jurysitzung
20.06.2008
• Vergabe des Auftrags
30.06.2008
• Fertigstellung der Planung
inkl. Abstimmung mit Denkmalschutz
• Baumaßnahmen und Fertigstellung
• Illumination – Premierenveranstaltung
August 08
Sept. 08 - April 09
22.05.2009
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17. Veröffentlichung der Ergebnisse
Die Ausloberin teilt den ausgewählten Teilnehmern die Ergebnisse der
Jury durch Übersendung des Protokolls mit. Der Ausloberin steht das
Recht der Erstveröffentlichung zu. Öffentliche Berichterstattung, insbesondere in der Tagespresse auf Veranlassung der Ausloberin ist jederzeit
auch über nicht ausgezeichnete Arbeiten möglich.
18. Absichtserklärung / weitere Bearbeitung
Die Ausloberin beabsichtigt, den von der Jury zur Ausführung empfohlenen Entwurf zu realisieren. Ein Anspruch des Wettbewerbssiegers besteht
nicht.
8
B
Wettbewerbsaufgabe
1.
Grundlagen
Zentrale Gestaltungsaufgabe ist die Erstellung eines künstlerischen nachhaltigen Licht-Konzeptes, das nach den Vorgaben des Denkmalschutzes
die historische Dimension des Bauwerks im räumlichen Kontext des Parlaments- und Regierungsviertels in einer hohen Ästhetik unterstreicht.
Es gilt, die architektonische Formensprache mittels einer kohärenten
Lichtsprache zu interpretieren, welche in ihrem Repertoire die Konturen
des majestätischen „Reichsstils“ Wallot’s bis hin zur erhabenen Transparenz der Foster’schen Glasarchitektur nacherzählt.
Einer hohen ökologischen Zielsetzung Rechnung tragend sollen in der
technischen Lösung die Belange des Umweltschutzes verstärkt berücksichtigt werden (z.B. Vermeidung von Lichtsmog, Kosten, niedrige Wattagen, Investitions-, Installations- und Folgekosten, Wartungskosten,
Insektenverträglichkeit).
2
Die Licht-Komposition soll sich im Nachtbild in den klaren Raumzusammenhang der Bauten am Spreebogen einfügen und zugleich einen respektvollen Akzent setzen.
2.
Streifzug durch die Bau- und Zeitgeschichte
Das Reichstagsgebäude des aus Oppenheim stammenden Baumeisters
Paul Wallot ist „dem Deutschen Volke“ gewidmet und wurde nach zehnjähriger Bauzeit im Jahre 1894 fertiggestellt. Nach langem Procedere
war der Plan gereift und mit allerhöchster Genehmigung besiegelt, den
Reichstagsabgeordneten ein „monumentales Parlamentshaus“ zu geben,
wie es der nationalliberale Abgeordnete Miquel in der sechsten Sitzung
der neugewählten Versammlung am 28. März 1871 in seiner Interpellation zum Ausdruck gebracht hatte.
3
Nach intensiven Debatten war ein Bauplatz mit einer Grundfläche von
11.550 m² bestimmt worden. Am 2. Februar 1882 wurde ein auf Österreich und Deutschland begrenzter Wettbewerb ausgeschrieben. Unter
den 189 eingegangenen Arbeiten wählte eine siebenköpfige Kommission
den Entwurf von Paul Wallot zur Bebauung aus. Versehen mit dem Signum „Für Staat und Stadt“ schlug Wallot „zur Wohlfahrt des deutschen
Volkes“ einen eindrucksvollen Prachtbau mit einem sechssäuligen Portikus in Korinthischer Ordnung vor.
Der architektonische Gestus Wallots hatte sich im Zuge verschiedener
Studienreisen zur Erkundung der Bauten von Palladio und Sanmicheli
herausgebildet. Wallot verband das „kraftvolle Bossenwerk mit Wappenschild und Toren“ Sanmichelis mit dem eleganten Stil des Palladio’schen
Palastbaues, der die Wandmassen aufzulösen wusste.
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Die historistische Formensprache manifestiert sich auch heute noch im
monumentalen Ausdruck des Bauwerks – trotz Kriegszerstörung und gesprengter Walmkuppel, die ihren modernen Widerhall in der Foster‘schen
„public space Kuppel“ findet. Auch trotz der massiven Umbaumaßnahmen in den 1960er Jahren, die mit einer drastischen Reduzierung des eklektizistischen Formenschmucks einhergingen, entfaltet sich das Gebäude würdevoll im Blick seines Betrachters. Elemente der Formensprache
sind die reich gegliederte Fassade mit mächtiger Kolossalordnung, die
vielen Varianten von Fensterordnungen, die Fassadenausschmückungen
aller Art, die verbleibenden plastischen Aufbauten und Figuren.
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Im „Dritten Reich“ hatte der Generalinspektor für die Neugestaltung der
Reichshauptstadt, Speer, der von Hitler mit einem neuen Städtebaukonzept zur Verwirklichung seines alle Maßen sprengenden Giganteums
„Bauten für die Ewigkeit“ beauftragt worden war, vorgeschlagen, den
Wilhelminischen Bau abzureißen. Hitler selbst wollte ihn jedoch im pittoresquen Gefallen als Bibliotheksgebäude nutzen und ihm eine minimierte Rolle in seiner monumentalen Reich-Inszenierung einräumen.
