Quantenmechanik im täglichen Leben

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1
Manuskript
radioWissen
SENDUNG: 23.3.2017
9.05 Uhr
AUFNAHME:
STUDIO:
Physik
Ab 9. Schuljahr
TITEL:
Quantenmechanik im täglichen Leben Die Bedeutung der Erkenntnisse Heisenbergs
AUTOR:
David Globig
REDAKTION:
Nicole Ruchlak
REGIE:
Christiane Klenz
TECHNIK:
Ursula Kirstein
SPRECHER:
Sprecherin
Katja Amberger
Zitator
Carsten Fabian (PS)
INTERVIEWPARTNER:
Besondere Anmerkungen:
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Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2017
Bayern 2-Hörerservice
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2
MUSIK I'm in the pink C1585740 102
SPRECHERIN:
Es gibt nur wenige wissenschaftliche Theorien, die fest mit dem Namen der
Wissenschaftler verbunden sind, die sie entwickelt haben. Einsteins
Relativitätstheorie gehört dazu, aber auch die heisenbergsche Unschärfe- bzw.
Unbestimmtheitsrelation.
Doch wie entscheidend Heisenbergs Beitrag zur Quantenphysik war, zur Physik der
kleinsten Teilchen, das konnte Mitte der 1920er Jahre nur ein überschaubarer Kreis
von Forschern erfassen. Dabei lagen die Anfänge der Quantenphysik damals schon
ein Vierteljahrhundert zurück.
Man muss also ein wenig ausholen.
Musik aus
MUSIK Dead idols C1601290 103
ZITATOR:
Wie die Quantentheorie die Wissenschaft erschütterte
Musik aus
SPRECHERIN:
Was passiert physikalisch, wenn man ein Material erhitzt, z.B. ein Stück Draht in
einer Glühbirne? Und zwar so lange, bis es leuchtet: erst rot und schließlich weiß.
Wie hängt die Farbe von der Temperatur ab? Wie wandelt die Glühbirne elektrische
Energie in sichtbares Licht um? Es gab etliche Versuche, die physikalischen Gesetze
dafür zu finden. Aber erst Max Planck konnte im Jahr 1900 eine schlüssige Theorie
vorweisen. Er nahm an, dass glühende Körper Energie nicht kontinuierlich
aufnehmen und abgeben, sondern in winzigen "Portionen": "Quanten". Damit brachte
Planck einen Stein ins Rollen, der das Weltbild der Physik innerhalb kürzester Zeit
völlig auf den Kopf stellen sollte.
MUSIK Aortic aneurysm junior C1585740 107
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SPRECHERIN:
Während Max Planck Quanten im Jahr 1900 nur als Rechentrick für sein
physikalisches Gesetz ansah, machte Albert Einstein fünf Jahre später deutlich, dass
sie tatsächlich existieren; dass z.B. Licht wirklich aus solchen winzigen EnergiePaketen besteht, also Teilchencharakter hat. Das widerspricht allerdings allen
Versuchen, die nur funktionieren, wenn Licht in Form von Wellen unterwegs ist. Und
das bedeutet: Offenbar kann man Licht nicht auf eine Erscheinungsform festlegen.
Es zeigt sich, je nach Experiment, mal als Welle, mal als Teilchen.
Viele Wissenschaftler waren mit solchen Vorstellungen schlicht überfordert.
Trotzdem entwickelte sich die Quantenphysik in großen Schritten weiter. Und zwar wiederum nur ein paar Jahre später - mit dem Atommodell.
Musik aus
SPRECHERIN:
Die Physiker stellten sich damals Atome wie winzige Planetensysteme vor: Um einen
massiven Atomkern kreisen in relativ großem Abstand Elektronen. Das erklärte
einerseits etliche Versuchsergebnisse - widersprach andererseits aber leider der
klassischen Physik. Ihr zufolge würden die Elektronen kontinuierlich Energie
abstrahlen und schließlich in den Kern stürzen.
Man hätte nun einfach das Modell verwerfen können, erklärt Wissenschaftshistoriker
Ernst Peter Fischer.
1. O-TON Fischer:
"Aber ein junger Däne, hat sich entschieden, die klassische Physik aufzugeben - und
das war Niels Bohr. / Und er merkte, er konnte das ganze Modell retten und die
Physik retten, wenn er Plancks Quantum einführte."
