30.06.2015 Trusted evidence. Informed decisions. Better health. Warum Studienergebnisse falsch sein können Studiendesigns und Randomisierte kontrollierte Studien 19. Sommerakademie für ApothekerInnen Pörtschach am Wörthersee, 26.-28. Juni 2015 Barbara Nußbaumer, MSc BSc Bakk. Studien haben gezeigt … … wissenschaftlich bewiesen … 1 30.06.2015 „Die positive Wirkung des Zirbenholzes auf den Schlaf ist wissenschaftlich belegt“ 1 einzige Studie mit 15 TeilnehmerInnen Grote v et al. (2003) Evaluation der Auswirkungen eines Zirbenholzumfeldes auf Kreislauf, Schlaf, Befinden und vegetative Regulation. ForschungsberichtJoanneum Research, Institut für Nichtinvasive Diagnostik. Arten von Studien Experimentelle Studien Beobachtungsstudien 2 30.06.2015 Studientypen Experimentelle Studien • UntersucherIn greift ein und setzt Intervention • UntersucherIn teilt Personen in Gruppen –z.B.: Gruppe 1: Medikament, Gruppe 2: Placebo Beobachtungsstudien • Beobachtung des natürlichen Verlaufs ohne einzugreifen Ohne oder mit Kontrollgruppe Gruppe 1: Medikament Vorher Nachher Gruppe 1: Medikament Nachher Gruppe 2: Placebo Nachher 3 30.06.2015 Antidepressiva bei Demenzkranken Studie ≠ Studie Hierarchie der Evidenz Systematische Übersichtsarbeiten, Meta-Analysen Randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) Beobachtungsstudien mit Kontrolle Studien ohne Kontrolle Beschreibung von Einzelfällen 4 30.06.2015 Überblick Studiendesigns Wurde eine Intervention gesetzt ? Ja Nein Experimentelle Studie Beobachtungsstudie Randomisierung? Nein Ja randomisierte kontrolllierte Studie Kontrollgruppe? nicht -randomisierte kontrollierte Studie Ja Analytische Studie Nein Beschreibende Studie Untersuchungsrichtung ? Fallbericht und Fallserie Kohortenstudie Fall-Kontroll Studie Querschnittsstudie Exposition → Outcome Exposition ← Outcome Exposition und Outcome zur gleichen Zeit Ökologische Studie Grimes and Schulz. Lancet 2002; 359: 57–61 Beobachtungsstudie Kohortenstudie 5 30.06.2015 Nurses‘ Health Study Kohortenstudie Kardiovaskuläre Erkrankung Hormonersatztherapie Keine kardiovaskuläre Erkrankung Gesunde Krankenschwestern Kardiovaskuläre Erkrankung Keine Hormonersatztherapie Keine kardiovaskuläre Erkrankung Zeit 6 30.06.2015 Nurses‘ Health Study … zeigte Reduktion des Risikos für koronare Herzerkrankungen bei Frauen mit Hormonersatztherapie (Östrogen und Progestin). Vorsicht bei Kohortenstudien Women‘s Health Initiative: • RCT • 16.608 Frauen zwischen 50 und 79 Jahren (1993 bis 2002) • Östrogen plus Progestin vs. Placebo • Erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen bei Frauen mit Hormonersatztherapie 7 30.06.2015 Confounding (Störfaktor) Confounder (Störfaktoren) Erhöhtes Risiko für Lungenkarzinom 8 30.06.2015 Confounding in der Nurses‘ Health Study • Stärkeres Gesundheitsbewusstsein • Besserer Zugang zum Gesundheitswesen • … Confounder (Störfaktoren) • Störfaktoren, die im Hintergrund wirken und die man kennt (z.B.: Alter, Geschlecht) kann man statistisch kontrollieren • Unbekannte Störfaktoren -> einzige Lösung RANDOMISIERUNG 9 30.06.2015 Experimentelle Studie Randomisierte kontrollierte Studie (RCTs) Randomisierte kontrollierte Studien Bestes Studiendesign • um nachzuweisen, ob eine Therapie wirksam ist (Kausalität) • um Fehlerquellen zu minimieren 10 30.06.2015 Randomisierung • „at random“ = zufällig • Zufall entscheidet, welche Intervention ein/e PatientIn erhält • Durch Randomisierung sind sich die Gruppen in Bezug auf bekannte und unbekannte Faktoren ähnlich Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen mit Atorvastatin