Die erste Zäsur der Zerstörung brachte der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933, ihr folgte im Endkampf um Berlin ein völliges Ausbrennen des
Inneren, welches sich mit 15.000 m³ Schutt ansammelte. Der Reichstag
war eine zerschossene, schwarz gebrannte Ruine, die vermauert mitten
aus einer kahlen Trümmerlandschaft trotzig und traurig am abgeholzten
Tiergarten herausragte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss der Deutsche Bundestag am
26. Oktober 1955, die Reichstagsruine wiederherzustellen. Nach den
Entwürfen des Architekten Baumgarten wurde in verschiedenen Bauabschnitten enttrümmert, die Substanz erhalten und der Innenraum
entkernt. In einem kaschierenden Ablehnen des Historischen schuf man
eine vollkommen neue Raumfolge. Die Plastiken und Stuckarbeiten als
Kennzeichen der Wallot‘schen Wucht wurden maßgeblich entfernt.
Belassen hat man die Aufbauten auf beiden Seiten des Mittelrisalits und
die Figuren der Attika.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung beschloss der Bundestag am
20. Juni 2001, dass Parlament und Regierung ihren Sitz wieder in Berlin
einnehmen.
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Mit seiner neuen transparenten Architektur gab der englische Architekt
Sir Norman Foster dem Gebäude Erhabenheit und Offenheit wieder, die
sich symbiotisch mit der machtvollen Architektur des Historismus verbindet. Mittels einer neuen effektiven Raumgestaltung wird der Reichstag seiner Bedeutung als bürgernahes Arbeitsparlament vollends gerecht.
Foster versah das Gebäude mit einer Himmelskuppel, die sich über dem
Plenarsaal erhebt, welcher wiederum von weiten Wandelhallen gesäumt
ist.
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Die begehbare Kuppel aus Glasschuppen, deren Inneres aus einem Spiegelkonus mit einer langsam hinauf zu beschreitenden Doppelhelix gebildet wird, lässt mittels ihres einzigartigen Lichtumlenksystems helles
Licht in den Plenarsaal fallen. Sie ist im wieder vereinten Deutschland zu
einem Zeichen der offenen Demokratie und zugleich ein Besuchermagnet geworden.
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2.1 Gründungsjubiläum der Bundesrepublik Deutschland
Die Geschichte bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland am
23. Mai 1949 ist eine wechselvolle Zeit jäher Umbrüche und Aufbrüche,
die mit der Geschichte des Reichstages im Symbolhaften eins wird. Koordinaten der Chronik sind das Ausrufen der Republik am 18. November
1918 durch Philipp Scheidemann, der Zusammenbruch der Weimarer Republik im Flammenlicht des angesteckten Reichstages am 27. Februar
1933 bis hin zum Untergang der nationalsozialistischen Diktatur 1945.
Das besetzte Deutschland geht nunmehr in der Teilung von Ost und West
getrennte Wege.
Die Bundesrepublik Deutschland erhielt nach der einjährigen Vorarbeit
des Parlamentarischen Rates mit dem Grundgesetz eine voll funktionsfähige provisorische Verfassung, die Konrad Adenauer am 23. Mai 1949
verkündete. Seitdem gilt dieser Tag als Gründungsdatum der Bundesrepublik, der am 3. Oktober 1990 die DDR beitreten konnte. Am 4. Oktober
1990 tritt der Deutsche Bundestag erstmals im Berliner Reichstagsgebäude zusammen.
7
3.
Fassaden-Gliederung und Proportionen
Die Wallot’sche Komposition des Reichstagsgebäudes ist ausgewogen
proportioniert und folgt sorgfältig den Regeln des Goldenen Schnitts
und der Quadratur. Wallot inszenierte seine Komposita in der Klarheit
der Waagerechten, mit senkrecht hinaufstrebenden Ecktürmen und einer
maßvollen Säulenanordnung.
Die Fassade misst in ihrer Breite von Nord nach Süd 137,4 m. Die Schmalseite beträgt 93,9 m, insgesamt umfasst der Reichstag eine umbaute
Raumfläche von rund 360.000 m³.
Der Unterbau der Front besteht aus einem 6,5 m hohen straff gequaderten Granit-Geschoss mit einfach geschnittenen und mit schmiedeeisernen Gittern versehenen Fensteröffnungen. Dem folgt wie ein Gurt,
welcher das gesamte Gebäude straff umfasst, ein weiterer Sockel, auf
den das Hauptgesims mit seinen Geschossen aufsetzt.
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Die Westfront besitzt entsprechend der Geschosszahl zwei Fensterreihen, die übrigen Fronten drei, die in ihrer schmuckvollen Wirkung eher
schlichter sind. Hierbei sind die Fenster der oberen Reihe mit Fazien umrahmt und mit Giebelverdachungen versehen. Die Fassade enthält rund
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300 Fensteröffnungen einschließlich der Innenhofseiten. Die früheren
Bronzerahmen wurden im Zuge des Foster’schen Umbaukonzeptes durch
solche aus Aluminium ersetzt.
