EXPERIMENTELLE PHYSIK IV Statistik-Thermodynamik

Werbung
EXPERIMENTELLE PHYSIK IV
Statistik-ThermodynamikFestkörperphysik
Skriptum zur Vorlesung von Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pfeiler
Autoren: Sebastian Stefanitsch, Manuel Bahr
E-Mail: [email protected]
Skript wurde großteils übernommen aus SS07, Autor: Georg Kopsky
HINWEIS:
Dieses Skript wurde, mit freundlicher Erlaubnis von Georg Kopsky, großteils von seinem SS07
Skript übernommen.
Dieses Skript ist rein zur Unterstützung für die Vorlesung Einführung in die Physik IV“ ge”
dacht und hat keinen kommerziellen Zweck.
Alle Bilder die in diesem Skriptum vorkommen wurden, wenn nicht anders gekennzeichnet,
aus den Vorlesungsfolien entnommen.
Falls bestimmte Bilder gegen das Urheberrecht verstoßen, bitte ich Sie, mich darauf hinzuweisen und ich werde es sofort aus dem Skript entfernen.
Danksagungen:
Sebastian Stefanitsch:
Herzlicher Dank geht an Georg Kopsky, da ich mit seiner Erlaubnis sein Skript übernehmen
durfte.
Ich bedanke mich recht herzlich bei unseren Vorlesenden Prof. Dr. Wolfgang Pfeiler für die
tolle und interessante Vorlesung und das er diesen sehr langwierigen Stoff mit viel Mühe uns
Studenten schmackhafter machen konnte.
Großer Dank geht auch an Manuel Bahr, da ich ohne ihm nie das Skript zusammenfassen hätte
können, da er in der Vorlesung die Formeln und Zeichnungen mitgeschriebn und in LaTeX
übernommen hat. Ausserdem hat er mich mit Verbesserungsvorschlägen und Fehlersuche unterstützt.
An Dominik Dillhof das er mir seine Vorlesungsmitschrift zur Verfügung gestellt hat, um bestimmte Formulierungen und Formeln zu kontrollieren, oder ggf. ausbessern zu können.
Inhaltsverzeichnis
1
2
Statistische Physik
1.1 Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Grundgriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2 Die eindimensionale Zufallsbewegung (random walk → Diffusion) . . .
1.1.3 Mittelwertbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.4 Die Gauß’sche Wahrscheinlichkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Statistik von Vielteilchensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Mikroskopische Beschreibung des Systemzustandes, Zustandsraum . . .
1.2.2 statistisches Ensemble und Makrozustände . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Das grundlegende Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.4 Mikrokanonische Zustandssumme und Berechnung der Wahrscheinlichkeit makroskopischer Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.5 Teilchen im 3-dimensionalen Kasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.1 Thermische Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen . . .
1.3.2 Thermisches Gleichgewicht und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.3 statistische Physik und Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.4 Systeme in Kontakt mit einem Wärmereservoir, kanonische Zustandssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.5 großkanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3.6 Der Gleichverteilungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Quantenstatistik idealer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.1 Die Abzählung der Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.2 Die Maxwell-Boltzmann-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.3 Die Fermi-Dirac-Statistik (1926) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.4 Die Bose-Einstein-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.5 Quantenstatistik im klassischen Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
1
4
8
12
15
15
19
20
Festkörperphysik
2.1 Die chemische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Die Typen der chemischen Bindung . . . . . . . .
2.1.2 Mehratomige Moleküle, Kovalente Bindung . . .
2.1.3 Ionenkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4 Kovalente und metallische Kristalle . . . . . . . .
2.2 Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
2.2.1 Kristallgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Die Struktur einfacher Kristalle . . . . . . . . . .
2.2.3 Kristallographische Ebenen und Richtungen . . .
2.2.4 Das reziproke Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.5 Beugung am Kristall . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.6 Gitterfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
59
60
65
66
71
72
72
79
81
85
88
97
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
20
23
25
25
29
31
34
38
40
41
44
46
47
51
55
2.3
2.4
Spezifische Wärme eines Festkörpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 molare Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Wärmekapazität und spezifische Wärme . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3 Die klassische Theorie für die spezifische Wärme der Festkörper
2.3.4 Das Einstein-Modell (1906) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.5 Das Debye-Modell (1912) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.6 Die spezifische Wärme der Leitungselektronen . . . . . . . . . .
Phononen: quantisierte Gitterschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.1 Potonen und Phononen, Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
97
97
98
99
100
103
109
110
110
1
STATISTISCHE PHYSIK
1
1
Statistische Physik
Nun wir haben uns im letzten Semester mit Systemen aus wenigen Teilchen beschäftigt (Atome, Systeme Nukleonen, Elementarteilchen) Statistische Physik beschäftigt sich aus Systemen
mit vielen Teilchen (Gase, Flüssigkeiten, Photonensysteme)
Wir unterscheiden zwischen mikroskopischen und makroskopischen Systeme:
• mikroskopisches Systeme: Dimension ≤ 1µm (Atomare Dimension)
• makroskopisches Systeme: sichtbar im Licht Mikroskop (≥ µm); ein System das aus
vielen Atomen und Molekülen besteht
– makroskopische Parametern: Volumen, Temperatur, Druck, Magnetisierung
Ereignis: Ergebnis einer Messung (des Zustands eines Systems)
Beispiel: Energie eines Gasmolekühls (Energie in gew. ∆E, Druckmessung, Wurf eines Würfels)
Ereignis ist zufällig wenn es unter gewissen Bedingungen eintritt oder nicht eintritt.
Eine Größe (Variable) ist dann zufällig, wenn sie unter bestimmten Bedingungen nur vom Zufall
abhängig ist. Zufällige Größen charakterisieren wir durch die Wahrscheinlichkeiten (W) mit der
ihre Werte auftreten. Die statistische Methode untersucht welche Regelmäßigkeiten fallen bei
solchen Vorgängen aus vielen zufälligen Einzelereignissen auf.
1.1
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
1.1.1
Grundgriffe
Für die statistische Beschreibung werden im allgemeinen sogenannte Ensembles verwendet:
• Ensemble ist die Gesamtheit (= statistisches Kollektiv = Schar) einer großen Zahl N von
gleichen präperierten (= gleichen Randbedingungen unterworfen) Systemen
Frage: Mit welcher W tritt ein bestimmtes Ereignis auf?
Entweder:
• je eine Messung an N gleichartigen Systemen → Enseblemittel = Scharmittel
oder
• N Messungen am selben System → Zeitmittel
Wenn der Systemzustand zeitunabhängig ist, dann folgt das beide Methoden gleichwertig sind.
Ein System ist genau dann im Gleichgewicht, wenn das zugehörige Ensemble zeitunabhängig
ist.
2
1.1
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
M . . . Anzahl der Möglichkeiten einander ausschließender Ergebnisse
N . . . Gesamtzahl der Messungen
Nj . . . Anzahl der Messungen die das Ergebnis j liefern (j = 1, 2, . . . , M )
Definieren:
• die relative Häufigkeit (für das Ergebnis j): hj =
Nj
N
≤1
Nj
N →∞ N
• statistische Wahrscheinlichkeit (für das Ergebnis j): Wj = lim hj (N ) = lim
N →∞
M
N
j=1
j=1
≤1
Es gilt: ∑ Nj = N ⇐⇒ jede Messung muss ein Ergebnis aus M liefern ⇒ ∑ hj = 1
Additions und Multiplikation von Wahrscheinlichkeiten
Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten irgendeines von zwei einander ausschließenden Ereignissen i und j:
Ni oder j = Ni + Nj
⇒ Wi oder j = Wi + Wj
. . . Additionssatz
(1.1)
Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige oder hintereinander in Serie auftretender zweier Ereignisse i, j die voneinander unabhängig sind:
Wi und j = Wi ⋅ Wj
. . . Multiplikationssatz
(1.2)
Wenn wir keine weiteren Annahmen machen können, können wir auch keine Vorhersagen über
das Auftreten der M Ereignisse machen. Wenn wir aber die Annahme machen, das gleiche
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der M Ergebnisse (gleiche a priori ..von vornherein Wahrscheinlichkeit der Elementarereignisse)
⇒ Wj wird unabhängig von j: Wj =
1
M
1
= Anzahl der möglichen
Ereignisse
1
STATISTISCHE PHYSIK
3
Beispiel 1:
Würfel: Anzahl der Ereignisse M = 6 = 1,2,3,4,5,6
Experiment: Machen 100 Würfe → 17 mal 6 ⇒ W6 =
48 Würfe mit Augenzahl ≤ 3 W≤3 =
48
100
17
100
= 0.17
= 0.48
Beispiel 2:
10 Kugeln in einer Schachtel: 5 Rote, 3 Grüne, 2 Blaue
Fragen uns wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass beim wahllosen hineingreifen die grüne
Kugel gezogen wird?:
Annahme:
Wahrscheinlichkeit ist für jede Kugel gleich groß → Additionssatz: Wgrün =
1
10
1
1
+ 10
+ 10
= 0.3
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass die Grüne oder Blaue erwischt wird?:
Additionssatz: Wgrün = 0.3,
Wblau = 0.2 → Wgrün + Wblau = 0.5
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit zuerst grün, dann blau?
Wgr
dann bl
= Wgrün ⋅ Wblau = 0.3 ⋅ 0.2 = 0.06 − wenn grün zurück gelegt wird!
Wenn grüne Kugel draussen: W →
1
9
⇒ Wgr
dann bl
= Wgrün ⋅ Wblau = 0.3 ⋅
2
9
= 0.067
4
1.1
1.1.2
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die eindimensionale Zufallsbewegung (random walk → Diffusion)
Wir haben ein Teilchen welches eine Verschiebung vom Ursprung (auf x-Achse) erfährt
Nach N Verschiebungen der Länge l befindet sich das Teilchen dann an der Stelle x = m ⋅ l (m
ganz, −N ≤ m ≤ N , −N wenn nur Linkssprünge, N wenn nur Rechtssprünge)
Frage: Wahrscheinlichkeit PN (m), dass Teilchen nach N Verschiebungen an bestimmter Stelle
x = m ⋅ l ist?
n1 Verschiebung nach rechts
n2 Verschiebung nach links
N = n1 + n2
resultierende Verschiebung (in Einheiten von l):
m = n1 − n2
⇒ resultierende Verschiebung vom Ursprung:
m = n1 − n2 = n1 − (N − n1 ) = 2n1 − N
(1.3)
Aus (1.3) folgt natürlich sofort, dass m (un)gerade ist ⇔ N (un)gerade ist.
Unter der Annahme, dass aufeinanderfolgende Sprünge statistisch unabhängig sind und kein
Einfluss der Vorgeschichte besteht, definieren wir uns p als die Wahrscheinlichkeit für einen
Sprung nach rechts und q = 1 − p für dasselbe nach links. Für die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Abfolge von Sprüngen benötigen wir nach dem vorigen Abschnitt das
Produkt der Wahrscheinlichkeiten:
p ⋅ p⋯p ⋅ q ⋅ q⋯q = pn1 ⋅ q n2
´¹¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹¶
n1
n2
(1.4)
(Produktsatz kommt ins Spiel Abfolge von Rechtssprünge n1 & Linkssprünge n2 )
Jetzt kommt die Kombinatorik ins Spiel. Die Kombination von n Elementen zu je m Teilen ohne
Berücksichtigung der Anordnung ist ja bekanntlich gegeben durch:
n!
n
( )=
m
m!(n − m)!
(1.5)
Frage: Wieviele Möglichkeiten gibt es, die Sprünge so auszuführen dass n1 nach rechts und
n2 nach links?
N!
N!
N
( )=
=
n1
n1 !(N − n1 )! n1 !n2 !
(1.6)
1
STATISTISCHE PHYSIK
5
Die Wahrscheinlichkeit, also das Objekt nach insgesamt N Sprüngen an einer bestimmten Stelle
zu finden ergibt sich durch das Produkt aus Anzahl der Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeit
der Abfolge:
PN (m) = WN (n1 ) =
N!
n1 n2
n1 !n2 ! p q
N
= ( ) pn1 (1 − p)N −n1
n1
(1.7)
Das ist die altbekannte Binomialverteilung.
Durch n1 = 12 (N +m) und n2 = N −n1 = N − 21 N − 12 m = 12 (N −m) lässt sich (1.7) anschreiben
als:
PN (m) =
N!
( N +m
)! ( N −m
)!
2
2
p
N +m
2
(1 − p)
N −m
2
(1.8)
Ein Spezialfall, nämlich die Gleichverteilung folgt aus p = q = 12 :
PN (m) =
N!
1 N
(
)
( N +m
)! ( N −m
)! 2
2
2
Abbildung 1: Binomialverteilung WN (n1 ) für N = 30, mit der Wahrscheinlichkeit p für
einen Rechtssprung als Parameter zwischen 0 und 1. Nur für p = 0,5 ist
die Verteilung symmetrisch, sonst ist die Verteilung um den Maximalwert
asymmetrisch. Es zeigt sich jedoch, dass die Verteilung noch in einem sehr
breiten Bereich um p = 0,5 annähern symmetrisch ist. Für sehr kleine und
sehr große Werte von p (hier p = 0,05 und p = 0,95) geht die Verteilung in
eine Poissonverteilung über.
(1.9)
6
1.1
Näherungen:
N! ≅
√
N! ≅ (
N! ≅
2πN (
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
N N
)
e
N N
)
e
√
2πN (
Beispiel:
N=3
zunächst Abfolgen der Sprünge:
. . . Sterling Näherung
. . . für große N
1
N N
) ⋅ e 12N
e
(1.10)
. . . für kleine N
N!
n1 !n2 !
1. alle 3 nach rechts:
3!
=1
n1 = 3 ⇒ 3!0!
2. 2 nach rechts 1 nach links:
3!
n1 = 2 ⇒ 2!1!
= 6/2 = 3
3. 1 nach rechts 2 nach links:
3!
n1 = 1 ⇒ 1!2!
=3
4. Analog zu 1
jetzt:
Wahrscheinlichkeit das Teilchen nach 3 Sprüngen x = ml, p = q =
n1 = 0, 1, 2, 3 ⇒ m = 2n1 − N = −3, −1, 1, 3
1 3 3 1
⇒ P3 (m) = W3 (n1 ) = , , ,
8 8 8 8
P3 (−3) =
1 3 1
3!
⋅
(
) =
8
0! ( 62 )! 2
´¹¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¶
=1
1
2
(1.11)
(1.12)
1
STATISTISCHE PHYSIK
7
Die Wahrscheinlichkeit das es an der Stelle 0 ist, ist nach mehreren Sprüngen höher, für die
gleiche Wahrscheinlichkeit von Rechts- und Linkssprüngen.
Abbildung 2: Veranschaulichung der acht Folgen möglicher Verschiebungen für den Fall
N = 3.
Abbildung 3: Binomiale Wahrscheinichkeitsverteilung für p = 0.6 und q = 0.4, wenn
N = 20. Der Graph zeigt wieder die Wahrscheinlichkeit W (n1 ) für n1
Rechsverschiebungen bzw. die Wahrscheinlichkeit P (m) für die resultierende Verschiebung von m Einheiten nach rechts.
Die Mittelwerte m und (∆m)2 sind ebenfalls gegeben.
8
1.1
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Abbildung 4: Die Binomialverteilung für p = q = 1/2 und N = 20. Das Diagramm
zeigt die Wahrscheinlichkeit WN (n1 ) für n1 Rechtsverschiebungen bzw.
die Wahrscheinlichkeit PN (m) für eine resultierende Verschiebung um m
Einheiten nach rechts.
1.1.3
Mittelwertbildung
Wir betrachten die Variable u, M diskrete Werte: u1 , u2 , u3 , . . . , uM und die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten: P (u1 ), P (u2 ), P (u3 ), . . . P (uM )
Definition Mittelwert:
u=
∑M
i=1 P (ui )ui
∑M
i=1 P (ui )
(1.13)
∑M
i=1 P (ui )f (ui )
∑M
i=1 P (ui )
(1.14)
Allgemein für eine Funktion f (u):
f (u) =
1
STATISTISCHE PHYSIK
9
Im Allgemeinen ist die Wahrscheinlichkeit normiert im Intevall [0, 1], sodass:
M
∑ P (ui ) = 1
(1.15)
i=1
wodurch der Nenner bei Gleichung (1.13) und (1.14) wegfällt.
Für die Mittelwerte gilt:
• f (u) + g(u) = f (u) + g(u)
• cf (u) = cf (u), c ∈ R
Der Mittelwert u ist das Maß für den zentralen Wert von u. Die ui sind um u gestreut.
Sehen wir uns noch die Abweichung vom Mittelwert ∆u = u−u an, so ergibt sich für normierte:
M
M
M
i=1
i=1
i=1
∆u = (u − u) = ∑ P (ui )(u − u) = ∑ P (ui )ui − u ∑ P (ui ) = u − u = 0
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
u
(1.16)
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶
1
Daher benötigen wir eine Größe für die Abweichung.
⇒ Schwankungsquadrat (= Streuung = Varianz):
M
(∆u)2 = ∑ P (ui ) (ui − u)2 ≥ 0 ⇔ ui = u
´¹¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¶ i=1 ´¹¹ ¸¹¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
≥0
≥0
∀ui
≥0
= (u − u)2 = u2 − 2uu + (u)2 = u2 − 2uu +(u)2
°
2(u)2
= u2 − (u)2 Ô⇒ u2 ≥ (u)2
(1.17)
Daraus folgt nun die Definition der Standardabweichung:
∆∗ u = ∆u =
√
(∆u)2
mittlere quadratische Abweichung
Man beachte, dass im Allgemeinen u2 ≥ (u)2 ist (siehe (1.17)).
(1.18)
10
1.1
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Anwendung der Mittelwertbildung auf die Zufallsbewegung:
Zuerst verifizieren wir die Normierungsbedingung der Wahrscheinlichkeitsverteilung W (n1 ):
N
N!
pn1 q n1 −N = binomischer Lehrsatz = (1 − p + p)N = 1
n
!(N
−
n
)!
1
n1 =0 1
∑
(1.19)
Nun betrachten wir die mittlere Zahl der Sprünge nach rechts n1 :
N
N
N!
pn1 q n1 −N n1 = pN
n
!(N
−
n
)!
1
1
n1 =0
n1 = ∑ W (n1 )n1 = ∑
n1
(1.20)
Analog gilt das für n2 = N q
Schwankungsquadrat von n1 :
(∆n1 )2 = n21 − (n1 )2 Ð→ n1 = N p ⇒ (n1 )2 = N 2 p2
N
n21 = ∑ W (n1 ) n21 = (n1 )2 + N pq
n1 =0
⇒ (∆n1 )2 = N pq = N p(1 − p)
Schwankungsquadrat
(1.21)
Daraus folgt n1 + n2 = N und für die mittlere Gesamtverschiebung: m = n1 − n2 = N (p − q).
√
√
Die Standardabweichung, also ∆n1 ist hier (∆n1 )2 = N pq. Sie ist ein Maß für die Breite
der Verteilung.
Jetzt bilden wir noch die relative Breite der Verteilung WN (n1 ):
√
√
√
q
∆n1
N qp
q 1 N →∞
√
=√
Ð→ 0
=
=
n1
Np
p N
Np
(1.22)
Hier fließt das Gesetz der großen Zahlen“ ein. Man erkennt sofort, dass im Falle der Gleich”
verteilung, also p = q = 21 für die relative Breite
∆n1
1
∝√
n1
N
gilt.
(1.23)
1
STATISTISCHE PHYSIK
11
Für resultierende Gesamtverschiebung m:
(∆m)2 = 4(∆n1 )2 = 4N pq = 2N p(1 − p)
1
(∆m)2 = N
. . . für p = q =
2
Abbildung 5: Beispiel für p = q =
1
2
(1.24)
12
1.1
1.1.4
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die Gauß’sche Wahrscheinlichkeitsverteilung
Die Binomialverteilung ist für große Zahlen aufgrund der Faktoriellen nur schwer handhabbar,
daher wollen wir uns nun um die Entwicklung einer neuen Verteilung kümmern, die sozusagen
große Zahlen erlaubt.
Dies wird spätestens dann notwendig sein, wenn wir Systeme betrachten, die vielleicht 1024
Teilchen beinhalten.
Wie in Abbildung 4 zu erkennen ist, hat W (n1 ) ein ausgeprägtes Maximum bei W (nmax ).
Daraus ergeben sich zwei Dinge:
1. W (n1 ) ist unbedeutend für ein n1 , das weit weg ist von nmax , daher studieren wir in der
Folge W (n1 ) nur in der Umgebung von nmax .
2. Es ergibt sich, dass weder n1 = 0, noch n1 = N , wenn nicht p ≈ 0 und oder q ≈ 0.
D.h.: Wenn N groß ist, dann liegt n1 im Bereich von nmax . Damit dies gilt, muss
∣W (n1 + 1) − W (n1 )∣ << W (n1 )
sein.
Anders ausgedrückt, variiert W sehr langsam in einer kleinen Umgebung von nmax .
Wir betrachten aus diesen Gründen W als stetige Funktion von n1
Was uns jetzt zugute kommt, ist der Umstand, dass ln W sehr viel langsamer variiert als W
selbst, weswegen wir eine gute Näherung für ln W (n1 ) im Bereich n1 ≈ nmax suchen.
Setzen wir also den Logarithmus in die Binomialverteilung ein und setzen die Ableitung = 0
x!
und verwenden die (gute!) Näherung d ln
dx ≈ ln x.
So ergibt sich das Maximum bei
n1 = N p = n1
(1.25)
Jetzt untersuchen wir das Verhalten von ln W in der Gegend des Maximums, also führen wir
eine Taylorreihenentwicklung um n durch:
ln W (n1 ) = ln W (n1 ) +
d ln W
1 d2 ln W
∣ (n1 − n1 ) +
∣ (n1 − n1 )2 + . . .
2
dn1 n1
2! dn1 n1
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
=0
(1.26)
1
STATISTISCHE PHYSIK
13
Man erkennt (oder auch nicht), dass
N
d2 ln W
=−
2
n1 (N − n1 )
dn1
(1.27)
und an der Stelle n1 = n1 gilt n1 = N p, sodass sich schreiben lässt:
ln W (n1 ) = ln W (n1 ) −
(n1 − n1 )2
2N pq
(1.28)
Bringt man schlußendlich noch den ln (mithilfe der Exponentialfunktion) weg, ergibt sich die
bekannte GAUSS- oder Normalverteilung:
̃ ⋅ e−
W (n1 ) = W
(n1 −n1 )2
2N pq
̃ = const
...W
(1.29)
Diese Verteilung geht natürlich gegen 0 für große (n1 − n1 ).
