Depression in der Praxis behandeln moderne Therapiekonzepte Dr. med. T. Berghändler Dr. med. T. Berghändler, Gais Epidemiologie der Depression ! ! ! ! ! Punktprävalenz 10% Lebenszeitprävalenz 18% Prävalenz in der Allgemeinpraxis 10-20% 62% aller Depressiv Erkrankter haben weitere psychische Störungen Alle somatoformen Störungen haben eine hohe depressive Komorbidität Dr. med. T. Berghändler, Gais Epidemiologischer Stellenwert der Depression ! Depression ist unterdiagnostiziert und unterbehandelt: ! ! Nur 10% aller depressiven Patienten bekommen eine adäquate Therapie (Hegerl et al. 2003) Erstbehandlung oft erst 5-15 Jahre nach erster Episode (Andrews et al. 2000) ! ! Depression führt, vor HIV und KHK, weltweit am meisten zu relevanten Behinderungen und hohen gesellschaftlichen (u.a. Produktivitätsausfall) und Gesundheitskosten (Spießl et al. 2006) Depression selbst hat eine hohe Mortalität (Suizid) Dr. med. T. Berghändler, Gais Ätiologie und Differentialdiagnosen der Depression ! Depressionen können (auch) eine (endogene) Erkrankung des Neurotransmitter-Stoffwechsels sein ! ! Depressionen können bedingt sein durch eine verminderte Anpassungsfähigkeit des Individuums ! ! ! Hereditäre Belastung 30-40% Depressionen sind am häufigsten ausgelöst durch belastende Ereignisse Depression gehen in der Regel mit den Gefühl der Hilflosigkeit einher Körperliche Erkrankungen und Pharmakotherpaien können Depressionen verursachen oder mit ihnen einhergehen ! Chronische Schmerzstörungen, Tumor-Erkrankungen, Schilddrüsen-Unterfunktion... Dr. med. T. Berghändler, Gais Screening für Depressionen: 2 Fragen reichen (Whooley 1997) Haben Sie sich in den vergangenen Monaten oft belastet gefühlt durch gedrückte Stimmung, Depressivität oder Hoffnungslosigkeit? ! Haben Sie sich in den vergangenen Monaten oft belastet gefühlt durch mangelndes Interesse oder fehlende Freude, Dinge zu tun, die normalerweise Spass machen? ! ! ! ! Keine Frage mit „ja“ = 90% keine Depression. Wenn eine oder beide Fragen mit „ja“ beantwortet werden (>50% Wahrscheinlich-keit einer Depression), weitere Abklärung z.B. mit BDI (Beck´-sches DepressionsInventar) oder HADS (Hospital Anxiety and Depression Scale). Cave: relativ starke Gewichtung somatischer Symptome, daher fachärztliche Untersuchung empfohlen Viele depressive Patienten präsentieren beim HA somatische Symptome Viele „schwierige“ oder „mühsame“ Patienten haben eine Depression Dr. med. T. Berghändler, Gais Klassifikation der Depression 1 ! Nach ICD-10 ! ! ! ! ! ! Bipolare affektive Störung (F31.x) Depressive Episode (F32.x) Rezidivierende depressive Episode (F33.x) Zyklothymia (F34.0) Dysthymia (F34.1) Anpassungsstörung (F43.20 - .22) Dr. med. T. Berghändler, Gais Klassifikation der Depression 2 Dauer der Störung > 2 Wochen ! Leichte depressive Störung: ! ! ! Mittelschwere depressive Störung: ! ! 2 Haupt- und 3-4 Nebensymptome Schwere depressive Störung: ! ! ! 2 Haupt- und 2 Nebensymptome 4 Haupt- und mind. 4 Nebensymptome Zusätzlich somatisches Syndrom Depressive Anpassungsstörung: ! Vorübergehende leichtere depressive Störung bei / nach einem belastenden Ereignis (max. 2 Jahre) Depressionen sind einmalig oder in Episoden rezidivierend ! In Verbindung mit manischen Phasen: bipolare Störung ! Dr. med. T. Berghändler, Gais ! ! Hauptsymptome ! Depressive Stimmung (! Trauer) ! Interessenverlust, Freudlosigkeit ! Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit Zusatzsymptome ! Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit ! Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ! Gefühl von Schuld/Wertlosigkeit ! Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven ! Suizidgedanken oder -handlungen ! Schlafstörungen ! verminderter Appetit Dr. med. T. Berghändler, Gais Behandlung von Depressionen ! Depressionen sind behandelbar! ! ! Medikamentös: Antidepressiva (1a) Psychotherapie ! ! ! ! ! ! Kognitive Verhaltenstherapie (1a) Interpersonelle Psychotherapie (IPT) (1a) Psychodynamische Kurzzeittherapie (1a) Supportive Psychotherapie (Ward et al. BMJ 2000) Sport (Ausdauer; Kraft) 1-2 Stunden Tageslicht/d (>1000 Lux) äquivalent wirksam (Young 2007) ! ! Langfristig am wirksamsten ist die Kombination von antidepressiver Medikation mit Psychotherapie (Kog. VT, IPT, supportive Psychotherapie) (Thase MT 2004) Elektrophysiologisch: EKT Dr. med. T. Berghändler, Gais hausärztliche Therapie ! Wirksam bei Betreuung durch Hausarzt (King et al, 2000; Gilbody et al., 2003): ! Patienteninformation / Bibliotherapie Nondirektives Counceling individuelle Betreuung („nurse care management“) Zusammenarbeit mit Psychiater Medikamenten-Monitoring ! Zeitkontingente Einbestellung (v.a. morgens) ! ! ! ! Dr. med. T. Berghändler, Gais Patienten-Information ! ! ! ! ! Seelische Belastung ist normale Folge einer körperlichen Erkrankung Depression ist nicht Charakterschwäche, sondern gut behandelbare Erkrankung Depression entsteht oftmals aus Hilflosigkeit Gute Information über Behandlungsmöglichkeiten der Herzerkrankung Gute Information über Behandlungsmöglichkeiten der Depression Dr. med. T. Berghändler, Gais Behandlungsevidenz ! ! ! Behandlung einer depressiven Störung mit geeigneten Antidepressiva und/oder einer störungspezifischen Psychotherapie wie der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) oder der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) ist evident wirksam Am wirksamsten bei schwereren Depressionen ist die Kombination von antidepressiver Medikation mit Psychotherapie (Thase 2004) Durch eine geeignete Pharmako- oder Psychotherapie lässt sich bei depressiven Störungen in den meisten Fällen eine Remission erreichen. Dr. med. T. Berghändler, Gais Supportive Psychotherapie ! ! ! ! ! Supportive PT ist eine psychotherapeutische Grundhaltung und die Basis eines Gesamtbehandlungsplanes Schaffung und Erhaltung einer verlässlichen, stützenden, empathischen und optimistischen therapeutischen Beziehung Positive Einstellung des Patienten durch die Verstärkung von Erwartungen bezüglich Hilfe und Hoffnung in der Zukunft stützen. Dem Patienten helfen, eine Liste mit seinen eigenen Prioritäten zu erstellen, in der die anzugehenden Probleme aufgeführt sind, realistische, erreichbare und konkrete Ziele setzen und Lösungskonzepte erarbeiten, die beiderseitig annehmbar und abgestimmt ist. Den Patienten darin ermutigen, Erfolgserlebnisse anzustreben und normalerweise angenehme Aktivitäten zu unternehmen Brown und Lewinsohn (1990); Usaf und Kavanagh (1990); Weissman und Markowitz (1985); Kroenke K (2006) Dr. med. T. Berghändler, Gais Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen Wirksame Techniken in der Akutbehandlung der leichten bis mittelschweren Depression, ggf. in Kombination mit medikamentöser Behandlung. Die Therapie ist problem-, ziel- und handlungsorientiert, transparent, strukturiert, zeitlich begrenzt und empirisch abgesichert. Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie: Verbesserung des Aktivitätsniveaus Exposition und Realitätsüberprüfung Veränderung negativer Kognitionen Stressmanagement Brown und Lewinsohn (1990); Weissman und Markowitz (1994) Dr. med. T. Berghändler, Gais Kognitive Triade nach Beck ! Eine depressive Person hat verzerrte Denkweisen in Bezug auf Verluste in ihrem Umfeld und eine negative Sichtweise in die Zukunft Bezug auf sich selbst die Welt Dr. med. T. Berghändler, Gais Interpersonelle Psychotherapie (IPT) Die IPT macht sich die Verbindung zwischen dem Beginn der depressiven Symptome und gegenwärtigen zwischenmenschlichen und psychosozialen Problemen als Behandlungsschwerpunkt zunutze. ! Die IPT hat folgende Merkmale: ! • • • • Krankheitsaufklärung Analyse des vorhandenen sozialen Netzwerkes Identifikation und Bewältigung gegenwärtiger zwischenmenschlicher und psychosozialer Stressoren Erarbeitung von Strategien zur Bewältigung zukünftiger Belastungen Klerman et al (1984); Hecht, van Calcer (2008) Dr. med. T. Berghändler, Gais Antidepressiva: Therapieprinzipien 1 ! ! ! ! ! Antidepressiva benötigen 7-21 Tage bis zur antidepressiven Wirkung Antidepressiva müssen in der Akutphase ausreichend hoch dosiert werden (=med) Antidepressive Behandlung bei Ersterkrankung über 1/2 a Beschwerdefreiheit (=min) bei Rezidiven über 2-5 Jahre Beschwerdefreiheit bis zu lebenslänglicher Erhaltungstherapie Nebenwirkungsprofil bestimmt die Auswahl der Substanz Dr. med. T. Berghändler, Gais Antidepressiva: Therapieprinzipien 2 ! Initial überwiegen die Nebenwirkungen, daher ! ! ! ! ! ggf. anfängliche Aktivierung erhöht das Suizidrisiko Antidepressiva haben selbst Intoxikationspotenz Interaktionen mit anderen Medikamenten beachten Ein Nichtansprechen erfordert ggf. den Wechsel auf eine andere Substanzgruppe nach 6-8 Wochen und Ausdosierung (=max). Eine Kombination von Antidepressiva sollte nach Rücksprache mit einem Facharzt erfolgen. Dr. med. T. Berghändler, Gais Antidepressiva: Substanzgruppen Trizyklika ! Tetrazyklika ! MAOI (z.B. Aurorix ) ! SSRI (z.B. Seropram , Zoloft , Deroxat , Fluctine , Cipralex ...) ! NARI (z.B. Edronax ) ! SNRI (z.B. Cymbalta , Efexor ), NaSSA (z.B. Remeron ) ! Phytotherapeutika ! ® ®, ® ® ® ® ® ® ! ! ! ! ! ! ® sonstige SSRI: selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer SNRI: Serotonin- Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer NaSSA: Noradrenerges und spezifisch serotonerges AD NARI: Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer MAOI: Monoamin-Oxidase-Inhibitor Dr. med. T. Berghändler, Gais ® Antidepressiva: Substanzen Antidepressive Substanzen Substanzname Handelsname (CH) Substanzklasse Amitriptilin Citalopram Clomipramin Doxepin Escitalopram Fluoxetin Fluvoxamin Hypericum perforatum Imipramin L-Tryptophan Maprotilin Mianserin Mirtazapin Moclobemid Nefazodon Paroxetin Sertralin Reboxetin Trimipramin Venlafaxin Saroten Seropram Anafranil Sinquan Cipralex Fluctine Floxifral Jarsin, ReBalance Tofranil n.e. Ludiomil Tolvon Remeron Aurorix Nefadar Deroxat Zoloft, Gladem Edronax Surmontil Efexor TZA SSRI TZA TZA SSRI SSRI SSRI Phytotherapeutikum TZA Serotonin-Precursor Tetrazyklikum