Akute und posttraumatische Belastungsstörung - Ein Werkstattbericht von André Strahl & Beate Straube Dozentin: Prof. Dr. G. H. Franke Seminar: Testen und Entscheiden Gliederung Diagnosekriterien nach DSM IV und ICD10 Epidemiologie Zusammenhang zwischen akuter und posttraumatischer Belastungsstörung Komorbiditäten Diagnostik Unsere Fragen Diagnostische Kriterien DSM IV Posttraumatische Belastungsstörung 309.81 A: Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert 1. Person erlebte, beobachtete ein Ereignis, das den tatsächlichen oder drohenden Tod, ernsthafte Verletzung oder die Bedrohung körperlicher Unversehrtheit beinhaltete 2. Reaktion der Person umfasste intensive Flucht, Hilflosigkeit oder Entsetzen B: Das Ereignis wird beharrlich wieder auf eine der folgenden Weisen wieder erlebt: 1. Wiederkehrende belastende Erinnerungen 2. Wiederkehrende belastenden Träume 3. Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wieder kehrt 4. Psychische Belastung bei internalen oder externalen Hinweisreizen die an das Ereignis erinnern 5. Körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen Diagnostische Kriterien DSM IV Posttraumatische Belastungsstörung 309.81 C: Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden sind, oder eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität (=Fähigkeit sensibel zu reagieren): 1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen. 2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen. 3. Unfähigkeit, einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern. 4. Deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten. 5. Gefühl der Losgelöstheit und Fremdheit von anderen. 6. Eingeschränkte Bandbreite des Affekts (z.B. Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden). 7.Gefühl einer eingeschränkten Zukunft (z.B. erwartet nicht, Karriere, Ehe, Kinder oder normal langes Leben zu haben). Diagnostische Kriterien DSM IV Posttraumatische Belastungsstörung 309.81 D: Anhaltende Symptome erhöhten Arousals (vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor: 1. Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen. 2. Reizbarkeit oder Wutausbrüche. 3. Konzentrationsschwierigkeiten. 4. Übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz). 5. Übertriebene Schreckreaktionen. E: Das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) dauert länger als 1 Monat. F: Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Diagnostische Kriterien ICD 10 Posttraumatische Belastungsstörung F43.1 Kriterien: 1. Person muss mit einem Ereignis außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß konfrontiert gewesen sein 2. Diese Ereignis würde bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen Notwendige Symptome: 1. Wiederholte unausweichliche Erinnerung und Wiederinszenierung des Ereignisses im Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen Andere typische Symptome: 2. Andauerndes Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit gegenüber der Umgebung, Anhedonie 3. Vermeidung von Aktivitäten oder Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wecken Diagnostische Kriterien DSM IV Posttraumatische Belastungsstörung 43.1 Gewöhnliche Symptome: 4. Vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, übermäßiger Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit 5. Angst und Depressionen Seltene Symptome: 6. Dramatische, akute Ausbrüche von Angst, Panik oder Aggression Zeitlicher Rahmen: Symptome treten üblicherweise innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden Ereignis auf Diagnostische Kriterien DSM IV vs. ICD 10 Übereinstimmung innerhalb der Kernsymptomatik Wiedererleben, Vermeidung, emotionale Taubheit, Übererregung Unterschiede bei der Gewichtung der Symptome ICD 10: Schwerpunkt auf Wieder erleben DSM IV: Schwerpunkt auf Vermeidungs- und Taubheitssymptome (da hier 3 Symptome vorhanden sein müssen Andrews et al. (1999) fanden eine PTB-Prävalenz nach ICD von 7% und nach DSM IV von 3% Übereinstimmung der beiden Diagnosesysteme betrug 35% Epidemiologie Prävalenzraten aus USA von 5-10% Deutschland 1,3-3,2% Jedoch liegen unterschiedliche Altersgruppen zu Grunde Epidemiologie Maercker, Forstmeier, Wagner, Glaesmer & Brähler (2008): Stichprobe (von 2005) 2426 Probanden von 14-93 Unterteilt in drei Altersgruppen davon 814 über 60 53,9% Frauen, 46,1% Männer Erhebungsinstrumente: Liste mit traumatischen Ereignissen (abgewandelt aus M-CIDI) Modifizierte Posttraumatic Symptom Scale (PSS) Epidemiologie Maercker, Forstmeier, Wagner, Glaesmer & Brähler (2008): Ergebnisse: Traumatisches Ereignis: 28% w, 20,9% m PTBS: 2,3% (Einmonatsprävalenz) 12% Wahrscheinlichkeit von PTBS nach Trauma Epidemiologie Wahrscheinlichkeit am höchsten bei Vergewaltigung (37,5%) Kindesmissbrauch (35,3%) lebensbedrohliche