8. Jahrgang, 6. Ausgabe 2014, 177-196 - - - Rubrik Apothekenpraxis - - - Neue Antikoagulantien systematisch Wirkungsmechanismen Indikationen Pharmakokinetik Nebenwirkungen Wirkungen Kontraindikationen Neue orale Antikoagulantien systematisch - 178 - Neue orale Antikoagulantien systematisch Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe DGPT, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat Prof. Dr. med. Thomas Hohlfeld, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Abstract Anticoagulation is an intervention for the treatment and prevention of venous thromboembolism. Among anticoagulants only warfarin and phenprocoumon are orally available and have been the only drugs used for long-term prevention of thrombus formation over the last 50 years. Since then several new anticoagulants have been discovered. Among those, the direct thrombin inhibitor dabigatran and the factor Xa inhibitors apixaban and rivaroxaban were approved in many countries and the European Union. Approval was granted for the treatment and prevention of venous thromboembolism and for stroke prevention in atrial fibrillation. In addition, rivaroxaban was approved for the prevention of arterial thrombus formation. There is no need to monitor the anticoagulant effect by determination of the international normalized ratio (INR) which simplifies long-term and lifelong treatment. In view of therapeutic efficacy the advantages of the new drugs over coumarins are limited but significant and are dependent on the indication. The same holds true for safety, i.e. the incidence and severity of bleedings. For example, all new anticoagulants reduce the rate of severe bleedings such as intracranial haemorrhage in patients with atrial fibrillation. However, it remains an open question whether the superiority over coumarins in atrial fibrillation truly depends on the quality of INR monitoring. As there is no monitoring with the new drugs, several factors including compliance and drug interactions should be considered as this might result in variations of drug plasma levels associated with reduced efficacy or increased bleeding risk. The most important factor is kidney function which should be monitored before initiation of therapy and at regular intervals thereafter. Abstract Die Antikoagulation ist eine Intervention zur Behandlung und Prävention venöser Thromboembolien. In der Gruppe der Antikoagulantien sind nur die Cumarine oral verfügbar. Deshalb wurden sie in den letzten 50 Jahren als einzige Arz- - 179 - neistoffe für die Langzeit- bzw. Lebenszeitantikoagulation eingesetzt. Nun sind eine Reihe neuer Antikoagulantien entwickelt worden, von welchen der direkte Thrombin-Inhibitor Dabigatran und die beiden Faktor Xa-Inhibitoren Apixaban und Rivaroxaban inzwischen in vielen Ländern und der Europäischen Union zugelassen wurden. Die Zulassung erstreckt sich auf die Behandlung und Prävention von venösen Thromboembolien und die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern. Nur Rivaroxaban ist auch für die Prävention arterieller Thrombosen zugelassen. Dass keine Überwachung der Therapie durch Bestimmung des „International normalized ratio“ (INR) erforderlich ist, vereinfacht die Langzeit- bzw. Lebenszeitbehandlung. Hinsichtlich der therapeutischen Effektivität sind die Vorteile der neuen Arzneistoffe gegen Cumarinen limitiert aber signifikant und hängen von der Indikation ab. Ähnliches gilt auch für die therapeutische Sicherheit, d.h. vor allem die Häufigkeit und Schwere von Blutungen. So reduzieren alle neuen Antikoagulantien bei Patienten mit Vorhofflimmern die Rate schwerwiegender Blutungsereignisse wie intrakranielle Blutungen. Es bleibt jedoch eine offene Frage, ob Überlegenheit gegenüber Cumarinen von der Qualität des INR-Monitorings abhängt. Da die neuen Arzneistoffe kein Monitoring benötigen, müssen verschiedene Faktoren wie Compliance oder Arzneistoffinteraktionen verstärkt beachtet werden. Diese Faktoren können zu Veränderungen der Plasmaspiegel führen, die mit einer Verminderung der Wirkung oder einer Erhöhung des Blutungsrisikos verbunden sind. Der wichtigste dieser Faktoren ist die Nierenfunktion, die daher vor Beginn der Therapie und danach in regelmäßigen Intervallen überprüft werden sollte. Einleitung Antikoagulantien sind eine wichtige Gruppe von Arzneistoffen verschiedener Klassen, die für die Behandlung und Prophylaxe von venösen Thromboembolien unverzichtbar sind (Weblink 1). Venöse Thromboembolien entstehen vorwiegend durch eine intrinsische Aktivierung von Gerinnungsfaktoren (sekundäre Hämostase) und manifestieren sich als Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch 1) tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombosen (TVT), 2) Lungenembolie (LE) (1) (Weblink 2) und 3) TVT in den oberen Extremitäten (etwa 10 % der Fälle) (2). Darüber hinaus kann bei Vorhofflimmern ein venöser Thrombus im arteriellen System entstehen, der einen wichtigen Risikofaktor für die Entwicklung ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfälle darstellt (Weblink 3). Die Aktivierung der sekundären Hämostase spielt auch für die Entwicklung arterieller Thromboembolien eine Rolle. Dementsprechend lassen sich auch bei arteriellen Thromboembolien wie dem akuten Koronarsyndrom therapeutische Erfolge mit Antikoagulantien erzielen (3-5). Der therapeutische Stellenwert der Antikoagulantien besteht im Wesentlichen darin, bei bekannten Risikofaktoren, beispielsweise Vorhofflimmern oder orthopädische Ope- - 180 - rationen, der Entstehung von Thromboembolien vorzubeugen bzw. diese zu therapieren. Auch wenn der Nutzen von Antikoagulantien unbestritten ist, muss die Steigerung der Gefahr von Blutungen, einschließlich schwerwiegender und letaler Blutungsereignisse immer berücksichtigt werden. Die sekundäre Hämostase kann grundsätzlich durch die Aktivierung von zwei verschiedenen Mechanismen angeregt werden, der extrinsischen und der intrinsischen Aktivierung. Beide Mechanismen führen letztlich zur Aktivierung von Faktor X, welcher die Bildung von Thrombin (Faktor IIa) aus Prothrombin katalysiert (Abb. 1). Während die intrinsische Aktivierung