MUSIK Dazwischen 1
C1512410 002
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SPRECHERIN:
Wenn Elektronen ihre Energie nur portionsweise abgeben können, dann - so nahm
Bohr an - existieren Bahnen, auf denen sie stabil um den Kern kreisen. Wobei ein
Elektron jedoch auf eine höhere, wiederum stabile Bahn springen kann, wenn es von
außen eine bestimmte Energiemenge aufnimmt. Wechselt es dann irgendwann
wieder auf eine energieärmere Bahn, strahlt es Licht ab. Und zwar mit einer
bestimmten Farbe. So konnte Bohr begründen, warum chemische Elemente, die man
stark erhitzt, jeweils ein Lichtspektrum mit ganz charakteristischen farbigen Linien
zeigen. Es war ein klares und immer noch anschauliches Modell, das Bohr erdacht
hatte - aber es sollte ebenfalls nicht lange Bestand haben.
Musik aus
MUSIK Dust
C1601290 106
ZITATOR:
Wie Heisenberg die Bahn verwarf
Musik aus
SPRECHERIN:
Obwohl sich mit der Quantentheorie viele physikalische Phänomene erklären ließen,
glaubten etliche Wissenschaftler immer noch nicht an sie. Ihnen widerstrebte der
Gedanke, dass die Vorgänge in der Natur nicht kontinuierlich ablaufen sollten,
sondern in winzigen Quanten-Stufen; dass die Natur in der Welt der kleinsten
Teilchen also quasi "Sprünge" macht.
Aber selbst die Wissenschaftler, die das akzeptierten, wurden Mitte der 1920er Jahre
auf eine harte Probe gestellt. Eine Gruppe teils noch sehr junger Forscher zog der
klassischen Physik binnen kürzester Zeit endgültig den Boden unter den Füßen weg.
Einer dieser Revolutionäre war Werner Heisenberg.
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2. O-TON Fischer:
"Er hatte plötzlich die Idee, dass man aufhören müsste, die Physik der Atome von
alltäglichen Modellen her zu konstruieren. Also von der Annahme ausgehend, dass
die Elektronen eine Bahn haben. Vielleicht gibt es gar nicht so etwas wie die Bahn
eines Elektrons, denn beobachten im Experiment kann man die nicht. Beobachten
kann ich im Experiment nur Frequenzen. Und jetzt ist die Frage: wie kann ich daraus
eine Theorie der Atome aufstellen? Und da hat er angefangen, aus den
beobachtbaren Größen ein mathematisches Schema zu bilden wenn er nicht die
traditionellen Werte nimmt. sondern neue Gebilde.."
SPRECHERIN:
Heisenberg hatte das Konzept für diese neue Theorie 1925 auf Helgoland entwickelt,
wo er einen schweren Heuschnupfen auskurieren wollte. Mit seinen Rechnungen
begründete er die heute noch gültige Quantenmechanik, die andere Forscher rasch
ergänzten. Mit diesen neuen Werkzeugen ließen sich die unterschiedlichen
Energiezustände von Atomen tatsächlich berechnen. Aber immer noch waren die
Physiker Mitte der 1920er Jahre weit davon entfernt, die atomare Welt wirklich zu
verstehen. Doch dann gelang erneut Werner Heisenberg ein wichtiger Schritt.
GERÄUSCH Kinder spielen mit Carrera-Bahn, darüber:
MUSIK
Fire it up again
C1585740 113
ZITATOR
Kinder spielen mit einer elektrischen Autorennbahn. Wenn sie wissen wollen, wie
schnell ihre Autos fahren, dann können sie z.B. Lichtschranken aufstellen. Sobald ein
Auto den Lichtstrahl einer dieser Lichtschranken unterbricht, ist außerdem klar, wo
genau sich das Fahrzeug in diesem Moment befindet.
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6
SPRECHERIN:
Jeder würde sagen: Ist doch logisch. Aber: In der Welt der kleinsten Teilchen
funktioniert das nicht. Warum? Wegen der Unbestimmtheits- bzw. Unschärferelation.
Sie ist 1927 Heisenbergs großer Wurf. Der allerdings völlig unserer Alltagserfahrung
widerspricht. Auch Heisenberg selbst musste sich die Unbestimmtheitsrelation erst
einmal mit einem Gedankenexperiment verdeutlichen, wie er 1965 in einem Vortrag
beschrieb. Er fragte sich: Was passiert, wenn ich ein vorbeifliegendes Elektron im
Licht eines fiktiven Gammastrahlen-Mikroskops beobachten würde?
