9. Übung zur Einführung in die Plasmaphysik Prof. Kaufmann, SS 1999 Lösungen Mittlere Stoßfrequenzen Wir geben (ohne Beweis, in Wiederholung der Vorlesung) die mittleren Stoßfrequenzen zwischen Ionen und Elektronen, Ionen und Ionen, und Elektronen und Elektronen an. Die Mittelung erfolgt über eine Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen und Ionen. Ladungszahl der Ionen: Z, Dichte: n Coulomb-Logarithmus: 12 Z n 3D Debye-Länge: 1 2 0 Te D n2e 1 ZTe Ti Die mittleren Stoßfrequenzen sind: 2 ni Ze4 ln ei 12 3 2 2 0 1 2 me neZe4 ln ee 3 2 Te 2 0 1 2 me ni Ze4 ln ii 3 2 Te 12 3 2 2 0 1 2 mi 3 2 Ti Spezifischer Plasmawiderstand Wir betrachten den Stromfluß in Richtung des Magnetfeldes bzw. ohne Magnetfeld. Durch Reibung der Elektronen und Ionen aneinander wird eine Kraft ausgeübt, die für konstanten Stromfluß durch ein anliegendes elektrisches Feld aufgebracht werden muß: Rei wobei ei mene ei ve vi neeE die Stoßfrequenz zwischen Elektronen und Ionen ist. Mit j me ei me ei ve vi j e e2 ne hat also die Form E Der spezifische Widerstand ne ve vi j me ei e2 ne (1) 1. Diffusion im vollionisierten Gas Wir zeigen, daß bei endlicher elektrischem spezifischen Widerstand auch ein Transport von Materie senkrecht zum Magnetfeld aus den MHD-Gleichungen im Einfls̈sigkeitsbild folgt (“klassische Diffusion”). In allgemeiner Form lautet das verallgemeinerter Ohm’sche Gesetz pe ne Die Flüssigkeits-Bewegungsgleichung lautet E v B 1 j B ne j (2) dv j B p dt Wir nehmen eine stationäre Strömung ( v t 0) und mn v v dient groß gegen Strömungskräfte) und verwenden die Kraftbilanz mn p j p an (d.h. Druckgra- B Um die Stromdichte zu eliminieren, setzen wir in Gleichung 2 die Kraftbilanz für den j Term ein E v pe ne B p ne E v B pi ne j B p B- und bilden das Kreuzprodukt mit B E B v Mit der Vektorrelation B B vB Magnetfeld B B C pi ne B A A B B j C A CB A B C gilt v B B2 v. Nach Division durch B2 ergibt sich für die Komponente senkrecht zum E pi B p B neB2 B2 Wir können nun die Geschwindigkeit senkrecht zum Magnetfeld v in die Komponenten parallel und senkrecht p aufspalten. Das E-Feld verläuft für hinreichend langsame Zeitskalen parallel zu p, da Potentialunterschiede innerhalb der Flußflächen durch parallele elektrische Leitfähigkeit rasch ausgeglichen werden. Wir erhalten die Geschwindigkeits-Komponente senkrecht zu p und B v B B2 E pi B neB die, wie in der idealen MHD, die E B-Drift und die diamagnetische Drift enthält. Die Geschwindigkeits-Komponente parallel zu p und senkrecht zu B beträgt Mit p v 1 v 2 p B2 nT ergibt sich der Teilchenfluß in Richtung von p n nT n2 T n n T n T 2 B2 B2 B2 und, eingesetzt in die Kontinuitätsgleichung, unter der Annahme konstanter Temperatur, T 0, nv n t p n B2 D 2 n D p B2 (3) “Random walk”: Der Diffusionskoeffizient aus Gl. 3 ergibt mit Hilfe von Gl. 1 D nT B2 T me e2 B2 2 m2e vth e ei 2 vth e ei e2 B2 ei 2 c rL2 e ei Diese Form entspricht einer “Random walk” Diffusion (D x 2 t) mit Schrittweite x rL e (Elektronen-Gyroradius, gemittelt über thermische Geschwindigkeitsverteilung) und 1 Zeitintervall t ei (mittlere Stoßzeit). Stöße gleicher Teilchen: Da der Widerstand nur von der Elektronen-Ionen Stoßrate abhängt, findet offenbar auch die klassiche Diffusion von Materie senkrecht zum Magnetfeld nur durch Elektronen-Ionen Stöße statt. Tragen Stöße gleicher Teilchen also nicht zur Diffusion bei? Zur Vereinfachung betrachten