beispielsweise nach orthopädischen Operationen und anderen Risikofaktoren auftritt und zu Thromboembolien führt, dient die Aktivierung des extrinsischen Systems vorwiegend dem Wundverschluss nach Verletzungen. Abb 1: Vereinfachte Darstellung der Gerinnungskaskade mit konsekutiver Aktivierung von Gerinnungsfaktoren. Während die intrinsische Aktivierung beispielsweise nach orthopädischen Operationen und anderen Risikofaktoren auftritt und zu Thromboembolien führt, dient die Aktivierung des extrinsischen Systems vorwiegend dem Wundverschluss nach Verletzungen. Nicht dargestellt sind u.a. die durch Thrombin induzierte Verstärkung der Koagulation durch Aktivierung von Faktor V, Faktor VIII und Faktor IX sowie die antikoagulatorischen Proteine C und S. Letztere führen über eine Bindung an Faktor Va zu einer Hemmung der Aktivität des Prothrombinase-Komplexes, der nach Bindung von Faktor Xa und Faktor Va an negativ geladenen Oberflächen entsteht und etwa 300.000mal effektiver Prothrombin spaltet als Faktor Xa alleine (6). Thrombin bewirkt über PAR-Rezeptoren ebenfalls eine Aktivierung der Thrombozyten (Abb. modifiziert nach Weblink 4). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Daher bewirkt eine Hemmung der gemeinsamen „Endstrecke“ der sekundären Hämostase nicht nur eine Verminderung der Bildung von Thromboembolien, sondern erhöht auch das Blutungsrisiko. Tierexperimentelle Daten zeigen jedoch, dass es in Zukunft eventuell auch in der Klinik möglich sein könnte das intrinsische System selektiv zu hemmen. So zeigen Antikörper, die gegen den humanen Faktor XII gerichtet sind, eine dem Heparin vergleichbare antikoagulatorische Wirkung ohne die Blutungsgefahr zu erhöhen (7). Faktor Xa interagiert auf komplexe Weise mit anderen Gerinnungsfaktoren um die Bildung von Thrombin aus Prothrombin zu fördern. Vereinfacht dargestellt bildet Faktor X nach Aktivierung durch den „Tissue Factor“ (Thromboplastin)/Faktor VIIaKomplex (Abb. 1) initial nur wenig Thrombin, welches jedoch die Koagulation durch Aktivierung von Faktor V, Faktor VIII und Faktor IX fördert. Nach Bindung von Faktor Xa und Faktor Va an negativ geladene Oberflächen entsteht der Prothrombinase-Komplex, der etwa 300.000-mal effektiver Prothrombin spaltet als Faktor Xa alleine (6, 8). Diese Verstärkung der Bildung von Thrombin ist ein wesentlicher Bestandteil der Hämostase und damit der Begrenzung der Gefahr von Blutungen. Dagegen scheint die Aktivierung von Faktor XII für die Bildung pathologischer Thromben eine wichtige Rolle zu spielen, auch wenn dies nach wie vor kontrovers diskutiert wird (8). Frühere Beobachtungen an Patienten mit erblichem Faktor XII Mangel hatten jedoch keine erhöhte Blutungsgefahr gezeigt (9) und dies gilt auch für Faktor XII defiziente Mäuse, die sich gleichzeitig als resistent gegenüber der Bildung pathologischer Thromben erwiesen haben (10, 11). Ob diese experimentell gut belegte Hypothese im klinischen Alltag Bestand hat, d.h. eine Antikoagulation ohne erhöhtes Blutungsrisiko möglich ist, muss sich jedoch noch erweisen. Eine tabellarische Übersicht zu Arzneistoffen, die in Deutschland als Antikoagulantien verwendet werden findet sich in einer früheren Übersicht im Fortbildungstelegramm Pharmazie (Weblink 1). Zu den neuen Antikoagulantien zählen derzeit: • • • Apixaban (Eliquis®) Dabigatranetexilat (Pradaxa®) Rivaroxaban (Xarelto®) - 181 - Wirkungsmechanismus • • selektive Hemmung von Faktor IIa (Dabigatran) selektive Hemmung von Faktor Xa (Apixaban, Rivaroxaban) Dabigatran Der Wirkungsmechanismus von Dabigatran besteht in einer selektiven Hemmung von Thrombin (Faktor IIa). Die Protease Thrombin spaltet spezifisch Fibrinogen in die Fibrinmonomere und die Fibrinopeptide A und B. Die Spezifität ist durch mehrere Bereiche innerhalb der katalytischen Domäne von Thrombin bedingt, die die Aminosäuren Phenylalanin (D), Valin (S2-Region) und Arginin (S1-Region) binden, wobei die katalytische Spaltung zwischen Arginin und dem benachbarten Glycin erfolgt (Abb. 2). Durch das Vorliegen einer alpha-helikalen Sekundärstrukur entsteht eine räumliche Nähe zwischen Phe und Arg. Daher lässt sich der Abstand zwischen den Aminosäuren durch das Tripeptid Phe-Val-Arg imitieren (12). Dieses Tripeptid diente als Ausgangspunkt der Entwicklung niedermolekularer Thrombin-Inhibitoren. Dabigatran verfügt über eine hohe Affinität zu Thrombin. Es bindet mit der Amidin-Struktur direkt an Asparagin189 in der S1-Region der katalytischen Domäne und weist eine halbmaximal inhibitorische Konzentration von 4,5 nM auf (13). Für die Wirksamkeit ist eine gewisse Hydrophilie notwendig, um die Bindung an Plasmaproteine zu reduzieren, die eine Verminderung der Wirksamkeit bewirkt (13). Dies hat aber Auswirkungen auf pharmakokinetische Eigenschaften wie die orale Bioverfügbarkeit (siehe unten). Dieser Ansatz einer spezifischen Thrombin-Hemmung ist nicht neu, da auch bereits etablierte Pharmaka diesen Mechanismus aufweisen. Hierzu zählen rekombinantes Hirudin (Refludan®), das synthetische Hirudin-artige Peptid Bivalirudin (Angiox®) und Argatroban (Argatra®), ein synthetisches L-ArgininDerivat. Allerdings sind diese Arzneistoffe nicht oral verfügbar. Ein Vorläufer von Dabigatran, das Ximelagatran, war zwar oral verfügbar und wurde für die Thromboembolieprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern klinisch evaluiert (14, 15). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch - 182 - Abb 2: Vereinfachte Darstellung der katalytischen Spaltung von Fibrinogen in die Fibrinmonomere und die Fibrinopeptide A und B durch Thrombin. Die Spezifität ist durch mehrere Bereiche innerhalb der katalytischen Domäne von Thrombin bedingt, die die Aminosäuren Phenylalanin (D-Region), Valin (S2-Region) und Arginin (S1-Region) binden, wobei die katalytische Spaltung zwischen Arginin und dem benachbarten Glycin erfolgt. Analoga der Phenylalanin-Valin-Arginin Struktur wurden daher zum Ausgangspunkt der Entwicklung niedermolekularer Thrombin-Inhibitoren. Allerdings verweigerte die FDA dem Arzneimittel in den USA die Zulassung. Grund hierfür waren die hepatotoxischen Wirkungen und möglicherweise ein Anstieg koronarer Ereignisse. In Europa musste Ximelagatran aus den gleichen Gründen schließlich wieder vom Markt genommen werden (Weblink 3). Rivaroxaban Dieses neue Antikoagulanz entfaltet seine klinische Wirkung über eine direkte, selektive und reversible Hemmung von Faktor Xa (6). Es bindet über die S1- und die S4-Tasche direkt an die katalytische Domäne von Faktor Xa (Abb. 3). Für die Spezifität und inhibitorische Wirkstärke von Rivaroxaban wird vor allem die Verdrängung eines Wasser-Moleküls aus der katalytischen Domäne angesehen (16). Die hohe Affinität ergab sich durch die Substitution mit dem Oxazolidinon-Ring, dessen richtige Orientierung (S-Enantiomer) von Bedeutung ist. Rivaroxaban weist eine halbmaximal inhibitorische Konzentration von 0,7 nM auf (17). Apixaban Der zweite in die Therapie eingeführte direkte Faktor Xa Hemmer ist Apixaban. Die hohe Spezifität dieses Arzneistoffs wurde letztlich durch die Einführung eines relativ polaren und neutralen Lactam-Restes sowie durch die Einbindung einer CarboxamidopyrazolGruppe in ein bizyklisches Tetrahydro- 1H-pyrazolopyridinon-Grundgerüst erzielt. Apixaban zeigt eine höhere Affinität gegenüber Faktor Xa auf als Rivaroxaban. Seine halbmaximal inhibitorische Konzentration beträgt nur 0,08 nM auf (18). Der Ansatz einer direkten Hemmung von Faktor Xa ist ein neues Wirkprinzip, denn alle anderen bekannten Wirkstoffe hemmen Faktor Xa nur nach Bindung an Antithrombin III. Zu diesen Arzneistoffen zählen unfraktioniertes Heparin, fraktioniertes Heparin Fondaparinux und Danaparoid (Weblink 1). Alle diese Arznei-stoffe müssen parenteral verabreicht werden und eignen sich daher nur sehr eingeschränkt für eine länger dauernde (>40 Tage) Antikoagulation. Pharmakokinetik • • • Dabigatran: Prodrug (Etexilat), Bioverfügbarkeit 6,5 %, HWZ 1217 h, kaum Biotransformation, renale Elimination 85 % Rivaroxaban: hohe Bioverfügbarkeit, HWZ 5-13 h (altersabhängig), 66 % Biotransformation, 66 % renale Elimination Apixaban: mittlere Bioverfügbarkeit, HWZ 12 h, 25 % Biotransformation, 27 % renale Elimination Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Die pharmakokinetischen Eigenschaften der neuen Antikoagulantien unterscheiden sich deutlich (Tab. 1). Dies betrifft vor allem die Bioverfügbarkeit, die Halbwertszeit, die hepatische Biotransformation und den Eliminationsweg. Dabigatran zeigt die niedrigste Bioverfügbarkeit, obwohl der Arzneistoff zur Verbesserung - 183 - der Resorption als Prodrug vorliegt. Darüber hinaus wurde eine spezielle galenische Formulierung entwickelt, bei welcher Dabigatranetexilat einen Kern aus Weinsäure ummantelt. Diese Pellets entfalten ihre eigene säurehaltige Mikroumgebung zur Förderung der Auflösung und Resorption des Wirkstoffs. Abb 3: Darstellung des Komplexes von Rivaroxaban und der katalytische Domäne von Faktor Xa nach einer Röntgenstruktur-Analyse. Die essentiellen Aminosäuren und die Bindungstaschen S1 und S4 sind bezeichnet. Die gestrichelten Linien bezeichnen die beiden Wasserstoffbrückenbindungen von Rivaroxaban an Glycin219 von Faktor Xa (Abb. modifiziert nach (17). Die kürzeste Halbwertszeit weist Rivaroxaban auf, für welches jedoch bei den meisten Indikationen eine einmal tägliche Gabe empfohlen wird. Das Ausmaß der hepatischen oxidativen Biotransformation, welches auch die Häufigkeit pharmakokinetischer Wechselwirkungen und daraus resultierende potentielle Gefahren durch Arzneimittel-Wechselwirkungen mit bestimmt, ist bei Rivaroxaban am höchsten. Schließlich ist der hohe Anteil der renalen Elimination bei Dabigatran und Rivaroxaban von Bedeutung für die Therapie, da dieser bei Einschränkungen der Nierenfunktion zu einer klinisch relevanten Erhöhung der Plasmaspiegel und damit auch zur erhöhten Gefahr von Blutungen führt. Allerdings betrifft dieses Problem trotz des deutlich geringeren Ausmaßes der renalen Elimination auch Apixaban. Dies ist insbesondere deshalb wichtig und beachtenswert, da bei allen drei Arzneistoffen keine regelmäßige Kontrolle des Gerinnungsstatus durchgeführt wird (siehe Wirkungen) und sich die Nierenfunktion auch während der antikoagulatorischen Therapie, beispielsweise durch Komorbiditäten, verschlechtern kann. Außerdem ist die bei Phenprocoumon und Warfarin gebräuchliche Bestimmung des INR bei den neuen Antikoagulantien nicht verlässlich. Auch wenn bei Cumarinen eine manifeste Niereninsuffizienz als Kontraindikation gilt, muss die Dosis nicht an die Nierenfunktion angepasst werden (Weblink 6). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch - 184 - Dabigatran Rivaroxaban Apixaban Ester-Hydrolyse unverändert unverändert 6,5 % 80-100 % 50 % 0,5 – 2 h 2–4h 3–4% erhöht tmax um 2 h tmax unverändert tmax unverändert Öffnung der Kapsel erhöht BV um 75 % bei Dosis >15 mg oder lokaler Gabe im Dünndarm ist BV reduziert bei Dosis >25 mg ist BV reduziert Plasmaproteinbindung 34 – 35 % 92 - 95 % 87 % Halbwertszeit 12 – 14 h Resorption Bioverfügbarkeit (BV) Anflutung (tmax) Einnahme mit Mahlzeit andere Einflüsse Biotransformation Elimination 5 - 9 h (jünger) 9 - 13 h (älter) ca. 12 h Glucuronidierung (<40 %) CYP3A4, CYP2J2 und CYP unabhängig (66 %) CYP3A4/5 CYP1A2, 2C8, 2C9, 2C19 und 2J2 (25 %) ca. 85 % renal ca. 66 % renal ca. 27 % renal Tab. 1: Pharmakokinetische Daten zu Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban (Daten aus Weblinks 7-9). Wirkungen • • • • unselektive Hemmung der sekundären Hämostase unabhängig von Nahrungsmitteln (Vitamin K) keine regelmäßige Kontrolle des Gerinnungsstatus erforderlich Veränderung der Wirkung durch Nierenfunktionsstörungen oder Interaktionen Die Hemmung von Thrombin oder Faktor Xa bewirkt eine unselektive Hemmung der sekundären Hämostase, denn es wird sowohl der für eine Thromboembolie verantwortliche intrinsische Anteil, als auch der die Hämostase kontrollierende extrinsische Anteil gehemmt. Insofern kann den neuen oralen Antikoagulantien insgesamt kein bedeutsamer Fortschritt gegenüber den Cumarinen attestiert werden. Die therapeutisch erwünschte Komponente dieser Wirkung verringert die Gefahr von Thromboembolien, die bei bestimmten Risikofaktoren gehäuft auftreten (siehe Indikationen). Hierzu zählen beispielsweise Operationen, Tumorerkrankungen, höheres Lebensalter, Vorhofflimmern, Immobilisierung und verschiedene genetische Prädispositionen wie die Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz) (Weblink 1). Als Vorteil der neuen oralen Antikoagulantien gegenüber Cumarinen gilt die Unabhängigkeit der Wirkung von Nahrungsmitteln bzw. damit aufgenommenen Mengen von Vitamin K. Die u.a. dadurch ausgelösten Schwankungen der Hemmung der sekundären Homöostase, die sich durch Messung des „International Normalized Ratio” (INR) quantifizieren lassen, bewirken vor allem schwerwiegende Blutungen (19). Dies ließ sich auch in den Zulassungsstudien für die neuen Antikoagulantien zeigen, wonach die Häufigkeit der durch Warfarin ausgelösten schwerwiegenden Blutungen wie intrakranielle, intraspinale, intraokulare, perikardiale und intraartikuläre Blutungen etwa 0,8 % betrug (20-22). Wegen der besseren Stabilität der Wirkung der neuen Antikoagulantien ist eine regelmäßige Kontrolle des Gerinnungsstatus nicht erforderlich. Dies erscheint auf den ersten Blick als wichtiger patientenrelevanter Vorteil in der ambulanten Versorgung. Allerdings sind auch bei den neuen Antikoagulantien recht deutliche Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Schwankungen der Wirksamkeit möglich. Ein wichtiger Grund hierfür ist eine nicht adäquate Berücksichtigung der Nierenfunktion nach Messung der CreatininClearance (CrCl). Dies ist vor allem bei Dabigatran aber auch bei Rivaroxaban und Apixaban von Bedeutung. Aus diesem Grund wurde 2011 mit einem RoteHand-Brief über die Gefahr schwerwiegender Blutungen bei der Anwendung von Dabigatran gewarnt (Weblink 10). Weitere Gründe, auf die alle drei Hersteller mit einem Informationsbrief hingewiesen haben, sind u.a. eine nicht adäquate Beurteilung des Blutungsrisikos oder pharmakodynamische Interaktionen wie die gleichzeitige Anwendung anderer Antikoagulantien (Weblink 11). Schließlich sind auch pharmakokinetische Interaktionen mit anderen Arzneimitteln bekannt, die zu Veränderungen der Plasmakonzentration und damit der Wirkung führen können. Bei Dabigatran betrifft dies im Wesentlichen Inhibitoren, Induktoren und Substrate des Effluxtransporters P-Glykoprotein (Weblink 7). Bei Rivaroxaban und Apixaban betreffen solche Interaktionen vor allem Induktoren und Inhibitoren von CYP3A4 (Weblinks 8,9). Indikationen • • • • • Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) nach elektivem Hüftoder Kniegelenksersatz Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom (nur bei Rivaroxaban in niedriger Dosierung) Alle genannten Indikationen gelten nur für Erwachsene. Darüber hinaus gibt es weitere Bedingungen, die für die Anwendung vorliegen müssen (Tab. 2) bzw. bei welchen die Anwendung nur unter besonderer Vorsicht erfolgen sollte. Letztere betreffen vor allem die Anwendung - 185 - bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko (Weblinks 7-9). Bei Dabigatran ist in den verschiedenen Zulassungsstudien wiederholt eine erhöhte Rate von Myokardinfarkten aufgefallen (Weblink 7), die sich bislang nicht schlüssig erklären ließ. Die Autoren der RE-LY Studie vermuten dieser Effekt sei möglicherweise auf eine bessere Effektivität von Warfarin bei der Prävention von Myokardinfarkten zurückzuführen (20) (Weblink 3). Nur Rivaroxaban ist zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom zugelassen. Hüft- oder Kniegelenksersatz Die erste Indikation für die jedes der neuen Antikoagulantien zugelassen wurde ist die Prophylaxe venöser Thromboembolien nach elektiven Hüft- oder Kniegelenksersatz. In den klinischen Studien wurden die neuen Arzneistoffe jeweils gegen Enoxaparin (40 mg/die s.c.) geprüft. Die kombinierten primären Endpunkte in diesen Studien waren bei Dabigatran die Anzahl aller VTE und Tod jeder Ursache (23, 24) und bei Rivaroxaban und Apixaban die Anzahl aller VTE, nicht tödliche Lungenembolie und Tod jeder Ursache (25-28). Die Behandlungsdauer mit Rivaroxaban oder Apixaban betrug bei Kniegelenkersatz 10-14 Tage (Dabigatran 6-10 Tage) und bei Hüftgelenkersatz 35 Tage (Dabigatran 28-35 Tage). Die auf den primären Endpunkt und die jeweiligen Sicherheitsendpunkte bezogenen und nach der „Intention to treat“ Methode ausgewerteten signifikanten Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: 1) bessere Wirksamkeit (Überlegenheit) gegenüber Enoxaparin geringere Anzahl aller VTE, nicht tödlicher Lungenembolie und Tod jeder Ursache bei 1x10 mg/die Rivaroxaban und bei 2x5 mg/die Apixaban 2) vergleichbare Wirksamkeit (Nicht-Unterlegenheit) gegenüber Enoxaparin vergleichbare Anzahl aller von VTE und Tod jeder Ursache bei 1x220 mg/die Dabigatran (auch bei 1x300 mg/die, jedoch keine Zulassung) 3) vergleichbare therapeutische Sicherheit gegenüber Enoxaparin vergleichbare Rate von allen Blutungsereignissen Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Wirkstoff - 186 - Indikation 1. Primärprävention von venösen thromboembolischen Ereignissen (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektivem chirurgischen Hüft‐ oder Kniegelenksersatz. Dabigatran 2. Prävention von Schlaganfall und systemischer Embolie bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern mit einem oder mehreren der folgenden Risikofaktoren wie vorausgegangener Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke oder systemische Embolie, Linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 40%, symptomatische Herzinsuffizienz, > New York Heart Association (NYHA) Klasse 2, Alter > 75 Jahre, Alter > 65 Jahre einhergehend mit einer der folgenden Erkrankungen: Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankung oder arterielle Hypertonie 3. Behandlung tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) 4. Prävention von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen. 1. Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft‐ oder Kniegelenksersatzoperationen Rivaroxaban 2. Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie kongestiver Herzinsuffizienz, Hypertonie, Alter ab 75 Jahren, Diabetes mellitus, Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke in der Anamnese. 3. Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) 4. Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen. 5. Zusätzlich zu Acetylsalicylsäure (ASS) allein oder zu ASS plus Clopidogrel oder Ticlopidin bei erwachsenen Patienten zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) mit erhöhten kardialen Biomarkern 1. Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft‐ oder Kniegelenksersatzoperationen. Apixaban 2. Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht‐valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie Schlaganfall oder TIA (transitorischer ischämischer Attacke) in der Anamnese, Alter >= 75 Jahren, Hypertonie, Diabetes mellitus, symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse >= II). 3. Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) 4. Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen. Tab. 2: Indikationen für Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban. Es ist zu beachten, dass sich die empfohlenen Dosierungen je nach Indikation deutlich unterscheiden (Näheres siehe Text, Indikationen aus Weblinks 7-9). Im Fall von Rivaroxaban und Apixaban ergab sich also eine Überlegenheit gegenüber Enoxaparin, während für Dabigatran eine Nichtunterlegenheit nachweisbar war. Da keine direkte Vergleichsstudie zwischen den neuen Antikoagulantien vorliegt, bleibt trotz der ähnlichen Studienprotokolle offen, ob Rivaroxaban oder Apixaban bei dieser Indikation besser wirksam sind als Dabigatran. Vorhofflimmern Die zweite Indikation, für die jedes der neuen Antikoagulantien zugelassen wurde, ist die Prophylaxe von Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Schlaganfällen und systemischen Embolien bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern. In den Zulassungsstudien wurden die neuen Antikoagulantien jeweils gegen Warfarin geprüft. Die Dosierung von Warfarin wurde auf einen Ziel-INR von 2,5 (Bereich 2,0-3,0) angepasst. Die Studie mit Dabigatran (RE-LY) wurde mit zwei Dosierungen (2x110 mg/die und 2x150 mg/die) durchgeführt und war nur für die jeweilige Dosierung nicht jedoch für Warfarin verblindet (20). Die Studien mit Rivaroxaban (ROCKET-AF, 1x20 mg/die) und Apixaban (ARISTOTLE, 2x5 mg/die) waren doppelblind angelegt (21, 22). Die Patienten mussten ein dokumentiertes Vorhofflimmern sowie einen weiteren Risikofaktor aufweisen. Hierzu zählten eine transiente ischämische Attacke, ein Schlaganfall oder eine systemische Embolie in der Anamnese, Herzinsuffizienz NYHA-II und schwerwiegender, Ejektionsfraktion <40 %, Alter >75 Jahre oder Alter >65 Jahre und zusätzlich entweder behandelter Diabetes mellitus Typ II, dokumentierte koronare Herzkrankheit oder behandelte Hypertonie. Diese Einschlusskriterien spiegeln sich in den zugelassenen Indikationen wieder (Tab. 2). Das Risiko eines Schlaganfalls, welches mit einem Punktwert erfasst wurde (CHA2DS2VASc-Punktwert, siehe auch Weblink 3), war bei den Patienten der ROCKET-AF Studie (3,5) deutlich höher als bei der RE-LY (2,1) und der ARISTOTLE (2,1) Studie. Als kombinierter primärer Endpunkt wurden in allen Studien die Ereignisse Schlaganfall (ischämisch und hämorrhagisch) oder systemische Embolie festgelegt (20-22). Die mediane Behandlungsdauer betrug etwa 1,5-2 Jahre. Die auf den primären Endpunkt und die jeweiligen Sicherheitsendpunkte bezogenen und nach der „Intention to treat“ Methode ausgewerteten Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: 1) Verminderung der Gesamtsterblichkeit geringere Mortalität jeder Ursache bei 2x5 mg/die Apixaban 2) bessere Wirksamkeit (Überlegenheit) gegenüber Warfarin geringere Rate von Schlaganfall und systemischen Embolien bei 2x150 mg/die Dabigatran und 2x5 mg/die Apixaban - 187 - 3) vergleichbare Wirksamkeit (Nicht-Unterlegenheit) gegenüber Warfarin vergleichbare Rate von Schlaganfall und systemischem Embolien bei 2x110 mg/die Dabigatran und 1x20 mg/die Rivaroxaban 4) bessere therapeutische Sicherheit gegenüber Warfarin geringere Rate von allen Blutungsereignissen bei 2x110 mg/die Dabigatran und 2x5 mg/die Apixaban geringeres Auftreten von schwerwiegenden Blutungsereignissen wie intrakranielle Blutungen bei Rivaroxaban, Apixaban und beiden Dosierungen von Dabigatran Insgesamt stellen die neuen Antikoagulantien gegenüber dem Standardtherapeutikum Warfarin somit eine geringe aber klinisch relevante Verbesserung der Thromboembolieprophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern dar. Hervorzuheben ist die Verminderung der Gesamtsterblichkeit bei Apixaban um 11 % und die Verminderung der Rate intrakranieller Blutungen bei allen neuen Antikoagulantien. Letztere betrug bei 2x150 mg Dabigatran -60 %, bei 2x110 mg Dabigatran -69 %, bei Apixaban -58 % und bei Rivaroxaban -33 % (20-22). Dennoch ist es eine viel diskutierte Frage, ob die Umstellung eines Patienten unter Therapie mit Warfarin oder dem in Deutschland viel häufiger eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon auf eines der neuen Antikoagulantien vorteilhaft ist (s.u.). Allerdings wird mindestens ein Viertel bis ein Drittel der Patienten mit Vorhofflimmern nur unzureichend mit Vitamin-KAntagonisten behandelt oder die Behandlung wird abgebrochen (29-31). Darüber hinaus gibt es viele Patienten, die für eine Therapie mit Vitamin-KAntagonisten ungeeignet erscheinen. Gründe hierfür sind u.a. (32): • • • • • schlechte INR-Kontrolle Nebenwirkungen Interaktionen mit notwendiger Ko-Medikation Ablehnung der Therapie oder des Monitorings durch die Patienten Ablehnung von Restriktionen der Therapie, wie Diätvorschriften, Einschränkung von Alkoholkon- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch • sum oder SelbstmedikationsArzneimitteln durch die Patienten Einschätzung des behandelnden Arztes, dass das Blutungsrisiko größer ist als das Schlaganfallrisiko Oft erhalten diese Patienten wegen kardiovaskulärer Grunderkrankungen bereits Acetylsalicylsäure oder dieser Arzneistoff wird als (off-label) Alternative gewählt. Insofern erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass Hemmer der Aggregation von Thrombozyten einschließlich Acetylsalicylsäure zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern den Vitamin-K-Antagonisten deutlich unterlegen sind (33). Darüber hinaus wurde in einer weiteren großen klinischen doppelblinden randomisierten Studie gezeigt, dass Apixaban (2x5 mg/die) die Rate von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten, die für eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten ungeeignet erscheinen, gegenüber Acetylsalicylsäure (81-324 mg/die) um mehr als 50 % reduzieren kann (Abb. 4) ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen (32). Wegen dieses beeindruckenden Vorteils wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Eine Verminderung der Mortalität konnte in dieser Studie mit Apixaban allerdings nicht nachgewiesen werden. Auch wenn - 188 - kein klinischer Nachweis hierfür vorliegt ist es plausibel anzunehmen, dass ähnliche Vorteile gegenüber Acetylsalicylsäure auch für Rivaroxaban und Dabigatran bestehen. Einschränkungen Alle drei Zulassungsstudien waren multizentrisch angelegt, wobei die Zentren in allen Teilen der Welt etabliert wurden. Dabei zeigten sich von Land zu Land bzw. von Zentrum zu Zentrum deutliche Unterschiede in der Qualität der INR Kontrolle bei Therapie mit Warfarin. Grundlage für die Erfassung der Qualität der INR-Einstellung ist der prozentuale Anteil der Zeit, während welcher der INR innerhalb des empfohlenen Bereichs lag („Time in Therapeutic Range“, TTR). Die mittlere TTR war in ROCKET-AF (55,5 %) am niedrigsten und in ARISTOTLE (62,2 %) und RE-LY (64,4 %) vergleichbar. Eine frühere Metaanalyse zur Therapie mit Warfarin hatte ergeben, dass die Qualität der INR Kontrolle die Therapie mit Warfarin maßgeblich beeinflusst, und dass bei einem TTR-Bereich von 70-80 % das geringste Risiko für Ereignisse besteht (19). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch diesbezügliche Analysen aus den Zulassungsstudien der neuen Antikoagulantien (34-36) sowie eine Metaanalyse aus allen drei Zulassungsstudien (37). Abb 4: Rate von Schlaganfall und systemischer Embolie (primärer Endpunkt) bei 5599 Patienten mit Vorhofflimmern, die für eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten ungeeignet erschienen (AVERROES Studie). Dargestellt ist die kumulative Rate bei Patienten, die entweder mit Acetylsalicylsäure (Aspirin, 81-324 mg/die) oder Apixaban (2x5 mg/die) therapiert wurden. Die absoluten Ereignisraten betrugen 1,6 % pro Jahr für Apixaban und 3,7 % pro Jahr für Aspirin. Die Mortalität war dagegen in beiden Gruppen gleich (Abb. modifiziert nach (32)). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch Darüber hinaus ergaben diese Analysen, dass die genannten Vorteile gegenüber Warfarin insgesamt trotz der Schwankungen der Qualität des INR-Monitorings in den Studienzentren erhalten blieben. Allerdings liegt die Evidenz dieser Analysen deutlich niedriger als die der Gesamtauswertungen, da sich die Charakteristika der Patienten, beispielsweise das Schlaganfallrisiko, in den Vergleichsgruppen an den einzelnen Studienzentren erheblich unterscheiden können. Es bleibt daher eine offene Frage, ob die in den Gesamtanalysen der Zulassungsstudien messbaren mittleren Vorteile tatsächlich von der Qualität des INRMonitorings abhängen. Unstrittig ist jedoch, dass die Qualität des INR Monitorings außerhalb klinischer Studien beispielsweise in den USA deutlich niedriger liegt (29) und es gibt keine belastbaren Daten dafür anzunehmen, dass diese Situation in Deutschland anders ist. Unstrittig ist ebenfalls, dass therapeutische Effekte von Arzneimitteln insgesamt, und damit auch von Antikoagulantien, durch eine unzureichende Compliance der Patienten reduziert werden oder ganz ausbleiben können. Nach den Ergebnissen einer publizierten Studie an 124,619 Patienten unter Therapie mit Warfarin sind vor allem wiederholte Hospitalisierungen, Polypharmakotherapie, Tumorerkrankungen, Demenzen, bipolare Depressionen, chronische Lebererkrankungen, weibliches Geschlecht und Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen Prädiktoren für eine geringe Qualität der INR-Kontrolle (38). Hinzu kommen Schwankungen von Effektivität und Sicherheit, die auf Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen und Nahrungsmitteln beruhen (siehe Pharmakokinetik). Insofern sind auch bei den neuen Antikoagulantien eine strikte Überwachung der antikoagulatorischen Therapie, beispielsweise auch wegen einer möglichen Verschlechterung der Nierenfunktion, sowie eine ausführliche Aufklärung der Patienten und ggf. der Angehörigen unverzichtbar. Behandlung und Prävention von TVT und LE. Weitere Indikationen für die jedes der neuen Antikoagulantien zugelassen wurde sind die Behandlung und die Prävention von TVT und LE. Die Zulassungen beruhen auf den Ergebnissen - 189 - der klinischen Studien mit Rivaroxaban (39, 40), Apixaban (41) und Dabigatran (42, 43). Die Studien mit Rivaroxaban waren nicht verblindet, während die mit Dabigatran und Apixaban doppelblind angelegt waren. Verglichen wurden die neuen Antikoagulantien mit Warfarin oder Acenocoumarol bzw. Warfarin (39, 40). Die initiale Behandlung der thromboembolischen Ereignisse erfolgte bei den Dabigatran-Studien mit Heparinen für mehr als 5 Tage, bei der ApixabanStudie mit einer Dosis von 2x10 mg/die für 7 Tage und bei den RivaroxabanStudien mit 2x15 mg/die für 3 Wochen (Erhaltungsdosen siehe unten). Der jeweils festgelegte primäre Endpunkt für Rivaroxaban war die Rate symptomatischer venöser thromboembolischer Ereignisse, während bei den Studien mit Apixaban und Dabigatran der primäre Endpunkt aus symptomatischen venösen thromboembolischen Ereignissen und damit verbundenen Todesfällen bestand. Primärer Sicherheitsendpunkt war die Rate schwerwiegender Blutungen. Die nach der „Intention to treat“ Methode ausgewerteten Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: 1) vergleichbare Wirksamkeit (Nicht-Unterlegenheit) gegenüber Warfarin oder Warfarin bzw. Acenocoumarol vergleichbare Anzahl symptomatischer venöser thromboembolischer Ereignisse bei 2x150 mg/die Dabigatran, 1x20 mg/die Rivaroxaban und 2x2,5 mg Apixaban 2) verbesserte therapeutische Sicherheit gegenüber Warfarin oder Warfarin bzw. Acenocoumarol verringerte Rate schwerwiegender Blutungen bei Apixaban (um 69 %) und Rivaroxaban (um 45 %), jedoch nicht bei Dabigatran Die Rate tödlicher und/oder intrakranieller Blutungen wurde nicht beeinflusst. Keine der neuen Antikoagulantien war also wirksamer als die gewählte Vergleichstherapie. Im Fall von Rivaroxaban und Apixaban ergab sich jedoch eine Überlegenheit hinsichtlich der therapeutischen Sicherheit, während für Dabigatran eine Nichtunterlegenheit nachweisbar war. Da keine direkte Vergleichsstudie zwischen den neuen Antikoagulantien Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch vorliegt, bleibt trotz der ähnlichen Studienprotokolle offen, ob Rivaroxaban oder Apixaban bei dieser Indikation besser wirksam sind als Dabigatran. Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom. Für diese Indikation ist nur Rivaroxaban zugelassen. Patienten mit einem nicht mehr als 7 Tage zurückliegenden koronaren Ereignis erhielten randomisiert und doppelblind 2x2,5 mg/die oder 2x5 mg/die Rivaroxaban oder Placebo über eine mittlere Dauer von 13 Monaten (3). Mehr als 90 % der Patienten erhielten Acetylsalicylsäure und ein Thienopyridin. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Beide Dosierungen bewirkten eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes um etwa 15 %. Nur bei der niedrigeren Dosierung von Rivaroxaban wurde ebenfalls eine Reduktion kardiovaskulärer Todesfälle um 34 % und Todesfälle jeglicher Ursache um 32 % beobachtet. Die positive Wirkung war jedoch mit einem deutlichen Anstieg des Risikos schwerwiegender nicht mit einer Bypass-Operation assoziierter Blutungen verbunden. Bei der niedrigen Dosierung stieg das Risiko um das 3,46fache, bei der höheren Dosierung sogar um das 4,47-fache. Einer Subgruppenanalyse zufolge überstieg die Erhöhung des Blutungsrisikos bei Patienten >65 Jahre (5,03-fach), Frauen (6,41fach), einem Körpergewicht <60 kg (7,42-fach) oder >90 kg (5,46-fach), einer Creatinin-Clearance <50 ml/min (6,8-fach) oder bei Diabetes mellitus (5,09-fach) den o.g. durchschnittlichen Wert. Dies galt auch für Patienten, die in Nordamerika rekrutiert wurden (8,01fach). Allerdings gab es keinen Unterschied zwischen Verum und Placebo bei der Rate tödlicher Blutungen. Das Ergebnis dieser Studie könnte zu einer Erweiterung der bislang auf Hemmer der Aggregation von Thrombozyten fixierten Prophylaxe koronarer Ereignisse führen. Allerdings sollten weitere Erkenntnisse zum Verhältnis von Nutzen und Risiko gewonnen werden um außerhalb von klinischen Studien und insbesondere bei den o.g. Patientengruppen, eine Entscheidung für eine solche Kombinationstherapie abzusichern. Wegen des erhöhten Blutungsrisikos und Problemen mit - 190 - der Studie selbst haben die Behörden in den USA die Zulassung von Rivaroxaban für diese Indikation bereits zum zweiten Mal abgelehnt (Weblink 12). Nebenwirkungen Blutungen (Anämie) Häufigkeit abhängig von Indikation schwerwiegende Blutungsereignisse seltener als bei Warfarin kein spezifisches Antidot verfügbar cave: Nierenfunktionsstörungen, Interaktionen weitere häufige Nebenwirkungen abhängig vom Arzneistoff • • Blutungen Die wichtigste und potentiell lebensbedrohliche Nebenwirkung der neuen Antikoagulantien sind Blutungen. Das Risiko von Blutungen ist bei allen neuen Antikoagulantien im Allgemeinen am größten, wenn diese zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern eingesetzt werden (Weblinks 7-9). Im Vergleich zu Warfarin zeigte sich allerdings ein geringeres Auftreten von schwerwiegenden Blutungsereignissen wie intrakranielle Blutungen bei Rivaroxaban, Apixaban und beiden Dosierungen von Dabigatran. Eine geringere Rate aller Blutungsereignisse war bei 2x110 mg/die Dabigatran und 2x5 mg/die Apixaban zu beobachten. Auch bei der Indikation „Behandlung und Prophylaxe von TVT und LE“ zeigte sich eine verringerte Rate schwerwiegender Blutungen bei Apixaban und Rivaroxaban, jedoch nicht bei Dabigatran. Die in den Zulassungsstudien beobachteten Blutungen traten an nahezu jedem Organ auf und deren Häufigkeit schwankte in gewissen Grenzen je nach Arzneistoff und Indikation. Vereinfacht zusammengefasst wurden dabei folgende Blutungen mit einer Häufigkeit von ≥ 1 % bis < 10% (häufig) festgestellt. • • • • • Blutungen am Auge (einschließlich Bindehautblutung) Hautblutung (Ekchymose, kutane und subkutane Blutungen) Hämatome Epistaxis Hämoptyse Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch • • • • Gastrointestinale Blutung Rektalblutung Zahnfleischblutung urogenitale Blutung (incl. Hämaturie, Menorrhagie) Im Zusammenhang mit den Blutungen steht auch die häufig auftretende Anämie. Schwerwiegende Blutungsereignisse wie zerebrale und intrakranielle Blutungen treten zwar seltener als unter Warfarin aber immer noch mit einer Häufigkeit von ≥ 0,1 % bis < 1 % (gelegentlich) auf. Antidot Das Risiko von Blutungen ist dosisabhängig. Sollte eine Überdosierung oder eine Wirkungsverstärkung durch eine nicht erkannte Nierenfunktionsstörung oder eine klinische relevante Arzneimittel-Interaktion vorliegen ist das Blutungsrisiko erhöht. Ein spezifisches Antidot ist derzeit für keines der neuen Antikoagulantien verfügbar. Daher werden bei Blutungskomplikationen verschiedene Maßnahmen zur Behandlung empfohlen. Dies gilt auch für Blutungen, beispielsweise Verletzungen, die nicht auf einer Überdosierung beruhen, aber unter der Therapie auftreten können. Hierzu zählen die Verschiebung der nächsten Einnahme oder eine angemessene symptomatische Behandlung beispielsweise durch mechanische Kompression, chirurgische Hämostase oder die Verwendung von Blutprodukten wie Frischplasma. Bei nicht bedrohlichen klinisch relevanten Blutungen wird auch die topische oder systemische Anwendung von Tranexamsäure (Cyklokapron®) empfohlen (Weblink 13). Treten schwerwiegende Blutungen auf, wird die Gabe eines spezifischen Prokoagulans empfohlen, beispielsweise ein Prothrombin Komplex Konzentrat (PPSB), ein ak- - 191 - tiviertes Prothrombin Komplex Konzentrat (aPCC) oder ein rekombinanter Faktor VIIa (r-FVIIa) in Betracht zu ziehen (Weblinks 7-9). Keine dieser Maßnahmen