̃ zu berechnen. Wie so oft erhält man diese
Machen wir uns nun noch daran, die Konstante W
aus einer Normierungsbedingung, wie in diesem Falle
N
∑ WN (n1 ) = 1
(1.30)
ni =0
Wie wir bereits gesehen (oder besser gehofft) haben, ändert sich WN (n1 ) kaum, wenn n1 um
1 erhöht wird, d.h. wir können die Summe getrost durch ein Integral ersetzen.
∞
∞
̃e−
∫ WN (n1 ) dn1 = ∫ W
−∞
−∞
(n1 −n1 )2
2N pq
∞
̃∫ e
dn1 = W
−∞
2
y
− 2N
pq
dy = 1
Dabei handelt es sich um ein Gauss’sches Integral, dessen Lösung einfach
für die Konstante:
̃= √ 1
W
2πN pq
√π
a
(1.31)
ist. Somit folgt
(1.32)
Wenn Schrittlänge l klein gegen kleinste Länge L des physikalischen Problems (Beispiel: Sprunglänge
im Festkörper ≙ Gitterkonstante) beobachtbare Länge L ≈ µm ⇒ P (m) als konstante Funktion
der Variablen x, x wird konstante Variable im mirkoskopischen Maßstab.
also: dx ist mikroskopisch groß, aber makroskopisch klein
m = 2n1 − N
m nimmt ganzahlige Werte im Abstand ∆m = 2
⇒ in jeden Intervall dx liegen dx
2l Werte
14
1.1
Elementare Statistik und Wahrscheinlichkeitsverteilung
Man kann die Gaussverteilung auch über die Mittelwerte formulieren, was zur sogenannten
Standardform führt. Dabei schreibt man die Verteilung unter Verwendung der Mittelwerte an
und fragt nach PN (m), wobei m die effektive Verschiebung ist.
Danach fragt man sich nach der Wahrscheinlichkeit, das Objekt nach insgesamt N Sprüngen
im Intervall [x, x + dx] zu finden.
Das führt nach kurzer Überlegung auf P (x)dx = PN (m) dx
2l und das zur gewünschten Standardform der Gaussverteilung:
−[m−N (p−q)]2
1
8N pq
PN (m) = √
⋅e
2πN pq
⇒ P (x)dx =
(1.33)
−[m−N (p−q)]2
1
1
dx
8N pq
PN (m) = √
dx
⋅e
2l
2l 2πN pq
=√
1
2πσ 2
⋅ e−
(x−x)2
2σ 2
dx
hier ist σ = ∆n1
(1.34)
√
∞
mit σ = 2l N pq und x = ∫−∞ P (x)xdx
P (x) ist Wahrscheinlichkeitsdichte = Vertreilungsdichte
Die Verteilung ist Maximal bei x = x. Die Schärfe des Maximums wird durch σ bestimmt.
σ 2 = (x − x)2 . . . Schwankungsquadrat = Varianz
σ . . . Standardabweichung
xh . . . Funktionswert wenn P(x) auf die Hälfte gefallen
√
∆xh = 2(xh − x) = 2 2 ln 2 ⋅ σ = 2.3548 σ
√
√
1
2 ln 2
es gilt: P (x) ⋅ ∆xh = √ 2 2 ln 2 σ = √
= const.
π
σ 2π
⇒ kleine Halbwärtsbreite ⇒ hohes Maximum und umgekehrt
Für p << 1 ⇒ q ≈ 1 ⇒ Näherung für n << N , in diesem Fall ist sie die Poisson-Verteilung:
WN (n1 ) =
λn1 −λ
e
n1 !
. . . λ = n1 = N p
(1.35)
1
STATISTISCHE PHYSIK
15
λ bestimmt allein die Form der Verteilung!
Abbildung 6: Die Wahrscheinlichkeit P (m) für eine resultierende Verschiebung nach
rechts um m Einheiten, wenn die Gesamtzahl N der Einzelverschiebungen
sehr groß und die Verschiebungslänge l sehr klein ist.
1.2
Statistik von Vielteilchensystemen
Wie schon der Titel sagt, wollen wir in diesem Kapitel Systeme beschreiben, die aus vielen
Teilchen bestehen. Wir wollen thermodynamische Gesetze aus statistischer Beschreibung gewinnen.
Insbesondere werden wir folgende Punkte eingehender behandeln:
• Eine Beschreibung des Systemzustandes
• Von statistischen Ensembles zu Wahrscheinlichkeitsaussagen
• Das grundlegende Postulat der statistischen Physik und
• Die dazu notwendige Wahrscheinlichkeitsrechnung
1.2.1
Mikroskopische Beschreibung des Systemzustandes, Zustandsraum
Die hier betrachteten Systeme sind z.B. gekoppelte Oszillatoren, Gase, Fluide, Festkörper,
u.v.m.
Daraus folgt, dass die hier zu behandelnden Teilchen z.B. e− , Atome, Moleküle, . . . , sind.
16
1.2
Statistik von Vielteilchensystemen
In der Quantenmechanik werden wir den Teilchen Wellenfunktionen zuordnen müssen, d.h. ein
System wird durch einen Satz von Quantenzahlen charakterisiert.
Ein spezieller Mikrozustand ist dann gegeben durch r = (n1 , n2 , . . . , nf ) (nf sind QZ des Systems), wobei f die Zahl der Freiheitsgrade des Systems ist. Mikrozustand eines Systems ist
festgelegt durch Angabe seines Quantenzustands (QZ, die seinen Zustand festlegt).
Beispiele:
1. Ein ortsfestes Teilchen mit s = 1/2.
Der Zustand ist also durch eine Quantenzahl gegeben, das entspricht einem Freiheitsgrad
mit den zwei möglichen Werten ↑ bzw. ↓.
(z.B.: im B-Feld hat es zwei Einstellmöglichkeiten)
2. N Teilchen mit festem Ort und s = 1/2. Hier wird der Systemzustand durch N Quantenzahlen festgelegt. ⇒ N QZ: m1 , . . . , mN
3. Der ortsfeste dreidimensionale harmonische Oszillator:
̵
Der Zustand wird durch die Energie festgelegt: En = hω(n
+ 1/2). Das bedeutet, er hat
einen Freiheitsgrad, gegeben durch n = 0, 1, . . .
4. N (schwach) gekoppelte Oszillatoren:
Hier gibt es N Quantenzahlen, die den Systemzustand beschreiben.
Gesamtenergie E = En1 + En2 + ⋅ ⋅ ⋅ + EnN
5. Ein Teilchen ohne Spin, kräftefrei in 3 dim. Potential Topf mit eindimensionaler Breite L
̵ 2 π2 2
h
→ En = 2mL
2 n , n = 1, 2, 3, . . .
jetzt 3-Dim: 0 ≤ x, y, z ≤ Lx , Ly , Lz
E=
̵ 2 π 2 n2 n2y n2
h
( x+
+ z)
2m L2x L2y L2z
(1.36)
6. N nicht wechselwirkende (WW) Teilchen im Volumen V = L3
Gesamtenergie E = E1 + ⋅ ⋅ ⋅ + EN
⇒ Zustand festgelegt durch 3N QZ
(n1x , n1y , n1z , . . . , nN x , nN y , nN z )
(1.37)
1
STATISTISCHE PHYSIK
17
Klassische Beschreibung des Systemzustandes
Wir betrachten ein einzelnes Teilchen in einer Dimension. Die vollständige Beschreibung gelingt durch die Ortskoordinaten q und die zugehörigen Impulse p. Wird bilden Zellen gleichen
Volumens (hier gleiche Fläche), dies ergibt einen 2-dimensionalen Phasenraum des Systems.
Der Punkt (q(t), p(t)) (p und q sind kontinuierliche Größen) ist der repräsentative Punkt, der
sich im Phasenraum bewegt.
Abbildung 7: Phasenraum in Zellen gleicher Flächen δp ⋅ δq = h0 geteilt. h0 hat die
Dimension eines Drehimpulses, also einer Wirkung (hat Einheit [Js] und
ist ein Skalar, kein Vektor) (aus Kopskyskript“ entnommen
”
h0 = δpδq = F δtδq = F δq δt = Eδt
±
(F =
δp
)
δt
(1.38)
E
Der Systemzustand liegt im Intervall [q, q + dq] und [p, p + dp], d.h. der repräsentative Punkt
befindet sich in einer Zelle des Phasenraums (In Abbildung 7 eine Fläche).
Klassisch kann h0 beliebig klein gewählt werden, in der Quantenmechanik gilt aber die Hei”
̵
senberg’sche Unschärferelation“ dp ⋅ dq ≥ h2 .
Jetzt betrachten wir ein Vielteilchensystem:
Dieses besteht aus N Teilchen, wo ein Teilchen f Ortskoordinaten (q1 , . . . , qf ) besitzt und dazugehörige Impulse (p1 , . . . , pf ), somit gibt es 2f Parameter, die das Teilchen beschreibt.
Daraus folgt für ein Vielteilchensystem das es fN = N f Freiheitsgrade und 2fN = 2N f Parameter besitzt.
18
1.2
Statistik von Vielteilchensystemen
Beispiel:
Sei ein System von N Massenpunkten:
Jedes Teilchen hat 3 Ortskoordinaten, woraus folgt das fN = 3N ist, und somit 2fN = 6N
Parameter für die Beschreibung des Systems besitzt. (z.B.: ideales Gas (keine WW))
Die mikroskopischen Orts- und Impulskoordinaten sind Koordinaten eines i.A. hochdimensionalen (nämlich 2f ) Phasenraum.
Dieser Phasenraum wird auch Zustandsraum“, Gibb’scher Phasenraum“ oder Γ-Raum“
”
”
”
(Γ = Gamma) genannt.
Γ = q1 , . . . , q f , p 1 , . . . , p f
Einem Mikrozustand wird also ein Punkt im Phasenraum zugeordnet. Erinnern wir uns an die
vorhin besprochene Zelle des Phasenraums, so besteht hier durchaus ein klassisches Analogon
zu Quantenzuständen, bei denen alle möglichen Zustände durch die Quantenzahlen durchnumeriert werden.
Zelleinteilung:
̵ f
δq1 ⋯δqf ⋅ δp1 ⋯δpf = hf0 ≥ (2π h)
(1.39)
r(q1 , . . . , qf , p1 , . . . , pf )
(1.40)
klassischer Mikrozustand:
Beschreibung ähnlich zur QM:
Eine Zelle r im Phasenraum Γ ist klassisches Analogon zum Quantenzustand r“
”
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.2.2
19
statistisches Ensemble und Makrozustände
Der Makrozustand“ eines Systems wird durch äußere Parameter, wie z.B. Energie, Volumen
”
usw. festgelegt. Zu jedem Makrozustand gehören sehr viele Mikrozustände, nämlich all jene,
die gleiche äußere Parameter besitzen.
Nehmen wir viele gleiche Systeme her. Diese seien im selben Makrozustand. Die Mikrozustände
sind i.A. verschieden. Jetzt bilden wir das sogenannte statistische Ensemble, durch das genau
ein Makrozustand repräsentiert wird.
Das statistische Ensemble ist also die Menge der repräsentativen Punkte im Phasenraum.
Anders ausgedrückt: Nehmen wir an, wir haben ein ideales Gas, bestehend aus 2 Atomen. Es
gibt genau 2 Punkte auf einer Geraden, wo sie sich befinden können. In einem Fall wird das
erste links und das zweite rechts sitzen, im zweiten Fall umgekehrt.
In beiden Fällen hat das Gas denselben Druck, die selbe Temperatur, etc.. Es gibt also zwei
Mikrozustände, die zum selben Makrozustand führen.
Wir benötigen noch den Begriff der zugänglichen“ Zustände des Systems. Das sind Mikro”
zustände, die mit den äußeren Parametern verträglich sind.
D.h. Ein Makrozustand ist charakterisiert durch die Wahrscheinlichkeit Pr für das Auftreten
eines gewissen Mikrozustandes r.
Pr = (P1 , P2 , . . . )
Frage: Wie groß ist das Pr ?
Früher: Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Ereignisses j aus N Messungen (Versuchen):
Nj Nj
≈
N →∞ N
N
Wj = lim
(1.41)
Jetzt: M gleichartige Systeme
In Mikrozustand r seien Mr der M Systeme
Mr M r
≈
M →∞ M
M
Pr = lim
. . . wenn M hinreichend groß
(1.42)
Makrozustand: nur durch Wahrscheinlichkeit seiner zugänglichen Mikrozuständen gegeben,
also mit den Wahrscheinlichkeiten mit denen der Systemzustand mit einem der zugänglichen
Mirkozustände übereinstimmt.
20
1.2
1.2.3
Statistik von Vielteilchensystemen
Das grundlegende Postulat
Wir betrachten ein isoliert abgeschlossenes System. Dieses tauscht ja bekanntlich keine Energie
dE
mit seiner Umgebung aus, d.h. gesamt
= 0.
dt
Man kann dieses System also durch seine Energie E, bzw. durch ein Energieintervall
[E, E + dE] charakterisieren. Daraus folgt, dass alle dem System zugänglichen Mikrozustände
diese Energie haben müssen.
Weiters findet man bei der Betrachtung eines isolierten Systems im Gleichgewicht, dass die
Wahrscheinlichkeit, das System in einem gewissen Mikrozustand zu finden, zeitunabhängig ist,
sowie auch die makroskopischen Parameter zeitunabhängig sind.
Wir wissen jetzt, dass das System in einem seiner zugänglichen Zustände, vereinbar mit Er ist.
Postulat:
DAS GRUNDLEGENDE P OSTULAT DER STATISTISCHEN P HYSIK BESAGT, DASS JEDER DER
ZUG ÄNGLICHEN M IKROZUST ÄNDE , EINES ABGESCHLOSSENEN S YSTEMS IM G LEICHGE WICHT, MIT GLEICHER WAHRSCHEINLICHKEIT AUFTRITT.
Dieses grundlegende Postulat der gleichen a-priori-Wahrscheinlichkeiten1 erlaubt es uns, eine
Verbindung herzustellen zwischen mikroskopischen Strukturen und makroskopischen Größen.
1.2.4
Mikrokanonische Zustandssumme und Berechnung der Wahrscheinlichkeit makroskopischer Parameter
System im Gleichgewicht → Gesamtenergie erhalten ⇒ alle zugänglich Mikrozustände mit Gesamteenergie vereinbar.
Energie ist nur mit endlicher Genauigkeit bestimmbar.
Da die Energie nur mit endlicher Genauigkeit messbar ist und das liegt, wie wir wissen, nicht
nur an der Geschicklichkeit eines Experimentators, definieren wir uns die mikrokanonische
Zustandssumme als die Menge aller Mikrozustände, die für ein System mit E = E − δE, E
zugänglich sind.
Ω(E) =
1
∑
r∶ E−δE≤Er ≤E
1
. . . mikrokanonische Zustandssumme
lateinisch a von . . . her“ und lateinisch prior der vordere; also von vornherein“
”
”
’
(1.43)
1
STATISTISCHE PHYSIK
21
Ω(E): Zustände zwischen E − δE und E, abhängig von δE
wählen δE:
• mikroskopisch groß (z.B E-Differenzen des E-Niveaus)
• makroskopisch klein (Gesamt-E)
für große Teilchenzahlen ist Ω(E) eine konstante Funktion. ⇒ Entwicklung nach Potenzen von
δE
δE klein ⇒ nur linearer Term ⇒ Ω(E) ∝ δE
Ω(E) = ρ(E)δE + O([δE]2 )
(ρ(E) Zustandsdichte“ unabhängig von δE)
”
Das grundlegende Postulat sagt uns ja, dass alle Mikrozustände Ω(E) gleichwahrscheinlich
sind. Das führt uns auf:
⎧
1
⎪
⎪ Ω(E)
Pr = ⎨
⎪
⎪
⎩0
. . . E − δE ≤ Er ≤ E
. . . sonst
. . . mikrokanonische Verteilung
(1.44)
Da ein Makrozustand ja gegeben ist durch Pr = (P1 , P2 , . . . ), liegt es auf der Hand, dass ein
Makrozustand umso wahrscheinlicher ist, je mehr Mikrozustände er zulässt.
Machen wir uns also jetzt daran, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten makroskopischer Parameter im Ensemble zu berechnen.
Sei y ein beliebiger äußerer Parameter (z.B. Druck oder magnetisches Moment,. . . ). Dieser Parameter kann die Werte y ∶ y1 , y2 , . . . , yn annehmen. Insgesamt gibt es Ω Mikrozustände im
betrachteten System.
Ωi davon führt darauf, dass y den Wert yi annimmt. Wir brauchen jetzt die Wahrscheinlichkeit,
dass sich das System in einem der Zustände Ωi befindet. Nach dem grundlegenden Postulat hat
jeder Zustand Ωi die Wahrscheinlichkeit 1/Ω.
D.h. wir bilden
∑
Ωi
1
1
= Ωi ⋅
Ω
Ω
(1.45)
Daraus folgt für die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer messbaren Größe yi :
Pr (yi ) =
Ωi Ωi (E, yi )
=
Ω
Ω(E)
(1.46)
22
1.2
Statistik von Vielteilchensystemen
Makrozustand charakterisieren ist realisierbar durch gewisse Anzahl gleicherwahrscheinlicher
Mikrozustände ⇒ jener häufiger, der durch mehr Mikrozustände realisierbar ist
⇒ Makrozustand ist umso wahrscheinlicher je mehr Mikrozustände er zulässt
Aus der Definition des Mittelwertes folgt hier:
n
y = ∑ Pr (yi ) ⋅ yi =
i=1
1 n
∑ Ωi yi
Ω i=1
(1.47)
und für das Schwankungsquadrat:
n
(∆y)2 = ∑ Pr (yi )(yi − yi )2 =
i=1
1 n
2
∑ Ωi (yi − yi )
Ω i=1
(1.48)
Beispiel:
Gegeben seien 3 ortsfeste Spin 21 -Teilchen. Die z-Achse eines Magnetfeldes sei vorgegeben.
Die potentielle Energie ist durch das magnetische Dipolmoment −µB = Epot gegeben.
Nehmen wir an, µ weise in/gegen die z-Richtung für m = ± 12
Wählen Gesamt-E: −µB
⇒ System ist Gleichwahrscheinlich: (+ + −), (+ − +), (− + +)
• Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Spin des 1. Teilchens nach oben weist?
Ωi = 2, Ω = 3
Daraus folgt für P1 (+) = 23
• µz in positive z-Richtung vom 1.Teilchen?
Ω = 3, y = µz , daher 2 Werte: y1 = +µ und y2 = −µ
Die Anzahl der Zustände mit y1 ist also Ω1 = 2 und mit y2 ist Ω2 = 1.
y = µz =
1
1
(2µ + 1(−µ)) = µ
3
3
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.2.5
23
Teilchen im 3-dimensionalen Kasten
Teilchen im Kastenpotential: Bilden wir einen 3D Kasten mit den Kanten: Lx = Ly = Lz = L,
so ist die Energie eines Teilchens darin durch die QM gegeben durch:
E=
̵ 2π2
h
L2
2
2
2
2
2
2
2
(n
+
n
+
n
)
⇒
n
+
n
+
n
=
x
y
z
x
y
z
̵ 2 2mE = R
2mL2
π2h
(1.49)
Wir bilden den Zustandsraum (aus den QZ) mit Achsen: nx , ny , nz
Abbildung 8: The points indicate schematically in two dimensions the possible values
of nx , ny , nz = 1, 2, 3, 4, . . . of the quantum numbers specifying the state
of a single particle in three dimensions. (The nz axis points out of the
paper.) The values of nx , ny , and nz corresponding to the energy values
E and E + δE lie on the indicated spherical surfaces. The region in light
gray includes all values of n which the energy of the particle is less than E.
The region in dark gray includes all the values of n for which the energy
lies between E and E + δE.
Das gesuchte der Zustandssumme liegt zwischen E − δE und E
Formel (1.49) ist der Radius einer Kugel im nx − ny − nz −Raum. Für eine gegebene Energie
befinden sich die Werte nx , ny , nz auf einer Kugeloberfläche mit Radius R. Der gleich auftauchende Faktor 1/8 rührt daher, dass nur positive Werte von ni physikalisch sind und wir daher
24
1.2
Statistik von Vielteilchensystemen
nur einen Kugeloktanten brauchen.
Betrachten wir erst nur Zustände mit Φ(E) ≤ E, so folgt für sie:
Φ(E) =
3
1 4 3
π L 3
( πR ) = ( ̵ ) (2mE) 2
8 3
6 πh
(1.50)
Φ(E) = Gesamtzahl der Zustände mit Energie ≤ E
Abbildung 9: Zweidimensionale Darstellung einer Kugel“ im Impulsraum für ein freies
”
Teilchen der Masse m, das zwei Freiheitsgrade besitzt. Die Energie ist
E = (2m)−1 (p2x + p2y ), der Radius der Kugel R = (2mE)1/2
Wie wir vorhin gesehen haben, gilt Ω(E) = Φ(E) − Φ(E − δE) (Wählen δE mikroskopisch
groß, aber makroskopisch klein ⇒ Ω(E) stetige, kontinuierliche Funktion), und damit
dΩ Φ(E) − Φ(E − δE)
=
dE
δE
(1.51)
Daraus folgt nach der Durchführung des Limes:
Ω=
dΦ
δE
dE
(1.52)
wobei wir den Differentialquotienten definieren als ρ(E) und als Zustandsdichte bezeichnen.
Für die mikrokanonische Gesamtheit folgt dann insgesamt (mit V = L3 ):
Ω(E) =
1
3
1
3π L 3
V
( ̵ ) (2mE) 2 2mδE = 2 ̵ 3 (2m) 2 E 2 δE
2 6 πh
4π h
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ρ(E) ∝
√
E ist.
(1.53)
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.3
25
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer
Systeme
⇒ Energieniveus sind auch von x = (x1 , . . . , xn ) abhängig.
→ Er = Er (x1 , . . . , xn )
Mikrozustand: r = (n1 , . . . , nf ), für x = (x1 , . . . , xn ).
Makrozustand: Satz von Wahrscheinlichkeiten Pr = (P1 , . . . , Pn ), für x = (x1 , . . . , xn ).
⇒ Durch Änderung der äußeren Parameter ändern sich auch die Mikro- und Makrozustände.
1.3.1
Thermische Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen
Wir betrachten 2 Systeme A1 und A2 mit der Energie E1 und E2 , die in Einheiten von δE
skaliert ist.
Die zugänglichen Zustände seien:
A1 → Ω(E1 ), E1 − δE ≤ E1r ≤ E1
A2 → Ω(E2 ), E2 − δE ≤ E2r ≤ E2
Es seien zwar die äußeren Parameter xi fest, aber die Systeme NICHT voneinander isoliert, d.h.
ein Energieaustausch zwischen A1 und A2 ist möglich. Aus diesem Grund betrachten wir ein
zusammengesetztes System A∗ ≡ A1 + A2 mit E ∗ = E1 + E2 = const.
