Psychosomatische Aspekte des ReizdarmesErfahrungen aus der Praxis Dr. med. Torsten Berghändler FMH Psychiatrie und Psychotherapie Psychosomatik SAPPM Diagnose-Kriterien Reizdarm » » » » » » Manning-Kriterien (Manning et al. 1978) Kruis-Kriterien (Kruis et al. 1984) Rom-I-Kriterien (Thompson et al. 1989) Rom-II-Kriterien (Thompson et al. 1999) Rom-III-Kriterien (Longstreth et al. 2006) S3-Leitlinie DGVS / DGNM (Layer et al. 2011) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Definition (ROM III) Drossman et al 2006 » Seit mehr als 6 Monaten an 3 Tagen oder mehr pro Monat in den vergangenen 3 Monaten abdominelle Schmerzen oder Beschwerden, und mindestens 2 der folgenden Kriterien: » Erleichterung bei der Darmentleerung » Beginn assoziiert mit Änderung der Stuhlhäufigkeit » Beginn assoziiert mit Änderung der Stuhlkonsistenz » Nebenkriterien: » Abnorme Stuhlhäufigkeit » Abnorme Stuhlform (bröckelig/hart oder dünn/wässrig) » Abnorme Stuhlpassagen (Pressen, Drang oder Gefühl unvollständiger Leerung) » Schleimabgang » Blähungen oder Gefühl des Aufgetriebenseins Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Rom-III-Kriterien » Mässig geeignet, um ein IBS von organischen Erkrankungen zu unterscheiden (Ford AC, 2013) » Sensitivität 68,8% (1848 Studienteilnehmer; 555 erfüllten Rom-III-Kriterien für IBS; IBS gesichert bei 365 Pat.; davon 251 korrekt nach Rom-III identifiziert) » Spezifität 79,5 % (1483 Pat gesichert ohne IBS; nach Rom-III 1179 anhand Rom-III als nicht krank erkannt » Cave banale gastointestinale Befindlichkeitsstörungen ohne wesentlichen Krankheitswert Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom (Layer P. et al., 2011) » Chronische, länger als 3 Monate anhaltende Beschwerden, die von Pat. und Arzt auf den Darm bezogen sind und i.d.R. mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen » Pat. sucht wegen der Beschwerden ärztliche Hilfe und/ oder ist in seiner Lebensqualität relevant beeinträchtigt » es liegen keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vor, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Subgruppen nach ROM III » » » » Durchfall (IBS-D) Verstopfung (IBS-C oder IBS-O) Wechselhaftes Reizdarmsyndrom (IBS-M) Nicht subtypisierbares Reizdarmsyndrom » Evtl. Subgruppen mit und ohne somatische Komorbiditäten (Riedl et al 2008) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Epidemiologie » Jährliche Neuerkrankung 1% » Gepoolte Prävalenz 7% (6-25%) » häufiger bei Frauen als bei Männern diagnostiziert (2:1) (Holtmann et al. 1994, Heaton et al. 1992) » evt. kulturspezifischer Unterschied im Hilfesuchverhalten (Heitkemper, Jarrett 2008) » Frauen häufiger IBS-C, Männer häufiger IBS-D (Kim et al 2007; Lee et al 2001) » IBS verursacht erhebliche direkte und indirekte Kosten » oftmals Spontanremission Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Wer geht zu welchem Arzt? Spezialist Ca. 25 % Arztkontakt Hausarzt Ca. 75% kein Arztkontakt Ca. 70% Frauen Ca. 30% Männer Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Schema: diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf IBS/RDS (Layer P et al. 2011) Beschwerden führen zum Arzt Anamnese + KU Diarrhö ja Labor – Abd.-Sono – Gyn nein nein Umfassende Diagnostik „Organische“ Hinweise? ja Weiteres Vorgehen anhand individueller Kriterien: Symptome: Art, Schwere, Dauer, Dynamik Patient: Alter, Persönlichkeit, Besorgnisgrad Aber: dann ist Diagnose „RDS“ noch nicht gerechtfertigt! Probatorische Therapie (befristet!) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Diagnosesicherung mittels gezielter weiterführender Diagnostik Diagnostisches Vorgehen » Typische Anamnese (inkl. Symptomtagebuch) » Medizinische (Differential-) Diagnostik » Ausschluss von Alarmsymptomen » » » » » » » » Unerklärbarer Gewichtsverlust Anämie; Blutungen aus dem Darm Nächtliches symptombedingtes Erwachen Beginn nach dem 50. Lebensjahr Familienanamnese: Krebs, CED, Zöliakie Pathologischer internistischer Status Pathologisches Labor/Fieber Perakute Beschwerden Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kein RDS Basislabor » BB » BSG/CRP » Urinstatus » » » » » » Elektrolyte, Krea, Leber-, Pakreasenzyme TSH Blutzucker, HbA1c Stuhl-Mikrobiologie Zöliakie-AK Calprotektin A/Lactoferrin im Stuhl Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Weitere Untersuchungen » Abdomineller Ultraschall » Gyn. Abklärung » Ileokoloskopie » Bei Diarrhö » Erregerdiagnostik » Endoskopische US mit Biopsie » Funktionsdiagnostische Verfahren » Ggf. weiterführende Untersuchungen. Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Differentialdiagnosen -1» Diarrhö: u.a. » » » » » » » » » Infektionen (pathogene Keime, Parasiten, Pilze, Viren...) CED Sprue / Zöliakie Kohlenhydratmalabsorption Nahrungsmittel-/ Medikamentenallergien Chron. Pankreatitis Tumoren, CA Hyperthyreose SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth) » Blähungen » SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth) » Kohlenhydratmalabsorption Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 » postop. Komplikationen (z.B. Briden) Differentialdiagnosen -2» Schmerz » » » » » » M. Crohn Ulcera Tumoren, CA (auch gyn.) Mesenteriale Ischämie Endometriose Dünndarm-Stenosen » Opstipation » » » » » Medik.-Nebenwirkungen Hypothyreose Tumoren, CA Chron. Divertikulose Funktionelle / Strukturelle Stuhlentleerungsstörungen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Medizinische Diagnostik » Labor: Blutbild, Chemie, Entzündungslabor, Schilddrüsenwerte, evt. Sigmoidoskopie » Koloskopie bei Pat. > 45 Jahre bei familiärer Belastung mit Dickdarmkrebs oder mit CED » Bei Durchfall: » Störung der Aufnahme von Nahrungsstoffen (Zöliakie, Laktose/Fruktose-Intoleranz...) » Stuhluntersuchung auf Parasiten Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 V.a. Nahrungsmittelunverträglichkeit » Eliminationsdiät » Belastungserprobung !!! (Schlatter O 2009) » Es gibt keine diätetische Prävention Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Differential-Diagnostik 1 Hohe Wahrscheinlichkeit für Reizdarm Hohe Wahrscheinlichkeit für organische Krankheit < 45 Jahre Alter > 45 Jahre > 2 Jahre Beginn < 2 Jahre fluktuierend Verlauf keine positiv fortschreitend Alarmsymptome positiv Funktionelle Symptome keine Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Differential-Diagnostik 2 » » » » » » » CED Kolorektales CA Chronische Divertikulitis Hyper-/Hypothyreose Hyperparathyreoidismus Diabetes mellitus Laktose-Intoleranz Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 ! ! ! ! ! Hepatitis Leberzirrhose Lebermetastasen Erkrankungen der Gallenwege Erkrankungen der Pankreas Risiko-Faktoren » » » » Weibliches Geschlecht Dauer und Intensität des Durchfalls Antibiotika bei Gastroenteritis ? (Neal 1997) Belastende Lebensereignisse / psychologischer Stress / sexueller und physischer Missbrauch » Hohe Werte für Hypochondrie, Angst und Neurotizismus » Anamnestisch Ess-Störungen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Auslösende Faktoren » Darminfektion (10-20%) (Garcia-Rodrigues u. Ruigomez 1999) » Stress: erhöhte sympatische Aktivität (u.a. Whitehead et al 1992) » » » » Laktose-Intoleranz (10%) Genetische Prädisposition Umweltfaktoren ? Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Pathophysiologie » Erhöhte Schleimhautpermeabilität im Kolon » Motilitätsstörung: Veränderung der Kolontransit-Zeit erhöht bei IBS-D, erniedrigt bei IBS-O » Gesteigerte rektale Sensitivität (Stimulus-unabhängig), als unangenehm oder schmerzhaft empfunden » Alteration serotonerger Mechanismen auf Substratund Rezeptor-Ebene » Störung der wechselseitigen Information zwischen ENS und ZNS Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 ENS („Bauchhirn“) » Der Bauchraum verfügt, nach dem Gehirn, über die grösste Ansammlung von Nervenzellen » 95% des Gesamt-5HT (Serotonin) des Körpers befinden sich im ENS in den enteralen Nerven und enterochromaffinen Zellen (Gershon 1999) » 5HT- Neurotransmitter sind für die Wahrnehmung und Steuerung von Darmfunktionen wie auch für die Kommunikation zwischen ENS und ZNS zuständig » Bei IBS-Pat. erhöhte neuronale Dichte des ENS Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 ENS und ZNS » Störung der wechselseitigen Information zwischen ENS und ZNS: » erhöhte excitatorische Aktivität der Neuronen des Hinterhorns? » Veränderungen der Modulation afferenter Signale von Hinterhorn-Neuronen in die aufsteigenden Bahnen? » Erhöhte Dichte von Nervenfasern in der Darmschleimhaut » Erhöhte Aufmerksamkeit im ZNS bzgl. intestinaler Stimuli? » Hyperplasie Serotonin-produzierender enteroendokriner Zellen (Spiller et al. 2000) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Pathopsychophysiologie » Sowohl IBS als auch Angst machen eine Überempfindlichkeit in bestimmten Regionen des Gehirns (Frontalhirn) » Diese verstärken sich gegenseitig und können als neuronale Hirn-Darm-Hyperaktivität so den schwereren Verlauf bei Begleiterkrankungen mit verursachen. (Blomhoff et al. 2001) » IBS-Patienten haben eine spezifische Aufmerksamkeit auf Wahrnehmungen aus dem Bauchraum » Erlerntes Krankheitsverhalten gehäuft Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Pathopsychophysiologie 2 » Reduzierte Filterfunktion im ZNS für Wahrnehmungen im Darm; erhöhte limbische Aktivität, überschiessende Stress-Kreisläufe » Besonderheiten der Interpretation » » » » Zentralnervöse Verarbeitung von Darmdehnung Psychologische Charakteristika und Hilfesuchverhalten Frühe Erfahrungen Ess-Gewohnheiten Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Komorbiditäten » Keine gesteigerte Koprävalenz mit anderen schweren Erkrankungen des GIT » starke Koprävalenz mit somatoformen und psychischen Erkrankungen » Somatoforme Störungen » Funktionelle Dyspepsie » CFS » Fibromyalgie » Psychische Erkrankungen » Depression » Angsterkrankungen, Panikstörung » PTSD » Essstörungen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 psychische Komorbiditäten » Bis zu 60% aller IBS-Patienten haben psychische Begleiterkrankungen: » Depression » Panikstörungen » andere Angststörungen » Generalisierte Angststörungen » Spezifische Phobien Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Somatische Komorbiditäten » » » » Funktionelle Dyspepsie (40%) GERD (40%) Kohlenhydrat-Malabsorption (Lactose, Fructose) Anal-Inkontinenz » Gehäuft bei Frauen mit IBS-D (65%) » » » » » (Donnely et al. 1998) Fibromyalgie (32,5%) Chronischer Schmerz im kleinen Becken (35%) (f) Dysurie (bis 50%) Dysmenorrhoe (bis 50%) Chronic fatigue Syndrom (14%) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 psychische Besonderheiten » IBS macht Angst » Angst macht gastrointestinale Symptome » Eine fehlende einfache somatische Erklärung und Therapie erzeugt den Wunsch, anders die Kontrolle über die Körperfunktionen zurückzugewinnen und bewirkt so eine verstärkte innere Wahrnehmung von Körpervorgängen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 psychische Besonderheiten » IBS-Patienten haben eher Mühe mit dem sich verstanden