Das Hauptgesims ist reichhaltig durch Vollsäulen, Wandpfeiler und Dreiviertelsäulen gegliedert. An den Ecktürmen und am Mittelrisalit der
Hauptfront treten die Säulen als Vollsäulen hervor. An der Westseite
bilden sie den Portikus. Die Säulenordnung setzt sich in Dreiviertelsäulen
an den rückgestellten Teilen der Westfassade und dem Mittelbau der
Ostseite fort. Die Nord-Südseite wird durch Wandpfeiler gegliedert.
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Das bedeutsamste Element der Westfassade, die man über eine ausgedehnte Freitreppe betritt, ist der 39 m breite Portikus mit seinem
mächtigen Schmuckgiebel. Er wird von sechs Säulen getragen, die einen
Durchmesser von 1,74 m besitzen und Zwischenöffnungen von 4 m lassen. Der Schmuckgiebel trägt am 16 m langen Architrav den berühmten
Weihespruch „Dem Deutschen Volke“. Einst aus Beutekanonen inmitten
des Ersten Weltkrieges gegossen, haben die Lettern die Wirren der Zeit
überdauert. Nur ein Buchstabe war im Zweiten Weltkrieg herausgefallen.
Ihre Geschichte ist wiederum eine eigene Geschichte, konnte sich doch
einst der Ausschmückungsausschuss des Reichstages nicht einig werden,
in welcher Schriftart die Buchstaben auszuführen seien, bis man schließlich doch Einigung fand und die Lettern notgedrungen anbrachte.
Der sich in starker Steigung erhebende wuchtige Portikusgiebel trägt
in seinem Feld das Reichswappen, welches von Hermelin umwallt wird.
Zwei kriegerische Schildhalter, die Nord- und Süddeutschland verkörpern,
stützen das Wappen. Allegorische Figurengruppen, die Kunst und Wissenschaft, Handel und Gewerbe darstellen, säumen die Wappenpracht.
Diese endet in einem Baldachin mit der Kaiserkrone.
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Die vier Ecktürme, welche dem Gebäude seine eindrucksvolle Wucht verleihen, stellen in ihrem literarisch-symbolischen Gedanken die vier Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg als Eckpfeiler des
Deutschen Reiches von 1871 dar. Das Fachgremium von 1957/58, das
von der Bundesbaudirektion Berlin mit der Restaurierung des Reichstages betraut war, hatte sich entschlossen, die Ecktürme nicht zu beseitigen, sondern lediglich in ihrer Höhe zu reduzieren. So bestimmen sie
das heutige kastellartige Bild des Wallotbaus mit ihrem noch verbliebenen symbolischen Figurenprogramm, welches die Kräfte der Wirtschaft,
Rechts- und Staatskunst, Kultur und Wissenschaft, Ackerbau und Viehzucht darstellt. In den oberen Ebenen der Ecktürme befinden sich jeweils
Sitzungsräume der Fraktionen.
Die Eckpavillons verhalten sich zu den Zwischentrakten und der Säulenhalle in der Breite des Goldenen Schnitts wie 3:5. Die Höhenproportionen
folgen ebenfalls dem Goldenen Schnitt, die Längengliederung ist nach
der Quadratur vorgenommen.
Vom gesamten sandsteinernen Figurenschmuck des Wallotbaus, der infolge Luftverschmutzung nunmehr von einer dunklen Patina überzogen
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ist, sind neben den Figuren der Ecktürme die Vasen übrig geblieben, welche die Fassaden im Abschluss der Dreiviertelsäulen und Wand-pfeiler
vertikal betonen.
Die Ostfassade ist schlichter in ihrer ornamentalen Sprache, aber ebenso
durch einen vorspringenden Mittelbau gekennzeichnet. Der Eingangsbereich in Form von zwei gegenüberliegenden Freitreppen strahlt Großzügigkeit aus. Vom Osteingang erreicht man das Gebäude über den großformatigen Vorplatz. Der Mittelbau ist mit drei tonnengedeckten Intervallen
mit Rundbogenöffnungen versehen. Die Wölbungen sind kassettiert. Die
Oberfenster sind durch kräftige Steinposten dreigeteilt.
Die Schmalseiten des Gebäudes, die sich im Norden an der Paul-LöbeAllee und im Süden zum Tiergarten hin erheben, sind weniger aus der
Front herausgezogen, um sie in der Kürze ihrer Ausdehnung nicht allzu
zerklüftet aussehen zu lassen. In ihrer ornamentalen Formensprache und
in ihren Fensterabschlüssen sind sie jedoch durchgebildet.
12
In der Gesamtbetrachtung der Fassade bildet die 24 m hohe Foster’sche
Kuppel in der Frage „Bauen und Demokratie“ einen harmonischen
Schlussakkord, der eine prägende Bedeutung für die würdevolle moderne
Gesamterscheinung des Hauses hat. Nachts schimmert die Kuppel bläulich, an Sitzungstagen hell und intensiv. Über die Dächer hinweg und
hindurch durch Straßenfluchten ist sie von vielen Punkten der Stadt in
ihrer gläsernen Silhouette als neues Symbol der Hauptstadt zu erkennen.