Wenn E1 also von A1 gegeben ist, folgt daraus E2 = E ∗ − E1 .
Treffen wir die Annahme, dass A1 mit A2 im Gleichgewicht ist, so ist zwingend auch A∗ im
Gleichgewicht und daher ist das grundlegende Postulat anwendbar auf A∗ .
Frage: Was ist Wahrscheinlichkeit P (E), dass A1 den Wert E1 hat, wodurch A2 den Wert
E2 = E ∗ − E1 hätte?
Laut Voraussetzung sind alle zugänglichen Zustände von A∗ gleichwahrscheinlich, was einer
Zustandssumme Ω∗total entspricht.
Unsere Frage muss daher lauten: Wieviele Mikrozustände Ω∗ (E1 ) erlauben, dass A1 den Wert
E1 hat?
Dies können wir bereits beantworten:
P (E1 ) =
Ω∗ (E1 )
= c ⋅ Ω∗ (E1 )
Ω∗total
mit c =
1
Ω∗total
(1.54)
26
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
Bleibt nur noch nach Ω∗ (E1 ) zu fragen.
Bei gleichzeitigem Auftreten hat
A1 . . . E1 zugängliche Zustände Ω1 (E1 )
und
A2 . . . E2 = E ∗ − E1 zugängliche Zustände Ω2 (E ∗ − E1 )
Jeder zugängliche Zustand von A1 und A2 trägt zu den zugänglichen Zuständen von A∗ bei.
Zugänglicher Zustand von A∗ bedeutet gleichzeitige Auftreten eines Zustands vonA1 und A2
⇒ Multiplikationssatz.
woraus folgt, dass Ω∗ (E1 ) = Ω1 (E1 ) ⋅ Ω2 (E ∗ − E1 ) und somit
P (E1 ) = c ⋅ Ω1 (E1 ) ⋅ Ω2 (E ∗ − E1 )
(1.55)
Frage: Wie sieht es nun aus mit P (E1 ) als Funktion f (E1 )?
A1 , A2 sind makroskopische Systeme ⇒ sehr viele Freiheitsgrade. ⇒ Ω1 (E1 ), Ω2 (E) wachsen
sehr schnell mit E1 und E2 (Kugelvolumen).
Wenn E1 wächst, steigt Ω1 (E1 ) sehr stark und Ω1 (E2 ) fällt sehr stark.
⇒ P (E1 ) steigt für große Systeme → scharfes Maximum.
(a) Enumeration of the possible numbers of states
compatible with a specified total energy E ∗ = 13 of
the systems A and A′ described in abb. Abb 11 (b).
(b) Schematic illustration showing the dependence
of the probability P (E) on the Energy E.
Abbildung 10
1
STATISTISCHE PHYSIK
27
(a)
(b) Graphs showing, in the case of two special and
very small systems A and A′ , the number of states
Ω(E) accessible to A and the number of states
Ω′ (E ′ ) accessible to A′ as function of their respective energies E and E ′ . The energies are measured
in therms of an arbitrary unit; only a few values of
Ω(E) and Ω′ (E) are shown.
Abbildung 11
Ω1 (E1 ) und Ω2 (E2 ) wachsen ja enorm mit E1 . Bei konstantem E ∗ steigt Ω1 (E1 ) mit E1 und
fällt Ω2 (E ∗ − E).
Daraus folgt, dass P (E) ein ausgeprägtes Maximum bei, sagen wir Ê mit Breite ∆E << E1 hat.
Begeben wir uns auf die Suche nach diesem Maximum.
Zugute kommt uns hierbei, dass ln(P (E)) viel schwächer variiert, als P (E), so kommen wir
auf:
ln P (E1 ) = ln(c) + ln(Ω1 (E1 )) + ln(Ω2 (E2 ))
(1.56)
Wobei wir uns nochmal in Erinnerung rufen, dass Ê1 , Ê2 die Energiewerte von A1 , A2 für
P (E) = max sind.
Es gilt also:
β1 (Ê1 ) = β2 (Ê2 )
. . . Bedingungsgleichung
(1.57)
28
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
mit
β1 (E1 ) =
1 ∂Ω1
∂ ln Ω1
=
∂E1
Ω1 ∂E1
(1.58)
β hat die Dimension einer reziproken Energie und veranlasst uns, einen neuen Parameter T
so einzuführen, dass T11 ≡ kT1 gilt. k hat die Dimension einer Energie und sei vorerst noch
beliebig. Später werden wir finden, dass es sich hierbei um die Boltzmannkonstante handelt.
ln Ω1
Sei also β1 = kT1 1 = ∂∂E
, dann können wir T11 anschreiben als:
1
k ∂ ln Ω1 ∂S1
1
=
=
T1
∂E1
∂E1
(1.59)
und schon haben wir eine bekannte Größe gefunden, die Entropie:
S1 = k ⋅ ln Ω1
. . . Boltzmann’sche Entropiegleichung
(1.60)
Wie man in Gleichung (1.60) sieht, ist sie das logarithmische Maß für die Anzahl der zugänglichen Zustände des Systems.
Frage: Was hat das nun für Konsequenzen für unser Pmax (E1 )?
Wir müssen logarithmieren:
ln P (E1 ) = ln c + ln Ω1 (E1 ) + ln Ω2 (E2 )
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
S1
k
Daraus folgt, dass:
(1.61)
S2
k
P (E1 ) = max ⇔ S ∗ = S1 + S2 = max
Nebenbei sei bemerkt, dass ja dann wie oben bereits gezeigt auch β1 (Ê1 ) = β2 (Ê2 ) gilt und
damit kT1 1 = kT1 2 woraus folgt:
T1 = T2
Also: A1 hat genau die Energie, bei der S ∗ von A∗ maximal ist. Nur dann ist das Gesamtsystem
A∗ so gleichmäßig wie möglich über alle zugänglichen Mikrozustände verteilt.
Damit gibt es eine Größe, welche die Unordnung beschreibt. Diese Größe ist eben die Entropie.
Sie ist ein Maß für die Unordnung eines makroskopischen Systems.
Durch Gleichung (1.60) wird eine Verbindung hergestellt zwischen mikroskopischer Struktur
(Ω1 ) und den makroskopischen Messgrößen S1 und T1 . Sie ist eine der zentralen Gleichungen
der statistischen Physik und wurde 1877 von Ludwig Boltzmann aufgestellt.
heißt:
⇒ System über größtmögliche Zahl von Mikrozustandes verteilt
⇒ gleichmäßigste“ Verteilung der makroskopischen Systems auf seine zugängliche Mikro”
zustände
1
STATISTISCHE PHYSIK
29
⇒ Mikrozustand maximal unbestimmt
⇒ System im Zustand maximaler Unrodnung“
”
⇒ Die Entropie ist ein Maß für die Unordnung eines Makroskopischen Systems
1.3.2
Thermisches Gleichgewicht und Temperatur
Wahrscheinlichkeit P (E1 ) soll scharfes Maxima bei E1 = Ẽ1 haben.
Systeme in Kontakt: Gleichgewicht mit großer Wahrscheinlichkeit
A1 ∶ E1 = Ẽ1
A2 ∶ E2 = E ∗ − Ẽ1
Zeitpunkt t = 0
Systeme in Kontakt:
0
A1 , E1
0
A2 , E2
i.A.: E1 , E2 unwahrscheinlich Energien für A∗
0
0
Wartezeit t = t∞
∞
E1 = Ẽ1 , . . . , sodass P (E1 ) max.
∞
∞
⇒ β1∞ = β1 (E1 ) = β2∞ = E1
und daraus folgt:
T1∞ = T2∞
(1.62)
P (E1 ) ist max heißt: S ∗ ist max
⇒ Anstreben“ von T1 = T2 heißt:
”
Entropieaustausch erfolgt so, dass Gesamtentropie maximal wird.
∞
∞
∞
0
0
S1 (E 1 ) + S2 (E 2 ) ≥ S1 (E 1 ) + S2 (E 2 )
0
∞
0
bzw. S1 (E 1 ) − S1 (E 1 ) + S2 (E 2 ) − S2 (E 2 ) = ∆S1 + ∆S2 ≥ 0
Die Entropie eines abgeschlossenen Systems nimmt beim Anstreben des GG-Wertes immer zu.
2. HS der Thermodynamik aus statistischen Prinzipien abgeleitet
30
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
Der Index ∞ soll die unendlichlange Wartezeit andeuten, bis sich die Systeme im Gleichgewicht
befinden. Zwei Dinge sind zum Parameter β zu sagen:
1. Wenn zwei Systeme für sich im Gleichgewicht sind, aber β für beide denselben Wert hat,
dann ist bereits ein Gleichgewicht erreicht und somit bei Kontakt auch kein Energieaustausch mehr im Gange.
2. Wenn der Wert von β aber nicht der gleiche ist, dann bleiben die Systeme solange nicht
im Gleichgewicht, bis Gleichung (1.62) ereicht ist.
Die folgende Bemerkung wird auch als 0-ter Hauptsatz der Thermodynamik“ bezeichnet:
”
Für drei Systeme A, B und C gilt:
• A ist in Kontakt und Gleichgewicht mit C ⇒ βA = βC
• B ist in Kontakt und Gleichgewicht mit C ⇒ βB = βC
Daraus folgt: A und C sind im Gleichgewicht
Wenden wir uns noch kurz dem Parameter T zu, so wissen wir
• Boyle-Mariotte: für festes T gilt: pV = const (. . . isotherm)
• Gay-Lussac:
V
T
= const (. . . isobar)
• ideale Gasgleichung: pV = cT
• Ausdehnungskoeffzient: α =
• kin. Gastheorie: p =
1
V
1N
2
3 V m⟨v ⟩
( ∂V
)
∂T p =
1 c
V p
=
1
T
=C ⋅T
Frage: Wie können wir eine Temparaturskala entwickeln?
Aus der kinetischen Gastheorie wissen wir, dass der Druck als Impulsübertragung anzusehen
2
1
2
2
ist, also p = 13 N
V m⟨v ⟩, und damit pV = 3 N ⋅ 2 m⟨v ⟩.
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
Ekin
Setzen wir Ekin =
(=kalorische Zustandsgleichung), so ist die Gesamtenergie E = 32 N kT .
Wenn wir jetzt noch verlangen, dass T = 0 für E = 0 und in die ideale Gasgleichung pV = N kT
(=thermische Zustandsgleichung), dann müssen wir uns nur noch entscheiden, ob wir T oder k
festlegen.
3
2 kT
Wir halten uns an die Geschichte und legen k fest. Zwei Punkte der T -Skala liegen bereits fest,
nämlich T = 0 und der Tripelpunkt von H2 O bei 273, 16K.
Sehen wir nochmal die ideale Gasgleichung an, nur diesmal mit Mol: p = νRT , wobei ν die
J
Molzahl ist und R = 8, 31451 mol⋅K
.
J
Damit ist R ≡ NA k und damit k = (138066±0, 00006)×10−23 K
wenn wir NA = (6, 0221367±
23 Moleküle
0, 0000036) × 10
mol als Loschmidt-Zahl identifizieren.
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.3.3
31
statistische Physik und Thermodynamik
Gehen von mikroskopischen Struktur aus, den Mikrozuständen.
Frage: Wie kommen wir zu thermodynamischen Größen?
Entscheidende Verbindung zwischen mikroskopischen Struktur eines Systems und der Thermodynamik, also makroskopischen Größen und ihren Beziehungen, stellt die Boltzmann’sche
Entropiegleichung (S = k ⋅ ln Ω) dar.
1
2
3
4
H(x) → Er (x) → Ω(E, x) → S(E, x) → T, X(E, x)
1. Die äußeren Parameter seien x = (x1 , . . . , xn ).
QM: Wir bestimmen die Energieeigenwerte Er des Hamilton-Operators Ĥ(x). Das legt
die Mikrozustände fest.
klassisch: Funktion der Orts und Impulskoordinaten → Hamilton-Funktion
2. Berechnung der Zustandsumme aller Zustände r, die mit E −δE ≤ Er (x) ≤ E verträglich
sind.
Ω(E, x) = ∑ 1
r
Summe r: Summen von f Termen über die QZ ni
r = (n1 , . . . , ni ) f . . . Freiheitsgrade f ≈ 1024
klassisch: Summe → Integral über Volumen im Phasenraum
3. Annahme: System isoliert und im Gleichgewicht:
→ Grundlegendes Postulat.
⎧
1
⎪
⎪
Pr = ⎨ Ω(E,x)
⎪
⎪
⎩0
E − δE ≤ Er (x) ≤ E
sonst
⇒ S = k ⋅ ln Ω
4. Wir benötigen den Begriff der Verallgemeinerten Kraft“. Wenn
”
1 ∂S(E, x)
=
T
∂E
die treibende Kraft für den Wärmeaustausch ist, dann ist
Xi = T
∂S(E, x)
∂Ω(E, x)
= kT
∂xi
∂xi
Xi . . . verallgemeinerte Kraft zum äußeren Parameter
32
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
die verallgemeinerte Kraft für einen xi -Austausch. z.B. hat Xi die Dimension einer Kraft, wenn
xi die Dimnension einer Länge hat.
Wenn Gleichgewicht herrscht, dann gilt also für den
• Wärmeaustausch: gleiches T
• Volumenaustausch: gleiches P
• Teilchenaustausch: gleiches µ (chemisches Potential)
• xi -Austausch: gleiches Xi
1
STATISTISCHE PHYSIK
33
Beispiel:
ideales, einatomiges Gas
äußere Parameter: V = L3 , N
1. Mikrozustände r mit Energie Er :
QM: r = (n1 , . . . , n3 N )
Er (N, V ) =
̵ 2 π 2 3N
h
2
∑ ni
2
2mL i=1
(1.63)
→ ni : QZ des i-ten Freiheitsgrad gleiche QZ für mehrere Teilchen zugelassen
⇒ klassische Näherung
klassisch:
E = Ekin =
m N
∑
2 i=1
3
2
∑ vij
(1.64)
i=1
²
3 Raumrichtungen
2. Auswertung der Zustandssumme:
E
V
3N
ln ( ) + N ln ( ) + N ln c
2
N
N
2π
5 3
ln c = ln ĉ + + ln ( )
2 2
3
ln Ω(E, V, N ) =
(1.65)
(1.66)
3. ⇒ Entropie:
E
V
3
S(E, V, N ) = k ln Ω = N k ln ( ) + N k ln ( ) + N k ln c
2
N
N
bilden
1 ∂S 3
1
=
= Nk
T ∂E 2
E
3
→ E = N kT
2
Xi ∂S
=
T
∂xi
→ P V = N kT
. . . klassische Zustandsgleichung“
”
und
(1.67)
P ∂S
1
=
= Nk
T ∂V
V
. . . thermische Zustandsgleichung“
”
(1.68)
34
1.3.4
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
Systeme in Kontakt mit einem Wärmereservoir, kanonische Zustandssumme
Abbildung 12: Großes Wärmebad A′ in Kontakt mit dem kleinen Wärmereservoir A. E ∗
ist konstant und die Temperatur T ist vorgegeben von A′ . (Gezeichnet von
Manuel Bahr“)
”
Frage: Wie groß ist Wahrscheinlichkeit Pr , dass klassische System A in Kontakt mit groß A′
in einem bestimmten Mikrozustand r mit Energie Er ist?
So teilen wir die Energieskalen in passend kleine Intervalle δE
Ω′ (E ′ ) ist die Anzahl der zugänglichen Mikrozustände für A′ , wenn seine Energie zwischen
E ′ − δE und E ′ liegt.
Zusammengesetzte Systeme A∗ = A + A′ ist isoliert ⇒ E ∗ = const
E liegt zwischen E ∗ − δE, E ∗
Annahme: A sei in einem seiner zugänglichen Mikrozustände r mit Er
⇒ E ∗ = E ′ + Er , E ′ = E ∗ − Er
Wenn A in einem seiner Mikrozustände ist, dann Anzahl der für A∗ zugänglichen Zustände nur
mehr durch zugänglichen Zustände von A′ bestimmt, wenn seine Energie
im Intervall E ′ − δE = E ∗ − Er − δE und E ′ = E ∗ − Er !
1
STATISTISCHE PHYSIK
35
Die zugänglichen Zustände von A∗ sind: Ω∗ = Ω′ (E ∗ − Er )
Grundlegendes Postulat:
A∗ gleichwahrscheinlich in jedem seiner zugänglichen Mikrozustände
⇒ Wahrscheinlichkeit: A im Zustand r zu finden ist proportional zur Anzahl der Zustände von
A∗ wenn A in Zustand r:
Pr = C ′ Ω∗ = C ′ Ω′ (E ∗ − Er )
(1.69)
′
C → aus Normierungsbedingung: ∑r Pr = 1
Wir brauchen Ω′ !
Annahme: A′ ist Wärmebad = Energie Reservoir
⇒ sehr, sehr viele Freiheitsgrade
Er << E ′ ⇒ Er << E ∗
also: E ′ = E ∗ − Er ≅ E ∗
rechnen aus: vorzügliche Näherung für Ω′ (E ′ ) durch Entwicklung der schwach variierende
Funktion ln Ω′ (E ′ )
Taylorentwicklung:
ln Ω′ (E ∗ − Er ) = ln Ω′ (E ∗ ) −
∂ ln Ω′
∣
⋅Er
∂E ′ E ′ ≅E ∗
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
(1.70)
∂ ln Ω′ ∂ ln Ω′ ∂E ′
= ∂E ′ ⋅ ∂E ∗
∂E ∗
∂ ln Ω′
1
∣
= β′ =
′
∂E E ′ ≅E ∗
kT
(1.71)
⇒ β von Er unabhängige Konstante.
sagen β ′ = β (lassen ′ weg): konstanter Temperaturparameter des Wärmebades A′
bedeutet physikalisch:
T des Wärmebades A′ ändert sich nicht beim Austausch kleiner Energieportionen mit A.
⇒ ln Ω′ (E ∗ − Er ) = ln Ω′ (E ∗ ) − βEr
Ω′ (E ∗ −Er ) = Ω′ (E∗) exp(−βEr )
Ω′ (E∗) → const., hängt nicht von r ab
Ô⇒ Pr = C ′ Ω′ (E ∗ − Er ) = Ce−βEr = Ce− kT
Er
. . . Boltzmann-Verteilung
(1.72)
36
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
−βEr
=1 ⇒ C=
∑ Pr = C ∑ e
r
r
e−βEr
e− kT
Pr =
=
E
∑r e−βEr ∑r e− kTr
1
∑r e−βEr
Er
exp(−βEr ) = exp (−
Z(T ) = ∑ exp (−
r
Er
)
kT
Er
)
kT
. . . kanonische Verteilung (canonical distribution)
. . . Boltzmann-Faktor
. . . kanonische Zustandssumme (canonical partition function)
zugehöriges Ensemble: kanonisches Ensemble = Gibbs Ensemble
kanonisches System A: ist in genau einen seiner zugänglichen Mikrozustände
kanonisches System A′ = Wärmebad: ist in irgendeinem seiner sehr vielen zugänglichen
Zustände Ω′ (E ∗ − Er )
Ω′ (E ′ ) wächst sehr stark mit E ′ : β =
∂ ln Ω
∂E
>0
⇒ je größer Er desto kleiner E ′
⇒ damit sinkt stark die Zahl der zugänglichen Zustände für Ω′
⇒ es sinkt Wahrscheinlichkeit im Ensemble für Systeme mit hoher Energie Er sinkt entsprechend.
Abbildung 13
1
STATISTISCHE PHYSIK
37
Abbildung 14: Schematic illustration showing the states accessible to a particular system
A and to a special (rather small) heat reservoir A′ . The top diagram shows
the energy levels coresponding to a few distinct states of A. The bottom
diagram shows, for a few values of E ′ , the number of states Ω′ (E ′ ) accessible to A′ as function of its energy E ′ . The energy is measured in
terms of an arbitrary unit.
Berechnung vom Mittelwerten
y sei eine messbare Größe, im Mikrozustand r von A: yr
∑r e− kT ⋅ yr
Er
y = ∑ P r yr =
r
r
−E
kT
∑r e
=
∑r e− kT ⋅ Er
Er
1
∑ yr e kT
Z(T ) r
Er
E = ∑ Pr Er =
r
r
−E
kT
=
∑r e−βEr ⋅ Er
∑r e−βEr
∑r e
∂
∑ e−βEr ⋅ Er
= r
=−
ln Z(T )
Z(T )
∂β
(1.73)
38
1.3.5
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
großkanonisches Ensemble
Wie im kanonischen Fall ist hier die Temperatur T vorgegeben. Zusätzlich statt N kommt nun
auch µ (=chemisches Potential) ins Spiel. Gegeben ist ein System A (Wärmereservoir) mit
festem Volumen V , das sich in thermischen Kontakt mit einem Reservoir A′ (Teilchenreservoir) befindet. Es besteht ein Energie- und Teilchenaustausch zwischen dem System und dem
Reservoir. Wiederum betrachten wir das aus System und Reservoir zusammengesetzte System
A∗ = A + A′ .
Also:
∂S
)E,V
Vorgegebeben: T und µ → µ = −T ( ∂N
′
Bei festen Volumen V tauscht A und A (Wärme- und Teilchenreservoir) E und N aus (Energie
und Teilchen).
Es liegt auf der Hand, dass die Gesamtteilchenzahl N ∗ = N + N ′ = const. ist und ebenso die
Gesamtenergie E ∗ = E + E ′ = const. Jetzt fragen wir uns, wie groß die Wahrscheinlichkeit Pr
ist, dass sich das System A in einem speziellen Zustand r mit Er und Nr befindet: Wenn A in
einem speziellen Zustand r ist, dann sind die zugänglichen Zustände Ω durch die zugänglichen
Zustände Ω′ gegeben, d.h. die Wahrscheinlichkeit A in r zu finden ist
Pr (Er , Nr ) ∝ Ω′ (E − Er , N − Nr )
(1.74)
E ∗ = E + E ′ = const
N ∗ = N + N ′ = const
mit der Voraussetzung, dass A sehr klein ist gegen A′ , woraus folgt
dass Er << E und Nr << N ⇒ E ′ = E ∗ ≈ E ∗ ; N ′ = N ∗ − Nr ≈ N ∗ .
Das bedeutet, wir können ln Ω′ um E und N entwickeln:
ln Ω′ (E − Er , N − Nr ) = ln Ω′ (E, N ) −
∂ ln Ω′
∂ ln Ω′
⋅E
−
∣
∣
⋅Nr − O(ε2 ) (1.75)
r
∂E ′ E ′ =E
∂N ′ N ′ =N
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
1
β= kT
−βµ
Frage: Wie groß ist Wahrscheinlichkeit, dass wir System A im speziellen Mikrozustand r finden in Er und Nr ?