fühlen in Beziehungen » IBS-Patienten klagen häufiger über vielfältige körperliche Beschwerden und suchen häufiger ärztlichen Rat auch für geringere Beschwerden » Sie neigen, bei entsprechender Lernerfahrung in der Kindheit, eher dazu, körperliche Beschwerden anzuführen, wenn sie sich mehr Beziehung wünschen (Stuart and Noyes 1999) » Psychische Komorbidität korreliert mit erhöhtem Hilfesuchverhalten Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Körpererleben und Aufmerksamkeit » Der eigene Körper wird (erneut? Lerngeschichte?) als nicht zuverlässig erlebt und misstrauisch beobachtet » Die Eltern haben bereits ungewöhnliche Körperwahrnehmungen als eher gefährlich interpretiert » Die Innenaufmerksamkeit wird irgendwann irgendetwas Ungewöhnliches entdecken Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 lebensgeschichtlicher Stress » Trennung, Vereinsamung, persönliche Verluste » Unbefriedigende Beziehungen, z.B. zu den Eltern » Sexuelle Ausbeutung / Missbrauch (gehäuft bei IBSPatientinnen) » Weniger positive Lebensereignisse als gesunde Kontrollpersonen (Burke et al., 1999) » Mehr Live events vor Beginn des IBS » korrelliert mit mehr Symptomen und längerer Dauer Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 aktueller Stress » Psychischer wie auch körperlicher Stress setzt die Wahrnehmungsschwelle für Nervenreize aus dem Darm herab » Stress und Ärger können alleine kein IBS auslösen, aber die Symptome verstärken » Stressreiche Lebensereignisse können einen neuen Schub auslösen (Whitehead et al, 1992) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 initiales Management » » » » Diagnose sichern Ausschluss körperlicher Ursachen keine unnötigen invasiven Untersuchungen Kennenlernen des Krankheitskonzeptes und der Krankheitsängste des Patienten » psychosozialen Stress identifizieren » Warum kommt der Patient gerade jetzt? » Informationen und Rückversicherung geben Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Therapieansätze Alle Beruhigung, Information, Therapeutische Beziehung mild Lebensstil und Ernährung verändern mässig Behandlung der Motilität und Perzeption / Psychotherapie schwer Antidepressiva, Schmerzmittel, Zielveränderung Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Für alle Patienten » Information » Beruhigung » Beobachtung » Tagebuch (Ernährung, Defäkation) für 1-2 Wochen » Lebensstil-Modifikation » Diät » Verhalten » Diät: -> Ernährungsberatung » Probatorisch Verzicht auf Koffein, Nicotin, Laktose » Wiederbelastung bei „Vermeidungsdiät“ » ggf. Quellmittel, Flüssigkeitszufuhr Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Arzt-Patient-Beziehung » Somatoforme Störungen sind oft gekennzeichnet durch Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Patient: » Der Arzt findet keine ausreichende somatische Erklärung für die Beschwerden » der Patient hat wenig Verständnis für diese Sicht des Arztes » Der Patient fühlt sich weiterhin körperlich, psychisch, sozial beeinträchtigt Patienten fühlen sich oft unverstanden Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kommunikation Arzt/Patient » Der erste Arztkontakt bei IBS entscheidet oft über die weitere Einstellung zur Erkrankung » Bessere Prognose für Patienten mit gutem Verhältnis zum Arzt (Owens et al. 1995) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Arzt-Patient-Beziehung 2 » Eine positive Arzt-Patient-Beziehung geht einher mit verringertem Aufsuchen von Gesundheitsdiensten (Owens et al. 1995) » Die Frustration von Ärzten z.B. über IBS resultiert häufig aus unzureichender Kenntnis der verschiedenen Dimensionen der Krankheit wie auch aus fraglich fehlenden effektiven