3. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen:

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3. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen:
Der Begriff ‚Chemische Bindung‘ umschreibt den Tatbestand einer starken Anziehungskraft zwischen 2 Atomen
Interatomare Anziehungskräfte (chemische Bindungen) sind im
Allgemeinen so stark (80-100 kcal/Mol), dass das gesamte Molekül
für den Chemiker als eine Einheit erscheint
Elektronentheorie der chemischen Bindung:
ρA
ρA
ρM
Aufbau von Elektronendichte im
Bindungsbereich zwischen den
Atomen auf Kosten der
Elektronendichte im Bereich um
die Atome.
H - H Dissoziationsenergie
= (H - H) - Bindungsenergie
= 104 kcal/Mol
Beachte:
∆ρ<0
∆ρ>0
∆ρ<0
3.1. Der vierbindige Kohlenstoff:
3.1.1. Atomorbitale:
bei den in organischen Verbindungen am häufigsten vorkommenden Elementen sind nur die die Energieniveaus mit den
Hauptquantenzahlen n=1 und n=2 mit Elektronen besetzt. Die beiden Elektronen des Niveaus n=1 befinden sich im kugelsymmetrischen
1s-Orbital. Alle vier Orbitale, welche die 8 Elektronen des Niveaus n=2 aufnehmen sind durch eine Kotenfläche (bzw. bei 2s einen
Kugelknoten) zweigeteilt. Jedes dieser Orbitale kann 2 Elektronen mit antiparallelen Spin aufnehmen.
Atomorbitale für n = 2:
3.1.2. Elektronenpaarbindungen, Molekülorbitale:
Stärke der Bindung ist abhängig hängt von:
einfachster Fall: Wasserstoffmolekül H2 (vgl. vorhergehende Seite)
(im Falle von 1s-Orbitalen ist diese nicht allzu gross;
stärkere Bindungen entstehen unter Beteiligung von p-Orbitalen:
F2-Molekül)
Elektronenkonfiguration (Fluoratom):
1s2 2s2 2px2 2py2 2pz
+
Fluoratom F
Fluormolekül F2
Fluoratom F
die Bindung entsteht durch Überlappung der beiden nur einfach besetzten 2pz-Orbitale (die kugelförmigen s-Orbitale sind weggelassen)
Unterschiede zwischen s-Orbitale und p-Orbitale :
s-Orbitale:
p-Orbitale:
3.1.3. Das Methanmolekül, sp3-Hybridisierung:
Kohlenstoff im Grundzustand:
(es wären nur 2 Bindungen möglich)
durch Energiezufuhr (Kohlenstoff im angeregten Zustand):
(damit stehen vier ungepaarte Elektronen zur Bindungsbildung zur Verfügung))
Erwartung nach Figur (b):
Experiment zeigt:
Erklärung:
aus einem s- und drei p-Orbitalen entstehen vier neue, energiegleiche Orbitale:
Energie
2p
2s
Form eines sp3-Orbitals:
Überlappungsgrad zwischen einem s-Orbital und einem p- oder sp3-Orbitals:
Geometrische Anordnung der Atome im CH4 Molekül:
H
C
H
H
H
symbolisiert durch chemisches Formelbild:
fette Keile = Bindung ragt aus der Zeichenebene heraus;
gestrichelte Keile = Bindung vom Betrachter aus gesehen
nach hinten gerichtet
Bindungen, die unter Beteiligung von p- oder Hybridorbitalen zustande kommen, sind also gerichtet. Die Art der Orbitale und deren Anordnung im
Raum bestimmen die Molekülgeometrie. Einzig bei den kugelsymmetrischen s-Orbitalen ist die Richtung, in der Bindungen gebildet werden, unbestimmt.
3.1.4. Ketten und Ringe:
Butan, C4H10:
veraltete Schreibweise;
die tatsächliche gewinkelte Struktur
von Butan ist nicht ersichtlich
die tetraedische Koordinationdes Kohlenstoffs ist in der
perspektivischen Darstellung ersichtlich
die Vielzahl von Konformeren des Butans sind nicht voneinander zu trennen; im gasförmigen Zustand (oder in Lösung) sind alle möglichen
Konformationen vertreten; im festen Zustand wird ein Molekülgitter aufgebaut durch regelmässiges Übereinanderschichten von Molekülen
in einer bestimmten Konformation.