A sei im speziellen Zustand r mit Er , Nr . Die Anzahl der für A∗ zugänglichen Mikrozuständen
gegeben durch die Anzahl der den Reservoir A′ zugänglichen Zustände:
Ω∗ = Ω′ (E ∗ − Er , N ∗ − Nr )
(1.76)
Pr (Er , Nr ) ∝ Ω′ (E ∗ − Er , N ∗ − Nr )
(1.77)
in A∗ → Fundamental postuliert
1
STATISTISCHE PHYSIK
39
Die Ableitungen an der Stelle E ∗ und N ∗ bei V = const. sind Konstanten, die das Reservoir
A′ kennzeichnen.
∂ ln Ω′
∣
= −βµ
∂N ′ V,N ′ =N ∗
1
∂ ln Ω′
∣
=β=
,
′
∂E V,E ′ =E ∗
kT
Pr (Er , Nr ) = C ′ Ω′ (E ∗ − Er , N ∗ − Nr )
(1.78)
(1.79)
= C ′ Ω′ (E ∗ , N ∗ )e−β(Er −µNr ) = C e−β(Er −µNr )
®
(1.80)
1
Y
Womit wir schon bei der großkanonischen Verteilung“ wären:
”
1 −β(Er −µNr )
e
Y
(1.81)
∑ Pr = 1
(1.82)
Y (T, V, µ) = ∑ e−β(Er −µNr )
(1.83)
Pr =
Mit Y aus der Normierungsbedingung:
r
Diese Gleichung ist schon die großkanonische Zustandssumme“.
”
Sprechen wir noch kurz über das chemische Potential µ: Es ist die verallgemeinerte Kraft zum
äußeren Parameter Teilchenzahl N .
Xi ∂S k∂ ln Ω
=
=
T
∂xi
∂xi
hier:
∂ ln Ω
µ
= −βµ = −
∂N
kT
µ = −T
∂S
∂E
∂F
∂G
∣
=
∣
=
∣
=
∣
∂N E,V ∂N S,V ∂N T,V ∂N T,P
. . . F ist freie Enerie
. . . G ist freie Enthalpie
Es hat die Dimension einer Energie und ist auch eine, nämlich die, die nötig ist einem isolierten
System 1 Teilchen hinzuzufügen. Bevor wir den Gleichverteilungssatz studieren werden, fassen
wir kurz zusammen: Die jeweiligen Verteilungen haben folgende Abhängigkeiten:
• Pr = Pr (E, V, N ) mikrokanonisch
• Pr = Pr (T, V, N ) kanonisch
• Pr = P r(T, V, µ) großkanonisch
40
1.3
Thermische Wechselwirkung und repräsentative Ensembles physikalischer Systeme
Für makroskopische Systeme fluktuiert Pr um E und N . Ist somit vernachlässigbar welches
Ensemble verwendet wird, da es im Falle des makroskopischen Systems praktisch keinen Unterschied gibt.
1.3.6
Der Gleichverteilungssatz
Klassisch:
Die Energie ist ja eine Funktion von f Koordinaten und f Impulsen, also
E = E(q1 , . . . , qf , p1 , . . . , pf )
Wobei qi , pi einen Phasenraum aufspannen.
Häufig ist es so, dass
1. E = εi (pi ) + E ′ (q1 , . . . , pf ), wobei εi (pi ) nur abhängig von einer einzigen Impuls- oder
Ortskoordinate. (Beispiel: E = Ekin + Epot )
2. εi quadratisch in pi , also εi = b ⋅ p2i (b = const.)
Beispiel harmonischer Oszillator: E =
p2x
2m
+ 12 kx2
Frage: Wie groß ist der Mittelwert εi im thermischen Gleichgewicht?
1
T = kβ
ist im thermischen Gleichgewicht vorgegeben. Das führt uns auf die kanonische Verteilung und die wiederum auf
εi =
1
⋅ kT
2
. . . Gleichverteilungssatz
(1.84)
Jede unabhängige Variable die quadratisch in die Gesamtenergie (Hamilton-Funktion eingeht,
liefert den Beitrag 1/2kT zur mittleren Energie, wenn das System mit der Temperatur T im
Gleichgewicht ist (= 1/2kT pro Freiheitsgrad).
Beispiel:
• mittlere Ekin eines einatomigen idelaen Gases:
ε=
1 2
(p + p2y + p2z )
2m x
mit
p2y
p2x
p2
=
= z
2m 2m 2m
° ° °
1
kT
2
1
kT
2
3
⇒ ε = kT
2
3
3
1 Mol des Gases E = NA ( kT ) = RT
(R = NA ⋅ k)
2
2
∂U
3
cV =
∣ = R → Dulong Petit
∂T V 2
1
kT
2
1
STATISTISCHE PHYSIK
41
Quantenmechanisch:
∆E
E
Abbildung 15: [Gezeichnet von Manuel Bahr“]
”
Bei diskrete Energie Niveaus mit höherer Energien nimmt der Abstand der Niveus ab.
Für T groß wird ∆E zwischen Niveus klein: ∆E << kT
Aber: Wenn kT ≤ ∆T wird die klassische Beschreibung ungültig!
Gleichung 1.84 gilt ausschließlich klassisch und führt bei quantenmechanischer Betrachtung
zu falschen Ergebnissen! Man denke nur an das Strahlungsgesetz von Rayleigh und Jeans, das
jeder Schwingungsmode im Hohlraum Gleichung 1.84 zuordnet. Wir wissen aus E3 das Planck
mit seiner Interpretation richtig lag.
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Klassisch:
Wir betrachten zunächst 2 gleichartige Teilchen ohne Wechselwirkung. Klassisch gesehen sind
sie durch ihre Teilchenbahn unterscheidbar und es können sich beliebig viele Teilchen im selben Einteilchenzustand befinden.
⇒ Keine Bedingung an Wellenfunktion geknüpft.
⇒ es gilt die Maxwell-Boltzmann Statistik
Quantenmechanisch:
Um die Sache zu vereinfachen, schauen wir uns die beiden Teilchen im Kasten an. Die zugehörige zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung kennen wir:
(
̵2
h
(∆x1 + ∆x2 ) + (E − V (x))) ψ(x1 , x2 ) = 0
2m
(1.85)
Mit x1 , x2 als Teilchenkoordinaten. Der Kasten hat ja 0 < x < L als Geometrie“ und das Po”
tential innerhalb ist V = 0.
42
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Die mögliche Lösung von Gleichung 1.85 ist das Produkt der Einteilchenwellenfunktion:
ψn,m (x1 , x2 ) = ψn (x1 )ψm (x2 )
(1.86)
Beispiel:
• n=1, m=2
1
2
) ⋅ sin ( πx
) (A ist Produkt aus den An )
ψ1,2 = A sin ( πx
L
L
)
Allgemein: ψn = An sin ( nπx
L
Wobei ψn , ψm die Wellenfunktion jeweils eines Teilchens ist mit der Energiequantenzahl n
bzw. m.
). Das An folgt aus der Normierung.
Aufgrund des Kastens ist ψn = An sin ( nπx
L
Jetzt wollen wir folgendes wissen:
Was ist die Wahrscheinlichkeit, Teilchen 1 in einer Umgebung dx1 um x2 und Teilchen 2 in
einer Umgebung dx2 um x1 zu finden?
Wir wissen, dass wir in diesem Fall das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten brauchen. Dies
führt uns auf
∣ψn,m (x1 , x2 )∣2 dx1 dx2 = ∣ψn (x1 )∣2 dx1 ⋅ ∣ψm (x2 )∣2 dx2
Wenn wir eine geeignete Normierung voraussetzen, dann entspricht ja ∣ψ∣2 einer Wahrscheinlichkeitsdichte.
Das Problem ist, dass unsere Teilchen in Wirklichkeit aber ununterscheidbar sind (Unbestimmtheitsrelation), also identisch sind. Das Quadrat der Wellenfunktion ∣ψ(x1 , x2 )∣2 muss unter Vertauschung von x1 und x2 invariant bleiben. Also muss
∣ψ(x1 , x2 )∣2 = ∣ψ(x2 , x1 )∣2
gelten.
(1.87)
1
STATISTISCHE PHYSIK
43
Abbildung 16: The scattering of two identical particles in two possible collisions, a and
b, shown as classical tracjectories. Initially particles enter from opposite
directions, collide, and move apart. Both collision processes have exactly
the same initial and final trajectories, the difference being that the particles have exchanged places in b as compared to a. If we now treat the
particles as quantum objects, they have an uncertainty in their postition.
If the uncertainty is comparable to the minimum separation of the trajectories, then the exchange of particles during the collision is possible, and
we cannot tell which process has occurred.
Die Lösung muß also entweder symmetrisch ψ(x1 , x2 ) = ψ(x2 , x1 ), oder antisymmetrisch
−ψ(x1 , x2 ) = ψ(x2 , x1 ) sein, was Gleichung 1.86 sicher nicht erfüllt, denn die Vertauschung
ergäbe eine neue Funktion, wodurch die Teilchen unterscheidbar wären.
Wir bilden daher:
symmetrisch:
ψn,m + ψm,n = A′ [ψn (x1 )ψm (x2 ) + ψn (x2 )ψm (x1 )] = ψ+
(1.88)
ψn,m − ψm,n = A′ [ψn (x1 )ψm (x2 ) − ψn (x2 )ψm (x1 )] = ψ−
(1.89)
und
antisymmetrisch:
Beide Wellenfunktionen erfüllen die Symmetriebedingung.
Die Symmetrieforderung gilt für eine beliebige Teilchenanzahl. Es sind daher nur zugelassen:
ψ± (1, . . . , µ, . . . , ν, . . . , N ) = ±ψ± (1, . . . , ν, . . . , µ, . . . , N )
ν, µ . . .Orts- und Spinkomponenten des ν-ten Teilchens (µ-ten)
ψ±
total symmetrische/total antisymmetrische Wellenfunktion
44
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Spektroskopie: Für Teilchen mit halbzahliger Spinquantenzahl ist die Wellenfunktion antisymmetrisch beim austausch zweier Teilchen - es sind Fermionen
1 3 5
s = , , , ⋅ ⋅ ⋅ → ψ−
2 2 2
s = 0, 1, 2, ⋅ ⋅ ⋅ → ψ+
Fermion
Boson
Wir betrachten nun eine antisymmetrische 2-Teilchen Wellenfunktion: ψ− = ψn,m − ψm,n
Annahme: beide Teilchen sind im selben Einteilchenzustand.
So ist n = m ⇒ ψ− ≡ 0
Für viele Teilchen: Wir sagen Teilchen ν und Teilchen µ seien im selben Quantenzustand.
ψ− (. . . , ν, . . . , µ, . . . ) = ψ− (. . . , µ, . . . , ν, . . . )
(1.90)
andererseits muss gelten:
ψ− (. . . , ν, . . . , µ, . . . ) = −ψ− (. . . , µ, . . . , ν, . . . )
(1.91)
nur möglich für ψ− ≡ 0
Zwei Fermionen dürfen in einem System nicht gleichzeitig in einem Zustand mit derselben
Quantenzahl sein.
Das Pauli-Verbot sagt uns, dass die Wellenfunktion von Fermionen, also Teilchen mit halbzahligem Spin antisymmetrisch ist. Wie man in diesem Fall für m = n leicht erkennt, muss die
Wellenfunktion die Nullfunktion sein, was bedeutet, dass sich zwei Fermionen in einem System nicht im selben Quantenzustand befinden dürfen.
Bei ganzzahligem Spin ist die Wellenfunktion symmetrisch, d.h. für Bosonen gilt das Pauliverbot nicht!
1.4.1
Die Abzählung der Zustände
Die Quantenmechanik bestimmt die Statistik (Verteilung der Teilchen auf Einteilchenzustände)
von Vielteilchensysteme.
Wir betrachten Quanten-Einteilchenzustände mit Index r, sz . Die Energie des Teilchens im Zustand r, sz sei εr,sz und die Anzahl der Teilchen in diesem Zustand r, sz sei nsrz . Die Möglichkeiten für nsrz sind 0, 1 für Fermionen und 0, 1, 2, . . . für Bosonen.
Der Mikrozustand des Gesamtsystems ist somit R = (ns1z , ns2z , ns3z , . . . ) = {nsrz }
sz
n1 1 = n1 Teilchen im Zustand r = 1, sz = sz1
1
STATISTISCHE PHYSIK
45
sz
n2 2 = n2 Teilchen im Zustand r = 2, sz = sz2
und die Energie des Mikrozustandes R: ER = ∑ nsrz ⋅ εr
sz ,r
sz
(heißt: Gesamtenergie der Gase im Zustand R, bei dem n1 1 Teilchen im Zustand r = 1,
sz
sz = sz1 , n2 2 Teilchen im Zustand r = 2, sz = sz2 ).
Die Gesamtteilchenanzahl des Mikrozustandes R ist NR = ∑ nsrz .
sz ,r
Die Gesamtteilchenanzahl des Systems N ist entwerder vorgegeben (durch N , also mikrokanonisch oder kanonisch - durch µ bei groß kanonisch), dann handelt es sich um ein gewöhnliches
( normales“) Gas, oder es gibt keine feste Teilchenanzahl wie z.B. bei einem Photonengas“ im
”
”
Hohlraum.
Zur Illustration betrachten wir z.B. 2 Teilchen mit den Einteilchenzuständen ε0 = 0 und ε1 = ε.
Bei Fermi sei der Spin +1/2. Die Zustandssummen für die einzelnen Statistiken sind einfach
(siehe Abbildung 17):
• Fermi-Dirac: Z = e−β(1⋅0+1⋅ε) = e−βε
• Bose-Einstein: Z = e−β(2⋅0) + e−β(1⋅0+1⋅ε) + e−β(0⋅0+2⋅ε) = 1 + e−βε + e−2βε
• Maxwell-Boltzmann: Z = ⋅ ⋅ ⋅ = 1 + 2e−βε + e−2βε
Diese Statistik ist für identische Teilchen offensichtlich falsch, deshalb soll die oben
erwähnte Gibb’sche Korrektur“ ( N1 ! ) zu einer für identische Teilchen richtigen Stati”
stik führen:
Z
Z 1 + 2 exp(−βε) + exp(−2βε)
= =
N! 2
2
Diese Korrektur bringt aber nichts, da sie wieder nicht verträglich mit der Quantenmechanik ist.
46
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Abbildung 17: Zur Illustration der Quantenstatistik werden zwei Teilchen in zwei Energieniveaus betrachtet. Im Fall der Fermistatistik sollen die Spins der beiden Teilchen parallel stehen, in den anderen Fällen seien die Teilchen
Spinlos.
Bevor wir die einzelnen Statistiken im Detail studieren, seien noch einige Beispiele für ideale
Gase mit E = εr angegeben:
• e− im Metall
• Phononen im Kristall (dazu mehr in der Festkörperphysik)
• Photonen
• flüssiges Helium 4 He
• Magnonen im Festkörper (Das sind Spin-Wellen)
1.4.2
Die Maxwell-Boltzmann-Statistik
Wir betrachten N Teilchen in Kontakt mit Wärmebad der Temperatur T .
Die kanonische Zustandssumme ist ja
Z = ∑ e−βEr = ∑ e−β(n1 ε1 +n2 ε2 +⋯)
R
R
(bei der Maxwell-Boltzmann Statistik gibt es keinen Spin)
mit
ER = ∑ nsrz ⋅ εr
sz ,r
1
STATISTISCHE PHYSIK
47
Da die Teilchen unterscheidbar sind, müssen wir N Teilchen verteilen: R = {nr } = (n1 , n2 , . . . ),
!
also bei N Teilchen gibt es n1 !⋅nN2 !⋯n
Möglichkeiten die N Teilchen auf Einteilchenzustände
r!
so zu verteilen, dass n1 im Zustand 1, n2 im Zustand 2, . . . , sind.
Also bei unterscheidbaren Teilchen gibt jede dieser Anordnungen einen bestimmten Zustand R.
N!
e−β(n1 ε1 +n2 ε2 +⋯)
n1 ,n2 ,... n1 ! ⋅ n2 !⋯nr !
∑
Die Summe im Exponent ist in ein Produkt verwandelbar, und mit der Polynomialentwicklung:
N!
pn1 q n2 rn3
n
!
⋅
n
!⋯n
!
2
r
n1 ,n2 ,... 1
(p + q + r + . . . )N =
∑
kann man dann obiges Z schreiben als:
Z = (e
−βε1
−βε2
+e
N
+ . . . ) = (∑ E
−βεr
N
) = Z1N
(1.92)
r
Wir greifen bestimmten Zustand s heraus und fragen:
Frage: Wie groß ist die mittlere Teilchenzahl ns im Zustand s (=Besetzungszahl)?
Rechnung ergibt:
−
1 ∂Z
Zβ ∂εs
Dies ist die klassische Maxwell-Boltzmann’sche“ Statistik.
”
Je kleiner die Energie der Teilchen, umso größer ist ihre mittlere Anzahl.
1.4.3
Die Fermi-Dirac-Statistik (1926)
Für diese Statistik betrachten wir die große Zustandssumme Y (T, V, µ) = ∑r e−β(Er −µNr ) .
Hier ist ER = ∑ nsrz ⋅ εr und NR = ∑ nsrz .
sz ,r
sz ,r
Im Speziellen schauen wir hier ein System von Fermionen mit Spin = 1/2 an (Elektronen,
Positronen, Neutronen, Protonen, . . . ). Der Mikrozustand des Gesamtsystems ist daher:
R = {nsrz } = (n↑1 , n↓1 , n↑2 , n↓2 , . . . )
48
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Unsere große Zustandssumme wird so zu
Y = ∑ e−β[(n1 ε1 −µn1 )+(n1 (ε1 −µ)+... ]
↑
↑
↓
nsrz
1
1
1
= ∑ ∑ ∑ . . . e−β[n1 (ε1 −µ)] e−β[n1 (ε1 −µ)] e−β[n2 (ε2 −µ)] . . .
↑
↓
↑
n↑1 =0 n↓1 =0 n↑2 =0
erste Summe = (e0 + e−β(ε1 −µ) ) (e0 + e−β(ε1 −µ) ) ⋅ ⋅ ⋅ = (1 + e−β(ε1 −µ) ) (1 + e−β(ε2 −µ) ) . . .
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
2
ε↑1
ε↓1
⇒
ε↑1 ,ε↓1
Y = ∏ (1 + e−βεr −µ) )
2
2
ε↑2 ,ε↓2
(1.93)
r
Wie bei Maxwell-Boltzmann fragen wir uns auch hier nach der mittleren Teilchenanzahl nssz in
einem speziellen Zustand. Und wieder greifen wir einen bestimmten Zustand r = s heraus mit
sz = ↑
1
STATISTISCHE PHYSIK
49
Frage: Wie groß ist die mittlere Teilchenzahl n↑s ?
∑ nr
r
∑ nr εr
r
n↑s = ∑ PR ⋅ n↑s =
R
=
1
1
1 1 −βn↑1 (ε1 −µ) 1 −βn↓1 (ε1 −µ) 1
−βn↑ (ε −µ)
−βn↓ (ε −µ)
∑ e
∑ e
∑ ⋯ ∑ e s s
∑ e s s
Y n↑ =0
n↓ =0
n↑ =0 n↑ =0
n↓ =0
1
=
1
Y
¬
«
↑ −β( ER − µNr )
∑ ns e
R
1
s
2
s
2
1
(1 + e−β(ε1 −µ) ) ⋯ e−β(εs −µ) ⋅ (1 + e−β(ε2 −µ) )(. . . )2 . . .
Y
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
#
n↓s
# n↑s = 0 → Summand = 0, n↑s = 1 bleibt
⋯ (1 + e−β(εs−1 −µ) ) e−β(εs −µ) (1 + e−β(εs −µ) ) (1 + e−β(εs+1 −µ) ) ⋯
2
=
n↑s =
2
⋯ (1 + e−β(εs−1 −µ) ) (1 + e−β(εs −µ) ) (1 + e−β(εs+1 −µ) ) ⋯
2
2
2
e−β(εs −µ) eβ(εs −µ)
1
=
1 + e−β(εs −µ) eβ(εs −µ) eβ(εs −µ) + 1
εs nicht von sz (↑, ↓) abhängig
⇒
ns = n(εs ) =
1
eβ(εs −µ)
Fermi-Dirac Statistik
+1
(1.94)
Fermion: Jeder Zustand nur einmal besetzbar!
⇒ n(ε) ≤ 1, gewichtet durch eβ(ε−µ) ≥ 0
Chemisches Potential: µ = µ(T ), schwach T -abhängig.
= Ferminiveau
für ε = µ folgt:
für ε = µ ⇒ n(ε) =
1
1
=
1+1 2
∀T
Wenn feste Teilchenzahl in Volumen V ⇒ ∑ n = N , damit ist µ = µ(T ) festgelegt.
s
(1.95)
50
1.4
n(ε) =
oder
Quantenstatistik idealer Gase
1
eβ(ε−µ)
(1.96)
+1
⎧
⎪
⎪0 für ε > µ(T = 0) = εF
=⎨
⎪
⎪
⎩1 für ε < µ(T = 0) = εT
⎧
⎪
1
β(ε−µ) ⎪∞
für T → 0 ⇒ β =
→∞⇒e
=⎨
⎪
kT
⎪
⎩0
für (ε − µ(T = 0)) > 0
für (ε − µ(T = 0)) < 0
Abbildung 18: Fermiverteilung für εf = µ(T = 0) = 7eV (entspricht der Fermienergie
für Cu); Die Temeperatur nähert sich für T → 0 immer weiter der Fermienergie an. Die Fermienergie ist nur definiert für T = 0
Wenn T << TF (TF = Fermitemperatur): εF = kTF Fermigas ist entartet“!
”
Bei T = 0 sind alle Zustände besetzt, es kann also keine Energie mehr zugeführt werden.
⇒ Wärmekapazität für T → 0, Cv → 0
Gas des Leitungselektrons im Metall ist hochentartet: TF ∼ 50.000K ≙ εF ≅ 4,3eV
(1.97)
(1.98)
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.4.4
51
Die Bose-Einstein-Statistik
Wir nehmen jetzt, Bosonen mit ganzzahligem Spin (0, 1, 2,. . . ), hier speziell s = 0.