Krankheiten (23,4%) kriegsbedingte Traumata geringer (8%) Zusammenhang zw. akuter und posttraumatischer Belastungsstörung Studie von Harvey, A.G. und Bryant, R.A. (1998) Untersuchten die Ausprägung akuter und posttraumatischer Belastungsstörungen bei Überlebenden eines Autounfalls n=92 (61/31) T1: 2 – 26 Tage nach dem Trauma T2: 6 Monate nach dem Trauma Erhebungsinstrumente T1 Acute Stress Disorder Interview (ASDI) T2 PTSD Module vom Composite International Diagnostic Interview (CIDI) Zusammenhang zw. akuter und posttraumatischer Belastungsstörung Ergebnisse t1: 13% akute Belastungsstörung (n=12) 20,7% subklinisches Level einer akuten Belastungsstörung (n=19) Ergebnisse t2: 25,4% PTBS (n=18) 9,9% subklinisches Level einer PTBS (n= 7) Fazit: 78% der Patienten mit ASD Diagnose bildeten eine PTBS aus 60% der Patienten mit subklinischen Level einer akuten Belastungsstörung bildeten eine PTBS aus Komorbiditäten 50 – 90% aller PTBS-Patienten leiden an einer weiteren komorbiden psychischen Störung Subtanzabhängigkeit Generalisierte Angststörung Depressionen Dysthymia Æ Differentialdiagnose notwendig! Diagnostik Interviews SKID IDCL DIPS M-CIDI ASDI CAPS Fragebögen SASRQ ASDS LSC-R PCL IES-R FDS Diagnostische Interview SKID (klinisch strukturiertes Interview nach DSM-IV) IDCL (Internationale Diagnosen Checklisten) DIPS (Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen) Erlaubt DSM IV, als auch ICD 10 Diagnosen erfasst Informationen, die Planung und Durchführung psycho- bzw. verhaltens-therapeutischer Behandlungen notwendig sind M-CIDI (Munich - Composite International Diagnostic Interview) Klinisch strukturiertes Interview Modul zur Erfassung einer PTBS ASDI (Acute Stress Disorder Interview) Diagnostische Interview CAPS (Clinician-Administered PTSD Scale ) Erhebt Häufigkeit und Intensität von 17 Symptomen der PTBS Orientierung an DSM IV Deutsche Übersetzung in Planung Diagnose und Schweregradbeurteilung der PTBS durch standardisierte Auswertung Fragebogenverfahren Akute Belastungsstörung: SASRQ (Stanford Acute Stress Reaction Questionnaire) 30 Items Erfasst dissoziative Symptome, Symptome des Wiedererlebens, Vermeidungsverhalten und Angstsymptome ASDS (Acute Stress Disorder Scale) Screeninginstrument mit 19 Items Basierend auf DSM IV Fragebogenverfahren - ASDS BRYANT, MOULDS, AND GUTHRIE Briefly describe your recent traumatic experience: Did the experience frighten you? Yes or No Please answer each of these questions about how you have felt since the event. Circle one number next to each question to indicate how you have felt. 1 Not at all 2 Mildly 3 Medium 4 Quite a bit 5 Very much 1. During or after the trauma, did you ever feel numb or distant from your emotions? 2. During or after the trauma, did you ever feel in a daze? 3. During or after the trauma, did things around you ever feel unreal or dreamlike? 4 During or after the trauma, did you ever feel distant from your normal self or like you were watching it happen from outside? 5. Have you been unable to recall important aspects of the trauma? 6. Have memories of the trauma kept entering your mind? 7. Have you had bad dreams or nightmares about the trauma? 8. Have you felt as if the trauma was about to happen again? 9. Do you feel very upset when you are reminded of the trauma? 10. Have you tried not to think about the trauma? 11. Have you tried not to talk about the trauma? 12. Have you tried to avoid situations or people that remind you of the trauma? 13. Have you tried not to feel upset or distressed about the trauma? 14. Have you had trouble sleeping since the trauma? 15. Have you felt more irritable since the trauma? 16. Have you had difficulty concentrating since the trauma? 17. Have you become more alert to danger since the trauma? 18. Have you become jumpy since the trauma? 19. When you are reminded of the trauma, do you sweat or tremble or does your heart beat fast? Fragebogenverfahren LCS-R (Life Stressor Checklist – Revised) Screeningverfahren zur Bestimmung eines Ereignisses, das die Kriterien eines Traumas nach DSM IV erfüllt PCL (Posttraumatic Stress Disorder Checklist) 17 Items Zwei Versionen: PCL-M – PTBS verursacht durch Militärtraumata PCL-C – PTBS verursacht durch generelle Traumata Fragebogenverfahren IES-R (Impact of Event Scale - Revised) 22 Items Erfasst das Wiedererleben, Vermeidungsverhalten und Überregbarkeit FDS (Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen) Screeningverfahren zur Erfassung verschiedener dissoziativer Phänomene (Depersonalisation und Derealisation) Unsere Fragen Ist die Implementierung eines obligatorischen PTBS - Screening in der Praxis sinnvoll und umsetzbar? Aus welchem Grund wird die Diagnose PTBS nicht / nur selten über den SKID vergeben Fehlt es an deutschen Assessmentinstrumenten?