13
4.
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Das Spreebogen-Areal
Der Reichstag ist im Zusammenspiel der Bauten des Regierungs- und
Parlamentsviertels am Spreebogen erhabenes Momentum der Geschichte und zugleich ein lebendiges Zentrum der Politik geworden – war
er doch einst, so wie es Sebastian Redecke beschreibt, „ein einsames
graues Haus an der Berliner Mauer“. Für den Berliner Publizisten Dieter Hofmann Axthelm besaß er gar „eine eingebaute Seelenstarre“. Zu
neuem Leben erwacht, fügt er heute zusammen, was einst der eiserne
Vorhang am Spreebogen zerriss. Der Reichstag ist im pulsierenden Organismus des Parlamentsviertels eingebunden und fügt sich im Schaffen eines neuen Ganzen in die sich dichter verzahnende Stadtumgebung von Pariser Platz, Brandenburger Tor, mit neuem Hauptbahnhof
und dem Potsdamer Platz ein. Seine größte Raumwirkung entfaltet
sich im weiten Blick des Betrachters von Nordwesten und Südwesten.
Die repräsentative Westfassade erhebt sich über die Freitreppe ausgedehnt am Platz der Republik, der sich von Ost nach West erstreckt. Nördlich des Gebäudes schließt sich das Band des Bundes mit dem Bundeskanzleramt, dem Paul-Löbe-Haus und auf der anderen Seite der Spree
dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus an. Der Raumzusammenhang des neu
gestalteten Spreebogens ist durch lineare Achsen gekennzeichnet, wie
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sie aus der Planung der Berliner Architekten Axel Schultes in Zusammenarbeit mit Charlotte Frank zur Neustrukturierung der Bauten am Spreebogen hervorgingen.
Am nordöstlichen Eckturm streift das Ufer der Spree nahezu das Gebäude. Die Ostseite wird vom Ebertplatz als Vorplatz umfasst, welcher
mit großformatigen Granitplatten versehen ist. An der Ostkante entlang
verlief rund um das Gebäude die ehemalige Berliner Mauer. Eine im Boden des Ebertplatzes eingelassene Kerbe erinnert wie auch die Kreuze an
der Spreeböschung an die Mauer und an diejenigen, die dort ihr Leben
ließen.
Gegenüber der östlichen Seite befindet sich das ehemalige Reichstagspräsidentenpalais, welches ebenfalls in den Jahren 1897 – 1904 von
Wallot geschaffen wurde und heute als Sitz der Parlamentarischen Gesellschaft die Beletage der parlamentarischen Begegnung ist. Das Gebäude schließt sich mit dem Jakob-Kaiser-Haus zusammen, das mehr
als 2000 Abgeordneten und deren Mitarbeitern Arbeitsraum bietet. Mit
seinen weitläufigen Stockwerken und Öffnungen zur Spree hin hat es
nichts mit einem tristen Bürogebäude gemein. Im Süden grenzt das Gebäude an die grüne Lunge des Tiergartens. Unscheinbar an der Südwestseite des Gebäudes steht das Mahnmal aus Berliner Gusseisen, welches
in Anlehnung an jüdische Grabplatten aus schmalen abgebrochenen Tafeln besteht. Sie erinnern an die von den Nationalsozialisten ermordeten
Reichstagsabgeordneten.
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14
5.
Das ökologische Energie-Versorgungssystem
Vor dem Hintergrund, dass die zukünftige Licht-Inszenierung besonders
ökologischen Belangen Rechnung tragen soll, wird im Folgenden das
weltweit einzigartige ökologische Energieversorgungssystem der Regierungsbauten im Spreebogen erläutert.
Das grüne Herz des innovativen Systems schlägt in Form seiner Leitzentrale im Sockelgeschoss des Reichstages. Das Konzept koppelt die
Produktion von Strom, Wärme und Kälte. Kernstücke des hybriden Energieversorgungssystems sind zwei Blockheizkraftwerke auf Basis von Biodiesel (Rapsmethylester). Die Photovoltaikkomponente besteht aus einem Verbund von Solaranlagen, die mit einer Modulfläche von 10.000
m² auf den Dächern der verschiedenen Regierungsgebäude installiert
sind und eine Leistungskapazität von 776 kWp haben. Das Reichstagsgebäude selbst besitzt eine Photovoltaikanlage mit einer Modulfläche
von 310 m². Die solarthermische Komponente des Viertels umfasst
1.500 m² Sonnenkollektoren, die jährlich 579 MWh solare Wärme produzieren, und umfasst auch zwei Anlagen zur solaren Kälteerzeugung.
Zusätzlich sind in das Energiesystem noch Absorptionskältemaschinen
und Wärmepumpen eingebunden.
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Über Prozesse der Luftkonditionierung kann Sonne auch zur Kühlung
genutzt werden. Weitere Besonderheit des Energieverbundsystems
bilden als saisonale Wärme- und Kältespeicher zwei sog. Aquifer.