bei Personen mit Typ 2 Diabetes 11 30.06.2015 Beispielstudie 2838 PatientInnen zwischen 40-75 Jahre ohne vorangegangen Herzerkrankungen mit Diabetes Typ 2 wurden eingeschlossen Zufällige Aufteilung auf Gruppen: 1428 Personen in Gruppe 1: Atorvastatin 10 mg/täglich 1410 Personen in Gruppe 2: Placebo 1 Tablette/täglich Colhoun et al. on behalf of the CARDS investigators, Primary prevention of cardiovascular disease with atorvastatin in type 2 diabetes in the Collaborative Atorvastatin Diabetes Study (CARDS): multicentre RCT, The Lancet, 364, 9435, 685-696. Vergleichbarkeit der Gruppen Colhoun et al. on behalf of the CARDS investigators, Primary prevention of cardiovascular disease with atorvastatin in type 2 diabetes in the Collaborative Atorvastatin Diabetes Study (CARDS): multicentre RCT, The Lancet, 364, 9435, 685-696. 12 30.06.2015 Randomisierung hilft • Gegen Confounding • Gegen systematische Fehler bei der Aufteilung auf Gruppen (Selektionsbias) Systematischer Fehler (Bias) 13 30.06.2015 Selektionsbias Lösung: Randomisierung Randomisierung In kleinen Studien, kann es trotz guter Randomisierung zu einer ungleichen Verteilung in Bezug auf bekannte und unbekannte Confounder kommen 14 30.06.2015 Zufälliger Fehler Zufälliger Fehler • Bei Studien unter 300 Teilnehmern kann Zufallsvariabilität zu Ungleichverteilung von Patientencharakteristika führen • Ereignisraten 15 30.06.2015 Medikament oder Placebo, wer wusste es? • Patienten/Patientinnen • MitarbeiterInnen an der Studie • Personen, die Endpunkte beurteilten Verblindung • Unbewusste Beeinflussung durch TeilnehmerIn und/oder UntersucherIn soll ausgeschaltet werden • Besonders wichtig, wenn das Ergebnis subjektiv ist (z.B. Schmerz, Lebensqualität) • Verblindung nicht immer möglich (Ethik) 16 30.06.2015 Systematischer Fehler (Bias) Detectionbias Lösung: Verblindung 17 30.06.2015 Performancebias Lösung: Verblindung Beispielstudie Ergebnis: Risiko für ein kardiovaskuläre Ereignis (z.B.: Herzinfarkt, Schlaganfall) innerhalb von 4 Jahren ist um 37% geringer für Patienten/Patientinnen unter Atorvastatin-Therapie Colhoun et al. on behalf of the CARDS investigators, Primary prevention of cardiovascular disease with atorvastatin in type 2 diabetes in the Collaborative Atorvastatin Diabetes Study (CARDS): multicentre RCT, The Lancet, 364, 9435, 685-696. 18 30.06.2015 Vertrauen in die Beispielstudie • Randomisiert kontrollierte Studie Bestes Studiendesign um Wirksamkeit nachzuweisen • Randomisierung: zufällig und unvorhersehbar Hilft gegen Confounding und Selektionsbias • Verblindung: PatientenInnen, MitarbeiterInnen, Personen, die Endpunkt erheben Hilft gegen Detectionbias und Performancebias • Große Studiengröße Minimiert Zufallsfehler Fehlerquellen in Studien • Confounding • Zufälliger Fehler • Systematischer Fehler (Bias): - Selektionsbias - Detectionbias - Performancebias - Weitere Arten von Bias 19 30.06.2015 Komponenten eines Studienresultats Potentielle Fehlerquelle Potentielle Fehlerquelle Bias, Confounding Studiendesign, Durchführung, Analyse Zufall Stichprobengröße Wahrheit RCT vs. Kohortenstudie RCT Kohortenstudie Population Population Zufällige Zuteilung + gesetzte Intervention Medikament Kontrolle Nicht-randomisierte Zuteilung (z.B. selbst ausgewählt) Medikament Kontrolle 20 30.06.2015 RCTs vs. Kohortenstudien RCTs Kohortenstudien • Goldstandard um Wirkung einer Intervention nachzuweisen • Geeignet um kurzfristige Nebenwirkungen zu identifizieren • Wenn Randomisierung nicht möglich • Gut geeignet um seltene, späte Nebenwirkungen zu identifizieren Klinische Forschung Nach