T itelt h ema | N eurologie / D emenz Bildquelle: fotolia Reine Nervensache Schlaganfall, Multiple Sklerose, Hirnhautentzündung, Kopfschmerz und Migräne sind einige beispielhafte Erkrankungen, mit denen sich die Abteilung Neurologie in den Kliniken Sindelfingen im Klinikum Sindelfingen-Böblingen befasst. Chefarzt ist Privatdozent Dr. Guy Arnold. 6 Die Abteilung verfügt über 50 Betten auf zwei Stationen und ist als neurologische Abteilung für die Versorgung des Landkreises Böblingen verantwortlich. Natürlich beschränkt sich das Leistungsspektrum nicht auf die genannten Erkrankungen. Einen großen Raum nimmt die neurophysiologische Diagnostik ein. Durch diese umfangreichen Untersuchungen können Erkrankungen exakt festgestellt und eine genau abgestimmte Therapie begonnen werden. T itelt h ema | N eurologie / D emenz In der Ambulanz werden sowohl Patienten von niedergelassenen Fachkollegen als auch Patienten anderer Abteilungen und anderer Kliniken des Landkreises Böblingen neurologisch untersucht und behandelt. Eine Besonderheit stellt die Botulinumtoxin-Ambulanz dar, die für Erkrankungen wie Lidkrampf, Schiefhals und Armspastik eine hochspezielle Therapie anbietet. Chefarzt Dr. Arnold legt viel Wert auf die Ausund Weiterbildung. Die Neurologische Abteilung ist als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen an der Ausbildung von Studenten im Rahmen des Praktischen Jahres beteiligt und organisiert für niedergelassene Ärzte regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen. Zur Abteilung Neurologie gehört die moderne Schlaganfall-Einheit, auch als „Stroke Unit“ bezeichnet. Von diesen gibt es 49 in BadenWürttemberg. Die am 2.7.2001 eröffnete Schlaganfall-Einheit ist seit Juli 2004 in das Qualitätssicherungsverfahren integriert und in das offizielle Schlaganfall-Konzept des Landes Baden-Württemberg einbezogen. Erst kürzlich wurde die Abteilung auf acht Betten erweitert und komplett modernisiert. Jedes Jahr erleiden allein in Baden-Württemberg etwa 40.000 Menschen einen Schlaganfall mit oftmals schlimmen Folgen. Jeder Vierte stirbt innerhalb der ersten Wochen, die Hälfte der Schlaganfall-Patienten trägt schwere Behinderungen wie Lähmung einer halben Körperseite, Sprachstörungen usw. davon. „Viele dieser Patienten könnten vor den schweren Behinderungen bewahrt werden, wenn sie bei den ersten Anzeichen eines Schlaganfalls sofort in die Klinik kommen würden oder über ihr persönliches Risiko Bescheid wüssten“, so Dr. Arnold. Die ersten Anzeichen eines Schlaganfalls sind nicht immer dramatisch. Je nachdem, an welcher Stelle des Gehirns es zu dem Gefäßverschluss oder der Hirnblutung kommt, resultieren daraus zum Beispiel einseitige Sehstörungen, Störungen der Beweglichkeit eines Beines oder Armes, Sprachoder Schluckstörungen, Schwindel und Verwirrtheit, plötzliche Stürze mit Bewusstseinsverlust, Empfindungsstörungen auf einer Körperseite, aber auch die bekannte halbseitige Lähmung. In einem solchen Fall muss sofort die Nummer 112 angerufen werden, und die Beobachtung ist kurz zu schildern. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser sind die Chancen auf eine vollständige Rehabilitation. Jede Minute zählt! Nachdem der Betroffene in die Schlaganfall-Einheit gebracht wurde, werden in kürzester Zeit alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt. Hauptsächlich gehören hierzu das EKG, Blutuntersuchungen, die Computertomographie (CT) oder eine Kernspintomographie des Kopfes (MRT). Rund um die Uhr ist das Team aus Neurologen, Radiologen und versierten Pflegekräften bereit, verschlos- Chefarzt Dr. Guy Arnold Zum besonderen Schwerpunkt der Abteilung zählen : »» Durchblutungsstörungen des Gehirns und Rückenmarks, insbesondere Schlaganfälle und Gehirnblutungen »» Die Parkinson-Krankheit und andere Erkrankungen des Bewegungssystems »» Multiple Sklerose und andere chronisch-entzündliche Erkrankungen des Nervensystems »» Akute und chronische Hirnhaut- und Hirnentzündungen »» Tumoren des Gehirns und Rückenmarks »» Polyneuropathien »» Diagnostik und Therapie von Bandscheibenerkrankungen »» Demenz »» Engpasssyndrome »» Anfallsleiden, beispielsweise Epilepsien »» Migräne, Cluster-Kopfschmerz und andere Kopfschmerzsyndrome »» Gangstörungen »» Schwindelerkrankungen »» Geschlossene Verletzungen von Hirn und Rückenmark »» Neurologische Schmerztherapie sene Gefäße rasch wieder zu öffnen. Am Folgetag unterstützen Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten den Patienten. Jeder kann das Risiko eines Schlaganfalls selbst verringern. Beeinflussbare Risiken sind Rauchen, Stress und Übergewicht. Ein Bluthochdruck sollte durch den Hausarzt optimal behandelt, eine bestehende Zuckerkrankheit optimal eingestellt werden. Gerade die Folge dieser beiden Krankheiten, die Verkalkungen der Blutgefäße, stellt ein starkes Risiko des Schlaganfalls dar. Dr. Ingo Blank 7 Partner | N eurologie C alw Neue Klinik für Neurologie Seit 1. Januar wird in den Kliniken Calw eine Klinik für Neurologie mit 30 Planbetten inklusive einer „lokalen Schlaganfall-Überwachungsstation“ betrieben. Die Abteilung versorgt Patienten aus dem gesamten Landkreis Calw und den angrenzenden Landkreisen, die vom Hausarzt, Facharzt oder Notarzt zur stationären Behandlung in die Neurologie eingewiesen werden. In der neurologischen Ambulanz betreuen Chefarzt Dr. Joachim Hartmann und sein Team zudem Patienten vor und nach einer stationären Behandlung. 8 Medizinische Schwerpunkte der neuen Klinik, die von Hirsau nach Calw übersiedelte, sind alle Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Darunter fallen beispielsweise Nervenlähmungen und bandscheibenbedingte Nervenwurzelkompressionen, Schwindel und Erkrankung des Gleichgewichtsinns. Die Diagnostik und Therapie von Kopfschmerzen, Dystonien wie z. B. Schiefhals werden ebenso angeboten wie die Behandlung mit Botulinumtoxin (einem Medikament zur Lösung von Muskelverkrampfung), EEG und Liquordiagnostik (Nervenwasseruntersuchung). Zudem erstellen die Spezialisten gutachterliche Beurteilungen von Verletzungs- und Unfallfolgen des zentralen und peripheren Nervensystems für Versicherungen und Gerichte. Partner | N eurologie C alw überprüft und mittels Doppler- und Duplexsonographie kann der Blutfluss in den Schlagadern des Halses und des Kopfes dargestellt werden. Besonders wichtig ist es Dr. Hartmann, der zusätzlich noch einen Master-Abschluss in Gesundheitsmanagement besitzt, sämtliche Prozesse in der neuen Klinik effizient und patientenfreundlich zu gestalten. Dafür spricht auch, dass er und seine Oberärzte bereits seit über drei Jahren konstruktiv zusammenarbeiten und als eingespieltes Team nach Calw wechseln. Demnächst wird zur Komplettierung des Spektrums im Rahmen der Demenzdiagnostik eine Gedächtnissprechstunde eingerichtet. Bildquelle: Science Photo Library Ingo Matheus Chefarzt Dr. Joachim Hartmann Auf der Schlaganfall-Station, die an die Intensivstation angegliedert ist, können Patienten mit akutem Schlaganfall mit einer neuen Methode zur Auflösung von Blutgerinnseln behandelt werden (sogenannte Lyse), sofern der Schlaganfall innerhalb von drei Stunden erkannt wird. Das Schlaganfall-Team ist selbstverständlich rund um die Uhr für die Patienten im Einsatz. Die Neurologie wurde zudem mit den neuesten medizinischen Geräten ausgestattet und verfügt über ein digitales EEG-System zur Messung der Hirnströme im Wachzustand, nach Schlafentzug und im Schlaf sowie Neurographie und Myographie zur Messung von Nervenleitfähigkeit und Muskelströmen. Außerdem können mittels evozierter Potenziale die Funktion der Seh-, Hör- und Gefühlsnerven 9 | D iagnose N eurologie K rebs / D emenz Bildquelle: fotolia T itelt h ema Alzheimer-Demenz Etwa acht bis 13 Prozent aller Menschen über 65 Jahren leiden an einer Demenzform. Bei den über 90-Jährigen sind es sogar 40 Prozent. Schätzungsweise leben in Deutschland weit über 800.000 Menschen mit altersbedingten Hirnleistungsstörungen, über zwei Drittel sind an Morbus Alzheimer erkrankt. Europaweit betrifft die Erkrankung mindestens fünf Millionen Menschen. Berechnungen nach steigen die Zahlen noch weiter an, weil der Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung zunimmt. Schon heute sind Demenzen der häufigste Grund für die Einweisung in ein Pflegeheim. Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung und Verknüpfen von Denkinhalten einhergehen und die dazu führen, dass alltägliche 10 Aktivitäten nicht mehr eigenständig durchgeführt werden können. Insbesondere die Gedächtnisleistung und das Denkvermögen nehmen ab. Aber: Eine Vergesslichkeit allein bedeutet noch keine Demenz! Viele sind betroffen Die am meisten verbreitete Form der Demenzerkrankungen ist mit einer Häufigkeit von etwa 60 Prozent die Alzheimer-Demenz. Die Ursachen sind nicht vollständig bekannt, viele Faktoren wie beispielsweise Erbanlagen, Kopfverletzungen und bestimmte Grunderkrankungen (zum Beispiel die Zuckerkrankheit, die Schilddrüsenunterfunktion oder der Bluthochdruck) beeinflussen jedoch die Krankheitsentstehung. Hauptsächlicher Risikofaktor ist das Lebensalter, denn mit dem Alter steigt auch die Erkrankungshäufigkeit dramatisch an. Gegenüber 65-Jährigen haben 90-Jährige ein T itelt h ema | N eurologie / D emenz 30-faches Erkrankungsrisiko. Ungefähr zehn Prozent aller Alzheimer-Fälle sind genetisch bedingt. Diese Form beginnt besonders früh, meistens vor dem 60. Lebensjahr. Gesichert sind mittlerweile Veränderungen auf unterschiedlichen Chromosomen, welche somit auf die Nachkommen übertragen werden. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einem Gehirnschwund mit einem Mangel an Botenstoffen (Neurotransmitter). Zusätzlich entstehen im Gehirn krankhafte Proteinbildungen. Dies führt zur Störung von Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit, aber auch zu Depressionen, Angst oder Unruhe. Als Frühsymptom zu werten ist die Unfähigkeit, neue Informationen zu speichern. Sich in fremden Situationen zurechtzufinden bereitet Schwierigkeiten. Nach und nach geht dies auch auf vertraute Situationen über. Das Kurzzeitgedächtnis lässt schnell nach. Zu den wichtigsten Symptomen der Alzheimer-Krankheit zählen Wortfindungsstörungen und Wortverwechselungen. Bewegungsabläufe werden durcheinandergebracht. So fällt das Anziehen einer Hose immer schwerer, bis es gar nicht mehr möglich ist. Gefühle, Persönlichkeit und äußeres Auftreten bleiben hingegen oft lange Zeit intakt. Im Endstadium kehren Reflexe aus der frühen Kindheit zurück, wie etwa der Greif- oder Saugreflex. Angehörige und Freunde werden nicht mehr erkannt, Pflege rund um die Uhr ist notwendig. Am Ende ist der Alzheimer-Patient bettlägerig. Zunehmend beeinträchtigt wird auch die Kontrolle über die Darm- und Blasentätigkeit, letztendlich kann der Patient weder kauen noch schlucken. In dieser Situation steigt die Gefahr einer Lungenentzündung – Atemwegsinfekte sind die häufigste Todesursache bei Alzheimer-Patienten. Wie wird die Diagnose gestellt? wichtiger ist die Früherkennung, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Heutzutage verfügbare Medikamente (Antidementiva) helfen, das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit um ein bis zwei Jahre verlangsamen. Mindestens ebenso wichtig ist eine gute Betreuung des Betroffenen. Der Alzheimer-Patient sollte sich in der ihm vertrauten Umgebung noch möglichst lange allein zurechtfinden können, zudem stabilisieren kleine Erfolgserlebnisse das Selbstvertrauen. Dr. Ingo Blank Informations- und Beratungsstellen Anders als noch vor wenigen Jahren kann die Alzheimer-Krankheit heute relativ früh und nahezu eindeutig diagnostiziert werden. Das bietet den Betroffenen und Angehörigen die Chance, sich möglichst früh mit der Krankheit und den damit einhergehenden Veränderungen auseinanderzusetzen. Eine klare Diagnose und gute Information vorausgesetzt, können Angehörige und zum Teil auch Erkrankte bewusst und aktiv mit der Krankheit umgehen und ihre Zukunft planen. Die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. hält umfangreiche Informationen für Sie bereit. Dort finden Sie eine Liste der über 100 Angehörigen- und Betreuungsgruppen in Baden-Württemberg. Kontakt Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. Hohe Straße 18 D-70174 Stuttgart Telefon 0711 24 84 96-60 Fax 0711 24 84 96-66 E-Mail: [email protected] www.alzheimer-bw.de Oft reicht schon die Schilderung der typischen Beschwerden aus. Hilfreich sind auch Aussagen von Angehörigen, die erste Veränderungen bemerkt haben. Unerlässlich sind neuropsychologische Untersuchungen, welche helfen, die Gedächtnisdefizite zu quantifizieren. Weitere individuelle Untersuchungen helfen, andere Erkrankungen auszuschließen. Die Alzheimer-Krankheit ist derzeit nicht heilbar. Umso 11