Grundlegendes: Mengen und Aussagen

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Kapitel 1
Grundlegendes: Mengen und
Aussagen
Wie jedes Fachgebiet hat auch die Mathematik eine eigene Fachsprache. Ohne ihre
Kenntnis wird man ein mathematisches Buch, selbst wenn es für Anwender geschrieben
ist, nicht ohne weiteres lesen können und wird manche Sachverhalte falsch verstehen.
Bevor wir mit der richtigen“ Mathematik beginnen, müssen wir deshalb erst einmal die
”
wichtigsten sprachlichen Hilfsmittel kennen lernen, die zur Formulierung mathematischer Sachverhalte nötig sind. Das geschieht in diesem Kapitel.
Die in der Mathematik und ihren Anwendungen gebräuchliche Fachsprache basiert
auf dem Begriff Menge und bedient sich dementsprechend der Mengenlehre. Diese ist
eine auf dem Mengenbegriff aufgebaute axiomatische Theorie, die man als die Grundlage der Mathematik überhaupt verstehen kann. Für uns ist es nun allerdings keineswegs
erforderlich, tief in die Mengenlehre einzudringen. Es reicht aus, wenn wir uns die wenigen grundlegenden Begriffsbildungen, Bezeichnungen und Schreib- und Sprechweisen
aus der Mengenlehre aneignen, mit deren Hilfe wir mathematische Sachverhalte präzise
formulieren können. Das tun wir im ersten Teil dieses Kapitels.
Die einzelnen mathematischen Theorien, die zusammen die Mathematik bilden, sind
axiomatisch aufgebaut. Die Axiome sind die einzigen Aussagen, die als wahr hingenommen werden; jede von ihnen verschiedene Behauptung muss bewiesen werden. Durch
diese Forderung unterscheidet sich die Mathematik deutlich von den Naturwissenschaften, in denen ja zum Beispiel auch Experimente und Erfahrungen zur Begründung von
Aussagen dienen können. Sie bedeutet gleichzeitig, dass man sich in der Mathematik
überhaupt nur mit Aussagen beschäftigt, d.h. mit Aussagesätzen unserer Umgangssprache, die entweder wahr oder aber falsch sind. Um eine Behauptung zu beweisen, muss
man sie aus schon als wahr erkannten Aussagen herleiten, indem man Schritt für Schritt
Aussagen zu neuen Aussagen verknüpft. Da die hierbei benutzten Wörter und Redewendungen der Umgangssprache oft mehrdeutig sind, ist es unumgänglich, für die Formulierung mathematischer Sachverhalte präzise Verabredungen zu treffen. Das geschieht
in der Aussagenlogik. Wie für die Mengenlehre gilt auch hier: Es ist nicht unbedingt
erforderlich, tiefer in die Aussagenlogik einzudringen. Es genügt, wenn wir uns über die
Problematik bewusst werden, die in der Benutzung der nicht immer eindeutigen Um-
2
Kapitel 1
Grundlegendes: Mengen und Aussagen
gangssprache besteht, und wenn wir aus diesem Grund einige Schreib- und Sprechweisen vereinbaren, die Mehrdeutigkeiten zu vermeiden helfen. Das werden wir im zweiten
Teil des Kapitels tun.
1.1
Grundlegendes über Mengen
Unter einer Menge verstehen wir eine abgegrenzte Gesamtheit von unterscheidbaren
Objekten; diese heißen die Elemente der Menge.
Zur Beschreibung von Mengen benutzt man Mengenklammern {. . .}, zwischen denen auf eine der beiden folgenden Arten die Elemente der Menge angegeben werden:
(1) Die Elemente werden aufgezählt.
Beispiele: M = {1, 2, 3, 4};
M = {a1 , . . . , an }.
(2) Die Elemente werden durch eine Variable repräsentiert, mit deren Hilfe eine genau
die Elemente charakterisierende Eigenschaft angegeben wird:
M = { x | x hat die Eigenschaft E } .
Das liest und spricht man so: M ist die Menge aller x, welche die Eigenschaft E
haben.
Beispiel: M = { x | x ist eine gerade Zahl zwischen 1 und 5 }.
