Leseprobe Christa/Schellberg Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen MARKETING SOZIALER UND ÖFFENTLICHER UNTERNEHMEN Studienbrief 2-020-1602 2. Auflage 2010 HDL HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Impressum Die Berufsbezogenen Weiterbildungsstudiengänge Sozialmanagement und Öffentliches Dienstleistungsmanagement in der Studienform Fernstudium wurden als Projekt entwickelt und durch die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gefördert. Verfasser: Prof. Dr. Harald Christa Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden Prof. Dr. Klaus Schellberg Diplom-Kaufmann Professor für Betriebswirtschaftslehre in Sozialunternehmen im Fachbereich Sozialwesen an der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Modul „Marketing sozialer und öffentlicher Unternehmen“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums und des Studienbriefes erfolgten durch den Fachausschuss für Sozialmanagement, dem folgende Mitglieder angehören: Dr. P. Bachmann (TH Wildau (FH)), Prof. Dr. H. Bassarak (FH Nürnberg), RD G. Guldner (em., TH Wildau (FH)), Prof. Dr. L. Kolhoff (Ostfalia Hochschule), Prof. D. Kramer PhD (ASH Berlin), Dipl.-Philosoph T. Liewald (Parität. Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. K. Schellberg (EFH Nürnberg), Prof. Dr. G. Schwarz (em., HS München/Inst. f. Sozialmanagement, München), Prof. Dr. L. Ungvári (TH Wildau (FH)), Prof. Dr. S. Wagner (Parität. Akademie gGmbH, Berlin), Prof. Dr. A. Wöhrle (HS Mittweida), Dr. R. Wulfert (Service-Agentur des HDL, Brandenburg). 2. Auflage 2010 ISBN 978-3-86946-057-4 Redaktionsschluss: Oktober 2010 Studienbrief 2-020-1602 © 2010 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) Leiter: Dr. Reinhard Wulfert c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 0 33 81 - 35 57 40 E-Mail: [email protected] Fax: 0 33 81 - 35 57 49 Internet: http://www.aww-brandenburg.de Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Inhaltsverzeichnis Einleitung..........................................................................................................................................................................................5 Literaturempfehlung.....................................................................................................................................................................6 1 Die Marketinganalyse................................................................................................................................................7 1.1 Zielgruppen- und Marktanalyse...........................................................................................................................................................7 1.2 Analyse des Kundenverhaltens.............................................................................................................................................................9 1.3 Konkurrentenanalyse.............................................................................................................................................................................11 1.4 Unternehmensanalyse.......................................................................................................................................................................... 12 1.5 Analyse des Marketingproblems....................................................................................................................................................... 14 1.6 Zielanalyse................................................................................................................................................................................................. 15 1.7 Instrumente der Marktforschung..................................................................................................................................................... 17 2 Marketingprogramme........................................................................................................................................... 