6 SCHWERPUNKT Ausgabe 24 / 30. November 2007 Gesundheit und mehr... HINTERGRUND Wissen kann Leben retten IV, Rezeptoren, Helferzellen – viele Menschen haben diese Begriffe schon einmal gehört oder benutzen sie im Sprachgebrauch – die die meisten wissen leider nicht, was sich dahinter verbirgt. An dieser Stelle wollen wir Verständnis ins Halbwissen bringen. Das Wissen kann Leben retten – vor allem das eigene! H nen. HIV ist ein Retrovirus. Das HIVirus muss sich, wie Viren im Allgemeinen, in anderen Lebewesen ansiedeln, um sich vermehren zu können. Dazu muss es in die lebenden Zellen des anderen Lebewesens eindringen. Nachdem dies geschehen ist, baut das Virus seine binden beziehungsweise andocken zu können, benützt das HIVirus je zwei Rezeptoren, die sich auf der Zelloberfläche befinden. Sozusagen nach dem SchlüsselSchloss-Prinzip bindet das Virus an die entsprechende Zelle an und kann dann auch in diese eindrin- Die Bezeichnung Aids ist eine Abkürzung für den englischsprachigen Begriff acquired immuno deficiency syndrome. In deutscher Übersetzung bedeutet dies soviel, wie ein Krankheitsbild, das sich aus einer Gruppe von Krankheitszeichen beziehungsweise Krankheiten ergibt (syndrome), die bedingt sind durch einen erworbenen (acquired) Immundefekt (immuno deficiency), also einer Schwäche des Abwehr- systems des menschlichen Körpers gegenüber Krankheitserregern. Vereinfacht könnte man sagen, Aids zu haben bedeutet, an einer Reihe von sonst eher seltenen Krankheiten wie speziellen Formen von Lungenentzündungen, Tumoren, Krebs und anderen Infektionskrankheiten zu leiden. Dies ist bedingt durch eine Immunschwäche, die durch eine Ansteckung mit dem HI-Virus (HIV, siehe Grafik) ausgelöst wird. HIV ist die Bezeichnung für das Virus, das die Hauptursache für Aids ist. HIV steht für human immunodeficiency virus, was soviel heißt, wie menschliches Immundefekt-Virus. Eine Ansteckung mit HIV führt heute fast immer zu Aids. Dies dauert jedoch meist viele Jahre. Das HI-Virus befällt wichtige Zellen des menschlichen Immunsystems und zerstört diese. Da sich das Immunsystem nicht – wie bei vielen anderen Erregern schon – gegen HIV wehren kann, wird es immer stärker geschädigt. Dies führt dazu, dass Krankheiten nicht oder nur schlecht abgewehrt werden kön- Erbanlage in die der Wirtszelle ein. Danach stellt die befallene Zelle neue Viren her und schleust diese aus der Zelle. Die Wirtszelle wird durch den gesamten Vorgang geschädigt oder zerstört. Das HI-Virus, das sich im menschlichen Körper befindet, sucht sich hauptsächlich zwei verschiedene Arten von Zellen aus, um diese zu infizieren. Das eine sind die so genannten T-Zellen des Immunsystems (auch T-Helferzellen genannt), das andere sind die Makrophagen, die Fresszellen des menschlichen Immunsystems. Um überhaupt an diese Zellen an- gen und verliert dabei seine Hülle. Das genetische Material, die Erbanlagen des HIV (ein RNA-Genstrang) werden nun mit Hilfe eines mitgebrachten Enzyms namens Reverse-Transkriptase zu einem DNA-Genstrang verdoppelt. So erst können die HIV-Gene in das Erbgut der infizierten Zelle eingebaut werden. Auf diese Weise gelingt es dem Virus, die Zelle unter seine Herrschaft zu bringen und sie zur Herstellung neuer Virusbestandteile zu zwingen. Diese Einzelteile neuer Viren müssen jedoch, bevor sie zu neuen Viren zusammengesetzt und aus der Zelle ausgeschleust werden, zuerst noch zurechtgeschnitten werden. Dazu dient ein Enzym, das den Namen Protease trägt. Sobald das HI-Virus in den menschlichen Körper eingedrungen ist, beginnt es sich zu vermehren. Dies geschieht ungefähr so wie eben beschrieben. Die Zellen, die dabei befallen werden, sind wichtige Zellen des menschlichen Immunsystems. Dadurch, dass diese zerstört oder geschädigt und fehlgesteuert werden, wird die körpereigene Abwehr des infizierten Menschen geschwächt. Dies ist mitunter der Grund dafür, warum Krankheitserreger, mit denen ein funktionierendes Immunsystem ohne weiteres fertig wird, dann schwere Erkrankungen auslösen können. Der Verlauf einer HIV-Infektion lässt sich nicht verallgemeinernd voraussagen und unterliegt meist starken Schwankungen. Krankheiten können auftreten, müssen es aber nicht. Krankheitszeichen, die im Verlauf einer HIVInfektion