Musik aus
3. O-TON Heisenberg:
"Zwar würde man mit dem ersten Lichtquant, was nun auf das Elektron im Atom trifft
und durch das Mikroskop in mein Auge geht, man würde durch dieses erste
Lichtquant vielleicht eine sehr genaue Bestimmung des Ortes des Elektrons haben.
Gleichzeitig würde aber dieses Lichtquant dem Elektron einen solchen Stoß versetzt
haben, dass seine Geschwindigkeit hinterher außerordentlich unbestimmt ist."
SPRECHERIN:
Ebenso wie die Bewegungsrichtung. Heisenberg erklärte sich das einfach mit dem
"Schubs", den das Elektron bekommt. Die Unschärfe, die Unbestimmtheit hat also
nichts damit zu tun, dass wir nicht genau genug messen können. Vielmehr gibt die
Unbestimmtheitsrelation etwas Grundsätzliches über unsere Beobachtungen wieder,
betont Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer.
4. O-TON Fischer:
"Die eigentliche Entdeckung, die Heisenberg gemacht hat, die in der
Unbestimmtheitsrelation ihren Ausdruck findet, ist: das Elektron hat gar keine
Eigenschaft, solange ich nicht messe. Das Elektron ist soz. eine Summe aller der
Möglichkeiten, die es sein kann. Erst indem ich frage: kannst Du auch an dieser
Stelle sein? Dann sagt das Elektron: kann ich. Aber, es ist vorher weder da noch
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sonstwo, oder alles gleichzeitig. Das Elektron ist zu einem gegebenen Zeitpunkt,
ohne dass ich es beobachte, die Summe aller seiner Möglichkeiten."
SPRECHERIN:
Man legt zum Beispiel erst durch die Art der Messung fest, ob sich ein Elektron - oder
genauso auch ein Lichtquant, ein Photon - als Welle oder als Teilchen zeigt. Die
Quantentheorie ist somit gar keine Theorie von Wirklichkeiten, sondern eine Theorie
von Möglichkeiten, von Wahrscheinlichkeiten.
Wir können deshalb nicht exakt vorhersagen, wie sich die Welt auf der Ebene ihrer
Atome verhalten wird. Anders, als wir es aus unserer täglichen Erfahrung gewohnt
sind, wo wir etwa die Bahn einer Kanonenkugel sehr genau berechnen können.
Selbst Einstein, der zu den Pionieren der Quantentheorie zählte, wollte das nicht
akzeptieren. Er meinte dazu: "Gott würfelt nicht!"
Tatsächlich erscheinen die Ergebnisse quantenphysikalischer Experimente oft erst
einmal absurd.
MUSIK Dead idols C1601290 103
ZITATOR
Wie man gleichzeitig durch zwei Türen geht
SPRECHERIN:
Die Merkwürdigkeiten in der Quantenwelt zeigen sich z.B. beim berühmten
Doppelspaltversuch. Dazu wird ein einfarbiger Lichtstrahl auf eine Fläche gelenkt, in
der sich nebeneinander zwei schmale Spalte befinden. Tritt das Licht durch diese
Schlitze hindurch, dann zeigt sich auf einem Schirm dahinter ein charakteristisches
Hell-Dunkel-Muster, sogenannte Interferenzstreifen. Sie entstehen, wenn Wellen
aufeinandertreffen. Wellenberg und Wellenberg z.B. addieren sich zu einem
größeren Wellenberg - das bedeutet: heller Streifen. Wellenberg und Wellental
hingegen löschen sich gegenseitig aus - bei Licht heißt das: dunkler Streifen. Das
kann man noch gut verstehen.
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Erstaunlich wird es aber, wenn man das Licht so weit abschwächt, dass immer nur
einzelne Lichtteilchen unterwegs sind. Das ist etwa so, als ob man nacheinander
Pistolenkugeln auf den Doppelspalt schießt.
GERÄUSCH drei Pistolenschüsse
MUSIK Dazwischen 5
SPRECHERIN:
Macht man das mit vielen einzelnen Lichtteilchen - es geht aber auch mit Elektronen,
Atomen oder sogar mit ballförmigen Kohlenstoffmolekülen - dann entsteht hinter dem
Doppelspalt nach und nach wieder das typische Hell-Dunkel-Muster einer
Interferenz, erläutert der Physiker Gerhard Rempe. Er ist Direktor am Max-PlanckInstitut für Quantenoptik in Garching bei München.