20 2.1 Entwicklung des Marketingprogramms......................................................................................................................................... 20 2.2 Bestimmung von Budgets................................................................................................................................................................... 22 2.3 Personaleinsatz im Marketing – Marketing in Eigenfertigung oder Fremdvergabe..................................................... 23 2.4 Marketing-Controlling.......................................................................................................................................................................... 24 3 Marketingstrategien............................................................................................................................................... 25 3.1 Marketingstrategien in der öffentlichen Verwaltung................................................................................................................ 25 3.1.1 Politikorientierte Marketingstrategien........................................................................................................................................... 25 3.1.2 Dienstleistungsorientierte Marketingstrategien........................................................................................................................ 27 3.1.3 Gesellschaftsorientierte Marketingstrategien............................................................................................................................. 30 3.1.4 Stadt- und Regionalmarketing........................................................................................................................................................... 31 3.2 Marketingstrategien in sozialen Unternehmen...........................................................................................................................34 3.2.1 Corporate Identity..................................................................................................................................................................................34 3.2.2 Ressourcenorientierte Marketingstrategien – Spendenwerbung........................................................................................ 38 3.2.3 Absatzorientierte Marketingstrategien.......................................................................................................................................... 39 3.2.4 Markenpolitik............................................................................................................................................................................................ 41 Antworten auf die Kontrollfragen und Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben.......................................... 44 Literaturverzeichnis.................................................................................................................................................................... 50 Sachwortverzeichnis.................................................................................................................................................................. 52 HDL 34 Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen 3.2 Marketingstrategien in sozialen Unternehmen Marketingstrategien in sozialen Unternehmen berühren in der Regel Entscheidungen zur mittelfristigen Ausrichtung der Angebote, zu Zielgruppen und entsprechenden Marketingmaßnahmen. Im Folgenden sollen in diesem Kontext Studienziele •• die typischen Gestaltungsfragen für die Bereiche Corporate Identity, •• Spendenwerbung, •• Absatzoptimierung sowie •• Markenpolitik für soziale Unternehmen dargestellt werden. 