Der Mikrozustand des Gesamtsystems ist R = nr = (n1 , n2 , . . . ). Jetzt schauen wir uns die
große Zustandssumme an:
∑ nR
R
∑ nr εr
r
Y = ∑ e−β(
«
«
ER −µ NR )
∞
∞
n1 =0
n2 =0
= ∑ e−βn1 (ε1 −µ) ⋅ ∑ e−βn2 (ε2 −µ) ⋯
R
Jede einzelne der Summen stellt eine unendliche geometrische Reihe dar, also:
∞
−βn (ε −µ)
= 1 + e−β(ε1 −µ) + e−2β(ε1 −µ) + ⋅ ⋅ ⋅ =
∑ e 1 1
n1 =0
⇒Y =
1
1 − e−β(ε1 −µ)
⋅
1
1 − e−β(ε2 −µ)
1
1 − e−β(ε1 −µ)
...
und somit:
Y =∏
r
1
(1.99)
1 − e−β(εr −µ)
Wie gewohnt, greifen wir uns einen Zustand s heraus und suchen ns :
ns = ∑ PR ns =
R
∞
1
1 ∞
−β(ER −µNR )
−βn (ε −µ)
=
⋅ ... ⋅ ∑ ns e−βns (εs −µ) ⋅ ...
∑ ns e
∑ n1 e 1 1
Y R
Y n1 =0
ns =0
Mit dem Trick
∞
∂ ∞ −βns (εs −µ) ∞ −βns εs ∂ ∞ βns µ ∞ −βns εs ∞
β ∑ ns eβns µ = β ∑ ns e−βns (εs −µ)
= ∑e
= ∑e
∑e
∑e
∂µ ns
∂µ ns
ns
ns
ns
ns
kann man ns auch schreiben als
ns =
1 ∂ ∞ −βns (εs −µ)
1 ∞ −βn1 (ε1 −µ)
⋅ ... ⋅
=
∑ e
∑ e
Y n1 =0
β ∂µ ns =0
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
1
1−e−β(εs −µ)
=
1
1
1 ∂
1
⋯
⋯=
Y 1 − e−β(ε1 −µ) β ∂µ 1 − e−β(εs −µ)
=
1
1
⋯1 ∂
⋯
1−e−β(ε1 −µ) β ∂µ 1−e−β(εs −µ)
1
1
⋯
⋯
1−e−β(ε1 −µ) 1−e−β(εs −µ)
52
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
Mit Ableitung nach µ
∂
(1 − e−β(εs −µ) )−1 = −(1 − e−β(εs −µ) )−2 ⋅ (−β)e−β(εs −µ)
∂µ
folgt daraus die Bose-Einstein-Verteilung“:
”
ns =
e−β(εs −µ)
e−β(εs −µ)
1
⋅
= β(ε −µ)
1 − e−β(εs −µ) e−β(εs −µ)
e s
−1
Es gilt dabei:
ns
(εs −µ)→0
Ð→
(1.100)
∞
Also wenn µ > 0 dann wird ns (→ ∞) singulär, wenn εs = µ. Aber mit fester Teilchenzahl
N R = N ist µ ≤ 0 und damit εs − µ > 0 (Die Energie kann ja nicht negativ werden).
Wir fordern daher µ ≤ 0 ⇔ εS − µ ≥ 0 für alle Energieniveaus εS ≥ ε0 = 0
Andererseits strebt der Exponentialfaktor eβ(εs −µ) → ∞ für T → 0 und (εs − µ) > 0
So folgt das die Besetzungszahl gegen Null strebt.
Wir fordern somit insgesamt:
Chemisches Potential µ des Bosegases strebt für T → 0 so gegen den Grundzustand ε0 , dass
Zahl N0 der Teilchen im Grundzustand gegen Gesamtzahl N strebt.
Sobald µ = 0 (maximalwert von µ erreicht ist (bei T = TC . . . kritische Temperatur“).
”
→ Phasenübergang“:
”
für T → +TC ⇒ µ → −0
Das heißt, dass für T → 0 N0 = ns → N Gesamtzahl der Teilchen.
T < TC :
großer, makroskopischer teil des Teilchens im Zustand niedrigster Energie ε0 . Besetzung höherer Zustände vernachlässigbar klein.
Bose-Einstein-Kondensat:
E.A. Cornwell, W. Ketterle & C.A. Wieman:
2001: Nobelpreis
1995: Bose-Einstein-Kondensat an 87 Rb in magnetoptische Falle bei T = 1,7 × 10−7 K
87
Rb hat 1 ungepaartes Elektron.
Photonen-Statistik:
Photonenzahl nicht fest → µ = 0
Daraus folgt die mittlere Besetzungszahl:
ns =
1
eβεs
−1
. . . Planck’sche Verteilung
1
STATISTISCHE PHYSIK
1
ε = hνn = hν ehν/kT
−1
53
statt ε = kT = 2 ⋅ 12 kT
• spektrale Modendichte: nν =
8πν 2
c3
• spektrale Energiedichte: wν,ρ (ν, T ) =
• spektrale Strahldichte: Lν,S (ν, T ) =
8hπν 3
c3
c
4π wν,S
⋅
1
ehν/kT −1
=
2hν 3
c2
⋅
1
ehν/kT −1
Abbildung 19: Chemisches Potential µ als Funktion der Temperatur (V/N = const.)
(a) Mittlere Besetzungszahlen ns der Energieniveaus
εs für 0 < T < Tc
(b) Zahl der kondensierten Boseteilchen N0
als Funktion von der Temperatur
Abbildung 20
Unterhalb von Tc befindet sich ein wesentlicher Anteil der Teilchen im niedrigsten Energiezustand, sodass höhere Zustände vernachlässigbar sind. Diese Anmerkungen führen geradewegs
zur Bose-Einstein-Kondensation“, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann.
”
54
1.4
Quantenstatistik idealer Gase
In Zusammenhang mit der Bose-Einstein-Verteilung schauen wir uns noch kurz die Photonen”
Statistik“ an, denn wie wir wissen, sind Photonen eben Bosonen.
Die Teilchenanzahl ist nicht fixiert, woraus folgt, dass die Energiewerte nicht von der Teilchenanzahl abhängen.
Dadurch ist µ = 0 und somit gilt für die mittlere Besetzungszahl des Zustandes s:
ns =
1
eβεs
−1
=
1
eβhν
−1
(1.101)
Es handelt sich um die bekannte Planck-Verteilung“, die auch in seinem“ Strahlungsgesetz
”
”
auftritt.
1
STATISTISCHE PHYSIK
1.4.5
55
Quantenstatistik im klassischen Grenzfall
Wir sehen uns die Quantenstatistiken von Fermi-Dirac und Bose-Einstein an (Diese unterscheiden sich ja nur um ein Vorzeichen). Legen wir die vorgegebene Teilchenzahl (N ≅ N ) fest, so
ist auch das chemische Potential µ festgelegt durch
∑ nr = ∑
r
r
1
eβ(εr −µ)
(1.102)
±1
Wir betrachten den Fall e−βµ >> 1 wobei e+βµ << 1
±
Fugezität
ns =
1
e
e−βµ ±1
±±
βεs
≥e0 =1 ≫1
⇒ ns = e−β(εs −µ) ≪ 1
Bei sehr kleine Besetzungszahlen geht die Bedingung, das der Spin Einfluss auf die Statistik
hat, verloren - ist somit klassisch.
⇒ klassisch: ns = e−βs eβµ
mit Randbedingung:
N = ∑ ns = ∑ e−β(εr −µ) = eβµ ∑ e−βεr =
r
ns = N
r
e−βεs
∑ e−βεr
r
ns
−βε
e s
−βεr
∑e
r
r
Frage: Wann wird e−βµ >> 1?
≙ Bedingung für klassischen Grenzfall ist erfüllt wenn ns << 1, das heißt bei genügend verdünntes Quantengas.
V
) zwischen benachbarten Teilchen groß
Rechnung zeigt: e−βµ >> 1 ⇔ mittlerer Abstand ( N
gegen de Broglie Teilchenwellenlänge λT bei der Temperatur T : λT = therm.
Teilchenwellenlänge (λT )3 = thermische Teilchenvolumen“
”
√
V
1
>> (λT )3 ⇒ N (λVT )3 >> 1
⇒N
T
λT ∝
1/3
⇒ 1. wenn Teilchenzahldichte N
V ist vorgegeben. ⇒ Teilchenwellenlänge λT muss klein sein
⇒ hohe Temperatur. 2. Wenn niedrige Temperatur vorgegeben → Teilchendichte N
V muss klein
sein.
insgesamt:
Im Fall e−βµ >> 1 ≙ klassischer Grenzfall reduzieren sich die Quantenmechanische Verteilung
FD und BE auf die klassische MB-Verteilung.
56
1.4
Wir stellen die Bedingung für hinreichende Verdünnung
V
N (λT )3
Quantenstatistik idealer Gase
<< 1 und damit nS << 1
Abbildung 21: Vergleich der Bose-Einstein und der Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion.
Den klassischen Geltungsbereich erhält man für (ε − µ) >> τs , wo die
beiden Verteilungen fast identisch werden.
Abbildung 22: Vergleich der Energiezustandbesetzungen im klassischen und im Quantenbereich
2
2
FESTKÖRPERPHYSIK
57
Festkörperphysik
Festkörperphysik ist die Physik der Kristalle. In der Materialphysik betrachten wir Kristalle,
Gläser (=unterkühlte Flüssigkeiten), Quasikristalle (diese haben quasiperiodische Anordnung),
Polymere und Flüssigkristalle, Cluster und dünne Schichten (damit meint man einige Atomlagen dicke Schichten).
Frage: Was hält den Festkörper zusammen?
Die Wechselwirkung zwischen den Atomen.
Abbildung 23: Gleichphasige und gegenphasige Normalschwingung der gekoppelten
Pendel.
Abbildung 24
58
Die Aufspaltung der Energieniveaus entsprechen den Überlapp der Wellenfunktionen. In der
Festkörperphysik haben wir eine große Teilchenzahl und daher quasikontinuierliche Energieniveaus welche als Bänder“ bezeichnet werden.
”
Abbildung 25: Aufspaltung der Energieniveaus bei Annäherung einer großen Zahl gleicher Atome der ersten Reihe des Periodensystems aneinander (schematisch). Der Abstand r0 soll etwa den Gleichgewichtsabstand in einer chemischen Bindung charakterisiern. Durch die Überlappung der 2s und 2p
Bänder wird auch das Element Be (Beryllium) mit zwei s-Elektronen
zum Metall. Tiefliegende Atomniveaus spalten wenig auf und behalten
deshalb weitgehend ihren atomaren Charakter.
Aufspaltung der Energiebänder in einem Be-Kristall
1s, . . .
Rumpfelektron, kleine Aufspaltung
2s, 2p,. . . Valenzelektronen, große Aufspaltung → Energiebänder
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.1
59
Die chemische Bindung
Das Grundprinzip ist die Absenkung der Energie durch Umverteilung der Valenzelektronen“
”
entsprechend der Aufspaltung der Niveaus.
Abbildung 26: Schematic representation of the energy (a) and force (b) between two
atoms as function of their seperation r. The dashed curves are the sums
of the attractive and repulsive curves.
Eine Bindung kommt durch den Energiegewinn (Bindungsenergie) bei einer Umverteilung der
Valenzelektronen zustande. Wir können diese Energie einmal ganz zwanglos ansetzen durch
α
β
+ m
n
r
r
Die Bindung wird wie erwartet stabil, wenn (2.1) minimal wird für r = r0 .
Das ist der Gleichgewichtsabstand mit der Bedingung m > n.
Epot (r) = −
(2.1)
Definieren wir uns noch die Dissoziationsenergie D ∶= −E(r0 ).
Das ist die Energie, die nötig ist, um die Atome wieder auseinanderzubringen, also die Bindung
aufzubrechen.
Die verschiedenen Bindungstypen werden charakterisiert durch die Ausdehnung und Überlappung der besetzten Elektronenzustände. Wir unterscheiden:
1. Die Elektronen seien an den Ionen lokalisiert und es herrscht nur eine geringe Überlappung der Wellenfunktionen. Dann sprechen wir entweder von einer Ionenbindung“
”
(Salze) oder von einer van der Waals“-Bindung.
”
2. Bei der Überlappung der Wellenfunktionen zwischen den Nachbarn besteht eine Winkelabhängigkeit. Das ist dann eine kovalente“ Bindung (halbleitende Elemente und de”
ren Verbindungen, Moleküle).
60
2.1
Die chemische Bindung
3. Bei der metallischen Bindung sind die Wellenfunktionen der Elektronen gegenüber dem
Nachbarabstand weit ausgedehnt. Die Elektronen sind dann gegenüber dem Atom nicht
mehr lokalisierbar.
2.1.1
Die Typen der chemischen Bindung
1. Die Ionenbindung (heteropolar):
(heteropolar deswegen, weil zur Ionenbindung verschiedene Atome benötigt werden.)
Am Beispiel von N aCl. Natrium hat eine geringe Ionisierungsenergie (5,14eV ,
Alkalimetalle“: kleine Ionisationsenergie (Li, N a, Ka, Rb, Cs) - N a: 1s2 2s2 2p6 3s3 leicht“
”
”
entfernbar), d.h. es ist elektropositiv, da es leicht Elektronen abgibt.
Chlor weist eine Elektronenaffinität“ von 3,61eV auf, d.h. es gewinnt bei der Ionisierung
”
durch zusätzliches Elektron diese Energie.
Für N a+ Cl− sind daher nur 1,53eV notwendig. Diese Energie gilt aber nur für unendlich
ferne Atome, im Nahbereich (≈ nm) kommt es zu einem Elektronentransfer, aber auch
zu einer Abstossung durch das Pauli-Verbot.
2. Die kovalente Bindung (homäopolar):
Im Allgemeinen werden 2 Elektronen (eines von je einem der beteiligten Atome) dem
Molekül gemeinsam.
Beispiel: H2 , also sind 2 Teilchenwellenwunktionen beteiligt. Entscheidend sind die
Symmetrieeigenschaften der Wellenfunktionen, denn die gesuchte Wellenfunktion muss
wegen des Pauliverbotes antisymmetrisch bezüglich einer Vertauschung sein.
Wir müssen die Gesamtwellenfunktionen in einen Spinanteil und einen räumlichen Anteil
zerlegen. Betrachten wir den Spinanteil der Elektronen:
(a) parallele Spins der zwei Elektronen:
Der Gesamtspin: S = 12 + 12 = 1; ms = −S, −S + 1, . . . , S − 1, S.
Hier sind alle Möglichkeiten symmetrisch bezüglich des Austausches von e−1 und
e−2 .
QM-Rechnung für
S = 1, ms = 1
S = 1, ms = −1
S = 1, ms = 0
→
→
→
↑1 ↑2
↓1 ↓2
↑1 ↓2 + ↓1 ↑2
Diese sind alle Symmetrische Wellenfunktionen.
(b) Antiparallel: S = 0; ms = 0 → ↑1 ↓2 − ↑1 ↓2 ist antisymmetrisch.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
61
Da die Gesamtwellenfunktion ja antisymmetrisch sein muss ist durch den Spin der räumliche Anteil festgelegt (Pauliverbot).
Für S = 1 (Spinparallel) ist der Raumanteil antisymmetrisch und damit nicht bindend.
Im Falle von S = 0 (antiparallel) ist der Raumanteil symmetrisch und damit ist hier die
Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch, also bindend (und somit günstig).
Was wir hier noch zu bedenken haben ist folgendes: Unbewusst ist es uns gelungen, eine
Aufspaltung der Atomniveaus in bindende und antibindende Zustände zu erklären.
H2 , O2 , N2 sind zum Beispiel rein kovalente Bindungen, wohingegen bei unterschiedlichen Atomen die Bindung meist aus einem kovalenten und ionischen Anteil besteht
( fraktionierter“ Charakter der Bindung).
”
2 Elektronen Bindungsorbital ⇒ stark gerichtete Bindungsorbital
Abbildung 27: Für zwei Wasserstoffatome sind hier (eindimensional) die räumlichen
Anteile der Wellenfunktionen dargestellt. ψS ist die symmetrische und
ψA ist die antisymmetrische Wellenfunktion:
a) bei großem Abstand, b) bei geringem Abstand der Protonen.
c) Die Wahrscheinlichkeitsdichte ∣ψ∣2 der Elektronen bei geringem Abstand. Sie ist zwischen den Kernen groß bei der symmetrischen Wellenfunktion ψS . Dadurch kommt die Bindung der Wasserstoffatome im H2 Molekül zustande. Bei der antisymmetrischen Wellenfunktion ψA ist die
Ladungsdichte zwischen den Protonen gering, und die Atome bilden kein
Molekül.
62
2.1
Die chemische Bindung
Abbildung 28: Die potentielle Energie des Ionenpaares N a+ Cl− als Funktion des KernKern-Abstands r.
Sie hat ihre Minimum beim Gleichgewichtsabstand r0 = 0,236nm.
Die Energie der beiden getrennten Ionen beträgt bei unendlich großem
Kern-Kern-Abstand (r = ∞) 1,53eV . Diese Energie ist erforderlich, um
die beiden Ionen aus den neutralen Atomen zu erzeugen.
3. van der Waals-Bindung:
Zwischen induzierten oder permanenten Dipolen → schwache elektrostatische Anziehung.
Hier setzen wir die Atome als fluktuierende Dipole an welche ein Dipolmoment im 2.
Atom induziert und führt zu einer attraktiven Wechselwirkung; es wirken sogenannte
Londonsche Dispersionskräfte“. Die Energie ist gegeben durch:
”
⃗D = { 2p cos θ , p sin θ , 0}
E
4πε0 R3 4πε0 R3
(2.2)
Bei uns sei θ = 0. Daraus folgt:
ED =
1 p
p
∝ 3
3
2πε0 R
R
p⃗1 erzeugt ein Feld am Ort vom Dipol p⃗2 . ED ∝ Rp3 woraus folgt, dass p⃗2 = αE ∝
wobei α die Polarisierbarkeit ist.
Somit ist
p⃗2
α⃗
p1
p⃗1
c
Epot (R) = −⃗
p2 E ∝ − 3
⋅ 3 ∝ − 16 = − 6
R
R
R
R
°
²
Dipolmoment F eld
(2.3)
α⃗
p1
,
R3
2
FESTKÖRPERPHYSIK
63
Durch einen Ansatz für die Pauli-Abstoßung
Potential:
B
R12
folgt das sogenannte Lennard-Jones“”
σ 12
σ 6
Epot (R) = 4ε [( ) − ( ) ]
R
R
(2.4)
c = 4εσ 6 , B = 4εσ 12
ε entspricht der Potentialtiefe und σ dem Kontaktabstand. Zu erwähnen ist hier noch
die harmonische Näherung des Atompotentials: Um die Gleichgewichtslage kann man
Gleichung (2.4) durch einen harmonischen Oszillator annähern.
Epot
R=σ
-ε
R = R0 = Gleichgewichts-Abstand
ε
R
Abbildung 29: Lennard-Jones Potential
4. Die Wasserstoffbrückenbindung:
Wenn wir uns ein Ion des Wasserstoffatoms ansehen, so wissen wir, dass es lediglich ein
nacktes“ Proton ist, d.h. es ist um ca. 5 Größenordnungen kleiner (r ≈ 10−15 ), also 105
”
kleiner als alle anderen Ionen.
Ausserdem hat der Wasserstoff mit 13,6eV eine hohe Ionisierungsenergie.
Aus diesen Fakten, folgt ein besonderes Bindungsverhalten:
Es geht Bindungen mit stark elektronegativen Atomen ein, also solche, die viel Energie
gewinnen wenn sie ein Elektron aufnehmen (Das stärkste ist Fluor).
Beispiele für solche Bindungen sind:
HF Flusssäure; H2 O Eiskristalle und in der Molekulargenetik vorprogrammierte Bruch”
stellen“.
64
2.1
Die chemische Bindung
Abbildung 30: Bindungsenergien für eine einzelne kovalente Bindung zwischen gleichen Atomen. (Nach Pauli)
Abbildung 31: Das Wasserstoffdifluoridion HF2 wird durch eine Wasserstoffbrücke gebildet. Die Zeichnung gibt ein extremes Modell wieder, extrem deshalb,
weil das Proton ganz ohne Elektron dargestellt ist.
Abbildung 32: The crystal structure of one of the many phases of ice. The large circles
are oxygen ions; the small circles are protons. Ice is an example in which
hydrogen bonding plays a crucial role.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.1.2
65
Mehratomige Moleküle, Kovalente Bindung
H2 O mit 18g/mol oder Riesenmoleküle (z.B. Proteine mit 106 g/mol) gehen meistens kovalente Bindungen ein, eventuell versehen mit Wasserstoffbrückenbindung.
Bei kovalenten Bindungen gehören die bindenden Elektronen zu den beteiligten Atomen, woraus folgt, dass die Wellenfunktionen der Valenzelektronen, welche die Orbitale bilden, überlappen müssen.
1. Sehen wir uns erst die Bindung des H2 O-Moleküls an:
Für O gilt ja ein Grundzustand: 1s2 2s2 2p4 .
Beim isolierten O sind 6 Elektronen in 2p möglich, wegen m = −1, 0, 1.
4 Elektronen seien z.B. in pz (2⋅ ↑↓), d.h je eines aus px und py kann mit dem 1s Elektron
des H-Atoms eine Bindung eingehen. Der Winkel zwischen den Bindungen ist aufgrund
der Abstoßung größer als 90○ . Speziell beim H2 O sind es 104,5○
Abbildung 33: Schematische Darstellung der Elektronendichteverteilung im H2 OMolekül.
2. Die Bindungen des C-Atoms:
C ist im Grundzustand 1s2 2s2 2p2 . C geht fast ausschließlich 4 Bindungen ein. Um jedoch 4 Bindunge eingehen zu können passiert eine sogenannte Hybridisierung“ (=Kreu”
zung). Dabei wird ein Elektron aus dem 2s-Orbital in das 2p-Orbital angehoben, also der
1. angeregte Zustand.
Diese Promotion“ macht etwa 4eV aus. Es gibt jetzt 4 ungepaarte Elektronen: 2s, 2px , 2py , 2pz .
”
Das ist die sogenannte sp3 -Hybridisierung welche aus 2s und 3 2p Zuständen besteht.
”
66
2.1
Die chemische Bindung
Hat also 4 gleichwertige Bindungsorbitale ( Hybridorbitale“). Hier ist die Elektronenab”
stoßung in einer Tetraeder-Ausrichtung. Als Beispiele dafür wären Methan (CH4 ) und
Ethan (C2 H6 ) zu nennen.
Es gibt aber auch sp2 -Hybridisierung, wo 3 Hybridorbitale in einer Ebene sind (∼ 120○ ),
was zu einer Doppelbindung wie beim Ethen (H2 C ≡ CH2 ) führt; und es gibt auch noch
die sp-Hybridisierung, bei der es zu einer linearen Dreifachbindung wie beim Acethylen
(HC ≡ CH) kommt.
Wie bei Atomen emitieren und absorbieren auch Moleküle elektromagnetische Strahlung, sodass es zu Spektren kommt. Diese zeigen die Energieniveaus der Moleküle. Bei
einem 2-atomigen Molekül liegt die Energie bei der Absorption durch elektromagnetische Strahlung bei etwa 1eV , bei Schwingungen um den gemeinsam Massenmittelpunkt
bei etwa 0,1eV und durch die Rotation um die Schwerpunktachse zwischen 10−2 eV und
10−6 eV . eV.
