Rhythmusstörungen richtig behandeln

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Hausarzt Medizin
Kard
Teil 2
Rhythmusstörungen
richtig behandeln
In der Akut- und Langzeittherapie von Patienten mit Herzrhythmusstörungen
gibt es drei Eckpfeiler: Symptomatik, EKG und linksventrikuläre Pumpfunktion.
Prof. Dr. med. HansJoachim Trappe
Marien Hospital
Herne, Klinikum der
Ruhr-Universität Bochum, E-Mail: HansJoachim.Trappe@
ruhr-uni-bochum.de
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Ein wichtiger Grundsatz für die Therapie von
Rhythmusstörungen lautet: Die Behandlung
soll einfach, effektiv und sicher sein und mit
möglichst keinen oder wenigen Nebenwirkungen oder Problemen einhergehen. Das
gilt insbesondere im hausärztlichen Bereich.
Extrasystolie
Bei supraventrikulären und ventrikulären
Extrasystolen besteht in der Regel nur dann
eine Therapienotwendigkeit, wenn der Patient symptomatisch ist. In vielen Fällen
reicht es aus, den Patienten über die Harmlosigkeit der Rhythmusstörung aufzuklären. Sollte der Patient symptomatisch sein
oder eine Behandlung unbedingt wünschen,
käme vor allem eine Betablocker-­Therapie
in Betracht. Spezifische ­Antiarrhythmika
­sollten, wenn überhaupt, nur mit großer
­Vorsicht eingesetzt werden (Proarrhythmie-­
Risiko!).
In jedem Fall ist es notwendig, nach einer
möglichen Ursache der Rhythmusstörungen zu suchen (Hyperthyreose, Myokarditis,
Elektrolytstörungen usw.).
Der Hausarzt 11/2017
Illustration: Godruma - iStockphoto.com
Wie die Behandlung konkret aussieht, lesen Sie im folgenden Beitrag.
diologie
Hausarzt Medizin
Vorhofflimmern
Bei Patienten, bei denen eine hämodynamisch instabile Situation vorliegt
oder bei denen die antiarrhythmischmedikamentöse Therapie zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus nicht
erfolgreich war, sollte eine elektrische
Kardioversion unter Sedierung und
­einem kurzwirksamen Anästhetikum
erfolgen. Der Patient sollte in ein Krankenhaus eingewiesen werden, über die
geplanten Maßnahmen vom Hausarzt
jedoch informiert werden.
Als wirksame Rhythmusmedikamente
zur pharmakologischen Kardioversion
von Vorhofflimmern kommen Flecainid
und Propafenon als Antiarrhythmika
mit relativ schneller Wirkung zum Einsatz, während Amiodaron einen langsameren Wirkungseintritt zeigt. Für die
medikamentöse Kardioversion ist eine
kontinuierliche Monitorüberwachung
notwendig, so dass diese Maßnahmen
stationär erfolgen sollten.
Kommt eine medikamentöse oder elektrische Kardioversion nicht in Frage, ist
die pharmakologische Frequenzkontrolle das Ziel. Hierfür haben sich Digitalis, Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp bzw. Diltiazem oder Betablocker
(Propranolol, Esmolol) allein oder in
Kombination bewährt. Es ist wichtig,
den Patienten darauf hinzuweisen, dass
auch die Frequenzkontrolle eine geeignete Behandlungsform von Vorhofflimmern ist, mit der er gut leben kann.
QRS-Komplex wird die Durchführung
des Vagus-Manövers (Karotis-Druck,
Valsalva) empfohlen. Die Tachykardie
kann hiermit in etwa 25 Prozent der Fälle beendet werden.
Bei Vorhofflattern wird häufig die
Kammerfrequenz verlangsamt, die Flatterwellen werden dadurch sichtbar
(Abb. 1). Bei persistierender Tachykardie
wird Adenosin unter laufendem EKG
gegeben. Wenn sich die Tachykardie
verlangsamt, aber nicht sistiert, können
möglicherweise Flatterwellen oder andere Vorhofaktivitäten gesehen werden.
Zeigt das EKG keine Veränderungen,
sollte ein zweites Mal Adenosin gegeben werden. Wenn Vagus-Manöver oder
Adenosin die Tachykardie nicht beenden, kann ein Betablocker oder ein Kalziumantagonist gegeben werden.
Das ABCD-Konzept
Neben den Medikamenten zur Therapie
bradykarder und tachykarder Arrhythmien, die alle mit dem Buchstaben „A“
beginnen, kommen akut weitere Maß-
nahmen in Betracht: Betablocker, Kardioversion und Defibrillation (Tab. 1).
Adenosin ist aufgrund seiner extrem
kurzen Halbwertzeit von wenigen Sekunden ein Medikament der ersten
Wahl zur Behandlung von Tachykardien
mit schmalem QRS-Komplex. Die Subs-
Tab. 1: ABCD-Konzept
A Adenosin, Adrenalin,
­Ajmalin, Amiodaron, Atropin
B Betablocker
CCardioversion
DDefibrillation
tanz kann auch in der Schwangerschaft
angewendet werden und ist von Leberoder Nierenfunktion unbeeinflusst.
