Aufmerksamkeit – Diagnostik und Störungen ADHD Tutorium: Medizinische Psychologie Petra Beyer SS 05 Organisatorisches n Prüfungsrelevante Basisliteratur: Buser, K.-H., Schneller, Th. & Wildgrube, K. (2003). Medizinische Psychologie, Medizinische Soziologie: Kurzlehrbuch zum Gegenstandskatalog (5. Auflage). München: Urban & Fischer. n Inhalte für die Prüfung aus 1. & 4. Semester n Nachschreibetermin => Physikum? Evtl. mündl. Prüfung n Vorverlegung auf 14.00 Uhr nicht möglich (Räume!) n Vorverlegung der Prüfung für den Freitagskurs Was ist Aufmerksamkeit? n Engl. „attention“ n Orientierungsreaktion: „Was ist das Reflex“ n n n ungerichtete Aufmerksamkeitsleistung Funktion: unbekannte Reize schnell erfassen und um schnell reagieren zu können Ziel: schützt Organismus vor Reizüberflutung Was ist Aufmerksamkeit? n Aufmerksamkeit in der Wahrnehmungspsychologie bezeichnet die erhöhte Wahrnehmungsbereitschaft und zielgerichtete Hinwendung auf äußere oder innere Reize n Auf der Verhaltensebene wird mit Aufmerksamkeit die Fähigkeit bezeichnet eine bestimmt Tätigkeit über einen längeren Zeitraum planvoll und konzentriert auszuführen n Generell ist Größe der Aufmerksamkeit vom individuellen „current concern“ abhängig Aufmerksamkeitsleistungen n Effizienz in Aufmerksamkeitsfunktionen variiert durch n n n n Schwankungen in der Wahrnehmungsbereitschaft z. B. verschiedene körperliche Zustände (allg. Wachheit, Fluktuation in kognitiver Leistungsfähigkeit) Selektivität in erfolgt Bezug auf Reize aus der Umgebung des Organismus Zwei Gehirnsysteme: 1. posteriores System: Auswahl von Objekten bzgl. Form, Ort, Farbe, etc. 2. Anteriores System: Selektionsprozess: wann- wie diese Merkmale für Selektion genutzt werden Bei wichtigem Reiz => Aktivationssteigerung Bei unwichtigem Reiz => Aktivationshemmung Formen der Aufmerksamkeitleistungen n Alertness –Aufmerksamkeitsaktivierung n Sustained attention – längerfristige Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeit z.B. Vigilanz n selective attention – selektive bzw. fokussierte Aufmerksamkeit n divided attention – geteilte oder erteilte Aufmerksamkeit 1. Alertness / Aufmerksamkeitsaktivierung n Zustand allgemeiner Wachheit tonisches Arousal n Wird unterteilt in: tonische Aktivierung: allgemeine Wachheit. Physiologischer Zustand des Organismus u.a. Abhängig von Tageszeit n Fähigkeit zur Anhebung der Reaktionsbereitschaft im Hinblick auf ein erwartetes Ereignis (phas. Arousal) n phasische Aktivierung: plötzliche Zunahme der Aufmerksamkeit unmittelbar nach einem Warnreiz n 1. Alertness / Aufmerksamkeitsaktivierung n Untersuchungsparadigma: einfache visuelle oder auditive Reaktionsaufgaben Mit (phasische Alterness) oder ohne Warnreiz (für tonische oder intrinsische Aufmerksamkeitsaktivierung) vor Stimulusdarbietung n => Differenz der Reaktionszeit zw. beiden Bedingungen gibt als Maß für phasische Alertness n Neuropsychologische Testmethoden: Wiener Determinationsgerät (WDG) Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) 2. Substained attention – längerfristige Aufmerksamkeit n Fähigkeit auf seltene Ereignisse in großen Zeiträumen zu reagieren n Wachsamkeit Wird unterteilt in: n Daueraufmerksamkeit n Aufmerksamkeit muss über lange Zeiträume ununterbrochen zugewandt sein, bei hoher Reizfrequenz n Vigilanz – spezielle Variante der längerfristigen Aufmerksamkeit n n Vigilanzleistung beansprucht Aufmerksamkeit über einen langen Zeitraum – oft Stunden- und relevante