2.1.3
Ionenkristalle
Ein Ion habe die Ladung ±q. Die Wechselwirkung mit anderen Ionen ist durch eine langreich2
weitige Coulombwechselwirkung ∝ ± qr gegeben. Die elektrostatische Bindungsenergie bezeichnen wir als Madelung-Energie“. Jetzt betrachten wir zwei Ionen i und j des Kristalls und
”
setzen für deren Wechselwirkungsenergie
ij
Epot
= ae−
rij
b
±
1 q2
4πε0 rij
(2.5)
an, wobei der erste Term die abstossende, sogenannte Born-Mayer-Potential“ beschreibt.
”
Diese liefert nur einen Beitrag zwischen nächsten Nachbarn im Kristall. a ist die Stärke“, b die
”
Reichweite der B − M -Kraft. Eine Abstossung soll nur zwischen nächsten Nachbarnstattfinden
können.
ij
Epot
⎧
1 q2
−R
⎪
⎪ae b − 4πε0 R
= ⎨ 1 1 q2
⎪
⎪
⎩± 4πε0 pij R
. . . nächsten Nachbarn
(2.6)
Wenn R der Abstand zwischen nächsten Nachbarn ist und rij = pij R, dann ist die gesamte
Wechselwirkung des Ions i mit allen anderen des Kristalls gegeben durch
i
Epot
(R) = N ∑ E ij = N (Z ⋅ a ⋅ e− b −
R
i≠j
1 αq 2
)
4π0 R
(2.7)
N ist hier die Anzahl der Ionenpaare und Z die Koordinationszahl, d.h. die Anzahl der nächsten
Nachbarn. α ist Madelung-Konstante +“ für positive Ion, −“ für negative Ion, (Aufion ist ne”
”
gativ).
2
FESTKÖRPERPHYSIK
67
Bevor wir uns dem α zuwenden, schauen wir uns den Gleichgewichtsabstand an:
i
dEpot
dR
=0=
R0
d
1 αq 2
[N (Zae− b −
)] =
dR
4π0 R
R0
1
N q2α
= − N Zae− b +
=0
b
4π0 R02
⇒ R02 e−
R0
b
=
bαq 2
1 bαq 2 R0
⇒a=
e b
4π0 Za
4πε0 ZR02
Eingesetzt in das Potential kürzen sich ein paar Dinge raus und übrig bleibt:
1 N q2α
b
(1 −
)
(2.8)
4π0 R0
R0
als Gitterenergie im Gleichgewichtsabstand.
1 N αq 2
Der Faktor − 4πε
wird als Madelung-Energie“ bezeichnet. Da in der Realität der Para0 R0
”
R0
i
hauptsächlich bestimmt durch die Madelungenergie!
meter b ∝ 10 ist, wird Epot
i
(R0 ) = −
Epot
Nun kommen wir zurück zu α. Wie oben schon angesprochen ist α die Madelung-Konstante“
”
und ist definiert durch:
α ∶= ∑ ±
j
1
pij
(2.9)
α ist stets > 0 und das Vorzeichen in der Summe ist abhängig vom Bezugsion (also, ob es positiv
oder negativ geladen ist).
Abbildung 34: Schematische Darstellung des linearen Gitters (Kette).
68
2.1
Die chemische Bindung
Wenn wir uns Abbildung 34 ansehen, können wir die Madelung-Konstante sofort berechnen.
Es ist rij = pij R und somit
1
1
1
1
α
= 2( −
= ∑(±)
+
− +...)
R
rij
R 2R 3R
j
(2.10)
(Der Faktor 2 in Gleichung 2.10 kommt von 2 Ionen im gleichen Abstand vom Bezugsion, siehe
Abbildung 34).
α = 2 [1 −
1
2
+
1
3
−
1
3
± . . . ] - Wenn wir uns die Reihe genau ansehen, erinnert sie uns an die
Reihe von ln(1 + x) = x −
x2
2
+
x3
3
± . . . , also folgt
⇒ α = 2 ⋅ ln 2
Das ist unser Wert für α, die im Allgemeinen strukturabhängig ist. Hier ein paar Werte für α:
Struktur
NaCl
CsCl
ZnS
α[RN N ]
1,7476
1,7627
1,6381
Tabelle 1: Verschiedene Werte für α
(a) Modell des Natriumchlorids. Die
Natriumionen sind kleiner als die Chlorionen. (aus A.N. Holden und P. Singer,
Crystals and crystal growing“)
”
(b) Die Kristallstruktur von Natriumchlorid. Das
Raumgitter ist kubischflächenzentriert. Die Basis
besteht aus einem N a+ -Ion bei [000] und einem
Cl− -Ion bei [ 21 21 12 ].
Abbildung 35: Modell und Kristallstruktur des Natriumchlorids.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
69
beide formeln stehen unten!
Röntgenbeugung hat den Gleichgewichtsabstand: R0 Kompressionsmodul: Stärke a des BornMayer Potentials Man bekommt 2 Gleichungen für a und b des Born-Meyer Potentials.
1. Gleichgewichtsabstand: a =
2. Kompressionsmodul: K =
αq 2 b
eR0 /b
4π0 ZR02
1 αq 2
4πε0 18R04 (R0 b − 2)
Das ist der Komressionsmodul eines Ionenkristalls.
Die Reichweite b ist berechenbar. R0 und K kann man messen (z.B. R mit Röntgenbeugung
und K mit etwaigen Kompressionsversuchen) und damit Utotal (R0 ) angeben.
1. Beispiel:
NaCl:
Aus der Berechnung: 0,8eV.
Hier führt die Bestimmung der Bindungsenergie pro Ionenpaar über die experimentell gemessene Energiebilanz bei der Bildung von NaCl aus einzelnen Na-Atomen und einzelnen Cl-Atomen
Die Messung ergibt 7,9eV
70
2.1
Die chemische Bindung
2. Beispiel:
KCL (Na-Cl-Struktur):
Aus dem Experiment ist gefunden worden:
K = 1,97 × 1010 N m−2 ; R0 = 3,147 × 10−10 m
Die Madelung-Konstante ist ungefähr 1,75. Somit ist die Reichweite b = 0,3 × 10−10 m
Die Gesamtenergie pro Ionenpaar ist ja
Epot
N
2
1 αq
= − 4πε
(1 −
0 R0
b
R0 )
= −7,25eV .
Das Experiment bringt einen Wert von −7,4eV .
Abbildung 36: Potential der Moleküle im KCl-Kristall. Die Beiträge des CoulombPotentials und des abstoßenden Potentials sind getrennt eingezeichnet.
Abbildung 37: Parameter des Born-Mayer-Potentials a und b berechnet aus R0 und K
sowie theoretische und experimentelle Bindungsenergien.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.1.4
71
Kovalente und metallische Kristalle
1. kovalente Bindung:
Kohlenstoff hat ein Diamantgitter, C ∶ 1s2 2s2 2p2 ; ist sp3 -Hybrid.
Die Promotion“ ergibt 4 equivalente Bindungen.
”
Analog ist es bei Silizium, Si ∶ 1s2 2s2 2p6 3s2 3p2
Germanium, Ge ∶ 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2 4p2
Jedes Atom umgibt sich mit 4 Nachbarn (4 gleichwertige Hybridbindungen) woraus sich
die Diamantstruktur ergibt.
Kohlenstoff C: Graphit ist ein sp2 -Hybrid, hat also eine hexagonale Struktur (6-er Ringe in Ebene) (abbildung suchen). Diese 6-er Ebenen werden durch die van der WaalsBindung zusammengehalten welche 0,07eV hat.
2. metallische Bindung: Die typischen Metalle haben eine dichteste Packung.
Abbildung 38: Die Energieaufspaltung des 1s- und des 2s-Energieniveaus für sechs Atome, als Funktion des Abstands der Atome.
Als einen kurzen Einschub betrachten wir kurz das Sommerfeld’sche Modell der freien Elektronen:
Die Valenzelektronen von Metallionen sind von diesen völlig getrennt, d.h. sie gehören“ dem
”
ganzen Kristall, weshalb man vom freien Elektronengas“ spricht.
”
In einem anderen Bild schwimmen die positiven Metallionen in einem See von Leitungselektronen. Die metallische Bindung ist sozusagen superkovalent“. Ohne Überlappung der Wel”
lenfunktionen gäbe es keine Leitfähigkeit.
72
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Abbildung 39: Di Bandstruktur des Natriums.
Das leere 3p-Band überlappt mit dem halbvollen 3s-Band. Unmittelbar
oberhalb der gefüllten Zustände exestieren viele leere Zustände, in die
Elektronen durch ein elektrisches Feld angeregt werden können; daher ist
Natrium ein Leiter.
2.2
2.2.1
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Kristallgitter
Zu Beginn des 20. Jahrhundert machten, unter anderem, Friedrich, Kripping und von Laue Experimente mit Interferenzerscheinungen von Röntgenstrahlen und fanden das Röntgenstrahlen
elektromagnetische Wellen sind sowie die periodische Anordnung von Atomen in Kristallen.
⃗, ⃗b, c⃗:
Wir definieren 3 fundamentale Translationsvektoren (= Basisvektoren) a
⃗ + n2⃗b + n3 c⃗
r⃗′ = r⃗ + n1 a
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
(2.11)
⃗
R
⃗ heißt Gittervektor und wird uns noch öfters begegnen. Die Kristallstruktur ergibt sich aus der
R
Basis und dem Translationsgitter.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
Abbildung 40: Grafische Darstellung der des Gittervektors r⃗′ .
Die Anordnung der Atome in dem Kristall sieht für einen Beobachter in
⃗ der
r⃗ genauso aus, wie für einen in r⃗′ , vorausgesetzt, dass der Vektor R
⃗ und ⃗b ausgedrück
r⃗ und r⃗′ verbindet, als ganzzahliges Vielfaches von a
⃗ = −⃗
⃗ und ⃗b
werden kann. In unserem Beispiel ist R
a + 3⃗b. Die Vektoren a
sind primitive Translationsvektoren des zweidimensionalen Gitters.
Abbildung 41: Die Kristallstruktur ensteht, indem zu jedem Gitterpunkt des Gitters (a)
eine Basis (b) hinzugefügt wird. Wenn man (c) betrachtet, kann man die
Basis erkennen und danach das Raumgitter finden. Ohne Bedeutung ist
die Lage der Basis in bezug auf ihren Gitterpunkt.
73
74
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
⃗ ist ein definierters Translationsgitter, welche eine periodische Anordnung
Der Gittervektor R
von Punkten im Raum ist.
Vom Gitter ausgehend bekommen wir eine Kristallstruktur die entsteht indem wir zu jedem
Gitterpunkt des Gitters eine Basis hinzufügen (siehe Abbildung 41).
Kristallstruktur = Gitter + Basis
Der Begriff Einheitszelle“ ist in der Folge gleichzusetzen mit Strukturzelle“ und mit Ele”
”
”
mentarzelle“.
Die primitive Elementarzelle“ ist die mit dem kleinsten Volumen und der Dichte“: 1 Gitter”
”
punkt pro Zelle. Die Anzahl der Atome in der primitiven Zelle ist gleich der Anzahl der Atome
in der Basis.
Das Volumen der primitiven Elementarzelle ist gegeben durch
V = ∣(⃗
a × ⃗b) ⋅ c⃗ ∣
(2.12)
wobie die Anordnung der Basisvektoren beliebig ist.
Eine andere Methode die primitive Elementarzelle zu konstruieren ist die sogenannte Wigner”
Seitz-Zelle“.
(a) The Wigner-Seitz cell for the bodycentered cubic Bravais lattice (a truncated
”
otahedron“). The surrounding cube is a conventional body-centered cubic cell with a lattice point at its center and on each vertex.
The hexagonal faces bisect the lines joining
the central point to the points on the vertices
(drawn as solid lines). The square faces bisect
the lines joining the central point to the central points in eacht of the six neighboring cubic
cells (not drawn). The hexagons are regular.
(b) Wigner-Seitz cell for the face-centered cubic Bravais lattice (a rhobic dodecahedron“).
”
The surrounding cube is not a conventional cubic cell, but one in which lattice points are at
the center of the cube and at the center of the
12 edges. Each of the 12 (congruent) faces is
perpendicular to a line joining the central point
to a point on the center of an edge.
Abbildung 42: Wigner-Seitz Zelle für (a) body-centred cubic Bravais Gitter, und (b)
face-centered cubic Bravais Gitter.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
(a)
75
(b)
Abbildung 43: The true (fully drawn) and compound (dashed) unit cells of face-centered
cubic (b) and body-centered cubic (a) lattices
Sie wird durch folgendes Verfahren gefunden (Abbildung 44):
Man zeichnet die Verbindungsstrecken von einem beliebigen Gitterpunkt zu all seinen Nachbarpunkten. Dann halbiert man diese Strecken und zeichnet dort die senkrechte Gerade (im
3-dimensionalen sind es dann Mittelflächen) ein.
Diese Geraden schneiden einander natürlich. Die kleinste, so gefundene Fläche (im 3D das
Volumen) bildet eine primitive Elementarzelle. Mit diesen Zellen kann der gesamte Raum ausgefüllt werden.
Abbildung 44: Konstruktion einer Wigner-Seitz Zelle (aus Wikipediaartikel Wigner”
Seitz-Zelle“)
76
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Nun kommen wir noch zu den fundamentalen Gitterarten in 3 Dimensionen:
In 3 Dimensionen ergeben sich aus den Symmetrien der Punktgruppen 14 verschiedene Gitter. Unter einer Gitterpunktgruppe versteht man die Gesamtheit der Symmetrieoperationen um
einen Gitterpunkt als Zentrum, die das Gitter invariant lassen, also z.B.:
Hier werden nur normale“ Kristalle betrachtet, keine Quasikristalle“
”
”
1. Drehung um Achse durch Gitterpunkte:
2π 2π 2π 2π
, , ,
+ ganzzahlige Vielfache
2 3 4 6
Zähligkeit“: 1, 2, 3, 4, 6
”
Drehwinkel: 2π,
2. Spiegelung an Ebene durch einen Gitterpunkt:
3. Inversion“: Drehung um π und anschließend eine Spiegelung an einer Ebene normal zur
”
⃗ → −R
⃗
Drehachse. Dadurch geht der Gittervektor R
Die Symmetrieoperationen in 3-Dimensionen ergeben die 14 verschiedenen Punktegitter oder
auch Bravaisgitter, welche in 7 Gittersystemen klassifiziert werden (siehe Abbildung 45 bis 51).
(a) kubisch-primitiv (sc)
(b) kubisch-raumzent. (bcc)
(c) kubisch-flächenz. (fcc)
Abbildung 45: Kubisches Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
2
FESTKÖRPERPHYSIK
77
(a) tetragonal-primitiv
(b) tetragonal-raumz.
Abbildung 46: Tetragonales Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
(a) rhomb.-primitiv
(b) rhomb.-basiszent.
(c) rhomb.-raumzent.
(d) rhomb.-flächenz.
Abbildung 47: Rhombisches Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
(a) hexagonal-primitiv
Abbildung 48: Hexagonales Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
78
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
(a) rhomboedrisch
Abbildung 49: Trigonales Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
(a) monoklin-primitiv
(b)
monoklinbasiszentriert
Abbildung 50: Monoklines Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
(a) triklin
Abbildung 51: Triklines Kristallsystem (Entnommen aus dem Wikipediaartikel
Bravais-Gitter“)
”
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.2.2
79
Die Struktur einfacher Kristalle
In der Physik ist es oft besser, für ein bestimmtes Gebiet Theorien zu verwenden, welche nicht
ein Großteil von der Physik beschreiben - sondern einfachere Modelle, die etwas bestimmtes
genauer beschreiben, welche im Falle der Festkörperphysik das Modell der harten Kugeln“ ist.
”
Viele Metalle + Legierungen: 3 Kristallsysteme
• Kubisch-Raumzentriert (krz-bcc) (bcc = base centred cubic)
• Kubisch-Flächenzentriert (kfz-fcc) (fcc = face centred cubic)
• hexagonaldichtesgepackt (hdp-hcp) (hcp = hexagonal close packed)
Als einfaches Modell nähern wir die Gitterpunkte (also die Basis) durch harte Kugeln an.
Zunächst brauchen wir zwei Begriffe:
• Packungsdichte:
Diese gibt den maximalen Anteil des zur Verfügung stehenden Volumens für jeden Gitterpunkt an, der von harten Kugeln ausgefüllt werden kann.
• Stapelfolge:
Wir haben drei verschiedene Atome a, b, c.
Die Grundfläche sei mit den Atomen a ausgelegt und dazwischen jeweils ein b und ein c.
Jetzt gehen wir einen Stock“ höher. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
”
Entweder b liegt auf einem darunterliegenden a und dann wieder ein a im 3.Stock“ dann
”
ist die Stapelfolge ababab . . . , oder auf dem b im 2.Stock“ liegt ein c, dann wieder ein
”
a, usw.,
Dann lautet die Stapelfolge abcabcabca . . .
Speziell betrachten wir 3 Systeme:
1. Die kubisch-raumzentrierte Struktur:
Es ist eine offene“ Struktur, α-Fe (Ferrit)
”
Es befinden sich genau 2 Atome in der Elementarzelle, nämlich eines im Zentrum
und acht Kugeloktanten, also 1 + 18 8 = 2, KZ1 = 8, KZ2 = 6
Die Dichte ist gegeben durch die Masse der Atome in der ELementarzelle dividiert
durch das Volumen in der Einheitszelle.
Am Beispiel von Ferrit ist die Dichte etwa 7,93g/cm3
80
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Abbildung 52: In der linken Zeichnung befindet sich das mittlere Atom im Zentrum des
Würfels.
Stapelt man mehrere Würfel deckungsgleich übereinander, folgt daraus
die rechte Zeichnung.
2. Die hexagonale Struktur (dichtest gepackt):
Sie ist in der 1. Ebene dicht gelegt; In der 3. Ebene gibt es 2 Möglichkeiten:
(a) über 1. Lage → hdp
(b) neue Lücken → fcc
Bei dieser Struktur lautet die Stapelfolge abababa . . . . Sie ist hexagonal dichtest
”
gepackt“. Vertreter davon sind u.a. Mg, Zn, Cd,. . .
Strukturzelle:
⎧
12 Eckatome für 6 Zellen
⎪
⎪
⎪
⎪
6 Atome/Elementarzelle ⇐ ⎨2 Flächenzentrierte für 2 Zellen
⎪
⎪
⎪
⎪
⎩3 innenzentrierte
Wir haben 2 Gitterkonstanten a für den Abstand in der Ebene (vgl. Abbildung 40)
und b für√die Zwischenebene. Die dichteste Packung gelingt bei einem Verhältnis
von
c
a
=
1
8
= 1,633
Die Zahlen in der Wurzel kommen von der Zahl der Eckatome und den innenzentrierten Atomen.
Abbildung 53: Die hexagonale Struktur
2
FESTKÖRPERPHYSIK
81
3. Die kubisch-flächenzentrierte Struktur:
Hier ist die Stapelfolge abcabc . . .
Acht Eckatome liefern je ein Achtel und sechs Flächenatome je eine Hälfte, sodass
insgesamt 4 Atome pro Einheitszelle vorhanden sind.
Vertreter dafür sind z.B.: Cu, Ag, Au, Ni, γ-Fe.
Abbildung 54: Die kubisch-flächenzentrierte Struktur
2.2.3
Kristallographische Ebenen und Richtungen
Eine nützliche Vorstellung davon ist ein Aufbau aus sogenannten Netzebenen“:
”
Abbildung 55: Sätze von Ebenen in einem kubisch-raumzentrieren Gitter.
Die schräg durchlaufenden sind jeweils verschiedene Ebenen, also (a) von
rechts oben nach links unten und (b) von links oben nach rechts unten.
82
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
In der Abbildung 55 ist der Abstand der horizontalen Ebenen a2 . Diese bilden die (200)-Ebenen.
√
√
Die Linien mit dem Abstand a2 2 bilden die (110)-Ebenen und die mit dem Abstand a2 25 die
(130)-Ebenen.
Wir werden gleich sehen wieso die so heissen.
Miller-Indizes
Abbildung 56: Showing (a) a (321) set of planes; (b) that (111) direction lies in the (321)
planes
Die Lage einer Kristallebene ist durch 3 beliebige Punkte in der Ebene festgelegt.
Wenn die Punkte auf jeweils unterschiedlichen Kristallachsen liegen, könnte man die Ebene
durch die Achsenabschnitte in Einheiten der Gittervektoren (siehe Abbildung 55) charakterisieren. Es hat sich aber als nützlich erwiesen, die Lage der Ebene durch die Millerschen Indizes“
”
anzugeben.
Diese werden wie folgt bestimmt:
1. Man bestimme die Schnittpunkte der Ebene mit den Achsen a, b, c. Die Achsen können
primitiv sein oder auch nicht.
In Abbildung 56 ist es z.B.: a3 ,
b
2,
c
1
2. Man bildet nun die Kehrwerte der gefundenen Zahlen und bringt diese auf den gleichen
Nenner. Nun sucht man 3 ganze Zahlen die im selben Verhältnis wie die Kehrwerte stehen - normalerweise die kleinsten.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
83
Die sich daraus ergebenden Zahlen werden in Runde-Klammern () gesetzt und nennt man
Millersche Indizes.
Somit ist Abbildung 56 eine (321)-Ebene.
Die Miller-Indizes werden mit (h k l) bezeichnet.
Viele Ebenen sind zueinander äquivalent (d.h. sie sind parallel und decken die selben Atome
ab). Wir können also die Anzahl s der Sätze äquivalenter Ebenen betrachten:
Miller-Indizes
h≠k≠l≠0
h=k≠l≠0
h = k; l = 0
h=k=l≠0
h=k=0
s
24
12
6
4
3
Beispiel
(321)
(112)
(110)
(111)
(001)
Tabelle 2: Beispiele für Miller-Indizes
Bevor wir zum reziproken Gitter kommen, sehen wir uns noch kurz die Abstände einzelner
häufiger Ebenen an.
Beispiele für verschiedene Flächen: Würfelflächen: (100)-Ebenen
Hier haben wir den Abstand zwischen den (100)-Ebenen. Dieser ist gleich der Gitter- konstante
a. Bei den (110)-Ebenen haben wir √a als Abstand.
2
Beim Oktaeder haben die (111)-Ebenen den Abstand √a .
3
⎧
⎪
⎪0 heißt parallel zur angegebenen Achse
(100) = ⎨
⎪
⎪
⎩1 heißt orthogonal zur angegebenen Achse
Abbildung 57: Bei den Würfelflächen ist z.B.: die (100)-Fläche ⊥ zur a-Achse;
die (010)-Fläche ist ⊥ zur b-Achse, usw.