präklinischer Phase (In-vitro Tests und Tiermodellen) Klinische Prüfung Phase I Phase II Phase III Phase IV Braucht Genehmigung vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen + positives Votum der Ethikkommission 21 30.06.2015 Phase I – Prüfung der Pharmakokinetik • Ziel: Informationen über die Verträglichkeit, die Resorption, die Ausscheidung und eventuelle Metabolite • Studienpopulation: meist gesunde Freiwillige (ca. 1050) • Ausnahme: Behandlung schwerer Erkrankungen mit zu erwartenden erheblichen Nebenwirkungen (Onkologie) • Dauer: Wochen • Studiendesign: meist noch ohne Kontrollgruppe www.pharmig.at TGN1412 (London 2006) • Wirkstoff zur Behandlung von Multipler Sklerose, Blutkrebs und Rheuma vorgehsehen • Alle 6 Männer -> Intensivstation (Multiorganversagen) • Konsequenz – sequentielle Verabreichung (EMA) , H. (2010). TGN1412: From Discovery to Disaster. Journal of Young Pharmacists : (3), 332–336. doi:10.4103/0975-1483.66810 22 30.06.2015 Phase II - Dosisfindung • Ziel: Erhebung bestmöglicher therapeutischer Dosis, Verträglichkeit, mögliche Interaktionen • Studienpopulation: ausgewählte PatientInnen mit einschlägiger Erkrankung (ca. 50-200) • Dauer: Monate • Studiendesign: (randomisiert), kontrolliert, verblindet • Gruppen mit unterschiedlichen Dosierungen und eine Placebo-Gruppe www.pharmig.at Phase III – Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit • Ziel: signifikanter Wirkungsnachweis, Erkennen von Nebenwirkungen, Wechselwirkungen • Studienpopulation: PatientInnen mit Erkrankung (ca. 200-10.000) • Dauer: Monate bis Jahre • Studiendesign: randomisiert, kontrolliert, verblindet • Ist Phase III Prüfung positiv abgeschlossen – Antrag auf Zulassung des Wirkstoffes bei zuständiger Behörde www.pharmig.at 23 30.06.2015 Phase IV – Klinische Untersuchung nach der Zulassung • Ziel: weitere Risiko-Nutzen-Abschätzung mit größerem/anderem Patientenkollektiv wenn die zugelassene Anwendung um zusätzliche Untersuchungen bzw. Interventionen erweitert wird. • Dauer: Jahre • Phase IV Studien unterliegen den selben gesetzlichen Bestimmungen wie klinische Studien der Phase I bis III. www.pharmig.at, www.meduniwien.ac.at Nicht-interventionelle Studien (NIS) • Früher als „Anwendungsbeobachtungen“ bezeichnet • Keine klinische Prüfung (gesetzlich) • Art und Dauer der Anwendung entspricht zugelassener Fach- bzw. Gebrauchsinformation • Keine zusätzlichen diagnostischen, therapeutischen, oder belastenden Maßnahmen • = Beobachtungsstudie unter Realbedingungen www.pharmig.at 24 30.06.2015 www.pharmig.at Sponsoring „Veröffentlichte Arzneimittelstudien, die von pharmazeutischen Unternehmen finanziert werden oder bei deren Autoren ein finanzieller Interessenkonflikt vorliegt, ergeben häufiger ein für die Pharmafirma vorteilhaftes Ergebnis als aus anderen Quellen finanzierte Untersuchungen. Außerdem werden die Resultate öfter zugunsten des Sponsors interpretiert als in unabhängig finanzierten Studien.“ Gisela Schott: Finanzierung von Arzneimittelstudien durch pharmazeutische Unternehmen und die Folgen – Teil 1: Qualitative systematische Literaturübersicht zum Einfluss auf Studienergebnisse, -protokoll und -qualität (dt.), Dtsch Arztebl Int 2010; 107(16): 27985 25 30.06.2015 Fazit • Studiendesign ≠ Studiendesign • Bestes Studiendesign, um Ursache-Wirkung zu zeigen: Randomisierte kontrollierte Studie • Kohortenstudie u.a. wichtig zur Identifizierung seltener Nebenwirkungen • Fehlerquellen: Zufall, Bias und Confounding Masern-Mumps-Röteln-Impfung & Autismus 26 30.06.2015 Wissenschaftlich belegt… Vielen Dank! [email protected] 27