Ein Wärmespeicher in 300 Meter Tiefe, bestehend aus einem porösen
Sandstein mit Sole, nimmt im Sommer die überschüssige Abwärme der
Blockheizkraftwerke auf, die im Winter wieder zugeführt wird. Für die
Kältespeicherung wird ein Aquifer im Bereich des normalen Grundwassers in einer Tiefe von 60 Metern genutzt. Der Bundestag versorgt sich
selbst zu 40 – 50 % mit Strom aus den Blockheizkraftwerken. Die Solarkomponente stellt einen kleinen Versorgungsanteil dar. Insgesamt liefern
die Photovoltaikanlagen im Spreebogen-Areal ca. 1,1 % des Stromes
aus Solarenergie mit 370 kWp bei 263.000 kWh jährlicher Solarstromerzeugung.
Die gesamte Energieversorgung beruht auf einem Mix aus regenerativer
und konventioneller Energie. Ab Herbst wird die Versorgung nach Beschluss der Baukommission des Parlaments vom 13.03.2008 komplett
auf Ökostrom umgestellt. Hierzu wird es eine öffentliche Ausschreibung
geben.
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6.
Das Reichstagsgebäude in Zahlen
Umbauter Raum:
Hauptnutzflächen:
Gesamthöhe des Reichstagsgebäudes
mit Kuppel auf Straßenniveau:
Länge des Reichstagsgebäudes:
Breite des Reichstagsgebäudes:
Höhe der Dachterrasse:
Höhe der Aussichtsplattform
ab Straßenniveau:
Höhe der Kuppel ab Dachterrasse:
Kuppeldurchmesser:
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7.
360.000 m³
zirka 11.000 m²
54 m
137,4 m
93,9 m
30 m
47 m
24 m
40 m
Vorgaben
An die Entwicklung des Entwurfs werden verschiedene Anforderungen
im Aufzeigen von Leitlinien gestellt:
7.1 Künstlerische Leitlinien
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Die Lichtinszenierung ist unmittelbar vom Bauwerk und seinen architektonischen Vorgaben abzuleiten. Sie dient ausschließlich der Darstellung
des Gebäudes und seiner formalen Themen. Sie tritt nicht als eigenständige bzw. eigenmächtige Inszenierung in Erscheinung. Eine Gestaltung
mit anderen Vorgaben (z.B. Projektionen, Bildinhalte, Farbgebungen, interaktive Medien etc.) ist ausgeschlossen, ebenso willkürliche Akzentuierungen, die einem kohärenten, in sich schlüssigen Gesamtbild widersprechen. Entsprechende Berücksichtigung soll der Figurenschmuck wie
auch der am Architrav befindliche Weihespruch „Dem Deutschen Volke“
finden.
Die ausschließlich zu verwendende Lichtfarbe Weiß umfasst in ihrem
Farbtemperatur-Spektrum die Stufen 2.500 bis 5.000 Kelvin, wie sie
auch als Richtgröße in den Lichtmasterplänen der Kommunen fixiert ist.
Dies entspricht einem warmen angenehmen Farbton. Die Lichtquellen
sind je nach Reflexionseigenschaften, Textur und Eigenfarbe der Bauwerkoberflächen in Hinblick auf hohe Farbwiedergabe und abgestufte
Leuchtdichten zu setzen.
Aufgabe ist die Konzeption eines insgesamt zurückhaltend-ruhigen, klaren, „klassisch repräsentativen“ Auftritts ohne interpretatorische Effekte,
ohne plakative, energieintensive Distanzanstrahlungen und ohne Wechsellicht. Das unmittelbare Umfeld des Reichstages ist aus Verkehrs- und
Veranstaltungsgründen freizuhalten, weshalb der Einsatz von mast- bzw.
pollergestützten Anstrahlungen nicht in Betracht kommt.
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Die Farbnuancen des Baustoffes, der bis auf den Granit des Sockels vornehmlich aus grauen Sandsteinen schlesischer Provenienz stammt, sind
in ihrer ästhetischen Wirkung in einen harmonischen Zusammenhang
mit der Lichtfarbe zu stellen.
Eine Beeinträchtigung der üblichen Gebäudenutzungen durch die Lichtgestaltung (z.B. Lichteinfall in die Bürofenster, Blendungen von Besuchergruppen etc.) ist auszuschließen. Distanzstrahlungen mit hohem
Energieverbrauch und plakativen Bildergebnissen sind ebenso ausgeschlossen.
7.2 Räumliche Abgrenzung und stadträumliche Belange
Der Programmbereich beinhaltet alle vier äußeren Gebäudeseiten mit
ihrem reich gegliederten Fassadenwerk, dem vorgeschobenen Sockelgeschoss, den Eingangs- und Dachbereichen samt Treppen und der 4 Ecktürme. Die Westseite, wie sie sich in ihrer großzügigen Wirkung am Platz
der Republik entfaltet, ist in ihrer Repräsentativfunktion entsprechend zu
akzentuieren, ohne die monumentale Einheit des Gebäudes zu vernachlässigen. Die für Zufahrten bestimmten Flächen sind in ihrer Beleuchtung zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Vorplätze. Im Ensemble
der Regierungs- und Parlamentsgebäude des Spreebogens gilt es dem
Reichstagsgebäude seiner bedeutsamen Stellung im Raum entsprechend
gerecht zu werden.