Lies: M ist die Menge aller x, für die gilt: x ist eine gerade Zahl zwischen 1 und 5.
Zwei Mengen sind gleich, wenn sie dieselben Elemente haben; auf welche Art die
Mengen dargestellt sind, spielt keine Rolle.
Beispiel: { x | x ist eine gerade Zahl zwischen 1 und 5 } = {2, 4}.
Für Mengen, die häufig auftreten, verwendet man feste Symbole, um sie nicht immer
wieder ausführlich beschreiben zu müssen:
N : Menge der natürlichen Zahlen 1, 2, 3, . . . ;
N0 : Menge, die 0 und die natürlichen Zahlen als Elemente hat;
Z : Menge der ganzen Zahlen . . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . ;
Q : Menge der rationalen Zahlen ab ( Brüche “ );
”
R : Menge der reellen Zahlen;
∅ : leere Menge, also die Menge, die kein Element enthält.
Wollen wir angeben, dass ein Objekt a Element oder aber nicht Element einer Menge
M ist, so benutzen wir folgende Schreibweise:
a ∈ M bedeutet: a ist Element von M (gehört zu M );
a ∈ M bedeutet: a ist nicht Element von M (gehört nicht zu M ).
1.1
Grundlegendes über Mengen
Beispiele: 2 ∈ {1, 3, 5}, 1 ∈ N,
3
0 ∈ N,
5 ∈ { x ∈ R | 3 ≤ x ≤ 7 }.
Mengen reeller Zahlen von der Art, wie wir sie als letzte in den Beispielen gerade
angegeben haben, treten häufig auf; auch für sie werden daher einfache Symbole eingeführt:
Sind a, b ∈ R und ist a < b, so heißt die Menge
[a, b] = { x ∈ R | a ≤ x ≤ b }
(a, b) = { x ∈ R | a < x < b }
ein abgeschlossenes Intervall,
ein offenes Intervall,
und a, b heißen die Endpunkte des Intervalls. Beim abgeschlossenen Intervall gehören
also die Endpunkte a und b zum Intervall dazu, beim offenen Intervall nicht. Wenn nur
einer der beiden Endpunkte zum Intervall gehört, spricht man von einem halboffenen
Intervall:
[a, b) = { x ∈ R | a ≤ x < b }
und
(a, b] = { x ∈ R | a < x ≤ b }.
Als unendliche Intervalle bezeichnet man schließlich Zahlenmengen der Form
[a, ∞) = { x ∈ R | x ≥ a }
und
(a, ∞) = { x ∈ R | x > a }
und die entsprechend definierten Zahlenmengen (−∞, a] und (−∞, a).
Zur geometrischen Veranschaulichung der Intervalle benutzen wir die Zahlengerade.
Das ist eine Gerade, auf der ein Punkt als Nullpunkt O und eine der beiden möglichen
Richtungen durch einen Pfeil als positive Richtung ausgezeichnet sind. Auf ihr können
wir die reellen Zahlen als Punkte veranschaulichen und jeden Punkt durch die ihm zugeordnete Zahl markieren. Einem endlichen Intervall [a, b] entspricht dann die Strecke
auf der Zahlengeraden mit den Endpunkten a und b, einem unendlichen Intervall [c, ∞)
der vom Punkt c ausgehende, in positive Geradenrichtung zeigende Strahl (Abb. 1.1).
[a, b]
[c, ∞)
............................................................
..............................................................................................
a
c
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...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
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Abb. 1.1
b
Intervalle auf der Zahlengeraden
Ist jedes Element einer Menge N auch Element einer Menge M , so heißt N eine
Teilmenge von M , und wir schreiben dann: N ⊂ M .
Beispiele: {1, 2} ⊂ {1, 2, 3, 4}; N ⊂ N0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R; für a < b ist [a, b] ⊂ R;
für eine beliebige Menge M ist immer ∅ ⊂ M und M ⊂ M .
Beachten Sie: Der Begriff Teilmenge lässt auch zu, dass Gleichheit vorliegt. Wollen wir
ausdrücklich ausschließen, dass Gleichheit vorliegt, so schreiben wir: N M .