Tetrazyklikum NaSSA MAOI DSA SSRI SSRI NARI TZA SNRI Dr. med. T. Berghändler, Gais Antidepressiva: Rezeptorwirkungen ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! Histamin-H1-Blockade: Adrenerge Alpha2-Blockade Adrenerge Alpha1-Blockade Reflextachykardie, Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung Tachy(präsynapt) Serotonin (5HT1A)Wiederaufnahmehemmung Funktionsstörungen (postsynapt.) Serotonin-5HT2A-Blockade Sedation, Hypotension, Appetit Angst Orthostase, Schwindel, Gedächnisstörungen Antidepressiv, anxiolytisch, Tremor, kardie, sexuelle Funktions-Störungen Antidepressiv, anxiolytisch, GIT- Störungen antibulimisch, sexuelle Unruhe, Akathisie, (EPMS), Angst, Panik, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen (postsynapt.) Serotonin-HT3-Blockade GIT-Störungen (Übelkeit, Diarrhoe), Kopfschmerzen Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Antidepressiv, psychomotorisch aktivierend, antiparkinsonistisch Acetylcholin-/Muscarin-/ Blockade Akkomodationsstörungen, trockener Mund, Verstopfung, Sinustachykardie, Harnretention, kognitive Dysfunktion, Schläfrigkeit Dr. med. T. Berghändler, Gais Opioid-Rezeptoren Analgesie SSRI: Dosierungen (min-med-max) ! ! ! ! ! ! Citalopram (Seropram®) Escitalopram (Cipralex®) Fluoxetin (Fluctine®) Fluvoxamin (Floxyfral®) Paroxetin (Deroxat®) Sertralin (Zoloft®, Gladem®) Dr. med. T. Berghändler, Gais 20-40-60 mg/d 10-20-40 mg/d 10-40-80 mg/d 50-150-300 mg/d 10-40-60 mg/d 50-100-200 mg/d SSRI-Nebenwirkungen ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! Übelkeit Diarrhoe Inappetenz Sexualstörungen Schwitzen Tremor Galactorrhoe Nervosität Antriebssteigerung EPMS ST-Prolongation ! ! ! ! ! Gerinnungsstörungen Hyponatriämie Interaktion mit Cytochrom -P450 / anderen Medikamenten cave: tw. lange HWZ, Aktivierung (bei Suizidalität), Serotonin-Syndrom Dr. med. T. Berghändler, Gais Spezielle kardioprotektive Wirkungen von SSRI ! ! ! Inhibition des Serotonin-Transportes in die Thrombozyten an spezifischen periphere SerotoninRezeptoren, damit Verringerung der ThrombozytenAktivierung (Pollok et al 2000; Serebruany et al 2003; Sauer et al 2003) Möglicherweise durch Normalisierung der ZytokinKonzentration positive Beeinflussung der stressinduzierten Entzündungsaktivität (Kenis et al 2002) Möglicherweise positive Beeinflusstung der Herzratenvariabilität (HRV) durch SSRI und Psychotherapie (McFarlane et al 2001) Dr. med. T. Berghändler, Gais Besondere Probleme bei SSRI-Behandlung Bei Monotherapie wie auch in Kombination mit low-doseAcetylsalicylsäure erhöhte Blutungsneigung, erhöhte Inzidenz von oberen GIT-Blutungen (ohne ASS relatives Risiko 3,6, mit lowdose-ASS 5,2) (Oksbjerk et al 2003; Bottlender et al 1998) durch Thrombozyten-Aktivitäts-Inhibition (Serebruany et al 2001) ! In Kombination mit Antikoagulantien konsequente Überwachung der Gerinnungsparameter. ! Zur Beendigung einer serotonergen Medikation durch Auschleichen der Medikamente über 4-6 Wochen. Bei plötzlichem Sistieren Absetzsyndrome möglich ! Selten und v.a. in Kombination mit anderen serotonergen Substanzen kann das potentiell letale serotonerge Syndrom auftreten. ! ! Dr. med. T. Berghändler, Gais Non-SSRI: Dosierungen (min-med-max) SNRI , NaSSA , NARI , MAOI, Phytotherapeutika : Dosisempfehlungen 1 2 ! ! ! ! 