Musik aus
5. O-TON Rempe:
"Nun kennt man dieses Interferenzphänomen von klassischen Wellen auch, aber bei
Elektronen, Atomen war man doch eher der Meinung, dass diese Objekte durch
einen der beiden Spalte hindurchlaufen müssen und nicht durch beide Spalte
gleichzeitig."
SPRECHERIN:
Aber genau das machen sie offenbar, sonst gäbe es keine Interferenz und kein HellDunkel-Muster. Jedes Teilchen scheint also zwischenzeitlich zur Welle zu werden,
um dann wieder als Teilchen auf dem Schirm zu landen. Irgendwo, ganz zufällig anders als bei einer Pistolenkugel: nicht vorhersagbar; aber trotzdem exakt an der
richtigen Stelle, damit sich - nachdem noch viele andere Teilchen diese Reise
gemacht haben - das charakteristische Muster bilden kann. Etliche Wissenschaftler,
unter ihnen erneut Einstein, konnten sich mit dieser Vorstellung nicht abfinden. Sie
dachten sich die unterschiedlichsten Versuchsanordnungen aus, um
herauszubekommen, welchen Weg das Teilchen genommen hat.
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6. O-TON Rempe:
"Ist es durch den rechten Spalt gelaufen, oder ist es durch den linken Spalt
gelaufen?"
SPRECHERIN:
Doch jedes Mal, wenn man versucht, diese Frage durch eine Messung zu
beantworten, verschwindet das Interferenzmuster. Hinter jedem Spalt erscheint nur
ein einzelner heller Streifen. Kennt man den Weg, legt man ein Photon, Elektron usw.
also auf seinen Teilchencharakter fest. Schaut man nicht nach dem Weg, erscheint
wieder das Interferenzmuster.
MUSIK Aortic aneurysm junior C1585740 107
SPRECHERIN:
Quantenphänomene beschränken sich aber nicht nur auf ungewöhnliche
Laborversuche, sie spielen auch in unserem Alltag eine wichtige Rolle. Das fängt
schon bei der Frage an, was eigentlich passieren würde, wenn es die Gesetze der
Quantenphysik überhaupt nicht gäbe. Die Konsequenzen wären drastisch, wie der
Astrophysiker Rudolf Kippenhahn vor einigen Jahren erklärte.
Musik aus
7. O-TON Kippenhahn:
"Würden die Quantenphänomene schlagartig verschwinden, dann würden alle
Elektronen in kürzester Zeit in die Atomkerne fallen. Die ganze Materie würde aus
neutralen Masseteilchen bestehen, die miteinander gar keine Wechselwirkung mehr
haben. Wir würden alle schlagartig zu einem strukturlosen Gas werden. Wobei eine
ganze Menge Energie frei wird, also eine Riesen-Explosion."
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SPRECHERIN:
Selbst, wenn man es so "hinbiegen" könnte, dass die Atome stabil bleiben, hätte es
dramatische Auswirkungen, sollte die Quantenmechanik nicht mehr gelten, weiß
Gerhard Rempe.
8. O-TON Rempe 5:
"Es würde keine Moleküle mehr geben. Weil / die chemische Bindung zwischen
Atomen, die die Moleküle machen, die beruht auf Quantenphänomenen."
SPRECHERIN:
Und solche Quantenphänomene sorgen auch noch an ganz anderen Stellen dafür,
dass unsere Welt überhaupt existiert.
MUSIK Dust C1601290 106
ZITATOR
Wie die Quantenphysik Sterne zum Leuchten bringt
MUSIK
Life tends to come and go
C1601290 110
SPRECHERIN:
Unsere Sonne liefert seit rund viereinhalb Milliarden Jahren Licht und Wärme. Das
könnte sie jedoch nicht, wenn nicht die Gesetze der Quantenphysik nachhelfen
würden. Im heißen Gasball verschmelzen Wasserstoffatomkerne zu
Heliumatomkernen. Allerdings stoßen sich die positiv geladenen Kerne ab. Um diese
Abstoßungskräfte zu überwinden, ist eigentlich eine extrem hohe Teilchenenergie
notwendig, also eine extrem hohe Temperatur. Unglücklicherweise ist es im Inneren
der Sonne aber gar nicht heiß genug. Und dennoch funktioniert die Kernfusion. Das
liegt an Quantenphänomenen.