Stimuli kommen hier nur in sehr unregelmäßigen Intervallen mit geringer Häufiger vor, müssen aber entdeckt werden. Beispiel: Radarbeobachter oder Qualitätskontrolle bei Fließbandarbeiten, Nachtfahrt auf einer leeren Autobahn 2. Substained attention – längerfristige Aufmerksamkeit n Neuropsychologische Methode: eintönige Aufgabe optisch oder akustisch z.B. TAP, Dauer 30 Minuten 3. Selective attention – selektive Aufmerksamkeit Filter-Theorie: Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Merkmale zu fokussieren und Reaktionen auf irrelevante Merkmale zu unterdrücken/herauszufiltern Ø Ausblenden irrelevanter Reize (z.B. Gespräch auf einer Party) Kapazitäts-Theorie: Jeder Mensch kann im jeweiligen Augenblick nur eine begrenzte Menge an mentaler Verarbeitung leisten Ø Die Verarbeitungskapazitäten sind beschränkt 3. Selective attention – selektive Aufmerksamkeit n Untersuchungsparadigma: Wahl-Reaktions-Aufgabe n Neuropsychologische Testmethoden: * Paper-Pencil-Verfahren „d2-Test“ * Computer gestützte Verfahren z.B. TAP: Untertest go/nogo, * Farbe-Wort-Interferenz-Test (FWIT) Praktische Übung zur selektiven Aufmerksamkeit 4. Divided attention – geteilte Aufmerksamkeit n Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung von a.) Verarbeitungsressourcen b.) Qualität der verschiedenen Aufgaben, die miteinander kombiniert werden. n Fähigkeit mit konkurrierenden Informationen umzugehen & das richtige Antwortschema zu wählen n Wie? n n n Proband bekommt 2 Reizdarbietungen (akustisch, optisch) Er muss simultan 2 konkurrierende Informationskanäle überwachen relevante Ereignisse, die in jeweils einem oder beiden Kanälen auftauchen, so schnell wie möglich entdecken n Test prüft ob 2 Reize jeweils einzeln bewältigt werden 4. Divided attention – geteilte Aufmerksamkeit n Untersuchungsmethode: Dual-Task-Aufgaben n Neuropsychologische Methode: Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) Untertest geteilte Aufmerksamkeit. n Gefordert wird die gleichzeitige Lösung zweier Aufgaben: n n Aufgabe 1: visuelle Darbietung von Kreuzen. Kreuze zu einem Quadrat –> Taste drücken Aufgabe 2: akustische Darbietung: hoher u. tiefer Töne 2x gleicher Töne –> Taste drücken Aufmerksamkeitsstörungen Definition: Umfang und Intensität der Beeinträchtigung bzgl. der Aufnahme von Wahrnehmung bzw. von Vorstellungen der Gedanken Häufige Ursachen: n n n n n HLT Läsionen Schlaganfall Stoffwechselstörungen im Gehirn Psychische Erkrankungen Aufmerksamkeitsstörungen n Schizophrene Patienten: n n n n größere Sensibilität gegenüber sensorische Stimulation als Gesunde Hypersensitivität führt zur Reizüberflutung Unfähigkeit, einzelnen Ereignissen die stattfinden hinreichend selektive Aufmerksamkeit zu scheinen Unfähigkeit sich auf relevante Aspekte einer Aufgabe zu konzentrieren oder diese Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten = Störung der selektiven Aufmerksamkeit Minimal-Brain-Syndrom n Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) Hyperkinetisches Syndrom (ADHD) n Person ist nicht altersgemäß in der Lage, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren n Person reagiert statt dessen mit Unaufmerksamkeit, Unterbrechungen und Impulsivität n Nach DSM-4: expansive Verhaltensstörung (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) mit od. ohne hyperkinetisches Verhalten ADS / ADHS Aufmerksamkeits - Defizit(und Hyperaktivitäts) - Syndrom n 2-10% aller Kinder betroffen n mehr Jungen als Mädchen