3.2.1 Corporate Identity Ausgehend von den Thesen der Marketingliteratur, denen zufolge kommunikative Prozesse einer Organisation zusammen mit dem Corporate Design und dem Corporate Behaviour letztendlich gleichzeitig Teil und Basis der spezifischen Corporate Identity (CI) einer Organisation im Sinne einer „einheitlichen und prägnanten Unternehmenspersönlichkeit“ (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 609) sind, sollen nun die Potenziale und Ansatzpunkte einer strategischen CI-Politik für öffentliche und soziale Unternehmen thematisiert werden. Definition Das Bemühen um eine starke und aussagefähige Corporate Identity kann hierbei definiert werden als Darstellung der Unternehmung, so wie sie von ihren Zielgruppen nach eigenem Wunsch und gemäß ihrer Strategie gesehen werden möchte. Hierbei ist zu beachten, dass CI-Politik als Aufbau eines einheitlichen Gesamterscheinungsbildes einer Organisation – und als Teil ihres Bemühens um die Ausrichtung des Erscheinungsbildes und der gesamten Mitarbeiterschaft auf ein definiertes Soll-Image – außenwirksam ausgestaltet werden muss, jedoch auch als „internes Marketing“ zu konzipieren ist, im Hinblick auf die Gestaltung der Austauschprozesse mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. HDL Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Das folgende Bild 3.2 zeigt, was zu berücksichtigen ist, um eine profilierte und positive Corporate Identity zu erhalten: Vision Behaviour Design Corporate Identity Wording Advertising Citizenship Bild 3.2 Facetten der Corporate Identity Facetten der Corporate Identity XX Eine ambitionierte und gemeinsam geteilte Vision im Hause schafft Motivation und ein „Wir-Gefühl“ unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unternehmung. Viele positive Beispiele aus der Erwerbswirtschaft bezeugen die Wirksamkeit dieser Strategie, die insbesondere im sozialen Bereich auch eng an Fragen der Leitbildformulierung geknüpft ist. XX Ein einheitliches Design sowie ein eindeutig wiedererkennbarer Werbeauftritt (Advertising) sorgen für die Verbindung von Unternehmen bzw. Marke und visueller Visitenkarte. XX Ein den Grundsätzen der Organisation entsprechendes Verhalten (Behaviour) nach innen und außen garantiert die positive Identifikation der Organisation in allen wichtigen Kontaktsituationen der Unternehmung mit ihren Zielgruppen. Natürlich gilt dieses Gebot auch für den internen Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander. XX Im „Corporate Wording“ als engere und weitere Frage der Wortwahl ist der „Stil des Hauses“ bei der Abfassung schriftlicher Dokumente, wie Geschäftsbriefe, Rechnungen bis hin zu Hinweisschildern, dem Leitbild und dem Selbstverständnis der Organisation anzupassen. Hierzu zählen auch Faktoren wie die „telefonische Visitenkarte“ der Unternehmung: Angesprochen sind Fragen von Freundlichkeit ebenso wie rasche und sichere Verbindung von Anrufern mit kompetenten Gesprächspartnern. XX Mit dem „Corporate Citizenship“ ist ein Faktor angesprochen, der vielen öffentlichen und sozialen Unternehmen bislang noch kaum bewusst ist, nämlich der Umstand, dass ihr Haus im jeweiligen Umfeld als „Mensch“ oder „Gemeindemitglied“ durchaus wahrgenommen und beurteilt wird. Zu diesbezüglich vom Umfeld wahrgenommenen Faktoren zählen Elemente, wie Umweltbelastung durch Emissionen und Lärm ebenso wie das Verhalten der Organisation als Arbeitgeber, als Steuerzahler etc. Viele soziale HDL 35 36 Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Organisationen werden bspw. darauf aufmerksam, dass das Verkehrsverhalten ihrer Zivildienstleistenden im Dienstfahrzeug imageprägend wirkt und veranlassen ihre Mitarbeiter, mehr Rücksicht im Straßenverkehr zu nehmen. Merksatz Ziel dieser Bemühungen ist es letztendlich: Über ein positives Image gegenüber konkurrierenden Anbietern Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Im Bereich des erwerbswirtschaftlichen Marketings wird von einem direkten Bezug zwischen positivem Produktimage und positiver Absatzentwicklung ausgegangen. Es können jedoch auch im öffentlichen und sozialwirtschaftlichen Sektor neuerdings intensivierte Bemühungen um die Formulierung und Implementierung einer Corporate Identity für die jeweiligen Einrichtungen beobachtet werden. Eine auf diesen Grundsätzen basierende Corporate Identity ermöglicht öffentlichen und sozialwirtschaftlichen Einrichtungen gleichzeitig den Aufbau einer inhärenten Arbeitskultur sowie die Vermittlung von Werthaltung, Kompetenz und Leistungsfähigkeit gegenüber Klienten, (Fach-)Öffentlichkeit und Mitarbeitern. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass die Kommunikationskultur und ‑logistik der Unternehmung im Hinblick auf ihre Potenziale und Restriktionen zur Vermittlung der eigenen Werteposition in vielen Schritten überprüft werden muss. Und dass auch im Hinblick auf das Corporate Design des Hauses möglicherweise wesentliche Modifikationen zu erfolgen haben. Hierbei ist insbesondere die Notwendigkeit des Ausdrucks eines eigenständigen Selbstverständnisses und kulturellen Erscheinungsbildes sozialer Organisationen zu betonen und davon auszugehen, dass die organisationsspezifische CI-Politik als determinierender Faktor für die Ausgestaltung eines positiven Images bei den Zielgruppen sozialer Einrichtungen (Spender, Sponsoren, Ehrenamtliche, Mitarbeiter) gilt. Selbst im Wettbewerb um Klienten und Zuwendungen der Kostenträger erhält die Frage der CI im Sozialbereich als Positionierungsfaktor mittlerweile größere Aufmerksamkeit als noch vor wenigen Jahren. Beispiel B 3.5 Im folgenden Beispiel sind die sieben Grundsätze des „Deutschen Roten Kreuzes“ dargestellt. Diese Formulierungen interpretieren die offiziellen Grundsätze der Bewegung: „Menschlichkeit Wir dienen Menschen, aber keinem System. Unser Auftrag ist es, überall in der Welt das Leben und die Gesundheit von Menschen zu schützen und menschliches Leiden unter allen Umständen zu verhindern oder zumindest zu lindern. Helfen ist ein Beitrag zum Frieden. HDL Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Unparteilichkeit Wir versorgen das Opfer, aber genauso den Täter. Wir helfen den Menschen einzig nach dem Maß ihrer Not und fragen nicht nach der Schuld. Wir leisten Hilfe, ohne dabei einen Unterschied zu Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion, sozialer Stellung oder politischer Zugehörigkeit zu machen. Neutralität Wir ergreifen die Initiative, aber niemals Partei. Jeder Mensch muß sich uneingeschränkt und voller Vertrauen an das Rote Kreuz wenden können. Es steht als Symbol der Menschlichkeit und Hilfe über allen Parteien. Wir enthalten uns deshalb der Teilnahme an politischen, rassischen, religiösen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen. Unabhängigkeit Wir gehorchen der Not, aber nicht dem König. Unsere Bewegung ist unabhängig. Obwohl die nationalen Gesellschaften den jeweiligen Landesgesetzen unterstellt sind, bewahren sie dennoch ihre Eigenständigkeit und stellen die menschlichen Grundsätze der Bewegung über die Zwänge der Macht. Freiwilligkeit Wir arbeiten rund um die Uhr, aber nie in die eigene Tasche. Wir leisten unsere Hilfe freiwillig und uneigennützig überall dort, wo Menschen in Not sind und wo deshalb Menschen der Tat gebraucht werden. Einheit Wir haben viele Talente, aber nur eine Idee. In jedem Land gibt es nur eine einzige Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft. Sie steht allen offen, die im Sinne Henry Dunants ihren Beitrag an der Menschheit leisten wollen, jeder an dem Platz, den er am besten ausfüllt. Universalität Wir achten Nationen, aber keine Grenzen. Die Internationale Bewegung vom Roten Kreuz und Roten Halbmond ist eine weltumfassende Institution, in der alle Gesellschaften gleiche Rechte haben und sich verpflichten, einander zu helfen.“ HDL 37 38 Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen 3.2.2 Ressourcenorientierte Marketingstrategien – Spendenwerbung An dieser Stelle sollen einige ausgewählte Strategien und Instrumente des Spendenmarketings referiert werden (vgl. mit Beispielen und instruktiv Fäh et al., 1991): XX Zu den nach wie vor gängigsten Instrumenten, die auf die Spendenabgabe durch Privatpersonen abzielen, sind das Mailing als Versendung von Spendenbriefen sowie die breitenwirksame Aufforderung über TV, Funk und Zeitungen/Zeitschriften zu zählen. Die Summe der jährlichen Spendeneinnahmen liegt im Milliardenbereich. Mailing und landesweite Medienpräsenz sind jedoch aus verschiedenen Gründen den wenigen großen spendensammelnden Organisationen wie bspw. „Deutsches Rotes Kreuz“ oder „Brot für die Welt“ vorbehalten. XX Im Wettbewerb um Spender sind diese Organisationen gezwungen, jenseits kostenintensiver Versendung von Bittbriefen und öffentlichkeitswirksamer Publicity über Medienauftritte auch flankierende Imagekampagnen im großformatigen Plakatbereich zu unternehmen, um als Organisation und „Marke“ im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent zu bleiben. XX Kleinere und eher unbekannte Organisationen bzw. solche, die lediglich auf regionaler oder kommunaler Ebene operieren, haben mangels Finanzausstattung und Reichweite andere Wege der Mittelbeschaffung zu gehen: Neben den gängigen Instrumenten wie Bußgeldmarketing1, Vor-Ort-Spendenaktionen, Wohltätigkeitsbasaren und dem Versuch, über die Steigerung von Mitgliederzahlen entsprechende Mehreinnahmen zu erreichen, haben sich auch intensivierte Versuche beobachten lassen, durch die Gründung von Fördervereinen und die gezielte Ansprache einkommensstarker Mitbürger weitere Ressourcen zu erschließen. XX In den vergangenen Jahren sind intensivierte Anstrengungen sozialer Organisationen im Bereich des Erbschaftsmarketings zu beobachten gewesen. Bei dieser Form der Spendenwerbung versucht die Einrichtung, über die Aufnahme in das Testament eines (möglichst wohlhabenden) Gönners Zuwendungen in Form von Geldmitteln oder auch Sachmitteln (Grundstücke, Häuser) zu erlangen. XX Zu bedenken ist hierbei, dass jede spendennachfragende Organisation des Dritten Sektors angesichts der starken Konkurrenz um knappe Spendengelder bemüht sein muss, den potenziellen Zuwendungsgebern hinreichende Anreize für die Vergabe von Mitteln zu bieten (s. Bild 3.3): 1 HDL Bußgelder werden von Gerichten, Staatsanwälten oder öffentlichen Institutionen bzw. Ämtern verhängt. Diese entscheiden, ob die Gelder an die Staatskasse oder an gemeinnützige Organisationen gehen. Um berücksichtigt zu werden, müssen Organisationen aktiv ihr Interesse an diesen Zuteilungen bekunden. Daher ist es ratsam, Kontakt zu den Entscheidern herzustellen und auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen. Die Bußgelder sind nicht zweckgebunden und daher besonders attraktiv. Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Spende Spender Zuwendungsempfänger Gegenleistung? Bild 3.3 Spende und Gegenleistung im Marketing Auch hier ist in austauschtheoretischer Hinsicht zu fragen, welche (immateriellen oder materiellen) Gegenleistungen anzubieten sind: XX Zu den immateriellen Gegenleistungen zählt bspw. das Gefühl, mit der Spende eine tatsächlich wirksame Hilfe zu bieten. XX Zu den materiellen Gegenleistungen zählen u. a. Spendenquittungen oder auch Einladungen zu Versammlungen der Förderer, die Aufnahme in einen Förderverein, die Vergabe von kleineren „Give-Aways“, wie Kalender oder Sticker der Organisation. 3.2.3 Absatzorientierte Marketingstrategien Absatzorientierte Marketingstrategien und Planungen konzentrieren sich – wie der Name bereits sagt – auf die Erhöhung und ggf. Maximierung des Absatzes und der Ausbringungsmenge an Leistungen. Hierbei ist noch einmal auf das in der öffentlichen Verwaltung und im Dritten Sektor dominierende Problem des „multiplen Kunden“ zu verweisen. Für jede Organisation ist mithin zunächst die Frage zu beantworten, wer als „Kunde“ in die engere Wahl der absatzorientierten Bemühungen zu nehmen ist: XX So darf bspw. im Bereich der stationären und ambulanten Altenpflege neben den direkt betroffenen Pflegebedürftigen nicht vergessen werden, dass auch (und nicht selten vor allem) die Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen über das Ob und Wie der Inanspruchnahme eines professionellen Anbieters entscheiden. XX In einigen Sektoren der Jugendhilfe sind dagegen die Entscheidungen über die Inanspruchnahme einer Einrichtung wesentlich bei den kommunal oder regional zuständigen Leistungs- und Kostenträgern anzusiedeln – diese also in den Fokus der absatzorientierten Marketingstrategie aufzunehmen. HDL 39 40 Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Marketingstrategien, die auf die Vermehrung von Absatz zielen, haben folgende Schritte