Lösungen zum Übungsblatt 1 MAT221 Analysis III Herbstsemester 2017 Prof. Dr. Camillo De Lellis Die Übungsblätter werden jeweils am Freitag auf der Homepage der Vorlesung publiziert. Für den Leistungsnachweis müssen mindestens 8 gelöste Übungsblätter mit mindestens 12 Punkten abgegeben und insgesamt mindestens 280 Punkte erreicht werden. Generell soll die Herleitung der Resultate übersichtlich sein, und es wird gebeten, leserlich zu schreiben. Abgabe: 29. September 13:00 im Briefkasten “Analysis III Mat 221” im K-Stock am Institut für Mathematik Aufgabe 1 (12 Punkte) Sei A ⊆ Rn eine kompakte, und B ⊆ Rn eine abgeschlossene Menge. Beweisen Sie, dass A und B genau dann disjunkt sind, wenn ihr Abstand d(A, B) nicht null ist. Finden Sie zwei abgeschlossene Mengen A und B in R so dass d(A, B) = 0, und A ∩ B = ∅. Lösung: ⇒ Wir argumentieren per Widerspruch. Wir nehmen an, dass A und B disjunkt sind, aber d(A, B) = 0. Per Definition des Abstands gibt es zwei Folgen (xn )n∈N ⊆ A und (yn )n∈N ⊆ B so dass limn |xn − yn | = 0. Weil A kompakt ist können wir ohne Beschrnkung der Allgemeinheit annehmen, dass die Folge (xn ) konvergent ist, also xn → x ∈ A. Dies ist jedoch ein Widerspruch, weil wir haben 0 ≤ d(x0 , yn ) ≤ d(xn , yn ) + d(x0 , xn ) → 0, und damit yn → x0 . Weil B abgeschlossen ist gilt x0 ∈ B, und daswegen x0 ∈ A ∩ B = ∅. ⇐ Dies folgt direkt aus der Tatsache, dass falls x ∈ A ∩ B, dann gilt 0 ≤ d(A, B) ≤ |x − x| = 0. Die Mengen A = N und B = {k + mit d(A, B) = 0 1 k+1 : k ∈ N} sind zwei disjunkte abgeschlossene Teilmengen von R Aufgabe 2 (12 Punkte) Wir erinnern uns an die Definition von lim inf und lim sup. Sei (An )n∈N eine Folge von Mengen. Wir definieren ∞ \ ∞ ∞ [ ∞ [ \ lim inf An := Ak , lim sup An := Ak . n∈N n∈N n=0 k=n Berechnen Sie folgendes: 1 n=0 k=n • (1 Punkt) lim inf n En , wobei l l∈N . 2n l l ∈ N . n En := • (1 Punkt) lim supn En , wobei En := • (2 Punkte) lim inf n Krn (0) und lim supn Krn (0), wobei rn := 2(−1) n n . • (4 Punkte) |lim inf n En |e , wobei (En )n∈N eine Folge von messbaren Mengen ist, deren äussere Masse |En |e gegen 0 gehen. P • (4 Punkte) |lim supn En |e , wobei (En )n∈N eine Folge von messbaren Mengen ist, so dass n |En |e < ∞. Lösung: • Wir bemerken, dass für jedes k ∈ N, Ek ⊆ Ek+1 . Somit haben wir lim inf En = n ∞ [ En = n=0 l | k, l ∈ N 2k • Wir zeigen, dass lim supn En = Q≥0 . Tatsächlich sehen wir, dass En ⊆ Q≥0 ∀n und deshalb lim supn En ⊆ Q≥0 . Für die andere Inklusion sei x ∈ Q≥0 . Wir müssen zeigen, dass \ [ x∈ Ek . n≥0 k≥n D.h., wir üssen zeigen, dass x∈ ∀n ∈ N . D.h., wir müssen zeigen, dass, für jede gegebene n ∈ N, es eine natürliche Zahl k ≥ n gibt so dass x ∈ Ek . Das bedeutet x= l k für ein k ≥ n und ein l ∈ N. (1) Wir schreiben x = pq mit p, q ∈ N\{0} (der Fall x = 0 ist trivial). Falls nun q ≥ n gilt offensichtlich (1). Falls q < n schreiben wir x = pm qm , wobei m die kleinste natürliche Zahl mit qm ≥ n ist. • Es gilt lim inf Krn = n lim sup Krn = n ∞ \ ∞ [ n k≥n ∞ ∞ \[ K2(−1)k k = ∞ [ {0} = {0}. n K2(−1)k k = n k≥n ∞ \ RN = RN . n • Wir bemerken, dass jedes ∩k≥n Ek Mass null hat. Tatsächlich, für jedes n ∈ N haben wir, ∞ \ En ≤ |Ej |e k=n Also ∀j ≥ n . e ∞ \ En ≤ lim inf |Ej |e = 0. j→∞ k=n e 2 (2) Die Subadditivität des äusseren Masses impliziert ∞ ∞ \ ∞ (2) X X En = 0 = 0. lim inf En ≤ n e n=0 k=n n=0 e • Wir bemerken, dass lim supn En ⊆ ∪k≥n Ek . Somit, für jedes n, haben wir |lim inf En |e ≤ n ∞ X k=n |Ek |e |{z} −→ 0. n→∞ Aufgabe 3 (12 Punkte) Beweisen Sie, dass jede abzählbare Menge A ⊆ Rn messbar ist, und Mass null hat. Lösung: Wir schreiben A = (xk )k∈N ⊆ Rn . Weil Punktmengen abgeschlossen sind ist A eine Fσ Menge, also messbar. Wir beweisen, dass |A|e = 0. Für jedes ε ∈ (0, 1), haben wir A ⊆ ∪k Q2−k ε (xk ), wobei Qr (x) der Würfel mit Kantenlänge r > 0 und Zentrum x ∈ Rn