Reaktionstypen der organischen Chemie

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Reaktionstypen der organischen Chemie
Reaktionstypen der organischen Chemie
Je nach den topologischen Änderungen bei einer Reaktion unterscheidet man
in der organischen Chemie verschiedene Reaktionstypen.
Substitutionsreaktionen (S)
Schema:
R2
H
+
R1
R2
Substitution
H
+
X
Y
R1
Y
X
Bei einer Substitutionsreaktion (Austauschreaktion) wird ein Fragment (Substituent) Y
gegen ein anderes Fragment X ausgetauscht. Das eintretende reaktive Teilchen X kann
ein Nucleophil, ein Elektrophil oder ein Radikal sein. Das abgehende Teilchen Y
bezeichnet man als Abgangsgruppe. Die Umkehrung einer Substitutionsreaktion ist
wiederum eine Substitutionsreaktion, d.h., Hin- und Rückreaktion sind topologisch
äquivalent.
Nucleophile Substitution:
R2
H
+
R1
R2
SN
Y
H
+
X
1
R
Y
X
Bei aliphatischen Substraten sind nucleophile Substitutionen am wichtigsten. Das
angreifende Nucleophil X muss notwendigerweise über ein freies Elektronenpaar
verfügen; es kann negativ geladen sein (z.B. Iodid I- oder Hydroxid OH - ), es kann
aber auch ungeladen sein (z.B. Ammoniak NH 3 oder Wasser H2 O).
Bei einer Substitutionsreaktion wird eine Bindung gelöst (Substrat-Y) und dafür eine
andere geknüpft (Substrat-X), wobei es verschiedene Möglichkeiten der zeitlichen
Abfolge gibt. Bei einer monomolekularen nucleophilen Substitutionsreaktion (S N1) wird
erst die Bindung zur Abgangsgruppe Y gelöst, wodurch ein Carbeniumion als
Zwischenstufe gebildet wird, das sich dann an das Nucleophil X bindet. Bei einer
bimolekularen nucleophilen Substitutionsreaktion (S N2) erfolgen Bindungsspaltung und
Bindungsbildung konzertiert , also gewissermaßen gleichzeitig (synchron); diese
Reaktion verläuft einstufig über einen trigonal-bipyramidalen Übergangszustand. Eine
SN2-Reaktion kann man sich wie das Umklappen eines Regenschirms vorstellen; an
asymmetrischen Substraten erfolgt eine Inversion der Konfiguration (Waldensche
Umkehr).
Reaktionstypen der organischen Chemie
Additionsreaktionen (A)
Schema:
R1
R3
Addition
+
R2
R1
X
Y
R3
R2
H
X
H
Y
Bei einer Additionsreaktion wird ein Teilchen (X-Y, zuweilen auch nur ein zweibindiges
Atom wie z.B. O) zu einem Substrat hinzugefügt, also "addiert". Das Substrat verfügt in
der Regel über eine Mehrfachbindung (also eine Doppel- oder Dreifachbindung, z.B.
C=C oder C=O); bei der Reaktion wird eine π-Bindung im Substrat gelöst, dafür werden
zwei σ -Bindungen (zu X und zu Y) gebildet. (Im Prinzip findet eine weitere
Bindungsspaltung im angreifenden Teilchen X-Y statt.) Die Umkehrung einer
Additionsreaktion ist eine Eliminierungsreaktion (s.u.).
Besonders erwähnenswerte spezielle Additionsreaktionen sind die Hydrierung
(Addition von Wasserstoff H2 ) und die Hydratisierung (Addition von Wasser H2 O). Je
nach der Natur des (im entscheidenden Schritt) angreifenden Teilchens unterscheidet
man elektrophile, nucleophile und radikalische Additionsreaktionen. Auch bei
gewissen Ringöffnungsreaktionen, speziell an Dreiringen, finden Additionsreaktionen
statt.
Eliminierungsreaktionen (E)
Schema:
R1
R3
Eliminierung
R1
R3
+
R2
X
Y
H
X
Y
R2
H
Bei einer Eliminierungsreaktion wird ein Teilchen (X-Y, zuweilen auch nur ein
zweibindiges Atom wie z.B. O) aus einem Substrat abgespalten, also "eliminiert". Dabei
bildet sich im Substrat in der Regel eine Doppelbindung aus (bzw. eine Dreifachbindung,
wenn die Eliminierung an einer Doppelbindung abläuft). Die Eliminierungsreaktion ist
also die Umkehrung der Additionsreaktion.