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Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Atomkerne sich nahe genug
kommen für eine Verschmelzung; obwohl die klassische Physik das nicht erlauben
würde.
Ohne Quantenphysik gäbe es also weder die Sonne, noch die Erde, noch uns
Menschen.
Musik aus
MUSIK Dead idols C1601290 103
ZITATOR
Wie die Quantenphysik neue Technologien ermöglicht
Musik aus
SPRECHERIN:
Die Quantentheorie erklärt den Aufbau der Atome, d.h. sie erklärt, wie sie
"funktionieren". Sie macht Vorgänge in der Physik, in der Chemie, genauso wie in der
Astronomie erst verständlich. Aber sie verändert seit Jahrzehnten auch die Technik.
Von der Leuchtstoffröhre über den Laser bis zu den Halbleiterchips im Computer:
Nichts davon könnte funktionieren, wenn die Elektronen in den Atomen nicht kleine
Quantensprünge vollführen würden. Und auch bildgebende Verfahren in der Medizin
gäbe es nicht ohne Quantenphänomene. Diese Quantenphänomene eröffnen aber
noch viele weitere Möglichkeiten. Weshalb Wissenschaftler wie Gerhard Rempe
selbst nach Jahrzehnten von der Quantenphysik begeistert sind.
9. O-TON Rempe 10:
"Sie ist immer noch sehr faszinierend. Sie widerspricht der Alltagswelt. Und man
kann mit ihr, und das finde ich besonders faszinierend, eben halt eine neue
Technologie aufbauen fürs 21. Jahrhundert - oder vielleicht fürs nächste Jahrtausend
sogar."
MUSIK I'm in the pink C1585740 102
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12
ATMO Labor, darüber:
SPRECHERIN:
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften in Wien.
Drei junge Forscher arbeiten in einem Labor an einem Versuchsaufbau: Auf eine
schwere Metallplatte sind kleine Spiegel, Linsen und andere optische Elemente
geschraubt. Außerdem vier etwa zigarettenschachtelgroße Detektoren für
Lichtteilchen, Photonen, wie Experimentalphysiker Dr. Rupert Ursin erklärt.
Musik und Atmo aus
10. O-TON Ursin (Material 2:17):
"Also, was wir da vor uns haben, ist ein Prototyp <einer Bodenstation,> einer
optischen Bodenstation, die verschränkte Photonen auffangen soll, die von einem
Satelliten ausgesendet werden. Und die werden hier analysiert."
SPRECHERIN:
Verschränkte Photonen. Das sind Teilchen, die in einer Lichtquelle sozusagen als
Zwillingspaare entstanden sind - beide im selben Moment. Solche Paare haben eine
verblüffende Eigenheit.
11. O-TON Ursin (Material 4:32):
"Die Quantenmechanik sagt vorher, dass zwei Teilchen miteinander in Verbindung
bleiben; in Verbindung bleiben über unendlich lange Distanzen."
SPRECHERIN:
Egal, wie weit sie sich auch auseinander bewegen, die Teilchen bilden immer so
etwas wie eine Einheit. Schaut man sich die Eigenschaften der beiden Photonen an,
stellt man fest: Sie sind perfekt korreliert. Das kann z.B. auf die Polarisation der
Photonen zutreffen, also auf die Schwingungsebene des Lichts.
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12. O-TON Ursin (Material 5:58):
"Wenn ich am Satelliten ein Photon messe, das / horizontal polarisiert ist, dann
werde ich am Boden auch ein horizontales Photon sehen. Die Photonen haben also
immer die gleiche Eigenschaft."
SPRECHERIN:
Was man sich so vorstellen kann, als ob man im Satelliten und in der Bodenstation
würfelt und die beiden Würfel immer dieselbe Augenzahl zeigen. Einstein
bezeichnete das als "spukhafte Fernwirkung" und wollte sich Zeit seines Lebens
nicht damit abfinden. Doch es gibt diese Verschränkung tatsächlich. Und man kann
sie nutzen. Z.B. um Nachrichten zu verschlüsseln.
Zwei Personen wollen geheime Mitteilungen austauschen - Wissenschaftler geben
den beiden gerne die Namen Alice und Bob. Damit Bob, der Empfänger, die
chiffrierte Nachricht entschlüsseln kann, muss Alice ihm auch den verwendeten
Schlüssel übermitteln. Dabei riskiert sie allerdings, dass eine dritte Person diesen
Schlüssel unbemerkt abfängt. Nutzt man jedoch verschränkte Photonen, um den
Schlüssel zu übertragen, fällt jeder Versuch, an diesen Schlüssel heranzukommen,
auf, erklärt der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger, ein Pionier auf diesem
Gebiet. Alice und Bob müssen dazu nur Teile des Schlüssels vergleichen.