84
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Die eckigen Klammern [] geben die Richtung der Flächen an:
Abbildung 58: Showing (a) notations of various sets of planes; (b) Distance between sets
of planes.
Abbildung 59: Models illustrating face-centered cubic atomic arrangement.
Ganz allgemein ist der Abstand der Ebenen (h k l) in einem kubischen Gitter gegeben durch:
d= √
a
h2
+ k 2 + l2
Dieser Abstand wird uns noch bei der Bragg-Gleichung nλ = 2d sin θ begegnen.
(2.13)
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.2.4
85
Das reziproke Gitter
Wir wissen das Ebenen durch Normalvektoren charakterisiert werden können und aus der Röntgenbeugung wissen wir das eine gleiche Schar von paralleler Netzebenen zu einem Beugungspunkt führen.
Aus Bragg: nλ = 2d sin θ
für λ = const. ⇒ sin θ ∝
1
d
Konstruktion des reziproken Gitters:
Die Konstruktion beginnt bei einem beliebigen Nullpunkt.
d100
d100
d200
2π/d200
2π/d100
(000)
(100)
(200)
(100)
(200)
(100)
(200)
(100)
Abbildung 60: Hier legen wir eine Normale durch die Gitterebene und machen einen
Ursprung (000)
Von dort aus trägt man d2π
auf normaler Netzebene von (000) auf. So kommen wir über die
hkl
2π
Abbildung auf d100 . Den Faktor 2π verwenden Kristallographen nicht, aber für die Festkörperphysik ist er zweckmäßig.
86
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Abbildung 61: Die Konstruktion des reziproken Gitters eines primitiven monoklinen Gitters. ⃗b zeigt normal zur Ebene
Dem direkten Kristallgitter im realen Raum entspricht das reziprokes Gitter (=Beugungsgitter)
im reziproken Raum (Fourier-Raum).
So müssen wir uns jetzt eine Primitive Zelle anschaun. Das Volumen ist uns schon bekannt
sowie a, b, c - Gittervektoren.
V = a ⋅ h ⋅ d001 = a ⋅ b sin γ ⋅ d001 = ∣⃗
a × ⃗b∣ ⋅ d001
Abbildung 62
(2.14)
2
FESTKÖRPERPHYSIK
87
Wir wissen, dass Ebenen durch Normalvektoren charakterisiert werden. In Abbildung 62 ist
⃗
c⃗∗ = n
⃗ × ⃗b
a
2π
= 2π
d001
V
Daher sind die fundamentalen Translationsvektoren des rezirpoken Gitters:
⃗∗ = 2π
a
⃗b × c⃗
;
V
⃗
⃗b∗ = 2π c⃗ × a
;
V
c⃗∗ = 2π
⃗ × ⃗b
a
V
mit
⃗[⃗b × c⃗] = ⃗b[⃗
⃗] = c⃗[⃗
V =a
c×a
a × ⃗b]
Das Theorem des reziproken Gitters:
Für alle Sorten von Netzebenen im Abstand d gibt es reziproke Gittervektoren mit der kürzesten
Länge 2π
d normal zur Ebene.
Daraus folgt die Definition des reziproken Gittervektors:
⃗ = h⃗
G
a∗ + k⃗b∗ + l⃗
c∗
(2.15)
⃗ im Realraum.
Dieser entspricht im reziproken Raum den Vektor R
Definition: Die Miller-Indizes (h k l) einer Gitterebene sind Koordinaten des kürzesten reziproken Gittervektors, der auf dieser Ebene normal steht.
Beispiel:
⃗ 120 = 1⃗
(120) Ebene: G
a∗ + 2⃗b∗ + 0⃗
c∗
⃗
Anders Ausgedrückt (h k l) ⊥ G
Wir Merken noch an (Gegenüberstellung):
Direktes Gitter (Realraum)
⃗, ⃗b, c⃗
a
⃗ = n1 a
⃗ + n2⃗b + n3 c⃗
R
Reziprokes Gitter (Fourier-Raum)
⃗∗ , ⃗b∗ , c⃗∗
a
⃗ = h⃗
G
a∗ + k⃗b∗ + l⃗
c∗
Tabelle 3: Vergleich zwischen direktes Gitter und reziprokes Gitter.
⃗i ⋅ a
⃗∗j = 2πδij
a
(2.16)
88
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Abbildung 63: All shaded planes in the cubic lattice shown are planes of the zone [001].
Um später fortfahren zu können benötigen wir noch die Ebenen einer Zone“. Diese sind alle
”
parallel zu einer Geraden = Zonenachse [uvw], dergestellt dass für alle (hkl) (=Ebenen der
Zone) gilt:
hu + kv + lw = 0
⃗
Damit ergibt sich für die Achse A⃗ = u⃗
a + v⃗b + w⃗
c und den reziproken Gittervektoren G:
⃗=0
A⃗ ⋅ G
2.2.5
(2.17)
Beugung am Kristall
1. Röntgenstrahlen:
Um Beugungserscheinungen zu untersuchen, muss die Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung größenordnungsmäßig im Bereich des Abstandes der zu untersuchenden
Objekte sein. Für ein Kristallgitter mit einem Atomabstand von etwa 10−10 m muss daher
die Energie der Welle E = hc
λ ≈ 12,3keV sein.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
89
Abbildung 64: The electromagnetic spectrum. The boundraries between regions are arbitrary, since no sharp upper or lower limits can be assignes. (H.A. Enge, M.R. Wehr, J.A. Richards, Introduction to Atomic Physics, AddisonWesley Publishing Company, Inc. Reading, Mass., 1972)
Diese Energie entspricht der charakteristischen Röntgenstrahlung. Was diese charakteristische Röntgenstrahlung ist, soll die Abbildung 65 erklären.
90
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
Abbildung 65: X-ray spectrum of molybdenum as a function of applied voltage (schematic). Line widths not to scale.
Ist nichts anderes eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ob das Elektron ihre
gesamte oder wenige Energie abgibt.
Röntgenstrahlung kann man mit folgenden Mitteln erzeugen:
(a) Mit einer Röntgenröhre. Dabei sind Beschleunigungsspannungen zwischen 10kV
und 50kV notwendig. Nur weniger als 1% (99% der kinetischen Energie wird
in Wärme umgewandelt) der aufgewendeten Energie gehen in die Erzeugung von
Röntgenstrahlen (= Bremsstrahlung + charakteristische Strahlung).
(b) Mit einem Synchotron. Hier ist zwar der Wirkungsgrad wesentlich höher, aber auch
die Kosten.
2
FESTKÖRPERPHYSIK
91
2. Röntgenbeugung/Bragg-Bedingung:
Abbildung 66: Diffraction fo x-rays by a crystal.
Betrachten wir eine Schar paralleler Netzebenen, deren gegenseitiger Abstand gleich d
ist. Die Richtung der einfallenden Strahlen liegt in der Ebene. Der Wegunterschied zwischen Strahlen die von aufeinander folgenden Ebenen reflektiert werden, ist 2d ⋅ sin(θ)
mit θ als Winkel zwischen Einfallsrichtung und Netzebene.
Es kann nur konstruktive Interferenz der von benachbarten Netzebenen reflektierten Strahlen geben, wenn der Wegunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist.
2d ⋅ sin(θ) = nλ
. . . Bragg-Bedingung
(2.18)
Bragg-Reflexion kann nur auftreten bei λ ≤ 2d. Man merke sich, das es sich bei θ um den
Glanzwinkel handelt.
92
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
3. Die Laue-Gleichung:
Es ist keine spezielle Einteilung in den Netzebenen nötig!
Abbildung 67: Eine Konstruktion zur Herleitung der Laue-Gleichung. Die Punkte stellen
Atome dar.
In Abbildung 67 sieht man, dass cos(α) = ∣⃗xδ ∣ ist und somit
⃗ (Projektion von x
⃗ auf n
⃗ ).
δ = ∣⃗
x∣ ⋅ cos(α) = ∣⃗
x∣ ⋅ ∣⃗
n∣ ⋅ cos(α) = −⃗
xn
⃗′.
Dasselbe gilt für die gestrichenen Größen, also δ ′ = −⃗
xn
⃗(⃗
⃗ ) ein ganzzahliges
Für konstruktive Interferenz muss die Phasendifferenz δ + δ ′ = x
n′ − n
Vielfaches der Wellenlänge λ sein.
Die Beugungsbedingung für konstruktive Interferenz elastischer Streuung (λ′ = λ, k ′ = k)
⃗
⃗(⃗
⃗ ) = mλ. Es geht ja bei der Multiplikation von n
⃗ mit 2π
ist somit x
n′ − n
λ eben dieses n
′
⃗ sodass bei konstruktiver Interferenz x
⃗ = 2πm gelten
⃗(k⃗ − k)
über in den Wellenvektor k,
muss.
⃗ unse⃗ durch R
Dehnen wir unsere Überlegung auf das ganze Gitter aus, so müssen wir x
′ ⃗
⃗
⃗
rem Gittervektor ersetzen (also: R(k − k) = 2πm).
⃗ = n1 a
⃗ + n2⃗b + n3 c⃗ ist, folgen daraus unmittelbar die drei Laue-Gleichungen:
Da R
⃗ = 2hπ,
⃗(∆k)
a
⃗b(∆k)
⃗ = 2kπ
⃗ = 2lπ
c⃗(∆k)
(2.19)
2
FESTKÖRPERPHYSIK
93
Wobei wir k⃗′ − k⃗ = ∆k⃗ als Streuvektor bezeichnen. Die reziproken Gitterpunkte sind
identisch mit den Laue-Beugungspunkten. Für den Streuvektor ist es wichtig, sich vor
⃗ gitl, d.h. es handelt sich nur um
Augen zu halten, dass bei elastischer Streuung ∣k⃗′ ∣ = ∣k∣
eine Richtungsänderung.
4. Röntgenbeugung im reziproken Raum:
⃗∗ , ⃗b∗ , c⃗∗ und addieren diese
Zuerst multiplizieren wir die Lauegelichungen (2.19) mit a
anschließend, sodass
⃗a∗ + ⃗b∆k⃗⃗b∗ + c⃗∆k⃗
⃗c∗ = 2π(h⃗
⃗∆k⃗
a
a∗ + k⃗b∗ + l⃗
c∗ )
herauskommt.
Allgemein (aus Vektoranalysis): Sei v⃗ ein beliebiger Vektor mit kovarianten Koordinaten
bezüglich des reziproken Gitters, dann gilt:
(⃗
av⃗)⃗
a∗ + (⃗b⃗
v )⃗b∗ + (⃗
cv⃗)⃗
c∗ = 2π⃗
v
in Klammern (): kovarianten Komponenten bezüglich der reziproken Vektoren.
⃗a∗ eine Projektion von ∆k⃗ auf a
⃗∆k⃗
⃗, also 2π mal die Komponenten des Vektors
Hier ist a
⃗
∆k auf das reziproke Gitter. Daraus folgt:
2π∆k⃗ = 2π(h⃗
a∗ + k⃗b∗ + l⃗
c∗ )
und damit
⃗
∆k⃗ = G
(2.20)
Dann und nur dann kommt es zu positiver Interferenz.
Diese Überlegung führen uns zu einer neuen Definition des reziproken Gitters:
⃗
⃗ k
⃗⃗
⃗ = 2πm ⇔ eiR∆
⃗ k⃗′ − k)
R(
= 1 = eiRG
(2.21)
⃗ die als Wellenvektoren ebenen Wellen mit der
Es ist der Satz aller Vektoren ∆k⃗ = G,
⃗ das gegebenen Gitters liefern, für die gilt
Periodizität der GIttervektoren R
⃗
⃗ k
⃗⃗
′ ⃗
iR∆
⃗
⃗
R(k − k) = 2πm ⇔ e
= 1 = eiRG
94
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
5. Äquivalenz von Bragg und Laue - die Ewald-Konstruktion“:
”
⃗
⃗ = ∆k.
Es ist ja G
⃗ und G
⃗ ist ⊥ zu den Ebenen (h k l). ∣G∣
⃗ ist ja ein Vielfaches von
damit ist ∆k⃗ ∥ G
also:
⃗
d∣G∣
⃗ ⇒ ∣⃗
⃗ = 2πn = ∣k⃗′ − k∣
∣G∣
n∣ =
d
2π
.
2π
d
Da wir nur elastische Streuung betrachten, ist
⃗′ ⃗
⃗ sin(θ) = ∣k − k∣ ⇒ 2k sin(θ) = 2πn
k = ∣k⃗′ ∣ = ∣k∣
2k
d
Bringen wir die Wellenlänge statt dem Wellenvektor ins Spiel, so ist
damit
2
λ
sin(θ) =
∣⃗
n∣
d
und
nλ = 2d sin(θ)
Abbildung 68: Die Skizze soll die hier verwendeten Größen vor Augen führen.
Wichtig:
⃗ ∶ eiR⃗ G⃗ = 1
Definition reziprokes Gitter: G
⃗ ⃗
⃗ k⃗ = 2πm ⇔ eiR∆k ⇒ ∆k⃗ = G
⃗ (Laue-condition)
Laue: R∆
⃗ entspricht der Bragg-Reflexion an den direkDas bedeutet, ein Laue-Beugungspunkt (G)
⃗
⃗ stehen. Er ist von der Ordnung n = d∣G∣
⃗ 0 ∣).
ten Ebenen die normal zu G
; ( 2π = ∣G
2π
d
⃗ die Bedingung 2k⃗G
⃗ +G
⃗ 2 = 0.
Kommen wir zur Beugugnsbedingung so folgt ∣k⃗′ ∣ = ∣k∣
⃗ genau ein −G,
⃗ sodass γ: G
⃗ → −G
⃗ keine Änderung der Aussage
Jetzt exestiert für alle G
2
⃗
⃗
⃗
bewirkt. Daraus folgt 2k G = G .
2
FESTKÖRPERPHYSIK
95
Nach einer Division durch 4 erhalten wir
⃗
⃗ 2
⃗
G
G
G
⃗ n0 = 1 G
k⃗ ⋅ = ( ) ⇒ k⃗
= k⃗
⃗
2
2
2
∣G∣
Alle Ebenen die nun normal auf den reziproken Gittervektor stehen und die durch 12 G gehen bilden Zonengrenzen der sog. Brillouin-Zonen“. Wichtig ist sich zu verdeutlichen,
”
dass die 1. Brillouin-Zone die Wigner-Seitz-Zelle des reziproken Gitters ist!
Wenn wir die Beugungsbedingung betrachten, sehen wir, dass sich die Brillouin-Zonengrenzen
alle Wellenvektoren vorgeben, für die konstruktive Interferenz möglich ist.
Eine Konstruktion von großer Einfachheit ist die Ewald-Konstruktion“.
”
6. Ewald-Konstruktion:
Gegeben ist k⃗ der einfallenden Strahlung.
Abbildung 69
⃗ folgt. Auf der Kugel müssen alle
Wir wissen das aus der elastischen Streuung ∣k⃗′ ∣ = ∣k∣
ausfallenden Wellenvektoren liegen.
Die Skizze links in Abbildung 69 soll 2 Ebenen einer Brillouin-Zone andeuten. Rechts
sehen wir eine Ewald-Konstruktion: Die Punkte auf der rechten Seite sind reziproke Gitterpunkte des Kristalls. Der Vektor k⃗ weist in Richtung der einfallenden Röntgenstrahlen
und endet an einem beliebigen Punkt des reziproken Gitters.
⃗
Nun zeichnet man eine Kugel mit Radius k = 2π
λ um den Ursprung von k. Schneidet die
Kugel einen beliebigen Punkt des reziproken Gitters, so entsteht ein gebeugter Strahl.
Wie die Kugel hier gezeichnet ist, schneidet sie einen Punkt, der mit dem Ende von k⃗
⃗ verbunden ist. Der gebeugte Röntgenstrahl weist in
durch den reziproken Gittervektor G
96
2.2
Kristallstrukturen, reziproker Raum und Kristallbeugung
⃗
die Richtung k⃗′ = k⃗ + G.
Der Winkel ist der Bragg-Winkel.
Hier noch ein paar experimentelle Verfahren:2
(a) Laue-Verfahren
Im Laue-Verfahren wird ein Einkristall polychromatischer Röntgenstrahlung ausgesetzt. Die Idee war, die Bragg-Gleichung durch Variation der Wellenlängen zu
erfüllen.
Die im Beugungsbild erhaltenen Reflexe sind jedoch nicht eindeutig einzelnen Netzebenenabständen zuzuordnen. Es wird heute noch zur Untersuchung dynamischer
Prozesse, beispielsweise in Proteinkristallen verwendet.
(b) Drehkristall-Verfahren
Eine Auswertung des Laue-Verfahrens zur Bestimmung von d nach der BraggGleichung ist kaum möglich. Ebenso können die Gitterkonstanten nicht bestimmt
werden. Beim Drehkristallverfahren wird der zu untersuchende Einkristall um eine
Zonenachse senkrecht zum Primärstrahl gedreht. Die Auswertung der Drehkristallaufnahme ermöglicht es, d und die Gitterkonstanten zu ermitteln.
(c) Debye-Scherrer-Verfahren
Das Verfahren arbeitet nicht mit Einkristallen, sondern mit pulverförmigen Proben.
Das Pulver besteht aus einer Reihe zufällig angeordneter Kristallite, so dass auch die
Netzebenen zufällig im Raum angeordnet sind und so einige immer die Bragg’sche
Reflexionsbedingung erfüllen.
Zusätzlich rotiert die Probe um eine Achse senkrecht zum einfallenden Strahl. Um
die Probe bilden sich Kegelmäntel aus Röntgenstrahlen, welche aus der konstruktiven Interferenz stammen. Um die Probe liegt ein fotografischer Film, auf dem sich
die Kegelmäntel als Reflexe abzeichnen aus denen sich dann das Diffraktogramm
generieren lässt.
Abbildung 70: Debye-Scherrer-Verfahren (Entnommen aus dem Wikipediaartikel Röntgenbeugung
2
Entnommen aus dem Wikipediaartikel Röntgenbeugung
2
FESTKÖRPERPHYSIK
97
(d) Zählrohrverfahren:
Anders als bei den vorigen Verfahren wird zur Registrierung der gebeugten Röntgenstrahlen statt eines Films ein Szintillationszähler benutzt, der die Funktion eines
Zählrohrs besitzt. Mit diesem Verfahren kann die Interferenzintensität mit hoher Genauigkeit direkt bestimmt werden. Ein weiterer Vorteil ist die digitale Auswertung,
sodass viele Arbeitsschritte automatisiert werden können.
2.2.6
Gitterfehler
Das Kapitel über Gitterfehler beschränkt sich auf eine Bemerkung:
Gitterfehler sind entweder Leerstellen, Fremdatome oder Abweichungen der Periodizität. Diese
wurden in der Vorlesung nicht behandelt.
2.3
Spezifische Wärme eines Festkörpers
Im folgenden Kapitel finden wir des öfteren skurile Umformungen und listige Substitutionen.
Bei einem etwaigen Hänger“ sollte man auf unseren Abschnitt über Thermodynamik und die
”
damit verbundnen Prozesse zurückgreifen.
2.3.1
molare Größen
Ein kurzes Unterkapitel für die verschiedenen Definitionen.
• Stoffmente ν: (statt Masse) mit der Einheit [mol]
• molare Masse M : M =
m
ν
mit der Einheit [kg mol−1 ]
• molares Volumen Vm : Vm =
V
ν
mit der Einheit [m3 mol−1 ]
• molare Wärmekapazität = spezifische Molwärme C (m) : C (m) =
[J mol−1 K −1 ]. C ist die Wärmekapazität.
• spezifische Wärmekapazität = spezifische Wärme c: c =
1
mC
1
νC
mit der Einheit
mit der Einheit [J kg −1 K −1 ].
Für die beiden letzten Punkte gilt der Zusammenhang: C (m) = M ⋅ c
• ideale Gasgleichung: für 1 mol gilt: pV = NA kT = RT .
Für ein allgemeines Volumen gilt: pV = νRT = νNA kt = N kT
98
2.3
2.3.2
Spezifische Wärme eines Festkörpers
Wärmekapazität und spezifische Wärme
Wir erinnern uns an den 1. Hauptsatz der Thermodynamik:
dQ = dU + p ⋅ dV
Definition Wärmekapazität:
dQ = C ⋅ dT = cm ⋅ dT
(2.22)
Da dQ kein exaktes Differential der Zustandsgleichungn ist, muss das Messverfahren angegeben werden, d.h. C bei konstanter Temperatur oder bei konstantem Volumen, etc.
• c bei konstantem Volumen (isochor):
1 ∂U
1 ∂Q
(
) = (
)
m ∂T V m ∂T V
cV =
Das führt auf die spezifische Molwärme:
cV =
1 ∂U
(
)
ν ∂T V
wobei ν die Molzahl bedeutet. Es gilt also
(m)
CV
=
1 ∂U
(
) = M ⋅ cV
ν ∂T V
(2.23)
Wenn M das Molekulargewicht darstell.
• spezifische Wärme bei konstantem Druck (isobar)
Wir hatten im Kapitel Thermodynamik“ die Enthalpie H = U + P V eingeführt. Bilden
”
wir das totale Differential, so folgt (bei konstantem Druck) fast unmittelbar
dH =
∂H
∂H
∂H
dU +
dV +
dP = dU + P dV +V dP
°
∂U
∂V
∂P
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
0
±
±
±
dQ
1
P
(2.24)
V
daraus folgt: dH = dQ; und damit für die spezifische Wärme:
cp =
1 ∂Q
1 ∂H
(
) = (
)
m ∂T p m ∂T p
Allgemein gilt: cp > cV . Bei (hier nicht so) genauerer Betrachtung stellt sich sogar heraus:
cp − cV =
N ⋅ k νR R
=
=
m
m M
(2.25)
2
FESTKÖRPERPHYSIK
99
Also die ideale Gaskonstante/Molekaulargewicht.
Zusammengefasst führt eine Wärmezufuhr bei konstantem Volumen nur zu einer Erhöhung
der inneren Energie, wohingegen es bei konstantem Druck sowohl zu einer Erhöhung der
inneren Energie, als auch zu einer zusätzlichen mechanischen Arbeit (man denke an einen
Kolben in einem Zylinder).
2.3.3
Die klassische Theorie für die spezifische Wärme der Festkörper
Wir gehen von der Annahme aus, dass die Atome um ihre Ruhelage schwingen (alle anderen
Beiträge seien vernachlässigbar, auch die der Leitungselektronen), also betrachten wir voneinander unabhängige klassische harmonische Oszillatoren mit der Energie:
p2
1
1
+ f x2 = mω02 A2
2m 2
2
° ²
E=
Ekin
Epot
In der klassischen Physik hat der Gleichverteilsungssatz (wir haben ihn schon gesehen) seine
Gültigkeit, sodass
1
⟨Ekin ⟩ = ⟨Epot ⟩ = kT ⇒ ⟨E⟩ = kT
2
unabhängig von der Frequenz der Oszillatoren gilt.