Cyclohexan, C6H12:
H-Atome werden
nicht angeschrieben
(übersichtlicher)
veraltert
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Cyclopentan
Cyclobutan
H
H
H
realistischer
H
H
H
H
H
H
Cyclopropan
H
H
H
H
H
H
3.1.4. Polarisierte Bindungen:
Bindungsbildung aus zwei gleichen, sp3-hybridisierten Atomen:
Bindungsbildung aus zwei sp3-hybridisierten Atome unterschiedlicher Elektronegativität:
+
sp3-Orbital von C
sp3-Orbital von C
symmetrische C-C-Bindung
+
sp3-Orbital von C
p-Orbital von F
asymmetrische C-F-Bindung
+
δ
H3 C
-
δ
F
3.2. sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen:
Bei vielen organischen Verbindungen hat C nur drei Bindungspartner, mit einem davon wird aber eine Doppelbindung ausgebildet
H
H
H3 C
H
N
O
H
Ethen
H
H
Formaldehyd
H3 C
CH3
N-Methyl-2-propanimin
Form eines sp2-Orbitals:
Geometrie eines sp2-hybridisierten C-Atoms:
sp2
pz
sp2
sp2
(sehr ähnlich dem sp3-Orbital)
Orbitale im Ethenmolekül:
H
H
C
H
C
H
σ -Bindungen:
π -Bindungen:
H
C
H
σ
H
H
H
C
C
H
H
Hσ
auch Doppelbindungen können polarisiert
sein (wichtig für die Reaktivität) :
π
O
σ
H σ 120 °
C
C
H
Formaldehyd
Aceton
3.2.2. Mesomerie (Resonanz):
Die Eigenschaften vieler Verbindungen können anhand der bis jetzt behandelten Bindungsarten nicht erklärt werden; z.B. das Acetat-Anion:
(entsteht durch Dissoziation von Essigsäure)
Essigsäure
Acetatanion
O
H3 C
O
C
H3C
O
Proton
H
O
C
H3C
+
C
O
H
+
O
zwei gleichwertige, geladene Strukturformeln
Realzustand:
O
H3C
Zentren hoher
negativer
Ladungsdichte
C
O
negative Ladung ist delokalisiert
der tatsächliche Zustand des Moleküls (hier Ions) liegt also zwischen den mesomeren Grenzstrukturformen
Mit der Mesomerie ist ein Energiegewinn verbunden, der durch die Delokalisation von Bindungen und Ladungen
zustande kommt. Dies ist nur bei geeigneter paralleler Orbitalanordnung möglich (hier: p-Orbitale blau)
pz
n
sp 2
Acetatanion
n
sp 2
pz
O
H3 C
C
O
n
s p2
pz
n
2
sp
Unterscheide:
Mesomeriepfeil
im Gegensatz zum Gleichgewichtspfeil
Beim Aufstellen von mesomeren Grenzstrukturformen ist darauf zu achten, dass in allen Fällen die Verknüpfung der Atome dieselbe ist.
Bei folgender Reaktion handelt es sich demnach nicht um mesomere Grenzformen, sondern um die Beschreibung einer Gleichgewichtsreaktion:
O
OH
H3 C
CH3
H2 C
CH3
3.2.3. Kohlenstoff-Ionen und Radikale:
positiv geladene Kohlenstoff-Ionen:
negativ geladene Kohlenstoff-Ionen:
Carbokationen
Carboanionen
C-Radikale
z.B. Trimethylmethyl-Kation
H3 C
R
+
-
CH3
H3 C
R
R
H3 C
H3C
C
+
H
CH3
R
R
H3 C
C besitzt nur ein Elektronensextett und
ist daher sehr reaktionsfähig:
C
C-
H
R
C besitzt ein einsames Elektronenpaar
und ist sehr reaktionsfähig:
z.B.