Die Gabe von Adrenalin ist bei Patien­
ten mit prähospitalem Herz-KreislaufStillstand und defibrillationsrefraktärem Kammerflimmern oder einer
Asystolie seit Jahren etabliert. Adrenalin wird bei refraktärem Kammerflimmern nach zwei Defibrillations-
Abb. 1: Extremitäten-EKG-Ableitungen
bei einem Patienten mit Vorhofflattern.
Man erkennt sehr gut die Flatterwellen, in
einer 3:1-Überleitung auf die Kammern.
Foto: Trappe
Akuttherapie bei Tachykardie
Für die tachykarden Rhythmusstörungen gibt es verschiedene Antiarrhythmika, die allerdings eine akute Arrhythmie-Diagnose voraussetzen.
Bei klinisch stabilen Patienten und regelmäßiger Tachykardie mit schmalem
Der Hausarzt 11/2017
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Die schnelle und richtige
Diagnose ist bei Herzrhythmusstörungen entscheidend.
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als kurz wirksamer Betablocker bei die­
sen Patienten bewährt.
Bei der elektrischen Kardioversion
wird ein Elektroschock EKG-synchron
mono- oder biphasisch abgegeben. Die
Kardioversion kommt bei allen Rhyth­
musstörungen in Betracht, bei denen
kein Kammerflimmern vorliegt und
bei denen zur Wiederherstellung eines
Sinus­rhythmus ein DC-Schock indiziert
ist. Indikationen zur Kardioversion sind
hämodynamische instabile ventrikulä­
re oder supraventrikuläre Tachykardien,
Vorhofflimmern oder Vorhofflattern.
Zur Defibrillation wird die Herzmus­
kulatur von einem Gleichstromimpuls
mit einer Dauer von etwa 10 ms durch­
strömt und führt somit zum „Reset“
der elektrischen Aktivität. Bei Patien­
ten mit Kammerflimmern ist die ein­
zige effektive Form der Behandlung die
schnellstmögliche Defibrillation, um
das Leben dieser Patienten zu retten.
Langzeittherapie
Bei allen Patienten ist es notwendig,
­­­eine individuelle Therapiestrategie
festzulegen, die sich aus anamnesti­
Der Hausarzt 11/2017
Foto: Kzenon - Fotolia
Atropin erhöht als Parasympatholy­
versuchen, bei Asystolie und pulsloser
tikum die Autonomie des Sinuskno­
elektrischer Aktivität so früh wie mög­
tens und die AV-Überleitung über die
lich eingesetzt.
direkte vagolytische Wirkung. Atropin
Bei Patienten mit anhaltenden ventri­
sollte bei vagal bedingten Sinusbrady­
kulären Tachykardien und stabiler­
kardien, AV-Blockierungen im Bereich
­Hämodynamik ist Ajmalin ein Klasse-­
I-Antiarrhythmikum mit hoher Effekti­ des AV-Knotens und vagal bedingten
Asystolien gegeben werden. Vorsicht
vität. Bei Tachykardien, deren ­Ursprung
mit der Atropingabe ist
für den behandeln­
beim akuten Myokard­
den Arzt nicht klar
Bei Kammerflimmern­
infarkt gegeben, da ein
ist, erscheint Ajmalin
ist die schnellst­
Anstieg der Herzfre­
sehr geeignet zu sein
mögliche Defibrillation­
quenz die ­Ischämie ver­
und sollte im Zwei­
die
einzige
lebens­
stärken kann. Bei Ver­
felsfall gegeben wer­
rettende Option.
dacht einer­Bradykardie
den. Man muss al­
durch infranodalen AVlerdings wissen, dass
Block II° (Typ Mobitz)
Ajmalin langsam zu
und bei komplettem
injizieren ist (50 mg
AV-Block (AV-Block III°) sollte Atropin
i. v. über 5 Minuten) und zu einer plötz­
nicht angewendet werden, da es zu ei­
lichen Funktionsstörung der linksven­
ner paradoxen Bradykardisierung kom­
trikulären Pumpfunktion führen kann.
men kann.
Deshalb ist bei Patienten mit einge­
Betablocker haben einen Stellenwert
schränkter Pumpleistung bei der Ajma­
bei Patienten mit tachykardem Vorhof­
lin-Applikation Vorsicht geboten.
flimmern. Die am häufigsten verwen­
Amiodaron ist zurzeit das einzige An­
deten Medikamente zur Frequenzkon­
tiarrhythmikum, für das ein Effekti­
trolle bei tachykardem Vorhofflimmern
vitätsnachweis bei schockrefraktärem
sind Betablocker wie Metoprolol oder
Kammerflimmern und polymorphen
Bisoprolol. Auch das Esmolol hat sich
Kammertachykardien vorliegt.
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Wann zum Kardiologen überweisen, wann in die Klinik?
▪▪ Die entscheidende Aufgabe des Hausarztes ist bei Patienten mit Herzrhythmus­
störungen die Einschätzung der initialen Situation, der Akuttherapie und die Ent­
scheidung über die weitere Strategie, die nicht nur die Lebensqualität beeinflusst,­
­sondern auch prognostisch relevant sein kann.