3 SNRI: Serotonin- NoradrenalinWiederaufnahmehemmer NaSSA: Noradrenerges und spezifisch serotonerges AD NARI: NoradrenalinWiederaufnahmehemmer MAOI: Monoamin-OxidaseInhibitor ! ! ! ! ! ! Venlafaxin1 (Efexor®) Duloxetin1 (Cymbalta ®) Mirtazapin2 (Remeron®) Reboxetin3 (Edronax®) Moclobemid (Aurorix®) Hypericum (Jarsin®) (300 mg = 900 µg Gesamthypericin) Dr. med. T. Berghändler, Gais 37,5-150-375 mg/d 30-60-60 15-45-60 mg/d 4-8-12 mg/d 50-450-600 mg/d 900 mg/d Non-SSRI-Nebenwirkungen 1: ! Venlafaxin: ! ! ! ! Duloxetin: ! ! ! ! in hohen Dosen (>200 mg/d) durch noradrenerge Wirkung Blutdruck-Erhöhung. Mögliche Abnahme der HRV (Watkins et al 2003) Kopfschmerz, Schwitzen, GI-NW, Mundtrockenheit, Hypertonie, Sexual-, Schlafstörungen Blutdruck-Erhöhung Gerinnungsstörungen (= SSRI) Hyponatriämie Mirtazapin: ! ! ! Sedation und Gewichtszunahme bei entsprechendem Risikoprofil der Herzpatienten Vorsicht. Mundtrockenheit, Hypotonie, Tremor Dr. med. T. Berghändler, Gais Non-SSRI-Nebenwirkungen 2: ! Reboxetin: ! ! ! ! ! Johanniskraut: ! ! ! ! ! Gefahr von Tachykardien für die Behandlung bei KHK nicht empfohlen (Möller 1999) Schlafstörungen, Schwitzen, Harn-Retention, Orthostase wenig WW, da nicht P-450-metabolisiert starkes Interaktionspotential über CYP 450-System Interaktionen mit Beta-Blockern und Ca-Antagonisten (Durr et al 2000) Inappetenz, Lichtempfindlichkeit; frgl. WW mit Hormonpräparaten (Pille) nicht mit Immunsuppressiva (Ciclosporin) und Virostatika (Indinavir) anwenden Moclobemid: ! ! ! ! ! ! ! reversibler MAO-Hemmer. Kardiale Kontraindikationen nicht bekannt. Nur in seltenen Fällen tyraminarme Diät notwendig Unruhe, Schlafstörungen, GI-NW, Akkomodationsstörungen; cave bei Umstellung von/auf andere Antidepressiva: Serotonin-Syndrom Dr. med. T. Berghändler, Gais Trizyklika (TZA) ! Indikationen ! ! ! ! ! ! ! Weniger geeignet bei: ! ! ! ! ! ! Agitierte Depression Schwere Depression Schlafstörungen Schmerzen Fibromyalgie Migräne (additiv) Übergewicht Suizidgefährdung Hohe Empfindlichkeit gegen NW Kardiale Vorschädigungen Umfangreiche Komedikation Fortgeschrittene Demenz Dr. med. T. Berghändler, Gais Wirkungen TZA ! Trizyklika: Wirkungsmechanismen ! ! ! ! ! SerotoninWiederaufnahmehemmung NoradrenalinWiederaufnahmehemmung Anticholinerge und antimuscarinerge Wirkung !1-adrenerger Antagonismus Antihistaminische Wirkung Dr. med. T. Berghändler, Gais TZA: Dosierungen (min-med-max) ! ! ! ! ! ! ! Clomipramin (Anafranil®): Trimipramin (Surmontil®) Amitriptilin (Saroten®) Imipramin (Tofranil®) Doxepin (Sinquan®) Lofepramin (Gamonil®) Dibenzepin (Noveril®) 25-150-250 mg/d 25-150-300 mg/d 25-150-300 mg/d 25-150-300 mg/d 25-150-300 mg/d 35-140-210 mg/!d 60-480-720 mg/d Dr. med. T. Berghändler, Gais Tetrazyklika: Dosierungen (min-med-max) ! ! Mianserin (Tolvon®) Maprotilin (Ludiomil®) 30-90-120 mg/d 25-150-225 mg/d Dr. med. T. Berghändler, Gais Nebenwirkungsprofile klassischer Antidepressiva Medikament Nebenwirkung Sedierung Anfälle Hypotonie Anticholinerg Verhaltensauffälligkeiten Tertiäre Amine Amitriptylin Clomipramin Doxepin Imipramin Trimipramin ++++ ++++ ++++ +++ ++++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ ++ ++++ +++ ++++ ++++ +++ +++ ++++ ++++ ++++ ++ ++++ ++++ Sekundäre Amine Desipramin Nortriptylin Protriptylin ++ +++ + ++ ++ ++ +++ + ++ ++ +++ +++ +++ +++ ++++ Tetrazyklika Amoxapin Maprotilin ++ +++ +++ ++++ + ++ +++ +++ ++ +++ Tollefson (1991) Dr. med. T. Berghändler, Gais TZA-Nebenwirkungen ! Gefahr der Verlängerung des PQ- und QTC-Intervalls (Hesslinger et al 2002) antiarrhythmische Wirkung aufgrund eines natriumantagonistischen Effektes: Typ 1A-Anti-Arrhythmika ! Verlangsamung der Reizleitung, Erhöhung der Herzfrequenz ! (Rose et al 1999) Verschlechterung der HRV (Yeragani et al 2004; Rechlin1995) ! bis zu 2,2fach erhöhten Infarktrisiko (Cohen et al 2000) ! hohes Interaktionspotential mit anderen Medikamenten.! ! Schlechte Compliance durch anticholinerge und andere Nebenwirkungen wie orthostatische Hypo- oder Hypertension, Gewichtszunahme und Sedation (Davies et al 2004) ! Dr. med. T. Berghändler, Gais Metaanalyse der Wirksamkeit von SSRI versus TZA ! Gesamt-Wirksamkeit: ! ! keine Unterschiede zwischen SSRI und trizyklischen Antidepressiva, weder als Gruppe noch einzeln Untergruppen-Analysen: ! ! ! leichter Vorteil der dual wirkenden trizyklischen und tetrazyklischen Antidepressiva bei Patienten mit schwererer Störung SSRI geringfügig weniger wirksam als trizyklische Antidepressiva bei stationären Patienten und gegenüber dual wirkenden trizyklischen Antidepressiva wie Clomipramin und Amitriptylin SSRI geringfügig wirksamer als noradrenerge Antidepressiva Anderson und Tomenson (1994) Dr. med. T. Berghändler, Gais Verträglichkeit und Akzeptanz der Langzeitbehandlung mit Antidepressiva ! ! ! ! Anticholinerge Nebenwirkungen auf TZA werden häufig (60 %) vom Patienten als Grund für Abbruch der Behandlung angeführt. Diese Nebenwirkungen führen auch zu subtherapeutischen Dosen in der Langzeitbehandlung Der direkte Nutzen des besseren Nebenwirkungsprofils besteht darin, dass die Patienten die Behandlung bei vollständiger therapeutischer Dosis und über eine ausreichende Zeitdauer weiterführen. Schlussfolgerungen aus den Metaanalysen: Ein Vergleich der Absetzraten von TZA und SSRI zeigt eine signifikant bessere Compliance mit SSRI und anderen neueren AD in Langzeitbehandlungen. Dr. med. T. Berghändler, Gais Laborkontrollen ! Nativ bei allen AD: ! ! Woche 2 bei allen AD ! ! BB 2wöchentlich für 3 Monate TZA: ! ! ! BB, E´lyte, Chemie, EKG, RR, Puls Mianserin ! ! BB, E´lyte, Chemie, EKG, RR, Puls BB alle 2 Wochen für 3 Monate, monatlich für weitere 3 Monate, dann ab Quartal 3 3monatlich E´lyte, Chemie 4wöchentlich, dann ab Q3 3monatlich mit BB, EKG bei Pat. > 60. LJ 3monatlich Sonstige AD ! BB, Elektrolyte und Chemie 6monatlich Dr. med. T. Berghändler, Gais Augmentation ! ! ! ! ! ! Kombination von 2 oder 3 Antidepressiva (s.u.) Lithium Psychostimulantien Schilddrüsenhormone Buspiron Hochpotente Neuroleptika Dr. med. T. Berghändler, Gais Kombinationen Venlafaxin mit Mirtazapin Alle SSRI mit Mirtazapin oder Reboxetin Reboxetin mit Mirtazapin Venlafaxin mit Reboxetin SSRI * * * Bei Kombination von zwei serotonergen Substanzen: Serotonin-Syndrom möglich Dr. med. T. Berghändler, Gais Prävalenz Sport und Depression ! Personen mit geringerer körperlicher Aktivität haben innerhalb von 8 Jahren im Vergleich zu sportlich aktiven Personen eine doppelt so hohe Depressionsrate (Farmer et al 1988) Dr. med. T. Berghändler, Gais Sport und Depression ! ! ! ! ! ! Nur 35% aller Schweizer erfüllen die offiziellen Bewegungsempfehlungen (tgl. 1/2 h Sport / Alltagsbewegungen) (Gerber, Pühse 2008) Empfehlung Gesundheitsförderung: 1000 kcal/w (Lee et al. 2001), 