+
+
ungeladen
+
H
+
C besitzt ein ungepaartes Elektron
(durch Punkt symbolisiert)
und ist sehr reaktionsfähig
durch Mesomerieeffekte können Carbokationen, Carbanionen, bzw Radikale stabilisiert sein:
z.B. Carbanion des deprotonierten Malonsäuredimethylesters
O
C
-
H C
O
C
OCH3
OCH 3
3.3. sp-hybridisierter Kohlenstoff, Dreifachbindungen:
Bei einigen organischen Verbindungen hat C nur zwei Bindungspartner, mit einem davon wird eine Dreifachbindung ausgebildet
H
C
C
H
Ethin (Acetylen)
Form eines sp-Orbitals:
Geometrie eines sp-hybridisierten C-Atoms:
(ähnlich dem sp3-und sp2-Orbital;
aber etwas bauchiger)
Orbitale im Ethinmolekül:
H
C
σ
C
H
3.4. s- und p- Charakteranteile von Hybridorbitalen:
Regel:
Hybridorbital
s-Charakter
p-Charakter
sp3
25 %
75 %
sp2
33,3 %
66,7 %
sp
50 %
50 %
(s-Elektronen sind näher am Kern; werden stärker angezogen)
d.h.:
Bindungen in der Reihe Ethan (CH3-CH3), Ethen, Ethin werden immer stärker, da das Elektronenpaar immer stärker vom C-Atom angezogen wird,
C-H Bindung im Ethin ist am stärksten, lässt sich daher am schlechtesten homolytisch spalten.
Andererseits: aufgrund der starken Anziehung ist es bei Ethin am leichtesten den Wasserstoff ohne sein Elektron als H+-Ion abzuspalten;
Ethin ist daher eine, allerdings sehr schwache, Säure; mit starken Basen kann man das entsprechende Salz herstellen:
+
+
+
3.5. Bindungsverhältnisse bei Stickstoff und Sauerstoff
3.5.1. Ammoniak, NH3
tetrahedral (pyramidal)
Inversion der pyramidalen Konfiguration erfordert Energie:
trigonal planar
Inversionsbarriere bei aliphatischen Aminen:
H
N
H
N
H
H
H
H
Em ol
N
N
N
- p-Orbital ungünstiger als sp3-Hybridorbital (25% s Charakter)
- σ NH aus sp2(N) (33% s-Char.) und 1s(H) energetisch etwas günstiger
als σNH aus sp3-(N) (25% s Char.) und 1s(H)
Inversionkoordinate
Experimentell:
O
wichtig: unterscheide Amide: planar
N
H
analog
Essigsäure
3.5.2. Wasser, H2O
das O-Atom in Wasser ist sp3-hybridisiert
Experimentell: das O-Atom in Wasser, in Alkoholen (R-OH), in Ethern (R-O-R) besitzt eine
gewinkelte Konfiguration
O
H
H
Elektronenpaarbindung zwischen einem Elektronenpaar-Donor und -Akzeptor
H+
N
NH3 +
+
H
Elektronenpaardonor:
R
-
R
Carbanion
R
+N
H
Energiegewinn durch Ausbildung einer vierten Elektronenpaarbindung
unter Beteiligung eines besetzten und eines leeren nicht-bindenden Orbitals
+
NH4
Atom oder Molekül mit Elektronenpaar in einem
nicht bindenden bzw.energetisch hochliegenden Orbital
nucleophiler Partner bei der Bindungsbildung;
nucleophiles Zentrum:
Zentrum mit nicht-bindendem Elektronenpaar
O
-
OH
O
O
O
Lewis-Base
Elektronenpaarakzeptors: Atom oder Molekül mit einem leeren nicht-bindenden bzw.
bzw.energetisch besonders tiefliegenden Orbital
+
N
Carbokation
elektrophiler Partner bei der Bindungsbildung;
elektrophiles Zentrum:
Zentrum mit leerem, nicht-bindenden Elektronenpaar
Lewis-Säure
+
H
BH3
2+
Zn
O
3.6. Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
isolierte Doppelbindung:
2.6.1. Konjugierte Doppelbindung:
1,3-Butadien
tatsächlich:
Unterschiede in der Länge
zw. C-C und C=C Bindungen
sind nicht so stark
ausgeprägt
H
H
C
H
σ
C
C
σ
H
C
H
H
= Konjugative Stabilisierung
energetisch günstig !