13. O-TON Zeilinger:
"Weil ein Abhörer versuchen muss, wenn diese Photonen, zu Alice und Bob
kommen, muss er versuchen, die zu messen, um zu schauen, welche Polarisationen
die haben. Und jetzt kann man das so einrichten, dass Alice und Bob erkennen, ob
ein Abhörer dran ist. Sie sehen Störungen, sie sehen, dass ihre Schlüssel nicht
identisch sind."
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14
SPRECHERIN:
Denn jede Beobachtung, jede Messung durch eine dritte Person ändert den Zustand
der Quantensysteme. Wenn Alice und Bob das bemerken, können sie einfach einen
neuen Anlauf unternehmen. So lange, bis sie sicher sind, dass kein anderer den
Schlüssel kennt.
Physiker Gerhard Rempe verspricht sich einiges davon, wenn man die sogenannte
Quantenkryptographie für eine abhörsichere Verteilung von Chiffrier-Schlüsseln
nutzt.
14. O-TON Rempe 12:
"Naja, es wäre ja schön, wenn die deutsche Bundeskanzlerin mit dem französischen
Präsidenten telefonieren können (SIC!), ohne dass die NSA mithört. ... Das kriegen
wir hin."
SPRECHERIN:
Um zu testen, ob sich die Schlüssel tatsächlich vom Weltraum aus über Tausende
von Kilometern verteilen lassen, ist im Sommer 2016 eine chinesisch-österreichische
Satellitenmission gestartet.
Dank Quantentechnologie sollen aber noch ganz andere Dinge möglich werden.
MUSIK Dust
C1601290 106
ZITATOR
Schneller Rechnen mit Quanten
MUSIK
Dazwischen 5 C1512410 010
SPRECHERIN:
Heute übliche Computer nutzen als kleinste Dateneinheit das Bit. Ein Bit kann an
oder aus sein, kann den Wert eins oder null haben. In Zukunft wollen Forscher
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15
jedoch mit Quantenbits rechnen. Solche Quantenbits lassen sich in einen
Überlagerungszustand aus null und eins bringen, erklärt Gerhard Rempe.
Sie sind dann nicht mehr auf einen Zustand festgelegt. So, wie ein Elektron, das solange man nicht misst - an verschiedenen Orten gleichzeitig sein kann.
Musik aus
15. O-TON Rempe 6:
"Die große Fähigkeit des Quantencomputers ist halt eben, mehrere Rechnungen
gleichzeitig durchzuführen, weil er diese Überlagerungszustände akzeptiert, die
Quantenbits. Und deswegen kann er mehrere Rechnungen, wenn man so will,
gleichzeitig durchführen. Und das beschleunigt Rechenleistung ganz ungemein."
SPRECHERIN:
Besonders, wenn man mehrere solcher Quantenbits miteinander verschränkt.
Das Potential von Quantencomputern scheint riesig zu sein. Weltweit wird deshalb
an ihnen geforscht.
MUSIK Aortic aneurysm junior C1585740 107
SPRECHERIN:
Spukhafte Fernwirkung, überlagerte Zustände, eine Realität, die erst durch die
Beobachtung geschaffen wird. Physiker sind mit solchen Phänomenen täglich
konfrontiert und nutzen die Quantenmechanik für ihre Arbeit. Trotzdem gibt die
Quantenphysik - auch 90 Jahre nachdem Heisenberg seine Unbestimmtheitsrelation
veröffentlicht hat - immer noch Rätsel auf. Etwa bei der Frage, ab welcher Größe
Objekte doch wieder den Gesetzen der klassischen Physik unterliegen.
16. O-TON Rempe 4:
"Es gibt in der Quantenphysik eben halt die Möglichkeit durch zwei Spalte
gleichzeitig zu gehen und das ist experimentell bestätigt und wird nicht mehr
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16
diskutiert. Fußbälle können das nicht, Menschen können das auch nicht. Die Frage
ist, ab wann gelingt es einem Objekt nicht mehr, durch zwei Spalte gleichzeitig zu
gehen."
MUSIK aus
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