zur Optimierung der Ausbringung zu befolgen: –– Neben der zu Beginn jeder diesbezüglichen Vorgehensweise stehenden Analyse des Absatzmarktes sowie fundierten Absatzprognosen –– sind Absatzmittler und Absatzkanäle zu überprüfen und ggf. weiterzuentwickeln (Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf den Abschnitt zur Distributionspolitik; s. u. Abschnitt 3.1.2.). –– Insbesondere sind hier jedoch die Instrumente des Marketing-Mix einzusetzen: So sind sowohl die Qualität der Leistung als auch der Preis und die Kommunikationspolitik der Organisation einer kritischen Analyse zu unterziehen und strikt auf die Bedürfnisse und den Bedarf der entscheidenden Zielgruppen abzustimmen. Innerhalb der absatzorientierten Marketingstrategien lassen sich zahlreiche weitere Strategietypen definieren. Für den Sozialmarkt relevant ist folgende Typologisierung: XX Marktdurchdringung Das Sozialunternehmen versucht, die vorhandenen Märkte mit der bereits angebotenen Leistung noch intensiver zu durchdringen: Zum Beispiel das Behindertenheim will Marktführer für stationäre Behindertenhilfe in der Region werden. XX Angebotsentwicklung Das Sozialunternehmen bietet den angestammten Kunden neue Produkte an: Während z. B. bisher nur stationäre Suchttherapie angeboten wurde, werden nun auch ambulante Suchttherapien und sogar ein Beratungsangebot vorgehalten. Außerdem eröffnet die Suchthilfeeinrichtung eine Kneipe. Diese Strategie wird auch „Cross-Selling“ (Verkauf neuer Produkte an die vorhandenen Kunden) genannt. XX Marktentwicklung Die bisherigen Leistungen werden auf neuen, noch nicht erschlossenen Märkten angeboten: Zum Beispiel hält die Suchtberatung nicht mehr nur offene Beratungsangebote bereit, sondern bietet ihre Dienste auch in Betrieben an. XX Diversifikation Die Diversifikation ist der Einstieg in völlig neue Märkte mit – für das Unternehmen(!) – neuen Dienstleistungen: Die Einrichtung für offene Jugendarbeit bietet z. B. nun auch Sportveranstaltungen, u. a. Boxen, an (So was hat einer der Autoren des Studienbriefes gesehen! – Meist knüpft die Diversifikation an Bezugspunkte an, die beiden Märkten oder Personengruppen gemeinsam sind. Diese sind jedoch eher untergeordneter Natur. Im genannten Beispiel „offene Jugendarbeit und HDL Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen 41 Amateurboxen“ kann der gemeinsame Nenner die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten sein.). 3.2.4 Markenpolitik Jeder Konsument ist mit Markenartikeln vertraut. B 3.6 Als Beispiele mögen hier Beispiel im PKW-Bereich VW, Ford und Mercedes dienen, im Supermarkt treffen wir auf Jacobs Krönung, Nutella oder CocaCola. Markenpolitische Entscheidungen in der Erwerbswirtschaft sowie im Bereich sozialer und öffentlicher Unternehmen betreffen die Markierung bzw. Kennzeichnung der Leistungen einer Organisation, um im Wettbewerb gegenüber anderen Anbietern profiliert erkenn- bzw. unterscheidbar zu sein. Definition So eignet sich eine bekannte und von den Zielgruppen als positiv eingeschätzte Marke einerseits als Kommunikationsmittel gegenüber potenziellen Nutzern, Spendern, Sponsoren, Ehrenamtlichen und anderen Komplementärpersonen bzw. -organisationen, andererseits auch als Mittel zur Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern. In ökonomischer Hinsicht ist auf eine zentrale Funktion der Marke bei der Entscheidung der Konsumenten zu verweisen: Sie entlastet den Käufer beim Konsum von Kosten der Informationsbeschaffung. Dies heißt, dass bei Markenartikeln der Kunde gewiss sein darf, stets dieselbe bekannte und gewünschte Qualität zu erhalten; dieser Umstand befreit ihn von einer langwierigen und ggf. kostspieligen Suche nach einer gewünschten Güte im Bereich der nichtmarkierten „No-Name-Artikel“. Markenangebote haben nach Bieberstein (2006, S. 238 ff.) folgende typische Merkmale: – hoher Bekanntheitsgrad, – relativ gleichbleibende, aber im Vergleich zu unbekannten Angeboten auch höhere Preise, – profiliertes Image, – klares, unverwechselbares und konstantes visuelles Erscheinungsbild, – konstante und meist kontinuierlich verbesserte