wir 90o Stöße. Zwei gleiche Teilchen, deren Gyrozentren in y-Richtung versetzt sind, stoßen, so daß nach dem Stoß ihre Gyrozentren in x-Richtung versetzt sind: y 1,i Gz 1,i Gz 2, f 2,f 1,f Gz 1, f Gz 2, i 2,i x0 x Zunächst gilt Impulserhaltung in x und y-Richtung für die Teilchen. Die Koordinaten der Teilchen und die des Gyrozentrums (Gz) xGz sind gemäß xGz x vy yGz c y vx c miteinander verknüpft. Da der Gesamtimpuls z. B. in y-Richtung erhalten bleibt ( mvy i mvy f ), gilt für die x- Positionen der Gyrozentren vor (Index i) und nach (Index f ) dem Stoß: xGz1 i xGz2 i xGz1 f xGz2 f Es findet durch den Stoß keine Verschiebung des Schwerpunkts in x-Richtung statt, wohl aber werden Gyrozentren in x-Richtung versetzt. Wir müssen daher fragen, ob bei endlichem Dichtegradienten (dn dx 0) ein Transport staffindet. Die Teilchen sollen eine isotrope thermische Geschwindigkeitsverteilung haben. Für jeden “Vorwärts”-Stoß (i f ) gemäß der Abbildung gibt es auch die Möglichkeit eines umgekehrten “Rückwärts”-Stoßes ( f i), der den Versatz der Gyrozentren in x-Richtung gerade wieder aufhebt. Wenn die gesamte Rate der “Vorwärts”- und “Rückwärts”-Stösse gleich ist, findet kein Netto-Transport statt. Die gesamte Rate der Stöße ist proportional des Quadrats der Dichte der Gyrozentren (Massenwirkungsgesetz). Für “Vorwärts”-Stöße: rv nGz1 inGz2 i 3 n2 x0 Für “Rückwärts”-Stöße: rr nGz1 f nGz2 n x0 f rL dn dx n x0 rL dn dx n2 x0 rL2 dn dx 2 Bis zur ersten Ordnung von rL Ln (Ln n n ) kompensieren sich also Vorwärts- und RückwärtsStöße. In zweiter Ordnung tun sie das auch, wenn die Verteilungsfunktion der Teilchengeschwindigkeit nicht vom Ort abhängt (konstante Temperatur). Nur in höherer Ordnung von rL Ln, oder in zweiter Ordnung, aber mit höheren Ableitungen von n nach x, bzw. Temperaturgradienten gibt es einen Beitrag gleicher Teilchen zur Diffusion, der aber i.a. gegenüber der Diffusion durch ungleiche Teilchen vernachlässigbar ist. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß in realen Plasmen selten die klassische Diffusion senkrecht zum Feld beobachtet werden kann. Im gekrümmten Magnetfeld kommt es zur Erhöhung des effektiven radialen Versatzes je Stoß durch den Versatz der Driftbahnen gegenüber den Flußflächen (sowohl für im Magnetfeldspiegel gefangene wie auch umlaufende Teilchen, s. Übung 4). Durch hohe Wärmeflüsse und steile Dichte- und Temperaturgradienten wird außerdem Turbulenz erzeugt, in deren Folge z. B. durch fluktuierende poloidale elektrische Felder und daraufhin erfolgende E B-Drift weitaus höhere Teilchenflüsse entstehen als durch die obige Betrachtung vorhergesagt. 2. Magnetfeld-“Diffusion” Wir vereinfachen das verallgemeinerte Ohm’sche Gesetz (Gl. 2 durch die Annahme eines kleinen Druckgradienten: E v B j v B B 0 wobei wir die Stromdichte noch mit dem Ampere’schen Gesetz durch die Rotation des Magnetfelds ausgedrückt haben. Das elektrische Feld eliminieren wir mit Hilfe des Faraday-Gesetzes B˙ E: B˙ v B B 0 Mit der Vektorrelation B B˙ 2B B v 2 B B 2B ergibt sich: (4) 0 Der linke Term auf der rechten Seite beschreibt die Konvektion des magnetischen Feldes mit v, der rechte Term die Diffusion des Magnetfeldes mit der Diffusionskonstanten DB mu0. Im ideal leitfähigen Plasma ( 0, ideale MHD) bewegt sich das Magnetfeld nur mit der materiellen Strömung (Flußerhaltung). Bei endlicher Leitfähigkeit kann das Magnetfeld in umgekehrter