bzw. Empfehlungen sind im Sinne von Nutzen und Risiko klinisch geprüft worden. Im Gegensatz dazu wird derzeit eine Phase II Studie mit dem neu entwickelten niedermolekularen Antidot PER977 (Abb. 5) an 40 Probanden durchgeführt, mit welcher u.a. die zur Aufhebung des antikoagulatorischen Effektes des derzeit noch nicht zugelassenen Faktor X Inhibitors Edoxaban notwendige Einzeldosis eruiert wird (Weblink 14). Ersten Untersuchungen an Probanden zufolge kann eine intravenöse Einzeldosis von 100 mg PER977 den antikoagulatorischen Effekt von 60 mg Edoxaban nahezu vollständig aufheben (44). Diese Dosis von Edoxaban hat sich zur Behandlung symptomatischer VTE als wirksam erwiesen (45). PER977 bindet in gleicher Weise auch Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban. Allerdings existieren zur klinischen Wirksamkeit hinsichtlich der Aufhebung der antikoagulatorischen Wirkung keine kontrollierten klinischen Studien. Weitere Nebenwirkungen Neben Blutungen traten weitere häufige Nebenwirkungen auf. Dies gilt für die Übelkeit bei allen neuen Antikoagulantien. Darüber hinaus wurden für Rivaroxaban (Weblink 8) über Pruritus, Hautrötung, periphere Ödeme, verminderte Leistungsfähigkeit (incl. Müdigkeit und Asthenie), Dyspepsie, Obstipation, Diarrhö, Erbrechen und Transaminasenanstieg berichtet. Bei Dabigatran traten häufig Bauchschmerz, Dyspepsie, Diarrhö und abnorme Leberfunktion auf (Weblink 7). Abb 5: Chemische Struktur von PER977 (Abb. aus (44)). Die Substanz wird derzeit an Probanden als Antidot für Endoxaban, nicht jedoch für Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban geprüft. Daher wäre denkbar, dass PER977 möglicherweise auch keine Zulassung als Antidot für diese Arzneistoffe erhält. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch • Kontraindikationen Überempfindlichkeit gegen Wirkstoff oder Hilfsstoff bestehende Risiken für schwerwiegende Blutungen eingeschränkte Nierenfunktion (CrCl <30 ml/min, nur Dabigatran) künstliche Herzklappen (nur Dabigatran) Kombination mit Ketoconazol, Ciclosporin, Itraconazol und Dronedaron (nur Dabigatran) Schwangerschaft und Stillzeit • • • • • • Die Kontraindikationen beziehen sich vorwiegend auf Situationen, bei welchen mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Blutungen gerechnet werden muss. Dies betrifft beispielsweise • • • - 192 - Vorerkrankungen wie gastrointestinale Ulzerationen, maligne Neoplasien mit hohem Blutungsrisiko, Ösophagusvarizen, kürzlich aufgetretene intrakranielle Blutungen, akute Blutungen, arteriovenöse Fehlbildungen, vaskuläre Aneurysmen oder größere intraspinale oder intrazerebrale vaskuläre Anomalien, Lebererkrankungen mit Koagulopathie und klinisch relevantem Blutungsrisiko Verletzungen kürzlich aufgetretene Hirn- oder Rückenmarksverletzungen, chirurgische Eingriffe kürzlich erfolgte chirurgische Eingriffe an Gehirn, Rückenmark oder Augen Kombination mit anderen Antikoagulantien bei gleichzeitiger Anwendung von Heparinen oder weiteren oralen Antikoagulantien Darüber hinaus gelten bei Dabigatran auch eine starke Einschränkung der Nierenfunktion (CrCl <30 ml/min), die gleichzeitige systemische Behandlung mit Ketoconazol, Ciclosporin, Itraconazol und Dronedaron sowie das Vorliegen künstlicher Herzklappen, die eine gerinnungshemmende Therapie benötigen, als Kontraindikation. Allerdings wird bei künstlichen Herzklappen auch die Anwendung von Apixaban und Rivaroxaban nicht empfohlen. Fazit Die neuen Antikoagulantien weisen bei nahezu jeder Indikation für die sie zugelassen wurden mehr oder weniger Vorteile gegenüber der Standardtherapie auf. Dies gilt bei allen drei Arzneistoffen für die Art der Anwendung, beispielsweise eine orale statt einer parenteralen Applikation, oder der Wegfall der bei Vitamin-K-Antagonisten erforderlichen INR Kontrolle. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen therapeutischem Nutzen und Risiko lassen sich beim indirekten Vergleich für jede Indikation mehr oder weniger große Unterschiede feststellen. Da keine direkten Vergleichsstudien zwischen den neuen Antikoagulantien vorliegen, muss trotz der oft ähnlichen Studienprotokolle offenbleiben, ob solche Unterschiede tatsächlich existieren. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(6):177-196 Neue orale Antikoagulantien systematisch - 193 - Hinweise Weiterbildung für Apothekerinnen und Apotheker Diese Übersicht ist Bestandteil der Seminarunterlagen der Weiterbildungsseminare “Pharmakotherapie von HerzKreislauferkrankungen” und „Pharmazeutische Betreuung von Antikoagulanz-Patienten, Teil 1“ des Autors, welches im Rahmen der Weiterbildung zum “Fachapotheker für Allgemeinpharmazie” durch die Apothekerkammern Nordrhein angeboten wird. Erklärung zu Interessenkonflikten Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2 und Referentenhonorare3 von den Arzneimittelherstellern: Actavis1, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1 (heute UCB), Pfizer1,2 und Shire1 Weblinks 1) Hohlfeld T, Kojda G. Venöse Thromboembolien. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2014;8(3):77-91 (3. 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Ablehnung der Zulassung von Rivaroxaban zur Anwendung bei akutem Koronarsyndrom durch das „Cardiovascular and Renal Drugs Advisory Committee“ (16.01.2014) http://www.fda.gov/downloads/advisorycommittees/committeesmeetingmaterials/drugs/cardiovascularandrenaldrugsadvisorycommittee/ucm396034.pdf 13) Webseiten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Leitfaden: Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern, Stand September 2012 http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/LF/index.html 14) Register klinischer Studien des U.S. National Institutes of Health, Phase II Studie mit PER977, Zugriff 5.12.2014 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02207257 Literatur 1. Goldhaber SZ, Bounameaux H. Pulmonary embolism and deep vein thrombosis. Lancet 2012;379:1835-46. 2. Kucher N. Clinical practice. Deep-vein thrombosis of the upper extremities. N Engl J Med 2011;364:861-9. 3. Mega JL, Braunwald E, Wiviott SD, et al. 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