Mögliche Ursachen n biochemische Funktionsstörung im Bereich der Informationsverarbeitung n In Gehirnabschnitten (Stammganglien und Frontalhirn), die für die Aufmerksamkeit, Konzentration und Wahrnehmung, d.h. die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen und Sinneseindrücken verantwortlich sind n PET-Untersuchungen zeigen in diesen Hirnareale weniger Sauerstoff und Glukose Verbrauch als die von gesunden Kindern. n Überträgerstoffe (Neurotransmitter), bes. Dopamin wirken nicht optimal im Bereich der Schaltstellen von Hirnzellen (Synapsen) n Genetische Ursache Monozygote Zwillinge häufig gem. betroffen n Soziale, gesellschaftliche Ursache Diagnosekriterien DSM4 n Typus Unaufmerksam n Mind. 6 Symptome Dauer 6 Monate n Typus Hyperaktiv oder Typus Impulsiv n Mind. 6 Symptome Dauer 6 Monate n Unangem. Entwicklungsstand im unangem. Ausmaß n DD: Störung sozialverhalten bei aggressiven od. aufsässigen Verhalten n Wichtig: ADS Kinder keine Schädigungsabsichten ADS / ADHS - Symptome nach DSM4 TYPUS Unaufmerksam: n Flüchtigkeitsgehler n Leicht ablenkbar n Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit über langen Zeitraum n Hören nicht richtig zu n Beendet keine Arbeiten n Anweisungen werden fehlerhafte durchgeführt n Organisationsschwierigkeiten Aufgaben, Aktivitäten n Häufiges Vermeiden von Aufgaben die längerer Anstrengung erfordern n Verlust von Gegenständen (Bücher, Stifte, Brille) n Vergesslichkeit im Alltag Typus Hyperaktiv n Zappelt mit Händen, Füßen n Kann nicht sitzen bleiben n Läuft herum oder subj. Innere Unruhe n Problem ruhig zu spielen n Auf „Achse“ n Redet übermäßig viel Typus Impulsiv n Platzt mit Antwort noch vor Ende der Fragestellung heraus n Kann schwer warten n Unterbricht n Stört andere Folgen: n Beeinträchtigung in sozialer Anpassung n Beeinträchtigung in schulischer Leistungsfähigkeit n Beeinträchtigung in beruflicher Leistungsfähigkeit n Häufig disziplinarische Schwierigkeiten n 59% aller aggressiven Kinder leiden an ADS/ADHS (Dumas, 1989) Ergänzung zur Absicherung der Diagnose n Neurologische Untersuchung n Körperliche Untersuchung n Neuropsychologische Testungen n Anamnese Lebensgeschichte n Fragebogen zur Selbstbeurteilung n Fragebogen zur Fremdbeurteilung Therapie bei ADS/ADHS n Bewährt Kombinationstraining mit Eltern, Lehrer, Kind n Stimulantien z.B. Methylphenidat, Pemolin n n Erhöht Wirkdauer des Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin im Bereich Synapsen Verringern Überaktivität, verbessern Aufmerksamkeit n Sportl. Aktivitäten n Verhaltensorientiertes Trainingsprogramm n Einzel-und/oder Familientherapie, VT n Beratung/Aufklärung: Familie, Kind Therapieziel bei ADS/ADHS n Heilung der Stoffwechselstörung generell nicht möglich n Kontrolle der Symptome n Langfristiges Ermöglichen einer altersgemäßen Entwicklung zur Vermeidung von Schulversagen, Außenseitern oder Suchterkrankungen Läsionen der linken Hirnhemisphäre n Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsselektivität n z.B. in Situationen, die schnelle Entscheidungen zw. relevanten und irrelevanten Reizen fordern. => Häufig erhöhte Fehlerzahl in Wahl-ReaktionsAufgaben oder verlängerte Reaktionszeiten Psychische Störungen n Menschen mit psychischen Störungen beachten für sie emotionale relevante Reize stärker als andere Reize (z.B. Panikpatienten, Phobien) n Sie zeigen mangelnde Fähigkeit der Aufmerksamkeitsfokussierung für andere neutrale Reize n Vorbewusste Aufmerksamkeitsverzerrung