4
Kapitel 1
Grundlegendes: Mengen und Aussagen
Mit zwei Mengen L und M kann man wie folgt sinnvoll neue Mengen bilden:
L ∩ M = { x | x ∈ L und x ∈ M } heißt Durchschnitt von L und M ;
L ∪ M = { x | x ∈ L oder x ∈ M } heißt Vereinigung von L und M ;
L \ M = { x | x ∈ L und x ∈ M } heißt Differenz von L und M.
Der Durchschnitt zweier Mengen besteht aus genau den Elementen, die zu jeder der
beiden Mengen gehören, die Vereinigung aus denen, die zu wenigstens einer der Mengen
gehören, die Differenz aus denen, die zur ersten und nicht zur zweiten Menge gehören.
Beispiele:
(1) [1, 3] ∩ [2, 5] = [2, 3];
(2) [1, 3] ∪ [2, 5] = [1, 5];
(3) [1, 3] \ [2, 5] = [1, 2);
(4) R \ (−1, 1] = (−∞, −1] ∪ (1, ∞) = { x ∈ R | x2 ≥ 1 und x = 1 }.
Machen Sie sich die Definition von Durchschnitt, Vereinigung und Differenz zweier
Mengen an Hand dieser Beispiele klar, indem Sie die den Invervallen entsprechenden
Punktmengen auf einer Zahlengeraden skizzieren.
Zwei Mengen L und M heißen disjunkt (oder punktfremd), wenn ihr Durchschnitt
leer ist: L ∩ M = ∅ .
Beispiel: [0, 1) ∩ [1, 2] = ∅, aber [0, 1] ∩ [1, 2] = {1} =
∅.
Eine weitere wichtige Möglichkeit, neue Mengen zu konstruieren, ist die Bildung
des kartesischen Produktes von n Mengen M1 , . . . , Mn
M1 × . . . × Mn = { (x1 , . . . , xn ) | xk ∈ Mk für 1 ≤ k ≤ n }
oder auch des kartesischen Produktes von n Exemplaren derselben Menge M
M n = M × . . . × M = { (x1 , . . . , xn ) | xk ∈ M für 1 ≤ k ≤ n }.
Beispiel:
R2 = R × R = { (x, y) | x, y ∈ R }
heißt die Menge der geordneten Paare reeller Zahlen. R2 lässt sich veranschaulichen
als die Menge aller Punkte in einer Ebene, wenn wir in der Ebene ein rechtwinkliges
kartesisches Koordinatensystem wählen (Abb. 1.2):
Für (x, y) ∈ R2 bestimmt die erste Zahl x einen Punkt auf der ersten Achse, die
zweite Zahl y einen Punkt auf der zweiten Achse. Der Schnittpunkt P der Parallelen
1.1
Grundlegendes über Mengen
5
zur zweiten Achse durch den Punkt x und der Parallelen zur ersten Achse durch den
Punkt y veranschaulicht dann das geordnete Paar (x, y), und man bezeichnet (x, y) als
die Koordinatendarstellung des Punktes P .
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P = (x, y)
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y .......... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .........
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1 ..
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0 ...
1
x
Abb. 1.2 Ein rechtwinkliges kartesisches
Koordinatensystem in der Ebene besteht aus
zwei Zahlengeraden mit gleicher Längeneinheit, die sich rechtwinklig schneiden. Ihr
Schnittpunkt ist der Nullpunkt beider Zahlengeraden und heißt der Nullpunkt des Koordinatensystems. Die Zahlengeraden heißen die Koordinatenachsen.
Entsprechend heißt das kartesische Produkt
R3 = { (x, y, z) | x, y, z ∈ R }
die Menge der geordneten Tripel reeller Zahlen. Wählen wir im Raum ein rechtwinkliges kartesisches Koordinatensystem, so können wir R3 als die Menge aller Punkte
im (dreidimensionalen) Raum veranschaulichen; jedes geordnete Tripel (x, y, z) reeller
Zahlen ist dann die Koordinatendarstellung eines Punktes P im Raum.