ist. Somit haben wir per Definition des äusseren Masses die folgende Ungleichheit: 0 ≤ |A|e ≤ X v(Q2−k ε (xk )) = k X X (2−k ε)n ≤ εn 2−kn = k k 1 ε. 1 − 2−n Da ε beliebig klein gewählt werden kann, folgt die Behauptung. Aufgabe 4 (12 Punkte) Beweisen Sie, dass die folgende Mengen messbar sind: • (1 Punkte) das Intervall [a, b), wobei a < b in R sind. • (1 Punkte) die Menge der rationalen Zahlen, Q. • (1 Punkte) die Menge der irrationalen Zahlen R \ Q. • (2 Punkte) der Rand ∂E einer beliebigen Menge E ⊆ Rn . • (3 Punkte) die Cantor-Menge. Sie wird wie folgt konstruiert: Sei I0 := [0, 1] das Einheitsintervall. Aus diesem Intervall wird das offene mittlere Drittel entfernt, also alle Zahlen, die strikt zwischen 31 und 32 liegen. Übrig bleiben die beiden Intervalle [0, 13 ] und [ 23 , 1]. Von diesen Intervallen werden wiederum die offenen mittleren Drittel entfernt. Dieser Schritt wird unendlich oft wiederholt. • (4 Punkte) Die Menge der Unstetigkeitsstellen einer monotonen Funktion. Lösung: • [a, b) = ∪n [a, b − n1 ] ist eine Fσ Menge. • Q ist abzählbahr. • R \ Q = Qc ist das Komplement einer messbaren Menge. • I0 ist eine abgeschlossene Menge. In jedem Schritt entfernen wir eine offene Menge, also ist jede Menge In abgeschlossen. Der Schnitt unendlich vieler abgeschlossen Mengen ist abgeschlossen. Also C = ∩n In ist abgeschlossen und deswegen messbar. 3 • Sei f : R −→ R monoton. Wir studieren die Menge der Unstetigkeitsstellen. Wir schreiben Uns(f ) := x ∈ R | lim− f (y) =: f (x− ) < f (x+ ) := lim+ f (y) =: f (x+ ) y→x . y→x Für jedes x ∈ Uns(f ) können wir eine rationale Zahl q(x) ∈ (f (x− ), f (x+ )) finden. Wenn y > x zwei Elemente von Uns(f ) sind, dann q(x) < f (x+ ) ≤ f (y + ) < q(y). Deswegen ist die Funktion x ∈ Uns(f ) → q(x) ∈ Q injektiv, und damit ist Uns(f ) abzz̈halbahr. Bemerken Sie, dass Uns(f ) Mass null hat. Aufgabe 5 (K, 12 Punkte) Die Übung ist der eindimensionale Satz von Sard: Sei f : R −→ R eine stetig differenzierbare Funktion. Dann hat die Menge der kritischen Werte W (f ) := { f (x) : x ∈ Rn und f 0 (x) = 0 } äusseres Mass null. Lösung: Sei Critm (f ) die Menge der kritischen Punkten im Intervall [m, m + 1], nämlich, Critm (f ) := { x ∈ [m, m + 1] | f 0 (x) = 0 } . Dann [ W (f ) := f (Critm (f )) m∈Z und, wegen der Subadditivität des äusseren Masses, genügt es |f (Critm (f ))|e = 0 ∀m ∈ Z zu zeigen. OBdA betrachten wir nur Crit0 (f ). Sei nun ε eine gegebene positive Zahl und sei Aε := {x ∈] − 1, 2[: |f 0 (x)| < ε}. Da x 7→ |f 0 (x)| stetig ist, ist Aε offen. Ausserdem ist Crit0 (f ) ⊆ Aε . Für jedes x ∈ Aε sei I(x) ein Intervall in Aε das x enthält. {I(x)}x∈Crit0 (f ) ist eine offene Überdeckung der kompakten Menge Crit0 (f ) und deshalb gibt es eine endliche Teilüberdeckung {I(x1 ), . . . , I(xN )}. Nehmen wir die abgeschlossene Hülle J(xi ) von I(xi ) für jedes i und sei F = {J(x1 ), . . . , J(xN )}. Bemerken Sie, dass maxJ(xi ) |f 0 | ≤ ε für jedes i. Falls J(xi ) ∩ J(xj ) 6= ∅ für irgendwelche i 6= j, dann nehmen wir eine neue Famile F 0 , wo wir die zwei Intervalle J(xi ) und J(xj ) mit der Vereinigung ersetzen: die Familie F 0 hat also weniger Elemente als die Famile F. Wir wiederholen diese Operation: nach endlich vielen Schritten bekommen wir eine endliche Familie G = {J1 , . . . , Jm } von abgeschlossenen Intervallen so dass • G aus m disjunkten Intervallen besteht; Sm • Crit0 (f ) ⊆ k=1 Jk ; • maxJk |f 0 | ≤ ε und Jk ⊆ [−1, 2] für jedes k ∈ {1, . . . , m}. Jedes f (Ji ) ist ein abgeschlossenes Intervall und v(f (Jk )) = max f − min f ≤ v(Jk ) max |f 0 | ≤ εv(Jk ) . Jk Jk Jk 4 Andererseits ist {f (Jk ) : k ∈ {1, . . . , m}} eine Überdeckung von f (Crit0 (f )). Deshalb ist |f (Crit0 (f ))|e ≤ m X v(f (Jk )) ≤ ε j=1 m X v(Jk ) ≤ 3ε . j=1 Da ε eine beliebige positive Zahl ist, schliessen wir |f (Crit0 (f ))|e = 0. 5