Die Beleuchtung des Foster’schen Kuppelbauwerks ist zu übernehmen
und entsprechend in das Gesamtkonzept einzufügen. Dies gilt auch für
die vorhandene Beleuchtung der Innenraumebenen. Zu integrieren ist
auch die Beleuchtung des 20 Meter hohen stählernen Fahnenmastes,
der stets auf Vollmast stehenden „Fahne der Einheit“ am Platz der Republik. Er steht an der Stelle der Rednertribüne, die 1948 einst für Ernst
Reuter zum Aufruf der Völker im Freiheitskampf aufgebaut war. In die
Beleuchtung ist ebenfalls das Fahnenensemble zu integrieren, welches
als Dreier-Formation seitwärts der Fahne der Deutschen Einheit steht.
Einzubeziehen sind auch die beleuchteten Fahnen auf den Ecktürmen.
19
Die Lichtgestaltung soll im stadträumlichen Kontext der Gesamtsilhouetten und im Einklang mit der Lichtstimmung der imposanten Bauwerke des Spreebogen-Areals stehen. Zugleich soll sie dem Reichstag eine
entsprechende würdevolle Betonung verleihen. In direkter Sichtachse ist
insbesondere die Wechselwirkung mit der Nachtsilhouette des Bundeskanzleramtes zu berücksichtigen. Gleichsam sind in der direkten Lichtraumwirkung der Ostseite harmonisierend die Silhouetten der Parlamentarischen Gesellschaft und des Jacob-Kaiser-Hauses zu berücksichtigen.
Abschließend ist im Wirkungszusammenhang die sehr kurze Distanz zum
Paul-Löbe-Haus zu bedenken, welches unmittelbar nördlich angrenzt.
17
7.3 Anforderungen an die Lichttechnik
Das zu entwickelnde Konzept beinhaltet eine innovative Beleuchtung
mit unauffälligen blendfreien Lichtquellen. Gemäß den Anforderungen
des Denkmalschutzes soll eine architektur- und gestaltgerechte Beleuchtung erfolgen. Weiterhin sind energieeffiziente Leuchtmittel einzusetzen, die unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit wartungsfreundlich sind
und eine hohe Lebensdauer besitzen. Entscheidender Faktor bei der Wahl
der Leuchtmittel ist auch der niedrige Energieeinsatz. Zu verwenden sind
Leuchtmittel des Niedrigschwellenbereichs. Die durchschnittliche Leistung aller Lichtpunkte sollte 35 Watt nicht überschreiten. Die Optimierung der Licht-Punkt-Dichte ist eine weitere Maxime der technischen
Konzeption.
7.4 Besondere Leitlinien
Es liegt auf der Hand, dass die Beleuchtung des Reichstagsgebäudes als
eines der namhaften internationalen Baudenkmäler den sensiblen Belangen des Denkmalschutzes unterliegt.
Einhergehend mit den Herausforderungen der Gesellschaft, eine ganzheitliche Lösung der Energiefrage zu finden, spielt zugleich die Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes und
der Energieeffizienz eine ebenso bedeutsame Rolle, die entsprechend in
der gestalterischen wie auch im Zuge der technischen Umsetzung berücksichtigt werden soll.
7.5 Belange des Denkmalschutzes
Das charakteristische Momentum des Reichstages darf in keiner Weise
verändert werden.
20
In der Tagesansicht soll die für die nächtliche Beleuchtung erforderliche
Lichttechnik nicht in Erscheinung treten. Zwingend ist die Miniaturisierung der Lichttechnik, so dass das Bauwerk in der Tagesansicht nicht
beeinträchtigt wird. Im Hinblick auf die konstruktiven Anforderungen
bedeutet dies, dass die Befestigungen für die permanente Illumination
das Bauwerk nicht beschädigen dürfen. Fugen dürfen nicht angebohrt
werden. Festinstallationen mit Bohrungen oder Schweißen sind nicht zulässig. Darüber hinaus ist die Verlegung neuer Leitungen mit dem Denkmalschutz aufs Engste abzustimmen. Dies gilt für alle Maßnahmen.
18
7.6 Belange des Umwelt- und Klimaschutzes
Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz ein und
ist der High-Tech-Pionier im weltweiten Vorantreiben der Erneuerbaren
Energien. Klimaschutz ist über Parteigrenzen hinweg die zentrale Frage
der Zukunft, wie dies nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel auf
dem UN-Klimagipfel im September 2007 herausstellte.
Als Sitz des Parlamentes mit seinen Volksvertreterinnen und Volksvertretern steht der Reichstag unter besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit, die mit einer besonderen politischen Verantwortung einhergeht. Die
Licht-Inszenierung soll den Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig zeigen, dass Klimaschutz machbar ist und sich lohnt.