Besonders erwähnenswerte spezielle Eliminierungsreaktionen sind die Dehydrierung
(Abspaltung von Wasserstoff H2 ) und die Dehydratisierung (Abspaltung von Wasser
H2 O). Bei gewissen Eliminierungsreaktionen können sich Ringe anstelle von
Mehrfachbindungen bilden (z.B. Dreiringe bei γ-Eliminierungen); bei αEliminierungen bilden sich (z.B.) Carbene (CR2 ).
Reaktionstypen der organischen Chemie
Kondensationsreaktionen
Schema:
Kondensation
R1
X
+
Y
R2
R1
R2
X
+
Y
Solvolyse
Bei einer Kondensationsreaktion werden zwei Fragmente (R1 und R2 ) miteinander
verknüpft, wobei ein kleines Molekül (z.B. Wasser H 2 O oder ein Alkohol R-OH)
abgespalten wird. Bei einer Kondensationsreaktion erfolgt zuerst eine Addition, der
eine Eliminierung folgt. Die Umkehrung der Kondensationsreaktion ist die
Solvolyse, deren wichtigster Spezialfall die Hydrolyse ist (also die Umsetzung mit
Wasser).
Beispiel:
O
R2
R1
O
H2N
O
Peptidbildung
+ H2N
NH
+ H2O
R1
Peptidhydrolyse
OH
OH
OH
NH2 R2
Ein typisches Beispiel einer Kondensationsreaktion ist (formal) die Bildung eines
Dipeptids aus zwei Aminosäure- Molekülen. Weitere Beispiele sind die
(säurekatalysierte) Veresterung und die Esterkondensation (Claisenkondensation).
Umlagerungsreaktionen (R)
Schema:
R
Umlagerung
R
Bei einer Umlagerungsreaktion wandert ein Fragment R unter Umbildung des
Bindungsgerüsts, d.h. einer Änderung der Konnektivitäten. Es findet also eine
Isomerisierung statt. Eine Tautomerisierung (z.B. die Keto-Enol- Tautomerisierung) ist
eine reversible Umlagerungsreaktion, bei der meist ein Wasserstoffatom (bzw. Proton)
wandert.
Beispiel:
R
R
Cope-Umlagerung
Ein schönes Beispiel für eine Umlagerungsreaktion bietet die Cope-Umlagerung. Sie ist
eine pericyclische Reaktion, bei der sozusagen drei π-Bindungen konzertiert cyclisch
umklappen (mit einem Sechsring als Übergangszustand).
O
Reaktionstypen der organischen Chemie
Redoxreaktionen (Oxidation und Reduktion)
Schema:
Reduktion
+
+
X
-
e
X
Oxidation
Bei einer Redoxreaktion werden - zumindest formal - Elektronen übertragen: Bei einer
Oxidation werden Elektronen abgegeben, bei einer Reduktion werden Elektronen
aufgenommen. Oxidation und Reduktion sind stets miteinander gekoppelt; man bezieht
sich daher jeweils auf das interessierende Substrat. Das benötigte Oxidations- oder
Reduktionsmittel kann ein anorganisches Reagenz sein, aber auch ein organisches. Ob
eine Oxidation oder Reduktion des Substrats stattfindet, ergibt sich aus der Änderung der
Oxidationszahlen am Reaktionszentrum. (Oxidation = Zunahme der Oxidationszahl,
Reduktion = Abnahme.) Redoxreaktionen fallen insofern aus der systematischen
Klassifikation der Reaktionstypen heraus, als sie nicht immer "orthogonal" dazu sind.
Damit ist gemeint, dass Redoxvorgänge häufig Begleiterscheinungen von anderweitig
klassifizierten Reaktionen sind; beispielsweise ist eine Hydrierung auch eine Reduktion
und umgekehrt eine Dehydrierung eine Oxidation.
Beispiel:
O
OH
(+2)
(+1)
Reduktion
+
2 H+
+
2 e-
Oxidation
(+2)
O
(+1)
OH
Ein typisches Beispiel für eine (auch biologisch relevante) reversible Redoxreaktion
findet man im System Chinon/Hydrochinon. Es sei angemerkt, dass in diesem System das
Redoxpotential pH-abhängig ist (Nernstsche Gleichung).
Index: Organisch-chemische Reaktionen
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