3.6.2. Kumulierte Doppelbindung:
einfachste Verbindung mit kumullierter Doppelbindung:
H
H
C
Allen
C
H
C
mittleres C-Atom:
H
3.6.3. Aromatische Verbindungen:
Pericyclische konjugierte, planare π-Systeme mit 4n+2 π-Elektronen erhalten eine besonders hohe konjugative Stabilisierung
Beispiel:
Benzol
Realstruktur:
experimentell:
rCC(Benzol) = 1.396 Å
vergleiche:
rC-C = 1.54 Å
alle C-Atome:
rC=C = 1.34 Å
Derartige Ringsysteme werden auch aromatische Verbindungen bezeichnet:
H
N
weitere Beispiele:
H
N
O
S
N
Anzahl der
π-Elektronen:
Pyrrol
Furan
Thiophen
Pyridin
Naphtalin
Indol
Anthtracen
6
6
6
6
10
10
14
N
Allgemeine Definition der
Säuredissoziationskonstante
+
HA (aq)
H (aq) + A (aq)
+
[H ] [A - ]
K =
[HA ]
N
H
pKa = - log Ka
+
hier: Pyrrol.H
Pyrrol
pKa ~ 0
pKa = 5.2
entspricht HA
entspricht A
(Pyridin analog)
Substituierte aromatische Verbindungen:
CH 3
NO2
N
O
O
NO2
O
N
O
CH3
CH 3
Nitrobenzol
2,6-Dimethylnitrobenzol
3.6.4. Weitere Beispiele für mesomeriestabilisierte Verbindungen:
- Atom- und Bindungssymbolen
- Symbole für nichtbindende Elektronenpaare bzw. ungepaarte Elektronen
- Ladungssymbole
klassische Strukturformel
die Bindungsverhältnisse in einem konjugierten System sind beschreibbar durch die Überlagerung verschiedener, für ein und dieselbe
Kernanordnung schreibbarer Strukturformeln (= Grenzstrukturen, = mesomere Grenzstrukturen)
1) Erstellen einer Liste aller schreibbaren Grenzstrukturen
2) Energetische Beurteilung der Grenzstrukturen
3) Schlussfolgerungen für das konjugierte Bindungssystem: A) konjugiertes Bindungssystem gleicht strukturell einer GEWICHTETEN ÜBERLAGERUNG
aller schreibbbaren Grenzstrukturen:
- bei gleichwertigen Grenzstrukturen tragen alle zu gleichen Teilen zur Realstruktur bei
- bei ungleichwertigen Grenzstrukturen gleicht die Realstruktur der energetisch
günstigsten Grenzstruktur
B) konjugiertes Bindungssystem ist energetisch stabiler als jede schreibbare Grenzstruktur
(= konjugative Stabilisierung, = Resonanzstabilisierung, = Mesomeriestabilisierung)
- maximale Zahl von kovalenten Bindungen
- keine Ladungstrennug
- falls Ladungstrennug, Ladung auf geeigneter Elektronegativität
Beispiele bisher: Acetatanion, Benzol (= gleichwertige Grenzstrukturformeln)
Amide:
O
R
R
A
N
Realstruktur ist näher dem Zustand A; Beitrag von B manifestiert sich in:
O-
B
- r(CNAmid) = 1.352 Å r(C-N) = 1.47 Å
r(C=N) = 1.27 Å
+
N
- Rotationsbarriere
-beide Grenzstrukturen haben maximale Zahl
kovalenter Bindungen
-Grenzstruktur A ohne Ladungstrennung,
= energetisch besser als Grenzstruktur B
∆E ~ 20 kcal/Mol
- planare Konfiguration am N-Atom (sp2-hybridisiert)
(B = dipolare Grenzstruktur)
Allylkation:
folgende Reaktion (heterolytische Bindungsspaltung) findet NICHT statt (primäres Carbokation ist extrem instabil):
1-Chlorbutan
primäres Carbokation
hingegen kann folgende Reaktion beobachtet werden:
H
+
CH 2
H3 C
CH 2
H3 C
H
1-Chlor-2-buten
Stabilität:
H
+
H
sekundäres Carbokation
Beweis für die Mesomerie:
OH
+
ca. 25%
ca. 75%
Nitrobenzol:
O + O N
- O + O
N
- O + ON
+
(vgl. Nitrocyclohexan: nur 2 Grenzstrukturformeln; weniger stabil; vgl. Kaufmann, Hädener, 10 Aufl., S.34 )
primäres
<
sekundäres
<
tertiäres Carbokation
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