Die globalen Herausforderungen des Klimawandels und des Umweltschutzes annehmend soll die Gestaltung des Entwurfs auf einer energieeffizienten und nachhaltigen Lösung basieren. Gefordert ist eine intelligente Lösungskonzeption, die technische Innovation und Energieeffizienz
miteinander verbindet. In Sachen Energieeffizienz sind Leuchtmittel zu
wählen, die sich durch Langlebigkeit und geringen Energieverbrauch
auszeichnen. Der zu erarbeitende Entwurf basiert auf der Verwendung
von sauberem Strom. Zu berücksichtigen ist die Optimierung der CO²Emissionen unter Aufzeigen von Einsparpotenzialen im Vergleich zu der
bisherigen konventionellen Beleuchtungslösung.
Der Entwurf soll einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz
leisten und damit ein Signal für eine nachhaltige Energieversorgung setzen. Die Lichtkonzeption soll sich beispielhaft in das regenerative Energiesystem des Reichstages und damit in das gesamte regenerative Versorgungssystem des Parlamentsviertels einfügen. Sie soll vorbildlich im
Einklang mit anderen Maßnahmen für einen klimaneutralen Bundestag
stehen (z.B. Anti-Standby-Kampagne, Senkung der CO²-Emissionen der
Dienstfahrzeugflotte, etc.). Als vorbildliche Maßnahme soll sie beispielsweise bei Energie- und Umweltführungen im Bundestag sehr gut darstellbar und vermittelbar sein.
Unter dem ökologischen Leitbild soll der Entwurf als wichtiger Baustein
außerdem eine Weiterentwicklung des regenerativen Energiesystems
dokumentieren. Als internationales Best-Practice-Modell dient er zur
Sensibilisierung der Bevölkerung im nachhaltigen Umgang mit Energieressourcen. Den holistischen Ansatz der Nachhaltigkeit weiterführend,
beinhaltet die Aufgabe ein Verbinden der Aspekte Licht, Kunst, Technik,
Ökonomie und Ökologie. Vorschläge einer stringenten Kommunikationsund Visualisierungsstrategie sind in das Konzept beispielhaft einzubinden.
Außerdem soll die Licht-Inszenierung des Bauwerks die Aufmerksamkeit
der vielen Menschen, die es nachts erblicken und die es auch tagtäglich
betreten, die es besuchen und die darin arbeiten – politische Akteure,
Entscheidungsträger, Bürgerinnen und Bürger, internationale Besucher
– im kognitiven Erfahren und im Sinne des genius loci geschickt auf die
Energiethematik lenken.
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Die intensive Auseinandersetzung der Künstlerin / des Künstlers mit der
Thematik der Nachhaltigkeit und Energie soll im Konzept deutlich werden. Nicht zuletzt ist nach Feststellung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§ 3, Absatz 2) Licht zu den Immissionen zu rechnen und übt auf
Insekten beispielsweise phototoxische Reize aus. Aus lichtökologischen
Gründen sind deshalb geeignete technologische Mittel (blendfrei, insektenverträglich) einzusetzen, so dass die Gefährdung nachtaktiver Insekten minimiert wird und Auswirkungen auf die urbane Flora und Fauna
auf ein Minimum reduziert werden.
8.
Die Stiftung „Lebendige Stadt“
Die Stiftung „Lebendige Stadt“ widmet sich im kreativen Erhalten der
Stadtvielfalt einer aktiven Gestaltung der Zukunft der Städte – im Bereich kultureller Zwecke, der Wissenschaft und Forschung, der Pflege und
Erhaltung von Kulturwerten sowie der Denkmalpflege. Die gemeinnützige
Stiftung hat im Sinne des Best-Practice-Gedankens bereits eine Vielzahl
von Stadtkulturprojekten zur Revitalisierung von Innenstädten entwickelt und gefördert. Außerdem unterstützt sie im Rahmen eines internationalen renommierten Städteforums den Know-how-Transfer zwischen
Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Die Stiftung „Lebendige Stadt“ verfügt über vielschichtige Erfahrungen in der
Umsetzung von international ausgezeichneten Illuminationsprojekten.
Darunter sind beispielsweise Pionierprojekte wie die Lichtgestaltung des
Rheinpanoramas in Köln (ausgezeichnet mit dem Weltlichtpreis), die Effektbeleuchtung der Hamburger Speicherstadt oder die Lichtakzentuierung der Hochöfen im saarländischen Neunkirchen.
20
Redaktion:
Dr. rer. nat. Beate Bund
Projektleitung Illumination Reichstag
Stiftung „Lebendige Stadt“
Saseler Damm 39
22395 Hamburg
21
Literaturnachweis
BUNDESBAUGESELLSCHAFT BERLIN mbH (2003): Aufbruch in eine neue
Architektur und Technik, Das Parlaments- und Regierungsviertel im
Spreebogen, Berlin.
DEUTSCHER BUNDESTAG (2006): Ein Rundgang durch Parlamentsviertel, Hrsg. Referat Öffentlichkeitsarbeit, Berlin.
DEUTSCHER BUNDESTAG (2007): Der Deutsche Bundestag im Reichstagsgebäude, Hrsg. Referat Öffentlichkeitsarbeit, Berlin.