Therapiemöglichkeiten Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Patientenführung » Positive Patientenführung » Patientenaufklärung und Rückversicherung über Gutartigkeit der Erkrankung » Erarbeitung eines individuellen Krankheitsmodelles und eines kongruenten Behandlungskonzeptes » Vermeiden unrealistischer Therapieziel » Medikation symptomorientiert Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Symptomatische Medikation » Schmerzen, Blähungen » Spasmolytika (Butylscopolamin/ Buscopan®, Trimebutin/Debridat®, Mebeverin/Duspatalin®) » Durchfall » » » » Loperamid (Imodium®) Cholestiramin (Quantalan®) (5-HT4-Agonist Alosetron/Lotronex®) ; nur bei Frauen? Ballaststoffe » Verstopfung » Quellmittel / Faserreiche Kost / Ballaststoffe » Laxantien / Prokinetika (Domperidon/Motilium®) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Psychopharmaka » Trizyklische Antidepressiva (bei IBS-D), z.B. » Amitriptylin (Saroten®) » Imipramin (Tofranil®) 25 mg 25 mg » SSRI (bei IBS-C) z.B. » Fluoxetin (Fluctine®) » Citalopram (Seropram®) » Paroxetin (Deroxat®) 20 mg 20 mg 20 mg » Medikation niedrig dosieren » Therapiedauer 4 Wochen - 12 Monate, dann ausschleichen » Bei Nonresponse nach 3 Monaten abbrechen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 psychotherapeutische Ansätze » Kognitive Verhaltenstherapie » psychodynamischen Kurzverfahren (Beziehungsebene, Konflikte, Umgang mit Emotionen) » Hypnotherapie » Lebensstil-Modifikation » Entspannungsverfahren (nicht als Monotherapie) » Progressive Muskelrelaxation » Autogenes Training » Meditation, Yoga u.ä Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 alternative Therapieansätze » » » » Sport: Verbesserung des Transits bei IBS-C Ingwer: keine Untersuchungen Aloe vera: keine Wirksamkeit > Placebo Pfefferminzöl / Kümmelöl: ungenügende Studien, leichte Effekte bei Schmerzen; Spasmolyse » Iberogast » pflanzliches Kombinationspräparat mit alkoholischen Auszügen aus Iberis amara und Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut, Süssholzwurzel » Probiotika bei Schmerzen, Diarrhö; keine Langzeitergebnisse » Placebo (47% pos. Effekt) Spiller 1999 Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Ernährungsempfehlungen WGO » Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr (auf ≥ 2l / Tag). Geeignet sind kohlensäurefreie /-arme Mineralwässer sowie leicht mit Zucker gesüßte Tees. » Ernährung, die fermentierte Milchprodukte mit nachgewiesenen probiotischen Eigenschaften enthält. » Verzehr von gasbildenden Lebensmitteln meiden ( z.B. Hülsenfrüchte, Trockenobst, Kohlgemüse, Vollkornprodukte, rohes Gemüse » Verzehr von fettreichen Speisen meiden. » koffeinhaltige Getränke und Colas, alkoholische Getränke meiden. » Zu viel essen meiden, langsam essen und gründlich kauen. » Sorbit oder Fructose vermeiden. » Stress vermeiden Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Prognose » Die Lebenserwartung von Reizdarm-Patienten ist nicht verkürzt » die Lebensqualität von Reizdarmpatienten kann deutlich verringert sein » Bessere Prognose für Patienten mit gutem Verhältnis zum Arzt » Schlechtere Prognose für Patienten mit psychischer oder somatischer Komorbidität Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 psychodynamische Psychotherapie » PatientInnen erhalten eine zeitlich begrenzte individuelle oder Gruppenpsychotherapie auf psychoanalytischer Grundlage, oft kombiniert mit einer Entspannungsmethode » Die gesunde (Modell-) Beziehung zum Therapeuten ist ein wesentlicher Teil dieser Psychotherapie. » Analysiert werden wichtige Beziehungen und ihre Störungen sowie wichtige Lebensereignisse Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Psychodynamische Psychotherapie » Körperliche Beschwerden sind ein Ausdruck der Störung persönlicher Beziehungen » Neue Einsichten über Beziehungsstörungen und bessere Lösungen für Beziehungsprobleme sollen entstehen » Darmsymptome werden als Metaphern für den Ausdruck von Emotionen benutzt („da ist Ihnen etwas auf den Magen geschlagen...