N Atome schwingen in 3 Richtungen, draus folgt U = 3N kT und somit für unsere spezifische
Wärme:
(m)
= 3NA k = 3R = 24,9JK −1
CV
(2.26)
Das ist das Gesetz von Dulong-Petit.
1. Experiment: cV für kleine T ist kleiner
2. 3. Hauptsatz:
lim S(T, V, N ) = S(T = 0) = S0 = k ln Ω0
T →0
Ω0 . . . Mikrozustände im Grundzustand
(m)
CV
=
!
1 ∂U
1
∂S
(
) ∣
= T(
) ∣
=0
ν ∂T V T =0 ν
∂T V T =0
cV (T = 0) = 0
auch klassisch klar → Modell falsch!
Es weißt jedoch ein gravierenden Fehler auf, nämlich keine quantisierte Energieaufnahme. Das
führt uns gleich zum nächsten (aber auch falschen) Modell.
100
2.3.4
2.3
Spezifische Wärme eines Festkörpers
Das Einstein-Modell (1906)
̵ 0 , n = 1, 2, 3 . . . ) (Planck nahm an
Einstein nahm die Planck’sche Quantenhypothese En = nhω
das die Energie Null sein konnte) und bildete mit der Kanonischen Verteilung den Mittelwert:
∞
Ē = ∑ Pn ⋅ En =
n=0
̵ 0
hω
̵ 0 /kT
−1
ehω
(2.27)
Wir nehmen N Atome des Festkörpers und setzen diese als 3N quantenmechanische harmonische Oszillatoren mit der Näherung
1. alle haben die gleiche Frequenz
2. sie sind nicht gekoppelt.
an. Die Energie eines Oszillators ist
̵ 0
En = nhω
später
1 ̵
En = (n + ) hω
0;
2
n∈N
Das System der Oszillatoren sei in einem Wärmebad der Temperatur T . Jetzt fragen wir anch
der Wahrscheinlichkeit, dass En aufgenommen wird. Das führt uns auf die kanonische Verteilung:
Pn = Ae− kT
En
⇒ Pn = e−
̵
nhω
0
kT
̵
hω
0
(1 − e− kT )
Der Mittelwert der Energie ist ja nach unserer Überlegung aus Kapitel 1:
∞
∞
̵
̵
hω
nhω
̵ 0 (1 − e− kT0 ) ∑ (n + 1 ) e− kT 0
⟨E⟩ = ∑ En Pn = hω
2
n=0
n=0
Die Summe kann man aufteilen, sodass der Mittelwert der Energie dann
−
̵ 0 (1 − e
⟨E⟩ = hω
̵
hω
0
kT
̵
⎛
⎞
hω
0
e− kT
1
⎜
⎟
⎟
)⎜
+
̵
2
hω
̵
⎜
0
hω
0
− kT ⎟
− kT
2 (1 − e
)⎠
)
⎝ (1 − e
ist. Multipliziert man obige Gleichung aus, so kürzt sich was weg und es bleibt:
̵
̵
⎛
hω
hω
0
0
e− kT ⋅ e kT
⎜1
̵
⟨E⟩ = hω0 ⎜ +
̵
̵
hω
hω
⎜2
0
0
(1 − e− kT ) ⋅ e kT
⎝
Somit ist der Mittelwert der Energie schlussendlich:
̵ 0 (1 + ̵ 1
)
⟨E⟩ = hω
0
2 e hω
kT − 1
⎞
⎟
⎟
⎟
⎠
2
FESTKÖRPERPHYSIK
101
Das ist die Planck-Verteilung“.
”
Die Gesamtenergie des Systems ist im Einsteinmodell gegeben durch:
U = 3NA Ē =
̵
3NA hωE
̵ E /kT
hω
−1
e
für 1 Mol Substanz
Wichtig ist, sich zu merken, dass dies nur für eine einzige Frequenz gültig ist!
Jetzt kommen wir zur Wärmekapazität bei konstantem Volumen im Einsteinmodell:
Zur Erinnerung:
β=
1
∂β
1
;
=− 2
kT ∂T
kT
Also:
(m)
CV
=(
∂U ∂β ∂U ∂
1
1 ∂U
∂U
) =
=
( )=− 2
∂T V ∂β ∂T ∂β ∂T kT
kT ∂β
̵ E
∂U
∂
3NA hω
−1
̵ E
̵ E
̵ E (eβ hω
̵ E eβ hω
(hω
)
=
[3NA hω
− 1) ] = −
2
̵
∂β ∂β
(eβ hωE − 1)
(m)
CV
̵
̵ 2ω2
3NA h
ehωE /kT
E
=
̵
kT 2
(ehωE /kT − 1)2
̵
Wir definieren nun ΘE ∶= hωkE als charakteristische Einsteintemperatur“. Schlussendlich folgt
”
die spezifische Wärme im Einsteinmodell:
(m)
CV
= 3NA k (
ΘE 2
eΘE /T
ΘE
)
)
= 3NA k ⋅ f (
Θ
/T
2
E
T
T
(e
− 1)
Molwärme im Einstein-Modell
Die Einsteinfunktion f ( ΘTE ) beschreibt eine Abweichung von 3NA k = 3R.
Wir sehen, dass das klassische Ergebnis zum Vorschein kommt, allerdings mit einer Korrekturfunktion in Abhängigkeit der charakteristischen Einsteintemperatur dividiert durch die absolute
Temperatur. Diese Funktion beschreibt die Abweichung vom klassischen Ergebnis.
Zum Schluss sehen wir uns noch die Grenzfälle an:
• hohes T:
̵ E ; T >>
kT >> hω
̵ E
hω
= ΘE ;
k
Damit können wir exp ( ΘTE ) schreiben als 1 +
(m)
Also folgt für T >> ΘE ⇒ CV
→
ΘE
T .
= 3NA k → Dulong-Petit
ΘE
<< 1.
T
102
2.3
Spezifische Wärme eines Festkörpers
• tiefes T:
̵ E ; T << ΘE ;
kT << hω
Damit ist
(m)
CV
=
2
3NA k ( ΘTE )
⋅e
(a) The temperature variation of Cp and
CV for copper.
→
−ΘE /T
ΘE
>> 1. ⇒ eΘE /T − 1 ≈ eΘE /T
T
T →0
«
Ð→ 0
(b) The average energy in units of kT of a harmonic oscillator of frequency ν as a function of hν/kT , according
to Planck.
Abbildung 71
(m)
Das Experiment zeigte aber, dass CV ∝ T 3 für T → 0.
Der Fehler liegt darin, dass das Einsteinmodell ungekoppelte Oszillatoren mit einer einzigen
Frequenz hernimmt.
zω(ω)
δ-Funktion
ωE
ω
Abbildung 72: Zahl der Eigenfrequenzen [Gezeichnet von Manuel Bahr“]
”
2
FESTKÖRPERPHYSIK
103
zω (ω)dω = Zahl der Eigenfrequenz in [ω, ω + dω]
zω (ω)dω = 3N ⋅ δ(ω − ωE )dω
⎧
⎪
⎪
⎪0
δ(ω − ωE ) = ⎨
⎪
⎪
⎪
⎩∞
für ω ≠ ωE
für ω = ωE
∞
mit ∫ δ(ω − ωE )dω = 1
0
Beispiel zu ΘE :
̵ = kθE
Energieänderung von Quantenmechanischen Oszillatoren in Einheiten von hω
harten“ Festkörper: Wir nehmen eine kleine Masse der Oszillatoren aber eine große Federkon”
stante f (die die Strenge der Feder beschreibt).
√
̵
f
, f groß → ωE groß ⇒ θE = hωkE groß
ω0 = ωE = m
⇒ klassisch erst bei hohen Temperaturen
(m)
C Diamant CV ≅ 6Jmol−1 K −1 << 3NA k ≅ 25Jmol−1 K −1
klassisch gut ab T = 1320K
viele Festkörper:
ωE kθE
νE =
=
≅ 6 × 1012 s−1 ⇒ infrarot
̵
2π 2π h
6
2.3.5
Das Debye-Modell (1912)
Wir wissen das es eine Koppelschwingung der Atome gibt, also gibt es auch hierfür ein Frequenzspektrum.
Wir betrachten jetzt den Festkörper als kontinuierliches elastisches Medium (atomare kristalline Struktur wird vernachlässigt).
Beispiel: Kupfer Cu:
λlong(20kHz) = 23,3cm, λtrans(20kHz) = 11,3cm
λlong(10M Hz) = 4,7 × 10−2 cm, λtrans(10M Hz) = 2,3 × 10−2 cm
(long = longitudinal; trans = transversal)
Ist alles >> a = 0, 361nm (Gitterkonstante)
104
2.3
Spezifische Wärme eines Festkörpers
Daraus folgt das Frequenzspektrum aus Reyleigh-Jeans-Verfahren:
Abbildung 73: Harmonisches elastische Kontinuum. [Gezeichnet von Manuel Bahr“]
”
Rayleigh-Jeans:
Modendichte n =
N
V
=
8πν 3
3c3
Im Debye-Modell sieht man den Kristall als ein Quasi-Kontinuum an und betrachtet darin
Schwingungen mit λ >> a. Mit dieser Voraussetzung sind Nachbaratome gleich weit ausgelenkt und der Atomabstand spielt keine Rolle.
Wir erinnern uns, was Rayleigh und Jeans bei ihrem Strahlunggesetz gemacht haben. Sie haben
die Modendichte i Hohlraum berechnet und dann nach dem Gleichverteilungssatz jeder Mode
(= Schwingungsform) fälschlicherweise kT zugeordnet.
Bis zum entscheidenden falschen Schritt von Rayleigh und Jeans machen wir jetzt dasselbe.
Wir rechnen uns die Modendichte in unserem Kristall aus und verwenden diese.
Bei Rayleigh-Jeans war die Modendichte:
N 8πν 3
=
V
3c3
Da es hier um elektromagnetische Wellen handelt und wir aber Kristallschwingungen behandeln, müssen wir die Licht- durch die Schallgeschwindigkeit vs ersetzen. Die Anzahl der Moden pro Volumen bis zu einer Grenzfrequenz ωD suchen wir:
Z(ω) =
N 4πν 3
1 ω3
=
=
V
3vs3
2π 2 3vs3
2
FESTKÖRPERPHYSIK
105
Spektrale Modendichte:
Zω (ω) =
d
1 ω3
ω2
( 2 2) = 2 3
dω 2π 3vs
2π vs
Das führt uns auf die Anzahl der Moden im Intervall dω = (ω + dω):
dz = Zω (ω)dω =
1 ω2
dω
2π 2 vs3
Elastische mechanische Wellen sind longitudinal und transversal und daher in 2 Normalschwingungen zerlegbar. Also ist die Gesamtzahl der Schwingungen im Volumen und in dω ist dann
dZ = V dz = Zω (ω)dω =
V
2
1
( + ) ω 2 dω
2π 2 vl3 vt3
Der Klammerausdruck kommt von der mittleren Schallgeschwindigkeit die durch
1 1⎛ 1
2 ⎞
=
+ 3
3
3
v̄s 3 ⎝ vlong vtrans ⎠
gegeben ist.
⇒ Zω (ω)dω =
3V ω 2
dω
2π 2 v̄s3
Wir erkennen darin, dass die Anzahl der Schwingungen mit ω 2 steigt!
Im Debye-Modell kommen wir zur oberen Grenzfrequenz ωD , in dem wir das Spektrum ab”
schneiden“, wenn 3N Schwingungen erreicht sind.
ωD
3
3V ω 2
3V 1 ωD
6π 2 v̄s3 N
!
3
dω
=
⋅
⋅
=
3N
⇒
ω
=
∫
D
2π 2 v̄s3
2π 2 3 v̄s3
V
0
v̄s3 =
3
V ωD
6N π 2
106
2.3
zω (ω) =
Spezifische Wärme eines Festkörpers
Zω(ω)
V
∝ ω2
3N
ωD
ω
Abbildung 74: Debye-Modell mit der Grenzfrequenz ωD [Gezeichnet von Manuel
”
Bahr“]
Durch einsetzten gelangt man dann auf
Zω (ω)dω =
3V 6π 2 N 2
3ω 2
ω
dω
=
3N
dω
3
3
2π 2 V ωD
ωD
√
2
Eine Abschätzung für ωD = v̄s 3 6πV N ergibt für einen Atomabstand von etwa 10−10 einen Wert
von etwa 8 × 1013 s−1 → Infrarot.
Gehen wir nun daran, die innere Energie zu berechnen.
ωD
ωD
0
0
1
3ω 2
̵ (1 +
U = ∫ ⟨E⟩ Z(ω)dω = 3N ∫ hω
dω
)
̵
3
2 ehω/kT − 1 ωD
Sehen wir uns die spezifische Molwärme an, so ist diese (N → NA ):
ωD
̵
hω
̵ 2 3ω 2
∂U
e kT
(hω)
CV =
∣ = 3NA ∫
dω
̵
2 kT 2 ω 3
hω
∂T V
D
kT
(e
−
1)
0
ωD
= 3NA k ∫
0
Jetzt substituieren wir
̵
hω
kT
̵
hω
e kT
̵
hω
(e kT − 1)
2
(
̵ 2 3ω 2
hω
) 3 dω
kT
ωD
dη
∶= η dω
ein:
CV = 9NA k (
3
ΘD
T
T
eη
ΘD
)
) ∫
η 4 dη = 3NA kfD (
η
2
ΘD
(e − 1)
T
0
(2.28)
2
FESTKÖRPERPHYSIK
107
Man sieht wie im Einsteinmodell das klassische Ergebnis versehen mit einer Korrekturfunktion
ist - Der Debye-Funktion“:
”
fD (
ΘD
T
3
eη
ΘD
T
) = 3(
) ∫
η 4 dη
T
ΘD
(eη − 1)2
0
Grenzfälle:
1. Hohe T:
T >> ΘD ⇒
ΘD
ΘD
ΘD
<< 1, setzen
≡ y lim
= lim y = 0
T →∞ T
T →∞
T
T
y
eη
3
η 4 dη
∫
y→0 y 3
(eη − 1)2
lim fD (y) = lim
y→0
(η ≪ 1)
∞
0
∞
3
1+η 4
3
3 y3
e ≈1+x
2
= 3∫
=1
η
dη
=
η
dη
=
∫
für∣∣x∣∣ ≪ 1
y
η2
y3
y3 3
x
0
0
also: für T ≫ ΘD → CV = 3NA k = 3R
klass. Resultat
2. Tiefe T:
T << ΘD →
̵
hω
>> 2 → ω << ωD
kT
(m)
Nur Oszillatoren mit niederen Frequenzen sind angeregt und tragen zu CV
Temperaturen ist die Debye eine sehr gute Näherung.
∞
(η ≫ 1)
∞
4π 4
eη
η4
4
η
dη
=
4
dη
=
∫
∫ η
(eη − 1)2
e
15
0
⇒ fD (
bei. Für tiefe
0
4π 4 T 3
T 3
ΘD
12π 4
(m)
)=
(
) ⇒ CV =
NA k (
) ∝ T3
T
5 ΘD
5
ΘD
Dadurch können wir die obere Grenze beim Integral gegen unendlich gehen lassen, woraus dann
4π 4 T 3
ΘD
)=
(
)
fD (
T
5 ΘT
folgt und damit
(m)
CV
(m)
ist. CV
=
12π 4
T 3
NA k (
)
5
ΘD
ist also proportional zu T 3 für T → 0, wie es auch das Experiment zeigt.
108
2.3
(a) The Debye and Einstein functions as function of T /Θ.
Spezifische Wärme eines Festkörpers
(b) Darstellung der spezifischen Wärme cV
einiger fester Körper als Funktion des Parameters T /Θ nach Debye (ausgezogene Kurve);
im Vergleich dazu Funktion von Einstein (gestrichelte Kurve)
Abbildung 75: Abweichung bei T → 0 durch Kopplung der Schwingungen.
Abbildung 76: Zustandsdichte und Debyesche Grenzfrequenz im Debye-Modell für
NaCl, verglichen mit dem aus gemessenen Kraftkonstanten berechneten
Verlauf von Z(ω).
2
FESTKÖRPERPHYSIK
2.3.6
109
Die spezifische Wärme der Leitungselektronen
Klassisch gesehen, ist nach dem Gleichverteilungssatz die spezifische Wärme der Leitungselek(m)
tronen CV = 32 k pro Elektron. Für ein Elektron pro Atom ergibt sich daher CVel = 32 NA k.
Das Experiment zeigte aber, dass der Beitrag der Leitungselektronen lediglich 1% des vorhergesagten Wertes beträgt.
Schauen wir einaml nach, was eine nichtklassische Behandlung bringt:
Die besetzten Elektronenzustände sind gegeben durch
N (E) = Z(E) ⋅ F (E),
wobei Z(E) ∝
√
E
die Zustandsdichte ist. Die Abschätzung des Beitrages der Leitungselektronen führt uns auf folgende Überlegungen:
Insgesamt seien N Leitungselektronen vorhanden, von denen der Bruchteil
angeregt wird.
TF =
kT
EF
=
T
TF
thermisch
EF
k
(2.29)
ist die sogenannte Fermi-Temperatur“.
”
Beispielsweise für Cu ist TF = 8 × 104 K. Das ist bereits ein hoch entartetes Gas.
293K
3
) = 0,005R (statt 3R) = 0,045J/molK = 0,2%
CVel = NA (
2
81000K
Also NA TTF Elektronen sind angeregt mit der Energie kT . Damit ist die innere Energie
U ≈ NA
T
kT
TF
Wir wissen, dass
(m)
CV
=
∂U
∣
∂T V
ist und damit
CVel ≈ NA k
T
∝T
TF
Das ist der elektronische Anteil der spezifischen Wärme im Leiter.
Das Experiment zeigt uns folgenden Zusammenhang:
(m)
CV
(m)
= γT + AT
3
also
CV
T
= γ + AT 2
110
2.4
(m)
Wenn wir
CV
T
Phononen: quantisierte Gitterschwingungen
gegen T 2 auftragen, muss sich eine Gerade ergeben.
Abbildung 77: Experiment bestimmte Werte der Molwärme von Kalium, aufgetragen
der Form: C/T in Abhängigkeit von T 2 . Die Punkte wurden mit einem
nach der adiabatischen Entmagnetisierung abgekühlten Krsitall gemessen. [Nach W.H.Lien und N.E. Phillips, Phys.Rev. 133, A1370(1964).]
2.4
Phononen: quantisierte Gitterschwingungen
2.4.1
Potonen und Phononen, Erhaltungssätze
Nach Planck/Einstein ist da elektromagnetische Feld quantisiert, d.h. Die Energie kann nur
̵ = nε. n ist die Anzahl der Photonen“
ganzzahlige Vielfache von hν annehmen, also E = nhω
”
in den Eigenschwingungen des elektromagnetischen Feldes.
Die paar folgenden Zusammenhänge sind uns bereits bekannt:
• ν=
c
λ
• ω =c⋅k
• k=
2π
λ
̵ k⃗
• p⃗γ = h
Diese kleine Erinnerung wird uns noch nützlich sein. Nun zum Kristall:
Der Befund, dass die spezifische Wärme gegen 0 geht für T → 0 fodert, dass die Übertragung
von Energie an den Kristall in Quanten vonstatten gehen muss.
Übertragung der Energie an Kristallgitter (=Gitterschwingungen) erfolgt in endlichen Portionen
= Energiequanten
2
FESTKÖRPERPHYSIK
111
Die Energie der Schwingung ist ähnlich der des harmonischen Oszillators:
1
̵ k)
⃗
E = ( + n) hω(
(2.30)
2
Das legt die folgende Definition nahe (siehe Abbildung 23):
Ein Phonon (= Eigenschwingung = Normalschwingung) ist eine quantisierte Schallwelle des
⃗
Gitters mit der Frequenz ω(k).
Frage: Wie sind wir beim Photon vorgegangen?
̵
Eγ = hω;
ν=
c
;
λ
ω = 2πν =
2πc
= ck
λ
Im Medium: ω nc k → Dispersion
̵ k⃗
Impuls: p⃗γ = h
Dies übertragen wir nun auf unsere Phonenen: Phononen sind also elastische Schallwellen mit
̵ und ω = vs ⋅ k, also Schallgeschwindigkeit mal Wellenzahl. Man darf nicht vergessen,
Es = hω
dass Phononen Quasi-Teilchen“ mit einem Quasi-Impuls“ (= Kristallimpuls) sind:
”
”
̵ k⃗
p⃗s = h
Hier ist zu beachten, dass man das Phonon mit der Wellezahl k = 0 nicht als Phonon bezeichnet,
da sich in diesem Fall der gesamte Krstiall mit einem gewissen Impuls fortbewegt und somit
nicht schwingt.
Bei der Wärmeleitung wird die Energie durch Phononen übertragen. Die mittlere Weglänge der
Phononen wird bestimmt durch 2 Arten von Streuprozessen:
1. Streuung an Gitterfehlern
2. Streuung an anderen Phononen
Stöße zwischen Phononen sind eine Folge der Anharmonizität der Gitterschwingungen, bedingt
durch das asymmetrische Atompotential. WIr lassen jetzt zwei Stöße zu, nähern aber der Einfachheit wegen harmonisch.
So lautet der Energiesatz:
̵ ⇌ hω
̵ 1 + hω
̵ 2+⋯
Es = hω
(2.31)
Der nacht rechts gerichtete Pfeil bedeutet einen Phononenzerfall, wohingegen der nach links
gerichtete Pfeil eine Vereinigug bedeutet.
Im Falle konstanter Temperatur herrscht ein dynamisches Gleichgewicht durch Phonon-PhononWechselwirkung. Ein einzelnes Phonon mit fester Frequenz kann nicht dauernd existieren!
112
2.4
Phononen: quantisierte Gitterschwingungen
Kommen wir zum Impulssatz:
⃗ hkl
k⃗ ⇌ k⃗1 + k⃗2 + . . . nG
(n ∈ Z)
(2.32)
Der reziproke Gittervektor kommt hier wie bei Photonenstreuung zum Einsatz. Beim Kristal⃗ = 0 und
limpuls unterscheidet man zwischen dem sogenannten Normalprozess“, bei dem G
”
⃗
der Impuls strikt erhalten ist, und dem Umklapp-Prozess“, bei G ≠ 0 ist.
”
⃗ hkl ) ansehen:
Wir werden uns die beiden Prozesse am Beispiel von k⃗3 = k⃗1 + k⃗2 (G
•
Ende der Vorlesung bis 23.05.2012
Herunterladen