3-5x/Woche 20-30 min. mässiges bis intensiveres Training 17,5 kcal/kg KG/Woche aerobes Training ist signifikant antidepressiv wirksam, 7 kcal/kg KG ist unwirksam (Martinsen et al. 1985, Dunn et al. 2005) ! Grösserer Anstieg der Ergometer-Leistung = höherer Effekt „Allgemeine aerobe dynamische Ausdauer“: Einsatz von > 1/6 der Skelettmuskulatur mit Belastungsintensität < 70% der individuellen Höchstleistungsfähigkeit (Hollmann et al. 2003) Krafttraining ist antidepressiv wirksam (Doyne et al. 1987) Ausdauertraining ist gleich gut wirksam wie Antidepressiva, aber nachhaltiger durch höheres Selbstwirksamkeitserleben (Babyak et al. 2000) Dr. med. T. Berghändler, Gais Neurobiologie des Sports ! ! ! ! Induktion der Genexpression von neurotrophen Faktoren wie „brain derived neurotrophic factor“ (BDNF), „nerve growth factor“ (NGF) und Galanin (NA-Modulator), speziell im Hippocampus, aber auch in zerebellären und kortikalen Regionen BDNF verbessert die synaptische Plastizität und damit Lernvermögen und Gedächnisleistung Sport verbessert den mitochondrialen Stoffwechsel im Hippocampus Verbesserung der Hirnleistung z.B. nach Hirninfarkt und (mild) traumatic brain injury, abhängig vom Zeitpunkt des Beginns und der Intensität des Trainings (Griesbach et al. 2004) Dr. med. T. Berghändler, Gais Sport und Stress: Neurobiologie im Tierversuch ! ! BDNF hat eine neuroprotektive Wirkung gegen die Toxizität von unkontrollierbarem Stress Regelmässiger Sport verhindert die Folgen von unkontrollierbarem Stress wie erlernte Hilflosigkeit (Tierversuch: Laufrad) (Greenwood et al 2003) ! Regulation des Serotonin-Spiegels in der dorsalen Raphe und Erhöhung des Umsatzes von Serotonin im Cortex (Yoo et al 2000; Dishman et al. 1997) ! Erhöhung des Noradrenalin-Spiegels im Locus coe-ruleus und im frontalen Cortex; Stress-modulierende Regulation des Noradrenalins in Hippocampus, Hippothalamus und Amygdalae (Dishman et al. 2000) Dr. med. T. Berghändler, Gais Präventive Wirksamkeit ! ! ! Ungeklärte Datenlage: Empfehlungen zwischen 1000 kcal und 3500 kcal/Woche Präventiv wirksam ist körperliche Aktivität > 6 MET (MET= metabolisches Äquivalent = Sauerstoffaufnahme von 3,5 ml/kg/min = ruhiges Sitzen (Smekal et al. 2001) : sportliche Aktivität Wsh. präventiv wirksam bereits leichtere Alltagsaktivitäten: Tägliches Gehen von 3,2 km bei 61-80jährigen Männern senkt die Gesamtmortalität um 41,2% (Hakim et al 1998) Dr. med. T. Berghändler, Gais Bewegungspyramide Koordinative Fähigkeiten Ausdauer 20-60 Min. ing n i a r t t f Kra Basisempfehlung Dr. med. T. Berghändler, Gais h c i l g ä T n e t u n i 30 M Energieverbrauch durch Sport (Reimers 2003) Aktivität Max. Energieverbrauch (kcal/h) Gehen (3 km/h) 190 Gehen (6 km/h) 280 Laufen (9 km/h) 600 Laufen (15 km/h) 900 Skilanglauf (9 km/h) 600 Skilanglauf (15 km/h) 1300 Eislaufen (21 km/h) 740 Radfahren (15 km/h) 400 Radfahren (30 km/h) 900 Rudern (6 km/h, Rollsitz) 550 Kanufahren 525 Schwimmen (1,5 km/h) 400 Schwimmen (3,5 km/h) 1100 Dr. med. T. Berghändler, Gais Zeitaufwand für 150 kcal Energieverbrauch durch Alltagsaktivitäten:(Reimers 2003) Aktivität Erforderlicher Zeitaufwand (min) Auto waschen/wachsen// Fenster, Böden putzen 45-60 Volleyballspiel 45 Gartenarbeit 30-45 Rollstuhlfahren 30-40 Gehen (2,8 km) 35 Rad fahren 8 km), rasches Tanzen 30 Laub harken, gehen (3,2 km) Wassergymnastik 