HESS, HANS-JÜRGEN (1999): Unter der Kuppel, Reichstagsgebäude und
Parlamentsviertel, Einblicke und Ausblicke, Verlag Brandenburger Tor,
Berlin.
FOSTER, NORMAN; PAWLEY, MARTIN; ENGEL, HELMUT; BUCHANAN,
PETER et. al. (1999): Der neue Reichstag, Brockhaus, Mannheim.
KELLERHOF, SVEN FELIX (2008): Der Reichstagsbrand – die Karriere
eines Kriminalfalls. Be.bra. Verlag, Berlin.
RAACK, HEINZ (1978): Das Reichstagsgebäude in Berlin, Gebr. Mann
Verlag, Berlin.
REDECKE, SEBASTIAN (1999): Der Bundestag. Sonderdruck für den
Deutschen Bundestag aus Bauwelt 1999, Heft 18/19.
SCHNEIDER, OSKAR (2006): Kampf um die Kuppel, Baukunst in der
Demokratie, Bouvier Verlag Bonn.
SOENNECKEN, FRIEDRICH (1915): Die Aufschrift am Reichstagsgebäude
„Dem Deutschen Volke“ – eine Schriftstudie, Staatsbibliothek Berlin.
WALLOT, PAUL (1897): Das Reichstagsgebäude in Berlin, Nachdruck
der Ausgabe des Cosmos Verlages für Kunst und Wissenschaft, Leipzig
1897/1913 von Westermann 1987, Hrsg. Deutscher Bundestag,
Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Bonn.
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BILDNACHWEIS
Titelbild: Panorama Westseite, Fotograf: Christian von Ganski,
www.ruhrfotograf.de.
1. Reichstagsgebäude ca. 1894 bis ca. 1900 / Detroit Publishing Co.,
catalogue foreign section. Detroit, Mich.: Detroit Photographic
Company, 1905 / Library of Congress Prints and Photographs
Division, Washington, D.C. 20540 USA.
2. Westseite, Portikus, Ausschnitt des Fassaden-Aufrisses aus dem
Wallot’schen Atlas, Reprint Westermann.
3. Ansicht des Reichstagsgebäudes, Titelbild des Wallot’schen
Atlas, Reprint Westermann.
4. Architekt Paul Wallot (1841-1912), Portrait mit Unterschrift,
Deutscher Bundestag.
5. Von der Westfront, Tafel aus dem Atlanten Wallots, Reprint von
Westermann.
6. Kuppel, Fotografie von Christian Denis Müller.
7. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Titelblatt gezeichnet
von Adenauer (Präsident des Parlamentarischen Rates) und den
Vizepräsidenten Schönefelder und Schlüter.
8. Ausschnitt / Fensterreihen der Westfront, Aufriss der Westseite,
Tafel aus dem Atlanten Wallot’s, Reprint Westermann.
9. Ausschnitt / Eckturm, Fassaden-Aufriss der Westseite, Tafel aus
dem Atlanten Wallot’s , Reprint Westermann.
10. Ausschnitt / Portikus, Dem Deutschen Volke, Fotografin:
Patricia Düsselmann.
11. Eckturm, Süd-Ost, Fotografie, Deutscher Bundestag,
Verwaltung, Fotograf: Achim Melde, Lichtblick.
12. Ostseite, Mittelbau, Tafel aus dem Atlanten Wallots.
13. Luftbildansicht des Reichstages von Südost,
Bundesbaugesellschaft mbH, Berlin.
14. 3D-Modell des Spreebogen-Areals, Bundesbaugesellschaft mbH,
Berlin.
23
15. Spreebogen-Panorama Nord-Ostseite, Fotograf: Thomas
Rieger, Regensburg, www.rigatonis-fotoecke.com.
16. Solaranlage im Regierungsviertel, im Hintergrund
der Reichstag, Bundesverband Solarwirtschaft.
17. Besucherstrom am Reichstag, Ausschnitt Westfassade,
Deutscher Bundestag, Bildarchiv, Fotograf: Achim Melde, Lichtblick.
18. Ausschnitt Eckturm, Deutscher Bundestag.
19. Fahnenensemble vor dem Westportal, Fotograf: Christian
von Ganski, www.ruhrfotograf.de.
20. Wappenschild Königreich Sachsen, von Herolden behütet;
Ausschnitt aus den Relieftafeln am Portikus, Fotografin: Viola Voss,
Münster.
Schlussbild: Westfassade, Aufriss, Atlas Wallot.
Bildnachweise der Wettbewerbs-Unterlagen
Anlage 1: Historische Fassadenansichten der jeweiligen
Gebäudeseiten aus dem Wallot’schen Original-Atlas, 1897.
Anlage 2: 2 Luftbilder, Bundesbaugesellschaft mbH, Berlin.
Anlage 3: 4 Fassaden-Fotos zur räumlichen Darstellung,
Deutscher Bundestag, Fotograf: Achim Melde
Anlage 4: Fotosammlung mit Detail-Ansichten, Deutscher Bundestag.
Anlage 5: 3D-Übersicht des Spreebogen-Areals, Bundesbaugesellschaft mbH, Berlin.
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