Schließlich heißt allgemein für n ∈ N das kartesische Produkt
Rn = { (x1 , x2 , . . . , xn ) | xk ∈ R für 1 ≤ k ≤ n }
von n Exemplaren R die Menge der geordneten n-Tupel reeller Zahlen, und man kann
die geordneten n-Tupel reeller Zahlen als die Koordinatendarstellungen der Punkte des
n-dimensionalen Raumes auffassen.
Wenn wir reelle Zahlen als Punkte auf einer Zahlengeraden und geordnete Paare und
Tripel reeller Zahlen als Punkte in der Ebene bzw. im Raum veranschaulichen, so gibt
uns das die Möglichkeit, Beziehungen zwischen Zahlengrößen geometrisch an Hand
von Punktmengen darzustellen. Ein Beispiel dafür sind reelle Funktionen und ihre graphische Darstellung (Abschnitt 4.2), an die wir kurz erinnern, weil sie aus der Schulmathematik ohnehin bekannt sind:
Ist I ⊂ R, so heißt eine Vorschrift, die jeder Zahl x ∈ I eindeutig eine reelle Zahl
y zuordnet, eine (reelle) Funktion von I nach R. Es ist üblich, die Vorschrift durch ein
Symbol f zu kennzeichnen und die Funktion dann anzugeben durch f : I → R.
Wir kennen eine Funktion f : I → R vollständig, wenn wir für jede Zahl x ∈ I die
zugeordnete Zahl f (x) kennen,
wenn wir also die zu allen x ∈ I gehörigen geordne
ten Zahlenpaare x, f (x) kennen. Die Menge dieser geordneten Zahlenpaare heißt der
Graph der Funktion:
Graph f = x, f (x) | x ∈ I .
Die Veranschaulichung des Graphen von f in der Ebene, in der ein kartesisches Koordinatensystem gewählt ist, nennt man die graphische Darstellung der Funktion f : I → R
oder auch ebenfalls den Graphen von f (Abb. 1.3).
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Kapitel 1
Grundlegendes: Mengen und Aussagen
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y-Achse
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Graph f ...........
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(x, f (x))
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f (x)
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0.......................
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x-Achse
x
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Abb. 1.3
1.2
Graphische Darstellung einer Funktion f
Grundlegendes über Aussagen
Unter einer Aussage verstehen wir einen mit Hilfe unserer Umgangssprache formulierten Aussagesatz, der entweder wahr oder falsch ist, dem also genau einer der beiden
Wahrheitswerte wahr oder falsch zugeordnet ist.
In einer Vorlesung über Mathematik oder in einem entsprechenden einführenden
Lehrbuch werden immer gewisse Grundaussagen als bekannt vorausgesetzt. Solche
Grundaussagen, die wir ohne Beweis als wahr hinnehmen, dürfen wir als Axiome verstehen (die Axiome einer mathematischen Theorie sind eigentlich diejenigen Grundaussagen, die ohne Beweis als wahr akzeptiert werden und aus denen alle anderen Aussagen
der Theorie abgeleitet sind). Sie werden feststellen, dass – ausgehend von solchen allgemein als wahr akzeptierten Aussagen – dann Schritt für Schritt neue Aussagen gewonnen
werden, die das mathematische Wissen immer mehr erweitern. Bei diesem Vorgehen ist
es nötig, aus Aussagen neue Aussagen zu bilden oder mehrere Aussagen zu einer neuen
Aussage zusammenzusetzen. Man nutzt dazu im Grunde nur einige wenige Möglichkeiten, zum Beispiel das Verneinen einer Aussage, das Verknüpfen von Aussagen durch
Bindewörter wie und “ und oder “ sowie durch die sprachlichen Wendungen wenn
”
”
”
· · · gilt, so gilt · · · “ oder aus · · · folgt · · · “ oder · · · ist äquivalent zu · · · “. Diese
”
”
Wörter und Redewendungen werden in der Umgangssprache häufig mehrdeutig verwendet. Um ihnen eine eindeutige Bedeutung zu geben, wird in der Aussagenlogik festgelegt, welchen Wahrheitswert eine zusammengesetzte Aussage in Abhängigkeit von den
Wahrheitswerten der dabei benutzten Einzelaussagen besitzt.