▪▪ Bei jedem Patienten mit ventrikulären Tachyarrhythmien und/oder überlebtem plötzlichen Herzstillstand ist immer eine weitergehende stationäre Behandlung erforderlich.
Die Klärung der zugrundeliegenden Ursachen durch nicht invasive und invasive Maßnahmen ist zwingend erforderlich, um weitere therapeutische Kon­sequenzen (operativ,
Elektrotherapie) einzuleiten.
▪▪ Auch Patienten mit rezidivierenden supraventrikulären Tachykardien sollten fachkardiologisch vorgestellt werden, um sie über kurative Therapiemöglichkeiten zu beraten.
▪▪ Patienten mit Vorhofflimmern erfordern immer eine gute Kooperation zwischen
Hausarzt, Kardiologe und Krankenhaus, weil nicht nur Fragen der Rhythmus- oder
Frequenz­kontrolle entschieden werden müssen, sondern auch Fragen zur Antikoagu­
lation und zur Langzeittherapie (Behandlung der Grunderkrankung, Katheterablation
usw.).
schen, klinischen und technischen Befunden ergibt.
Vorhofflattern, Vorhofflimmern: Als
Langzeittherapie kommen die Rhythmustherapie (Wiederherstellung/Erhalt eines Sinusrhythmus) oder die Frequenzlimitation bei permanentem
Vorhofflimmern in Betracht. Die Entscheidung basiert auf der Wahrscheinlichkeit, den Sinusrhythmus mittelbis langfristig erhalten zu können und
zum anderen auf der Schwere der Symptomatik bzw. hämodynamischen Beeinträchtigung des Patienten. Eine
Rhythmuskontrolle sollte angestrebt
werden, wenn eine den Patienten belastende Symptomatik oder eine hohe
Wahrscheinlichkeit, den Sinusrhythmus zumindest mittelfristig zu erhalten, vorliegt.
Die antiarrhythmisch-medikamentöse Therapie bietet hinsichtlich einer­
Lebensverlängerung keine Vorteile,­
sondern kann durch höhere Proarrhythmieraten eher problematisch sein. Es
ist daher in vielen Fällen günstiger, das
Vorhofflimmern zu akzeptieren und
durch Frequenzkontrolle die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Der Hausarzt 11/2017
Das Ziel einer optimalen Frequenzkon­
trolle ist durch Betablocker bei etwa 70
Prozent der Patienten zu erreichen, bei
etwa 60 Prozent durch Kalziumantagonisten (mit oder ohne Digitalis) und bei
etwa 60 Prozent durch eine alleinige Digitalismedikation. In jedem Fall muss
die Notwendigkeit einer Antikoagula­
tion überprüft werden.
Ablationsverfahren nehmen bei Vorhofflattern und Vorhofflimmern mittlerweile einen hohen Stellenwert ein.
Während die Katheterablation bei Vorhofflattern mittlerweile als die Therapie der Wahl gilt, ist auch die Pulmonal­
venenisolation eine hervorragende
Methode für symptomatische Patienten
mit paroxysmalem Vorfflimmern.
Supraventrikuläre Tachykardien: Für
die Langzeittherapie von Patienten mit
supraventrikulären Tachykardien (z.B.
AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, Tachykardien bei akzessorischen Leitungsbahnen, atrialen Tachykardien
usw) steht die Katheterablation mit hohen Erfolgsraten (über 90 Prozent) an
oberster Stelle des Therapiespektrums.
Ventrikuläre Tachyarrhythmien haben in der Regel eine prognostische Bedeutung und können (Herz-KreislaufStillstand) die Erstmanifestation einer
koronaren Herzkrankheit sein. Es ist
unbestritten, dass Kammerflattern und
Kammerflimmern so schnell wie möglich durch Kardioversion bzw. Defibril­
lation beendet werden müssen, und
dass auch bei ventrikulären Tachykardien mit hämodynamischer Beeinträchtigung die elektrische Therapie einer
antiarrhythmisch-medikamentösen
Therapie vorzuziehen ist. Patienten mit
ventrikulären Tachykardien, Kammerflattern oder Kammerflimmern müssen
nach einer Akuttherapie so schnell wie
möglich in eine Klinik gebracht werden,
wo anhand der erhobenen Befunde die
weitere Langzeittherapie mit Defibrillator- bzw. Resynchronisationsverfahren eingeleitet wird.
Literatur beim Verfasser.
Mögliche Interessenkonflikte:
Der Autor hat keine deklariert.
FAZIT
▪▪ Die Behandlung bradykarder oder tachykarder Herzrhythmusstörungen muss schnell,
zielgerichtet und sicher sein.
▪▪ Bei supraventrikulärer und ventrikulärer Extrasystolie ist eine Behandlung in der
Regel nicht notwendig.
▪▪ Die notfallmäßige Arrhythmietherapie kann sich auf 5 Medikamente beschränken,
die alle mit „A“ beginnen und zur Behandlung von bradykarden oder tachykarden
Arrhythmien und bei Herz-Kreislauf-Stillstand erfolgreich sind.
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