Qualität. Unter Umständen eröffnet in preispolitischer Hinsicht eine bekannte und als positiv eingeschätzte Verbandsmarke in einzelnen Sektoren der Sozialen Arbeit preispolitische Spielräume gegenüber potenziellen Nutzern (insbesondere in den Bereichen Altenwohnheim und Betreutes Wohnen) und Kostenträgern (insbesondere bei Pflegesatzverhandlungen für Einrichtungen der Behinderten- und Jugendhilfe). HDL 42 Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen Es ist zu konstatieren, dass das Profil zumindest der einzelnen Verbände der freien Wohlfahrtspflege soweit verloren gegangen ist, dass Unterschiede von der Bevölkerung kaum mehr wahrgenommen werden können. Es wird der freien Wohlfahrtspflege in diesem Zusammenhang eine Konturlosigkeit attestiert, die zu einer Ununterscheidbarkeit der „Marken“ dahingehend geführt habe, dass Leistungsstärken und -schwächen nicht mehr erkannt werden. Entsprechend intensiv müssen die Bestrebungen um eine dem Markennamen und dem Bedarf der Kunden adäquate Qualität der Angebote eines Markenherstellers angesetzt werden. Hierbei ist oberstes Gebot, den Kunden beim Konsum der markierten Ware nicht zu enttäuschen, d. h. den Erwartungen der Kunden garantiert zu entsprechen. Prinzipiell werden im Marketing Einzelmarke, Markengruppe, Firmenmarke und Unternehmensmarke unterschieden. Für den Bereich sozialer Dienstleistungen dürfen wir davon ausgehen, dass mit der Verortung und Organisation der Einrichtungen innerhalb von Spitzenverbänden durchaus die Möglichkeit der Markierung im Sinne einer „Unternehmensmarke“ gegeben ist. So arbeiten die Träger und Unternehmen der Sozialen Arbeit bspw. innerhalb bekannter Strukturen von Caritas, Diakonie, Rotem Kreuz, Arbeiterwohlfahrt etc. Hier begegnen uns etwa folgende Strategien der Markierung: –– Markierung mit Wortzeichen (bspw. der Schriftzug „DIAKONIE“), –– Markierung mit Bildzeichen (bspw. das rote Kreuz des Deutschen Roten Kreuzes), –– Markierung mit Wort-Bild-Zeichen (bspw. das Wort „Arbeiterwohlfahrt“ unter oder neben dem Signet dieser Organisation), –– Markierung mit Botschaften bzw. Slogans (bspw. „Menschen für Menschen“). Im Test der ungestützten Bekanntheit (d. h. der Organisationen, die die Befragten ohne eine Erinnerungshilfe benennen konnten; vgl. Christa/Halfar, 1992, S. 33 ff.) verschiedener Träger dominierte bei dieser Untersuchung –– das Deutsche Rote Kreuz mit 76 Prozent der Nennungen vor –– der Caritas (61 Prozent), –– der Arbeiterwohlfahrt (50 Prozent), –– dem Diakonischen Werk (29 Prozent) sowie –– dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (7 Prozent) und –– der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (2 Prozent). HDL Marketingplanung und Marketingstrategien sozialer und öffentlicher Unternehmen 43 Echte Bemühungen um eine Markenpolitik von Einrichtungen und Trägern in der Sozialwirtschaft sind bislang eher die Ausnahme. Zwar achten die Wohlfahrtsverbände inzwischen doch sehr präzise auf die Verwendung ihrer Markenzeichen. Doch sind diese Marken bislang noch wenig mit Inhalten gefüllt, so dass die Bekanntheit des Markenzeichens nicht mit profiliertem Image, einer Qualitätserwartung oder gar einer höheren Zahlungsbereitschaft verbunden ist. Wer würde etwa die Markenbotschaften „Stark für Andere“, „Wir pflegen Menschlichkeit“, „Helfen in fröhlicher Entfaltung“ oder „Partner für freie Soziale Arbeit“ einem Anbieter zuordnen? K 3.1 Nennen und erläutern Sie die drei Komponenten des Images einer Organisation! K 3.2 Welches Ziel hat die CI-Politik? K 3.3 Welche materiellen und immateriellen Gegenleistungen kann eine Organisation ihren Spendern bieten? Ü 3.1 Analog den Überlegungen im Einführungsbeispiel möchten Sie eine Fundraising-Kampagne (Spendenwerbung) für Ihre Organisation aufbauen. Führen Sie hierfür die Marketing-Planung durch! Ü 3.2 Diskutieren Sie, wie Sie die Corporate Identity in Ihrer Organisation im Hinblick auf das Marketing (nicht die Organisationskultur!) gestalten könnten! Ü 3.3 Diskutieren Sie, welche Bedeutung die Markenpolitik für Ihre Organisation haben könnte! Kontrollfragen Übungsaufgaben HDL