auftreten, sind im einzelnen betrachtet unspezifisch, das heißt, sie treten auch bei vielen anderen Krankheiten auf. Man spricht zur Zeit davon, dass die Hälfte der HIV-Infizierten nach zehn bis zwölf Jahren noch keine Symptome von Aids haben. Diese Zeit zwischen der Infektion und dem Auftreten von Krankheitsbeschwerden wird Latenzphase genannt. In dieser Phase ruhen die HI-Viren nicht, sondern vermehren sich stetig, werden aber auch gleichzeitig vom Immunsystem wieder abgebaut. Irgendwann kommt das Verhältnis jedoch aus dem Gleichgewicht. Die Anzahl der Viren im Blut steigt an und die Anzahl der T-Helferzellen nimmt ab. Man spricht von Folgendem: Je niedriger die Zahl der T-Helferzellen ist, desto wahrscheinlicher treten Krankheiten auf. Die Zahl der Viren (Viruslast) im Blut kann ge- messen werden. Die Zahl der T-Helferzellen ebenfalls. HIV kann sich aber auch in den Lymphknoten und im Gehirn aufhalten. Unter das Krankheitsbild, das als Aids bezeichnet wird, fallen viele Erkrankungen wie eine spezielle Form der Lungenentzündung (Pneumocystis carinii Pneumonie), infektiöse Erkrankungen anderer Organe durch Hefepilze (zum Beispiel Candidosen von Trachea, Bronchien und Lunge), schwere Erkrankungen durch Herpes-Viren, Hautkrebs (Karposi-Sarkom), Blutkrebs (Lymphome) und Erkrankungen des Gehirns (HIV-Enzephalopathie, Toxoplasmen-Enzephalitis). Gegen HIV gibt es bis heute keinen Impfstoff, um eine Ansteckung zu verhindern. Auch gibt es kein Mittel, dass das HI-Virus so bekämpfen würde, dass es vollständig aus dem menschlichen Körper verschwindet. Aids ist bis heute nicht heilbar. Dennoch gibt es immer mehr und auch immer effizientere Möglichkeiten zur Therapie. Eine Möglichkeit gegen das HIV vorzugehen ist, dort anzusetzen, wo sich das HI-Virus vermehrt. Es gibt mittlerweile drei Klassen von virushemmenden Medikamenten, die in diesen Prozess an zwei verschiedenen Stellen eingreifen. Es sind dies einmal zwei Typen von Reverse-Transkriptase-Hemmer (sie verhindern das Umschreiben der HIV-Gene von RNA zu DNA durch Blockade des Enzyms Reverse-Transkriptase) und die Protease-Hemmer (sie hemmen das Enzym Protease und verhindern so den Zusammenbau der in der infizierten Wirtszelle produzierten HIV-Einzelteile). Auch wird die so genannte Kombinationstherapie diskutiert. Dabei werden drei Medikamente (Transkriptase- und Protease-Hemmer) kombiniert verabreicht. red PRÄVENTION Es bleibt dabei: Kondome schützen as HI-Virus ist im Gegensatz zu anderen Viren (wie dem Grippevirus) ein schwer übertragbares Virus. Es befindet sich vor allem im Blut eines Menschen, im Sperma des Mannes und auch in der Scheidenflüssigkeit der Frau, wenn diese mit HIV infiziert sind. Das bedeutet, dass beim Sex immer noch gilt: Kondome schützen. Wer kein Geld hat, sich diese zu kaufen, bekommt sie in Beratungsstellen und kommunalen Gesundheitseinrichtungen. D Für eine Ansteckung mit HIV muss einerseits eine ausreichende Menge davon vorhanden sein und andererseits muss das Virus auf irgendeinem Wege in die Blutbahn gelangen können. Dies kann geschehen durch offene Hautverletzungen, über die Schleimhäute oder direkt – zum Beispiel durch Bluttransfusionen oder beim Drogengebrauch über eine gemeinsam benutzte Nadel. Schleimhäute, die dafür in Frage kommen, befinden sich beispielsweise im Enddarm, am Glied – das Ende der Harnröhre –, im Mund oder in der Scheide. Diese können zudem noch, ohne dass dies spürbar ist, verletzt sein und winzige Hautrisse haben. Dies bedeutet, dass HIV vor allem über ungeschützten Geschlechtsverkehr und über die gemeinsame Benutzung von Spritzen und Nadeln übertragen werden kann. HI-Viren wurden zwar auch in Speichel, Urin, Kot, Schweiß und Tränenflüssigkeit nachgewiesen, aber für eine Ansteckung reichen die dort vorhandenen Mengen nicht aus. Nicht übertragbar ist HIV also beim alltäglichen Umgang mit Menschen – sei es auf der Straße, am Arbeitsplatz oder im Privatleben – auch nicht durch Händeschütteln, Anhusten oder Anniesen. Ebenso nicht durch Umarmen, Streicheln, Küssen, nicht durch die gemeinsame Benutzung von Essgeschirr, Toiletten und anderen sanitären Wenn die Leidenschaft brennt: Die wenigen Momente, um ein Einrichtungen. red Kondom überzustreifen, hat jedes Liebespaar. Fotos: Condomi