Wenn aus Aussagen eine wichtige neue Aussage gewonnen wurde, dokumentiert
man das, indem man einen Satz formuliert (der auch als Folgerung oder Ergebnis oder
nur als Bemerkung bezeichnet sein kann – je nachdem, welche Bedeutung der neuen
Erkenntnis zugemessen wird).
Bezeichnen wir zwei Aussagen einmal symbolisch mit A und B, so hat ein Satz in
der Mathematik dann im Prinzip immer die Form: Aus A folgt B “. Man nennt A
”
die Voraussetzung, B die Behauptung und die Verknüpfung aus A folgt B “ der beiden
”
Aussagen A und B eine Implikation. Symbolisch bezeichnen wir eine solche Implikation
mit A =⇒ B, und wir benutzen folgende (gleichbedeutenden) Redewendungen, um eine
Implikation in Worten auszudrücken: aus A folgt B “ oder wenn A gilt, so gilt B “
”
”
1.2
Grundlegendes über Aussagen
7
oder A ist hinreichend für B “.
”
Die Implikation A =⇒ B ist eine aus den Aussagen A und B zusammengesetzte neue
Aussage. Ihr Wahrheitswert wird mit Hilfe der möglichen Wahrheitswerte der Aussagen
A und B wie folgt festgelegt: Sie ist nur dann falsch, wenn A wahr und B falsch ist, in
allen anderen Situationen ist sie wahr.
Um sich von der Gültigkeit eines Satzes zu überzeugen, genügt es, die Voraussetzung als wahr anzunehmen und dann die Wahrheit der Behauptung festzustellen. Allerdings ist diese im Allgemeinen nicht unmittelbar einsichtig; daher muss sie bewiesen werden. Einen solchen Beweis durchzuführen, bedeutet in der Regel, eine Folge
A = A1 , A2 , · · · , An = B von Aussagen zu bilden, so dass aus jeder dieser Aussagen
die jeweils dahinter stehende Aussage unmittelbar und für alle offensichtlich folgt (wobei man wegen der Offensichtlichkeit “ nun darauf verzichten darf, dies an Hand der
”
möglichen Wahrheitswerte nachzuprüfen).
Manchmal gelten gleichzeitig die Implikation A =⇒ B und die umgekehrte Implikation B =⇒ A . Es ist dann praktisch, beide zu einer einzigen Aussage zusammenzufassen. Man nennt diese eine Äquivalenz und benutzt für sie die Schreibweise
A ⇐⇒ B:
A ⇐⇒ B bedeutet: Aus A folgt B und aus B folgt A.
Für A ⇐⇒ B “ verwenden wir nach Belieben folgende sprachlichen Formulierungen:
”
A ist äquivalent (gleichbedeutend) zu B “ oder A gilt genau dann, wenn B gilt “
”
”
oder A gilt dann und nur dann, wenn B gilt “ oder A ist hinreichend und notwendig
”
”
für B “.
Für jemanden, der Mathematik anwenden will, ist natürlich der Inhalt eines Satzes interessanter als der Beweis (Mathematiker dagegen haben oft gerade an der Beweisführung ein großes Interesse). Manchmal ist der Beweis aber hilfreich, um die inhaltliche Aussage des Satzes so zu verstehen, wie es für deren Anwendung erforderlich
ist. Daher werden wir in diesem Buch häufig auf Beweise verzichten, aber Beweise immer dann führen, wenn wir glauben, dass sie dazu beitragen, das für den Umgang mit
dem jeweiligen mathematischen Sachverhalt nötige Verständnis zu entwickeln. Wer auf
das Lesen eines Beweises verzichten möchte, kann leicht feststellen, wo der Beweis
aufhört, denn das Ende eines Beweises, der im Anschluss an einen Satz geführt wird,
ist immer durch ein kleines offenes Quadrat gekennzeichnet, wie jetzt das Ende dieses
Kapitels.
http://www.springer.com/978-3-8274-1852-4
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