Richtung zum Gradienten diffundieren, und zwar um so schneller, je höher der spezifische Widerstand ist. Skin-Effekt Die obige Gleichung 4 gilt sinngemäß für jeden Leiter, auch z. B. für eine elektrisch leitfähige Wand. Ein Wechselfeld der Winkelfrequenz 2 f wird in einen Leiter nur begrenzt eindringen. Die exponentielle Abfallänge (Skin-Tiefe) beträgt: 4 1 e 0 Magnetische Reynolds-Zahl Das Verhältnis Remag vL 0 (eine dimensionslose Zahl) bezeichnet man als “magnetische Reynolds-Zahl”. L bezeichnet hier die Skalenlänge des betrachteten Systems, so daß die magn. Reynolds-Zahl das Verhältnis der Strömungsgeschwindigkeit zur “Diffusionsgeschwindigkeit” DB L senkrecht zum Magnetfeld, d.h. oft auch senkrecht zur Hauptströmung beschreibt. Für ein ideales Plasma ist Remag 0, resistive Plasmen können sehr hohe Werte (Remag 108 ) aufweisen. Die Definition der magnetischen Reynolds-Zahl geschieht in Analogie zur Reynolds-Zahl der Strömungslehre Re 2r v für die Strömung einer Flüssigkeit der Viskosität und Dichte in einem Rohr des Innenradius r. Für Re 3000 wird eine Strömung turbulent; für Re 2000 ist sie laminar. Die magnetische Reynolds-Zahl allerdings drückt nicht unmittelbar Stabilität oder Instabilität eines magnetisierten Plasmas aus, da eine Reihe von Instabilitäten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, z. B. auch im ideal leitfähigen Plasma (Remag 0), auftreten können. 3. Diffusion im schwach ionisierten Gas In einem schwach ionisiertes Gas ist die Neutralteilchendichte weit höher als die Ionen- und Elektronendichten, so daß Stöße der geladenen Teilchen mit Neutralteilchen weitaus gegenüber Stößen der geladenen Teilchen untereinander dominieren. Neutralteilchen können Impuls wegbzw. hinzufügen, so daß keine Impulserhaltung in der Gesamtheit der geladenen Teilchen gelten muß. Falls Elektronen- und Ionen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten transportiert werden, ergibt sich eine Ladungstrennung, die nach kurzer Zeit zu hohen elektrischen Feldern führen würde. Das entstehende elektrische Feld wird im allgemeinen dafür sorgen, daß durch die zusätzliche Coulomb-Kraft Elektronen und Ionen gleiche Geschwindigkeiten bekommen, d.h. die Strömung “ambipolar” ist. Das durch unterschiedlichen Elektronen- und Ionentransport entstehende elektrische Feld heißt daher “ambipolares elektrisches Feld”. Die Raumladung, die selbst zu hohen elektrischen Feldern (aufgrund des Poisson-Gesetzes) gehört, ist allerdings so klein, daß in jedem Fall n ni ne angenommen werden kann. (a) Diffusion ohne B-Feld bzw. parallel zum Feld In die Kraftbilanz muß ein Term aufgenommen werden, der die Impulsänderung einer jeden Spezies (Elektronen, Ionen) durch Stösse mit den Neutralteilchen beschreibt (q sei die Ladung, q e, und n die mittlere Stoßfrequenz mit den Neutralen): dv qnE dt bzw. im stationären Fall (dv dt 0): mn p mn nv qE p (5) m n mn n Ohne elektrisches Feld würden die Elektronen aufgrund ihrer kleineren Masse schneller diffundieren als die Ionen. Das entstehende elektrische Feld wird jedoch die Elektronen zurückv 5 halten (und die Ionen etwas beschleunigen). Wir berechnen das ambipolare elektrische Feld aus der Bedingung vi ve : eE me pe me n en en eE mi in pi mi n in und nach Umformen: E 1 ne pi me mi pemi me en en in in Wir nehmen nun den realistischen Fall an, daß der Unterschied zwischen Elektronen-und Ionendruckgradient nicht das