“. Dies schafft eine gemeinsame Basis für die Benennung von Gefühlen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kognitive Verhaltenstherapie 1 » Durchführung als individuelle oder Gruppentherapie » Aufmerksamkeit für die Zusammenhänge zwischen Stress, Gedanken und IBS-Symptomen wecken » Schulung der Wahrnehmung und der Veränderung von Beurteilungen von Situationen und Verhalten » Veränderung von übergeordneten Denk-Schemata für depressives und ängstliches Erleben Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kognitive Verhaltenstherapie 2 » Entdeckung nicht sinnvoller Denk- und Verhaltensmuster » Umbewertung von Körperwahrnehmungen und -veränderungen » Förderung der Übernahme von mehr Verantwortung Krankheit und Gesundheit, Entwickeln gesünderer und erfolgreicherer Wege, mit den zugrundeliegenden Problemen umzugehen. Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kognitive Verhaltenstherapie 3 » Vermeidungsverhalten verringern, erwünschtes Alternativverhalten vermehrt zeigen. » Analyse des (täglichen) Problemverhaltens Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Kognitive Verhaltenstherapie 4 » Vermittlung eines Erklärungskonzeptes der Störung, in dem die Rolle von Denken, Verhalten, Gefühlen und Umgebungsbedingungen in Bezug auf die Bauchschmerzen behandelt werden » Führen eines Tagebuches mit Protokollieren der symptombezogenen Gedanken und des daraus resultierenden Verhaltens; Erarbeitung alternativer Denk- und Verhaltensmuster » Erlernen der Progressiven Muskelrelaxation Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Hypnotherapie 1 » Prämissen: » es gibt eine (Nerven-) Beziehung zwischen Gehirn und Darm » in Hypnose sind autonome körperliche Reaktionen deutlicher wahrnehmbar und einfacher zu beeinflussen Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Hypnotherapie 2 » 3 Abschnitte: » 1. Etablierung einer wahrnehmbaren Verbindung zwischen Bauch und Bewusstsein: Hände auf den Bauch legen, Wärme in den Händen intensivieren und diese in den Bauchraum leiten » 2. Suggestive Beeinflussung der Darmtätigkeit (Bild eines Flusses, den man verändern kann/verändert) » 3. Vorstellung, dass jetzt wieder eine selbstständige Verknüpfung zwischen Darm und Hirn besteht; die Aufmerksamkeit kann sich der Realität zuwenden Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Entspannungstherapie » 10 Sitzungen Progressive Muskelrelaxation kann die Symptome des !IBS signifikant reduzieren (Blanchard et al., 1993) Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014 Diskussion und Fragen Literatur: » Blomhoff S, Spetalen S, Jacobsen MB, Malt UF: Phobic anxiety changes the function of brain-gut-axis in irritable bowel syndrome. Psychosom Med 2001; 63 (6): 959-65 » Degen L: Reizdarmsyndrom. In: Buchmann P, Degen L (Hrsg.): Chronische Bauchschmerzen. Grundlagen – Diagnostik – Therapie. Huber, Bern 2010 » Drossman DA, Dumitrascu DL: Rome III: New standard for functional gastrointestinal disorders. J Gastrointestin Liver Dis. 2006; 15 (3): 237-41 » Langewitz W: Psychotherapeutische Interventionen beim Reizdarmsyndrom. In: Buchmann P, Degen L (Hrsg.): Chronische Bauchschmerzen. Grundlagen – Diagnostik – Therapie. Huber, Bern 2010 » Layer P et al.: S3-Leitlinie Reizdarm-Syndrom . AWMF-Reg.-Nr. 021/016 Download des Vortrages: www.praxis-berghaendler.ch Dr. med. T. Berghändler, Herisau/Gais 3.4.2014