30 Bahnen schwimmen, Rollstuhlbasketball 20 Basketballspiel 15-20 Rad fahren (6,4 km), Seilhüpfen, Laufen (2,4 km) 15 Schneeschaufeln, Treppensteigen 15 Dr. med. T. Berghändler, Gais Psychophysiologische Wirkfaktoren von Sport 1 ! Vermehrte Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Testosteron, Insulin-like growth-factor (IGF-I), Renin, Angiotensin II, "Endorphinen (Kraemer 1999) ! Keine Korrelation zwischen Endorphinanstieg und Stimmungsverbesserung (Farrel 1982) ! ! ! Anstieg freier Fettsäuren im Plasma -> Verdrängung von Tryptophan aus der Plasma-Eiweiss-Bindung -> Anstieg freies Tryptophan -> Erhöhung Einstrom Tryptophan durch Blut-Hirn-Schranke Verbesserte Insulinwirkung erhöht Utilisation von LNAA -> fördert Einstrom Tryptophan durch Blut-Hirn-Schranke Erhöhung Tryptophan-Spiegel im ZNS stimuliert Serotonin-Synthese (Brooks 2005) ! Erhöhter Umsatz von Serotonin im mediobasalen Hypothalamus, verstärkt durch Tryptophangabe Dr. med. T. Berghändler, Gais Psychophysiologische Wirkfaktoren von Sport 2 ! ! ! ! ! ! ! Sympatische Aktivierung: Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin Hormonelle Veränderungen: Anstieg von Testosteron, "Endorphinen, endogene Opioide Erhöhung des Serotonin-Vorläufers Tryptophan im ZNS stimuliert den Umsatz von Serotonin Stimulation der (hypocampalen) Neurogenese durch BDNFErhöhung (BDNF = Brain Derived Neurotrophic Factor) Evt. direkter antidepressiver Effekt von BDNF Verbesserung der zerebralen Durchblutung verbessert Stoffaustausch an der Blut-Hirn-Schranke Stabilisierung der HPA-Achse durch körperliches Training (Blumenthal JA et al. 1991; Wittert GA et al. 1996) Dr. med. T. Berghändler, Gais Psychologische Wirkfaktoren von Sport ! ! ! Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung Grübel-Stop (Sachs&Buffone 1984) Reattribution angstbesetzter Körpersensationen (bei Panikattacken) (Brooks 2000) Dr. med. T. Berghändler, Gais Synopse: Sport und Depression ! Evidenz gross Evidenz mittel Evidenz begrenzt keine Evidenz ! Positiver Trainingseffekt auf: Pathogenese Diagnosenspezifische Symptome Körperliche Fitness / Stärke Lebensqualität Zahlreiche RCT und Metaanalysen (z.B. Lawlord&Hopker 2001; Blumenthal et al. 1999) zeigen antidepressive Wirksamkeit von Sport = Antidepressiva = KVT. Medikamente wirken schneller; Sport ist anhaltender in der Wirkung Sport ! ! ! ! ! erhöht Konzentration von Serotonin und Vorläufern sowie anderen Monoaminen, "Endorphine und BDNF wirkt stressprotektiv stärkt das Selbstwirksamkeitserleben Erhöht das Selbstvertrauen in Körperfunktionen Empfehlung:Tägliches Training, Borg 12-13, mit Spitzen von 15-16, über 30 min. 17,5 kcal/ kg/Woche Ausdauertraining bei leichter bis mittelgradiger Depression; niedrigere Intensität hat nur Placebo-Qualität; wsh gute Wirkung durch 2-3x/Woche Krafttraining Dr. med. T. Berghändler, Gais Zusammenfassung: ! ! ! ! ! Alle Antidepressiva sind wirksam Die die wirksamste antidepressive Behandlung ist die Kombination von Pharmako- und Psychotherapie, Sport und Tageslicht (> 1000 Lux) Das wirksamste Antidepressivum ist das, das sicher und regelmässig in ausreichender Dosierung genommen wird (Plasma-Spiegel-Monitoring!) Das Nebenwirkungsspektrum bestimmt die Auswahl des Präparates Antidepressiva erfordern ein internistisches und laborchemisches Monitoring Dr. med. T. Berghändler, Gais