Massenverhältnis aufwiegen kann, pi pe mi me. Außerdem gilt näherungsweise en in , so daß E Wenn z. B. Te 1 ne pi me mi pemi pe ne me const.: Te n e n Die elektrische Feldstärke können wir nun in Gl. 5 für die Ionen einsetzen und erhalten für den “Teilchendichtefluß” E pe nvi Im Fall Te Ti mi pi mi in in const. gilt: Te Ti mi in nvi n Die Kontinuitätsgleichung lautet also dv Te Ti dt mi in mit dem “ambipolaren Diffusionskoeffizienten” Da Te Ti 2 mi n Da 2 n in Die Diffusion parallel zum B-Feld wird durch Stöße behindert und wird mit steigender Stoßfrequenz daher langsamer. (a) Diffusion senkrecht zum B-Feld Für die Strömung senkrecht zum B-Feld kommt in der Kraftgleichung der Hall-Term v hinzu: dv qn E dt Stationär gilt für Ionen und Elektronen mn v B 6 p mn nv B 0 0 en E v en E v B mi n in v pe men en v B pi Durch den v B-Term sind beide Komponenten senkrecht zu B miteinander verkoppelt. Wir machen nun einen Ansatz für die Komponenten von v senkrecht zu B in lokalen kartesischen Koordinaten, wobei wir die z-Richtung in Richtung von B wählen. Die x-Richtung sei in Richtung von n. 1 vx eB m n 1 eB vx m n vy 2 eB m n 2 eB m n 1 eB m eB m n 1 Da c schreiben: eB m (Zyklotronfrequenz) und 1 vx qEx m n 2 2 n 1 n n T n m n n 1 qEx m n T n m n n qEx m n T n m n n 2 Ex B 2 n vy T n qB n (mittlere Stoßzeit), können wir auch 1 2 2 n 2 2 n Ex B T n qB n Wir müssen natürlich zeigen, daß der Ansatz die Kraftbilanz erfüllt, und zwar für die xKomponente ( v B x vy B) 0 qn 1 1 2 E 2 x n 1 2 2 n 2 2 n und für die y-Komponente ( v qn Ey qn Ey B 2 2 n 1 B 1 2 2 n qEx m n qEx m n T n q n B qn 0 qn Ey mn n T n mn nvx T n 0 q n 2 2 n 2 2 n vxB) y T m n T m n 1 qn Ex vy B 1 E 2 2 x 1 n n n n n qn 1 1 B vx B 2 2 n 2 2 n 2 2 n T n mn nvy Ex T n B qB n qEx T n m n m n n Die Gleichung ist erfüllt, wenn Ey 0, d.h. das ambipolare elektrische Feld verläuft in Richtung von n (x-Richtung). Der Parameter c n beschreibt, wieviele Gyrationszyklen im Mittel zwischen zwei Stößen erfolgen. Im Falle eines starken Magnetfeldes bzw. geringer Stoßfrequenz (heißes, nicht zu dichtes Plasma) wird sehr schnell 2c 2n 1 und es gilt vereinfacht: 7 vx m2 2n e2B2 qEx m n T n m n n Ohne elektrisches Feld würde die Geschwindigkeit in Richtung von n mit zunehmender Masse steigen, d.h. die Ionen eilen bei der Diffusion aufgrund ihres größeren Gyroradius voraus. Das entstehende elektrische Feld hält jedoch die Ionen zurück und bindet die ambipolare Diffusion an den Transport der Elektronen. Der Teilchendichtefluß beträgt: m in neEx T n e2 B2 Wir berechnen nun das ambipolare elektrische Feld Ex aus vx i nvx i 1 mi eEx in Ti n n 2 eB me en 1 Mit der vereinfachenden Annahme 1 me 2 2 c n eEx Te en eB mi in 2 (6) vx e : n n 1 eB mi in 2 0 (dies impliziert auch eB me en 0) eEx Ti n e2 B2 n me en eEx n e2B2 n mi in Te bzw. eEx 1 me mi en Ti in n n me mi en Te in n n und damit Ex 1 n Ti 1 e n me mi en in 1 me e mi en in Te n n Näherungsweise ist das ambipolare elektrische Feld also n ne Mit dieser Näherung jedoch wäre der Teilchendichtefluß (Gl. 6) gerade Null. Wir nehmen also noch die nächste Ordnung mit und erhalten: Ex Ti me en Te Te n e2 B2 Der ambipolare Diffusionskoeffizient senkrecht zum B-Feld beträgt also nvx me en Te Ti e2B2 Die Diffusion senkrecht zum Feld wird durch eine erhöhte Stoßfrequenz beschleunigt. Ohne Stöße gibt es in diesem Bild keinen Transport senkrecht zum Magnetfeld. Da 8 2